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Verband der Rechtspfleger e.V. ● Gaußstraße 6 ● 31787 Hameln Korrespondenzanschrift:
Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport Postfach 221
30002 Hannover
Dipl.-Rpfl.'in Angela Teubert-Soehring
Vorsitzende
Gaußstraße 6
31787 Hameln
Tel.: 050151 / 2 60 67 priv.
Mobil: 0171 / 16 61 96 6
Tel.: 05151 / 796 - 270 dienstl. Fax: 05151 / 796 - 166 dienstl.
E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected]
www.rechtspfleger.net
Hameln, 11. Mai 2015
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Personalvertretungsge-
setzes und des Niedersächsischen Richtergesetzes
Schreiben vom 31.03.2015 - 11.11-03060/2.8.37
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Ruge,
der Verband der Rechtspfleger dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Entwurf
eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Personalvertretungsgesetzes und des
Niedersächsischen Richtergesetzes.
In der Sache werden die Aufwertung einiger Tatbestände der Benehmensherstellung zu sol-
chen der Mitbestimmung und die gelegentliche Schaffung neuer Beteiligungstatbestände
begrüßt. Gleiches gilt für die Schaffung des Wirtschaftsausschusses und die Zulassung
elektronischer Kommunikation.
Zu kritisieren ist aber, dass von einer Stärkung der Personalvertretungen, wie sie Gegen-
stand des Koalitionsvertrages ist, leider keine Rede sein kann. Das gilt erst recht für die von
2
der SPD-Landtagsfraktion im Vorfeld der letzten Landtagswahl geforderte Augenhöhe bei
der Mitbestimmung. Der Anwendungsbereich des Wirtschaftsrats ist so beschränkt, dass er
in der Praxis Makulatur bleiben wird. Die Ausweitung der Mitbestimmung springt insgesamt
zu kurz und gänzlich enttäuschend ist der völlige Verzicht auf eine Ausweitung der Freistel-
lungen. Augenhöhe sieht anders aus.
Die Einzelheiten entnehmen Sie bitte der Anlage.
Mit freundlichen Grüßen
Angela Teubert-Soehring Jens-Niklas Krause
Vorsitzende stv. Vorsitzender
3
Stellungnahme des Verbandes der Rechtspfleger (VdR)
zum
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Personalvertretungsge-
setzes und des Niedersächsischen Richtergesetzes
11.05.2015
Inhalt:
A. ..................... Allgemeines .............................................................................................. 4
I. ....................... Zu § 4 III NPersVG-E ................................................................................. 4
II....................... Zu § 5 II 2, III NPersVG-E .......................................................................... 4
III. .................... Zu § 9 II NPersVG-E .................................................................................. 5
B. ..................... Anhebung der Freistellungsstaffeln ........................................................ 7
I. ....................... Hauptforderung ........................................................................................ 7
II....................... Hilfsforderung ......................................................................................... 13
C. ..................... Informationsrechte ................................................................................. 14
I. ....................... Teilnahme an Beurteilungsgesprächen ................................................ 14
II....................... Zu § 60a NPersVG-E ............................................................................... 15
1....................... Senkung des Schwellenwerts ................................................................ 16
2....................... Erstreckung auf sämtliche Investitionen .............................................. 16
3....................... Berücksichtigung der Gesamtdienststellen ......................................... 17
4....................... Entsprechende Geltung für Stufenvertretungen .................................. 17
D. ..................... Beteiligungsrechte ................................................................................. 18
I. ....................... Mitbestimmung ....................................................................................... 18
1....................... Zur Stufenzuordnung, Zulagen, Zuschlägen und Prämien .................. 18
2....................... Zu § 65 I Nr. 10, II Nr. 8 NPersVG ........................................................... 19
3....................... Zur Mitbestimmung im Disziplinarrecht ................................................ 20
4....................... Zu § 65 II Nr. 2 NPersVG-E ..................................................................... 22
5....................... Zur Mitbestimmung bei Kündigungen ................................................... 23
6....................... Zu § 67 I Nr. 2 NPersVG-E ...................................................................... 24
II....................... Benehmensherstellung: Budgetverträge .............................................. 24
4
A. Allgemeines
I. Zu § 4 III NPersVG-E
Die beabsichtigte Streichung des § 4 III Nr. 3 NPersVG wird abgelehnt. Es mag sein, dass
dies die Rechtsanwendung erleichtern würde. Der in der Entwurfsbegründung bemühten
Stärkung der Mitbestimmung1 dient die Streichung dagegen nicht. Einziger Effekt einer Strei-
chung ist die Verschiebung der Gruppenstärken durch die zufällige Anzahl der am maßgebli-
chen Stichtag beschäftigten Praktikanten und geringfügig Beschäftigten zugunsten der
Gruppe der Arbeitnehmer. Diese Verschiebung ist willkürlich und eine sachlich nicht zu
rechtfertigende Beschränkung des verfassungsrechtlich garantierten Gruppenprinzips2.
II. Zu § 5 II 2, III NPersVG-E
Die beabsichtigte Zuweisung der Dienstordnungs-Angestellten betrifft zwar unmittelbar nur
die Träger der gesetzlichen Krankenkassen und der gesetzlichen Unfallversicherung3 und
berührt damit die Interessen des VdR nicht. Es erscheint aber fraglich, ob die Anknüpfung an
den rein formalen Aspekt der arbeitsrechtlichen Natur ihres Grundstatus eine ausreichende
Rechtfertigung liefert, um die Dienstordnungs-Angestellten der Gruppe der Arbeitnehmer
zuzuschlagen, denn materiell dürfte weiterhin das aus der Dienstordnung verwiesene Beam-
tenrecht prägend sein. Dies erkennt auch die Entwurfsbegründung an4. Dass nunmehr die
bislang maßgeblichen materiell-rechtlichen Aspekte hinter rein formelle Gesichtspunkte zu-
rücktreten sollen, wird auch nicht durch die bemühte Zuständigkeit der Arbeitsgerichte oder
die abweichende Wertung in anderen Rechtskreisen plausibel.
1 Kabinettsentwurf, S. 16
2 Dembowski/Ladwig/Sellmann, NPersVG, § 5 Rn. 2
3 Staudinger-Reuter, BGB, 2010, Vorbem. §§ 611 ff., Rn. 420
4 Kabinettsentwurf, S. 16
5
III. Zu § 9 II NPersVG-E
Der VdR fordert, die Schweigepflicht auf das notwendige Maß zu beschränken und
§ 9 NPersVG wie folgt zu ändern:
§ 9 I NPersVG - Kabinettsentwurf - § 9 I NPersVG - neu -
(1) Personen, die Aufgaben oder Befugnisse nach diesem Gesetz wahrnehmen oder wahrgenommen haben, müssen über die ihnen dabei bekannt gewor-denen Angelegenheiten und Tatsachen ___________
____________ Stillschweigen bewahren, soweit diese nicht offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. ____________ ___________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________
(1) 1Personen, die Aufgaben oder Befugnisse nach
diesem Gesetz wahrnehmen oder wahrgenommen haben, müssen über die ihnen dabei bekannt gewor-denen ___________________________ Dienstge-heimnisse Stillschweigen bewahren _____________ _____________________________________________________________________.
2Die Dienststelle
hat auf die Geheimbedürftigkeit hinzuweisen. 3Sie
kann die Schweigepflicht nach Satz 1 durch Erklä-rung gegenüber dem Personalrat auf weitere An-gelegenheiten erstrecken, wenn hierfür ein be-rechtigtes dienstliches Interesse besteht.
(2) 1Die Schweigepflicht besteht nicht für die Mitglie-
der der jeweils zuständigen Personalvertretungen untereinander sowie gegenüber der zuständigen Schwerbehindertenvertretung; sie entfällt ferner ge-genüber den vorgesetzten Dienststellen, den bei ihnen gebildeten Stufenvertretungen nach diesem Gesetz und nach dem Neunten Buch des Sozialge-setzbuchs (SGB IX) sowie der Einigungsstelle, wenn diese Stellen von der Personalvertretung angerufen worden sind.
