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0ber einen Fall yon eigenartig10kalisiertenSyring0men in K0mbinati0nmit anderenEnticklungsan0malicn, Von Dr. Max Winkler (Luzern). Seit meiner letzten Mitteilung 1) iiber die Syringome im Jahre 1907 haben sich die Stimmen zu Gunsten der epithe- lialen Abstammung dieser Geschwulstform gemehrt~ wi~hrend die endotheliomatSse Theorie mehr and mehr an Boden ver- loren zu haben scheint. So sieht D ohiO) die Syringome als aus verlagerten Schweii]driisenkeimen entstanden ~n. Ebenso sprechen sichRiehl, a) Sutton und Dermic; a) Sequeira, ~) J o s e p h and S i e b e r t 6) fiir die epitheliale G enese der Syrin- gome aus. Neuestens kommen auch Ricker and Schwalb :) in ihrer Monographie ,die Geschwiilste der Hautdriisen" auf Grand eingehenden Literaturstudiums zum Schlusse, ,dal] die Syringome einen wohl charakterisierten Typ der fibroepithelialen Geschwiilste der SchweiBdriisenausfiihrungsg~nge darstellen." Die n'~chfolgende kasuistische Mitteilung rechtfertigt sich wohl wegen der eigenartigen Lokalisation der Affektion am 1) Winkler, M. Weitere kasuistische Beitr~ge zu den multiplen symmetrischen Gesichtsnaevi. Archiv f. Derma~:ologie und Syphilis. 1907. Bd. LXXXVI. ~) D o~ i. Uber das sogenannte Lymphangioma tuberosum multiplex. Archly ffir Dermat. u. Syph. Bd. LXXXVII]. 8) Riehl. Verhandlungen der Wiener dermat. Gesellschaft. 7. Mai 1913. Archly f. Dermat. u. Syphilis. Bd. CXVII. p. 108. a) Sutton und Dennic. The Journal of the American medical Association. 1912. p. 33~. ~) Sequeira. Verhandlangen der Royal Society of Medeeine, 13. M~rz 1913. Referat: Archiv f. Dermat. u. Syphilis. Bd. CXV. p. 1033. 6) Joseph und Siebert. Dermatologische Wochensehrift. Nr. 15. p. 421. Bd. LVI. 7) Rieker und Schwalb. Die Geschwiilste der Hautdriisen. Berlin 1914. u S. Karger. 28*

Über einen Fall von eigenartig lokalisierten Syringomen in Kombination mit anderen Entwicklungsanomalien

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0ber einen Fall yon eigenartig 10kalisierten Syring0men in K0mbinati0n mit anderen Ent icklungsan0malicn,

Von Dr. Max W i n k l e r (Luzern).

Seit meiner letzten Mitteilung 1) iiber die Syringome im Jahre 1907 haben sich die Stimmen zu Gunsten der epithe- lialen Abstammung dieser Geschwulstform gemehrt~ wi~hrend die endotheliomatSse Theorie mehr and mehr an Boden ver- loren zu haben scheint. So sieht D ohiO) die Syringome als aus verlagerten Schweii]driisenkeimen entstanden ~n. Ebenso sprechen s i c h R i e h l , a) S u t t o n und D e r m i c ; a) S e q u e i r a , ~) J o s e p h and S i e b e r t 6) fiir die epitheliale G enese der Syrin- gome aus. Neuestens kommen auch R i c k e r and S c h w a l b :) in ihrer Monographie ,d ie Geschwiilste der Hautdri isen" auf Grand eingehenden Literaturstudiums zum Schlusse, ,dal] die Syringome einen wohl charakterisierten Typ der fibroepithelialen Geschwiilste der SchweiBdriisenausfiihrungsg~nge darstellen."

Die n'~chfolgende kasuistische Mitteilung rechtfert igt sich wohl wegen der eigenartigen Lokalisation der Affektion am

1) Wink le r , M. Weitere kasuistische Beitr~ge zu den multiplen symmetrischen Gesichtsnaevi. Archiv f. Derma~:ologie und Syphilis. 1907. Bd. LXXXVI.

