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Aus dem Ins~i[ut ffir Gerichtliche Medizin der Universitiit Leipzig. (Direktor: Obermedizinalrat Prof. Dr. 1%. Kockel.) [Tber Veriinderungen der Zithne und Kieferknochen bei experimenteller chronischer Fluorvergiftung. Von Zahnarzt Wolfgang Pachaly. Mit 7 Textabbildungen. (Eingegangen am 14. III. 1932.) I. Literaturiibersicht. Brandl u. Tappeiner 1 haben schon 1890 tiber 11/2 Jahre lang einen 12,750 kg schweren tlund mit ~Natriumfluorid (0,1--0,9 g t~glich) geftittert und eine Speicherung yon Fluor besonders in Knochen, Knor- peln undZ~hnen gefunden. Die Zahnwurzeln sahenwie,, angefressen ~`aus. G. Sonntag ~ berichtete, da~ yon E. Rost mit Natriumfluorid (his 0,5 g tiiglieh) geftitterte Hun@ reichliche Calciumfluoridablagerungen in den Knochen aufwiesen. Au~erdem hat er an den Zahnen sehwere Ver- iinderungen osteoporotischer 5Tatur beobachtet. Die Z~hne waren kariSs und brtichig. Es kam zu einer schweren ZerstSrung des ganzen Gebisses. H. Cristialli 3 4, 5 und seine ~itarbeiter beschrieben Ver~nderungen am Knochensystem bei Ktihen, die in fluordampfhaltiger Luft in der 5~iihe von Aluminiumfabrikei1 weideten. Dutch langdauernde Verftitte- rung yon Fluorsalzen an 3[eerschweinehen erzeugte er bei ihnen ent- sprechende Veri~nderungen. Er bezeichnet die Erkrankung als ,,Fluor- kachexie". ~acCollum, Simmonds, Becker und Buntillg6 fanden starkes Wachstum der oberen Nagez~hne mit Fluor gesch~digter Ratten im 1 Brandl mid Tappeiner: Z. Biol. 98, 518 (1891). Sonntag, G.: Arbeit. aus dem Reichsgesundheitsam~ 50, 3. 3 Cristiani, H.: Ann. Hyg. 1925, H. 4. Derselbe: C. r. Soc. Biol. Paris 92, 946, 1276 (1925). Derse]be: 1)resse m6d. 34, Nr30, S. 469 (1926). MacOollum, Simmonds, Becker mid Buntillg: Zit. bei C. Bergara: C. r. Soc. Biol. Paris 97, 600 (1927). Archiv f. experimenf~. :Path. u. Pharmakol. Bd. 166. lt~

Über Veränderungen der Zähne und Kieferknochen bei experimenteller chronischer Fluorvergiftung

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Page 1: Über Veränderungen der Zähne und Kieferknochen bei experimenteller chronischer Fluorvergiftung

Aus dem Ins~i[ut ffir Gerichtliche Medizin der Universitiit Leipzig. (Direktor: Obermedizinalrat Prof. Dr. 1%. Kockel.)

[Tber V e r i i n d e r u n g e n d e r Zi thne u n d K i e f e r k n o c h e n bei e x p e r i m e n t e l l e r c h r o n i s c h e r F l u o r v e r g i f t u n g .

Von

Zahnarzt Wolfgang Pachaly.

Mit 7 Textabbildungen. (Eingegangen am 14. III. 1932.)

I. Literaturiibersicht.

B r a n d l u. T a p p e i n e r 1 haben schon 1890 tiber 11/2 Jahre lang einen 12,750 kg schweren t lund mit ~Natriumfluorid (0,1--0,9 g t~glich) geftittert und eine Speicherung yon Fluor besonders in Knochen, Knor- peln undZ~hnen gefunden. Die Zahnwurzeln sahenwie,, angefressen ~̀ aus.

G. S o n n t a g ~ berichtete, da~ yon E. R o s t mit Natriumfluorid (his 0,5 g tiiglieh) geftitterte Hun@ reichliche Calciumfluoridablagerungen in den Knochen aufwiesen. Au~erdem hat er an den Zahnen sehwere Ver- iinderungen osteoporotischer 5Tatur beobachtet. Die Z~hne waren kariSs und brtichig. Es kam zu einer schweren ZerstSrung des ganzen Gebisses.

H. Cr i s t i a l l i 3 4, 5 und seine ~itarbeiter beschrieben Ver~nderungen am Knochensystem bei Ktihen, die in fluordampfhaltiger Luft in der 5~iihe von Aluminiumfabrikei1 weideten. Dutch langdauernde Verftitte- rung yon Fluorsalzen an 3[eerschweinehen erzeugte er bei ihnen ent- sprechende Veri~nderungen. Er bezeichnet die Erkrankung als ,,Fluor- kachexie".

~ a c C o l l u m , S i m m o n d s , B e c k e r und Bunt i l lg6 fanden starkes Wachstum der oberen Nagez~hne mit Fluor gesch~digter Ratten im

1 Brandl mid Tappeiner: Z. Biol. 98, 518 (1891). Sonntag, G.: Arbeit. aus dem Reichsgesundheitsam~ 50, 3.

3 Cristiani, H.: Ann. Hyg. 1925, H. 4. Derselbe: C. r. Soc. Biol. Paris 92, 946, 1276 (1925). Derse]be: 1)resse m6d. 34, Nr30, S. 469 (1926). MacOollum, Simmonds, Becker mid Buntillg: Zit. bei C. Bergara: C. r.

