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Zweite Sonderbeilage zur Programmdebatte (im «links» 112, September 2010)
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links
Vorgeschmack auf den Parteitag
DAS NEuE PARTEIPRoGRAmm
SoNDERBEILAGE Im «LINkS» 112/SEPTEmBER 2010
Der erste Entwurf des neuen Parteiprogramms hat ein enormes Echo ausgelöst, über 1000 konstruktive Rückmeldungen und Anträge sind eingegangen. Der eine oder andere Diskussionsschwerpunkt zeichnet sich bereits jetzt ab. im «links» kommt die basis zu Wort.
Die Debattegeht weiter!Zweite Sonderbeilage
Lob, aber auch Kritik
«Gute, wichtige Forderungen»
Wir haben das Programm freudig aufgenommen und über weite Strecken für sehr gut befunden. So überzeugt uns die Idee, der wirtschaftlichen Globalisierung müsse eine politische folgen, die von uns mitzugestalten ist. Auch die Rückeroberung der Wirtschaft via Wirtschaftsdemokratie begrüssen wir. Weitere Punkte wie die nie zu oft gehörte Forderung nach der Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit, nach einer Verfassungsgerichtsbarkeit und nach einer Stärkung der Judikative scheinen uns zum jetzigen Zeitpunkt, wo abenteuerliche Volksinitiativen und Tiraden über Richter an der Tagesordnung sind, nötiger denn je.
SP Zürich 1
«Kürzen, kürzen, kürzen»
Ein Parteiprogramm ist der verbindliche Leitfaden für erfolgsversprechende, klare Politik aufgrund der parteieigenen Werte, Visionen und Ziele. Es ist die wichtigste Grundlage aller Aktivitäten der Parteimitgliedschaft. Darüber hinaus richtet es sich auch an die interessier
te Öffentlichkeit. Der vorliegende Programmentwurf sollte um die Hälfte bis zwei Drittel gekürzt werden und nur die grundsätzlichen Positionen und Ziele enthalten – keine geschichtlichen Rückblicke, keine langatmigen Feststellungen, Erklärungen und folgenlose Bekenntnisse, die für politisch links Interessierte ohnehin bekannt und selbstverständlich sind. Ein Parteiprogramm muss kurz, fasslichverständlich, einfach und klar in den Aussagen sein. SP Ittigen
Kein wirklicher Aufbruch, zu ausführlich
Aus unserer Sicht umfasst das Parteiprogramm alle wichtigen Grundsätze der bisherigen Politik. Viel Neues enthält es aber nicht, es ist kein wirklicher Aufbruch. Wir begrüssen es, dass die SPGrundhaltungen explizit aufgeführt werden, aber das Programm ist eindeutig zu ausführlich. Es ist schwer lesbar für die Sektionsmitglieder und enthält sehr viele Wiederholungen. Die Ziele sind zudem sehr uneinheitlich aufgeführt. Sie sollten eine konsequente Stoss
Echo Das Parteiprogramm hat eine Flut von Reaktionen mit fast tausend Anträgen ausgelöst. Der Grundtenor ist positiv, der enorme Aufwand wird gewürdigt. Natürlich gibt es auch konstruktive Kritik. Nachfolgend eine Auswahl.
SoNDERBEILAGE Zum «LINkS» 112/SEPTEmBER 20102
Merci beaucoup !Über 1000 engagierte, fundierte und zum Teil umfangreiche Stellungnahmen sowie Anträge sind bei uns im Zentralsekretariat ein
gegangen. Ihr habt euch mächtig ins Zeug gelegt – herzlichen Dank dafür! Das beeindruckende Echo belegt das grosse Interesse unserer Basis an der Programmdebatte und zeigt, dass es ein grosses Anliegen ist,
sich regelmässig mit den eigenen Zielen und Wurzeln auseinander zu setzen. Das beweist auch die Art und Weise, wie die Anträge formuliert sind: Statt einfach nur zu kritisieren, bringt ihr selber Vorschläge, Formulierungen und Ideen.
Der Grundtenor gegenüber dem Programm entwurf ist positiv. Angesichts der eingegangenen Anträge und Bemerkungen zeichnen sich für den Parteitag ein paar spannende DebattenSchwerpunkte ab. Zum Beispiel die Vision der Wirtschaftsdemokratie: Soll im Rahmen und mit den Mitteln der Wirtschaftsdemokratie der Kapitalismus überwunden oder gezähmt werden? Versteht sich die SP als Hüterin klarer Marktregelungen, wie im aktuellen Entwurf vorgesehen, oder lehnt sie den Markt als Ordnungsprinzip grundsätzlich ab? Zweitens wird die Europafrage für Diskussionen sorgen: Wie wird die historische und aktuelle Rolle der EU eingeschätzt und wie prominent soll die Forderung der SP nach raschen Beitrittsverhandlungen programmatisch verankert werden? Für Gesprächsstoff dürfte auch die Frage sorgen, ob sich die SP für den Ab und Umbau der Armee oder für deren Abschaffung einsetzt. Ausserdem bin ich auch gespannt auf die Diskussionen über das vorgeschlagene Konzept des vorsorgenden Sozialstaates.
Wir werden ein bisschen Ausdauer brauchen, Ende Oktober in Lausanne. Aber das ist in Ordnung. Ein neues Parteiprogramm gibt man sich schliesslich nicht jedes Jahr. Ich freue mich auf eine angeregte Diskussion mit euch!
