114
Ein Unterrichtsmaterial für Lehrerinnen und Lehrer Welterbe für junge Menschen Österreich

Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

  • Upload
    others

  • View
    8

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Ein Unterrichtsmaterialfür Lehrerinnen und Lehrer

Welterbe für junge Menschen

Österreich

Page 2: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Welterbe für junge Menschen - ÖsterreichEin Unterrichtsmaterial für Lehrerinnen und Lehrer (Sekundarstufe I und II)

Medieninhaber und Herausgeber: Österreichische UNESCO-Kommission, Universitätsstraße 5, 1010 Wien,www.unesco.at

Zusammenstellung und Text: Wilhelm Linder, Ulrike DröscherRedaktion: Gabriele Eschig, Mona Mairitsch, Franz Neuwirth, Bettina Rossbacher Redaktionelle Mitarbeit: Nora von Loebell, Beate Ruppe, Inga StrübigGrafik und Illustrationen: Ursula MeyerHerstellung: Schreier & Braune Ges.m.b.H., Wien (Broschüre), Care Public Relations GmbH (Folien)

Copyright © 2007: Österreichische UNESCO-Kommission, Wien

ISBN-Nr. 978-3-902379-00-9

1. Auflage: 2.800 Exemplare

Mit Unterstützung des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur

Wir danken den Verantwortlichen im Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Dr. Gabriele Trattner, Dr. Elisabeth Elser und DI Franz Neuwirth, ohne die diese Broschüre nicht zustande gekommen wäre. Weiters danken wir den Verantwortlichen der österreichischen Welterbestätten für ihre Beiträge und ihre freundlicheUnterstützung sowie den Bildautorinnen und –autoren für die kostenlose Bereitstellung der Fotos.

Page 3: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Welterbe für junge Menschen Österreich

Ein Unterrichtsmaterial für Lehrerinnen und Lehrer

Page 4: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,
Page 5: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Inhaltsverzeichnis

5 Vorwort

6 Einleitung

7 UNESCO-Welterbe

15 Österreichische UNESCO-Welterbestätten

95 Informationen und Links / Literatur

101 Legende zu den Folien

16 Historisches Zentrum der Stadt Salzburg

26 Schloss und Gärten von Schönbrunn

36 Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut

46 Semmeringbahn

55 Historisches Zentrum der Stadt Graz

65 Kulturlandschaft Wachau

74 Historisches Zentrum von Wien

85 Kulturlandschaft Fertö-Neusiedler See (gemeinsam mit Ungarn)

Page 6: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,
Page 7: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Vorwort 5

Foto

: Pe

tra

Spio

la

Sehr geehrte Lehrerinnen und Lehrer,

Ich freue mich, Ihnen das vorliegende Unterrichts-material zu den österreichischen Welterbestätten präsentieren zu können.

Seit 1972 können außergewöhnliche Kultur- undNaturgüter bei der UNESCO eingereicht und auf derGrundlage des „Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ unter internationalenSchutz gestellt werden. Mit der Eintragung verpflichtensich die Staaten, diese „Schätze der Menschheit“, zudenen unter anderem die ägyptischen Pyramiden, dieGalapagos Inseln oder die Tempelanlage von Angkor in Kambodscha zählen, für kommende Generationen zu erhalten.

Bis heute wurden über 850 Stätten aus mehr als 140Staaten in die Welterbeliste aufgenommen. Acht davonbefinden sich in Österreich: das historische Zentrum der Stadt Salzburg, das Schloss und die Gärten vonSchönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-DachsteinSalzkammergut, die Semmeringbahn, das historischeZentrum der Stadt Graz, die Kulturlandschaft Wachau,das historische Zentrum von Wien und die Kulturland-schaft Fertö-Neusiedler See.

Das wachsende Interesse am Welterbe an ÖsterreichsSchulen hat uns dazu veranlasst, die bereits bestehendeUNESCO-Unterrichtsmappe„Welterbe für jungeMenschen“mit Informationen und Materialien über die öster-reichischen Welterbestätten zu erweitern.

Die vorliegende Publikation will Interesse wecken und Lust auf eine Auseinandersetzung mit den öster-reichischen „Schätzen der Menschheit“ machen. DennInteresse und Begeisterung sind wesentliche Antriebs-kräfte für Wissenserwerb und Lernen. Die Broschüre will keine wissenschaftliche Abhandlung sein, sondernein Lesebuch. Konkrete Beispiele und Geschichten

illustrieren die Besonderheiten der acht österreichischenWelterbestätten, dienen aber auch als Anregung für dieweitere Bearbeitung des Themas. Vorgestellt werdendarüber hinaus jeweils vergleichbare Welterbestättenaus anderen Staaten, um die globale Dimension derWelterbeliste fassbar zu machen. Die Publikation ent-hält auch Anregungen zur Umsetzung im Unterrichtund Hinweise auf weiterführende Materialien.

Sich mit herausragenden kulturellen Leistungen derMenschheit sowie besonderen Landschaften im Unterricht zu beschäftigen, ist pädagogisch in mehr-facher Hinsicht wertvoll: Die Phantasie wird angeregt,Kreativität gefördert, Einblicke in das komplexe Verhältnis zwischen Mensch und Natur werden vermittelt, Verständnis für historische Zusammenhängeund andere Kulturen geweckt. Welterbe-Bildung istzugleich kulturelle Bildung, Umweltbildung und Friedenserziehung. Sie bietet vielfältige Möglichkeitenfür interkulturelles und globales Lernen und fördertden respektvollen Umgang gegenüber Kultur und Natur.Dies scheint mir gerade im Zeitalter der Globalisierungbesonders wichtig.

Ich würde mir wünschen, dass diese Handreichung fürSie einen Anreiz bietet, die österreichischen Welterbe-stätten mit Ihren Schülerinnen und Schülern fächer-übergreifend und vor dem internationalen Hintergrunddes Welterbe-Programms der UNESCO zu erforschen.

Dr. Claudia SchmiedBundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

Page 8: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Einleitung6

Mag. Wilhelm LinderAutor

Mag. Gabriele EschigGeneralsekretärin der Österreichischen UNESCO-Kommission

Eine alte Sage erzählt die Geschichte der Geige: EineFrau hatte die ganze Welt bereist, unendliches Leid,aber auch große Freude gesehen. Am Ende ihres langenLebens nahm sie ein Kästchen, weinte alle Tränen,lachte alle Freude, die sie erlebt hatte, in dieses Käst-chen, verschloss es mit vier Saiten und vergrub es.Hunderte Jahre später schoss ein Jäger einen Pfeil indie Luft – er fand ihn in dem merkwürdigen Kästchen.Als er mit seinem Bogen über die Saiten strich, erklangalle Freude dieser Welt, aber auch alle Klage. So ist esbis heute geblieben, wenn eine Geige erklingt.Die Welterbeliste bringt Geschichte zum Klingen: siezeigt uns atemberaubende Naturwunder, die großartig-sten Bauwerke der Menschheit, sie erzählt von bahn-brechenden technischen Entwicklungen, erinnert aberauch an furchtbare Verbrechen und unendliches Leid.

Um die Welterbeliste und ihre Zielsetzung zu verstehen,müssen wir uns mit den Stätten auseinandersetzen,ihre Bedeutung für uns selbst ergründen. Die vorlie-gende Publikation will zu dieser Auseinandersetzung

im Unterricht anregen. Sie geht dabei einen neuenWeg. Befragungen zeigen, dass Lehrerinnen und Lehrervor allem Literatur zu Fachinhalten verwenden, wennsie sich neue Themen erarbeiten. Sie schaffen sich einFundament, ein Bild vom Sachverhalt, der Problemlage,darauf aufbauend entwickeln sie ein didaktisches Konzept sowie die Unterrichtsinhalte. Jede Lehrerin,jeder Lehrer wählt dafür einen eigenen Weg.

Ein solches Fundament will diese Broschüre bauen.Damit verbunden ist die Überzeugung, dass Lehrerinnenund Lehrer Wege finden, damit auch Schülerinnen undSchüler das Thema für sich erarbeiten können – imSinne einer didaktischen Rekonstruktion. Die in derBroschüre enthaltenen Anregungen für Aktivitäten imUnterricht stellen dafür nur erste Ideen dar.

Eine Geige will gespielt werden, wer sie „findet“, musssich das Spiel erarbeiten. Auch das Thema Welterbe willerarbeitet werden, nur dann erschließen sich Wert undBedeutung des Erbes der Menschheit.

Welterbe im Unterricht

Page 9: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

UNESCO-Welterbe

Page 10: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Um objektiv auswählen zu können, hat die UNESCO Kriterien geschaffen, auf deren Grundlage ein Komiteeaus den vielen Einreichungen jedes Jahr die Kultur-und Naturstätten auswählt, die in die Welterbelisteaufgenommen werden.

Das wichtigste Kriterium ist der außergewöhnliche universelle Wert. Die Kultur- und Naturgüter müssenecht und authentisch und der Schutz durch Gesetze des jeweiligen Staates bereits vor der Auszeichnunggewährleistet sein.