Soc. Biol. Paris 97, 600 (1927). Archiv f. experimenf~. :Path. u. Pharmakol. Bd. 166. lt~

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2 W. PACHALY:

Gegensatz zu den unteren Schneideziihnen, die klein, weil~ und undurch- sichtig waren. Die Zhhne waren au~er0rdent]ich brfichig.

C. B e rga ra 1 konnte bei Ratten ebenfa]ls sehwere Schiidigungen am Zahn- und Knoehensystem feststellen. Er ist tier erste, der genauere Angaben fiber Zahnveranderungen bei chroniseher Fluorvergiftung maehte. Danaeh ze]gen fluorgesehadigte Ratten eine rStlichgelbe Ver- farbung des Schmelzes, eine VergrS~erung der oberen und eine Verklei- nerung der unteren 57agezi~hne, wobei die oberen Nageziihne starker als normal nach hinten gekriimmt waren. Die Schneidekante erschien stumpf, die oberen Schneideziihne im ganzen weniger transparent. Das spi~ter mitgeteilte Ergebnis der histologisehen Untersuchung lal~t fo]gendes ent- nehmen: Den in versehiedenen Abstulungen ausgepragten Vertarbungen der ~agezi~hne entspraehen bestimmte Vertiefungen im Zahnschmelz, die zur Schneidefliiche des Zahnes hin abnahmen. Im Zahnbein, das er- weiterte Interglobularriiume zeigte, verliefen zwisehen den Zahnbeinkanal- chen ,dunkle, linienfSrmige Streifen". B ergar a 2 schliel~t daraus aul eine Beeintrachtigung der Tatigkei't der Ameloblasten sowie der Odontoblasten, die jedoch nieht bis zu ihrer FunktionszerstSrung zu ffihren seheint.

Erst nach Beginn der eigenen Versuehe wurden in der deutsehen Fachliteratur verschiedene Arbeiten yon I. Chaneles a bekannt, der sich eingehend mit der experimentellen ,Fluorosis" befa~te. Er ftitterte 90 Tage lang weil~e Manse im Gewicht yon 68--93 g mit etwa 0,05 g/kg KSrpergewieht 7Natriumfluorid als Zusatz einer 0,5%igen 57atriumfiuorid- 15sung zu einer • die aus Weil~brot und Milch bestand. All- gemein wurde dutch die dauernde Fluordarreiehung die Vitalitat und das KSrpergewicht stark herabgesetzt, soda~ gelegentlich sehon dadurch der Tod eintrat. Zeiehen einer ,,Fluorkachexie" konnte er im Gegensatz zu H. Cr is t ian i 4 nicht feststellen. Die besonderen Zahnveranderungen zeigten sieh hauptsiiehlich an den Nagezahnen und bestanden aus einer Verfarbung, Form~nderung, Abbreehen der unteren und Verlangerung der oberen Schneidezahne sowie in ehemischen und mikroskopisehen Strukturveritnderungen. Die histologisehe Untersuehung ergab einen deutlich lame]laren Aufbau des Dentins. Aueh Chaneles betont die besondere Brfichigkeit des Schmelzes, die die Praparation ersehwerte.

1 Bergara, C.: C. r. Soc. Biol. Paris 97, 600 (1927). Derselbe: Rev. odontol6g. 9, Nr9, S. 802 (1929). Ref. in 5[isch: Fortschr.

Zahnheflk. 6, H. 1, S. 645. 3 Chaneles, I.: Roy. odontol6g. 1929, Nr9--12 und 1930 Nrl--4. Ref. in:

Lit. arch. Zahnheilk. 1931, H. 7, S. 595 und in Schweiz. Mschr. Zahnheilk. 1931, S. 923. 4 a.a.O.

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lJ~oer Veri~ndermngen der Z~lme und Kieferknochen. 3

Zwei weitere Gruppen yon weiBen 5Ii~usen fiitterte er Init Natriuinfluorid bzw. Init Natriuinfluorid und 2\Tatriuinjodid. Bei beiden Gruppen trat naeh 35 Tagen die Aufheltung der Nagezghrte, naeh 50 Tagen die Ein- kriimmung und eine hierin bedingte StSrung tier Kauti~tigkeit ein. Die histologisehen Ver/~nderungen waren bei der zweiten Gruppe, der Na- ~riumfluorid und Natriumjodid zugeftihrt wol"den war, am stiirksten. Der Schinelz einzelner N~gezghne wies eine Ballung der Prisinen und eine unregelin~13ige Form der Retziussehen Parallelstreifen auf. Das Dentin dieser Zi~hne war fast nieht verhndert. Nut in den gu6ersten Sehiehten waren unrege!ini~6ige Verkalkungsherde zn beinerken, die sieh nieht dureh den ganzen Zahn hindnrch erstreekten. Der Sehinelz der 3loIaren war normal, das Dentin jedoeh veri~ndert. Aul3erdein hat I. Chaneles bei einein weiteren Versueh Init weil3en gi~usen, denen er lgatriumfluorid gab, dureh ultraviolette Strahlen der sehi~digenden Wir- kung des Fluors vorbeugen kiJnnen.