Christian Levrat
EDitoRiAL
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Herausgeberin: SP Schweiz, Spitalgasse 34, 3001 Bern
Auflage: 43 310 Expl. Beilage zu «links» 112, September
2010. Redaktion: Gianna Blum, Stefan krattiger
Lob, aber auch Kritikrichtung vorgeben, aber keine umsetzungsschritte. Das Parteiprogramm eignet sich nicht als Nachschlagewerk. Entweder braucht es ein verfeinertes Inhaltsverzeichnis oder noch besser ein Stichwortverzeichnis mit Seitenzahl. Eine Alternative wäre eine kurzform als Nachschlagewerk. Die Frage stellt sich, wozu und durch wen das Programm nach der Erstellung wirklich gebraucht wird. An Parteiinteressierte sollte eine Zusammenfassung bzw. eine kurzversion abgegeben werden können. mindestens die kurzversion muss für den «mann/Frau auf der Strasse» lesbar sein. SP Goldach
«Ein Geschichtsbuch mit Visionen und Strategien»
Ich habe den Entwurf bis zur Seite 53 gelesen und meines Ermessens ist es ein Geschichtsbuch mit Visionen und Strategien. Es wird zu viel in der Vergangenheit herumgestochert, wo von neuen Herausforderungen gesprochen werden sollte. Ich verstehe unter Parteiprogramm eine konzentration von geplanten Vorhaben mit kurzen Hintergrundinformationen. Ich bin mir zudem nicht sicher, wer die Empfänger dieses Werkes sind. Nach einigen Rückfragen musste ich feststellen, dass so ein umfangreiches Buch kaum gelesen wird. Wo ist das Positive? In den 53 Seiten wird über ²/³ gejammert und nach Vergangenheitsfehlern gesucht. Hat die SP in den letzten 50 Jahren noch etwas Gutes gemacht? Dies kommt überhaupt nicht zur Geltung. Aus meiner Sicht fehlt der positive Aspekt. Als Nachschlagewerk und Ideenspender ist der Entwurf doch interessant.
Ich hoffe, dass er auch auf allen Ebenen genutzt wird. SP Langenthal
Mehr Debatten, bitte!
Wir beantragen die vollständige Überarbeitung des vorliegenden Entwurfes und des Zeitplans; das Programm soll frühestens an der ersten Delegiertenversammlung nach dem Parteitag verabschiedet werden. Ziel unseres Antrages ist nicht nur die qualitative Verbesserung des Programms, sondern auch, die Diskussionen zu verlängern, zu intensivieren und weitere kreise der SP und innerhalb der Linken mit einzubeziehen. Der innerparteiliche Diskussionsprozess ist enorm wichtig, aber bisher kaum vorhanden. Damit das Programm nicht zum Papiertiger verkommt, muss er von der SP Schweiz gefördert und unterstützt werden. Die Revision darf nicht aus Zeitgründen zu einer Haurückübung verkommen. JUSO Schweiz
«Ja zum Parteiprogramm»
Wir sagen Ja zum Parteiprogramm, denn wir brauchen die «Fixsterne», die zeitlosen Werte, die unsere politische Haltung leiten, zum Beispiel die Trilogie «Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität». Wir wollen wissen und festhalten, warum wir in der SP sind, viele von uns ein Leben lang. Wir brauchen klare orientierung in der Welt, in der wir leben, einer Welt, die sich laufend verändert. Wir brauchen Antworten auf die wichtigen Fragen unserer Generation (keine Tagespolitik, denn die SP gibt sich ja nur
einmal pro Generation ein neues Parteiprogramm). Wir ärgern uns, wenn unser Parteiprogramm belächelt wird, manchmal sogar in den eigenen Reihen. Wir wollen als Partei ernst genommen werden. SP Wetzikon
«Unverständlich»
Das Parteiprogramm soll in einer einfacheren und prägnanteren Sprache verfasst werden. Es beinhaltet viele Ausdrücke und Formulierungen, deren genaue Bedeutung sich erst erschliesst, wenn der Text ein zweites oder drittes mal durchgelesen wird – gerade für Personen, die Politik eher als Hobby betreiben. Für ein normales mitglied ist es schwierig zu verstehen, wofür die SP eigentlich genau eintritt. Wir sind deshalb der meinung, dass das Parteiprogramm in einer möglichst einfachen Sprache verfasst werden sollte, damit wirklich alle, die es lesen, sofort verstehen, wofür wir einstehen. SP Horgen
3SoNDERBEILAGE Zum «LINkS» 112/SEPTEmBER 2010
Wie man ein Parteiprogramm revidiertDer erste Entwurf ist diskutiert, kritisiert und kommentiert wor-den, der zweite ist erstellt – wie geht es weiter?
Was bisher geschahDie letzte Programmrevision erfolgte vor 28 Jahren. Das aktuelle Programm stammt aus dem Jahre 1982. Höchste Zeit also für eine neue Version. Gestützt auf umfangreiche Grundlagen, die seit dem Startschuss zur Revision von 2004 erarbeitet worden sind, hat HansJürg Fehr den ersten, über fünfzig Seiten langen Entwurf verfasst. Er ging an alle Sektionen, die ihn intensiv diskutiert haben. Fast tausend formelle Anträge sowie Hunderte von Bemerkun
gen und teilweise sehr umfangreichen kommentaren gingen im Zentralsekretariat ein – ein enormes Echo. Die Sektionen haben sich unglaublich engagiert, was zeigt, wie gross das Bedürfnis ist, eine fundierte Debatte über die grundsätzliche Richtung der SP zu führen. Das Zentralsekretariat hat die herkulische Arbeit übernommen, sämtliche Anträge zu sichten, zu strukturieren und zu kommentieren. Die Geschäftsleitung der SP Schweiz hat an zwei langen Sitzungen sämtliche Anträge diskutiert, ihre Empfehlungen abgegeben und eine zweite, überarbeitete Version zu Handen des Parteitages verabschiedet. Der neue Programmentwurf, die An
träge und Stellungnahmen sowie ein umfangreiches Beiheft mit den kommentaren sind online unter www.spschweiz/parteiprogramm zum Download zu fi nden.