Als außergewöhnlich und universell gelten Stätten,wenn sie einem oder mehreren der folgenden Kriterienentsprechen:

i. Das Objekt ist eine einzigartige künstlerische Leistung, ein Meisterwerk eines schöpferischen Geistes.

ii. Das Objekt hatte beträchtlichen Einfluss auf dieEntwicklung der Architektur, des Städtebaues, die Kunst oder die Landschaftsgestaltung in einer Region, zu einer bestimmten Zeit.

iii. Es ist ein einzigartiges Zeugnis einer unter-gegangenen Zivilisation oder Kulturtradition.

iv. Es ist ein herausragendes Beispiel eines Typus von

Gebäuden oder Ensembles oder einer Landschaft, die einen bedeutenden Abschnitt der menschlichenGeschichte darstellt.

v. Es ist ein Beispiel für eine überlieferte Siedlungs-form, für eine Landnutzung, die für eine bestimmteKultur typisch ist.

vi. Es ist mit Ereignissen, Traditionen, Glaubens-bekenntnissen oder Ideen sowie mit künstlerischenWerken von universeller Bedeutung eng verknüpft.

vii. Die Stätte ist eine überragende Naturerscheinung von außergewöhnlicher Schönheit.

viii. Die Stätte ist ein außergewöhnliches Beispiel für einen Abschnitt der Erdgeschichte, für geologische Prozesse und Landformen.

ix. Die Landschaft liefert ein Beispiel für im Gang befindliche biologische und ökologische Prozesse.

x. Die Stätte enthält bedeutende natürliche Lebens-räume für Tiere und Pflanzen, insbesondere wenn diese bedroht oder von wissenschaftlichem Interesse sind.

Die Grundlage des UNESCO-Welterbes ist ein Völker-rechtsvertrag, nämlich das „Übereinkommen zumSchutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ (kurz Welterbekonvention). Es wurde 1972 auf der 17. Generalkonferenz der UNESCO verabschiedet undtrat 1975 in Kraft. Bis heute haben 184 Staaten diesesÜbereinkommen ratifiziert, Österreich 1993. Die Konvention betont die Verpflichtung aller Völker,das gemeinsame Erbe zu erhalten und zu schützen. Sie fordert alle Staaten auf, ihre unersetzlichen Kultur-und Naturgüter zu identifizieren, die dann in eineinternationale Liste des schützenswerten Erbes – die so genannte Welterbeliste – aufgenommen werden.

Die Konvention hält fest, dass Kulturdenkmäler undNaturerbestätten, wie die Pyramiden in Ägypten, derGrand Canyon, die Akropolis in Athen, das SchlossSchönbrunn und der Neusiedler See, die auf der Welt-erbeliste eingetragen sind, nicht nur für einen Staatoder eine Region von Bedeutung sind, sondern als Teildes Erbes der ganzen Menschheit erhalten werdenmüssen. Ihre Zerstörung, ihr Verfall wäre ein Verlust fürdie ganze Welt.

8

Kriterien für die Auszeichnung als Welterbe

>> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 1

>> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 2

UNESCO-Welterbe

Für die Welt von Bedeutung – das UNESCO-Welterbe

Page 11: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

UNESCO-Welterbe 9

Die Welterbeliste

Die Welterbeliste umfasst über 850 Stätten in mehr als140 Staaten. Jedes Jahr werden ca. 30 neue Stätten indie Liste aufgenommen. Die Aufnahme ist eine großeAnerkennung und Auszeichnung. Mit ihr ist eine Reihevon Verpflichtungen verbunden. Insbesondere muss einManagementplan für Schutz und Erhaltung der Stätteerstellt und regelmäßig darüber berichtet werden.

Zu den Welterbestätten zählen so bekannte Denkmälerwie die Chinesische Mauer, der Kölner Dom, die Felsen-stadt von Petra in Jordanien oder die Galapagos Inseln.

Österreich hat 8 Welterbestätten(Jahr der Eintragung in die Liste):

Das historisches Zentrum der Stadt Salzburg (1996)

Das Schloss und die Gärten von Schönbrunn (1996)

Die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut(1997)

Die Semmeringbahn (1998)

Das historische Zentrum der Stadt Graz (1999)

Die Kulturlandschaft Wachau(2000)

Das historische Zentrum von Wien (2001)

Die Kulturlandschaft Fertö-Neusiedler See (2001) - gemeinsam mit Ungarn

Foto

: U

NES

CO /

Ku

do,

Fubom

ich

i

Alle

Fot

os:

Öst

erre

ich

Wer

bu

ng

/ G

raz:

UN

ESCO

Foto

: U

NES

CO /

Tay

lor,

Jan

eFo

to:

pix

elio

.de

/ Ber

nd

Lyn

enFo

to:

UN

ESCO

/ R

oger

, D

omin

iqu

e

Von oben nach unten: Chinesische Mauer / Kölner Dom /

Felsenstadt von Petra / Galapagos Inseln

Page 12: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Die „Rote Liste"

Die UNESCO hat auch ein „Alarmsystem“ eingerichtetfür den Fall, dass Stätten des Welterbes bedroht sind:Naturkatastrophen, Kriege, aber auch die Errichtungvon neuen Bauwerken zählen zu den Gefahren. DieRote Liste ist ein dringender Appell der UNESCO an denjeweiligen Staat, aber auch an die internationaleGemeinschaft, sich für die Bewahrung dieses Erbes einzusetzen und die erforderlichen Maßnahmen zutreffen. Sie ist damit Warnung und Hilfe zugleich. Derzeit stehen 30 Welterbestätten auf der Roten Liste.Dazu zählen etwa die iranische Stadt Bam, die ein Erd-beben 2006 zerstört hat, der Nationalpark Garamba imKongo, dessen weiße Nashörner durch Wilderer bedrohtsind, aber auch das Dresdner Elbtal in Deutschland,dessen Erscheinungsbild durch einen geplanten Brückenbau dauerhaft verändert werden könnte. Wenn auch die Eintragung einer Stätte in die Rote Liste als Mahnung keinen Erfolg hat, ist – als letzteMaßnahme – die Streichung aus der Welterbeliste vorgesehen. 2007 ist dies erstmals geschehen, im Falleines Reservats für die Arabische Oryx-Antilope imOman. Eingetragen wurde dieses Wüstengebiet 1994,damals war es Heimat von etwa 450 der seltenen Anti-lopen. Heute leben nur mehr 65 Tiere im Schutzgebiet,nur vier Paare haben Nachwuchs. Nachdem das Sultanatdas Schutzgebiet um 90 % reduzieren wollte und derBestand der Antilopen sich dramatisch verkleinerthatte, wurde dieser drastische Schritt vom Welterbe-komitee bei seiner Sitzung in Neuseeland gesetzt.

Aufnahmeverfahren

Der erste Schritt zur Aufnahme einer Stätte in die Welt-erbeliste ist die Unterzeichnung der Welterbekonventiondurch den jeweiligen Staat. Österreich hat die Konvention1993 ratifiziert. Als Vorbedingung für die Einreichung vonStätten zur Eintragung in die Welterbeliste erstellt jederVertragsstaat eine so genannte Vorschlagsliste jenerObjekte, die er in absehbarer Zeit einreichen möchte.Aus dieser vorläufigen Liste wählt der Staat jene Stättenaus, deren Aufnahme er als nächstes beantragen will,bereitet ein umfangreiches Paket an Informationen undDokumenten über die potentielle Welterbestätte vor,füllt die Formulare aus und schickt diese ans Welterbe-zentrum der UNESCO nach Paris. Dabei ist bereits einNachweis der weltweit außergewöhnlichen Bedeutungzu führen – ihre bloße Behauptung genügt nicht.Das Welterbezentrum veranlasst eine Prüfung durch die internationalen Fachorganisationen ICOMOS(= International Council on Monuments and Sites), IUCN (= International Union for the Conservation ofNature) und ICCROM (= International Centre for the

Study of the Preservation and Restauration of CulturalProperty). Die Expertinnen und Experten prüfen dieAnfragen unter Anwendung der Kriterien (siehe oben),begutachten vor Ort die Schutzwürdigkeit und die Maßnahmen zur Erhaltung der Stätte, erstellen einenPrüfbericht und geben eine Empfehlung ab. Die 21Mitglieder des Welterbekomitees treffen anlässlich ihrerjährlichen Komiteesitzung die endgültige Entscheidung:aufgenommen – zurückverwiesen (engl. referral, zwecksVorlage ergänzender Unterlagen) – aufgeschoben(engl. deferral, zwecks grundlegender Überarbeitungder Einreichung) – abgelehnt. Anträge können jedesJahr bis zum 1. Februar eingereicht werden. Die Prüfungist umfangreich und dauert mindestens 17 Monate, biszur Sitzung des Welterbekomitees im Juni oder Juli desdarauf folgenden Jahres. Ein Antrag, der beispielsweiseim Jänner 2008 abgegeben wird, wird frühestens imSommer 2009 entschieden. Es genügt nicht, erst nach der Aufnahme in die ListeMaßnahmen zum Schutz zu ergreifen. Voraussetzungfür eine Aufnahme ist, dass bereits ausreichendeSchutzmaßnahmen bestehen.

Endlich auf der Liste –

Wirkungen und Konsequenzen

Die Welterbeliste ist das wohl populärste und erfolg-reichste Schutzprogramm der UNESCO: Es ist einebesondere Auszeichnung, wenn sich eine Natur- oderKulturstätte zu den „Schätzen der Welt“ (so auch derTitel einer Fernseh- und Internetserie über Welterbe-stätten) zählen darf.Mit dem Antrag erkennt der einreichende Staat an, dasser nicht mehr unbeschränkt über dieses Erbe verfügen,nicht mehr allein über Veränderungen entscheidenkann. Denn mit der Aufnahme in die Welterbeliste

UNESCO-Welterbe10

>> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 3

Foto

: F.

