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Stand des elektronischen Rechtsverkehrs
4. Karlsruher IT-TagDAVIT
28.04.2007
Richter am AmtsgerichtDr. Wolfram Viefhues
OLG Düsseldorf / AG Oberhausen
Gemeinsame Kommission elektronischer Rechtsverkehr des EDV-Gerichtstags
Überblick
• Was ist bisher erreicht worden?
• Wo gibt es Erfolge?
• Was ist noch zu tun?
• Worin liegen die Schwierigkeiten?
• Warum geht es nicht schneller ?
Realisierter elektronischer Rechtsverkehr
• Elektronisches Mahnverfahren
• Elektronisches Handelsregister- (fast) bundesweit
• Elektronisches Grundbuch - im Aufbau
• Elektronischer Bundesanzeiger
• Insolvenzbekanntmachungen
Rahmenbedingungen
• Elektronisches Mahnverfahren
– Strukturierte Anträge
– Datenträgeraustausch = Massenverfahren
• Elektronisches Handelsregister
– Zwang durch EU-Vorgaben
– Kleiner Nutzerkreis = 9.000 Notare
– Aktive Mitarbeit
Allgemeine Rahmenbedingungen (1)
• Justizzuständigkeiten = organisatorische
Zersplitterung (Föderalismus)
– 16 Bundesländer und der Bund (oberste Bundesgerichte)
– Unterschiedliche Gerichtsbarkeiten
– Verschiedene interne Kommunikationsstrukturen z.B.
• Staatsanwaltschaften – Gerichte –Strafvollzug – Bewährungshilfe
• Gericht – Vollstreckung (Gerichtsvollzieher)
– Justizintern: Instanzenzug Gerichte der Bundesländer zum
Bundesgericht
Rahmenbedingungen (2)
• Zahlreiche externe Kommunikationspartner
– Rund 150.000 Anwälte, 9.000 Notare, Steuerberater
– Verschiedene Behörden (z.B. Polizei, Jugendamt, Meldebehörde, Versorgungsträger)
– Firmen und „Normalbürger“ – ohne technische Ausstattung
• Unterschiedliche Technik bei den Kommunikationspartnern
Rahmenbedingungen (3)• Koordination und Konzentration auf Seiten der
Justiz– Bund-Länder-Kommission (BLK)
• Austausch von Informationen• Abstimmung von Vorhaben
– Entwicklungsverbünde mehrerer Bundesländer• Gemeinsame Projekte• Bündelung von Ressourcen / Einsparungen• Ausnutzung der Marktmacht• Aber: unterschiedliche Verbünde bei unterschiedlichen
Projekten
– Vereinheitlichung der Fachverfahren• Generelle Vereinheitlichung• Vereinheitlichung von Modulen (Standardisierung)
Rahmenbedingungen landesintern (4)
• Richtlinienkompetenzen der Innenminister für IT
• Verbindliche technische Vorgaben durch Landessystemkonzepte
• unterschiedliche Gerichtsgrößen auf der
gleichen Ebene z.B. in NRW
– Amtsgericht Köln hat über 1.000 Mitarbeiter
(145 Richter)
– Amtsgericht Medebach hat 18 Mitarbeiter
(1,5 Richter)
Elektronischer Rechtsverkehr (ERV)- Ziele
• Elektronischer Rechtsverkehr umfasst konkret
– elektronische Kommunikation
– elektronische Aktenführung (?)
– elektronische Vorgangsbearbeitung (?)
– elektronische Archivierung (?)
Nutzen der elektronischen Kommunikation
• schnellerer Zugang zu den Gerichten
• schnellere Information der Verfahrens-
beteiligten über Verfahrensstand
• Verminderung des Erfassungsaufwandes
durch Datenübernahme
• Einsparung von Versandkosten
Nutzen der elektronischen Aktenführungund Vorgangsbearbeitung
• Reduzierung von Zuordnungs- und Suchaufwand– papierene Postbehandlung macht 18% der Arbeitsleistung in
einer Serviceeinheit aus (Untersuchung in NRW)
• Aktivitäten bei elektr. Akte jederzeit und überall möglich– Dezentraler Zugriff auf Akten– Mehrfacher gleichzeitiger Zugriff auf Akten
• Arbeitsvorgänge lassen sich parallelisieren• Reduzierung von Aktenumläufen
• Wegfall von Laufzeiten• Wegfall der Kosten des Botendienstes
• kürzere Bearbeitungszeiten durch direkte Verarbeitbarkeit der zugelieferten Daten
Aufwand bei der elektronischen Aktenführung und Vorgangsbearbeitung
• Einsatz eines Dokument Management Systems– Erheblicher Kostenaufwand– Großer Anpassungsaufwand
• praktikable Verknüpfung mit– Vorhandenen Fachsystemen der Justiz
(Datenverwaltung/Geschäftsstellenprogramme)– Texterzeugungsprogrammen– elektronischem Gerichtspostfach– Signaturkomponente
elektronische Archivierung• Wegfall von Lagerungskosten
• kein Aussonderungsaufwand mehr
• Aber:– Aufbewahrungsvorschriften für Gerichtsakten 5 Jahre, 30 Jahre,
z.T. länger (Nachlass, Grundbuch)
– Wie lange hält ein elektronisches Dokument?
