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259 Ueber wasserfreie organische Sauren ; von L. Chioaacc. (Urieflicbe Mitihcilung.) Bei der Forlsetzung mciner Untersuchiingen uber wasser- freie organische Sauren *) bin ich zu folgenden Resultaten gekomincn. Die wasserfreic Capronsiiwe lvurde erhalten durch die Emwirkung von Phosplioroxychlorid auF capronsauren Baryt ; inan trennt sie niittelst Aethcr von dem heigemengten phos- phorsauren Baryt und Chlorbarium , und nach Beseitigung der gewasserten Saure, welchc sich stets in geringer Menge bildet, rnittelst kohlensauren Natrons dampft man die Ptherische Lii- sung im Wasserhadc ab. So dargestellt ist die wasscrfrcie Capronsiiure ein farb- loses Oel , welches seinen physikalischen Eigenschaften nacB dcr wasserfreien Caprylsaure sehr ahnlich ist; ihr Geruch ist im reinen Zustand nicht unangenehin , aber bei Gegenwart feuchter Luf? wird sie leicht zu gewasserter SBurc und zeigt sie dann den der gewiihnlichen geivasserten Capronsaure eigenthumlichen Geruch. Ich erhielt nicht genug davon, urn den Siedepunct genau bestimmen zu kiinnen. Bci der Analyse crgab die wasscrfreie Capronsaure Zahlen, dic mit den diircli die theorelisch vorauszusehende Formel gcforderlen ubereinstimmen, *) Vergl. diese Atinden LXXXIV, 106; LXXXV, 229. Auch in diesel Bliiiheilung lie@ den Pormeln G e r h a r d i’e Schrcibweieo (c = 12, 0 = 16, riir H = I) zu Grunde. D. R.

Ueber wasserfreie organische Säuren;

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Ueber wasserfreie organische Sauren ; von L. Chioaacc.

(Urieflicbe Mitihcilung.)

Bei der Forlsetzung mciner Untersuchiingen uber wasser- freie organische Sauren *) bin ich zu folgenden Resultaten gekomincn.

Die wasserfreic Capronsiiwe lvurde erhalten durch die Emwirkung von Phosplioroxychlorid auF capronsauren Baryt ; inan trennt sie niittelst Aethcr von dem heigemengten phos- phorsauren Baryt und Chlorbarium , und nach Beseitigung der gewasserten Saure, welchc sich stets in geringer Menge bildet, rnittelst kohlensauren Natrons dampft man die Ptherische Lii- sung im Wasserhadc ab.

So dargestellt ist die wasscrfrcie Capronsiiure ein farb- loses Oel , welches seinen physikalischen Eigenschaften nacB dcr wasserfreien Caprylsaure sehr ahnlich ist; ihr Geruch ist im reinen Zustand nicht unangenehin , aber bei Gegenwart feuchter Luf? wird sie leicht zu gewasserter SBurc und zeigt sie dann den der gewiihnlichen geivasserten Capronsaure eigenthumlichen Geruch.

Ich erhielt nicht genug davon, urn den Siedepunct genau bestimmen zu kiinnen.

Bci der Analyse crgab die wasscrfreie Capronsaure Zahlen, dic mit den diircli die theorelisch vorauszusehende Formel

gcforderlen ubereinstimmen,

*) Vergl. diese Atinden LXXXIV, 106; LXXXV, 229. Auch in diesel Bliiiheilung lie@ den Pormeln G e r h a r d i’e Schrcibweieo (c = 12, 0 = 16, riir H = I) zu Grunde. D. R.

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Die wasserfreie Arigelicnsliure erhalt man nach einem ganz ahnlichen Verfahren, wie ich cs fur die Darstellung der wasserfreien Valeriansaure angewendet habe. Sie ist ein vollkommen neutrales Oul , welches selbst in einer Kalte- niischung aus Eis und Kochsalz nicht kryslallisirt ; sic besitzt einen eigenthumlichcn Geruch , wclclier mit dem der gewas- serten Siiure in keincr Weise Aehnlichkeit hat. Durch die Einwirkung des Wasscrs wird sie nur selir langsclm sailer reagirend , wiihrend concentrirle Liisung.cn von Alkalien sic in der Wiirnie leiclit aufliisen.

Die Analyse der wnsserfreien Angelicasiiure stimmt genau mit der Forniel

Bei der Destillution wird sie etwas saiicr reagirend und erhalt sie einen durchdringenden Geruch nacli Pfcffermunziil. Ich bin geneigt zu glauben, dak dieser Ceruch auf der Bil- dung von Aceton (CSH,O) bcruht, denn die Angclicadure vcrwandelt sich, wie ich spiiter zeigen werde, unter mehreren Umstinden in Essigsaure.

