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Uber Schmerzbek~impfung durch Analgetica. Von O. Schaumann, Innsbruck. Unter Analgesie versteht der Pharmakologe die spez.ifische Unter- driickung des Schmerzes, ohne .dab w~e bei der Lokalan~isthesie die periphere Nervenleitung unterbroehen oder wie beider Narkose die ge- samte Grol~hirnt~itigkeit attsgeschaltet wird. Der typische Vertreter so,1- cher spezifischer Anal getica- und nnr von diesen m6chte ich spre- ehen, n.icht yon den Antalgeticis tier Antipyretica~rc~he -- ist das Mor- ph,in. Hiezu kommen in n euerer Zei't, seitdem as mir durch eine glfick- liche Beobachtung gelun,gen war, auch ,bei relativ einfachen synthe- tischen Verbin.dnngen eine dem Morph~n qnolitativ vollkommen ana loge W~rkung aufzudecken, noch die Reihe synthetischer Anal- geSca, von denen als .die wichtigsten Vertreter Dolantin und P'olami- don genannt seien 1 Ffir die Analgesie ist charakteristisch, da~ nur der Schmerz unter- drfickt wird, w~i'hrend der Tastsinn in ,allen seinen Qualit~iten voll er- halten bleibt. Dies spr~cht bereits vom pharmakodynam, ischen Stand- punkt ans dafiir, ,dab wir im Schmerz eine eigene vom Tastsinn ab- zutrennende Sinnesempfindung vor uns ha~ben. Gestfitzt wird diese Ansicht d,urch d~ie klin~sche Beobachtnng 2 von F~illen, in denen von Geburt an tier Schmerzsinn v ollstiindig fehlte, w~ihrend der Tas~sinn voll erhalten war. Man kann also den Schmerz gewisserma~en als sechsten Sinn unseren anderen Sinnesempfindungen an die Se'ite s~tellen. Charakteristisch ffir die echten Analgetica ist ferner, da~ das Aus- mal~ tier Unterdriickang tier F olgen eines Schmerzreizes von ihrer Dos~erung a~bh~r~gig ist, was bei den Ant,algeticis nicht in dieser einer Dosis-Wirknngskurve entsprechenden Weise der Fall ist. Bei klein- ster Dosie'ru~g wird zuniichst das snbjektive Schmerzerlebnis unter- drfickt, bei stei,gender D(~$ier~ung folgen dan~ die Schmerzempfindung, die unbewul~ten Schmerzreaktionen und schlie~lieh auch relativ ein- f~ache nocicepfive Reflexe. Die h5chste Form des Schmerzes is~ die allein dem Menschen vovbehaltene Transformation der Schmerz- empfin,dung zum Schmerzerlebnis, die parallel geht mit der F~ihigkeir des Menschen znr Erkenntnis, mit der F~ihigkeit, d~s Gute, SchSne

Über Schmerzbekämpfung durch Analgetica

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Uber Schmerzbek~impfung durch Analgetica. Von

O. S c h a u m a n n , Innsbruck.

Unter Analgesie versteht der Pharmakologe die spez.ifische Unter- driickung des Schmerzes, ohne .dab w~e bei der Lokalan~isthesie die periphere Nervenleitung unterbroehen oder wie beider Narkose die ge- samte Grol~hirnt~itigkeit attsgeschaltet wird. Der typische Vertreter so,1- cher spezifischer Anal g e t i c a - und nnr von diesen m6chte ich spre- ehen, n.icht yon den Antalgeticis tier Antipyretica~rc~he - - i st das Mor- ph, in. Hiezu kommen in n euerer Zei't, seitdem as mir durch eine glfick- liche Beobachtung gelun, gen war, auch ,bei relativ einfachen synthe- tischen Verbin.dnngen eine dem Morph~n qnolitativ vol lkommen ana loge W~rkung aufzudecken, noch die Reihe synthetischer Anal- geSca, von denen als .die wichtigsten Vertreter Dolantin und P'olami- don genannt seien 1

Ffir die Analgesie ist charakteristisch, da~ nur der Schmerz unter- drfickt wird, w~i'hrend der Tastsinn in ,allen seinen Qualit~iten voll er- halten bleibt. Dies spr~cht bereits vom pharmakodynam, ischen Stand- punkt ans dafiir, ,dab wir im Schmerz eine eigene vom Tastsinn ab- zutrennende Sinnesempfindung vor uns ha~ben. Gestfitzt wird diese Ansicht d,urch d~ie klin~sche Beobachtnng 2 von F~illen, in denen von Geburt an tier Schmerzsinn v ollstiindig fehlte, w~ihrend der Tas~sinn voll erhalten war. Man kann also den Schmerz gewisserma~en als sechsten Sinn unseren anderen Sinnesempfindungen an die Se'ite s~tellen.