~) D o~ i. Uber das sogenannte Lymphangioma tuberosum multiplex. Archly ffir Dermat. u. Syph. Bd. LXXXVII].

8) Riehl . Verhandlungen der Wiener dermat. Gesellschaft. 7. Mai 1913. Archly f. Dermat. u. Syphilis. Bd. CXVII. p. 108.

a) S u t t o n und Dennic . The Journal of the American medical Association. 1912. p. 33~.

~) Seque i ra . Verhandlangen der Royal Society of Medeeine, 13. M~rz 1913. Referat: Archiv f. Dermat. u. Syphilis. Bd. CXV. p. 1033.

6) J o s e p h und S i ebe r t . Dermatologische Wochensehrift. Nr. 15. p. 421. Bd. LVI.

7) R i e k e r und Schwalb . Die Geschwiilste der Hautdriisen. Berlin 1914. u S. Karge r .

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Skrotum und Fenis und wegen des gleichzeitigen Vorhanden- seins anderer Entwicklungsanomalien.

Am 17. M~irz 1913 konsultierte reich ein 22j~hriger Landarbeiter wegen einer eigentiimllchen Affektion am Skrotum und am Penis. Der Patient machte folgende Angaben:

Vor oinigen dahren sollen am Skrotum und an der Peniswurzel besonders der unteren Seite gelbliche KnStchen aufgetreten sein, an denen sich yon Zeit zu Zeit vereiuzelt eine leichte Entziindung ein- stellte, die den Patienten w~hrend mehrerer Tage beliistigte, um dann allm~ihlieh spontan abzuklingen. Patient will stets sehwiiehlieh gewesen sein. Sehwerere Krankheiten will er indessen nicht durehgemaeht haben. In der Familie ist ihm yon einer iihnliehen Affektion niehts bekannt. Eltern und Gesehwister sollen gesund sein. Bei der Rekrutierung ist Patient nieht diensttauglich befunden worden.

Sehlank gewaehsener, blasser, etwas sehw~ehlieh aussehender junger Mann. Stimmbrueh nicht erfo]gt. Schnurrbart und Bart fehlen. Achsel- haare und Schamhaare sehr sp~irlieh entwickelt. Testikel sehr klein, unentwickelt wie bei einem Knaben. Penis ebenfalls klein.

An der Skrotalhaut und auf der unteren Seite des Penis im hintersten Teile nahe der Wurzel sind eine grol]e Zahl gelblicher KnStehen yon versehiedener Gr6Be zu konstatieren. Die gr613ten erreichen fast den Umfaag eines kleinen Kirschkerns, die kleineren sind steeknadelkopfgrol~ und noch kleiner. Die grSl~eren KnStchen haben einen ausgesprochen gelblichen Farbenton, w~hrend die kleineern gelbweiBlich sind. An einem KnStehen am Skrotum findet sieh eine leichte Entzfindung im Sinne einer Follikulitis.

Auf den ersten Blick machte die Affektion den Eindruck yon Talgdriisenretentionszysten. Es wurde nun versuchsweise die Epidermis und die oberste Kutisschicht iiber einem der grSBeren KnStehen eingeritzt u n d e s konnte dann ein weii~es kleines Kiigelchen veto Charakter eines minimalen Atheroms herausgequetscht werden. Dieser u liei3 sieh an allen grSl~eren KnStchen wiederholen. Beim Zerdriicken des KnStchens zeigte sieh eine atherom~hnliche Masse. Da eine bestimmte Diagnose nicht gestellt werden konnte, wurde ein Stiick yon der Skrotalhaut exzidiert und in eine Serie zerlegt.