II. Thema. Naeh alledem steht lest, dag das Fluor bei dauernder Einverleibung

aueh in niehtlebensgefi~hrliehen Mengen au6erordentlieh sehwere und tiefgreifende Veriindernngen an Zahn und Kiefer setzen kann. Die we- nigen, bisher vorgenoinmenen histologisehen Untersuehungen sind aber ungentigend. Die yon C. Berga ra 1 erwghnten ,,dun!den, linienfiSrinigen Streifen", die dem yon I. Chaneles 2 beobachteten ,,lamelli~ren Aufbau des Dentins" entspreehen, sind zudein naeh T a m a k a T o y o f u k u 3 auch regelmi~l~ig im norinalen Dentin der Ratte zu linden. Beide Autoren haben eine Sch~digung des Zahnkeiines nur vermutet, aber nieht naeh- gewiesen. Nach Veriinderungen an einem wiehtigen Tell des Paraden- tiums, dein Alveolarknoehen, ist tiberhaupt nieht geforseht worden. Es soil deshalb im folgenden die stSrende Wirkung des Fluors auf Z/ihne und Kiefer nliher untersueht werden.

Auf Veranlassung yon Dr. med. et phil. F. Tiinin, I. Assistenten am Institut fiir geriehtliehe ]~Iedizin der Universiti~t Leipzig, habe ieh es unternominen,

1. die pathologisch-anatomisehen Veri~nderungen am Zahn and Kieferknoehen bei chroniseher Fluorvergiftung zu untersuchen,

2. Init Hilfe einer Vitalfi~rbung weitere Aufsehliisse tiber den hierbei gestSrten Kalkstoffweehsel zu erhalten,

3. festzustellen, in weleher Weise eine CalciuInfiitterung Zahn und Kieferknoehen der fluorgeschi~digten Tiere beeinflul3t.

1 a. a.O. ~ a. a.O. a T oyofuku, Tamaka: Frankf. Z. Path. 7, H. 2 (1911). 1"

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4 W . PACHALY:

Es sei darauf hingewiesen, daf~ parallel zu diesen Untersuchungen

im oben genannten Insti~ut unter gleichen Gesichtspunkten die chro-

nische Fluorsch~digung des Skelettsystems yon cand. reed. W. D i t t r i ch 1

bearbeitet worden ist. Hieriiber wird demni~chst berichtet werden.

I I L u Zur LSsung der gestellten Aufgabe ist die yon G o t t l i e b u angcgebene und

yon PrS l l ~, a fiir KalkstoffwechselstSrungen empfohlene Methode der vitalen Kalkf~rbung mit Alizarin herangezogen worden. Als Versuchstiere wurden verwcndet: zwei Kaninchen, drei Meerschweinchen und zwSlf junge Ratten zur Fluorffitterung, vier junge Ratten als Kontrolltiere. Shmtliche Kaninchen und Ratten wurden aui~erdem der Alizarininjcktion unterworfen und ein Tell der Fluorratten nach Absetzung der Fluorapplikation mit Calcium lacticum geffittert.

Die Tabelle gibt die Versuchsanordnung im einzelnen wieder:

/ Gewieht in g / Fluornatr ium-

Tierart und zu Beginn (B) gabe in g/kg k

Tierbezeiehnung. und zum Ende (E) I KSrpergewicht Versuchstage der Versuehe I im Dureh-

im ganzen (im Durchschni t t schnit t pro Tier) pro Tier

Dauer der

Fluor- appli- kat ion

in Tagen

F Dauer und [ Alizarininjektion: Menge der x cem 1%iges alizarin-

I

Calcium laeti- sulfosaures •atr ium cum-Fii t terung in 1 monatliehem in Tagen und g Turnus am x t en Tag

pro Tier der Versuehe

63. (65.) 94. I96.)

Kaninchen 1, B 3150 0,24 140 - - 2 ecru 140 E 2240 per os 130.

Kaninchen 2, B 2720 12 Tg. 0,044 95 - - 2 ccm 110 E 2200 12 Tg. 0,037 73. (76.)

subkutan 71 Tg. 0,24

per os

3 Meer- B 500 0,24 66 schweinchen, E 350 per os

66 Ratten I: I B 130 0,145 73 24 0,2 ccm

6 groi3ejunge, E 136 per os 0~1 36. (38.), 63. (65.), im Durchschnitt 94. (96.)

74 bzw. 99 nut Ca-Tiere

Ratten 1I, B 83 0~12 73 24 0,2 ccm 6 kleine junge, E 140 per os 0.1 36. (38.), 63. (65.),

im Durchschnitt ' 94. (96.) 74 bzw. 99 nur Ca-Tiere

B 100 0,2 ccm E 195 36. (38.)

Ratten III, (Kontrolle),

2 grof~e junge, 2 kleine junge,

im Durchschnitt 99

1 Dit tr ich, W.: In Vorbereitung. Gottlieb: Anat. Anz. 46, 179 (1914). PrSll: Vjschr. Zahnheilk. 1927, S. 467. Derselbe: Z. Zellforsch. 1925[1926, S. 461.

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[~ber Ver/inderungen der Zghne und Kieferknochen. 5

Ni~here Angaben zur Versuchsanordnung, dem Verlauf der Versuche sowie den angewandten histologisehen Untersuehungsmethoden linden sich bei W. D i t t r i e h 1.