Neu

wir

th

31. Welterbekomitee Sitzung in Christchurch

Page 13: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

UNESCO-Welterbe 11

gehört das Kultur- oder Naturgut der ganzen Mensch-heit. Hier ist Umdenken notwendig: Gerade das, aufdas wir am meisten stolz sind, entzieht sich der Vereinnahmung. Die Aufnahme ist in erster Linie eine Auszeichnung –eine internationale Anerkennung. Geld oder einen Preisgibt es nicht. Für den Tourismus ist die Auszeichnungvon großer Bedeutung: Welterbestätten werden vonMenschen aus allen Ländern und Kontinenten besucht. Damit verbunden ist auch eine Gefahr. Tourismus bringtnicht nur finanzielle Mittel, er kann Stätten auch zerstören. Massenströme von Besucherinnen und Besuchern, Hotelkomplexe oder Geschäfte lassen denursprünglichen Charakter oft nicht mehr erkennen oderstellen eine Gefahr für sensible Ökosysteme dar. Welterbestätten sind bedeutungsvolle Orte. Sie fordernständige Auseinandersetzung und die Herstellung vonBezügen zu vergangener, gegenwärtiger und zukünftigerLebenswirklichkeit. Sie sind mehr als Kulisse, mehr als

Attraktion oder Veranstaltungsort. Welterbestätten habeneine besondere, meist historisch bedingte Aura. Sie ist oftder eigentliche Kern, der ganz besonders zu schützen ist.Auch wenn alle Bauwerke erhalten bleiben – die Semmeringbahn als Rodelbahn oder Schönbrunn alsSpielhalle könnten nichts mehr von der ursprünglichenAura vermitteln. Die Stätte wäre zwar in ihrem Bestandgesichert, nicht aber in ihrer Wertigkeit. Welterbestätten sind immer Bildungsstätten, nicht nurfür Kinder und Jugendliche. Die UNESCO weist besondersauf diesen Bildungsauftrag hin und fordert pädagogischeZugänge: Verständnis und Wertschätzung für dieGeschichte, behutsamer Umgang mit natürlicher Vielfalt, interkulturelles Verständnis kann an Welterbe-stätten sichtbar und erlebbar gestaltet werden. Schließlich werden lokale und regionale Stätten in einenglobalen Zusammenhang gestellt. Welterbestätten sindStätten der Begegnung – und sie unterstützen unsdabei, lokal zu handeln und global zu denken.

Im Zweiten Weltkrieg wurden unersetzliche Kulturgüter,aber auch die Strukturen, die bis dahin Grundlage desKulturerbes waren, zerstört. Historische Gebäude ineinem zerstörten Stadtviertel waren plötzlich ihrerUmgebung beraubt. Selbst wenn sie restauriert werdenkonnten, verloren sie damit ihren Charakter. Aus demSchock dieser Erfahrung heraus sind viele der heutegültigen Maßstäbe zur Erhaltung des Kulturerbes entwickelt worden. Meilensteine für den Schutz waren die Haager Konventionzum Schutz von Kulturgut im Fall eines bewaffnetenKonfliktes (1954) und die UNESCO-Konvention zumSchutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (1972). ImBewusstsein, dass auch kulturelle Traditionen zu denSchätzen der Menschheit gehören, hat die UNESCO 2003die Konvention zur Bewahrung des Immateriellen Kulturerbes als Ergänzung zur Welterbekonvention verabschiedet.

Die Haager Konvention wurde ausden Erfahrungen des Zweiten Welt-kriegs heraus entwickelt. In einemvölkerrechtlichen Vertrag verpflich-ten sich die Staaten unter anderem,auch im Falle eines Krieges Kultur-güter zu schützen und gekenn-zeichnete Objekte weder militärischzu nutzen noch diese anzugreifen.

1964 wurde der Denkmalbegriff international neu formuliert: Erstmals wurden nicht bloß einzelne

Gebäude, sondern auch das „Ensemble“ und das„Denkmalgebiet“ definiert: Dies war ein erster Schrittzum Schutz ganzer Stadtteile. Mit dem EuropäischenDenkmalschutzjahr des Europarates 1975 wurde dieseBegriffserweiterung erstmals der europäischen Öffent-lichkeit bewusst gemacht und mit dem Begriff des Kulturerbes verbunden. 1972 verabschiedete dieUNESCO die Welterbekonvention, das weitreichendsteVölkerrechtsinstrument, das jemals zum Schutz vonKultur- und Naturgütern geschaffen worden ist. Die Einführung der Kulturlandschaft als Unterkategoriedes Kulturgutes nach der UNESCO-Konvention hat auchdazu geführt, dass der Denkmalbegriff neuerlich erweitert wurde. Ähnlich dem Sprung vom Einzel-denkmal zum Ensemble hat sich nunmehr der Sprungvom Ensemble zur Kulturlandschaft vollzogen. Fand der Denkmalschutz beim Einzeldenkmal und Ensemblenoch mit dem Verbot von Veränderung und Zerstörungdas Auslangen, so benötigt die nachhaltige Entwicklungder Stadt- und Kulturlandschaft eine aktive Gestaltung.Die UNESCO begrüßt zeitgenössische Architektur auch inhistorischen Stätten, sie weist aber klar auf Grenzenhin: Die Dominanz von Hochhäusern oder das Volumenund der Maßstab von Gebäuden fügen sich oft nicht indie historischen Muster. Für das Welterbe gilt, dass Ver-änderungen in Harmonie mit der Erhaltung der histori-schen Stadtlandschaft – ein Begriff, den das „WienerMemorandum“ 2005 (> Kapitel „Historisches Zentrumvon Wien“) geprägt hat – durchgeführt werden müssen.

Meilenstein für den Schutz des kulturellen Erbes

Page 14: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

UNESCO-Welterbe12

Schutz nach Bestand und Wertigkeit

Ziel der Schutzbemühungen ist es, Kultur- und Natur-stätten sowohl nach Bestand als auch nach Wertigkeitzu erhalten. Die Notwendigkeit der Bestandserhaltung ist unmittelbareinsichtig: Wird ein Denkmal abgerissen, ein Natur-schutzgebiet verbaut, ist es verloren. Hier stellt sich dieFrage: Ist nur das Original schützenswert, oder auch dieRekonstruktion, vielleicht sogar die Kopie? Das Ziel derDenkmalpflege ist die Erhaltung des Originals, darinliegt die moralische Legitimation des Denkmalschutzes.Doch unter besonderen Umständen ist auch eineRekonstruktion schützenswert, wenn sie „den Geist“ desDenkmales erhält: Die Brücke von Mostar in Bosnien ist

ein solches Gut, die von 2000 -2004 wiedererrichteteBrücke ist Welterbe. Der Schutz der Wertigkeit ist schwerer fassbar. EineAutobahn, vierspurig über den Neusiedler See würdedie Gegend sicherlich entwerten, auch wenn noch alleTier- und Pflanzenarten zu finden wären. Das WienerKonzerthaus, zur Spielhalle umgebaut, hätte nichtsmehr von der ursprünglichen Atmosphäre, würde nichtsmehr über Musik erzählen, auch wenn die Architekturerhalten bliebe. Kultur- und Naturstätten werden meistnicht von einzelnen Maßnahmen bedroht, sondern voneiner Vielzahl an kleinen Veränderungen, die in derSumme die Wertigkeit verändern und damit mindern.

Jede Stätte, die es nach langer Prüfung schafft, in dieWelterbeliste aufgenommen zu werden, darf zu Rechtstolz darauf sein. Doch mit der Aufnahme in die Welt-erbeliste ist auch ein Umdenken erforderlich, sind Verpflichtungen einzuhalten. Die Stätte ist nun Teil des Welterbes und nicht mehr nur Erbe eines Landes oder eines Volkes. Die einzelnenLänder geben damit gerade für jene Stätten, auf die sieselbst besonders stolz sind, einen Teil ihrer Souveränitätab und unterwerfen sich der Kontrolle durch die inter-nationale Staatengemeinschaft. Die UNESCO fordert eine periodische Berichterstattung.Dieses „Monitoring“ soll den Vertragstaaten und denWelterbestätten helfen, die Stärken und Schwächen zu analysieren sowie das Management und den Schutzzu optimieren. Die UNESCO wird aber auch von sich aus aktiv. Sie kann bei möglichen Gefährdungen eine Delegation zur Klärung der Fakten entsenden, Maß-nahmen zur Wiederherstellung des ursprünglichenZustandes verlangen oder die Stätte auf die Rote Listesetzen.Von zentraler Bedeutung sind die – von der UNESCOgeforderten – Managementpläne. Sie sind der Rahmenfür die weitere Entwicklung der Welterbestätte. DennStadt oder Kulturlandschaft verändern sich. Die Ent-wicklungen sind nicht von vorn herein abzulehnen,aber sie müssen die Bewahrung des Welterbes berück-sichtigen, seine Erhaltung sicherstellen. Viele Veränderungen kommen schleichend, in kleinenSchritten. Einige Beispiele: – In der Wachau sind die Terrassen für den Weinanbau

Teil des Welterbes. Hier braucht es Strategien, wie dieseTerrassen auch für die Zukunft erhalten werden können.

– Zur historischen Altstadt von Wien zählt auch die Dach-landschaft. Es braucht Kriterien, wie weitere Dachaus-bauten „welterbeverträglich“ gestaltet werden können.

– Windräder dominieren das Landschaftsbild in Ostösterreich. Auch hier braucht es Kriterien, damitder Gesamteindruck am Neusiedler See nichtbeeinträchtigt wird.

Managementpläne sollen auch helfen, in sehr frühenPhasen von großen Projekten auf das Welterbe Rück-sicht zu nehmen. Sind erst einmal Baupläne vorhandenund Finanzierungen vereinbart, kann meist nur mehrSchadensbegrenzung geübt werden. Hier ist Umdenkenerforderlich, denn vielfach erfolgen Planungen aus-schließlich nach ökonomischen Gesichtspunkten, undam Ende wird versucht, Projekte gerade noch „welt-erbeverträglich“ zu gestalten. Ziel muss es sein, Projektevon Beginn an so zu gestalten, dass sie den Status desWelterbes nicht gefährden sondern verbessern. Österreich ist hier leider nicht immer vorbildlich. Bei einzelnen Stätten fehlen Managementpläne oder werden zum letztmöglichen Zeitpunkt eingereicht. Das eine oder andere Projekt lässt die Vermutung zu,dass manche Verantwortliche das Welterbe als Werbe-siegel ohne weitere Verpflichtungen ansehen. Vor diesem Hintergrund kommt Bildungsinitiativen einbesonderer Stellenwert zu. Denn die beste Sicherheit fürdie Bewahrung des Welterbes bietet eine Bevölkerung,die ihr Welterbe kennt und es bewahren will.

>> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 4

Auszeichnung und Verpflichtung

Page 15: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

13UNESCO-WelterbeAktivitäten für Schülerinnen und Schüler

2 >>1 >>

Das Unesco-Welterbe

>> Listet Denkmäler, Orte, Landschaften auf, die füreuch so wichtig sind, dass ihr sie unbedingt erhaltenwollt. Zählt der Eiffelturm dazu, vielleicht Legolandoder der Wiener Prater?

– Überlegt, ob dies auch für Menschen in 50 oder100 Jahren von Bedeutung sein wird – oder nurheute interessant ist.

– Gruppiert die Liste, die Kategorien bleiben euch überlassen: technische Errungenschaften, Orte, an denen bedeutende Menschen gewohnt haben, Plätze, die Heimat für viele Tiere sind, etc.

>> Überlegt anhand der von euch erstellten und gruppierten Liste Kriterien, die eurer Auswahl zu Grunde liegen und fasst diese Kriterien zusammen:

– Schützenswert und wichtig für die Menschheit sind z.B. Plätze, an denen Kinder auch in Zukunft sehenkönnen, wie Kinder im Jahr 2000 gespielt haben oder Bauwerke, die zur Zeit ihrer Errichtung die höchsten des Landes waren…

Kriterien für die Auszeichnung als Welterbe

>> Überlegt Beispiele für Landschaften und Kultur-güter, auf die diese Kriterien zutreffen. Überlegtauch, welche davon einzigartig sind.

>> Schaut nach, ob eines eurer Kultur- und Natur-güter schon auf der Welterbeliste ist (www.unesco.at). Wenn nicht, bedeutet das keineswegs, dass eureLandschaft nicht schützenswert ist: Es gibt eine sehrlange Warteliste für die Aufnahme.

Erbe für künftige Generationen

In jeder Schule (auch in einer neuen) gibt es vieleGegenstände und Bereiche, die von vielen Generationenvon Schülerinnen und Schülern genutzt werden: dieLandkarten im Geografie-Kustodiat, die Experimentier-geräte im Physiksaal, die Bibliothek, der Festsaal, derSchulgarten mit seinen Bäumen und vieles mehr.

>> Nehmt euch einen solchen Bereich vor undschreibt einen Antrag zur Aufnahme in die Liste desSchulerbes. Der Antrag sollte beinhalten:

1. Beschreibung des Objekts: Was wollt ihr auf-nehmen?

2. Begründung: Warum ist es wichtig, dass es diese Gegenstände, diese Bereiche auch künftig gibt?

3. Mögliche Gefährdungen: Wodurch könnten diese Gegenstände unbrauchbar oder zerstört werden?

4. Schutzmaßnahmen: Wie stellt ihr bzw. die Schule sicher, dass diese Gegenstände oder Bereiche auch für künftige Schülerinnen und Schüler zurVerfügung stehen?

>> Lasst den Antrag durch eine Expertin, einenExperten (z.B. Lehrerin, Lehrer) prüfen.

3 >>

Page 16: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

UNESCO-Welterbe Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler14

4 >>Schutz nach Bestand und Wertigkeit

Kleine Veränderungen führen zur Zerstörung einer Stadt.Diese Geschichte erzählt das Kinderbuch „Hier fällt einHaus, dort steht ein Kran und ewig droht der Bagger-zahn oder Die Veränderung der Stadt“ (Jörg Müller 2007).

>> Das Buch kann Ausgangspunkt dafür sein, alteSituationen (Bezirksmuseum, Wien in alten Ansichten)mit den aktuellen zu vergleichen:

– Was hat sich verändert, was ist noch da von früher?– Und wie hat dieser Platz seine Wertigkeit verändert?

Ein wunderbarer Spielplatz: eine Wiese mit Bäumen,die Schatten spenden, Spielgeräte, Klettertürme undein Tellerlift, ein Zaun, damit der Ball nicht wegfliegenkann. Generationen von Kindern haben diesen Platzgenutzt. Dann wurde eine Autobahnkreuzung gebaut,jetzt umgeben Fahrbahnen auf drei Seiten den Platz.

>> Zeichne den Spielplatz vor dem Autobahnbau und danach.

– Was hat sich verändert? – Warum kommen jetzt weniger (oder gar keine)

Kinder mehr zum Spielen? – Ist es sinnvoll, den Spielplatz dort zu erhalten?

Page 17: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Österreichische UNESCO-Welterbestätten

Page 18: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Historisches Zentrum der Stadt Salzburg 199616

Foto

s: Ö

ster

reic

h W

erbu

ng

Begründung der Aufnahme in die Welterbeliste

Salzburg ist ein bedeutendes Beispiel eines europäischen kirchlichen Stadtstaats, in dem zu einem bemerkenswert hohen Grade das Stadtbild, sein historisch bedeutendes Stadtgefüge und eine hohe Anzahlherausragender kirchlicher und weltlicher Gebäude aus verschiedenen Jahrhunderten erhalten sind. Beachtenswert ist die Stadt für ihre Verbindung mit den Künsten, im Besonderen mit der Musik, repräsentiertdurch Wolfgang Amadeus Mozart. (Kriterium ii, iv, vi)

Die geografisch in der Mitte zwischen Vorarlberg unddem Burgenland gelegene Stadt wurde im Dezember1996 bei der 20. Sitzung des Welterbekomitees inMerida, Mexiko, gemeinsam mit dem Schloss und den Gärten von Schönbrunn als erste Stätte Österreichs indie Welterbeliste aufgenommen.

Er war ein absolut regierender Fürst und dennoch einer der populärsten Erzbischöfe in Salzburg – WolfDietrich von Raitenau. Sein Machtbewusstsein drücktesich nicht nur in rigiden Regelungen zur Stadt-verwaltung und zur Religionsausübung aus, sondernebnete – im wahrsten Sinne des Wortes – den Weg für die Gestaltung der Stadt im Stile des Barock. Er ließ den durch einen Brand beschädigten Dom und 60 Wohnhäuser in der Stadt abbrechen, um Raum füreine Idealstadt mit vier Plätzen, einer Kathedrale und

Palästen zu schaffen. Wolf Dietrich hinterließ nach 28-jähriger Regierungszeit eine große Baustelle, denPlatz für die barocken Bauten, die heute Salzburg prägen. Er hinterließ jedoch auch – trotz Zölibat! – 15 Kinder, die einer großen, bei der Salzburger Bevölkerung mit Sympathie betrachteten Liebe zur Bürgerstochter Salome Alt entstammten. Für sie undseine Kinder errichtete er als Wohnsitz das Schloss Altenau, den späteren Sommersitz der regierenden Erzbischöfe, bekannt als Schloss Mirabell.

Welterbe „Historisches

Zentrum der Stadt Salzburg“

Ein Bischof schuf Raum…

Page 19: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Historisches Zentrum der Stadt Salzburg 17

Römische Anfänge, wehrhafter Bischofssitz

Siedlungsspuren reichen bis in die Jungsteinzeit zurück.Die Römer errichteten hier, an einer wichtigen Handels-route über die Alpen, die Siedlung Juvavum, das heutigeSalzburg. Bischof Rupert von Worms, Heiliger und LandespatronSalzburgs, war der erste Salzburger Abtbischof. Im Jahre696 wurden ihm vom Herzog von Bayern die Reste deralten Römerstadt übertragen, mit dem Ziel, das Land zumissionieren und den Einfluss Bayerns über die Alpennach Süden hin auszudehnen. Das spätere Erzbistumwurde reich ausgestattet, unter anderem mit den Salz-bergwerken im Dürrnberg bei Hallein. Salzburg ver-dankt seinen wirtschaftlichen Aufschwung und seinenNamen daher dem Salz. Unter dem Heiligen Virgil stieg Salzburg im 8. Jahr-hundert zu überregionaler Bedeutung auf. In Kärntenkonnte Virgil erfolgreich die Slawen missionieren. Er war ein außergewöhnlicher Mann und überzeugt,dass die Erde keine Scheibe sondern eine Kugel sei.Virgil glaubte auch, dass auf der anderen Seite derKugel Menschen leben – Überzeugungen, die zu seinerZeit heftigen Widerspruch auslösten. Die Kirche hatschließlich den weit blickenden Mann ebenso wie seinen Kontrahenten Bonifatius heilig gesprochen.