– Wie lange hält ein Datenträger?
– Wie lange gibt es Lesegeräte für Datenträger?
– Wie lange bleibt eine elektronische Signatur sicher?
– Was ist aufzubewahren ? (Daten, Dokumente, DMS ?)
– Lösungen: ArchiSig, ArchiSave, Scate (rechtssicheres Scannen)
Aufgaben der Justiz beim ERV
• Pilotprojekte war nur ein erster Schritt
• Belastbare technische Strukturen schaffen(die auch dem Massenbetrieb standhalten)
• Vorgaben für den Datenaustausch erarbeiten
• Arbeitsabläufe anpassen, ggf. neu strukturieren
• gesetzliche Regelung den neuen Erfordernissen anpassen
EGVP-Entwicklung und Einsatz
• EGVP = elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach
• Gesicherte Kommunikation
• Verschlüsselung automatisch (Leitungsverschlüsselung)
• Automatische Eingangsbestätigung
• Automatische und zentrale Signaturprüfung
– ggf. Transfervermerk auf ausgedruckten Dokumenten)
• Vom Anwalt/Notar zum Gericht
– Einmalige Anmeldung reicht aus
• Vom Gericht zum Anwalt/Notar
• (fast) flächendeckend im Handelsregister
• Ausbau für die Kommunikation zwischen allen Behörden
• Es fehlt noch:
eine vergleichbare Kommunikationsstruktur von Anwalt zu Anwalt bzw. von
Anwalt zu Mandant
Einrichtung des EGVP
1. Download der Software nebst Dokumentation von der Seite www.egvp.de.
2. Installation der EGVP-Software auf dem PC (ca. 10-15 Min.)
3. Automatische Anmeldung an der Registrierungsdatenbank
4. Versenden und Empfangen
Anwalt/Bürger/Behörden-PC
www.egvp.de
1. Download
3. Anmeldung
2. Installation
4. Versenden/EmpfangenPostfächer
LDS
Registrierungs-datenbank LDS
Beim Absender
Sofortige Eingangsbestätigung
Eingang im Postfach des Gerichts
Transfervermerk
Austausch in Datenform vorantreiben
• Bisheriger Informationsaustausch– Informationen werden als Text ausgetauscht– Informationen sind im Fließtext „versteckt“– Beispiel: Ladungen
• Zukünftiger Informationsaustausch– nach Möglichkeit in Datenform– strukturiert– automatisierbar
• Nach Möglichkeit nur einmal zu erfassen– Beispiel Adressdaten der Parteien
• Datensatz xjustiz– strukturiertes Datenformat– theoretische Grundlage: XML – zum Austausch zwischen unterschiedlichen Programmen
Beispiel Prozesskostenhilfe (1)
• Herkömmlicher Ablauf:– Mandant muss Unterlagen beschaffen
(Sozialhilfebescheid, Gehaltsnachweis usw).
– Anwalt muss kopieren
– Anwalt schickt Unterlagen per Post
– Gericht liest Unterlagen und gibt ggf. Zahlen per Hand in ein Berechnungsprogramm ein
• Ablauf nach JKomG:– ersetzt Kopieren durch Scannen
– ersetzt Post durch elektronische Kommunikation
– klebt aber am herkömmlichen Ablauf
– Optimierungspotential nicht ausgeschöpft !!!• Lauferei für den Mandanten und Handarbeit für Anwalt und Gericht bleiben
• Informationsstrukturen des „Papierzeitalters“ werden beibehalten
Beispiel Prozesskostenhilfe (2)
• Optimaler und zeitgemäßer Ablauf:– Mandant gibt dem Anwalt die benötigten Informationen
– Anwalt übermittelt strukturierte Daten elektronisch an das Gericht
– Gericht prüft Informationen automatisch elektronisch nach
– Informationen gehen automatisch in ein Rechenprogramm
• aber: sachgerechter Ablauf deckt sich nicht mit der ZPO!
• Lösungsansatz: – Strukturierung eines technisch möglichen gestrafften Arbeitsablaufes
– durchgängig vom Anwalt bis zum Gericht
– Beteiligung von Anwälten und Justizvertretern
– danach Vorschlag zur Änderung der ZPO-Vorschriften
– Erste Überlegungen der gemeinsamen Kommission
IT im Konflikt mit dem Verfahrensrecht (1)
Verfahrensrechtliche Regelungen haben
• eine Sinn-Ebene (welches Ziel soll damit erreicht werden?)
• eine Umsetzungs-Ebene (mit welchen organisatorischen und technischen Mitteln wird
das umgesetzt?)
Verfahrensrechtler klammern sich oft an die konkrete Umsetzungsmethode und
fordern 1:1-Abbildung in der IT
notwendig ist aber eine Überprüfung,
• ist das Ziel heute noch schützenswert?