Ich habe auch Ange2icasiiurc - Bemo6s;uiiure

dargeslellt , in dersclben Weise , wie die Valeriansaure- BenzoFdiire. Sie ist gleichfalls eine iilartige Substanz, deren Eigenschaften denen der wasserfreien Angelicasiiure ahn- lich sind.

Die wasscrfreie Nitros~mkBure

welche icli diircli Einwirkung von Phosphoroxychlorid auf nitrozimmtsaures Kali erhalten habe, ist bemerkenswerth durch die Leichtigkeii , mit welcher das wasserige Ammoniak sie zu Nitrocinnamid und nitroziinmtsaurcm Ammoniak zerlegt.

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Diese Reaction gestattctc inir , das Nr'lrocinncrsid C,H,N,O, rein zu erhalten , welches nocli nicht dargeslellt worden war und dessen Bereitung atis Nitrozimmtslure - Aether sehr viele Zeit erfordert.

Die wasserfreie Nilrozimmtsaure ist nur schwierig ganz rein von gcwasserter Slure zu erhalten, und der Umstand, dafs sie nur wenig liislich in Aethcr ist, macht ihre Rein- darstellung fast unmuglich.

fcli besprach weiter oben, d a t die Angelicasaure leicht zu Essigsiiure wird ; diese Thatsache, auf welche ich schon bei meinen ersten Vcrsuchen, Angelicasaure darzustellen, auf- merksam geworden war, bestatigtc sich in neueren Unter- suchungcn, die ich in G e r h a r d t ' s Laboratorium anstellte.

Das Verfahren, nach welchem, ich die Angelicaslure dar- stellte, ist das von G e r h a r d t *) angegebene, welches darin besteht, Riiniisch- Camillcniil mit Kalihydrat zu behandeln. Ich hatte nun beobachtet , d d s jedesmal, w n n die Einwirkung des Kalis auf das Oel iiber die ebcn nothwcndige Zeil hinaus dauerte, sich auf Zusatz von Sauren nur sehr wenig Angelica- saure abscliied; in diesem Falle war dieselbe nicht zum Kry- slallisiren zu bringen und zeigte sic einen durchdringenden Geruch nach Essigsiiure.

Diese Thatsachen veranlafsten tnich , diese Einwirkung genauer zu antersuchen , und aus meinen Versuchen ergiebt sich , d a b die Einwirkung des Kalis auf Riimisch - Camillenol in drei sehr verscliiedene Phasen zcrfiillt.

Zuerst verbindet sich das Oel mit dem Kali, und bildet dainit eine gallertartige riithliche Masse, aus welcher auf Zu- satz von Wasser das Oel sich unverandert wieder ahscheidet.

Fahrt man fort, niafsig zu erwarmen, so tritt ein Zeit- punct ein, wo die Temperatur von selbst rasch steigt, wahrcnd

._

*) Dicse Annden LXVlI, 235. D. R.

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zugleich Wassersloff sich entwickelt. Nimmt man das Gefiib jetzt vom Feuer, so gcht die Einwirkung von selbst bis zum Ende ; der Kohlenwasserstoff, welcher im Oel neben Angelyl- wasserstoff cnthalten ist , vcrfliiclitigt sich, und man erhalt als Product cine Salzmasse, die aus anqelicasaurcni Kali und dem UeI~crscliufs des angcwcndetcn Kalis bcsteht. Das Kali- salz giebt bei der Zerselzung durcli cine verdiinntc Siiure freie Angclicasiiure, wclclic in Form eines aromatisch-riechen- den Oels aufscliwiinmt, clas bei dcm Erkaltcn zu einer kry- stallinischen Masse erstarrt.