Salzburg wurde nach der Erhebung zum Erzbistum imJahr 798 ein bedeutendes geistliches Fürstentum imSüdosten des Reiches. Die Stadt gliedert sich in zweiBereiche – eine großzügig angelegte Fürstenstadt mitPlätzen, Palais und Kirchen und die Bürgerstadt mitengen Gassen und dicht gedrängten Häusern. Bis 1803herrschten die Erzbischöfe mit großer Machtfülle, dasBürgertum entwickelte nur wenig Selbstbewusstsein –auch der Turm des alten Rathauses verschwindetbeinahe, er ist unter den vielen Kirchtürmen der Stadtkaum zu finden. Neben Kirchen und Klöstern entstanden umfangreicheVerteidigungsanlagen. Die auf dem Mönchsberg thronende Festung Hohensalzburg wurde unter Erz-bischof Gebhart im Jahre 1077 erbaut und von seinenNachfolgern stetig erweitert. Sie gehört heute zu den größten Festungen Mitteleuropas. Das ausgeklügelteVerteidigungssystem um die Festung und die schwereBewaffnung sowie die vorausschauende militärischeTaktik der erzbischöflichen Landesfürsten konnten Salzburg vor der Einnahme bewahren. Während in Bayern die Bevölkerung im Dreißigjährigen Krieg halbiertwurde, blieb Salzburg von den Schweden verschont. DieFestung diente bis zum beginnenden 16. Jahrhundertauch als zeitweilige Residenz der Erzbischöfe – daher

die prunkvoll ausgestatteten Fürstenzimmer. Stefan Zweig beschrieb die Festung so: „Die Hohen-salzburg ist ein steinernes Schiff über dem grünenGewoge der Landschaft. Festgeankert fährt es durch die Zeit und steht doch ewig an der gleichen Stelle.“

Von der mittelalterlichen Klosterstadt

zur barocken Residenz

Nicht das Mittelalter, sondern das Barock prägt heuteSalzburg. Erzbischof Wolf Dietrich herrschte Ende des16. Jahrhunderts als absoluter Fürst und er wollte keinegewachsene sondern eine geplante Stadt. Gerade Achsen und große Plätze sollten Salzburg auszeichnen,nicht ein mittelalterlich verwinkeltes Labyrinth. Dafürschuf er Raum und ließ das alte Zentrum mit dem Domund den Klöstern sowie den zahlreichen Bürgerhäuserneinfach schleifen. Ein italienischer Architekt, VincenzoScamozzi, schuf das Konzept für die Neubebauung. Wolf Dietrich selbst konnte die neue Stadt nicht reali-sieren. Nach Auseinandersetzungen mit Bayern wurdeer abgesetzt und eingesperrt. Seine Nachfolger, MarcusSitticus und Paris Lodron aber bauten mit italienischenArchitekten auf den freien Flächen ein neues Salzburg.Hellbrunn mit seinen Gartenanlagen und den Wasser-spielen sowie der gewaltige Dom – er ist 99 m lang,die Türme sind 78 m hoch – beeindrucken Besucherinnenund Besucher seit fast 400 Jahren.

Das barocke Kunstwerk Salzburg vollendete schließlichein österreichischer Baumeister: Johann BernhardFischer von Erlach (in Wien erbaute er die Karlskirche).

Eine Stadt von Kirchenfürsten

Foto

: W

ikip

edia

/ M

atth

ias

Kabel

Salzburger Dom

Page 20: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

In Salzburg schuf er eine große Anzahl an bedeutendenBauwerken, wie die Felsenreitschule und die Hofstall-schwemme, die Universitätskirche (Kollegienkirche), dieDreifaltigkeits- und Ursulinenkirche.

Den Gegensatz zu dieser „Idealstadt“ bildeten die Bürgerhäuser am linken Salzachufer. Sie wurden engzusammen gebaut, getrennt von kleinen Gässchen.Einzig drei historische Marktplätze bieten offenenRaum. An diesen mehrstöckigen Häusern – das typischeSalzburger Stadthaus bestand aus einem Erdgeschoss,drei Stockwerken und dem Dachgeschoß – lassen sichdie Baustile der vergangenen Jahrhunderte ablesen.Bemerkenswert ist die Dachgestaltung, die etwa abdem 16. Jahrhundert in Salzburg sehr beliebt war:

das Grabendach. Dieses Dach ist gleichsam gefaltet,Dächer schließen unmittelbar aneinander an. GroßeFlächen konnten so Platz sparend überdacht werden,die umgebenden Attica-Mauern bilden einen Brand-schutz gegenüber Nachbarobjekten.

Der letzte regierende Fürstbischof war Hieronymus vonColloredo. Der barocken Machtdemonstration seinerVorgänger setzte er die Aufklärung und Reformen imSinne Kaiser Josephs II. entgegen. Sein Name ist mitder Musikstadt Salzburg verbunden: Zu seiner Zeitwar Michael Haydn Organist und für die Dommusikzuständiger Hofkomponist und Leopold Mozart Vize-kapellmeister und Hofkomponist. Auch Salzburgsberühmtester Sohn, Wolfgang Amadeus Mozart, warals Konzertmeister Mitglied der Salzburger Hofkapelle.Mit Colloredo aber kam das Genie nicht zurecht: DerBischof verbot Mozart das Reisen, Mozart war schlechtauf die Stadt zu sprechen, in der er seine Kreativitätund Entwicklung eingeengt sah. Nach einem heftigenStreit verließ Mozart Salzburg 1781.

Ohne Macht, aber reich an Kultur

Das Ende der Napoleonischen Kriege am Beginn des 19. Jahrhunderts bedeutete das Ende Salzburgs als erzbischöfliche Residenzstadt. Durch die Neuordnungder Machtverhältnisse in Europa und die Säkularisierungverlor die Stadt ihre politische Bedeutung. Zudem war die Stadt verarmt, ausgeplündert von denzwischen 1803 und 1816 rasch wechselnden Mächten– Frankreich, Bayern, Österreich. Nach den Verhand-lungen des Wiener Kongresses 1815 war Salzburg eineProvinzstadt, die von Linz verwaltet wurde (> Wien-Kapitel: Identität und Welterbe Wien).

Ein halbes Jahrhundert später entfaltete die Stadt ihreneue Identität – als Kultur- und Tourismuszentrum.1860 erreichte die Eisenbahn Salzburg. Wien war nunmit dem Zug in achteinhalb Stunden zu erreichen –anstatt einer beschwerlichen Kutschenfahrt von vierTagen. Und die Stadt setzte auf Kultur und ihren großenSohn – den Musikfesten folgten ab 1920 die Festspiele.

Historisches Zentrum der Stadt Salzburg18

>> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 1

Foto

: M

agis

trat

Salz

bu

rg,

Info

-Z

oben: Festung Hohensalzburg auf dem Mönchsberg

unten: Höhlenkirchen am Petersfriedhof

Foto

: Öst

erre

ich

Wer

bu

ng

Page 21: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Wie alle Welterbestätten in Österreich weist auch Salzburg umfassende Maßnahmen zur Erhaltung undRestaurierung der Gebäude in der Altstadt auf. Bereitsim Jahr 1967 wurde das Altstadterhaltungsgesetz ver-abschiedet. Es ist somit das älteste in ganz Österreichund Vorbild für Wien und Graz. Salzburg verfügt auchüber ein unabhängiges Gutachtergremium, die Sach-verständigenkommission. Expertinnen und Expertenfür Kunstgeschichte, Stadtbild, Architektur und Bau-gewerbe beurteilen Fragen zur Erhaltung der histori-schen Bauten und zur Bewahrung des Stadtbildes.Schließlich braucht der Schutz auch Geld – ein eigenerFonds fördert die Erhaltung und Pflege der Altstadt.

Obwohl seit 1996 auf der UNESCO-Welterbeliste, istder Managementplan für die Welterbestätte, der einwesentliches Element in der Vereinbarung zwischen der UNESCO und der einreichenden Stätte darstellt,noch ausständig.Salzburg zeigt damit ein Dilemma einiger Welterbe-stätten auf: Unzweifelhaft ist die Stadt eine Kultur-metropole. Die international ausgerichteten Festspieleunterstreichen, dass die Stadt und ihre Künste weltweitwahrgenommenes Kulturgut sind. Die Anerkennung als Welterbe kann nur mehr wenig zur Steigerung derBekanntheit der Stadt beitragen, vielmehr ist es dieWelterbeliste selbst, deren Bedeutung durch die Auf-nahme von Stätten wie Salzburg steigt.Eine historisch, architektonisch und kulturell heraus-ragende Stadt wie Salzburg zieht naturgemäß vieleBesucherinnen und Besucher an. Mit dem hohen Tourismusaufkommen steigt aber auch die Gefahr, dass Kulturdenkmäler leiden und die Atmosphäre der Stadt zu sehr beeinflusst wird. Auch in Salzburg istdie Diskussion um die Bewahrung des historischen

Stadtkernes und der modernen Entwicklung rege imGange. Eine besondere Problematik besteht darin, dass dieAltstadt bereits im Mittelalter, als die Stadt wirtschaft-lich florierte, sehr dicht verbaut wurde. Die Enge derGassen und Straßen bietet daher kaum Möglichkeitenzur baulichen Entwicklung – einfach, weil kein Platzvorhanden ist. Aufgrund der dichten Verbauung desZentrums können neue, moderne Bauwerke nur inRandbereichen der Stadt realisiert werden. ErfolgreicheBeispiele dafür sind die Naturwissenschaftliche Fakultätder Universität und der Sitz des Energiekonzerns Salzburg AG. Manchmal wurde allerdings wenig Rück-sicht auf das Stadtbild genommen: Ein großes Heiz-kraftwerk steht zwar außerhalb der Schutzzone, esbeeinträchtigt aber die Sicht auf das Welterbe erheblich.

Die Altstadt wirkt an einigen Orten als außerordentlichschönes Museumsstück, doch sie ist manchmal imwahrsten Sinne des Wortes nur Fassade: Einzelne Häuser wurden gänzlich ausgehöhlt und mit baulichemInnenleben der Gegenwart wieder „befüllt“. Angesichts der vielen Bauprojekte – auch in Salzburg –werden die UNESCO-Auflagen nur zu verständlich. Esbraucht einen Rahmen, es erfordert vorausschauendePlanung und ein einheitliches Regelwerk, damit dasErbe erhalten bleibt und mit einer Weiterentwicklungder Stätte in Einklang gesetzt wird.

