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AUS DEM LABORATORIUM FUR PATHOLOGIE DES RIKS- HOSPITALS, OSLO. NORGE. LEITER: PROF. DH. MED. LElV KREYHERG. VERANDERUNGEN DES GEFASSEPITHELS NACH RONTGENBESTRAHLUNG. Von Leif Efskind. (Eingegangen bei der Redaktion am 24. Juni 1940). 1. EINLEITUNG. Wahrend die Wirkung der Rontgenbestrahlung auf die kleinen Blutgefasse den Gegenstand zahlreicher Untersuchun- gen bildete im Zusammenhang mit dem Studium der Patho- logie und Pathogenese des chronischen Rontgengeschwiirs (Bj. Dahl, 1937, u. a.), so ist die Strahlenwirkung auf die grossen Gefasse andererseits ein nur wenig untersuchtes Ge- biet. Ellinger (1935) gibt an, dass man bei den grossen Blutge- fassen nachweisbare Veranderungen nur bei Strahlendosen iiber 500 r. finde. Diese Veranderungen bestehen in einer Quel- lung des Epithels mit Vakuolenbildung, Degeneration der Ela- stika und Vakuolisierung der Zellen der Muscularis. Ellinger niinmt an, dass diese Veranderungen nicht durch eine spezi- fische Strahlenwirkung bedingt seien, da sie angeblich auch im Verlauf verschiedener Krankheiten beobachtet worden sein sollen, so z. B. bei Endocarditis lenta, Typhus, Eklampsie (Lubarsch) . 2. EIGENES MATERIAL. Mein Material besteht aus 30 Kaninchen und 5 Menschen, Den Tieren wurde eine Strahlendosis von 2500 r. (Filter 0.5 mm Cu, 170 kV, 6 mA, FHA 30 cm, HWL 0.87 Cu, 662/3 r. je

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A U S DEM LABORATORIUM FUR PATHOLOGIE DES RIKS- HOSPITALS, OSLO. NORGE. LEITER: PROF. DH. MED.

LElV KREYHERG.

VERANDERUNGEN DES GEFASSEPITHELS NACH RONTGENBESTRAHLUNG.

Von Leif E f s k i n d .

(Eingegangen bei der Redaktion am 24. Juni 1940).

1. EINLEITUNG.

Wahrend die Wirkung der Rontgenbestrahlung auf die kleinen Blutgefasse den Gegenstand zahlreicher Untersuchun- gen bildete im Zusammenhang mit dem Studium der Patho- logie und Pathogenese des chronischen Rontgengeschwiirs (Bj. Dahl, 1937, u. a.) , so ist die Strahlenwirkung auf die grossen Gefasse andererseits ein n u r wenig untersuchtes Ge- biet.

Ellinger (1935) gibt an, dass man bei den grossen Blutge- fassen nachweisbare Veranderungen nur bei Strahlendosen iiber 500 r. finde. Diese Veranderungen bestehen in einer Quel- lung des Epithels mit Vakuolenbildung, Degeneration der Ela- stika und Vakuolisierung der Zellen der Muscularis. Ellinger niinmt an, dass diese Veranderungen nicht durch eine spezi- fische Strahlenwirkung bedingt seien, da sie angeblich auch im Verlauf verschiedener Krankheiten beobachtet worden sein sollen, so z. B. bei Endocarditis lenta, Typhus, Eklampsie (Lubarsch) .

2. EIGENES MATERIAL.

Mein Material besteht aus 30 Kaninchen und 5 Menschen, Den Tieren wurde eine Strahlendosis von 2500 r. (Filter 0.5 mm Cu, 170 kV, 6 mA, FHA 30 cm, HWL 0.87 Cu, 662/3 r. je

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min.) in einer Sitzung gegeben. Das bestrahlte Feld, das eine Grosse von 6 X 8 cm hatte, lag im oberen Teil des Thorax; der ubrige Korper war sorgfaltig abgeschirmt. Die Tiere wur- den 1 Stunde bis 60 Tage nach der Bestrahlung getotet und histologisch untersucht. Die von mir untersuchten Gefasse wa- ren die Aorta und die untere Hohlvene; ausserdeni wurden zum Vergleich die Pleura und das Perikardmesothel unter- sucht. Keines der Tiere trug nachweisbare Veranderungen des Allgemeinzustandes nach der Bestrahlung zur Schau. Einige wenige wiesen eine ortliche Hautreaktion auf.