Charakteristisch ffir die echten Analgetica ist ferner, da~ das Aus- mal~ tier Unterdri ickang tier F olgen eines Schmerzreizes von ihrer Dos~erung a~bh~r~gig ist, was bei den Ant,algeticis nicht in dieser einer Dosis-Wirknngskurve entsprechenden Weise der Fall ist. Bei klein- ster Dosie'ru~g wird zuniichst das snbjektive Schmerzerlebnis unter- drfickt, bei stei,gender D(~$ier~ung folgen dan~ die Schmerzempfindung, die unbewul~ten Schmerzreaktionen und schlie~lieh auch relativ ein- f~ache nocicepfive Reflexe. Die h5chste Form des Schmerzes is~ die allein dem Menschen vovbehaltene Transformation der Schmerz- empfin,dung zum Schmerzerlebnis, die parallel geht mit der F~ihigkeir des Menschen znr Erkenntnis, mi t der F~ihigkeit, d~s Gute, SchSne

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0. Sehaumann: 13her Sehmerzbekgmpfung durch An~lgetioa. 107

und Wahre lustvoll zu erleben a. Beim Tier bleibt der Schmerz dne einfache Reflexempfindung, welche die zum grSl]ten Tell .unbewugten Schmerzreaktionen ausl6st. Die Hauplaufgabe der klinischen Anal- gesie bes:teht nun darin, die letzten Stufen des Schmerzkomplexes, den Ubertritt ins Bewul~tsein, vo.r allem das Schmerzerlebnis, wieder zur einfaehen Sehmerzempfin.dung zu reduzieren. Dies.e Wirkung besitzen .das Morphin und ,die neuen ,synthetisehen Analgetiea in hohem Mage. Wiehtig nnd vor allem ,aueh theoretiseh interessant ist, dal] bei oplisch aktiven Verb~nd'ungen .das link.s-Isomere analgetiseh um ein Vielfaehes stfirker wirksam ist als die reehts drehende Verbin,dung.

Der Pharmakologe wird nach Fests.ldlung dner Wirknng seine Hanplaufgabe .darin sehen, .den An,griffsp.unkt und den Wirkungs- meehanismns des .belreffenden Pharmakons zu erforsehen.

Naeh den s,ehSnen Ansfiihrungen yon Kollegen Ebbecke ist nun der Seh~nerz in allen seinen aueh .s'ubjekfiven Xul]erungen als Reflex aufzufassen, so .d, ag al, le Ge.se.tzmiilaigkeiten, die uns yon ar~deren Reflexen her bekannt sin.d, sieh aueh auf den .Sehmerzk0mplex iiber- t.ragen lassen. Die Suche naeh dem Angriffspunkt tier Analgetiea wird sieh .daher darauf erstreeken miissen, den Punkt zu suchen, an dem dieser Reflex unterbroehen wird. Bd einem Reflex kSnnen wit nun rein sehematisch .folgende Tdle unterseheiden:

1. Den Reizempffinger, 2. die afferente und efferente Ldtungsbahn, 3..das Erfolgsorgan ,und sehliel~lieh, 4..die Sehaltstelle, in welcher der afferente Reiz in die efferente

Erregung umgewandelt wird. Eine &usschaltung tier Beizempldnger dutch die Analgetiea kann

ni,eht ,die Ursaehe fiir .die Unterdriiekun.g des Sehmerzreflexes sein. Wiire di'es tier Fall, dann miil].te .die geringste wirksame Dosis bereits siimttiehe Anger'ungen des Sehmerzreflexes unlerdrSeken. Dies ist nun keineswegs d'er Fall. Bereits z,ur Unterdrtiekung der Sehmerz- reaktion beim Tier sind um ein Vielfaches h6here Dosen n6lig als znr

k l in isehen Analgesie, zur A, ussehaltung des Sehmerzerlebnisses. Die afferenten oder efferenten Leitungsbahnen kSnnen ebenfalls

nieht die Stelle der Unterbrechung sdn, da .die Analgetie,a zwar eine lokalanRsthetisehe Wirkung besitzen k6nnen, abet nieht mfissen. Gerade das. Morp'hin ist lokalaniistheti.seh unwirksam.