Der histologische Befund war nun in der Beziehung iiber- rasehend, dab sich neben den grol3en Zysten typische Ver- iinderungen vom Charakter des Syringoms nachweisen lie~en. Herr Professor J a d a s s o h n in Bern, dem ich die Schnitte vorlegte, best~tigte die Diagnose and spreche ich ihm auch an dieser Stelle fiir die freundliche Durchsicht der Pr~parate und

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die dabei erhaltenen Anregungen meinen verbindlichsten Dank aus.

H i s t o l o g i s c h e r B e f u n d . Epidermis unver~ndert. Nur zeigt sich in den mittleren Partien, fiber den welter unten zu beschreibenden Zysten~ eine leichte Verschm~ilerung. In den Basalzellen findet sich eine ziemlich starke Pigmentierung.

In der Kutis fallen zun~ichst die grol~en Zysten auf, die schon makroskopisch sichtbar sind und die den im klinischen Tell besehriebenen atheromiihnlichen KnStchen entsprechen. Daneben sind stellenweise Ver~nderungen zu konstatieren, die in dem Geiibten sofort den Eindruck des Syringoms erwecken. Es handett sich bei ietzteren um Zellstr~inge und Zellkugeln. Die Zellkugeln lassen meistens grS•ere und kleinere Zysten mit kolloidiihnlichem Inhalte erkennen, Ver~nderungen, die schon l~ngst als charakteristiseh fiir Syringom anerkannt sind. Das Bindegewebe ist im Bereiehe dieser Neubildung vermehrt nnd kompakter als in der Umgebung.

Was den Zusammenhang dieser Syringome mit Sehweifl- drfisenausfiihrungsgiingen betrifft, so konnten an zwei 8tellen Befunde erhoben werden, die neuerdings zu Gunsten der Ab- stammung yon den Schweil3driisenausfiihrungsg~ingen sprechen.

A n einer Stelle kann man deutlich sehen, wie ein mit der SchweiBdrfise in Zusammenhang stehender Gang in den oberen Kutispartien in die epitheliale Wand einer Syringom- zyste iibergeht. Allerdings kann dieser Gang yon der Zyste aus nieht welter gegen die Epidermis zu verfolgt werden. Aber das kann, da die Serie nicht ganz liiekenlos gelungen ist, der Beobachtung entgangen sein.

An einer zweiten Stelle l~Bt sich ein Schweil]driisengang ~on der Epidermis her deutlich naeh der Tiefe zu ~erfolgen und man sieht, wie auch dieser Gang in das Epithel einer Zyste iibergeht. Vonde r Zyste aus l~[~t sieh der Gang nach den SchweiBdrfisen zu nicht mehr welter verfolgen.

Was nun die gro~en Zysten betrifft, so sind sie in den einzelnen Schnitten tells in der Einzahl, tells in der Mehrzahl (2--4) zu konstatieren, Die grSl]ten sind leer, die kleineren zeigen einen bei v a n G i e s o n - F~rbung graugelblieh, bei Hiimalaun-Eosinf:,irbung rStlich gef~rbten Inhalt mit z. T.

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konzentrischer Schichtung. Die Zystenwand wird yon 2--3 Zellagen yon Epithel gebildet. Diese Zellen sind stark abgeplattet und enthalten stellenweise reiehlich Keratohyalin. Um die Epithelwand herum finder sich eine bindegewebige Hiille yon dichten Bindegewebsfasern.