Wie es weitergehtAlle angemeldeten Parteitagsdelegierten erhalten die überarbeitete Version und sind antragsberechtigt für die Diskussion am Parteitag vom 30. und 31. oktober in Lausanne. Die Anträge aus der ersten Runde, die die Geschäftsleitung zur Ablehnung empfohlen hat, können selbstverständlich am Parteitag diskutiert werden. Die angenommenen Anträge fl ossen in den überarbeiteten Entwurf ein. Bis am 11. oktober läuft eine zweite An
tragsfrist. Alle Delegierten können zum überarbeiteten Entwurf des neuen Parteiprogramms erneut Anträge stellen. Auch können sie angenommene und abgeschriebene Anträge aus der ersten Runde erneut einreichen, falls sie mit deren umsetzung im überarbeiteten Entwurf nicht einverstanden sind. Die Geschäftsleitung wird zu diesen neuen Anträgen erneut Stellung beziehen. Das letzte Wort hat der Parteitag. Wie bei der ersten Runde sind die neuen Anträge bitte an [email protected] zu senden (bitte als WordDokument und mit genauer Angabe, worauf sich der Antrag bezieht).
Keine Zeit?Die Zusammenfassung aus der Ausgabe 110 kann heruntergeladen werden unter:www.spschweiz.ch/parteikurzprogramm
Kapitalismus & Wirtschaftsdemokratie
grundlagen, und die SP redet von Red BullVerboten.
Wir müssen uns wieder die Frage stellen, warum wir in der SP sind. Ich bin in die JuSo und SP gekommen, weil ich als 16Jährige in den Sommerferien meine Schule geputzt habe. Ich fand den Job furchtbar. Aber ich habe ihn mit einer portugiesischen Putzfrau gemacht, die 17 Franken die Stunde verdiente. Für die Ausbildung ihrer Tochter als Informatikerin war kein Geld da. Ihr Traum war es, in einer Boutique zu arbeiten, aber niemand wollte ihr einen Job als modeverkäuferin geben. Diese Frau wachte jeden Tag auf und hatte Angst, sie legte sich jede Nacht ins Bett und hatte Angst. Angst vor der Zukunft, Angst, sich und ihre Familie nicht durchzubringen. Damals habe ich gemerkt: Diese Frau und ihre Tochter hatten nicht dieselben Chancen wie ich. Wir leben in einem System, in dem CSChef Brady Dougan, in der Stunde, in der die Putzfrau 17 Franken verdient, 30 000 Franken verdient. um gegen diese ungerechtigkeit zu kämpfen, bin ich in die JuSo und
die SP eingetreten. Weil ich in einer Gesellschaft leben will, in der diese Frau und ihre Tochter ohne Angst und frei leben können. und ich bin genau in dieser Partei, ich bin in der SP, weil sie sich für Gleichheit und Gerechtigkeit einsetzt.
Diese ungerechtigkeiten haben System. Es ist ein System, in dem sich zwei Gruppen gegenüberstehen: wenige, die viel besitzen, und viele, die wenig haben. und dieses System trägt den Namen kapitalismus. Der kampf für eine Gesellschaft ohne unterdrückung, der kampf für eine Gesellschaft freier menschen muss darum der kampf zur Überwindung des kapitalismus sein. mani matter hat dafür schon 1973 einfache Worte gefunden: dene wos guet geit, giengs besser, giengs dene besser, wos weniger
guet geit, was aber nid geit ohni dass‘s dene weniger guet geit, wos guet geit.
TANJA WALLISER ist Zentralsekretärin der JUSO Schweiz
DEbAt tE Überwindung oder Zähmung des Kapitalismus? Und welche Rolle spielt dabei unsere Vision von der Demokratiesierung der Wirtschaft?
Die Diskussion um ein neues Parteiprogramm bietet die Chance, uns selber zu hinterfragen. Wo wollen wir eigentlich hin? Auf welchem
Weg sind wir? Welche Gesellschaft wollen wir? In den letzten Jahren mussten wir viele Wahlniederlagen einstecken. Zu oft gaben wir da
für anderen die Schuld, nicht uns selber. Aber kann ich es dem Bauarbeiter, der nicht mehr die SP wählt, übel nehmen, wenn er sich von uns nicht vertreten fühlt?
Wir haben tausende von jugendlichen Arbeitslosen, und die SP redet davon, 14Jährige in den knast zu stecken. 10 % der Reichsten besitzen fast das gesamte Vermögen in diesem Land, und die SP redet über killergames. Der klimawandel entzieht uns unsere Lebens
SoNDERBEILAGE Zum «LINkS» 112/SEPTEmBER 20104
Warum sind wir denn überhaupt in der SP?
Das System Kapitalismus
wie auch politisch. und damit wird ebenfalls die Forderung obsolet, den kapitalismus durch den kommunismus zu überwinden.