(2) 1Die Schweigepflicht besteht nicht für die Mitglie-
der der jeweils zuständigen Personalvertretungen untereinander sowie gegenüber der zuständigen Schwerbehindertenvertretung; sie entfällt ferner ge-genüber den vorgesetzten Dienststellen, den bei ihnen gebildeten Stufenvertretungen nach diesem Gesetz und nach dem Neunten Buch des Sozialge-setzbuchs (SGB IX) sowie der Einigungsstelle, wenn diese Stellen von der Personalvertretung angerufen worden sind.
fehlt 2Sie besteht ferner nicht gegenüber den nach
diesem Gesetz hinzugezogenen Beauftragten der in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaften und deren Vorstandsmitgliedern.
2§ 60 Abs. 2 Satz 2 und 3 bleibt unberührt.
3§ 60 Abs. 2 Satz 2 und 3 bleibt unberührt.
Begründung:
Zu Absatz 1
Die extensive Fassung der personalvertretungsrechtlichen Schweigepflicht setzt die Mitglie-
der der Personalvertretungen auch außerhalb der Tatbestände der §§ 203, 353b StGB5 per-
manent dem Risiko arbeits- bzw. disziplinarrechtlicher Sanktionen aus und macht sie aus
Sicht der von ihnen vertretenen Beschäftigten auch dort zu stummen Statisten, wo dies nicht
durch ein besonderes Geheimhaltungsbedürfnis gerechtfertigt ist. Dies dient weder der
Transparenz noch dem Frieden innerhalb der Dienststelle. Gerade dann, wenn sich Ver-
handlungen zwischen Dienststelle und Personalvertretung über eine längere Zeit hinziehen
und die Dienststelle nicht von sich aus informiert, ist es für Personalvertretung außeror-
dentlich unbefriedigend, auf entsprechende Nachfragen nicht einmal schlichte Sachstands-
mitteilungen allgemeiner Natur geben zu können, ohne mit Sanktionen rechnen zu müssen.
5 Dembowski/Ladwig/Sellmann, NPersVG, § 9 Rn. 8
6
Es erscheint daher angezeigt, die Schweigepflicht der Personalvertretungen derjenigen der
Betriebsräte nach § 79 BetrVG anzunähern, indem der Anwendungsbereich grundsätzlich
auf Dienstgeheimnisse beschränkt und die Dienststelle verpflichtet wird, auf die Geheimbe-
dürftigkeit hinzuweisen. Um die vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mit unnötiger Büro-
kratie zu überfrachten, soll eine besondere Form für diese Erklärung nicht vorgeschrieben
werden. Darüber hinaus soll die Dienststelle die Möglichkeit haben, durch formlose Erklärung
gegenüber der Personalvertretung die Schweigepflicht auf solche Angelegenheiten zu er-
strecken, die zwar nicht dem Dienstgeheimnis unterfallen, für die aber ein berechtigtes Ge-
heimhaltungsinteresse besteht.
Zu Absatz 2
Bereits nach geltender Rechtslage wird die Verschwiegenheitspflicht nach § 9 I NPersVG auf
Beauftragte der in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaften, die Aufgaben nach dem
NPersVG wahrnehmen, erstreckt6. Damit einher geht die Erkenntnis, dass die Verschwie-
genheitspflicht der Mitglieder der Personalvertretungen gegenüber diesen Beauftragten bei
grundrechtskonformer Auslegung nicht besteht7. Im Interesse der Rechtssicherheit sollte
diese vom Gesetzgeber bisher offen gelassene Frage durch den vorgeschlagenen Satz 2
klargestellt und aus praktischen Gründen weiter bestimmt werden, dass auch gegenüber den
Mitgliedern desjenigen Gewerkschaftsvorstands keine Pflicht zur Verschwiegenheit besteht,
die die oder den Beauftragten entsandt haben.
Der bisherige Satz 2 wird nach diesem Vorschlag zum neuen Satz 3. Der Vorschlag des Ka-
binettsentwurfs, die aus einem Redaktionsversehen bisher unterbliebene Bezugnahme auf
§ 60 II 3 NPersVG8 nunmehr nachzuholen, wird begrüßt.
6 Dembowski/Ladwig/Sellmann, NPersVG, § 9 Rn. 3
7 Dembowski/Ladwig/Sellmann, NPersVG, § 9 Rn. 22
8 Dembowski/Ladwig/Sellmann, NPersVG, § 9 Rn. 23
7
B. Anhebung der Freistellungsstaffeln
I. Hauptforderung
Der VdR fordert eine deutliche Anhebung der Freistellungsstaffeln für Personalräte, Gesamt-
personalräte und Stufenvertretungen.
Hierzu ist § 39 III 3 NPersVG wie folgt zu ändern:
§ 39 III 3 NPersVG - aktuell - § 39 III 3 NPersVG - neu -
„3Dabei sind in der Regel freizustellen in Dienststellen
mit regelmäßig „3Dabei sind in der Regel freizustellen in Dienststellen
mit regelmäßig
300 bis 600 Beschäftigten 1 Mitglied, 200 bis 500 Beschäftigte 1 Mitglied,
601 bis 1 000 Beschäftigten 2 Mitglieder, 501 bis 900 Beschäftigte 2 Mitglieder,
1 001 bis 2 000 Beschäftigten 3 Mitglieder, 901 bis 1.500 Beschäftigte 3 Mitglieder,
1.501 bis 2.000 Beschäftigte 4 Mitglieder
bis 10 000 Beschäftigten je weitere angefangene 1 000 Beschäftigte
1 weiteres Mitglied, bis 10 000 Beschäftigten je weitere angefangene 1 000 Beschäftigte
1 weiteres Mitglied,
über 10 000 Beschäftigten je weitere angefangene 2 000 Beschäftigte
1 weiteres Mitglied. über 10 000 Beschäftigten je weitere angefangene 2 000 Beschäftigte
1 weiteres Mitglied.
Darüber hinaus ist § 48 I 2, 3 NPersVG wie folgt zu ändern:
§ 48 I 2, 3 NPersVG - aktuell - § 48 I 2, 3 NPersVG - neu -
„2Abweichend von § 39 Abs. 3 Satz 3 sind für Stufen-
vertretungen unter Berücksichtigung der Zahl der Be-schäftigten des jeweiligen Geschäftsbereichs in der Regel freizustellen bei regelmäßig
„2Abweichend von § 39 Abs. 3 Satz 3 sind für Stufen-
vertretungen unter Berücksichtigung der Zahl der Be-schäftigten des jeweiligen Geschäftsbereichs in der Regel freizustellen bei regelmäßig
300 bis 600 Beschäftigten 1 Mitglied, 200 bis 500 Beschäftigte 1 Mitglied
601 bis 1.000 Beschäftigten 2 Mitglieder, 501 bis 1.000 Beschäftigte 2 Mitglieder
bis 10.000 Beschäftigten je weitere angefangene 1.000 Beschäftigte
weitere Mitglieder zu einem Fünftel,
1.001 bis 2.000 Beschäftigte 3 Mitglieder
über 10.000 Beschäftigten je weitere angefangene 2.000 Beschäftigte
weitere Mitglieder zu einem Fünftel.
2.001 bis 4.000 Beschäftigte 4 Mitglieder
4.001 bis 7.000 Beschäftigte 5 Mitglieder
7.001 bis 10.000 Beschäftigte 6 Mitglieder
ab 10.001 Beschäftigte je weitere angefangene 4.000 Beschäftigte
1 weiteres Mitglied
„3Die Höchstzahl der Freistellungen beträgt fünf. Entfällt
Begründung:
Effektive Mitbestimmung erfordert Augenhöhe. Die gegenwärtigen Freistellungsstaffeln las-
sen diese nicht zu. Dieser Umstand ist seit langem bekannt. Es ist deshalb außerordentlich
enttäuschend, dass eine rot-grüne Landesregierung den von mehreren Gewerkschaften er-
hobenen Forderungen nach einer höchst nötigen Anhebung der Freistellungsstaffeln nicht
nachkommen will. Obwohl noch im Wahlkampf von der SPD Augenhöhe für die Personalräte
8
gefordert9 und im Koalitionsvertrag eine Stärkung der Mitbestimmung versprochen wurde10.