IV. Die Versuchsergebnisse.

Wi~hrend bei den Kani~chen und Zeerschweinchen im Verlauf der Versuche keinerlei i~ugere Veri~nderungen der Nagezi~hne beobachtet wer- den konnten, zeigten die Ratten II schon nach 22 Versuchstagen eine Farbi~nderung des Schmelzes. Der Nage- zahnschmelz der normalen Ratte ist auf die Labialseite dieser Zi~hne beschri~nkt und yon rStlichgelber Farbe, die Vorder- seite der unteren Nagezi~hne bei unseren Versuchstieren hingegen nunmehr weiB. Die oberen Schneidezahne entfi~rbten sich etwas ]angsamer. Erst am 50. Versuchs- tag erschienen sie auch wei6. Oleichzeitig verloren si~mtliche Nagezi~hne die Trans- parenz. Aul3erdem wurden die oberen Nage- zi~hne klobig, nahmen in ihrem Lgngen- und Breitenwachstum im Gegensatz zu den unteren Zi~hnen zu und krtimmten sich mehr oder weniger stark palatinal ein. Die unteren Frontzi~hne verkiirzten sich stark. Ihre Schneidekante verwandelte sich in eine breite Schliff]gche. Auch nach

Abb. 1. En t fg rbung des Schmelzes an Beendigung der Fluorfiitterung und Dar- ae~ Labialfl~che der Nagezahne der reiehung yon Calcium laeticum nahmen rl,o~ete.. Oben: Fluorratte7 unten:

Kontrol l ra t te .

die Veri~llderungen noch zu. Entsprechend ihrem sonstigen Verhalten zeigten sich auch hier die Ratten I mehr gesch~tdigt als die Ratten II.

Abb. 1 zeigt ein oberes Nagezahnpaar einer Fluorratte (oben) im Vergleieh zu dem einer Kontrollratte (unten) in zweifacher VergrSl~erung yon vorn. Wi~hrend das untere Paar eine gleiehm~6ige dunkle TSnung auf der hier allein siehtbaren Labialfli~ehe aufweist, sieht man an dem oberen eine meist streifenfSrmige Entfi~rbung des Sehmelzes, die im rechten Winkel zur Zahnachse verlauft. 5{it vSllig weiBen Streifen weeh- seln solehe ~b, die zwar eine Aufhellung aufweisen, aber tro~zdem noeh dunkel getSnt erscheinen.

1 a. a. O. Archiv f. exper iment . Pa th . u. Pharmako l . Bd. 166. l b

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6 W. PACHAru

Abb. 2 zeigt in natiirlieher GrOl~e ganz links (a) den reehten oberen Ineisivus einer Xontrollratte in seiner knOchernen A1veole. Die Z/~hne rechts davon (b--l) stammen yon Fhorratten g]eichen Alters. Die In- tensitiit der Seh~digung nimmt nach reehts hin zu. b f~llt dutch seine verklumpte Form auf. Die palatinal gelegene Sehliffl~ehe, die der un-

a b c d e f

Abb. 2. Yon l inks nach rechts zunehmende Formiinderung der Rattennagez~hne m i t Schwund des Alveolarknochens. a = 1 j yon Kontrollrat te , b - - f = 1 j yon Fluorrat ten.

tere Ineisivus beim normalen Tier gesehaffen hat, fehlt. Bei c ist sehon eine leiehte palatinale Kriimmung vorhanden, die bei d--[ noch zunimmt. Gleiehzeitig hat bei b--e die L~nge und Breite (in labio-loalatinaler Rich- tung) zugenommen, bis Kriimmung und Waehstum sehliefilieh zu so einer grotesken Form wie bei [ fiihren. Der dureh den Alveolarknochen dureh-

Abb. 3. Ent fgrbung und Form/~nderung an den Nagez~hnen der ]~lnorratten. L inks : Kontro l l ra t te ; rech'~s: Fluorratte.

gebrochene Teil dieses Zahnes ist 16,5 mm lang gegentiber 5,5 mm beim Kontrolltier, also auf das Dreifache vergrSBert. Bemerkenswert ist ferner die Stgrke der knSchernen Umkleidung der Zghne, die yon a naeh / zu geringer und also trotz der betriiehtlichen VergrSl~erung der Zghne be- sonders an der konkaven Unterseite gesehwgeht wird.

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1Uber Vers der Zghne und Kieferknochen. 7

Einen noeh besseren Einblick in die StSrung der Bil~verhNtnisse, die eine derartige ~nderung der Zahnform veranlassen mul~, gibt Abb. 3. Auf diesem Bild, das links eine Kontrollratte und rechts eine Fhorratte, ebenfalls in natiirlieher GrSl~e zeigt, findet sieh der in Abb. 2 mit / be- zeiehnete rechte obere Incisivus bei der rechten Ratte wieder. Bei dieser Aufnahme von vorn wird aueh eine leiehte Kriimmung des okklussalen Endes nach distal siehtbar. Withrend bei dem Kontrolltier die unteren Frontz~hne die oberen an Litnge welt iibertreffen, ist dies beim Fluor- tier umgekehrt. Der linke obere Schneidezahn tiberragt seinen Antago- nisten betritchtlieh, und von dem rechten unteren 5Tagezahn steht iiberhaupt nur noch ein sehr beseheidener Rest. Das ungehemmte

Abb. 4. u an der Innenseite der rechten Unterkieferh~lfte von Kaninchen 1.

L~ngenwaehstum seines Gegenzahnes mit seiner naeh distal drhngenden Wachstumstendenz hat ihn weitgehend verschm~lert. Der Zahn ist keineswegs abgebroehen, sondern abgeschliffen worden.