A.ueh im Erfotgsorgan ~st .der Angriffspunkt mit grSBter Wahr- scheinli.eh.keit nieht z'u suchen, da im Fall der Unterdr/iekung des Schmerzerlebnisses nur dieses, n,ieht .aber .die anderen Funktionen der Grol~hirnr~nde unterdr/ickt wer, den.

Es bleibt also nur die Umschaltstelle al.s m5glicher Angriffspunkt fibrig. \Vir kSnnen mit grSgter Wahrseheinlichkeit annehmen, dal]

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I 0 S 0. Sehaumann :

unter ,der Wirkung der spezifischen Analgefica an diesen Stellen die unvermindert ank(nn~merrden Schmerzreize nicht mehr oder nut ab- geschwiic,ht a'uf die efferente Bahn fibertvagen werden. M,an kSnnte so mit einem Schlagwort des Morphin un,d die analog wirkenden Ver- bin d, ungen als ,,Ganglienbloeker afferenter Synapsen tier Schmerz- hahn" bezeichnen.

Ein direkter Beweis fiir diese Hypothese blei.bt aller, d'ings noch zu erbringen. Eine gewisse St/itze k5nnte eine Beobachtung geben, die Gagel 4 vor mehr a,Ls 10 Jahren gemacht hat. Man kann erwarten, dai] so wie eine chronische Einwirkung von Lokalan/isthetica zu degene- rativen Verfinderun~gen der Nervenfa,sern fiihrt, a, uch ,die chronische Anwendung yon Analgeticis mo.rphologisch erkennbare Ver/inderun- gen ihrer prim/iren Angriffspnnkte verursachen. Gagel konnte nun tats/ichlich dutch lang d~auernde Anwendung eben subtoxischer Dosen eines D olantinabkSmmlings als einzige morph.ologische Ver~inderung im Zentralnervensystem Degenerationserscheinungen an Ganglien- zellen der Substantia re ticularis nachweisen.

Die Annahme der Seh,altstellen als Angriffspunkte tier Analgetica kSnnte auch die zentralw/irts zunehmende Empfindlichkeit fiir die Wirkung der Analgetica erkl/iren. Wenn wit uns die Schmerzbahn als eine Kette yon hintereinander geschalteten Neuronen mit ,mehreren zwischengeschalteten SchalLstellen vorstellen, dann kSnnte die zentral- w/irts zunehmende Empfindlichkeit nichts anderes sein als eine Sum- mation yon Einzelwirkungen anf die einzelnen Schaltstellen. Der Reiz wird v on Schaltstelle z,u Schaltstelle ~bnehmen, his er schliefllich unterschwellig wird. Die Natur pflegt ja im allgemeinen im Laufe der Entwl,cklung w ohl atffzuba,uen, aber nicht umzubauen. Es isr n4,cht anzunehmen, d~lt da.s letzte G]ied einer Reflexkette einem anderen Wirkungsmechanismus gehorcht als die vo~rhergehenden.

Die Schwierigkeiten, den Schmerzkomplex als solchen pharmako- dynamisch zu analysieren, lieiten natfirl4ch den Wunsch aufkommen, hiefiir ein tier experimentellen Beobacbl'ung leichter zug~ingliches Modell zu su, chen. Ein solches scheint in deT ebenfalls als Reflex auf- zufassen, den Dfinndarmperistaltik v.orzuliegen. Hier haben wir den Dehnungsreiz als ~uslSsende Ursache, der s.chlieitlich unter Vermitt- lung einer Ganglien, kette zur AuslSsung der perislaltischen Welle fiihrt. Tats/ichlich ist diese Analogie anch pharmakodynamisch vor- handen. Alle morphin~ihnlichen Analgetica nnterbrech.en ,di eserr Re- flex, und zwar vollkommen parallel z,u ~hrer ,ana lgetischen Wirkungs- st/irke. A'uch bezii,glich der Empfind~iehke~t stehen sich Analgesie und Peristalfikunterbrechung sehr nahe. Die Peristaltik wird bereits durch Konzentrafion der Ana~getica, die je nach ~hrer analgetischen Wir- kungsslfirke zwischen 1 : 10 bis 100 Mi]lionen betragen, unterdriickt.