Man fragt sich, welche neuen Erkenntnisse zwischenzeitlich hinzugekommen sind, die ein
derartiges Abrücken rechtfertigen. Dass Personalvertretung Geld kostet, kann es nicht
sein11. Die partikularen Interessen der Oberbürgermeister sind es hoffentlich nicht. In der
Sache bleibt es dabei, dass akuter Handlungsbedarf besteht und es gilt, ein Wahlverspre-
chen einzulösen. Die Augenhöhe wurde zu Recht gefordert. Nun gilt es, sie einzulösen. Oh-
ne eine Anhebung der Freistellungsstaffeln geht das nicht.
Im Einzelnen:
Die erforderliche Augenhöhe hat nicht nur etwas mit Beteiligungstatbeständen zu tun, son-
dern auch mit personellen Ressourcen. Jedenfalls in der niedersächsischen Justiz, in der die
Mehrzahl der Gerichte die geforderte Mindestgröße von 300 Beschäftigten nicht erreicht, ist
es mehr als unglücklich, für die Freistellung im Einzelfall oder die Bemessung einer pauscha-
len Freistellung auf das Wohlwollen der Behördenleitung angewiesen zu sein. Und es ist für
Stufenvertretungen de facto unmöglich, beispielsweise als Hauptpersonalrat die Interessen
von ca. 15.000 Beschäftigten auf Augenhöhe mit einem Ministerium zu vertreten, wenn den
5 Freistellungen für den Hauptpersonalrat ein Vielfaches an personellen Ressourcen und die
Möglichkeit zu Spezialisierungen auf Seiten des Ministeriums gegenüberstehen.
Die gegenwärtigen Freistellungsstaffeln sind unzureichend. Sie wurden zuletzt 1994 ange-
hoben - um 9 Prozent12. Seitdem haben sich die Aufgaben der Personalvertretungen deutlich
verändert. Der - begrüßenswerte - Zuwachs an kooperativer Führung, die Modernisierung
der Landesverwaltung sowie der Justiz, hier vor allem die Einführung neuer Steuerungsin-
9 Ausbau der Mitbestimmung im Niedersächsischen Personalvertretungsgesetz - Entschließungsantrag der SPD-Fraktion
vom 18.09.2012, LT-Drs. 16/5158, S. 2: „Der Anspruch an ein modernes und zeitgemäßes Personalvertretungsgesetz ist,
eine möglichst weitgehende Mitbestimmung zu erreichen. Das muss auf Augenhöhe geschehen. Mit dem Vorschlag zur
Novellierung des Personalvertretungsgesetzes wird vorgeschlagen, die Mitbestimmungsrechte der Personalvertretungen
wieder auszuweiten.“
10 Erneuerung und Zusammenhalt - Nachhaltige Politik für Niedersachsen - Koalitionsvertrag SPD und B90/Die Grünen 2013 -
2018, S. 19: „Das niedersächsische Personalvertretungsgesetz soll zukunftsfähig modernisiert werden, um die Mitbestim-
mungsmöglichkeiten der Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu stärken und um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Behörden und Verwaltungen wieder herzustellen.“; ebda. S. 54: „Die rot-grüne
Koalition wird in Niedersachsen und im Bundesrat entsprechende Gesetzesinitiativen starten bzw. unterstützen für […]
Stärkung der Rechte von Betriebs- und Personalräten.“
11 Ausbau der Mitbestimmung im Niedersächsischen Personalvertretungsgesetz - Entschließungsantrag der SPD-Fraktion
vom 18.09.2012, a.a.O.: „Demokratie kostet Geld - und Mitbestimmung kostet auch Geld. Aber beides sind unverzichtbare
Kernelemente unserer Gesellschaft, die nicht wegzudenken sind. Sie sind jeden Euro wert, den sie kosten. Es ist rentierlich
investiertes Geld in den Betriebsfrieden und in die Motivation der Beschäftigten innerhalb der Dienststellen.“
12 LT-Drs. 12/4370, S. 123.
9
strumente und des elektronischen Rechtsverkehrs, und die mit all dem einhergehende Ein-
bindung in Arbeitsgruppen kosten Zeit. Zeit, die zwingend nötig ist. Zeit, die in den gegen-
wärtigen Freistellungsstaffeln nicht abgebildet ist. Spätestens diese Entwicklung der letzten
20 Jahre hat jede Rechtfertigung für ein Zurückbleiben hinter den Freistellungsstaffeln für
Betriebsräte entfallen lassen. Das gilt erstens für das Zurückbleiben der Freistellungsstaffeln
der örtlichen Personalräte nach § 39 NPersVG hinter denen der Betriebsräte nach
§ 38 BetrVG.
Denn dieser vordergründig kleine Unterschied trifft jedenfalls die Justiz besonders hart, da
die meisten Gerichte nicht groß genug sind, um die Untergrenze von derzeit 300 Beschäftig-
ten zu erreichen. Die Frage, ob dieser Schwellenwert weiter bei 300 Beschäftigten verbleibt
oder in Anlehnung an § 38 BetrVG auf 200 gesenkt wird, hat daher jedenfalls für die Justiz
einiges Gewicht.
10
Diese Erkenntnis gilt zweitens und erst recht für das Zurückbleiben der Freistellungsstaffeln
der Stufenvertretungen und Gesamtpersonalräte nach § 48 NPersVG mit denen der Be-
triebsräte nach § 38 BetrVG.
Zwar lässt sich einwenden, dass ein direkter Vergleich der Freistellungsstaffel für Stufenver-
tretungen nach § 48 NPersVG mit der der Betriebsräte nach § 38 BetrVG hinkt, weil Kon-
zernbetriebsräte überhaupt keine eigenen Freistellungsstaffeln haben und die Freistellungs-
staffel der örtlichen Personalräte nach § 39 NPersVG nur geringfügig hinter der der Betriebs-
räte zurückbleibt.
Dieser Einwand übersieht aber zweierlei: Erstens, dass die Mitglieder der Konzernbetriebsrä-
te nicht unmittelbar gewählt werden, sondern mittelbar aus den Reihen der Betriebsräte. Die
- richtige - Entscheidung des Niedersächsischen Gesetzgebers, die Mitglieder der Stufenver-
tretungen direkt wählen zu lassen, war aber zugleich eine Entscheidung für einen Personal-
mehrbedarf für die Tätigkeiten der Stufenvertretungen. Denn in der Unmittelbarkeit der Wahl
ist die regelmäßige Personenverschiedenheit zwischen Mitgliedern der Ortspersonalräte und
denen der Stufenvertretungen angelegt, wo nach dem Betriebsverfassungsrecht notwendig
Personenidentität herrscht. Personenverschiedenheit bedingt aber einen Sockelpersonalbe-
darf, der doppelt oder sogar dreifach entsteht und von den Freistellungsstaffeln des
11
NPersVG nicht abgebildet wird. Die diesbezüglichen Forderungen wurden bereits 1994 allein
aus Kostengründen abgelehnt13.
Zweitens erreichen Betriebsräte innerhalb eines Konzerns deutlich höhere Freistellungsstaf-
fel als die Personalräte der niedersächsischen Dienststellen. Kaum ein Konzern dürfte mit
seinen Gesellschaften und Betrieben so dezentral organisiert sein wie das Flächenland Nie-
dersachsen mit seinen Dienststellen. Das mag in Geschäftsbereichen mit einem hohen An-
teil an großen Dienststellen nicht nennenswert ins Gewicht fallen. In der niedersächsischen
Justiz, in der die überwiegende Mehrheit der Gerichte weniger als 300 Beschäftigte hat, führt
diese Dezentralität aber auch zu einer signifikanten Beeinträchtigung der Stufenvertretun-
gen.
Auch der weitere Einwand, überschießende Aufwände könnten durch die Dienstbefreiung
nach § 39 II 1 NPersVG aufgefangen werden, greift zu kurz. Denn er übersieht, dass solche
Abwesenheiten regelmäßig - wenn überhaupt - nur dienststellenintern aufgefangen werden
können. Die damit einhergehende Mehrbelastung der unmittelbar betroffenen Kolleginnen
und Kollegen wird aber von den meisten Mitgliedern der Stufenvertretungen gescheut, was
nichts anderes bedeutet, als dass die während der Personalvertretungstätigkeit angefallenen
Arbeiten nachgearbeitet werden müssen. So wird effektive Mitbestimmung verhindert.