Dem Menschenmaterial wurden die Strahlendosen (3500- 4500 r. Filter 1 mm Cu, 170 kV, FHA 40 cm, 6 mA) in mehre- ren Sitzungen gegeben. Es besteht aus 1 Patienten, der wegen Thyreoideakanzer bestrahlt wurde; bei diesem wurden Proben von den Halsgefassen entnommen. Die ubrigen 4 Patienten wurden wegen Mammakrebs bestrahlt. Bei diesen wurde die Aortenintima, sowie die Pleura und das Perikardmesothel untersucht.

Die histologische Technik bestand einerseits in der iibli- chen Schnittmethode, andererseits wurden aber jedesmal Hautchenpraparate der Intima angefertigt nach einer Technik, die von mir bei friiheren Untersuchungen iiber serose Haute und Blutgefasse verwendet wurde (3 ,4) . In der Regel wurden die Praparate mit Eisen-Hamatoxylin nach Heidenhain gefarbt und daneben einige erganzende Farbenmethoden angewandt. Unter Berucksichtigung des untersuchten Zeitpunkts nach der Bestrahlung, sowie der Variation der Strahlenquantitat und -Qualitat und der Verabreichung, zeigen Menschen- und Tiermaterial so grosse Ubereinstimmung, dass sie gemeinsam besprochen werden sollen, und eine getrennte Besprechung n u r dort zur Anwendung kommen soll, wo grobere Abwei- chungen vorkamen.

3. ANATOMISCHE BEFUNDE.

Das Gefassepithel ist unter normalen Verhaltnissen zu be- trachten als eine Zellmembran bestehend aus Zellen, die sich

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in proliferativer Hinsicht Grosstenteils in der Ruhephase be- finden. Man findet namlich, dass beim normalen erwachsenen Tier und Mensch das Absterben des Gefassepithels physiolo- gisch relativ langsam stattfindet. Demzufolge ist Zellregenera- tion eine nicht haufige Erscheinung, und selbst beim Durch- suchen zahlreicher Praparate kommen i n Teilung befindliche Zellen nicht oft zur Beobachtung oder Anzeichen einer kiirz- lich stattgehabten Teilung. Die nachfolgend beschriebene Strahlenwirkung ist deshalb im wesentlichen als Reaktion von Zellen im Ruhezustand aufzufassen.

Wenige Stunden nach der Bestrahlung findet man Intima- veranderungen, die sich zuerst in den Zellkernen des Epithels zu erkennen geben. Die Kerne schwellen etwas an, nehmen eine mehr abgerundete Form an und das Chromatin derselben ordnet sich in unregelmassigen Aggregaten an derart, dass die normalerweise vorkommenden Nukleoli verschwinden. Das Cytoplasma weist noch keine deutlichen Veranderungen auf abgesehen davon, dass die Zellen ihre unregelmassige, in die Liinge gezogene Form etwas verlieren und mehr die Gestalt einer runden Scheibe annehmen, ahnlich wie man dies bei normalen Tieren findet, die einige Stunden vor der Fixierung der Organe gestorben waren (Abb. 1). Diese Formveranderung ist am ausgepragtesten bei den Arterien, bei denen die Zellen und Zellkerne normal deutlich in die Lange gezogen (Abb. 2 ) bzw. stabformig sind, wahrend bei den Venen, bei denen grosstenteils elastisches Gewebe fehlt, die Kerne normaler- weise die Gestalt ovaler Scheiben besitzen und die Zellen ein flach polygonales Aussehen (Abb. 3 ) . Diese friihzeitig nach- weisbare Formveranderung ist daher moglicherweise nicht durch primare Epithelveranderungen bedingt, sondern da- durch, dass es im Gefolge der Strahlenwirkung zu einer Ge- fasserweiterung kommt, die dem Gefassepithel im gewissen Grade gestattet seine natiirliche polygonale Form anzunehmen. Nicht selten zeigen die Kerne zu diesem Zeitpunkt deutliche Palissadenanordnung (Abb. 4 ) .