Die Vitalf~rbung mit Alizarin gelang bei allen Versuchstieren, wenn auch in verschiedenem Grade. W~hrend die si~mtlichen Rattenkiefer und Kaninchenoberkiefer ~uSerlich eine diffuse rosa~ Farbung aufweisen, die sich gleichmii$ig fiber die gesamte Oberfl~che erstreckt, traten bei Ka- ninchen 1 an beiden Unterkieferhi~lften an entsprechenden Stellen seharf gegen die Umgebung abgegrenzte, karmoisinrote Verf~rbungen auf (Abb. 4). ~eben der Alveole des Nagezahnes und dem aufsteigenden Kieferast ist die Alveolarwand der ){olaren besonders intensiv gef~rbt. Der Befund i~hnelt dem, den PrSll 1 bei einem Hunde mit gestSrtem

1 a. a. O.

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8 W . PACHALY:

Kalkstoffweehsel besehrieben hat. Die gef/~rbte Oberfl/iehe des Alveolar- knochens ist stark porSs.

Entspreehend den schon mit dem bloBen Auge sichtbaren Ver/inde- rungen zeigen sich mikroskopisch betr/~chtliche ~nderungen gegeniiber dem I~ormalen. Der Sehmelz aller Rattennagez/~hne, der nut die kon- vexe AuBenfl~ehe iiberzieht~ hat die besondere Eigensehaft, dab entlang seiner Oberfl/~ehe rStliche PigmentkSrnehen eingelagert sind, die der Labial- fl~iehe der 1Xagez/~hne die oben erwhhnte rStliehgelbe F~irbung verleihen.

Auf einem ungef~rbten L~ngsschliff durch einen oberen Ineisivus einer Fluorratte I zeigt sieh die Pigmentierung des Sehmehes nur stellen- weise. Mit rOtliehgelben Partien weehseln vSllig farb]ose regellos ab.

Abb. 5. Fluorra t te , 1 j 1/~ngs. Schmelzhypoplasien~ wellige :Begrenzung des Dent ins m i t O w e n s c h e n Kontur l in ien. c~ = Schmelzhypo!olasien, b = Schmelz~ c = Dentin~ d = Pul!oenraum.

Der Schmelz ist am freien Ende des Zahnes sonst anscheinend normal ent- wickelt. In der basalen Hglfte zeigt sich eine dunkle Streifung des Schmelzes in Richtung der Yrismen. Die St~irke der Schmelzlage nimmt etwas weiter basalw/~rts pl~tzlich stark ab. Entsprechend den Re tz ius - schen Parallelstreifen verlaufen dunkle B~nder schr/~g zur Oberfl/~che.

Die Oberfl/~ehe des Sehmelzes ist bier faltig und hypoplastiseh. Das unter dieser Sehmehhypoplasie gelegene Zahnhein zeigt ebenfalls eine wellige Begrenzung. Das Dentin, der Hauptteil des Zahnes, zeigt eine Streifung, die ann/~hernd parallel zur Oberfl~ehe verl/~uft und der Form der basalw/~rts sieh verbreiternden Pu]pahShle entspricht. Dies sind die Owenschen Konturlinien, die sich auch im normalen Dentin der Ratten finden (Tamaka Toyofuku l ) . In der Mitte des Zahnes sind nahe der

i a. a. O.

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lJber Ver~nderungen der Z~hne und Kieferknoehen. 9

konvexen wie der konkaven Begrenzung des Dentins auf eine weite Streeke hin je drei Alizarinstreifen, entspreehend dem dreimaligen In- jektionsturnus, im Verlauf der O w e n sehen Konturlinien deutlieh zu ver- folgen. Auffalend ist, dag unterhalb der Sehmelzhypoplasie im Dentin keinerlei Interglobularr~ume zu bemerken sind.

Der Sehmelz eines starker ver~nderten Nagezahnes ist auf weite Streeken bin versehm~lert, basalw~rts seheint er auf ein betr~ehtlielaes Stiiek ganz zu fehlen. Das erhalten gebliebene Sehmelzepithel grenzt hier direkt an das Dentin.

Abb. 6. Fluorra t te , Alveolarknoehen (Prgpara t wie Abb. 5), n e s o r p t i o n s h o h l r a u m m i t neuer :Knochenapgosi t ion. a = Knochena!0posit ion, b = Alizarin.

Entspreehend den ttypoplasien, die verh~ltnismN3ig flaeh gehalten sind, verlaufen im Sehmelz an den auffallend verst~rkten R e t zi u s sthen Parallelstreifen Unterbrechungslinien bis zur Oberfl~elae (Abb. 5). Inner- halb dieser Linien fehlt die Prismenstruktur. Nur im Raum zwisehen zwei Unterbreehungslinien sind Prismen zu sehen. Die einzelnen noeh siehtbaren Sehmelzprismen zeigen bei starker Vergr6gerung eine Quer- streifung, gwischen den hypoplastisehen Sehmelzpartien liegen an- seheinend vOllig normM entwiekelte Absehnitte. Am Dentin ist auger einer welligen Begrenzung unterhalb der Sehmelzhypoplasie nights Be- merkenswertes zu finden. Je drei Owensehe Konturlinien zeigen nahe der konvexen und konkaven augeren Grenzlinie des Zahnbeines die Ali- zarinf~rbung.