Die Freistellungsstaffeln sind daher wie gefordert anzuheben. Für die örtlichen Personalräte
muss das Ziel darin bestehen, möglichst vielen Personalräten einen Anspruch auf Freistel-
lung nach § 39 III NPersVG zu verschaffen.
13 LT-Drs. 12/4370, S. 131.
12
Hierzu ist wenigstens ein Gleichlauf mit den Freistellungsstaffeln des § 38 BetrVG herzustel-
len.
Für die Stufenvertretungen ist die von der SPD im Wahlkampf geforderte Augenhöhe herzu-
stellen durch eine deutliche Anhebung der Freistellungsstaffeln.
13
II. Hilfsforderung
Hilfsweise wird für den Fall, dass eine Anhebung partout politisch nicht durchzusetzen ist,
vorgeschlagen, die Änderung des § 39 III 3 NPersVG auf den Geschäftsbereich des Nieder-
sächsischen Justizministeriums zu begrenzen.
Hierzu ist als ein neues Kapitel 11 - Gerichte und Staatsanwaltschaften - mit einem neuen
§ 108 NPersVG einzufügen:
Elftes Kapitel Elftes Kapitel Gerichte und Staatsanwaltschaften Gerichte und Staatsanwaltschaften
§ 108 NPersVG-aktuell - § 108 NPersVG- neu -
fehlt (1) Abweichend von § 39 Abs. 3 Satz 3 sind in der Regel freizustellen in Dienststellen mit regelmäßig
200 bis 500 Beschäftigte 1 Mitglied,
501 bis 900 Beschäftigte 2 Mitglieder,
901 bis 1.500 Beschäftigte 3 Mitglieder,
1.501 bis 2.000 Beschäftigte 4 Mitglieder
bis 10 000 Beschäftigten je weitere angefangene 1 000 Beschäftigte
1 weiteres Mitglied,
über 10 000 Beschäftigten je weitere angefangene 2 000 Beschäftigte
1 weiteres Mitglied.
„(2) Abweichend von § 48 Abs. 1 Sätze 2 und 3 sind für Stufenvertretungen unter Berücksichti-gung der Zahl der Beschäftigten des jeweiligen Geschäftsbereichs in der Regel freizustellen bei regelmäßig
200 bis 500 Beschäftigte 1 Mitglied
501 bis 1.000 Beschäftigte 2 Mitglieder
1.001 bis 2.000 Beschäftigte 3 Mitglieder
2.001 bis 4.000 Beschäftigte 4 Mitglieder
4.001 bis 7.000 Beschäftigte 5 Mitglieder
7.001 bis 10.000 Beschäftigte 6 Mitglieder
ab 10.001 Beschäftigte je weitere angefangene 4.000 Beschäftigte
1 weiteres Mitglied
Die nachfolgenden Kapitel- und Paragrafennummern erhöhen sich entsprechend.
Begründung:
Der Geschäftsbereich des Niedersächsischen Justizministeriums unterscheidet sich von den
anderen Geschäftsbereichen dadurch, dass die Anzahl der Dienststellen, die weniger als
300 Beschäftigte aufweisen und damit den Schwellenwert des § 39 III 3 NPersVG nicht er-
reichen, überproportional hoch ist. Die Mehrzahl der Gerichte erreicht in toto bereits kaum
mehr als 150 Beschäftigte. Dieser Befund wird noch verschärft durch eine weitere Beson-
derheit, nämlich die Herausnahme der Richterinnen und Richter sowie der Staatsanwältin-
nen und Staatsanwälte, die eigene Vertretungen wählen. Die überproportional hohe Anzahl
14
von Dienststellen unterhalb des Schwellenwerts von 300 Beschäftigten in der Justiz wird
durch diesen Effekt noch vergrößert.
Diese Besonderheiten erfordern eine besondere Regelung. Der einzige andere Geschäftsbe-
reich, auf den jedenfalls die erste Feststellung ebenfalls zutrifft, ist der Geschäftsbereich des
Kultusministeriums. Dieser verfügt bereits über eine vorteilhaftere Sonderregelung in
§ 99 II, III NPersVG.
Die hilfsweise geforderte Sonderregelung erstreckt sich mit Absatz 2 auch auf die Stufenver-
tretungen, obwohl im kommunalen Bereich keine solchen existieren und daher jedenfalls
eine Änderung des § 48 NPersVG politisch aussichtsreicher ist als die des § 39 NPersVG.
Denkbar wäre also auch, die geforderte Änderung des § 48 NPersVG zu übernehmen und
lediglich § 108 NPersVG mit dem Inhalt des Absatzes 1 als einzigem Absatz in den Entwurf
aufzunehmen.
C. Informationsrechte
I. Teilnahme an Beurteilungsgesprächen
Der VdR fordert die Schaffung eines Teilnahmerechts des Personalrats an Beurteilungsge-
sprächen auf Wunsch der Beschäftigten bzw. des Beschäftigten. Hierzu ist
§ 60 III 1 Nr. 3 NPersVG ist wie folgt zu ändern:
§ 60 III 1 Nr. 3 NPersVG - aktuell - § 60 III 1 Nr. 3 NPersVG - neu -
3. ______________________________________ __________ bei Personalgesprächen mit der für Personalentscheidungen zuständigen Stelle, wenn die Beschäftigte oder der Beschäftigte dies wünscht___________________________.
3. auf Wunsch der Beschäftigten oder des Be-schäftigten bei Personalgesprächen mit der für
Personalentscheidungen zuständigen Stelle ______________________________________________ sowie bei Beurteilungsgesprächen.
Begründung:
Ein Teilnahmerecht des Personalrats an Beurteilungsgesprächen mit dem (nur) für die Beur-
teilung zuständigen Vorgesetzten wird bislang abgelehnt14. Diese Haltung kann sich zwar auf
den aktuellen Wortlaut des Gesetzes stützen, sie wird aber den schützenswerten Interessen
der Beschäftigten nicht gerecht. Es triff zwar zweifellos zu, dass eine Beurteilung die spätere
(Auswahl-)Entscheidung lediglich vorbereitet. Genauso zutreffend ist allerdings die Beobach-
tung, dass die nicht hinterfragte Beurteilung die spätere (Auswahl-)Entscheidung in den
meisten Fällen vorwegnimmt. Es ist daher nicht einzusehen, weshalb man Beschäftigten, die
für ein aus ihrer Sicht nötiges Hinterfragen ihrer Beurteilung die persönliche Unterstützung
14 Dembowski/Ladwig/Sellmann, NPersVG, § 60 Rn. 68
15
durch ein Mitglied des Personalrats wünschen, diese Unterstützung aus rein formalen Grün-
den verwehren sollte, obwohl es nichts zu verbergen gibt.
II. Zu § 60a NPersVG-E
Der VdR begrüßt die Überlegungen zur Einführung eines Wirtschaftsausschusses als Kom-
munikationsinstrument. Allerdings ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Wirtschaftsaus-
schuss in Niedersachsen eine geringere Rolle spielen sollte als in anderen Ländern oder in
der Privatwirtschaft.
Der VdR fordert daher, den geplanten § 60a NPersVG-E wie folgt zu ändern:
§ 60a NPersVG - Kabinettsentwurf - § 60a NPersVG - neu -
(1) 1
In Dienststellen mit in der Regel mehr als zwei-hundert Beschäftigten soll auf Antrag des Personal-rats ein Wirtschaftsausschuss gebildet werden.
2Der
Wirtschaftsausschuss hat die Aufgabe, wirtschaftliche Angelegenheiten der Dienststelle im Sinne des Ab-satzes 3 zu beraten und den Personalrat zu unterrich-ten.
