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Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung
in Ostasien 1600-1900
Vorüberlegungen:
〆Heterogene und homogene Elemente
〆Diskursebenen
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung in Ostasien, 1600-1900
Prof. Dr. Klaus Vollmer / LMU München, Japan-Zentrum
© 2004
Homogenität ILangfristiger struktureller Wandel
Reaktionen auf Konfrontation mit den Mächten des Westens
Retrospektiv:Grundlagen der Moderne
Beginn von Modernisierungsprozessen
Ökologisch-klimatische Faktoren
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung in Ostasien, 1600-1900
Prof. Dr. Klaus Vollmer / LMU München, Japan-Zentrum
© 2004
Homogenität IIInteraktion: Handel und Konfrontation
Ökonomische Integration in die maritime Sphäre Ost- und Südostasiens (ca. 1540-1640)
Handels- und Tributbeziehungen
Kriege und Konflikte:Japan vs. Korea/Ming-China: 1590er Jahre
Qing-China vs. Korea: 1620er Jahre
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung in Ostasien, 1600-1900
Prof. Dr. Klaus Vollmer / LMU München, Japan-Zentrum
© 2004
DiskursebenenDer europäische Blick
Reiseberichte als Quelle zu Gesellschaft, Kultur, Politik und Religion Ostasiens,
Ostasien als Spiegel EuropasDiskussion von Fragen, die für den
zeitgenössischen europäischen Kontext relevant sind („Despotismus“, „Feudalismus“ usw.)
Exotismus und „Sprache des Mangels“
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung in Ostasien, 1600-1900
Prof. Dr. Klaus Vollmer / LMU München, Japan-Zentrum
© 2004
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Strukturen
Definition gesellschaftlicher Stellung
• Nach materiellen Kriterien: Reichtum, wirtschaftliche Selbstständigkeit oder
Abhängigkeit, Besitz von Produktionsmitteln, Ausbeutungsverhältnisse usw.
• Nach Status:Bestimmt durch „Stand“ und daran gebundene
„Ehre“, familienerbliche Berufstradition usw.
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung in Ostasien, 1600-1900
Prof. Dr. Klaus Vollmer / LMU München, Japan-Zentrum
© 2004
Grundstrukturen gesellschaftlicher Ordnung in Japan1. Vorgeschichte (I)
• Aufstieg des Schwertadels (Samurai)
• Gründung des Shôgunats („Militärregierung“, bakufu 幕府 ) durch Minamoto no Yoritomo (1147-1199)
• Dezentralisierung politischer Macht seit dem 15. Jahrhundert, fortwährende militärische Auseinandersetzungen der Terri-torialherren (sog. Sengoku daimyo 戦国大名 )
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung in Ostasien, 1600-1900
Prof. Dr. Klaus Vollmer / LMU München, Japan-Zentrum
© 2004
Grundstrukturen gesellschaftlicher Ordnung in Japan1. Vorgeschichte (II)
• Etablierung der regional herrschenden Feudalherren als politisch-administrative Elite des Schwertadels im 16. Jahrhundert
• Gesellschaftliche Neuordnung durch:
– Schaffung von Statusgruppen
– Konzentration des Schwertadels (Samurai) in den Städten)
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung in Ostasien, 1600-1900
Prof. Dr. Klaus Vollmer / LMU München, Japan-Zentrum
© 2004
Gesellschaftsstrukturen in Theorie und Praxis
Shi-nô-kô-shô 士農工商
Herrschaft:Schwertadel 士
Landwirtschaft 農
Handwerk 工
Handel 商
„Himmel“ 天
„Erde“ 地
Vorstellun-gen gesell-schaftlicher
Produk-tivität
Kosmologie
Status-gruppen
Keine sozio-ökonomische Klassenhierar-
chie
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung in Ostasien, 1600-1900
Prof. Dr. Klaus Vollmer / LMU München, Japan-Zentrum
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Shôgun 将軍 , Daimyô 大名
Tennô, Hofadel
Klerus
Samurai 侍 士
Stadtbevölkerung Chônin 町人Handwerker, Kaufleute
Bäuerliche Bevölkerung,Inkl. Ausbeutung von Wald, Berg, Küsten usw.Ca. 80% der BevölkerungNô 農 hyakushô 百姓
„Elite“
„Ehrbare
Gesell-schaft“
Abdecker, Ger-ber etc., sog. Eta 穢多kawata
Bettler, hinin 非人 „Rand-
ständige“
Schau- und Unterhaltungs-künstler
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung in Ostasien, 1600-1900
Prof. Dr. Klaus Vollmer / LMU München, Japan-Zentrum
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Jenseits von shi-nô-kô-shô
Nicht in dieser Kategorie enthalten sind:– Niederrangige Kleriker, Bedienstete und Gehilfen in
Samuraihaushalten, Tagelöhner, städtische Unterschichten
– Randständige bzw. Outcast-Gruppen:• Gewerbe der Kadaverwertung und
Ledergewinnung (kawata oder sog. Eta)• Bettler (hinin)• Schau- und Unterhaltungskünste
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung in Ostasien, 1600-1900
Prof. Dr. Klaus Vollmer / LMU München, Japan-Zentrum
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Kawata (sog. Eta)
– Gewinnung und Verarbeitung von Häuten
– Regional sehr unterschiedliche gewerbliche Traditionen (Bambus- und Strohverarbeitung)
– Dienste in Strafvollzug und Reinigung
– Status auf strikter Erblichkeit basierend
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung in Ostasien, 1600-1900
Prof. Dr. Klaus Vollmer / LMU München, Japan-Zentrum
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Hinin 非人
– Bettler, d.h. aus ihren gesellschaftlichen Bindungen herausgefallene Unterschichten
– Kriminellenstatus
– Eng begrenzte Möglichkeiten zum Verlassen des hinin-Standes
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung in Ostasien, 1600-1900
Prof. Dr. Klaus Vollmer / LMU München, Japan-Zentrum
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Stand und Habitus
• Minutiöse Vorschriften zu Kleidung, Haartracht, Accessoires, Architektur usw.