Ein eigenartiger Befund konnte an eben solchen, etwas kleineren Zys~en erhoben werden. Es zeigt sieh, dal3 die Zyste nut zum Teil mit der oben beschriebenen Masse gefiillt ist, w~.hrend der Rest yon einem sehr zellreichen Bindegewebe eingenommen wird. An der ganzen Zyste ist die epitheliale Wand verschwunden. An deren Stelle zeigt sich iiberall wucherndes Bindegewebe in Form yon epithelioiden und Riesen- zel!en, die als FremdkSrperriesenzellen zu deuten sind. Diese Riesenzellen zeichnen sieh dureh ihre GrSl3e und den Kern- reiehtum aus. Es kSnnen darin 20 und mehr Kerne gez~ihlt werden, die z. T. exzentriseh gelegen, z. T. regellos iiber die Zellen ver~eilt sind. Die l~iesenzellen scheinen bindegewebigen Ursprungs zu sein und man kann wohl annehmen, dal] sie haupts~chlich an der ZerstSrung des Zysteninhaltes beteiligt waren. Zwischen die epithelioiden Zellen sind aueh Rundzellen in m~l]iger Zahl eingelagert. Die Genese der Riesenzellen l~l~t sich folgendermal]en erkl~ren. Durch irgendeinen entzfindlichen Prozel~ oder durch Druckwirkung geht die epitheliale Wand zu grunde. Das anliegende Bindegewebe ger~t in Wucherung, die Bindegewebszellen legen sich dem Zysteninhalt an, um- sehliel]en Teile des letzteren und die Riesenzellbildung ist da.

Es ist nun noch die Frage zu priifen, woher diese grol]en Zysten ihren Ursprung nehmen. Es kommen dabei differential- diagnostisch in Betracht: die Atherome. die Follikularzysten and die Milien.

Fiir Atherom sprechen die klinisch leieht zu bewerk- stelligende Herauspr~parierung der Geschwiilstchen, die sich nach Einritzen der Epidermis und der obersten Kutisschichten wie Atherome herausquetschen lassen; die gelblichweil]e bis gelbliche Farbe - - vielleicht fiir Atherome zu gelb - - und der Inhalt der Zysten, der kriimelig bis breiig ist. Mit v a n G i e s o n f~rbt sich der Inhalt nieht deutlich gelb, was gegen Milien and mehr ffir Atherom zu sprechen scheint, _~uch die

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Lokalisation am Skrotum ist eher im Sinne des Atheroms zu verwerten. Was gegen Atherom spricht, ist das Fehlen des PapillarkSrpers. Letzteres wiirde eher fiir Follikularzyste mit Degenerationserscheinungen sprechen. Man hat an einzelnen Stellen den Eindruck, als wenn diese Zysten ihren Ursprung aus zugrunde gegangenen oder fehlerhaft entwickelten Haar- b~lgen ni~hmen, aber etwas Sicheres liii~t sich hieriiber nicht aussagen. Was endlich die Milien betrifft, so wiirde alas Fehlen eines sieheren Zusammenhanges mit dem Follikel- oder Schweil~- driisenapparat ftir diese Diagnose sprechen. Dagegen sprechen der kriimelige Inhalt und die Farbe desselben bei van Gieson- F~rbung. I~ine sichere Entscheidung lii[~t sich also nicht treffen und kSnnen wir nur yon atheromiihnlicher Zystenbildung in der Kutis sprechen.

W i r h ~ t t e n a l s o b e i u n s e r e m F a l l e d i e K o m b i - n a t i o n e i n e r m a n g e | h a f t e n E n t w i c k l u n g d e r S e x u a l - o r g a n e ( T e s t i k e l u n d P e n i s ) u n d t ie r d a m i t z u s a m - m e n h ~ n g e n d e M a n g e l d e s S t i m m b r u c h e s u n d d e r H a a r e n t w i c k l u n g e i n e r s e i t s , d e r S y r i n g o m e u n d d e r a t h e r o m i i h n l i c h e n Z y s t e n b i l d u n g a n d e r e r s e i t s , ein Befund, der fiir eine fehlerhafte Keimanlage spricht, bei welcher verschiedene Orgausysteme betroffen worden sind. Diese Kombination ist interessant und spricht fiir die sehon oft betonte Annahme, dal~ es sich bei den Syringomen um Entwicklungsanomalien handelt, in gleicher Weise, wie solehe auch fiir die anderen naevusartigen Gesehwiilste angenommen werden.

Eingelaufen am 5. M~rz 1914.