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J~hnliche Konzentrationen finden sich in den K6rpers~iften bei an- algetisch wirksamen D osen.

Man wird also m~t einiger Berechtigung diese reflektoris,chen Vor- g~inge an tier Dfinndarmmuskulatur ffir Studien fiber Angri,ffspunkt und Wirkungsmechanismus der Analgetica heranziehen kSnnen. Dies h~itte den gro.Ben G.ewinn, ,sich ffir solche Untersuchungen alle Vor- teile zunutze zu machen, die alas Arbeiten an isolierten Organen mit sich bringt. Vor allem siu,d hier Vergleichsversuche an] gleichen Ob- jekt ,und unter glei, chen Bedingungen mSglich.

Dies .gilt vor allem, wenn man vevsuchen will, nun auch dem Wirkungsmechanismus n~iher zu kommen, was schlieBlich ,das End- ziel jeder pharmakolog~schen Analyse ist. Dieses Z~el zu err:eichen, ist bisher n,ur in wenigen F~illen in schliissiger We[se gelungen, wie z. B. bei der Wirkung der die Cholinesterase hemmenden Stoffe. In den rneisten Fiillen ist .der eigentliche Wirkungsmechanismus der W~rk- stofs immer noch verborgen. Wi'r wissen z.B. von den Narkotica, dab .sich ihre Wirkung auf die Zellgrenzfl~iehe beschr~inkt, bezfiglich der Lokal,an/isthetica wissen wir, wi.e Koll,ege Fleckenstein aus.g,ef/ihrt hat, dal~ ihre Wirkung in einer Verhinderung .der Depel,aris.afion in- fol.ge Diehtnng ebenfalls einer Grenzmembran besteht. Wie diese Permeabifit~its~indertmg der Membranen bei Na.rkose und Lokal- an/isthesie zustande kommt, dariiber geben diese Feststell'ungen jedoeh keine A1Jskunft.

Gasser und Erlanger 5 eharakterisi'eren die fihnli.che Situation be- ziiglich der Nervent~itigkeit in sehr drasfiseher Weise, in, dem tie den Akfionsstrom ,mi't dem Tieken einer Uhr verglei,chen. Beides sind nur wahrnehmbare Zeieben der T~itigkeit eines Mechanismus. Die Ge- schiehte der Nerven ist keineswegs erz~ihlt, wenn die Akfionsstr6me besctrrieben werden. Wir mils,sen etwas fiber den Mechanismus wissen, der sie hervcwb.ring~.

Bez/iglich d.er Diehtung yon Grenzmembranen fiir Ionenverschie- bungen dureh Lo.kalan~isthesie k6nnte man sich rein mo,dell,m~il~ig vorstellen, dal3 eine Emulsionsumkebr der arts Lipoid und w~il~r'iger Phase bestehenderL GTenzmen~bran an ,dieser Ersebeinung beteiligt ist. Nach Clowes 6 f'iihren lipoidl6sli,che Narkofica eine fiir wassergel6ste Ionen durehgfingige Emulsion yoga Lipoid in Wasser in eine fiir Ionen undurchg~ingige Emulsion yon Wasser in 01 mit zusammenh~ingen- der Lipoidschicht in reversibler Weise fiber. Genau das gleiche be- wirken nach eigenen Versu,ehen aueh die Basen der Loka;lan~.the- tica. Diese rein modellm~iffigen Vorstellungen miil3'ten n.atfirlich in sub:m~krosk.opisehe Dimensionen/ib.ertragen wer, den.

Es w~ire an sich verloeken, d, zwisehen der Wirkung der Lokal- an~isthetica und derjenigen ([er Analget~ea Parallelen zu ziehen. Aueh

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110 0. Schaumann :

den Lo,kalaniisthefiea kommt ja bei intraven6ser Anwendung eine allgemein analgetisehe Wirkung zu. DaB sie als Analgetiea keine gr6gere Bolle spielen, liegt hauptsiiehlich daran, dal3 ihre therapeu- tisehe Breite zu geting ist, .dag die analgetiseh wirksamen und die toxisehen Dosen zu n.ahe beieinander liegen. Au.eh beziiglieh der mut- mal~lichen Angri f fsp 'unkte- der Ranviersehen Schniirringe einerseits und der interneuralen Syn,apser~ anderseits - - kSnnte man Analogien konstruieren.