Das SPGegenkonzept zum gescheiterten Neoliberalismus wird im neuen Parteiprogramm so deutlich beschrieben wie in keiner früheren Version. Es kann für sich alleine stehen, ohne Reminiszenzen an veraltete Gedankenmuster. Die Vision der Wirtschaftsdemokratie und der breiten mitbestimmung in allen gesellschaftlichen Bereichen ist stark und praktikabel. In den letzten Jahrzehnten zeigten verschiedene Entwicklungen, dass es möglich ist, Forderungen nach wirtschaftlicher Beteiligung, sozialer Gerechtigkeit oder ökologischen Wandel auch innerhalb eines kapitalistischen Systems durchzusetzen. Die meisten gesellschaftlichen Veränderungen geschehen innerhalb des bestehenden Systems und nicht durch grosse revolutionäre umbrüche. Die heutige Finanzkrise riss grosse Löcher ins Wirtschafts und
Finanzsystem. Das ist die Gelegenheit und seltene Chance, unsere Vision der Wirtschaftsdemokratie einzubringen. Dadurch schaffen wir
ein gerechtes wirtschaftliches Fundament für unsere bisherigen Erfolge und stützen sie dadurch. Diese Chance können wir aber nur nutzen, wenn wir das kapitalistische Gerüst nicht einreissen. Es ist daher endlich an der Zeit die
«Überwindung des kapitalismus» in die mottenkiste der Geschichte zu stecken.
mARTIN ALDER ist Parteisekretär der SP Stadt Zürich
Die Realität der letzten Jahre zeigte es so deutlich auf wie seit langem nicht mehr: Das neoliberale konzept ist zum Scheitern verurteilt.
Nach der letzten Finanzkrise ist klar, dass die Welt sich keine Gesellschaftsordnung leisten kann, deren letztes Ziel die Vermehrung des Eigentums einiger weniger ist. Der Finanzkapitalismus hat ausgedient.
Doch weshalb sollte man nicht gerade jetzt die Überwindung des kapitalismus fordern? Die Chance beim Schopf packen und die sozialistischste aller Forderungen endlich durchsetzen? Die SP der Stadt Zürich hat sich hier dagegen entschieden. Die Gründe sind nicht nur rhetorischer Natur. Die Forderung nach der «Überwindung des kapitalismus» stammt aus den ideologischen Grabenkämpfen der letzten zweihundert Jahre zwischen kapitalismus und kommunismus. Vor zwei Jahrzehnten aber scheiterte der kommunismus wirtschaftlich
Das Gegenkonzept der SP wird deutlich beschrieben.
Veränderungen innerhalb des Systems
SoNDERBEILAGE Zum «LINkS» 112/SEPTEmBER 2010 5
Europa und die Schweiz
wenig attraktiv. Die «autonomer Nachvollzug» genannte Übernahme von EuRecht betrifft unsere Souveränität – unwürdig für ein demo
kratisches Land. Die Eu ist eines der wichtigsten Friedensprojekte. Der Raum der Demokratie in Europa wurde nachhaltig erweitert und stabilisiert. Es ist unverständlich, wenn die Schweiz als bald einziges Land Europas nicht an diesem Projekt mitwirken will.
Aktuelle Stellungnahmen des Bundesrats oder der Avenir Suisse zeigen klar: Der bilaterale Weg wird immer schwieriger. Die bestehenden Abkommen zu verwalten oder gar
neue Verträge zu schliessen, wird zusehends unmöglich. Der bilaterale Weg mündet in einer Sackgasse. Diese Art des Verhandelns wird durch die Partner der Eu kaum mehr akzeptiert.
Der EuBeitritt sei in unserem Lande nicht mehrheitsfähig. Das stimmt. Der Bundesrat redet um den heissen Brei herum und lässt die option EuBeitritt dennoch irgendwie offen. Auch die SP Schweiz steht nur zögerlich hinter unserem Ziel – sie will nur gerade Verhandlungen aufnehmen. Der EuBeitritt wird aber mehrheitsfähig, wenn wesentliche Akteurinnen und Akteure – auch der SP – endlich klartext reden. Die mitgliedschaft in die Eu muss
das Ziel sein. Verhandlungen sind lediglich der Weg.
BARBARA GEISER ist Vorstandsmitglied der SPSektion Bern AltstadtKirchenfeld
DEbAt tE Macht es Sinn, in der aktuellen Situation Verhandlungen mit der EU zu fordern? oder sollte man besser gleich für den beitritt selbst einstehen?
Die SPSektion Bern Altstadtkirchenfeld will, dass die SP Schweiz mit ihrem neuen Programm klar für einen EuBeitritt einsteht. Die
Vollmitgliedschaft mit mitspracherecht in der Europäischen union ist das Ziel. mit dem Programmentwurf wird nur die Aufnahme von Verhandlungen gefordert – eine Selbstverständlichkeit.
Die Eu hat lange einseitig auf die wirtschaftliche Integration gesetzt. Immer stärker entwickelt sie sich aber auch zu einer politischen union. Das ist die Chance unseres Landes. Denn nur wer als Vollmitglied mitentscheidet, kann die Zukunft der Europäischen union auch mitgestalten. Punkto Demokratie verfügt die Schweiz über solide und erfolgreiche Erfahrungen. Die Eumitgliedstaaten können davon profitieren.