Mozart selbst hatte zur Stadt ein zwiespältiges Verhältnis.Hier verbrachte er die ersten Lebensjahre als „Wunder-kind“. In Salzburg war er Konzertmeister und Mitgliedder Hofkapelle. Nach heftigen Auseinandersetzungenmit dem Erzbischof verließ er jedoch die Stadt. Nach seinem Tod nahm die Stadt kaum Notiz vonMozart – obwohl sich seine Witwe Konstanze, die in

Salzburg wohnte, um die Aufführung seiner Werkebemühte. Erst 1835 – und damit mehr als 40 Jahrenach Mozarts Tod – fand im Rathaus von Salzburg einerstes Mozart-Konzert statt. Ein geschäftssinniger Kaufmann legte in diesen Jahren den Grundstein fürdie „Mozartstadt Salzburg“. Der Besitzer des Geburts-hauses Mozarts in der Getreidegasse 9, Thury, ließ

Historisches Zentrum der Stadt Salzburg 19

Bedrohung und Schutz, Management

Salzburgs Identität als Mozartstadt und Touristenzentrum

Page 22: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

den Schriftzug „Mozarts Geburtshaus“ auf die Fassade pinseln und gewährte einen Blick in Mozarts Wohnung.Kurze Zeit später (1842) wurde das erste Mozart-Denkmal errichtet und im Rahmen des ersten Mozart-Musikfestes enthüllt. Finanziert wurde dies durch eine von der Salzburger „Museums-Gesellschaft“ organisierte Sammelaktion.

Mozart wurde populär in Salzburg. Sein 100. Geburts-tag (1856) wurde in der Stadt bereits groß gefeiert undes folgten Musikfeste in unregelmäßigen Abständen. Die weltbekannten Festspiele wurden gegen Ende des19. Jahrhunderts „erfunden“. Schon 1887 wurdenMozart-Festspiele als Kontrapunkt zu den Wagner-Festspielen in Bayreuth gefordert. Max Reinhardt griff1903 die Festspielidee auf und bereitete gemeinsammit Künstlern wie Richard Strauss und Hugo von Hoff-mansthal ihre Realisierung durch die Salzburger Fest-spielhaus-Gemeinschaft vor.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges sollte Salzburgals Festspielort zum „Symbol der Versöhnung einer vomKrieg entzweiten Generation“ (Hugo von Hoffmannsthal)werden. Aus den Brettern von Baracken eines Kriegs-

gefangenenlagers wurde eine Bühne am Domplatz auf-gebaut. Am 22. August 1920 wurde der „Jedermann“in der Inszenierung von Max Reinhardt uraufgeführt. Es war der Beginn der Salzburger Festspiele. Pate für die internationale Ausrichtung war und ist dervielgereiste Mozart selbst, der „zwischen den MelodienItaliens und den Harmonien Deutschlands (lebt)“ (Salvador de Madariaga in seiner Festspielrede 1964). Von Beginn an haben sich die Festspiele nicht auf eineeinzelne Spielstätte oder ein Theaterhaus beschränkt,sie beziehen die gesamte Stadt mit ein. Die Altstadt vonSalzburg bietet dafür eine ideale Kulisse. Das einstbischöfliche Residenzviertel wurde zum Festspielbezirk,der Domplatz, die Residenz, die Felsenreitschule oderdie Kollegienkirche zum Schauplatz von Sprechtheaterund Oper.

Die Entwicklung des Tourismus

Glaubt man einem Zeitgenossen Schuberts, herrschte zuBeginn des 19. Jahrhunderts Tristesse: „Zu klein, zuarm, zu bergig, die Bewohner zu dumm, zu wenigUnterhaltung, das Theater zu schlecht, die Witterung zunass, die Stadt zu eng, die Häuser zu alt, die Kirchenzuviel.“Das Ende Salzburgs als landesfürstliche Residenzstadtstürzte die Stadt in eine schwere Krise – finanziell,wirtschaftlich und kulturell. Die Stimmung in Salzburgwar gedrückt. Aus einer, in materieller wie auch kultu-reller Hinsicht überaus reichen Metropole Europas wareine Provinzstadt ohne große Bedeutung geworden.

Ein halbes Jahrhundert später begann die EntwicklungSalzburgs als Touristenstadt. Die Voraussetzungen dafürwaren ideal: eine architektonisch meisterhaft gebauteStadt, ein reiches kulturelles Erbe und eine außer-gewöhnlich vielfältige Naturlandschaft. Flach- undHügelland wechselt mit Hochgebirge, die Seen desSalzkammergutes liegen in der Nähe. Gäste brachte ab 1860 vor allem die Eisenbahn. Es warder Auftakt für den Tourismus zwischen idyllischerBergwelt und Kulturgenuss in der Barockstadt. Die Stadtwollte wohlhabende Gäste anziehen und beeindrucken,auch mit technischen Neuerungen. So wurde das„Elektrizitätshotel“ (heute Hotel Bristol) 1887 mit einereindrucksvollen elektrischen Beleuchtung ausgestattet– als Werbung für die Stadt und ihr neues Kraftwerk,die Elektrizitätsstation. Zahlungskräftige Gäste erwartenrepräsentative Hotels. Auch im Umland wurden nobleKuranstalten errichtet. Am Gaisberg gab es sogar einHotel mit Fotoatelier – Wandererinnen und Wandererließen sich gerne bei ihrer Ankunft ablichten.Auch der Autoverkehr eroberte die Stadt frühzeitig.1929 verzeichnete Salzburg die größte Fahrzeugdichte

Historisches Zentrum der Stadt Salzburg20Fo

to:

UN

ESCO

/ L

acou

dre

, An

thon

y

Mozarts Geburtshaus

Page 23: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

unter Österreichs Städten. Der motorisierte Individual-tourismus zu Festspielen hatte begonnen.In dieser Zeit wurde die Infrastruktur für den Massen-tourismus in die Stadt und die sie umgebende Naturgeschaffen. Die barocke Architektur und lebendige Kultur waren und sind Magnete für Besucherinnen und Besucher.Die Festspiele etablierten Salzburg als Festspielstadt,

als beliebtes Ziel des Kulturtourismus. Sie sind gleich-zeitig Identität stiftendes Element für Salzburg unddarüber hinaus für ganz Österreich.

In der Begründung der Aufnahme Salzburgs in dieUNESCO-Welterbeliste ist die Verbindung der Stadt zuWolfgang Amadeus Mozart angeführt. Der genialeMusiker wurde hier geboren, hier arbeitete er für denErzbischof. Die Festspielidee knüpfte später an seinWerk an. Mozarts Bedeutung für die Musik kann kaumhoch genug eingeschätzt werden. Bis heute berührtseine Musik Millionen von Menschen. ErzbischofColloredo nannte ihn einst einen Lumpen. Der bayri-sche Benediktinerabt Notker Wolf aber meint, mansollte ihn heilig sprechen, weil seine Musik so vielFreude in die Welt gebracht habe. Die Erinnerung an Menschen, die die Welt veränderten,gehört ebenso zum Welterbe wie historische Bauwerkeoder großartige Naturlandschaften. Viele Welterbe-stätten sind mit Menschen verbunden, die mit ihremWerk die Welt verändert haben. Einige von ihnenerlangten erst durch die Verbindung zu einer heraus-ragenden Persönlichkeit den Status eines Welterbes.

Luthergedenkstätten in Eisleben

und Wittenberg

Die einstige Macht der Kirche ist gerade in Salzburgerlebbar. Erzbischöfe, die gleichzeitig Landesfürstenwaren, regierten in prunkvollen Palästen weitgehendrechtlose Bürgerinnen und Bürger. Prachtbauten in Romerforderten enorme finanzielle Mittel, daher wurde derFreikauf von Sündenstrafen (Ablasshandel) propagiert.An der Wende zwischen Mittelalter und Neuzeitversuchte ein Mann, diese Kirche zu reformieren: Martin Luther. Seine 95 Thesen, die er der Überlieferung nach 1517an die Kirchentür der Schlosskirche in Wittenberg heftete, führten aber zur Kirchenspaltung. Luther veränderte die Welt. Er forderte die Freiheitdes Glaubens, die seiner Überzeugung nach nur mit

Bildung der Mitglieder der Kirchengemeinde, also jedeseinzelnen, zu erreichen sei. Und er trug dazu bei, dassdie Menschen die Bibel verstehen konnten – durch seine Bibelübersetzung ins Deutsche. Die konfessionellen Gegensätze wurden leider nichtnur in Diskussionen ausgetragen, es folgten Religions-kriege. Etwa 100 Jahre später war der DreißigjährigeKrieg (1618 bis 1648) ein Krieg um Macht, aber auchein Religionskrieg und die bis dahin wohl größte Katastrophe, die Europa heimsuchte.

Historisches Zentrum der Stadt Salzburg 21

Persönlichkeiten im Zentrum von Welterbestätten

>> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 2

Foto

: pix

elio

.de

/ Bir

git

Win

ter

Thesentür – Schlosskirche in der Lutherstadt Wittenberg

Page 24: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Eisleben erinnert an jenen Ort, in dem Luther geborenwurde. In der Schlosskirche Wittenberg, an deren PortalLuther seine berühmten 95 Thesen veröffentlichte,wurde er begraben. Seit 1996 sind beide Orte Welt-erbestätten.

Klassisches Weimar

Salzburg war unter den Fürsterzbischöfen ein musikalisches Zentrum. Michael Haydn und LeopoldMozart arbeiteten als Komponisten und Kapellmeister.Hier kam das Genie von Wolfgang Amadeus Mozartzur Entfaltung. Zur Lebenszeit Mozarts holten sich die Fürsten vonSachsen-Weimar-Eisenach die besten Köpfe ihrer Zeitan ihren Hof in Weimar – unter ihnen Johann Wolfgangvon Goethe und Johann Gottfried Herder sowie Friedrich Schiller. Damit vereinte die kleine Stadt imZeitalter der Aufklärung die bedeutendsten Dichterihrer Zeit. Ihre Werke prägten unter dem Begriff„Weimarer Klassik“ die Kulturgeschichte. Diesebeschränkt sich keineswegs auf die Literatur, sondernbindet andere Wissensbereiche ein. Goethe hat eineFarbenlehre entwickelt oder über Metamorphosen beiPflanzen geforscht. Gemeinsam war ihnen das Bestreben, die antike Konzeption von Ethik in die Gegenwart einzubringen.So entstand eine umfassende Sammlung an Schriften,aus denen gerne Textpassagen entnommen und zupopulären Zitaten wurden. Auch das Schulunterrichts-gesetz beruft sich auf die Weimarer Klassik, wenn es im Zielparagraphen die Erziehung zum „Wahren, Gutenund Schönen“ fordert.