Zwisehen den Lok.alaniistheti,eis und .den Analgetieis yore Morphin- typ bestehen aber doch so weitgehende Untersehiede, daft ein gleicher Wirkungsmeehanismus auszusehlieBen ist. So spMt z. B. zum Unter- sehied yon .den L.A. bei den Analgeticis die Lipoidl6.sliehkeit der Basen keine mal~,gebliehe BoIle. Die Morphinbase ist praktiseh lipoid- unl6slieh. Gegen einen physi,kaliseh-ehemisehen Wirl~ungsmeehanis- mus sprieht aueh ihre groBe Spezifitiit beziiglieh der ehemiseheu Konstitution, die bei .den L.A. nieht vorhanden ist. Alle basisehen Ester der Benzoesiiure wirken mehr oder weniger lokalaniisthetiseh, wiihrend beim Morphin oder D olantin bereits die Umwandlung der N-Methylg'r~ppe die analgetische Wirkung aufhebt. Am deutliehsten zeigt sieh ,diese Spezifitiit bei den optisehen Isomeren der gleiehen Ver- bindung. Das reehtsdrehende N-Methyl-3-oxymorphinan i st minde- stens 100mal wenlger wirksa,m als das linksdrehende Isomere. Dies weist dara'uf hin, daft die Wirkung sich 'a~f einen spezifiseh a'ufgebau- ten optiseh aktiven Partner erstreekt und eine chemisehe Bindung eine maggeblie.he Bolle spielt.

Eine MSglichkeit, an .den Wirkungsmeehanismus heranzukom- men, w~ire die, naehzusehen, weleher Stoff in den a~fferenten Sehmerzbahnen .die Bolle eines humo,ralen gbertrdgerstoffes spielt, wie sie dem Aeetylc.holin fiir effe.rente Nervenbahnen zttgesehrieben wi~d. Manches scheint dafiir zu sprechen, d,ag. hier dem Histamin eine wesentliche Rolle zufallen k6nnte.

Histamin wurde schon wiederholt in sensiblen Nerven nach- gewiesen, ebenso, dab bei Beizung sensibler Nerven eine Zunahme ihres Histamingehaltes eintritt. Man hat daher an das Hist,amin als Aktionssubstanz sensib]er Nerven gedacht und sogar von histamin- ergen Nerven gesprochen.

Man darf daher die M6glichkeit einer Mittlerrolle des Histamins nicht n ur bei der AuslSsang des Schmerzreizes, sondern auch fiir die Schmerzleitung nicht auBer Betracht lassen. Eine Wirkung der Anal- getica gegen bereits gebil,detes Histamin ko.mrnt ihnen erwiesener- maBen nicht zu. Antihistamine sin.d auch keine An.Mgetica. Dagegen k6nnte evenfuell die Histaminbildung am wirkungsort .der Analgetiea unterdriickt werden. Fiir eine solche Hemmung der Histaminbildung

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k6nnte sprechen, dal] nach vorheri,ger Morphingabe entziindungs- erregende Reize zu keiner Entzfindung ffihren, z.B. die Senf61- chemosis ausbleibt. Delngegenfiber wiire jedoch zu bedenken, dab - - wie dies Lewis und Marvin 7 z. B. fiir den Herpes zoster angenolnmen ha~ben, die zur Entzfindung ffihrende Histaminbildung Folge eines durch den Schmerzreiz alasgel6sten rficklfiufigen reflek.torischen Vo.r- ganges ist, tier durch die Anal,gesie unterbrochen wird.

Gegen ,die Amaahme, dab eine Hemmung der Histaminbildung Ursache der analgetischen Wir,kung s eili kSnnte, spricht ferlier a,uch, dab nach Moss c. s. s die Flavolie mit Vitamin-P-Wirkung die Histi- dindecarboxylase hemmen, aber keine analgetisehe Wirkung besitzen.

SchlieBlich ist noch gar nicht nachgewiesen, daB das in sensiblen Nerven aufgefundene Histamin nicht bereits ein Abbauprodukt der eigentlichen Aktionssubstanz ist, was eine gewisse Wahrscheinlichkeit ffir si.ch hiitte. Die Rolle des Histamins fiir die Schmerzleitung ist daher n och recht problematisch.