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10 W. PACHALY:

Der Alveolarknoehen an der konkaven Unterseite des ~agezahnes dieser Fhorratte, die auch der Calciumftitterung unterworfen wurde, zeigt in der Compaeta des vorderen Teiles einen grol~en nierenf(irmigen I-Iohlraum, dessert vordere Hi~lfte mi* r~itliehen Massen erftillt ist (Abb. 6). Die Wand ist tells glatt, tells faserig begrenzt und dureh Alizarin rot gefi~rbt, Der basal gelegene Tell des Hohlraumes ist ausgeftillt yon einern feinfaserigen Gewebe, das yon au~en brttekenf(irmig in das E~hlenlumen hineinzuwachsen seheint und nahe der H(ihlenwand deutliehe Xnoehen- k(~rperchen aufweist, naeh dem Inneren zu jedoeh noeh undifferenziert ist. Auch in das hintere Ende des }Iohlraumes mtindet ein breiter Streifen mit deutlich ausgepriigten Knoehenlamellen. ~Naeh dem Periodontium zu zeigt sieh, gegen den normal verkalkten hellen Knoehen scharf ab- gesetzt, eine dunkler gef~trbte Xnochenzone. Die Grenzlinie zwischen diesen beiden Schichten wird dutch einen Alizarinstreifen besonders deutlieh, der in das i~u~ere Alveolarperiost miindet und dar~n entlang zieht. Aueh im oberen Teil der Alveole dieses Zahnes finder sieh die Alizarinfi~rbung am inneren und gulgeren Alveol~rperiost sowie ungef~hr in der Mitre des Xnochens.

Die Fluorsehi~digung der Kieferknoehen ist am deut]iehsten erkenn- bar an einem Sehliff dutch die Compaeta bei Kaninehen 1. An das Periost grenzt ein ihm parallel ziehender sehmaler, dunkler Streifen. An diesen sshlie~t sieh eine hellgraue, nqit Gefi~en reiehlieh durehsetzte Xnoehen- zone an. Rings um die Gefi~6kani~lehen findet sieh wieder eine dunkel- graue 8chieht mit undeutlicher Struk*ur. Gelegentlieh ist eine Erweite- rung der Haverssehen Xani~le zu beobaehten. STash innen zu sehliel~t sieh an diese bis auf die Gefi~umgebung normale Knoehenpartie eine breite dunklere, reiehlieh dutch Gefi~e aufgeloekerte Sehieht der Com- pacta an, die nur stellenweise hellere Inseln mit deutliehen Xnoehen- lamellen enth~tlt. Die dunklere Compactahalfte weist eine diffuse rosae Alizarinfi~rbung auf.

Zur Untersuehung des sehmelzbildenden Organs dienten gefi~rbte Schnittpri~parate. Bei den Xontrollratten ergaben sieh vollkommen nor- male Befunde: Entlang der konvexen intraalveoli~ren Au~enfli~ehe des 5Tagezahnes verlltuft, den Raum des dutch die Entkalkung verloren ge- gangenen Sehmelzes begrenzend, ein Saum yon Ameloblasten. Sie sind denen des ~enschen sehr i~hnlich gestaltet. Die einzelnen Zellen, die sieh dureh ihre regelmi~ige Lage in einer Schicht nebenein~nder und dureh einen zylindrischen Protoplasmaleib yon bedeutender Lgnge mit einem am i~u~eren Ende befindliehen Kern auszeiehnen, bilden das Stratum internum der Sehmelzbi]dungsstittte. An sie sehlieBt sieh saekfi~rmig die

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fJber Ver/inderungen der Z/~tme trod Kieferknochen. 11

Sehmelzpulpa, eingefal~t vom Stratum externum. Zwischen die ein- zelnen Epithelinseln tier Sehmelzpulpa sehiebt sigh das ern~hrende Binde- gewebe des Zahns~ekehens.

Bei den Fhorratten machen sigh weitgshende Ver~nderungen des gesehilderten normMen Bildes bemerkbar (Abb. 7). Ameloblasten, Sehmelzpulpa und Stratum externum kSnnen night mehr voneinandsr gesehieden werden. Sie sind s~mtlieh umgewandelt in ein Netz yon Grundsubstanz mit yon dunklen B~tlkchen umsehlossenen Hohh'fiumen, Nur die innere Begrenzung des Ameloblastensaumes gegen den ehemaligeu Sehmelz ist noch erhalten. Hieran sehliegt sigh naeh augen Gins yon H~tmatoxylin dunkler gefgrbte Zone mit parallel der Zahnaehse orien- tierten ovalen tIohh'~tumen, die etwa die It~tlfte des ehe- maligen Ameloblastensaumes einnimmt. Naeh der Basis des Zahnes zu hellt sigh diese Zone auf. Die Vakuolen nehmen zu und sehlieglieh sind nur noeh unzusammenhgngende Balk- ehen siehtbar. Der restliehe

Teil der Sehmelzbildungs- Abb. 7. F luor ra t t e , 1J lgngs . gakuo l i s i e rung des Schmelz-

st~tte ist aufgelSst in Hohl- epithels, a = Dent in , b = Schmelzraum, c = 8ehmelzkeim, d = Zahns~ickchen, e = Alveolarknochen.

r~ume, deren L~ngsdureh- messer senkre&t zur Zahnoberfliiehe steht. Die Grundsubstanz und besonders die Zellen sind fast vollstiindig gesehwunden.