Wenn man - statt die Einwirkung der Warme nacli der Umwandlung des Riimisch-Caniilluniils in Angelicasaure sofort zu unterbrechen - forlfiihrt, die Masse zu erhitzcn (oder einfacher , wenn man wine Angelicaslure mit uberschussigern Kalihydrat erhitzt) , so beobachtet man cine bei weitem reich- lichere Entwicklung ron Wasscrstoffgns, a1s die bci der Bil- dung der Slure eintrctende war. Diese dritte Phase der Einwirkung des Kalis a d Riiniiscli - Camillcniil 1iiCst sich, wenn sie einmal eingetrelcn ist, nur schwierig wieder unler- brechen , selbst durcli Etitfcrncn dcr Schale von dem Feuer. Hat die Entwicklung von Wasserstoffgas aufgehiirt , so liifst Inan die Masse erkalten und zersetzt sie miltelst Schwefel- saure; es sclieidet sich dann niclit die geringste Spur von Angelicaslure ab. An der Stelle dieser Saure findet man eine Mischung von Essigsiiure und Metacetonslure, welche man durch Destillalion des Gemenges von der Schwefelsaure und dem schwefelsauren Kali trennt. Die Scheidung der iiberdestillirten Siiuren fiihrt man dann nach Uinwandlung derselben in Natronsalae nach den bckannkn Verfahrungs- weisen aus.

Das metacctonsaiire Natron gab bei der Zersetzung durcli salpetcrsaures Silberoxyd einen weifsen Nicderschlag , dcr sich in siedendein Wasscr liiste und bei dem Erkalten der

Ch i o a t a , iiber wnsserfreie organisclte Saureri.

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Chi0 sta, iiber wasserfreie orgaaische Siiuren. 263

Losung in Form yon srliweren, ails Nadeln zusammengesetzten Kiirnern ausschied.

1. 0,477 Grm. dieses Silbersalzcs gaben 0,287 Grm. Silber, welclies noch 0,003 Grm. Kohlenstoff entliielt.

IT. 0,420 Grm. desselben Silbersalzes gaben 0,299 Grin. Kohlenslure iind 0,099 Grm. Wasser.

Auf 100 berechnet : gcfunden herechnet

1. 11. --

Kohlenstoff - 19,4 19,8 Wasserstoff - 2,6 2,7 Silber 59,5 - 59,7.

Das mnlysirte Salz war also wirklicli melacetonsawes Silberoxyd , desseu cliaracteristische Eigenschaften es aucli alle besafs.

Das essigsaure Natron , durcli Umkrystallisiren gereinigt, gab rnit salpetersaurem Silberoxyd ein in sehr leichten perl- rnutterglanzenden Bllttclien krystdllisirtes Silbersalz , welclies sicli als essigsaures Silberoxyd niclit verkennen l i c k

I. 0,355 Grni. dieses Salzes gaben 0,229 Grm. Silber. 11. 0,260 Grm. desselben Salzes gaben 0,131 Grm. Kohlen-

siiure und 0,045 Grin. Wasser. Auf 100 berechnet :

gefunden berechnet -- 1. 11.

Kolilenstoff - 14,3 14,s Wasserstoff - 1,9 1,8 Silber 64,5 -. 64,6.

Das analysirte Salz war also essigsaures Silberoxyd. Es geht BUS diesen Thatsaclien liervor, dnk die Angelica-

siiiire, wclclie nacli ilircr Zusammensetzung mit clcr Acrylsiiure und der Oelsiiure liomolog ist, es aucli nach ihren Eigen- scliaften ist , imd dafs sic duI-cli die Einwirkyng yon Kali in

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derselben Weise, wie die genannten heiden Sauren, gespalten wird. Die folgentlen Gleichungen lasseii diese Beziehungen iiberblicken :

= C,H,O, + CH,O, + H, Essigsiure. Ameiseneium.

= CSHdO, + C,HeO, + €1, Eseigsaure. Metacetondiure,

= CO€I*O* + CJI$,O, + H, -- - Essigsiure. Aethalsiure.

Es ist miiglich, dab die Damalursaure C,HIZOs sicli dieser neuen Reihe homologer Sauren aiischliefst.

Ich habe mich endlich noch davon uberzeugt, dak die ZimmtsBure sich, bei Gegenwart von Kali, gerade so wie die Angelicasaure verhiilt, und dab sie mit derselben Leichtigkeit Essigsiiure und eine andere Siiure bildet , welche oil'enbar Benzoesaure seyn mufs :

CQHaOa + 2 Ha0 = CXH402 + CqHeOx + H,. Ich hoffe, d a k eine tiefer eingehende Untersuchung der

Einwirkung des schmelzenden Kalis auf die organischen Sauren die Anhaltspuncte vermelirt, welche wir bereits zur Beurthei- lung der Constitulion dieser Siiuren besitzen, und d a t sich so Beziehungen entliiilleii werden , welche unsere jetzigen Kenntnisse noch nicht voraussehen lassen. Ich beabsichlige, auf diesen Gegenstand ziiriickzukommcn.

Awgegcben den 21. l a i 1853.*