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Bericht über das (sozial-)pädagogische Praktikum Ergotherapiepraxis Elizabeth Brechtel Vom 11.Juli 2013 bis zum 18.Juli 2013 Vorgelegt von Franziska Bartschat LK Erziehungswissenschaft Stufe Q1 Juli 2013 ~ 1 ~

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Bericht über das (sozial-)pädagogische Praktikum

Ergotherapiepraxis Elizabeth Brechtel

Vom 11.Juli 2013 bis zum 18.Juli 2013

Vorgelegt von

Franziska Bartschat

LK Erziehungswissenschaft Stufe Q1

Juli 2013

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Mein Sozialpädagogisches Praktikum im Rahmen des Leistungskurses habe ich in einer Ergotherapiepraxis in Köln absolviert. Die Praxen von Elizabeth Brechtel sind in Köln und Umgebung sehr angesehen.

Auf jeden der neun Therapeuten kommen ca. 29 Klienten. Das macht einen Gesamtklientenstamm von etwa 260 zu Behandelende im Alter von 2 bis 80 und älter. Klient wird die zu behandelnde Person daher genannt, da das Prinzip in der Ergotherapie klientenzentriert ist. Der Klient steht im Mittelpunkt der Therapie und ist aktiver Mitgestalter seiner Therapie. Er benennt bewusst sein Problem und arbeitet zusammen mit dem Therapeuten zielgerichtet an einer Verbesserung seiner persönlichen Situation.

Das Ziel der Ergotherapie ist normalerweise das Erreichen des auf der Verordnung geschilderten Problems. Die Ergotherapie verordnet der Hausarzte oder der behandelnden (Jugend-)Psychiater. Ein weiteres Ziel, was so gut wie bei jedem Klienten erreicht werden soll, ist das Erlangen von Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein. „Ergotherapie ist Nachhilfe in der Entwicklung.“ Dies wurde mir am letzten Tag abschließend gesagt. Das trifft es sehr gut. Denn in dieser Form der Therapie werden die Dinge nachgeholt, aufgearbeitet und auch neu entdeckt, die in verschieden Stufen und Phasen der Entwicklung, oft durch soziale Defizite, nicht ausreichend ausgeprägt bzw. entwickelt wurden.

Das gängigste Medium in der Ergotherapie ist das Spiel. Gerade beim Hauptklientenstamm- der Kinder. Hier konnte ich einige Verknüpfungen aus den Sitzungen zu unserem Unterricht herstellen. Schäfer misst dem Spiel besondere Bedeutung bei, weil darin sowohl die Eigengesetzlichkeit der Wirklichkeit, als auch die Gesetzlichkeit der inneren Welt gelten kann. Das Spiel bedient sich alltäglichen Situationen ohne sie wahr werden zu lassen. Man probt sozusagen das alltägliche Leben. Nach Schäfer wird im Spiel der Bereich zwischen objektiver und subjektiver Wirklichkeit ausgebildet. Dieser Bereich ist die Basis für jedes kulturelle Erleben. Spielräume für kindliche Fantasien bedingen daher einen elementarischen Lernprozess für den Austausch von Subjekt und Mitwelt. Die Initiative zu spielen kommt im Laufe der Zeit immer mehr vom Kind heraus. Zweckfreies Spiel mit eigenen Regeln und Gesetzen, in einem Spielbereich, der räumlich und zeitlich begrenzt ist. Schäfer stellt so neun Thesen zusammen, was Spiel bewirkt. Kinder wenden sich beispielsweise freiwillig ihrer Umwelt zu, spielen niemals sinnlos, erfahren körperlich, sinnlich

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also motorisch, erschaffen Räume und erleben vielsinnliche und komplexe Erfahrungen.

Wie Schäfer betont, lässt man das Spiel erst frei wirken, wenn die (Behandlungs-)Räume den Kindern die eben genannten Möglichkeiten freistellen. Kinder sollen die Möglichkeit haben frei heraus diese komplexen Erfahrungen machen zu können. So sind auch die Räume der beiden Praxen eingerichtet. (siehe Anhang). Die Räume bieten jede Menge Möglichkeiten, die die Kinder selbstständig erkennen und eigenständig nutzen sollen. So schafft sich jedes Kind in seiner Therapiestunde einen persönlichen Spielraum. Jede der beiden Praxen hat die gleiche Anzahl von Räumen, sie sind gleich konzipiert.