Am basalen Ende des Zahnes zerfMlen die Wiinde der oben besehrie- benen Hohlraume zu einzelnen Triimmern yon einer regellosen schwam- migen Struktur. Die Bindegewebsfasern des Zahns~ekehens erseheinen weir auseinandergedr~ngt, Zellen und Gef~l~e an Zahl stark vermindert.

Weitere Quer- und L~ngssehnitte dureh Nagez/~hne liel~en in der Breite der nnverkMkten Pr~tdentinzone und in dem Bau der Pulpa nebst Odontoblasten keinerM Ver~tnderungen gegeniiber dem normMen Bild erkennen. Ebenso war dies bei Sehliffen und Sehnitten dureh Nolaren der Fall. Hier zeigte auch der Sehmelz keine eharakteristisehen Ver~nderungen, so daf~ auf die Besehreibung dieser Pr~parate verzichtet werden kann.

Wenden wit uns nun der Deutung der oben besehriebenen Bilder zu, so ergibt sigh folgendes: Der Rattensehmelz zeigt zun~tehst Gins Ent- fiirbung seiner Oberfl~ehe. Da eine Pigmentierung des Schmelzes sigh nur bei der Ratte findet, ist die Entf~rbung soweit yon bedingtem Inter- esse, als sie zu den ersten Symptomen einer Zahnseh~tdigung gehSrt. Die

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12 W. PACEASY:

rStlichgelben PigmentkSrnehen stammen noch Wenzel : vom Schmelz- epithel. Dies ist also sehon frilhzeitig nieht mehr in der Lage, im normalen Mal~e diese FarbkSrnehen an die Schmelzoberflaehe abzugeben. Da die unter der Entfarbungsstelle gelegene Schmelzsehicht in vielen Fallen normal entwickelt war, ist anzunehmen, da~ die Schadigung des Schmelz- epithels der VerkaikungsstSrung des Sehmelzes vorausgeht. Die ver- haltnisma~ig flaehe Form der 8ehmelzhypoplasien, die keinerlei Griib- chenbildung zeigt, macht eine gleiehma6ige Schadigung eines grS~eren Absehnittes des Ameloblastensaumes wahrscheinlich.

Dies bestatigen auch die Befunde am Sehmelzepithel selbst. Hier hat eine 8tSrung eingesetzt, die sich yon der bei anderen Kalkstoff- weehselstSrungen, wie sie bei den Zahnen der ~agetiere dutch Skor- but (HSjer u. Wes t in 2, Ko tgny ia ) , Epithe]kSrperehenexstirpation (Erdhe im~ T a m a k a Toyofuku 5) und Raehitis (H. Pfl i iger 6) im Tierexperiment auftritt, weitgehend unterscheidet. Finder sich bei diesen durehgehends eine Degeneration der Ameloblasten in Form yon k~rnigem Zerfall, Haufenbildung und Abhebung des Schmelzepithe]s mit Cysten- bildung, so zeigen die voranstehenden Untersuchungen eine spezifische Fluorwirkung mit dem Bild einer Atrophie des gesamten Schme]zbildungs- organs. Das Sehmelzepithel schwindet in allen drei 8chichten fast voll- kommen. Die entstehenden Gewebslt~eken ftillen sich mit serSser Flilssig- keit. Die Reste der Grundsubstanz verkalken. Der Endzustand ist der einer aseptisehen Nekrose.

Diese anscheinend spezifische Zellwirkung des Fluors verbindet sich mit einer 8tSrung der Verka]kung der 8chmelzprismen. Die Retz ius - sehen Parallelstreifen, die nach R 5 m e r v den Entwieklungs- und Anbau- schichten, in welehen die Verkalkung der 8chmelzprismen vor sich geht, entsprechen, sind dureh Unterbrechungslinien verstarkt,innerhalb deter keinerlei Verkalkung der Schmelzprismen stattgefunden hat. Zwischen zwei Unterbrechungslinien ist jedoeh die Verkalkung wieder eine normale. Der fertig verkalkte Schmelz wird yon der Vitalfarbung mit Alizarin nicht betroffen.

: Wenzel: Arch. Heilk. 9 (1868). HSjer u. Westin: Vjschr. Zahnheilk. 1924, S. 287.

a Kothnyi: Z. Stomat. 25, Nr7, S. 655 (1927). Erdheim: Franld. Z. Path. 7, H. 2 (1911).

5 a. a. 0 . ,

s Pflfiger, H.: Dtsch. zahngrztl. Wschr. 1932, Nr 1. v RSmer: In Henke u. Lubarsch: Handbuch der pathologisehen Anatomie

und Histologie 4, 2. Tell, S. 406 (1928).

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Uber Ver~inderungen der Zghne und Kieferknochen. 13

Im Dentin und an den Odontoblasten linden sich keinerlei Veri~n- derungen. Auch die fast vo]]kommen feh]enden Interglobularraume, das erste Zeichen einer mangelhaften Verkalkung des Zahnbeines, das er- hShte Wachstum der Zi~hne, die zum grSl~ten Teil aus Dentin bestehen, das Fehlen yon Zahnfrakturen trotz ungtinstiger Artikulationsverh~lt- nisse und die Absehliffliiehen an den unteren Frontzahnen spreehen daftir, dab bei den Fluorratten keine wesentlichen Kalkstoffweehsel- stSrungen im Dentin eingetreten sind.