Der EuBeitritt ist attraktiv: Schweizerinnen und Schweizer leben bereits heute wie Bürgerinnen und Bürger der Eu. Der Status quo ist
Der beitritt wird mehrheitsfähig, wenn wesent liche Akteurinnen – auch die SP – endlich Klartext reden.
trizität – verdichtet sich mit dem Abschluss jedes neuen Vertrags zusätzlich. Wei tere Verhandlungen in anderen Sektoren werden zunehmend schwieriger und neue Verträge kaum mehr umsetzbar. In Brüssel bezeichnet man diesen Weg heute als Sackgasse, und der Ruf nach Übernahme des EuRechts, wenn die Schweiz am Binnenmarkt teilnehmen möchte, wird immer lauter.
Gegner eines EuBeitritts behaupten, die Schweiz würde bei einem Beitritt zur Eu einen totalen Souveränitätsverlust erleiden. Dieser Verlust ist aber schon heute Realität. Die Schweiz übernimmt EuRecht, ohne es prägen zu können. Sie hätte als Eumitglied zwar nur geringe Einflussmöglichkeiten, dennoch könnte sie sich als ein Staat mit einer gesunden Volkswirtschaft, einem vorbildlichen dualen Bildungssystem und mit einem fortgeschrittenen umweltschutzengagement einbringen.
Aber die Lage ist festgefahren, denn innenpolitisch wird ein EuBeitritt keine mehrheiten finden. Gleichzeitig ist die Schweiz stark in die
Eu eingebunden, und der bilaterale Weg stösst an seine Grenzen. In dieser Lage könnte der EWR für die Schweiz einen realistischen Weg darstellen. Der EWR dehnt sich auf den europäischen Binnenmarkt aus und zählt Liechtenstein, Island und Norwegen zu seinen mitgliedern. Damit könnte er sich für die Schweiz zu einer mehrheitsfähigen Lösung entwickeln. Denn im EWR ist der Nachvollzug von EuRecht klar geregelt, und die Schweiz könnte mit grösserer Rechtssicherheit gegenüber der Eu auftreten. Damit hätten wir die Chance, in einem angemessenen Rahmen das EuRecht mitzugestalten. Langfristig müssen wir in Europa mit gebündelten kräften auf treten, wenn wir gegenüber den aufkommenden Wirt
schaftsmächten aus dem osten wettbewerbs fähig bleiben wollen.
BERNADETTE HäNNIFISCHER ist Präsidentin der SP See (Murten)
obwohl die Schweiz die gleichen wirtschaftlichen und politischen Ziele verfolgt wie die Länder der Europäischen union, sind EuBeitrittsver
handlungen zurzeit nicht attraktiv. Die Schweiz halte am bilateralen Weg fest, liessen unlängst die Bundesrätinnen Leuthard und CalmyRey verlauten. Sie bestärken damit die Haltung von «economiesuisse», die im bilateralen Weg das Erfolgsmodell sieht. Aber ist er das wirklich?
«Economiesuisse» räumt immerhin ein, dass es für diesen Weg in Zukunft mehr Anstrengungen brauche. Die bereits heute enge Bindung der Schweiz an die Eu – gerade in den Bereichen Gesundheit, Landwirtschaft und Elek
Die Lage ist festgefahren, ein EUbeitritt wird keine Mehrheit finden.
Der EWR als machbare Alternative
Ein EUbeitritt ist attraktiv
6 SoNDERBEILAGE Zum «LINkS» 112/SEPTEmBER 2010
Der Sozialstaat sorgt vor
Der Ton dieses kapitels legt deutlich offen, dass dem konzept des vorsorgenden Sozialstaates ein Politikverständnis zugrunde liegt, welches eine fundamentale Abkehr von sozialdemokratischen Grundsätzen bedeuten würde. Es geht von einer individualistischen Weltsicht und einem Fortschrittsgedanken aus, der nur noch Staat und Individuum kennt. Der Staat soll den sozialen Aufstieg der Individuen fördern.
Die Sozialdemokratie geht hingegen davon aus, dass Fortschritt und soziale Verbesserungen nur erreicht werden können, wenn die arbeitende klasse solidarisch auftritt und als kollektiv für die Verbesserung der gemeinsamen klassenlage einsteht.
Ein konkretes Beispiel ist das Thema Arbeitslosigkeit: Der vorsorgende Sozialstaat im Sinne des Parteiprogrammentwurfes soll Arbeitslosigkeit vorbeugen, indem die Leute besser ausgebildet sind. Der Staat soll Arbeitslosen kurse und Ausbildungen bezahlen, damit sie auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen haben.
Auf individueller Ebene mag das Erfolg bringen, auf gesellschaftlicher Ebene ist dadurch aber gar nichts erreicht.
Ein Sozialstaat nach sozialdemokratischem Verständnis sollte hingegen nicht auf individueller Ebene ansetzen, sondern auf der strukturellen Ebene. mit anderen Worten: Wer Arbeitslosigkeit verhindern will, der braucht eine staatliche Arbeitsmarkt und Industrie politik, die diesen Namen verdient und Eingriffe des Staates in die unternehmen ermöglicht. Statt eine Bildungsspirale auszulösen, welche dann lediglich zu besser ausgebildeten Arbeitslosen führt, muss der Sozialstaat eine aktive und vorsorgende In dustriepolitik verfolgen und Eingriffe in den
Arbeitsmarkt vornehmen, damit Arbeitslosigkeit gar nicht erst entsteht.