(1) 1
In Dienststellen mit in der Regel mehr als einhun-dert Beschäftigten soll auf Antrag des Personalrats ein Wirtschaftsausschuss gebildet werden. 2unverändert
(2) Die Dienststelle hat den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten - soweit dadurch nicht die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder Dienstge-heimnisse gefährdet werden - sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Personalplanung darzustellen.
unverändert
(3) Zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten gehören insbesondere
(3) Zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten gehören insbesondere
1. die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Dienststelle,
unverändert
2. Veränderungen der Produktpläne, unverändert
3. beabsichtigte bedeutende Investitionen, 3. beabsichtigte _________ Investitionen,
4. beabsichtigte Partnerschaften mit Privaten, 4. beabsichtigte Partnerschaften mit Privaten,
fehlt 5. Stellung der Dienststelle in der Gesamt-dienststelle
5. Rationalisierungsvorhaben, 6. Rationalisierungsvorhaben,
6. Einführung neuer Arbeits- und Managementme-thoden,
7. Einführung neuer Arbeits- und Managementme-
thoden,
7. Fragen des betrieblichen Umweltschutzes, 8. Fragen des betrieblichen Umweltschutzes,
8. Verlegung von Dienststellen oder Dienststellen-teilen,
9. Verlegung von Dienststellen oder Dienststellen-
teilen,
9. Neugründung, Zusammenlegung oder Teilung der Dienststelle oder von Dienststellenteilen,
10. Neugründung, Zusammenlegung oder Teilung
der Dienststelle oder von Dienststellenteilen,
10. Kooperation mit anderen Dienststellen im Rah-men interadministrativer Zusammenarbeit,
11. Kooperation mit anderen Dienststellen im Rah-
men interadministrativer Zusammenarbeit,
11. sonstige wirtschaftliche Vorgänge und Vorha-ben, welche die Interessen der Beschäftigten der Dienststelle wesentlich berühren können.
12. sonstige wirtschaftliche Vorgänge und Vorha-
ben, welche die Interessen der Beschäftigten der Dienststelle wesentlich berühren können.
16
(4) 1Der Wirtschaftsausschuss besteht aus mindes-
tens drei und höchstens sieben Mitgliedern, die der Dienststelle angehören müssen, darunter mindestens einem Personalratsmitglied.
2Ersatz-mitglieder kön-
nen bestellt werden. 3Dem Wirtschaftsausschuss
sollen Frauen und Männer angehören. 4Die Mitglieder
sollen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderliche fachliche und persönliche Eignung besitzen.
5Sie
werden vom Personalrat für die Dauer seiner Amts-zeit bestimmt.
5§ 39 Abs. 2 gilt entsprechend.
unverändert
(5) 1Der Wirtschaftsausschuss soll vierteljährlich ein-
mal zusammentreten. 2Er hat über jede Sitzung dem
Personalrat unverzüglich und vollständig zu berichten.
unverändert
(6) 1An den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses
hat die Dienststelle teilzunehmen. 2Sie kann weitere
sachkundige Beschäftigte hinzuziehen; gleiches gilt für den Wirtschaftsausschuss.
unverändert
(7) Ist ein Gesamtpersonalrat gebildet, so tritt dieser an die Stelle des Personalrats und die Gesamtdienst-stelle an die Stelle der Dienststelle.
(7) Ist ein Gesamtpersonalrat gebildet, so tritt dieser an die Stelle des Personalrats und die Gesamtdienst-stelle an die Stelle der Dienststelle.
fehlt (8) 1Für Stufenvertretungen gelten die Absätze 1
bis 6 nach Maßgabe der nachfolgenden Bestim-mungen entsprechend.
2An die Stelle der Be-
schäftigten der Dienststelle nach Absatz 1 treten die Beschäftigten des Geschäftsbereichs der Dienststelle, bei der die Stufenvertretung gebildet ist.
Begründung:
1. Senkung des Schwellenwerts
Der Schwellenwert des § 60a I 1 NPersVG-E sollte auf 100 gesenkt werden.
Die nach § 106 I 1 BetrVG erforderliche Mindestanzahl von in der Regel 100 Beschäftigten
ist bewährt, die ohne jede Begründung beabsichtigte Verdoppelung durch
§ 60a I 1 NPersVG-E bei optimistischer Lesart nicht nachvollziehbar. Jedenfalls verkommt
der Wirtschaftsausschuss dadurch zu einer seltenen Ausnahme. Das wird den tatsächlich
bestehenden Notwendigkeiten und Informationsbedürfnissen bei Behörden und Gerichten
mittlerer Größe nicht gerecht. In diesem Zusammenhang hilft auch nicht der Hinweis auf die
Möglichkeit der einvernehmlichen Bildung eines Wirtschaftsausschusses unterhalb des
Schwellenwertes. Denn dieser Ausschuss hätte nicht die Rechte des Wirtschaftsausschus-
ses15. Gleiches gilt für den Verweis auf die Information im Rahmen der Vierteljahresgesprä-
che.
2. Erstreckung auf sämtliche Investitionen
Das Wort „bedeutende“ sollte aus § 60a III Nr. 3 NPersVG-E gestrichen werden
15 ErfKommArbR-Kania, 15. A., § 106 BetrVG Rn. 2
17
Darüber hinaus ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Wirtschaftsausschuss nach
§ 60a III Nr. 3 NPersVG-E nur bei bedeutenden Investitionen informiert werden soll, mithin
also nicht bei allen. Sowohl für die Wirtschaftsausschüsse der Betriebsräte als auch für die
der Personalräte in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg fehlt diese Beschrän-
kung16, die im Übrigen viel Interpretationsspielraum und damit Konfliktpotenzial bietet.
3. Berücksichtigung der Gesamtdienststellen
Nach § 60a III Nr. 4 NPersVG sollte als neue Nummer 5 eingefügt werden:
„Nr. 5 Stellung der Dienststelle in der Gesamtdienststelle“
Gerade im Justizvollzug dürften Abteilungen existieren, die als Dienststelle im Sinne des
NPersVG die Bildung eines Wirtschaftsausschusses beantragen könnten und selbstver-
ständlich auch ein Informationsinteresse an der wirtschaftlichen Stellung der Dienststelle
innerhalb der Gesamtdienststelle haben. Es ist nicht ersichtlich, weshalb diese Angelegen-
heit aus § 106 III Nr. 5 BetrVG nicht übernommen wurde. Sowohl in § 65a III Nr. 5 PersVG
NW als auch in § 68b III Nr. 5 PersVG BW ist sie enthalten. Nötig ist sie auch in Niedersach-
sen.
Die nachfolgenden Nummern erhöhen sich entsprechend.
4. Entsprechende Geltung für Stufenvertretungen
Nach § 60a VII NPersVG-E ist als neuer Absatz 8 aufzunehmen:
„(8) 1Für Stufenvertretungen gelten die Absätze 1 bis 6 nach Maßgabe der nachfolgenden
Bestimmungen entsprechend. 2An die Stelle der Beschäftigten der Dienststelle nach Absatz
1 treten die Beschäftigten des Geschäftsbereichs der Dienststelle, bei der die Stufenvertre-
tung gebildet ist.“
Der Entwurf befasst sich nicht explizit mit der Frage, ob auch Stufenvertretungen das Recht
haben sollen, die Bildung eines Wirtschaftsausschusses zu verlangen. Um Missverständnis-
sen vorzubeugen, soll daher durch den vorgeschlagenen neuen Absatz 8 klargestellt wer-
den, dass die Vorschriften über den Wirtschaftsausschuss für Stufenvertretungen entspre-
chend gelten und zwar mit der Maßgabe, dass für den Schwellenwert nach
§ 60a I NPersVG-E die Zahl der Beschäftigten des Geschäftsbereichs maßgeblich ist.
Denn dass das die Einrichtung eines Wirtschaftsausschusses tragende Informationsbedürf-
nis auf der Ebene der Stufenvertretungen erst recht besteht, wird ernsthaft niemand in Frage
stellen können, ohne den Vorstoß insgesamt zur Farce zu machen.