F fir eine andere Hypothese fiber den Wirkungsmechanismus der Analgetica scheilit dagegen manches zu sprechen. Elliott 9 hat ge- fundeli, .dab sich Polami.don in besonders hoher Konzentration in .den Nebenliieren anreiehert und iiuBerte die Ansicht, dab die Analgesie nur Fol,ge einer A,drenalinausschiittung ist. Gestfitzt wird diese Ansicht durch are Beolo~chiun,gen 10, die von lug 11 c. s. sowie Leimd6rfer 12 in neuerer Zeit besliitigt wurden, dab Adrenalin uliter gewissen Um- st5nden zu einer Analgesie ffihren kann, dab die Analgetica [atsiich- lich zu einer Adrenalinausschiittung ffihren und .dab ihre Wirksam- keit an nebennierenlosen Tieren geringer ist.

Auch hier hiitten wir wieder einen AnalogiefMl am isolier[en Darm, Wie ,durch die Analgetica wird aueh durch Adrenalin bereits in kleinsten Dosen der Peristalfikreflex gehemmt. Da dies hier auch am isolierten OrB.an, also ohne Verbindung mit den Nebennieren der Fall ist, kann ffir dieseli Analogiefall .die Elliottsche Annahme nicht sti,mmeli. Man k5nnte aber annehmen, dab durch die Analgetica eine Adrenalinbildung in peripheren sympathischen Ganglien angeregt wird, eine Annahme, ,die als Wirkungsmechanismus fiir die Analgetica yon Pero bere~ts im JahTe 1939 gemacht wurde.

Die Adrenalinausschfittung in den Nebennieren wiire dann nur ein Spezialfall dieses all,gemeinen Wirkungsprinzipes nnd somit eine experimelltelle Stiitze fiir d4e Perosche Hypothese. Besonders be- merkenswert in diesem Znsammenhang ist, dab die Adrenalinaus- schfittung, gemesseli an tier Blutzuekersteigerung, der anatgetischen Wirkungsstiirke parallel geht, wie sich besonders deutlich an den o ptischen Isomeren zeigen lfil]t. Schliel~fich k6nnte die Zuriickdr~in-

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112 O. Sehaumann :

gung der Schmerzempfindung bei hochgradigen ergotropen Erre- gungsz,ust/inden diese Hypothese ebenfalls stfitzen.

Leider sind wir trotz z,ahlreicher Arbeiten fiber Adrenalin und Adrenalinwirkungen his heute noch vo]lkommen im Unklaren, worauf die hemmende W~rkung ,des Adrenalins auf .die Darmbewe- gungen und .damit vielleicht ,auch aaff ,die Schmerzempfindung letzten Endes beruht,

Da ~r bei allen Funkti.onen des tieri:schen Organismus fermen~ttiue Rea'ktionen :eine rn,aBgebtiche Rotie s,pielen, liegt ,~ nahe, die Hemmung irger~deines spezifisehen Fermentsystems als den grundlegenden Wirkungsmechanis.mns der Analgetica anznnehmen, Es hat daher au.ch nicht an Versuchen gefehlt, eine hemnaende Wir- kung der Analgetica auf Fermente nachzuweisen, del~en man eine maBgebliche Roile bei der Schmerzleitung zuzuschreiben gendgt war. Vor allem hat man such hier wieder zun~iehs,t an die Cholinesterase gedacht un,d vers'ucht, eine hemmende Wirkurtg tier Analgetica auf dieses Ferment naehzuweis,en. Tatsaehlich vermSgen An.algefic.a die Cholinestera~e zu hemmen. Aber die in .die~en Versuchen ang,ewand- ten Konzeatratienen si~cl so ho.ch, ;dab ~m Vergleieh zu den bei voll- kommener Anatgesi,e in den K6rpers~flen vorhandenen Konzenlra- tionen von einer spezffisehen Wi~kung nicht die Rede sein kann. AuBerdem ergi:bt sieh keinerlei Par:allelit/it zw~schen analgefiseher Wirksamkeit ur~d Hemmur~g der Cholinester,ase. Auch andere Fer- mentsy,steme wurden in ,den Kreis der Untersuchungen gezogen. So wurde naehgewiesen, daft die Atmung von Rattenhirn, die Bernstein- s~iure- und Brenz.traubens~iuvedehydrierur~g, die Hexokinase usw. durch Ana~getika unter gewissen Bedingungen ,gehemmt werden kSn- hen. Man gewinnt so den Eindruck, ,daft .die Analgefiea so wie sicher viele ,andere Verbindungen bei entsprechender Konzent, ration Fer- menlwirkungen hemmen kSnnen, ,d~13 abet von einer Spezifitfit bish~r keine Rede sein kann,