FELIx BIRCHLER ist CoPräsident der SP St. Gallen
DEbAt tE Die idee des vorsorgenden Sozialstaats ist nicht unumstritten. Während einige den begriff streichen wollen, kritisieren andere, er sei zu eng gefasst.
Der Entwurf des Parteiprogrammes will in kapitel IV eine neue Form des Sozialstaates beliebt machen: den vorsorgenden Sozialstaat. Im
ersten moment klingt es einleuchtend, dass
der Sozialstaat auch vorbeugend handeln und eingreifen soll, bevor Leute in Armut oder Arbeitslosigkeit versinken. Eine genaue Lektüre zeigt jedoch, dass die neoliberale Ideologie offenbar auch einige sozialdemokratische Geister nachhaltig benebelt hat. Das kapitel muss deshalb aus dem Parteiprogramm gestrichen werden.
Das Konzept entspricht einer fundamentalen Abkehr von sozialdemokratischen Grundsätzen.
Wenn der Sozialstaat dafür sorgen soll, dass alle menschen ein selbstbestimmtes und von Bevormundungen aller Art emanzipiertes Le
ben führen können, dann beinhaltet das mehr als nur materielle Absicherung. Die Gleichberechtigung der Behinderten kann nur dann Sinn machen, wenn die betroffenen menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Dies bedeutet aber auch, dass zum Beispiel der öffentliche Verkehr und die öffentlichen Gebäude behindertengängig ausgestaltet werden
müssen. Ein vorsorgender Sozialstaat hat somit Aufgaben zu erfüllen, welche über die traditionelle soziale Sicherheit hinausgehen.
Damit menschen mit einer Behinderung ihre Fähigkeiten in unserer Arbeitswelt einsetzen können, hat die Wirtschaft entsprechende Arbeitsplätze zu schaffen. Bei diesen Personen gilt ebenfalls eine gute Ausbildung als Vor aussetzung für eine erfolgreiche Eingliederung. Zudem ist darauf zu achten, dass menschen mit einer Behinderung möglichst lange im Arbeitsprozess bleiben können. Diese Aufgabe kommt primär der Wirtschaft zu und kann nicht einfach an
die Sozialversicherung delegiert werden.
SImoN RySER war Mitglied des Grossen Rates des Kantons Bern
Der vorsorgende Sozialstaat, zu welchem sich das Parteiprogramm bekennt, stellt den menschen und seine Entfaltungsmöglichkeiten
ins Zentrum. Er ist bestrebt, seine Bürger und Bürgerinnen zu befähigen, ihre soziale Lage zu verbessern und den sozialen Aufstieg in Angriff zu nehmen. Diese allgemeinen Sätze im Programmentwurf gelten namentlich auch für menschen mit einer Behinderung, für dessen Anliegen die SP seit Jahren einsteht.
Die neuere Entwicklung im Behindertenbereich – das Diskriminierungsverbot in der neuen Bundesverfassung und das Behindertengleichstellungsgesetz – zeigt, dass menschen mit einer Behinderung heute nicht mehr als blosse Empfänger staatlicher Leistungen betrachtet werden dürfen. Ihre Stellung in der Gesellschaft hat sich erheblich erhöht. Das sollte auch im neuen Parteiprogramm der SP zum Ausdruck kommen.
Menschen mit einer behinderung sind mehr als blosse Empfänger staatlicher Leistungen.
Materielle Absicherung allein reicht nicht
Ja gerne, aber nicht so!
7
Ausserdem …
organisieren können als denjenigen, die heute scheinbar Gültigkeit haben. Für die allermeisten scheint klar: Jeder ist auf einem markt, auf dem wir alle konkurrenten sind, «seines eigenen Glückes Schmied». Anders geht es nicht.
Dabei ist alles möglich. Das haben die Vorfahren und Vorgänger der heutigen Sozialdemokratie bewiesen. Die französischen Revolutionärinnen und Revolutionäre von 1789. Die Gründerinnen und Gründer des Schweizer Bundesstaats von 1848. Die Arbeiterinnen und Arbeiter im Landesstreik von 1918. Die kämpferinnen für das Frauenstimmrecht. Die Bewegten für ein selbstbestimmtes Leben von 1968 und 1980. Sie alle waren überzeugt, dass es auch anders geht. und sie hatten eine Vorstellung, was dieses andere sein könnte.
Heute fehlt der SP ein solcher Gegenentwurf. Eine Idee, die so klug wie verständlich ist. und die den Leuten auch eine politische Heimat gibt, ihre Hoffnungen weckt und ihre Leidenschaften entfacht. Wir wollen eine solche Idee entwickeln. unser Ansatz: Die SP wird die
Partei für mehr Demokratie. mit ihr wollen wir endlich das grosse demokratische Versprechen von Freiheit und Gleichheit einlösen. Gemeinsam mit allen, die unter den jetzigen Rahmenbedingungen den kürzeren ziehen oder die bestehenden unfreiheiten und ungleichheiten ablehnen. Gegen all diejenigen, die sich an die jetzigen Rahmenbedingungen klammern und so ihre Privilegien verteidigen. Wir wollen die Burg stürmen!
Das Grundsatzpapier «Schaffen wir mehr
Demokratie» kann unter www.deutungshoheit.ch heruntergeladen werden.