Gegen Ende der ersten 24 Stunden nach der Bestrahlung lassen sich allmahlich Cytoplasmaveranderungen degenerati-

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Abb. 1 . Abb. 2. X 800. Aortenepithel yon normalen Tie- X 800. Sormalcs Aortenepitliel. Silber- ren, wo die Fixierung des Praparates 12 Stunden nach dem Tode ausgefuhrt ist.

imprhgnicrung der Zellgrenzcn.

Abb. 3. Abb. 4 . X 800. Normales Venenepithel. Silber- X 800. Aortenepithel mit Palissadenan-

imprignierung der Zellgrenzen. ordnung der Kerne 24 Stundcn nach Bestrahlung.

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ver Art beobachten. Das Cytoplasma farbt sich nun unregel- massig, und es treten kleine Vakuolen auf, die oft dem Cyto- zentrum der Zellen entsprechend liegen rnit perinuklearem Ausgangspunkt (Abb. 5 ) . Haufig sind die Vakuolen solitar, wenigstens dort, wo sie deutlich perinuklear gelegen sind, und in der Regel ist ihre Zahl keine grosse. Wenn die Vakuolen solitar sind und perinuklear liegen, findet man - denselben entsprechend - eine Excavation des Kerns. Diese vertieft sich i m gleichen Ausmasse wie die Vakuole an Grosse zunimmt; schliesslich zerreisst die dunne Verbindungsbrucke und der Kern teilt sich in zwei Fragmente auf. Dieser Vorgang ist jedoch rein passiv-degenerativer Art und darf nicht mit einer amitotischen Teilung oder einer anderen proliferativen Zell- betatigung in Beziehung gesetzt werden.

Durch die beschriebene Vakuolisierung bussen die Zellen etwas von ihrer Plattenform ein und nehmen i m Sagittal- schnitt niedrig kubischen Charakter an. Im Flachenpraparat nimmt man wahr, dass die Grenzlinien der Zellen, die unter normalen Verhaltnissen einen ausgesprochen gezackten Ver- lauf zeigen, nun regelmassiger verlaufen, aber immernoch un- schwer mit Silber impragnierbar sind. Eine wesentliche Zu- nahme der Zellgrosse sieht man nicht, jedenfalls keine so hochgradige wie bei den Degenerationsprozessen im bestrahl- ten Mesothel. Ebensowenig findet man die ausgesprochen ab- gerundeten, grossvakuolisierten Zellen des Siegelringtypus, die ich in reichlicher Menge im Mesothel nach der Bestrahlung nachweisen konnte. Die degenerative Zellablosung im bestrahl- ten Gefassepithel findet daher nicht auf diesem Wege statt, sondern als dauernd progrediente Schrumpfung von Kern und Cytoplasma. Bei diesem Vorgang sieht man eine zunehmende Pyknose der Kerne mit schliesslicher Fragmentierung und Karyolyse. Kernfragmentierung kann auch vorkommen kurz nach Einsetzen der Degenerationsvorgange, bereits zu dem Zeitpunkt, wo die Kerne etwas angeschwollen und abgerundet sind. Diese Form der Kernrhexis fuhrt zu einem raschen Zu- grundegehen der Zellen, gewohnlich bereits ehe es zu degene- rativen Veranderungen im Cytoplasma kommt.

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Die degenerativen Veranderungen erreichen im Laufe des 3. Tages ihren Hohepunkt. Man sieht wie ein Teil der Zellen abgestossen wird und wie diese Ablosung stattfindet durch progressive Schrumpfung der Zellen, wobei der Kontakt mit den Nachbarzellen ein ziemlich guter ist. Doch ist es etwas schwieriger die Grenzlinien dieser sterbenden Zellen zu im- pragnieren, indem sich nicht selten den Grenzlinien entspre- chend Vakuolen bilden - also extrazellular - und man eben- falls haufig im Terminalstadium subepitheliale Vakuolen fin- det, welche die Abstossung erleichtern. Wahrend dieses Vor- gangs beobachtet man wie die Nachbarzellen ihre Grosse und Form etwas verandern und dadurch gewissermassen auf rein mechanischem Wege den durch die Zellabstossung entstehen- den Defekt auszufullen suchen. Die plastischen Fahigkeiten des Gefassepithels sind jedoch vie1 weniger ausgepragt als die- jenigen des Pleura- und besonders des Bauchfellmesothels, weshalb man selbst nach moderater Zellablosung die Entste- hung von Defekten in der Epithelmembran beobachten kann, die zu ihrer Epithelialisierung nicht gennge Zeit benotigen. Diese Bedeckung geschieht meinen Wahrnehmungen zufolge grosstenteils durch Zellneubildung und weniger durch Migra- tion oder plastische Tatigkeit seitens des Epithels. Diese Zell- neubildung geschieht in der Regel auf dem Wege einer ge- wohnlichen Kernmitose, die ubliche Abschnurung des Cyto- plasmas im Dispirem bleibt jedoch nicht selten aus, weshalb man als Ergebnis zweikernige Zellen erhalt. Zeichen von mo- deraten Fibrinniederschlagen auf den ihres Epithels ent- blossten Stellen wurde nicht selten gefunden, dagegen wurden regulare thrombotische Prozesse nicht beobachtet.