Die Stadtkirche, das Schloss, das Goethe- und dasSchillerhaus sowie das Nationaltheater und die Land-schaftsparks sind seit 1998 Welterbe – insbesondereals Erinnerung an die Dichterfürsten.

Qufu – die Stätten des Konfuzius

Mozart beeinflusst die Welt der Musik bis heute, seinName ist weltweit bekannt, er wird auch in China undJapan gern gespielt. Große historische Persönlichkeitenfinden sich auch in China. Einer von ihnen ist Kong FuZi, besser bekannt unter dem Namen Konfuzius. Er wurde 551 v. Chr. in Qufu geboren und verbrachtedort den größten Teil seines Lebens. Als Philosoph entwickelte er eine Staats- und Morallehre. Sein Werkprägte wie kein anderes die ostasiatische Geistes-geschichte. Eine allumfassende Ordnung mit Harmonieund Mitte, Gleichmut und Gleichgewicht erachtete erals höchstes Ziel menschlichen Strebens. Dem Lernen

räumte er hohe Priorität ein. Die vier Grundbegriffe des Konfuzius – Humanität, Gerechtigkeit, kindlichePietät und Riten – beeindrucken bis heute. Konfuzius schrieb kein abgeschlossenes Lehrbuch, vielmehr sind von ihm Gespräche mit seinen Schülernsowie Anekdoten und Zitate überliefert. Einige wurdenauch bei uns, gerade im Bildungsbereich, zum Allgemeingut, etwa der Satz:

„Sage es mir, und ich werde es vergessen.Zeige es mir, und ich werde es vielleicht behalten.Lass es mich tun, und ich werde es können.“

Im 16. Jahrhundert war der Konfuzianismus Staats-philosophie. Zu diesem Zeitpunkt wurde eine herrschaftliche Residenz für die Nachfahren des Konfuzius, die Familie Kong, errichtet. Sie ist nach dem Kaiserpalast von Peking der zweitgrößte Bau-komplex Chinas. Dieser Palast – er wurde 62 mal rekonstruiert undrestauriert – sowie der nahe gelegene Friedhof, aufdem Konfuzius und seine Nachfahren begraben wurden, wurde 1994 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen.

Historisches Zentrum der Stadt Salzburg22

Foto

: W

ikip

edia

/ P

erry

-Ca

stañ

eda

Libra

ryM

ap C

olle

ctio

n

Historischer Plan des Konfuziustempels

Page 25: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Historisches Zentrum der Stadt Salzburg 23Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler

1 >>

Salzburg entdecken

Salzburg ist auch für Schülerinnen und Schüler eineReise wert. Das Salzburg Guide Service (www.salzburg.guide.at)bietet eine Vielzahl an Führungen an. Dazu zählen dieallgemeinen Stadtführungen ebenso wie Spezialtouren,insbesondere zu Mozart. Es gibt auch eigene Angebotefür Schulklassen. Die internationale Stiftung Mozarteum bietet Konzert-erlebnisse oder das Zusammentreffen mit Künstlerinnenund Künstlern für Schulklassen (www.mozarteum.at)an. Workshops, etwa im Rahmen von Mozartwochen,erschließen den Jugendlichen Klassik auf höchstemNiveau.

Ein Stadtbesuch bietet auch die Möglichkeit der Auseinandersetzung mit dem Welterbe:

>> Was zeichnet Salzburg aus? Welche Stätten besuchen die Menschen, warum kommen sie hierher?Schließlich ist Salzburg eine Stadt, die Zugänge zumBarock erschließt (Barock war ursprünglich ein abwertender Begriff…).

Barocke Abfallwirtschaft

Was wir heute als eindrucksvolle, bestens erhaltene,saubere und gepflegte Altstadt sehen, wäre mit demEindruck, den ein Besucher oder eine Besucherin vor300 Jahren hatte, kaum zu vergleichen. Es gab keineKanalisation, keine städtische Müllentsorgung unddaher waren Schmutz, Abfall und Unrat auf den Straßen.Die Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer waren zwar für die Sauberkeit um ihre Häuser per Verordnung undunter Strafandrohung verantwortlich, die Wirksamkeitder Vorschriften aber war gering.So wurde die Stadt regelmäßig einer „Generalwäsche“unterzogen: Vor Sonn- und Feiertagen wurde einfachdas Wasser aus einem Arm des Almkanals in die Getreide-gasse umgeleitet und so der Schmutz bis in die Salzachgeschwemmt (Der Halbgott Herakles soll den Stall desAugias auf ähnliche Weise gesäubert haben)!

Im Gegensatz zum barocken Salzburg verfügen Öster-reichs Gemeinden heute über ein ausgeklügeltes

Abfallwirtschaftssystem. Mülltrennung – Papier, Glas,Metall, Kunststoff und Biomüll – ist ganz selbstver-ständlich, Müllvermeidung sollte es sein.Die Geschichte des Abfalls bietet zahlreiche Anknüpfungs-punkte für Umweltbildung.

>> Welcher Abfall fiel damals an (organische Reste)und welche Gefahren gingen von ihm aus (Krank-heiten)?

>> Welcher Abfall fällt heute an (Verpackung, Papier,Glas) und warum ist dieser Abfall bedenklich (Energiebedarf bei der Erzeugung, Giftstoffe in Batterien)?

>> Überlegt, was z.B. jemand mit Glasflaschen imBarock gemacht hätte.

Kulturerbe oder Souvenirladen?

Das Geburtshaus Mozarts liegt in der Getreidegasse.Damit ist diese die Tourismusmeile in Salzburg schlecht-hin. Veränderungen seitens der Geschäftstreibenden,die ihre Auslagen in der Getreidegasse als auffallendeWerbeträger gestalteten und dabei das historische,architektonische Gesamtbild des Straßenzuges nichtberücksichtigten, kritisiert der Architekt und AutorFriedrich Achleitner (1967) heftig: „Es geht nicht umdie Tatsache der Mozartkugel, sondern um den Geistder Mozartkugel, der offenbar die Salzburger Geschäfts-welt beherrscht. (...) Die Getreidegasse bietet einetraurige Demonstration, was Dummheit, Gewinnsucht,Brutalität, Spekulation, Kitschbedürfnis und Engstirnig-keit anzurichten vermögen.“

Du hast sicher schon andere Orte besucht oder warst imAusland auf Urlaub. Dann warst du als Touristin oderals Tourist unterwegs.

>> Erinnere dich, was dir bei deinem Besuch einesfremden Ortes/Landes besonders wichtig war. Waren es die Sehenswürdigkeiten oder die Land-schaft, die Möglichkeit, Sport oder andere Freizeit-aktivitäten auszuüben, einkaufen zu gehen (Souvenirs, Kleidung)?

>> Erstelle eine Liste und priorisiere deine angeführten Punkte. Vergleiche sie mit jenerdeiner Mitschülerinnen und Mitschüler!

Page 26: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Historisches Zentrum der Stadt Salzburg Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler24

Schilder in der Stadt

Die Beschilderung in der Getreidegasse ist von heraus-ragendem, historischem Wert. An den Häusern findensich noch immer unzählige kunstvoll gestaltete Hand-werksschilder, die auf die ehemals dort angesiedeltenWerkstätten und Geschäfte verweisen.

>> Spaziere durch deinen Wohnort und halte dieAugen offen für die angebrachten Schilder. Welche Verkehrszeichen entdeckst du und welche Ver- bzw. Gebote zeigen sie?

>> Wie erkennst du verschiedene Geschäfte oderWerkstätten, wie weisen sie auf ihre Waren undDienstleistungen hin? Welche Symbole und „Logos“verwenden sie?

>> Fotografiere eine Straße (vor der Schule, eineWohnstraße) und verändere das Bild mit einem Bildbearbeitungsprogramm. Versuche es mit einerReihe kleiner Änderungen, so dass eine Serie von Bildern entsteht. Vergleiche dann das Original mitdem letzten Bild und diskutiere das Ergebnis.

>> In einer Wiener Einkaufsstraße (es war die Neubaugasse) wurden 2006 im Rahmen einer Kunst-aktion für ein paar Wochen alle Schilder verhüllt! Auch dieses Verhüllen kann am Computer simuliertwerden (alle Schilder gelb übermalen).

Bewaffnet bis an die Zähne!

Die Festung Hohensalzburg ist ein einzigartiger Verteidigungskomplex. Die Erzbischöfe bewiesen alsLandesfürsten in der Abwehr ihrer Feinde militärischeSachkenntnis und taktisches Geschick. Mit Erfolg, denn während in Bayern die halbe Bevölkerung demDreißigjährigen Krieg zum Opfer fiel, blieb Salzburgpraktisch unbeeinträchtigt. Die Inventarliste derFestung aus dem Jahr 1651 zeigt eindrucksvoll die Größe des Waffenarsenals der Festung Hohensalzburg,deren Mauern übrigens bis zu 4,5 m dick und damitundurchdringlich waren. Auf der Burg standen 272Geschütze mit fast 40.000 Eisenkugeln.

Manche Feinde wurden einfach „ausgesessen“. 1525belagerten aufständische Bauern die Burg, um sie auszuhungern. Doch die Salzburger und Salzburgerin-nen hatten in der Festung enorme Vorräte gelagert undkonnten so wochenlang standhalten. Eine besondereList überliefert eine Legende: Als die Vorräte zur Neigegingen, bemalte man einen Stier jeden Tag anders undführte ihn demonstrativ vor, um unbegrenzte Vorrätevorzutäuschen. Die List gelang, die Belagerer zogen ab. Die Bewohnerinnen und Bewohner von Salzburgwerden bis heute scherzhaft als „Stierwascher“bezeichnet.