DAVID GALLuSSER, LukAS HoRRER, LoRENZ kELLER, JoN PuLT und SEVERIN ToBERER
iNPUtS Die Programmdebatte hat verschiedenste inputs und Vorstösse ausgelöst. Manche mit direktem bezug, andere zumindest mit indirektem. Nachfolgend einige beispiele, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Wir verstehen uns als Teil einer Generation junger Sozialdemokratinnen und Sozialde-mokraten. Neben unserem Alter ist uns ge-meinsam, dass wir für einen neuen politischen Aufbruch kämpfen. Dafür wollen wir ein poli-tisches Projekt entwickeln, das bei den grund-sätzlichen Rahmenbedingungen unseres Zu-sammenlebens ansetzt und sich nicht mit der Verwaltung des heutigen Zustands begnügt. Darum wollen wir die SP mitprägen.
Damit sie den mut zum Aufbruch hat und sich so aufstellt, dass sie erfolgreich für ein neues sozialdemokratisches Projekt kämpfen kann. Politik ist für uns ein kampf um die Deutungshoheit. Ein kampf darum, welche Fragen und welche Antworten überhaupt denkbar sind, wenn es darum geht, unsere Gesellschaft zu erklären und zu gestalten. Diese Deutungshoheit müssen wir erobern. Es ist heute für die allermeisten Schweizerinnen und Schweizer undenkbar, dass wir unsere Gesellschaft wirklich verändern und nach anderen Grundsätzen
SoNDERBEILAGE Zum «LINkS» 112/SEPTEmBER 2010
Der erste Entwurf des Parteipro-gramms fordert einen Umbau der Armee zu einem freiwilligen Rek-rutierungssystem. Ein Vorschlag, der von vielen Sektionen skeptisch beurteilt wird.
Häufi gste Befürchtung ist, dass ein solches System die falschen Leute anziehen würde. «Wollen wir eine RamboArmee, deren Angehörige dem rechten politischen Lager zuzuordnen sind?» fragen
verschiedene Sektionen aus den kantonen Bern und Solothurn.
Als Alternative wird bevorzugt, nicht nur die Abschaffung der Wehrpfl icht, sondern die Abschaffung der Armee im Allgemeinen zu verlangen. Nicht alle wollen die Wehrpfl icht hierbei ersatzlos aufgeben. Eine Idee ist beispielsweise, sie durch einen obligatorischen Sozialdienst oder Zivildienst zu ersetzen. Die SP Zürich 6 etwa schlägt vor, eine obligatorische «Sozialzeit» für alle einzuführen, wobei sowohl beide Geschlechter wie auch migrantInnen inbegriffen sind. Wenn die Wehrpfl icht beibehalten wird, fi nden einige, dass sie zumindest auch auf Frauen ausgeweitet werden soll.
Diverse Kritik gibt es zum Thema der Ausweitung des Stimm- und Wahlrechts, vor allem bezüglich der Senkung des Stimmrechts-alters auf 16 Jahre.
Über zehn Anträge von verschiedenen Sektionen lehnen die Forderung nach dem Stimmrechtsalter 16 ab. Argumente dagegen sind beispielsweise, dass dies eine willkürliche Altersgrenze sei, dass das Stimmrecht in Bezug zum mündigkeitsalter gestellt werden müssen oder dass die Forderung «entwicklungspsychologisch unpassend»
sei. An dere möchten den Punkt zumindest differenzieren und die Gesetzesänderung nur auf kommunaler Ebene einführen. Ein weiterer Vorschlag wäre, dass die
Eltern das Stimmrecht für ihre kinder beantragen
können, sobald diese 16 Jahre alt sind. Die Geschäftsleitung hat sich klar für das Stimmrechtsalter 16 ausgespro
chen. Welche Formulierung schliess
lich im Programm beibehalten werden soll,
entscheidet sich am Parteitag.
Stimmrechtsalter 16 –Entwicklungspsychologisch unpassend?
Armee –Abschaffen oder umbauen?
1
David Gallusser Lukas Horrer Lorenz Keller Jon Pult Severin Toberer
Schaffen wir mehr Demokratie!Warum und wie die SP um die Deutungshoheitkämpfen muss
Mit Nachworten von Jacqueline Fehr und Cédric Wermuth
Die burg stürmen
8 SoNDERBEILAGE Zum «LINkS» 112/SEPTEmBER 2010
schaft hat zugenommen. Eines der Ziele der geplanten Stiftung ist es, die Erneuerung der Demokratie durch politische Bildung zu fördern.
Die neue Stiftung soll im engen Dialog mit den teilweise seit Jahrzehnten erfolgreichen Stiftungen unserer Schwesterparteien stehen, beispielsweise mit der deutschen FriedrichEbertStiftung oder der französischen Fondation Jean Jaurès. Auch auf nationaler Ebene soll eine breite Zusammenarbeit gepflegt werden – mit Gewerkschaften, mit konsumentInnenorganisationen, mit unseren Hilfswerken oder auch mit dem Schweizerischen Sozialarchiv.
mit dem eingereichten Antrag fordern wir die Parteileitung auf, bis im Herbst 2011 zuhanden der Delegiertenversammlung ein
konzept eines solchen sozialdemokratischen Thinktanks auszuarbeiten. Für die Finanzierung kommen verschiedene modelle in Frage, die auch miteinander kombiniert werden können – Spenden, ein «Bildungszuschlag» auf mitgliederbeiträgen oder eine staatliche Parteienfinanzierung. Sowohl für die Finanzierung als auch für die Leitungsgremien der geplanten Stiftung wollen wir bekannte Persönlichkeiten der Partei beiziehen.