Einen großen Raum: Dieser Raum bietet die Möglichkeit sportlich zu agieren und Ganzkörpereinsatz zu zeigen. Eine Hängematte, ein Klettergerüst, mehrere Weichbodenmatten, sowie dünnere Matten, Trampolins und Rutschen, Rollbretter, Basketballkörbe etc. sind in diesem Raum vorhanden. Oft ist dies der Lieblingsraum der Jungen, die hier gezielt ihre angestaute Energie freilassen können und konstruktiv Erfolge verzeichnen. Diese Möglichkeit hat ein Großteil der Klienten zu Hause nicht. Man kann sehen, wie die Kinder förmlich aufblühen und das riesige Angebot an Spielen gerne und selbstkonstruierend annehmen.

Ein kleiner Raum: In diesem Raum liegt der Fokus auf Konzentration und Feinmotorik. Tische und Stühle, Regale und Bücher oder Gesellschaftsspiele bestücken diesen Raum. Die Praxis orientiert sich in diesen Räumen an Carl Rogers, der die 90°C Sitzstellung über Eck empfiehlt. Hier entsteht eine Nähe zum Therapeuten, die Sicherheit transportiert. Diese sucht und braucht der Klient in den meisten Fällen.

Ein Handwerksraum: In diesem Raum liegt der Fokus auf dem Handwerk. Motorik, Konzentration, Kreativität etc. werden hier vom Klienten gefordert. Er ist gut ausgestattet mit vielen Materialien, naturbelassen sowie künstliche. Hier werden mitgebrachte Aststücke zum Piraten gebastelt oder bunte Bügelbilder kreiert. Dieser Raum fordert einiges vom Klienten ab, es scheint allen Kindern schwer zu fallen die vielen Anforderungen zu erfüllen. Damit der Klient nicht

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überfordert wird, nutzt man diesen Raum in einer Doppelstunde oft nur zeitweise.

Das Büro ist die Rückzugszone der Therapeuten. Dieser Raum darf nur in Begleitung eines Therapeuten betreten werden. Der Klient hat sich darin allein nicht aufzuhalten. Manchen Kindern fällt diese Regel schon schwer einzuhalten. Bei Grenzüberschreitung wird in der Sitzung geforscht warum es zu dazu kam.

Das Wartezimmer: Das Wartezimmer ist ebenfalls mit Spielzeug und Spielteppich ausgestattet.

Eine Besonderheit in Verbindung mit den Räumen ist die selbstständige Absprache zwischen den Klienten über die Raumverteilung. Hier wird im Dialog konstruktiv überlegt, welches Kind in welchen Raum geht. Wenn Unstimmigkeiten auftreten, wird mit Hilfe der Therapeuten eine Lösung gesucht. Die Therapeuten agieren hier als Stütze, den Klienten die Möglichkeit zu geben, eine Lösung nahezu eigenständig zu finden. Diese ist manchmal, den Raum auszulosen oder durch Schnick-Schnack-Schnuck den Raum auszuspielen. Es kommt auch oft vor, dass der Kompromiss des Raumtauschs gesucht wird. Das heißt, dass in der Mitte der Stunde, die Kinder mit ihren Therapeuten die Räume wechseln. So ist niemand enttäuscht.

Hier findet sich Meads Verständnis von Sozialisation und Rollenlernen wieder. Der eben genannte Ablauf ist das „Game“ (Spiel nach vorgegebenen Regeln). Im Game interagiert das Kind mit einem „verallgemeinerten Anderen“ und erweitert seine Handlungs- und Orientierungsmöglichkeiten, da es auch im Spiel Regeln berücksichtigt. Es achtet zusätzlich auf die „verallgemeinerten Anderen“ und richtet sich an Vertreter von Rollen, anstatt auf einzelne Individuen. „Game“, auch, wenn es nur um Raumverteilungen geht, hilft bei der Identitätsfindung sowie in der Interaktion mit Fremden.

So, wie die Kinder im Game versuchen sich in den Anderen hineinzuversetzen, müssen sich die Therapeuten ebenfalls in den Klienten hereinversetzen. Feinfühligkeit und das Bewusstsein, warum Kinder auf ihre Weise reagieren, ist in diesem Beruf sehr wichtig. Es ist bedeutsam zu bemerken, wann der Verdrängungsmechanismus/Zensor (Freud) greift und wann man den Kindern zu viel zumutet. Viele Gefühle und Empfindungen sind noch gar nicht richtig