16 vgl. § 106 III Nr. 3 BetrVG, § 65a III Nr. 3 PersVG NW, § 68b III Nr. 3 PersVG BW
18
D. Beteiligungsrechte
I. Mitbestimmung
1. Zur Stufenzuordnung, Zulagen, Zuschlägen und Prämien
Der VdR fordert, als neue Nummer 4 in § 65 I NPersVG einzufügen:
§ 65 I Nr. 4 NPersVG - aktuell - § 65 I Nr. 4 NPersVG - neu -
fehlt 4. Stufenzuordnung, Gewährung und Widerruf von Zulagen, Zuschlägen und Prämien
4. Zulassung zum Aufstieg in die nächsthöhere Laufbahn
5. Zulassung zum Aufstieg in die nächsthöhere Laufbahn.
Die nachfolgenden Nummern erhöhen sich entsprechend.
Begründung:
Der VdR ist der Auffassung, dass die Festsetzung der künftigen Erfahrungsstufen von erheb-
licher finanzieller Bedeutung ist und die dabei bestehenden Beurteilungs- und Ermessens-
spielräume eine Richtigkeitskontrolle im Rahmen der Mitbestimmung erfordern. Gleiches gilt
für die Gewährung und den Widerruf von Zulagen nach § 1 II NBesG i.V.m. §§ 13, 45 bis
47 BBesG (Länderfassung), Leistungsprämien und -zulagen nach §§ 2, 3 NLPZVO17 so-
wie Sonderzuschläge zur Sicherung der Wettbewerbs- und Funktionsfähigkeit nach
§ 1 II NBesG i.V.m. § 72 BBesG (Länderfassung) bzw. künftig von Zulagen nach §§ 42, 43,
45 bis 47 NBesG-E, von Leistungsprämien und -zulagen nach § 53 NBesG-E sowie von Per-
sonalgewinnungszuschlägen nach § 55 NBesG-E.
Die diesbezüglichen Entscheidungen sollen daher durch einen als § 65 I Nr. 4 neu zu schaf-
fenden Tatbestand in Mitbestimmung einbezogen werden. Die nachfolgenden Nummern
verschieben sich entsprechend.
Eine Mitbestimmung bei der Stufenzuordnung ist erforderlich, weil im Rahmen der geplanten
Besoldungsreform erhebliche Spielräume bei der Festsetzung der Erfahrungsstufen geschaf-
fen werden.
Die geplante Anrechenbarkeit förderlicher Beschäftigungszeiten außerhalb des öffentlichen
Dienstes nach § 27 I 4 NBesG-E und förderlicher Weiterbildungszeiten nach § 27 I 5 NBesG-
E schafft Spielräume von erheblicher individueller wie kollektiver Bedeutung. Der Unter-
schied zwischen zwei Erfahrungsstufen wird nicht selten 50 Prozent des Unterschiedsbe-
trags zwischen zwei Besoldungsgruppen ausmachen. Es ist daher kaum zu begründen,
17 Nds. Leistungsprämien- und Zulagenverordnung vom 05.10.1999 (Nds. GVBl. S. 359), zuletzt geändert durch VO v.
23.11.2008 (Nds. GVBl. S. 362)
19
weshalb die Beförderungsentscheidung richtigerweise der Mitbestimmung unterworfen wird,
die nicht selten gravierendere Stufenfestsetzung dagegen nicht. Es ist auch nicht einzuse-
hen, warum die Stufenzuordnung unter Anrechnung von Beschäftigungszeiten bei einem
anderen Arbeitgeber gemäß § 16 II 3 TV-L nach § 65 II Nr. 2 der Mitbestimmung unterworfen
wird, die der Beamten dagegen trotz identischer Interessenlage nicht.
Gleiches gilt für die Gewährung bzw. den Widerruf der vorgenannten Zulagen, Zuschlägen
und Prämien18.
Wenn die Aufgabe des Personalrats, nach § 59 I Nr. 1 NPersVG auf die gleichmäßige Be-
handlung aller nach Recht und Billigkeit zu achten, im Besoldungsrecht nicht bloßer Pro-
grammsatz bleiben soll, muss also die Stufenzuordnung in die Mitbestimmung einbezogen
werden.
2. Zu § 65 I Nr. 10, II Nr. 8 NPersVG
Der VdR begrüßt die Absicht der Landesregierung, die Mitbestimmung auch bei Umsetzun-
gen zu stärken, hält die Änderung aber nicht für hinreichend. Daher fordert der VdR,
§ 65 I Nr. 10, II Nr. 8 NPersVG-E wie folgt zu ändern:
§ 65 I Nr. 10 NPersVG - aktuell - § 65 I Nr. 10 NPersVG - neu -
10. Umsetzung innerhalb der Dienststelle, wenn die neue Dienststätte auf einer üblicherweise befah-renen Strecke mindestens 30 Kilometer von der bisherigen Dienststätte entfernt liegt, die Umset-zung den Zeitraum von drei Monaten über-schreitet und die Beamtin oder der Beamte ihr nicht zustimmt,
10. Umsetzung innerhalb der Dienststelle, wenn __ ______________________________________ ______________________________________ _____________________________ die Umset-zung den Zeitraum von drei Monaten über-schreitet und die Beamtin oder der Beamte ihr nicht zustimmt,
§ 65 II Nr. 8 NPersVG - aktuell - § 65 II Nr. 8 NPersVG - neu -
8. Umsetzung innerhalb der Dienststelle, wenn die neue Dienststätte auf einer üblicherweise befah-renen Strecke mindestens 30 Kilometer von der bisherigen Dienststätte entfernt liegt, die Umset-zung den Zeitraum von drei Monaten über-schreitet und die Arbeitnehmerin oder der Ar-beitnehmer ihr nicht zustimmt,
8. Umsetzung innerhalb der Dienststelle, wenn ___ ______________________________________ ______________________________________ ___________________________ die Umset-zung den Zeitraum von drei Monaten über-schreitet und die Arbeitnehmerin oder der Ar-beitnehmer ihr nicht zustimmt,
Begründung:
Die Wiedereinführung einer entfernungsbezogenen Tatbestandsvoraussetzung für die Mit-
bestimmung bei Umsetzungen durch das NEKHG vom 28.10.200919 war ein personalpoliti-
scher Fehler, den es zurückzunehmen gilt.
18 vgl. betreffend die Angestellten § 65 II Nr. 2 NPersVG; zum Widerruf Dembowski/Ladwig/Sellmann, NPersVG, § 65 Rn. 136
19 Nds. GVBl. S. 366
20
Der Gesetzgeber des Niedersächsischen Personalvertretungsgesetzes vom 02.03.199420
hatte sich aus guten Gründen zur gänzlichen Abschaffung der damaligen Voraussetzung
eines mit der Umsetzung verbundenen Wechsels des Dienstortes nach § 78 I Nr. 4 NPersVG
a.F. entschieden. Gegen die Empfehlung der Landesregierung, des Landesrechnungshofes
und der mitberatenden Ausschüsse für Recht und Verfassung, innere Verwaltung und Haus-
halt und Finanzen sprach sich der damals federführende Ausschuss für öffentliches Dienst-
recht dafür aus, die Mitbestimmung stets dann eingreifen zu lassen, wenn sie gegen den
Willen der oder des Betroffenen erfolgen sollte, und sah im Gegenzug eine Bagatellgrenze
von drei Monaten Dauer vor. Diese Empfehlung sollte „sicherstellen, daß der Personalrat in
den Fällen mitbestimmen könne, in denen Bedienstete gegen ihren Willen umgesetzt wür-
den. Es gelte gerade auch diejenigen dem Schutz der Personalvertretung zu unterstellen, die
aus Gründen umgesetzt werden sollten, die weniger in organisatorischen Gründen als viel-
mehr in ihrer Person zu suchen seien“21. Diese Motive haben den Gesetzgeber der letzten
Novelle des NPersVG überzeugt. Sie sollten es auch jetzt - sie sind noch immer richtig. Sie
stammen übrigens von einem SPD-Vertreter im Ausschuss.
Die im Kabinettsentwurf vorgesehene moderate Reduzierung auf eine Entfernung von 15
Kilometern ist dagegen keine Stärkung der Mitbestimmung, sondern ein wenig überzeugen-
des, weil überdeutlich erkennbares Feigenblatt.