Die vorangehend beschriebene Zellabstossung erreichte bei meinen Tierversuchen selten grossere Massivitat, wenn auch zum Zeitpunkt maximaler Reaktion leichte degenerative Ver- anderungen in der Mehrzahl der Zellen nachweisbar waren. Die beobachteten Vorgange sind daher wahrscheinlich gross- tenteils reversibel und fuhren nur zu vorubergehenden mor- phologischen Veranderungen in den Zellen. Diese Verande- rungen gehen allem Anschein nach zuruck ohne dass in den

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Zellen selbst oder in relativ intakten Nachbarzellen deutliche postirritative Zeichen sichtbar werden. Auch nicht wahrend des spateren Verlaufs findet man nachweisbare Anzeichen einer uberstandenen Reizung, abgesehen von einer Reihe von zweikernigen Zellen, die bis gegen Ende des 1. Monats vor- gefunden werden. Zeichen einer atypischen Kernteilung oder anderer proliferativer Wirksamkeit normaler oder patholo- gischer Art wurden nicht nachgewiesen.

In dem untersuchten Menschenmaterial findet man grund- satzlich ahnliche Veranderungen wie die bei den Tierver- suchen beschriebenen. Die Bestrahlung war bei den Menschen jedoch eine protrahierte, auch wie die Strahlenqualitat etwas von der bei den Tierversuchen verwendeten ab ; ausserdem wurden hohere Dosen gegeben (3500-4500 r.). Ferner war die zwischen der Bestrahlung und der Untersuchung verstri- chene Zeitspanne etwas langer als beim Tiermaterial (7-92 Tage), ohne dass ich jedoch diesem Umstand grosseres Ge- wicht beilegen mochte, da samtliche 5 Falle praktisch genom- men die gleichen Veranderungen zeigten.

Die degenerativen Veranderungen scheinen hier mehr per- manenter Natur zu sein und eine solche Ausbreitung zu er- reichen wie keiner der Tierversuche sie aufweisen konnte, wie auch der Grad der Degeneration mehr potenziert zu sein scheint. So findet man zum Beispiel kaum Zellen von norma- lem Aussehen. Die Kerne weisen Anzeichen einer schweren Pyknose und Rhexis auf, wobei sie ein hochst wechselndes Aussehen annehmen. Meistens haben sie Nierenform, es kom- men aber auch Kernbilder vor, die Anzeichen einer Abschnu- rung grosserer oder kleinerer Partien des Karyoplasmas auf- weisen. In der Regel ist diese Abschnurung allerdings keine totale. Man findet auch Zeichen einer kiirzlich stattgefunde- nen Rhexis bei Kernen, die lediglich leichte degenerative Ver- anderungen zur Schau getragen hatten. Diese Bilder konnen rein morphologisch recht schwer von einer amitotischen Kern- teilung unterscheidbar sein. Von dieser abweichend ist das polymorphe Aussehen, das man bei der eigentlichen Amitose nicht findet, und die deutlichen degenerativen Veranderungen

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deuten auf einen regressiven Vorgang h in ; auch fuhren die genannten Prozesse nur selten zu einer eigentlichen Kerntei- lung.