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entdeckt. Manche Kinder verstehen ihre Gefühle noch nicht richtig und sind manchmal verwirrt von ihrer Wut, ihrem Ärger oder ihrer Enttäuschung. Sie wissen teilweise nicht damit umzugehen. Hier kann das ICH noch nicht vollständig zwischen ES und ÜBER-ICH vermitteln. Feinfühligkeit ist deswegen, gefragt, da die Klienten einen teilweise miserablen sozialen Hintergrund haben und tagtäglichen mit tragischen Schicksalen konfrontiert werden. Manchmal reicht schon ein Blick oder ein Wort, um die Kinder so zu verunsichern, dass der Zensor greift. Wenn die Kinder an etwas erinnert werden, was sie eigentlich verdrängt haben, bemerkt man dies durch starkes Abwehrverhalten. Die Ergotherapie ist für viele Kinder der einzige Rückzugsort, in dem Regeln und Sicherheit vermitteln werden. Es kommt häufig vor, dass dies der einzige Zeitraum ist, indem man sich näher mit ihnen beschäftigt. Gerade deswegen ist es wichtig, dass in dieser Zeit die Vermittlung des ICHs erprobt wird. Man kann nicht immer alles haben, was man sich wünscht. Nicht alle Bedürfnisse und Triebe können befriedigt werden. Durch ein regelloses Leben zu Hause wird das ÜBER-Ich jedoch nicht richtig ausgebildet. Der Therapeut versucht feste Regeln von der ersten Sitzung an einzuführen, um dem Kind sozialen Umgang zu erleichtern.

Der Therapeut ist eine Vertrauensperson, eine Person, die ins aktuelle Geschehen mit einbezogen wird.

Ich selbst hatte keinen festen Verantwortungsbereich. Meine Aufgabe lag in dieser Woche darin, die Therapie aufmerksam zu verfolgen und als Spielkamerad zu dienen. Oft war ich auch eine Härteprobe, das Erlernte an mir, einer außenstehenden Person, auszuprobieren.

Teilweise geriet ich in Grenzsituationen, da ich eine Bedrohung darstellte. Durch meine Anwesenheit konfrontierte ich einige Klienten mit ihren Problemen. Aber bei vielen war ich auch gerngesehener Gast, dem ebenfalls viel anvertraut wurde. Das war ein schönes Gefühl ohne viele Worte in die Therapie mit einbezogen zu werden.

Hauptsächlich beobachte ich bei den Klienten Schachstellen im Umgang mit Grenzen und Regeln. Grenzüberschreitendes Verhalten kombiniert mit sehr niedriger Frustrationstoleranz führt dazu, dass die Klienten, gerade bei fremden Personen in Grenzsituationen sehr wenig Einsicht zeigen und abstoßend, auch

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schon mal aggressiv oder beleidigend werden. Hier kann man Rückschlüsse auf Eriksons 4.Phase (Werksinn vs. Minderwertigkeitsgefühl im Alter von 6-12 Jahren) und auch auf die 2. Phase (Autonomie vs. Zweifel und Scham ca. 1.5-3 Jahre) ziehen. Wenn das Minderwertigkeitsgefühl zu groß ausgeprägt wird, können Minderwertigkeitsängste, Neigungen zur Selbstüberschätzung, aber auch Leistungsabwehr sowie übertriebenes Leistungsstreben auftreten. Wenn Regeln, Normen etc. gegen diese problematische Lösung oder Fixierung dieses Verhaltens sprechen, so kann man dies an niedriger Frustrationstoleranz oder Aggression festmachen.

Aus der 2. Phase wäre die problematische Lösung dieser Krise, den Willen durchsetzen zu wollen, ohne ihn durchsetzen zu können. Das kann die Ignoranz von Regeln und Vorschriften erklären.

Ein anderes Kind, Assim, ist mit fünf plötzlich nicht mehr trocken. Assim kann die Konkurrenz mit dem kleinen Bruder, der noch ein Baby ist, nicht aushalten. Hier findet man den klassischen Machtausgleich vor, der im Eriksons 2. Phase seines psychosexuellen und phsychosozialem Entwicklungsmodells angeführt wird. Assim macht wieder in die Hose, das soll er nicht und das bekommt er auch zu spüren. Scham entsteht. Das passiert immer dann, wenn Assim sich aufgrund seines kleinen Bruders minderwertig fühlt.

Da wird die Arbeit für einen Ergotherapeuten zur Nervenprobe. Geduld, Verständnis und das richtige Handeln zur richtigen Zeit sind hier sehr wichtig. Auch das STOPP- also Innehalten und Nachfragen, warum der Klient sich so fühlt, wie er es tut und sich so verhält, ist wesentlicher Bestandteil der Therapie. Ich war äußerst überrascht, wie viel therapeutischer Anteil, in dieser Form der Arbeit steckt.