3. Zur Mitbestimmung im Disziplinarrecht
Der VdR fordert, die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen sowie die Erhebung der Diszip-
linarklage in die Mitbestimmung aufzunehmen und die §§ 65 I, IV NPersVG wie folgt zu än-
dern:
§ 65 I Nr. 11 NPersVG - aktuell - § 65 I Nr. 11 NPersVG - neu -
Fehlt 11. Verhängung von Disziplinarmaßnahmen und Erhebung der Disziplinarklage auf Antrag der Beamtin bzw. des Beamten
11. vorzeitige Versetzung in den Ruhestand, sofern die Beamtin oder der Beamte die Beteiligung des Personalrats beantragt; die Dienststelle hat auf das Antragsrecht rechtzeitig hinzuweisen,
12. vorzeitige Versetzung in den Ruhestand, sofern
die Beamtin oder der Beamte die Beteiligung des Personalrats beantragt; die Dienststelle hat auf das Antragsrecht rechtzeitig hinzuweisen,
Die nachfolgenden Nummern erhöhen sich entsprechend.
§ 65 IV Nr. 1 NPersVG - aktuell - § 65 IV Nr. 1 NPersVG - neu -
(4) Von der Mitbestimmung ausgenommen sind Ein-zelfallentscheidungen 1. im Besoldungs-, Versorgungs-, Beihil-fe-, Reise-
kosten-, Trennungsgeld- und Umzugskosten-
(4) Von der Mitbestimmung ausgenommen sind Ein-zelfallentscheidungen 1. im Besoldungs-, Versorgungs-, Beihil-fe-, Reise-
kosten-, Trennungsgeld- und Umzugskosten-
20 Nds. GVBl. S. 95
21 Bericht des Ausschusses für öffentliches Dienstrecht vom 18.04.1994, LT-Drs. 12/6206, S. 45
21
recht, Disziplinarrecht, Recht der Heilfürsorge sowie bei der Festsetzung von Vergütung, Lohn oder Entgelt, soweit nicht in den Absätzen 1 und 2 etwas anderes bestimmt ist,
recht, ______________, Recht der Heilfürsorge
sowie bei der Festsetzung von Vergütung, Lohn oder Entgelt, soweit nicht in den Absätzen 1 und 2 etwas anderes bestimmt ist,
Begründung:
Mit den Einzelfallentscheidungen in Disziplinarsachen werden Maßnahmen von erheblicher
sozialer Intensität aus der Mitbestimmung herausgenommen, ohne dass hierfür eine über-
zeugende Begründung ersichtlich wäre22. Darüber hinaus führt das Herausfallen der Diszipli-
narsachen aus der Mitbestimmung zu einer verfassungsrechtlich zwar zulässigen, personal-
politisch aber höchst problematischen Ungleichbehandlung zwischen Angestellten einerseits
und Beamtinnen und Beamten andererseits. Es ist nämlich durchaus nicht plausibel, die
Abmahnung und die Kündigung zum Gegenstand individualschützender Beteiligungstatbe-
stände zu machen, die mindestens ebenso einschneidenden Disziplinarmaßnahmen dage-
gen nicht. Andere Länder kennen deshalb durchaus eine Personalratsbeteiligung im Diszipli-
narrecht23.
Die Annahme des Gesetzgebers, es handele sich bei den Geschäften des § 65 IV NPersVG
um Massengeschäfte, bei denen der Schutz kollektiver Interesse keine nennenswerte Rolle
spiele24, geht jedenfalls für die Disziplinarsachen an der Sache vorbei. Auch das im Diszipli-
narrecht vorherrschende Legalitätsprinzip oder Verantwortungsgrenze stehen einer Einbe-
ziehung in die Mitbestimmung nicht entgegen. Denn erstens wird das Legalitätsprinzip auch
im Disziplinarrecht an vielen Stellen durchbrochen25 und nicht zuletzt die Bemessung der
Disziplinarmaßnahme eröffnet erhebliche Entscheidungsspielräume, die eine Einbeziehung
in die Mitbestimmung geradezu aufdrängen. Zweitens verbiete die Verantwortungsgrenze
lediglich ein Letztentscheidungsrecht der Einigungsstelle in Disziplinarsachen, nicht aber die
Mitbestimmung bei lediglich empfehlendem Charakter des Einigungsstellenbeschlusses.
Schließlich trägt die vorgeschlagene Antragsabhängigkeit des Mitbestimmungsrechts dem
Umstand Rechnung, dass nicht in jedem Fall eine Beteiligung des Personalrats gewünscht
wird.
22 Dembowski/Ladwig/Sellmann, NPersVG, § 65 Rn. 204
23 Vgl. § 73 Nr. 6 PersVG NW
24 LT-Drs. 12/4370, S. 154
25 Vgl. §§ 18 II Nr. 2, 32 I 1 Nr. 2 NDiszG
22
4. Zu § 65 II Nr. 2 NPersVG-E
Der VdR fordert, § 65 II Nr. 2 wie folgt zu ändern:
§ 65 II Nr. 2 NPersVG - Kabinettsentwurf - § 65 II Nr. 2 NPersVG - neu -
2. Eingruppierung und Stufenzuordnung - bei Er-messensentscheidungen nur bei Vorliegen von Grundsätzen zur Ausfüllung der tariflichen Er-mächtigung -,___________________________ ________________ Höher- oder Herabgruppie-
rung, Bestimmung der Fallgruppe, Zahlung tarif-licher oder außertariflicher Zulagen,
2. Eingruppierung und Stufenzuordnung ________ ______________________________________________________________________________________, Verlängerung und Verkürzung
der Stufenlaufzeit, Höher- oder Herabgruppie-rung, Bestimmung der Fallgruppe, Zahlung tarif-licher oder außertariflicher Zulagen,
Begründung:
Der VdR begrüßt die Klarstellung, dass die Stufenzuordnung mitbestimmungspflichtige Maß-
nahme ist, lehnt aber die grundsätzliche Herausnahme der Ermessensentscheidungen nach
§§ 16 II 4, IIa, 17 II TV-L aus der Mitbestimmung ab. Das tarifvertraglich dem Arbeitgeber
eingeräumte Ermessen steht einer Mitbestimmung bei der Anrechnung förderlicher Zeiten
auf die Stufenzuordnung sowie bei einer Verkürzung oder Verlängerung der Stufenlaufzeiten
auch nach der Rechtsprechung des BVerwG nicht entgegen. Zwar lassen sich die genann-
ten Ermessensentscheidungen nicht unter den Mitbestimmungstatbestand der Eingruppie-
rung subsumieren, weil hier nicht die Einreihung des Arbeitnehmers in ein kollektives Ent-
geltschema im Vordergrund steht26, sondern in den Fällen der § 16 II 4, IIa TV-L die Perso-
nalgewinnung sowie im Falle des § 17 II TV-L der Leistungsbezug.
Damit ist für die rechtspolitische Frage nach der Notwendigkeit einer Mitbestimmung aller-
dings nichts gewonnen. Und diese Notwendigkeit besteht sowohl bei der Anerkennung för-
derlicher Zeiten nach § 16 II 4 TV-L bzw. der Berücksichtigung erworbener Stufen nach
§ 16 IIa TV-L als auch bei der leistungsbezogenen Verlängerung oder Verkürzung der Stu-
fenlaufzeiten nach § 17 II TV-L. Es ist Aufgabe der Personalvertretung, mitprüfend auf die
Wahrung des Tarifgefüges zu achten, um zur Verwirklichung des arbeitsrechtliche Gleich-
heitssatz und der Wahrung des Friedens in der Dienststelle beizutragen. Dies gilt insbeson-
dere dort, wo Auslegungsspielräume die Möglichkeit zu unsachlicher Bevorzugung oder Be-
nachteiligung eröffnen27. Dass das BVerwG die Entscheidung nach § 16 II 4 TV-L nicht mehr
unter den Begriff der Eingruppierung fassen will28, ändert an der Bedeutung einer mehr oder
weniger freihändigen Stufenzuordnung für den Betriebsfrieden nichts. Gleiches gilt für die
26 BVerwG PersR 2009, 501 [juris: Rn. 36]
27 vgl. BVerwGE 131, 383 [juris: Rn. 25]
28 BVerwG PersR 2009, 501 [juris: Rn. 39]
23
leistungsbezogene Verlängerung oder Verkürzung der Stufenlaufzeiten. Es dürfte kaum Ent-
scheidungen geben, die für den Betriebsfrieden von größerer Bedeutung sind.