Die im Zahnbein sichtbar gewordenen Alizarinstreifen best~tigen, dal~ es sich bei den Owenschen Konturlinien um Wachstumslinien handelt, die der sehiehtweisen Verka]kung des Dentins entsprechen.

Der Xieferknoehen zeigt folgende Veriinderungen: Der nach dem Mark zu gelegene Tell und die Umgebung der GefiiBe in der AuBen- eompaeta weisen anseheinend eine UmlSsung tier Kalksalze aus der Grundsubstanz auf, die his zur Bi]dung yon ausgedehnten Resorptions- hoh]riiumen fiihrt. Die bier vorhandene diffuse Alizarinfarbung li~Bt darauf sehliel~en, dab der Ka]k nieht lest an die Grundsubstanz gebunden ist. Ob es sich um neu bier abgelagerten Kalk oder aus der Grundsubstanz gelSsten und an das Fluor zu Caleiumfluorid gebundenen Kalk handelt, liil~t sich allerdings mit ttilfe der Vitalfi~rbung nicht eindeutig entscheiden.

Bei den R atten, die nach Beendigung der 5Tatriumfluoriddarreiehung reiehliche Mengen Calcium laetieum erhielten, werden die Resorptions- hShlen a]lmiihlich yon einem, dem ursprtingliehen Knochen i~hnlichen Gewebe verschlossen.

Sehliel~lieh ist noeh auf die StSrung des Artikulationsg]eichgewiehtes der Rattennagezi~hne durch das verstarkte Wachstum der oberen Inci- sivi einzugehen. Die sehon raakroskopiseh sichtbare Schwi~chung be- sonders des unteren Alveolarrandes ermSglicht eine Verst~rkung der nor- mal naeh unten und innen driingenden Waehstumsrichtung. Beim nor- malen Tier geht das 5Tagen naeh O r b ~ n 1 auf folgende Weise vor sich: Der untere ~agezahn g]eitet an dem oberen einmal palatinal und einmal labial vorbei. Die schmelzbedeekte Labialfl~iehe des unteren Zahnes schleift die sehmelzlose palatinale Zahnbeinfl~che des oberen palatinal- wi~rts ab, wi~hrend die Sehme]zfl~ehe des oberen Zahnes die Dentinfliiche des unteren ebenso absehleift. Bei den Fluorratten war diese Nagebe- wegung infolge der VergrSl~erung und Einkriimmung der oberen Incisivi gestSrt. Die schmelzbedeckte Labialfl~ehe der oberen schliff einseitig die Zahnbeinfli~che der unteren Zi~hne ab, so dab diese sich sehr verkiirzen

10rb~n, B.: Vjschr. Zatmheilk. 41, 263 (1925).

Page 14: Über Veränderungen der Zähne und Kieferknochen bei experimenteller chronischer Fluorvergiftung

14 W. PACIIALu fJber Vergllderungen der Z~hne and Xieferknochen.

muBten, die oberen dagegen sieh ungehemmt verli~ngern konnten. DaB diese St(irung der Nagetiitigkeit die Aufnahme fetter ~Nahrung wesentlich behindern muB, ist offensiehtlieh. Wenn dies bei unseren Ratten wah- rend der Versuehe nieht zur Auswirkung koramen konnte, so liegt dies daran, dab den Tieren aus i~uBeren Grtinden die 5Tahrung raeist in Brei- forra gegeben wurde.

V. Zusammenfassung. 1. Dm'ch kleine Gaben yon Fluornatrium wurde bei Kaninchen,

N[eersehweinehen und jungen l~atten eine ehronische Fluorvergiftung erzielt. Zur Vitalf~rbung wurde den Kaninchen und Ratten alizarin- sulfosaures 1Xatrium injiziert. 1Xach Beendigung der Fluorapplikation erhielt ein Tell der Ratten bedeutende Mengen yon Calcium lacticum. Das Zahn- und Knochenraaterial wurde in Sehliff- und Schnittpriiparaten untersucht.

2. An den l~agez~hnen der l~atten fanden sieh folgende ~uBeren Ver- ~nderungen:

a) Entf~rbung der labialen Schmelzoberfl~che; b) Verst~rktes Wachstum der oberen Nageziihne in Lange und Breite; c) Verkiirzung der unteren Frontz~hne; d) Einkrtiramung der oberen Nagez~hne nach palatinal; e) Schwund des Alveolarknochens der oberen Nagezahne. Anmerkung. Der Befund bei e) wird bier zum ersten Male beschrieben. 3. Die histologisehe Untersuchung der Kiefer und Z~hne ergab

folgendes: a) Sehmelzhypoplasien mit Querstreifung der Schmelzprismen und

Z s i g m o n d y s ehen Unterbrechungslinien an den verstarkten R e t zi u s - sehen Parallelstreifen;

b) eine Atrophie des gesamten Sehmelzkeimes, die his zur asepti- schen :Nekrose ftihren kann;

e) im Gegensatz zu anderen Autoren keinerlei Veranderungen des Dentine und der Odontoblasten;

d) Resorptionsvorgange in der Compaeta des Kieferknochens bis zur Kohlraumbildung.

Anmerkung. Die Befunde bei b) und d) wurden yon uns zum ersten Male beobachtet.

4. Durch Vitalfarbung lie] sich die Kalkapposition ira fluorgeseha- digten Knochen naehweisen.

5. Dureh Calciurazufuhr konnten naeh AufhSren der Fluorftitterung Reparationen am fluorgesehiidigten Knochen festgestellt werden.