Eine Sitzung hat meistens die gleiche Struktur. Die Stunde beginnt mit einer Einführungsrunde. Hierfür sind Teppiche in den einzelnen Räumen. Man erzählt, wie man sich fühlt und was es Neues gibt. Was einen aufwühlt und auch, was man in dieser Stunde machen möchte („Was ist dran?“). Der Therapeut versucht den Wunsch des Klienten sinnvoll in den Prozess mit einzubinden. Nach der Stunde gibt es eine Abschlussrunde. Hier wird erzählt, was an der Stunde schön war und was vielleicht weniger schön war. Auch Ausfälle wie großes Geschrei bei Zurückweisung oder Hauen etc. wird hier

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nochmal aufgegriffen um es nächste Woche besser zu machen. In solchen Teilen der Stunde wird auch demonstriert, dass man nicht gleich ausfallend werden muss, wenn man unzufrieden ist und seinen Unmut äußern will. Ziel der Therapeuten ist es gerade auch, Gefühle deuten zu lernen und mit ihnen umzugehen. Das ist kein einfacher Prozess.

Es ist aber auch nicht immer der Unmut. Oft sind die „Ausfälle“ auch bedingt durch bestimmte Ängste traumatischer Erfahrungen, die die Kinder in ihrer Entwicklung behindern.

Noah ist so ein Beispiel. Er ist 5 Jahre alt und kam zur Ergotherapie aufgrund von Problemen in der Feinmotorik und Stifthaltung. Es wurde in der Therapie festgestellt, dass Noah auch kognitiv etwas eingeschränkt ist. D.h. er entspricht nicht in allen Punkten der „Norm“. Man bemerkt das beispielsweise an seiner Art zu malen und den Transport seiner Gedanken aufs Papier.

Noah hat vor einem Jahr im Urlaub etwas Schreckliches erlebt. Am Strand fiel ihn ein streunender Hund an, der ihm das gesamte Gesicht zerkratzte und aufriss. Seine Eltern konnten nicht rechtzeitig helfen, sodass Noah bleibende, riesige Naben zurückbehält. Dieses Ereignis belastet ihn sehr.

Weil der Hund damals so gemein zu ihm war projiziert er gelegentlich seine Wut auf andere, indem er wilde Beschimpfungen benutzt. Die Therapeutin wirkt dem entgegen, indem sie „Motzfrösche“ verteilt. Drei Stück zu Anfang. Bei jeder ausfallenden Bemerkung wird ein Frosch eingesammelt. Wenn alle Frösche weg sind, muss Noah zur Strafe ins Wartezimmer und die Sitzung wird unterbrochen.

In der Sitzung war Noah sehr gefasst und behielt alle Frösche. Das wurde in der Abschlussrunde auch gelobt.

Bei Noah haben wir den systemischen Ansatz ausprobiert, indem wir ihm die Aufgabe stellten, seine Eltern als Tier zu malen. Hier konnte man auch Bezug auf seinen Unfall nehmen. Er im Mittelpunkt der Familie, als ein pflanzenfressender (lieber) Dino. Sein Vater ist ein fleischfressender Dino, allerdings kleiner als er selbst und seine Mama ein Elefant. Der Elefant ist ein fürsorgliches Herdentier und wird oft mit der Mutter assoziiert. So auch bei

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Noah. Er ist ein Einzelkind und nach dem Unfall hat er noch mehr an Aufmerksamkeit gewonnen.

Eine weitere Aufgabe, mehr als Spiel, war ein Bildertest. Noah sollte aus einem Bild eine Geschichte erzählen. (Bild: siehe Anhang). Er sucht sich ein Bild aus, was zu seiner Situation passt. Die Gans beißt dem Schwein den Schwanz ab. Aber die anderen Schweine kommen dem kleinen Schweinchen zur Hilfe. Er projiziert völlig und die Grenzen verlaufen schnell zwischen „Hund und Gans“ und „andere Schweine und Eltern“

Er hegt allerdings große Rachegedanken, die er auch ausführt. Die Therapeutin bestärkt Noah wütend zu sein, allerdings stoppt sie ihn darin, seine Wut auf Menschen zu projizieren. Damit er nicht schlägt oder anders ausfallend wird, nur weil ihm eine Person oder ein Kind im Kindergarten zu nahe tritt. Man merkt, dass Noah mit seinen Erfahrungen überfordert ist und, dass er gerne vergessen würde, aber seine Narben ihn jeden Tag erinnern.