• Luxusgesetze und Rhetorik der Genügsamkeit
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung in Ostasien, 1600-1900
Prof. Dr. Klaus Vollmer / LMU München, Japan-Zentrum
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Systeme gesellschaftlicher Klassifizierung in Ostasien
Herrschaft der „Edlen“ 士
„rechtschaffenes Volk“良民
Liangmin/yangmin/ryômin
„niederes Volk“賎民
Jianmin/chŏnmin/ senmin
Shi-nô-kô-shô
Samurai
Landwirtschaft
Handwerk, Handel
Outcast-Gruppen
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung in Ostasien, 1600-1900
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Das „niedere Volk“ ( 賎民 )
China– Sklaven in öffentlichen und privaten Diensten,
– Niedere Bedienstete (Läufer, Melder, Folterknechte, Leichenbeschauer),
– Gewerbe der Schau- und Unterhaltungskünste, Magie und Volksreligion
– Ökonomisch disparat
– Grundsätzlich vom Prüfungssystem ausgeschlossen,
– Emanzipationsedikte im 18. Jahrhundert
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung in Ostasien, 1600-1900
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Das „niedere Volk“ ( 賎民 ): Korea
• Ähnliche Berufsgruppen wie in China: – Grundsätzlich vom Prüfungssystem
ausgeschlossen,
• Gruppe der paekchŏng 白丁 kawata, hinin (Japan)
• Kadaververwertung und Ledergewinnung als Monopolgewerbe
• Akrobaten, Jongleure, Magier, Herstellung von Schuhwerk und Strohprodukten
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung in Ostasien, 1600-1900
Prof. Dr. Klaus Vollmer / LMU München, Japan-Zentrum
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Das „niedere Volk“ ( 賎民 ) im Vergleich
• Bei gleich formulierten Vorstellungen gesellschaftlicher Ordnung: Differenzen in der sozialen Praxis
• Heterogene Begrifflichkeiten, ökonomisch disparat• China:
– relative Mobilität tendenziell möglich,– Im 18. Jh.: Diskurs von der Emanzipation des „niederen Volkes“
• Japan und Korea:– Strukturen eines Paria-Standes, der an das indische Kastensystem
erinnert (kawata, hinin, paekchŏng),– Durch erbliche Berufstraditionen Vorstellungen inhärenter,
dauerhafter „Verunreinigung“ des „niederen Volkes“
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung in Ostasien, 1600-1900
Prof. Dr. Klaus Vollmer / LMU München, Japan-Zentrum
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Konzeptionen von Marginalität
• Einerseits: Armut, Schuldknechtschaft, Kriegsgefangenschaft als Ursache der Zugehörigkeit zum „niederen Volk“
• Andererseits: Universale kulturelle Konzepte wie Reinheitsvorstellungen und damit verknüpfte
religiöse TabusNichtseßhaftigkeit, nichtagrarische
Beschäftigung
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung in Ostasien, 1600-1900
Prof. Dr. Klaus Vollmer / LMU München, Japan-Zentrum
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Die politisch-administrative
Führungsschicht: Literati, yangban, Samurai
• China: Literati, „gelehrte Beamten“– Zugang zu Privilegien, Ämtern und
Herrschaftsaufgaben über Prüfungssystem
• Korea: yangban 両班 , („zwei Gruppen“: „zivile“ 文 und „militärische“ 武
Beamte)– Zugang zu staatlichen Ämtern und Privilegien über
Prüfungssystem,– Prüfungssystem: Zugang aufgrund sozialer Herkunft
stark beschränkt
Shi-nô-kô-shô
Herrschaft 士
Landwirtschaft
Handwerk, Handel
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung in Ostasien, 1600-1900
Prof. Dr. Klaus Vollmer / LMU München, Japan-Zentrum
© 2004
Führungsschichten in Korea und Japan im Vergleich I
Yangban (Korea)• „Landadel“ (lokale Gentry),
• Zentralistisch ausgerichtete Koalition von aristokratischen Feudalherren, die Positionen der Bürokratie besetzen,
• Bürokratie verwaltet ein einheitliches Reich im Namen des Königs
• Hierarchisch stark differenzierte Elite,
• Erblichkeit der Ränge
Samurai (Japan)• Kaserniert in Burgstädten der
Daimyô oder in Edo,• Dezentral ausgerichtete
Koalition von Feudalherren (Daimyô) unter Kontrolle eines Oberhauptes (Shôgun)
• Shôgun: Wahrung von Frieden und Ordnung im Namen des Kaisers (Tennô)
• Hierarchisch stark differenzierte Elite,
• Erblichkeit der Ränge
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung in Ostasien, 1600-1900
Prof. Dr. Klaus Vollmer / LMU München, Japan-Zentrum
© 2004
Führungsschichten in Korea und Japan im Vergleich II
Yangban (Korea)• In Anlehnung an das
chinesische Vorbild: „konfuzianische Gentlemen“
• Folge: zivile Regierung und literarische Fertigkeiten rangieren deutlich vor der Beherrschung militärischer Techniken
Samurai (Japan)• Geprägt durch Tradition und
Ehrbegriff des Kriegertums,
• Folge:
– Betonung des komplementären Charakters von „zivilen“ und „militärischen Künsten“ (bunbu nidô 文武二道 ),
– Relativierung des (neo)konfuzianischen Diskurses
Vorstellungen und Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung
in Ostasien 1600-1900
Ausblick:
Unterschiedliche Wege in die Moderne