• Mit welchen modernen Mitteln kann man es schützen?
• Falsch ist der Versuch, die vorhandenen Informationswege lediglich elektronisch
nachzubilden!
IT im Konflikt mit dem Verfahrensrecht (2)
1. Beispiel:
Signatur beim Einscannen von Dokumenten
2. Beispiel:
Vermerke auf dem Originalurteil („untrennbare
Verbindung“)
3. Beispiel:
„Dogma“ von der Einmaligkeit des Vollstreckungstitels
4. Beispiel:
die Ausfertigung bzw. beglaubigte Ablichtung
Aufgaben der Justiz beim ERV• Verfahrensabläufe in der Justiz anpassen an die technischen
Möglichkeiten der Informationsverarbeitung
– umfassende justizinterne Reform der Arbeitsabläufe
– mit Auswirkungen auf alle Beteiligten – also auch auf die „Justiznutzer“
– Zwingend: Anpassung der Verfahrensvorschriften
• Sinn und Zweck der verfahrensrechtlichen Regelungen herausarbeiten
• Prüfung, ob diese Ziele noch zeitgemäß sind
• wenn ja, Ziele mit modernen Mitteln erreichen
• weg von der Bürotechnik des 19. Jahrhunderts: Siegel, Stempel, Unterschrift
– StS-Initiative „Gerichtliche Prozessabläufe der Zukunft“
• Standards und Schnittstellen ggf. gesetzlich definieren
Datenaustausch mittels xJustiz
• Handelsregister (xNotar)
• Mahnverfahren (Mahngericht/Prozessgericht)
• Staatsanwaltschaft / Strafgericht
• Bußgeldbehörde / Staatsanwaltschaft / Gericht (z.B. eOwi in Hessen)
• fast fertig: Kostendatensatz
• in Arbeit: Versorgungsausgleich
• generell geeignet sind Massenverfahren, einfach, gut strukturiert
Informationsaustausch in der Zukunft
• Anwaltsprogramm erzeugt automatisch den Datensatzes mit den Adressdaten
• Datensatz wird bei Gericht automatisch eingelesen
• Datensatz wird Aktenzeichen, Fristen usw. an den Beklagtenanwalt „zugestellt“
• Datensatz wird Aktenzeichen, Fristen usw. an den Klägeranwalt zurückgesandt
• Vorteile:
• weniger Erfassungsaufwand bei allen Beteiligten
• weniger Fehlerrisiken (Fristen!)
• Ziel: Verlagerung der Informationen von der Textebene zur Datenebene
• Beispiel: Ladung
• Beispiel: Aktenanforderung / Sachstandsanfrage
Beispiele für noch zu lösende Probleme
• Elektronische Postzustellungsurkunde– Muss die ZU selbst zur Akte?
• Akteneinsicht in elektronische Akten– Dokumente / Daten / DMS ?
• Mehrfachsignaturen / Stapelsignaturen- restriktive Haltung der Bundesnetzagentur
verhindert praktische Lösungen ?
Innovation / Perspektiven
• früher: Deutschland - „Land der Ideen“
• heute: Deutschland - „Land der Bedenken“– grundsätzliche Zurückhaltung gegen Veränderung
– Überbetonung des Sicherheitsgedankens bei IT-Einsatz(Signatur, Vorgang des Signierens, Signaturprüfung,
Datenschutz)
– Dogmen und Denkblockaden bestimmen oft die Diskussion
– Kaum Bereitschaft zu ergebnisoffenen Experimenten
– Neigung zu 150%-Lösungen
10-Punkte-Plan (1)
• Aktionsplan zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs
• Gemeinsam von Justizverwaltung und Standesorganisationen (BRAK, DAV, BNotK)
• der Öffentlichkeit präsentiert auf der Cebit 2007
• Ziel ist, einen Großteil der Verfahren bis 2010 elektronisch abwickeln zu können
10-Punkte-Plan (2)
• Berücksichtigung des elektronischen Rechtsverkehrs in Aus- und Fortbildung;
• Ausbau des Justizportals www.justiz.de zum zentralen Portal für den ERV
• Verwirklichung eines zentralen elektronischen Gerichtsbriefkastens;
• Standardisierung von Datenaustauschformaten auf XJustiz-Standard;
• anwenderfreundliche Gestaltung der technisch-organisatorischen
Rahmenbedingungen für den elektronischen Rechtsverkehr,
• effizientere Gestaltung der Verfahrensabläufe, insbesondere durch Verzicht auf Beifügung von Unterlagen;
• Beschleunigung der Verfahrensabläufe durch den Einsatz elektronischer
Vorgangsbearbeitungssysteme;
• elektronischer Lastschrifteinzugsermächtigungen für Kostenvorschüssse
• Prüfung eines finanziellen Anreizsystems für Nutzer des ERV
• Konzentration auf elektronische Akteneinsicht, elektronische Beantragung von Kostenfestsetzungsbeschlüssen, elektronische Prozesskosten- und Beratungshilfeabrechnung sowie elektronischer Abruf aus Registern;