Alle Untersuchungen, ,die .sieh mit dem Wirkungsmechanismus der Analgetica beseh~iftigen, mfissen el.he Grundbedingung e~ffillen, das ist ,der Naehweis der Spezifit/it der Wirkung, der Nachweis, dab sie mit der analgefischen Wirksamkeit parallel geht, was bisher nicht geniigen, d beriicksichtigt worden ist. Am geeignetsten fiir der,artige Untersuchungen werden daher die optischen Isomeren der ,gleichen VerMn.dung s,ein, deren analgetische Wirksamkeit wie z.B. bei,m N-Methyl-Oxymo.rphinan lJm mehr ats das Hundertfache differieren .kann.

"W~hrend wir also beziiglieh ,des An,gr~ffspunktes der Analgelica schon mit einiger Wahrscheinlich,keii zuireffende Angaben machen k6nnen, bleiben alle Mut, maBungen fiber den Wirkungsmechanismus

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Uber Sehmerzbeki~mpfung dureh An~lgetie~. 113

vor l~ iu f ig n o c h u n b e w i e s e n e S p e k u l a t i o n e n , d e r e n W e r t a l s A r b e i t s -

h y p o t h e s e n m a n a ~ e r d o c h n i c h t a l l z u g e r i n g e i n s c h ~ i t z e n so l l t e . Z u -

n ~ c h s t m t i s s e n T ~ t s a c h e n g e s a m m e l [ w e r d e n u n d es m u 8 e i n e m

A u g e n b l i c k d e r E r l e u c h t u r L g v o r b e h a l t e n b l e i b e n , s~e d u r c h e i n e

S y n t h e s e z u e i n e r b e g r f i n d e t e n T h e o r i e z u v e r e i n e n .

Zusammenfassung. 1. Der Schmerz wird als gesonderter ,,sechster" Sinn den anderen Sinnes-

empfindungen an die Seite gestellt.

2. Die Analgetica vermSgen das Schmerzerlebnis auszulSschen, das als hSchste Form der Schmerzempfindung vorwiegcnd dem Menschen vorbehalten ist.

3. Der Angriffspunkt der Analgefica diirfle mit grSBter Wahrscheinlichkeit in den in die Schmerzbahn eingebauten Schaltstellen zu suchen sein.

4. Eine Analogie beziiglich des Wi rkungsmechan i smus zwischen den Anal- geticis und den Lokalaniistheticis ist unwahrscheinl ich .

5. Die bisherigen Hypothesen fiber den Mechanismus der Wi rkung der Anal- getika, die kurz diskutier t werden, sind nnbefriedigend.

Summary.

1. Pa in is added to the other sensations as a separate "s ixth" sense.

2. Analgetics are able to extinguish the experience of pain which, being the highest fo rm of pain sensation, is chiefly reserved to man.

3. The working point of analgetics is very likely to be sought in the relays buil t into the pa thways of pain.

4. An analogy with regard to the effect mechanisms between analgetics and local anaesthet ics is improbable.

5. The previous hypotheses on the effect mechan ism of analgetics, which are briefly discussed, are unsat isfactory.

R6sum~. 1. La douleur est h ranger aux autres sensations comme une ((sixibme)) sens

s6par6.

2. Les analg~siques sont capable d '6teindre l 'exp6rience de la douleur qui, 6tant la forme la plus haute de sensat ion de douleur, est r6serv6e, surtout,

l 'homme.

3. Le point d 'a t taque des analg6siques doit 6tre cherch(~, probablement , dans les relais intercal6s dans les votes de la douleur.

4." Une analogie du m6canisme d'effet entre les analg6siques et les anesth6- siques locaux est peu probable.

5. Les hypotheses ant6rieures sur le m6canisme effectif des analg6siques br~vement discut6es sont peu satisfaisantes.

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