Nun erzählt die Therapeutin eine Geschichte, die zu Noah passt. Sie versucht in der Geschichte rüberzubringen, dass Eltern auch mal Dinge alleine machen können und auch sollten. Dass das allerdings nicht bedeutet, Kinder würden alleingelassen. Kinder können sich auch mal trauen, ihre Eltern loszulassen und etwas alleine zu schaffen. (Loslösungsaufforderung und Selbstbewusstseinsstärkung)

Enes ist fünf Jahre alt und soll bald zur Schule gehen. Allerdings merkt man, dass Enes geistig sehr eingeschränkt ist. Er hat neben seiner kognitiven Einschränkung auch starke Konzentrationsstörungen, Probleme in Schrift und Bewegung, in Motorik allgemein, in seiner Wahrnehmung und in der Selbstauffassung/-wahrnehmung. Als ich ihn kennenlernte dachte ich an Piagets Modell zur kognitiven Entwicklung. Beispielsweise erfüllt Enes nicht die Anforderungen des Präoperationales Stadiums im 2. bis zum 7. Lebensjahr. Logische gedankliche Prozesse sind bei ihm eher wenig zu beobachten. Er hat des Weiteren Probleme sich über Sprache zu verständigen. Am Anfang der Therapie sprach Enes lediglich undeutliche Ein-Wort-Sätze. Nun schafft er es mit wenigen Wörtern in einem Satz undeutlich zu kommunizieren. Logische, mathematische Zusammenhänge versteht Enes großenteils nicht. So kann er wenig bis gar nicht mit Größenverhältnissen, Zahlen und Mengen, Abständen

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etc. umgehen. Er hat ebenfalls Probleme sich im Raum zu sehen und dementsprechend zu bewegen. Das Propirezeptorische System beschreibt das Gefühl im Raum. Enes sollte sich selber malen (siehe Anhang). Hier merkt man seine unmittelbare Wahrnehmung von sich. Bloß ein Kopf ohne Hals, Gesicht und Arme. Den Enes, den er da malt war die einfachste Form eines Strichmännchens. Hier bemerkt man deutliche seine Einschränkungen.

Enes ist eines von vielen Kindern in der Familie und ihm werden keine Grenzen gesetzt. Er ist das jüngste Kind. Ich gehe davon aus, dass Enes geringe Frustrationstoleranz, die sich in Geschrei, Gewaltausbrüchen und aggressiven Beschimpfungen äußert, daher kommt, dass es schon in der ersten Phase Eriksons psychosexuellen und psychosozialem Entwicklungsmodell, Urvertrauen vs. Misstrauen, keine Balance hergestellt wurde. Entweder wird Enes grob zurückgewiesen oder er wird umwöhnt, indem er alles grenzenlos tun und lassen kann was er will. Dieses Verhalten bemerkt man bei ihm sehr stark. Er kann Regeln schlecht akzeptieren, fühlt sich schon von Blicken angegriffen und lebt über seine persönlichen Möglichkeiten. So orientiert er sich an seinen großen Brüdern, die sich scheinbar ebenfalls alles über Gewalt herausnehmen.

Ich habe viele Erfahrungen in dieser kurzen Woche sammeln dürfen. So wurden mir entwicklungsfördernde Bestandteile einer Entwicklung erst bewusst, als ich beobachten konnte, was alles falsch laufen kann. Die Arbeit der Ergotherapie ist sehr wichtig und sollte viel mehr gewürdigt werden. Die Therapeuten leisten eine erstaunliche Arbeit in einem sehr breit gefächerten Aufgabenbereich (therapeutisch, medizinisch, handwerklich, pädagogisch, biologisch etc.) Sie werden mit vielen Dingen konfrontiert und sind daher nicht nur Therapeut, sondern auch ernstzunehmende Entwicklungshilfe. Dennoch wäre die Arbeit als Ergotherapeutin nichts für mich. Ich glaube nicht, dass ich die Geduld und die Begeisterung aufbringen könnte, die dieser Beruf abverlangt. Trotzdem hat es mir sehr viel Spaß gemacht, in der Zeit meines Praktikums einen Einblick in dieses Berufsfeld zu erlangen.

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ANHANG Einrichtung der Praxis:

Das Wartezimmer, der Praxis (Sechzigstraße in Köln-Nippes)

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Der kleine Raum, hier mit Hängematte, Kuschelecke, aber auch ein Tisch für Aufgaben in der Feinmotorik, für Stifthaltung, Konzentrationsübungen

Großer Raum

Handwerksraum mit „Hütte“

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Handwerksraum, ebenfalls mit einer Schaukel, aber auch einer Werkbank, einem Boxsack etc

Noahs Sitzung

Motzfrösche

Das Bild, in dem Noah sich selbst als kleines Ferkel wiederfindet

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