Ausserdem findet man zahlreiche Falle einer irregularen Kernteilung in Gestalt mehrkerniger Riesenzellen (Abb. 6 ) . Diese haben meistens ein reichliches Cytoplasma, dessen Areal das Vielfache einer gewohnlichen Epithelzelle ausmacht. Die Grenzen des Cytoplasmas sind ziemlich glatt, und die Zellen im Sagittalschnitt hoher - obschon nicht vie1 - als normales Gefassepithel. Die Zahl der Kerne in diesen Riesenzellen liegt in der Regel zwischen 5 und 10, kann aber auch erheblich grosser sein, meistens ist es eine gerade Zahl. Die Kerne sind haufig nierenformig, von ziemlich gleicher Grosse und liegen oft ohne bestimmte Anordnung zentral im Cytoplasma, kon- nen aber auch peripher hufeisenformig angeordnet sein.

Die Genese dieser Zellen lasst sich wahrscheinlich zuriick- fuhren auf eine normal abgelaufene Kernmitose mit mangel- hafter Abschnurung des Cytoplasmas im Diasterstadium, ahn- lich wie dies fur die zweikernigen Zellen im Tiermaterial be- schrieben wurde. Diese Zellen stellen jedoch zweifelsohne eine pathologische Zellart dar ; nicht selten weisen sie degenerative Veranderungen auf, und ihre Lebensdauer ist wahrscheinlich eine sehr begrenzte im Vergleich mit dem normalen Gefass- epithel.

Bei dem untersuchten Menschenmaterial findet man meh- rere Stellen an denen das Epithel in grosseren Partien abge- stossen wurde. Nicht selten ist auch die Basalmembran zer- stort, so dass das daruntergelegene Bindegewebsflechtwerk blossgelegt ist (Abb. 7). In diesen Partien findet man in der Regel einen feinen Fibrinniederschlag und in dessen Maschen einige Leukozyten. Grossere thrombotische Auflagerungen konnten nicht nachgewiesen werden. Nicht selten beobachtet man auch ein Austreten von Leukozyten zwischen den Epi- thelzellen, wo diese erhalten sind, wahrend solch ein Austritt unter normalen Verhaltnissen vollkommen fehlt.

Bei den Arterien ist die subepitheliale Basalmembran we- nig ausgepragt sowohl beim Menschen wie bei den Tieren,

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A b b . 5 . A b b . 6 . X 600. Aortencpitlrel mit Kernenexcava- X 800. Epitheliale Riesenzellen in Men-

tionen 2 Tage nacli Bestrahlung. sclienaorta. Die Patientin hatte wieder- Iiolte Bcstrahlungen auf Thorax wegen

Mammakarzinom empfangen.

A b b . 7. A b b . 8. X 800. Blossgelcgtes subepitheliales Binde- gewebsfleclrtwerk in Arteria carotis. Pa- und mit (b.) Basalmembran.

tientin bestrahlt wegen Thyreoidea- karzinom.

X 800. Normales Venenepithel, ohne (a.)

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wahrend sie bei den Venen deutlich hervortritt (Abb. 8). Bei Rontgenbestrahlung weist die Basalmembran in meinen Versuchsreihen bloss moderate Veranderungen seiner beiden Komponenten, der Grundsubstanz und der Fibrillen, auf. Nach der Bestrahlung wird der Farbton der Basalmembran mehr basophil, und die Fibrillen werden mehr fragil. Ausserdem findet man bei der Herstellung von Hautchenpraparaten, dass die Basalmembran nach der Bestrahlung - im Gegensatz zu ihrem normalen Vorhalten - der Epithelmembran inniger anhaftet als dem darunterliegenden Gewebe.

4. UBERSICHT.

Die hier mitgeteilten Untersuchungen zeigen, dass beziig- lich ihrer Reaktionsweise gegeniiber Rontgenstrahlen ein We- Sensunterschied besteht zwischen dem Gefassepithel und den ihm in morphologischer Hinsicht nahestehenden Deckzellen des Brust- und Bauchfells (Efslcind, 1940). So fehlen zum Beispiel in den vorliegenden Untersuchungen die Zeichen einer atypischen Kernteilung vollig, die im Pleura- und Peritoneal- mesothel nach der Bestrahlung regelmassig auftreten.