Es ist daher schon mehr als feinsinnig, ausgerechnet diese Entscheidungen, deren Bedeu-
tung für den Betriebsfrieden gar nicht überschätzt werden kann, mit dem doch eher formalen
Argument von der Mitbestimmung auszunehmen, die Tarifvertragsparteien hätten doch dem
Arbeitgeber ein Ermessen eingeräumt. Es dürfte das Fehlen von Ermessen sein, das gegen
die Mitbestimmung spricht, nicht dessen Vorhandensein. Der Tarifvorbehalt dürfte damit
wohl deutlich überspannt sein. Denn die Sperrwirkung beruht auf dem rechtsstaatlichen Ge-
bot, dass ein durch höherrangige Rechtsquellen getroffener Interessenausgleich nicht zur
Disposition der Mitbestimmung gestellt werden darf29. Ist dagegen die Ausgestaltung der
Einzelmaßnahme der Dienststelle überlassen, kann eine vermeintliche Rücksicht auf den
Tarifvorbehalt die Herausnahme einer Ermessensentscheidung aus der Mitbestimmung nicht
rechtfertigen30.
Eine Folgeänderung des § 66 I Nr. 5 NPersVG ist nach Auffassung des VdR entbehrlich. Der
kollektive Schutzzweck des § 66 I Nr. 5 NPersVG konkurriert mit dem hier geforderten indivi-
dualschützenden Mitbestimmungstatbestand nicht.
5. Zur Mitbestimmung bei Kündigungen
Der VdR fordert, §§ 65 II Nr. 9, § 75 I Nr. 3 NPersVG wie folgt zu ändern:
§ 65 II Nr. 9 NPersVG - Kabinettsentwurf - § 65 II Nr. 9 NPersVG - neu -
9. ordentliche Kündigung außerhalb der Probezeit einschließlich Änderungskündigung __________ _____________________________________________,
9. ordentliche Kündigung außerhalb der Probezeit einschließlich Änderungskündigung und außer-ordentlicher Kündigung mit sozialer Auslauf-frist,
§ 75 I Nr. 3 NPersVG - Kabinettsentwurf - § 75 I Nr. 3 NPersVG - neu -
3. außerordentliche Kündigung _______________ _______ sowie Kündigung während der Probe-
zeit,
3. außerordentliche Kündigung ohne soziale Aus-lauffrist sowie Kündigung während der Probe-zeit,
Begründung:
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist bei der außerordentlichen Kündigung mit sozia-
ler Auslauffrist das personalvertretungsrechtliche Beteiligungsverfahren für die ordentliche
Kündigung durchzuführen, um den Wertungswiderspruch zu vermeiden, dass andernfalls der
29 Dembowski/Ladwig/Sellmann, NPersVG, § 66 Rn. 6
30 Dembowski/Ladwig/Sellmann, NPersVG, § 66 Rn. 9
24
tarifrechtliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung zu einer Rechtsverkürzung führte31.
Die sollte im Interesse der Rechtssicherheit klargestellt werden.
6. Zu § 67 I Nr. 2 NPersVG-E
Der VdR fordert, die im Kabinettsentwurf vorgesehene Beschränkung der Mitbestimmung auf
wesentliche Erweiterungen fallen zu lassen und § 67 I Nr. 2 NPersVG wie folgt zu ändern:
§ 67 I Nr. 2 NPersVG - Kabinettsentwurf - § 67 I Nr. 2 NPersVG - neu -
2. Einführung, wesentliche Erweiterung und An-wendung technischer Einrichtungen, die geeig-net sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen,
2. Einführung, __________ Erweiterung und An-wendung technischer Einrichtungen, die geeig-net sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen,
Begründung:
Die Absicht der Landesregierung, Änderungen technischer Einrichtungen, die geeignet sind,
das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen, in die Mitbestimmung
einzubeziehen, wird ausdrücklich begrüßt.
Die Beschränkung auf wesentliche Änderungen überzeugt allerdings nicht und ist daher ab-
zulehnen. Ob eine Änderung die Zustimmungsfähigkeit beseitigt oder nicht, sollte gerade
Inhalt des Mitbestimmungsverfahrens sein und nicht zur Vorfrage degradiert werden. Der
Schutzzweck dieses Mitbestimmungstatbestands ist der Persönlichkeitsschutz32. Vor dem
Hintergrund der Bedeutung, die dem Schutz der informationellen Selbstbestimmung auch
und gerade am Arbeitsplatz im 21. Jahrhundert zukommt, sollte auf die beabsichtigte Ein-
schränkung verzichtet und ein deutliches Signal für den Datenschutz gesetzt werden.
II. Benehmensherstellung: Budgetverträge
Der VdR fordert, den Abschluss von Budgetvereinbarungen in die Benehmensherstellung
einzubeziehen und in den Entwurf als neuen § 75 I Nr. 7 aufzunehmen:
§ 75 I Nr. 7 NPersVG - Kabinettsentwurf - § 75 I Nr. 7 NPersVG - neu -
Fehlt 7. Abschluss von Budgetvereinbarungen
7. Übertragung von Arbeiten der Dienststelle, die üblicherweise von ihren Beschäftigten vorge-nommen werden, auf Dauer an Privatpersonen oder wirtschaftliche Unternehmen,,
8. Übertragung von Arbeiten der Dienststelle, die üblicherweise von ihren Beschäftigten vorge-nommen werden, auf Dauer an Privatpersonen oder wirtschaftliche Unternehmen,,
Die nachfolgenden Nummern erhöhen sich entsprechend.
31 BAGE 96, 65 [juris: Rn. 20]; BAGE 90, 331 [juris: Rn. 23]; BAGE 88, 10 [juris: Rn. 35]; vgl. Dembowski/Ladwig/Sellmann,
NPersVG, § 75 Rn. 19a; Breier/Dassau/Kiefer u.a., TV-L, § 34 Tz. 31.1; kritisch: Staudinger-Preis, 2012, BGB, § 626
Rn. 283
32 Dembowski/Ladwig/Sellmann, NPersVG, § 67 Rn. 24
25
Begründung:
Der VdR begrüßt die Aufnahme der Aufstellung des Teilbudgets für Personalkosten in die
Benehmensherstellung nach § 75 I Nr. 6 NPersVG-E. Diese Änderung trägt zutreffend dem
Bedeutungsverlust der Aufstellung von Stellenplänen im Rahmen der leistungsbezogenen
Haushaltsaufstellung nach § 17a LHO Rechnung, ist aber nicht hinreichend. Nicht umsonst
unterwirft die Vereinbarung nach § 81 NPersVG zur leistungsorientierten Haushaltswirtschaft
Niedersachsen (LoHN)33 in § 4 II auch den Abschluss von Zielvereinbarungen der Beneh-
mensherstellung, wenn die vereinbarten Ziele über die im Haushaltsplan getroffenen Festle-
gungen hinausgehen. Formal handelt es sich zwar bei Budget- und Zielvereinbarung um
getrennte Vereinbarungen. Inhaltlich sind sie aber derart aufeinander bezogen, dass eine
Beteiligung erst bei der Zielvereinbarung zu spät ansetzt, um ernsthaft Einfluss nehmen zu
können. Denn die Vorfestlegungen erfolgen in der Budgetvereinbarung. Die darauf folgen-
den, beteiligungspflichtigen Maßnahmen sind damit faktisch determiniert.
Im Übrigen erscheint es nicht gerechtfertigt, den Personalvertretungen geringere Gestal-
tungsmöglichkeiten einzuräumen als den Richter- und Staatsanwaltsvertretungen nach
§ 21 I Nr. 9 NRiG.
33 Vereinbarung nach § 81 NPersVG zur Einführung von betriebswirtschaftlichen Steuerungsinstrumenten in der niedersächsi-
schen Landesverwaltung im Rahmen des Projekts "Leistungsorientierte Haushaltswirtschaft Niedersachsen"; Bek. d. MF v.
23.7.2002, Nds. MBl. S. 653