Wir freuen uns über eure Diskussionsbeiträge und die unterstützung für unseren Antrag. und wir versprechen euch, dass für die Namensgebung der neuen Stiftung ein Wettbewerb im «links» lanciert wird.
REBEkkA WyLER ist Zürcher Gemeinderätin, mARIo FEHR ist Zürcher Nationalrat
Weshalb verfügt unsere Partei nicht wie ihre Schwesterparteien in Deutschland oder Frankreich über eine eigene Stiftung?
Ein Thinktank, der uns Denkressourcen zur Verfügung stellt für die wichtigen Fragen der Zukunft: Wie sieht die Schweiz aus, die wir wollen? Wie sichern wir den Sozialstaat? Wie gestalten wir die Wirtschaftsdemokratie, die im neuen Parteiprogramm gefordert wird, konkret aus? Diesen und anderen Fragen soll die Partei intensiver als heute nachgehen können.
Ein Antrag an den Parteitag fordert deshalb eine parteinahe, gemeinnützige Stiftung, die den Grundwerten unserer Partei verpflichtet ist. Trotz krise dominiert das neoliberale Gedankengut noch immer in vielen Schulen, universitäten und medien. Diesem Weltbild des Eigennutzes wollen wir einen progressiven Gegenentwurf entgegensetzen: Die geplante Stiftung soll eigene, sozialdemokratische konzepte und Ideen entwickeln und damit nicht zuletzt auch unsere mitglieder und AmtsträgerInnen in ihrer politischen Arbeit unterstützen.
Das politische Desinteresse in der Gesell
trotz Krise dominiert das neoliberale Gedankengut noch immer vielerorts.
Auch wenn es als Frau äusserst störend ist, undifferenziert mit allen anderen Frauen in einen Topf geworfen zu werden, passiert das tagtäglich, das zeigen auch die Statistiken: Frauen verdienen einen Fünftel weniger als männer, erledigen fünfundsechzig Prozent der unbezahlten Arbeit – und weil eine Frauenmehrheit in der Regierung ansteht, beschwören gewisse Leute den untergang der Schweiz.
Ein individuelles Aushandeln bringt keinen Erfolg, die strukturellen Probleme müssen angegangen und die politischen Forderungen unmissverständlich gestellt werden. Deshalb ist es mit dem neuen Parteiprogramm an der Zeit, die Lippenbekenntnisse fallen zu lassen und die konkrete umsetzung der Gleichstellung für Frauen und männer durchzusetzen! Dazu gehören drei Ansätze: Die ökonomische unabhängigkeit, der gleichberechtigte Zugang zur politischen Einflussnahme und die Überwindung des Sexismus, der die Geschlechter in einengende Rollenbilder zwängt.
Aus ökonomischer Sicht ist eines klar: Beide Geschlechter sollen gleichberechtigt die möglichkeit haben, ihren Lebensentwurf frei von ökonomischen Zwängen zu wählen. Solange es primär die Frauen sind, die den ungleich grösseren Teil ihrer Arbeitskraft in die unbezahlte Familien und Betreuungsarbeit stecken und weniger verdienen, bleiben sie immer
«zu Versorgende». Dabei haben die Frauen bezüglich der Beteiligung auf dem bezahlten Arbeitsmarkt gegenüber den männern mächtig aufgeholt. Sie arbeiten jedoch vorwiegend in repetitiven, flexiblen, schlecht bezahlten und auf Teilzeitarbeit ausgerichteten Beschäftigungsverhältnissen und erledigen daneben den Grossteil der unbezahlten Arbeit.
Die Wirtschafts und Sozialpolitik rechnet nach wie vor mit der unbezahlten Frauenarbeit: Sparmassnahmen im Staatshaushalt, beispielweise in der Pflege, führen zu einer erhöhten privaten Dienstleistung. Dies untergräbt die chancengleiche Beteiligung der Frauen am wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und öffentlichen Leben. Deshalb braucht es einen Systemwechsel: Das Ziel der Wirtschafts und Sozialpolitik muss die wirtschaftliche unabhängigkeit jeder Person sein. Zudem braucht es – neben der umsetzung des Grundsatzes «gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit» – eine Arbeitszeitreduktion oder Teilzeitarbeit für alle, damit eine geschlechterunabhängige
umverteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit stattfinden kann.
BARBARA BERGERist Zentralsekretärin der SPFrauen Schweiz
Im neuen Parteiprogramm wurde die Gleich-stellung von Frau und Mann ansatzweise im Querschnitt integriert. Das ist zwar grundsätz-lich richtig, genügt jedoch nicht, da ein nach wie vor bestehendes Ungerechtigkeitsproblem nur verwaltet wird.
Hier geht es jedoch um eine politische Forderung, das Ziel muss eine emanzipierte Gesellschaft sein. Deshalb beantragen die SPFrauen Schweiz ein eigenes kapitel, das im Abschnitt «unser Weg» aufzeigt, wie mit der tatsächlichen Gleichstellung von Frau und mann eine gerechte und soziale Gesellschaft verwirklicht werden kann.
Die Errungenschaften der Gleichstellungsbemühungen der letzten 39 Jahre sind beträchtlich und trotzdem hält sich ein hartnäckiger Fundamentalismus, der die Notwendigkeit der Gleichstellung von Frau und mann negiert und das Problem der ungerechten Verteilung von macht und Ressourcen individualisiert.
Die Sozialpolitik rechnet nach wie vor mit der unbezahlten Frauenarbeit.
Ein thinktank für die SP
Gleichstellung ist eine politische Forderung