Diese Befunde und die Wirkung von Thorotrast auf die genannten Zellarten, sowie deren abweichendes funktionelles Verhalten gegenuber Vitalfarbstoffen und Thorotrast bilden eine Stutze der Auffassung, dass diese Zellarten, die Deck- zellen in den grossen serosen Hohlen und das Gefiissepithcl, lediglich gewisse morphologische Ziige gemeinsam haben, in1 ubrigen aber als zu verschiedenen Gewebsgruppen gehorig angesehen werden miissen. Im gleichen Sinne sprechen auch die Genese dieser Zellarten, wie auch ihre prospektiven Po- tenzen. Was die Deckzellen des Bauchfells betrifft sind letztere, auf Grund der hohen Differenzierung dieser Zellen, sehr begrenzt. Das Gefassepithel diirfte dagegen als eine we- niger determinierte Gewebsart anzusehen sein, und es war seit langem (Waldeyer, 1867) bekannt, dass das Epithel der kleinen Gefasse regulare Fibroblasten zu bilden vermag. Ob dies auch fur das Epithel der grossen Gefasse zutrifft ist

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noch nicht entschieden, und die mitgeteilten Bestrahlungs- versuche vermogen infolge ihrer Anlage keine adaquate Ant- wort zu geben. Diese Frage sol1 daher den Gegenstand spa- terer Untersuchungen bilden.

Die Veranderungen, die ich bei diesen Versuchen im Ge- fassepithel nachweisen konnte, sind beim Tiermaterial die gleichen, die man ganz allgemein nach jeder Form von Rei- zung findet und sind grundsatzlich degenerativer Natur. Pro- liferative Prozesse dagegen fehlen so gut wie vollstandig. Dies beruht moglichenveise auf rein quantitativen Verhaltnissen, indem das angewandte Irritament haufig ausschliesslich re- versible Zellveranderungen hervorrief, welche keine starkeren reparativen Stimuli auslosten. Beriicksichtigt man, dass ziem- lich grosse Dosen verwendet wurden - wenn man auch bei dem angewandten Bestrahlungsmodus mit nicht mehr als 50 76 Tiefenwirkung rechnen darf - ergibt sich aus diesen und friiheren Versuchen, dass das Epithel der grossen Ge- fasse eine Radioresistenz besitzt, die erheblich grosser ist als die des Mesothels und ungefahr von gleicher Grosse wie die der Fibrocyten in ruhendem Bindegewebe.

Die im Menschenmaterial nachgewiesenen epithelialen Rie- senzellen lassen sich ebenfalls nicht als Produkt einer spezi- fische Strahlenwirkung charakterisieren, da sie ihre Ent- stehung wahrscheinlich keiner pathologischen Kernteilung verdanken sondern einer unvollstandigen Abschniirung des Cytoplasmas nach einer normalen Kernmitose. Sie sind daher den mesothelialen Riesenzellen in die Seite zu stellen, die ich in friiheren Versuchen nachweisen konnte bei irritativer Ein- wirkung allgemeiner Art auf das Mesothel. Die ausgesproche- neren degenerativen Veranderungen, die im menschlichen Ma- terial nachgewiesen werden konnten, beruhen vermutlich auf rein quantitativen Verhaltnissen bei der angewandten Dosie- rung.

5. KONKLUSIONEN.

1. Das Epithel der grossen Gefasse besitzt eine erhebliche Radioresistenz, die derjenigen der Fibrozyten im ruhenden Bindegewebe ungefahr entspricht.

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Die Strahlenwirkung unter den vorliegenden Versuchsbe- dingungen gibt sich zu erkennen in degenerativen Veran- derungen uncharakteristischer Natur. Eine Strahlenwirkung in Form einer atypischen Kerntei- lung konnte nicht nachgewiesen werden, im Gegensatz zu den Befunden im Pleura- und Peritonealmesothel unter den gleichen Bedingungen. Im Menschenmaterial wurden mehrkernige epitheliale Rie- senzellen gefunden, deren Entstehung erklart wird als das Ergebnis einer normalen Kernmitose ohne nachfolgende Cytoplasmaabschnurung im Diaster. Trotz tangentialer Bestrahlung bei Mammakarzinom findet man deutliche Zeichen einer Strahlenwirkung in den tief im Thorax gelegenen Organen. Das Epithel in den grossen Gefassen und die Deckzellen in den grossen serosen Hohlraumen scheinen zwei deutlich voneinander verschiedene Gewebsarten zu sein, die ledig- lich gewisse morpholigische Ahnlichkeitspunkte aufweisen.

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