Friedenserziehung ist Unterrichtsprinzip und Teil jederBildung für nachhaltige Entwicklung.

>> Diskutiere, wie heute der Frieden erhalten werden kann. Salzburg liefert dafür das Beispiel des wehrhaften „Igels“, den lange Zeit auch dasÖsterreichische Bundesheer im Logo führte. Heute sind die Bedrohungen völlig anderer Natur.

Page 27: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Historisches Zentrum der Stadt Salzburg 25Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler

2 >>

Das Bild der Besucherinnen und Besucher

In touristisch stark frequentierten Orten stellt sich die Frage, welche Eindrücke, welches Bild der Stadtdie Besucherinnen und Besucher erhalten und wie dies jenem der lokalen Bevölkerung gegenüber steht.

Sehen die Salzburgerinnen und Salzburger die Stadtauf die gleiche Weise wie Menschen, die Salzburgbesuchen? Welchen Stellenwert räumen sie den kulturellen Veranstaltungen ein – im kommerziellenBereich und für ihr persönliches Leben? Fragen, die sich an vielen Orten in Österreich stellen.

>> Führe ein Interview mit einer Besucherin/einemBesucher deines Wohnortes durch und frage, warumsie/er gekommen ist, welche Eindrücke sie/er mit-nehmen und was sie/ihn besonders interessiert.

>> Vergleiche anschließend die Antworten mit deinerpersönlichen Sichtweise.

Große Persönlichkeiten der Stadt

Die Begründung der UNESCO hinsichtlich der AufnahmeSalzburgs in die Welterbeliste verweist auf Mozart, diebekannteste Persönlichkeit der Stadt. Auch andereWelterbestätten haben ihre Bedeutung insbesonderedem Wirken einzelner Person zu verdanken (sieheunten).

Auch in deinem Wohnort gibt es Personen, die sichbesonders um die Entwicklung des Ortes verdientgemacht, durch ihre Tätigkeit (ein seltenes Handwerk,Kunst ) überregionale Bekanntheit erlangt oder sicheiner speziellen Aufgabe (etwa im Sozialbereich)gewidmet haben.

>> Frage nach (bei deinen Eltern oder bei älterenBewohnerinnen und Bewohnern) oder forsche inBüchern oder dem lokalen Archiv (Gemeindeamt), wer in deinem Wohnort als herausragende Persön-lichkeit gilt und stelle diese in einem Kurzreferat deinen Mitschülerinnen und Mitschülern vor.

Kitsch und Kunst

Im englischsprachigen Raum wird Salzburg vor allemmit einem Musical assoziiert: „The Sound of Music“wurde 1959 am Broadway uraufgeführt und als Filmzum Welthit. Grundlage für das Musical war dieGeschichte der Familie Trapp, die vor den Nazis in dieUSA emigriert war und dort mit ihrem Kinderchor zugroßer Bekanntheit gelangte. In Österreich ist dasMusical wenig bekannt, es gilt als Kitsch. Der Tourismusin Salzburg wirbt allerdings erfolgreich damit. Etwa300.000 Gäste kommen pro Jahr wegen dieses Filmes.Salzburger Hotels haben, unterstützt von der Hoteliers-vereinigung, einen eigenen Fernsehkanal eingerichtet,in denen „The Sound of Music“ in einer Endlosschleifeläuft. Damit die Besucher und Besucherinnen wissen,wo sie sind.

>> Welches Bild von Salzburg vermittelt das Musical?

– Nenne Gründe, warum dieses Bild den Salzburgerinnen und Salzburgern nicht gefällt.

– Welche Gefühle werden angesprochen? – Stelle ein Werk Mozarts (etwa “Die Zauberflöte“)

gegenüber. Eure Musiklehrerin/euer Musiklehrerhilft sicher bei der Interpretation.

Fans wollen die Orte kennen lernen, an denen ihreIdole leben oder gelebt haben.

>> Welches Idol hast du?

>> Wohin würdest du gerne reisen und was erwartestdu dort?

Page 28: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Schloss und Gärten von Schönbrunn 199626

Auf der 20. Sitzung des Welterbekomitees in Merida,Mexiko, wurde Schönbrunn im Dezember 1996 in dieWelterbeliste aufgenommen. Zum Welterbe gehört dasSchloss mit seinen über 1000 Zimmern und den Neben-gebäuden wie Wagenburg und Schlosstheater, sowie der

umliegende Park als gärtnerisches Kunstwerk mit seinenAlleen, Steinfiguren und Brunnen, in dem Gloriette,Orangerie, Palmenhaus, Wüstenhaus, Botanischer Garten und nicht zuletzt der älteste Tiergarten der Weltangelegt sind. Das Areal umfasst insgesamt 185 Hektar.

Sie alle waren da: Maria Theresia, Napoleon, FranzJoseph und Sisi, Mozart und Salieri, Chruschtschow undKennedy, zuletzt Bill Clinton und Sharon Stone. Einstimperiale Sommerresidenz des habsburgischen Herr-scherhauses, heute die beliebteste SehenswürdigkeitÖsterreichs mit jährlich etwa neun Millionen Besuche-rinnen und Besuchern. Immer schon Ort bedeutenderEreignisse.– Der sechs jährige Wolfgang Amadeus Mozart spielte

1762 hier vor Maria Theresia und legte den Grund-stein für seine außergewöhnliche Karriere. Einige Jahre später findet in der Orangerie der legendäre musikalische Wettstreit zwischen ihm und Antonio Salieri statt.

– Mit der Unterzeichnung des Friedens von Schönbrunndurch Napoleon I. und Franz I. endet 1809 der Krieg zwischen Österreich und Frankreich. Österreich muss große territoriale Einbußen akzeptieren.

– „Der Kongress tanzt“ 1815. Schönbrunn ist Schau-platz der neunmonatigen Verhandlungen über die Neuordnung Europas unter der Leitung von FürstMetternich. Ein gesellschaftliches und politisches Großereignis.

– Das Ende der Monarchie wird 1918 mit der Unter-zeichnung der Verzichtserklärung auf die Regierungs-geschäfte durch Kaiser Karl besiegelt. Die Erste Republik wird am 12. November ausgerufen.

– Am Höhepunkt des Kalten Krieges dinieren 1961 JohnF. Kennedy, Präsident der Vereinigten Staaten, und Nikita Chruschtschow, Präsident der Sowjetunion, mit600 Gästen in der eleganten Kulisse.

– Geschätzte 100.000 Menschen kommen 2007 zum Konzert für Europa der Wiener Philharmoniker, dirigiertvon Valéry Gergiev. Internationale Prominenz aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft genießtbei traumhaftem Wetter das Konzert vor der Kulisse Schönbrunns.

Welterbe „Schloss und Gärten von Schönbrunn“

Treffpunkt für besondere Anlässe

Foto

s: Ö

ster

reic

h W

erbu

ng

Page 29: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Schloss und Gärten von Schönbrunn 27

Begründung der Aufnahme in die Welterbeliste

· Das Komitee entschied, die nominierte Anlage aufgrund kultureller Kriterien und aufgrund ihres univer-sellen Wertes als besonders gut erhaltenes Beispiel einer barocken Fürstenresidenz als herausragendes Gesamtkunstwerk zu würdigen. (Kriterium i)

· Schloss und Gärten von Schönbrunn zeichnen sich durch ihre außergewöhnliche Geschichte aus, eine im Verlauf der Jahrhunderte gewachsene Anlage, die Zeugnis vom jeweiligen Geschmack ihrer Bewohne-rinnen und Bewohner und deren Zeit gibt, gleichzeitig auch Einblick in die Interessen und die Hoffnungender verschiedenen Monarchen gewährt. (Kriterium iv)

Barocke Lebensfreude, imperiale Macht

Mit Schönbrunn assoziieren wir ein prunkvolles Schloss,den kaiserlichen Hofstaat und den penibel gestaltetenSchlosspark. Aber Schönbrunn war auch eine Landwirt-schaft, weitläufiger Jagdgrund, Kindheitsidyll, Privat-wohnung und Arbeitsraum von Herrscherinnen undHerrschern.

Am Anfang ein Mühlengrund

Zwischen Meidling und Hietzing, am Rande des Wiener-waldes und in unmittelbarer Nähe zum Wienfluss, abersechs Kilometer entfernt von der historischen AltstadtWien, stand inmitten von Wiesen, Weiden und Äckerneine Mühle. Eine Urkunde erwähnt sie 1311 unter demNamen „Chaternburg“. Das Gebiet stand unter demEinflussbereich des Stiftes Klosterneuburg, das diefruchtbaren Ländereien zur landwirtschaftlichen Nutzungan die Bevölkerung vergab. Das Mühlengewerbe undder Weinbau wurden von den Landesherren gefördert.

Für den Betrieb des Mühlrades wurde übrigens aus derWien ein Mühlbach abgeleitet, der erst im Zuge derVorbereitungsarbeiten zur Errichtung des Schlosseszugeschüttet wurde.

1548 gelangte das Gut an den Stadtanwalt und späterenBürgermeister von Wien, Hermann Bayer, der den Meierhof entgegen der Bestimmungen seines Pacht-vertrages mit dem Klosterneuburger Stift in einen Herrensitz umwandeln ließ. Nur wenige Jahre später,1569, wurde das mittlerweile ausgebaute Anwesen, zu dem ein Haus, die Mühle, Ställe und Stadel fürNutzvieh und Pferde, Obst- und Weinkulturen undnicht zuletzt ein Lustgarten gehörte, von Kaiser Maximilian II. für 4000 Gulden gekauft. Damit beganndie Geschichte des imperialen Schönbrunn.

Ein Schöner Brunnen im Jagdrevier

Viele Habsburger waren begeisterte Jäger. Die weit-läufigen Gründe und Wälder (das „Katterholz“) warenein idealer Ort für die Jagd – und damit wohl derwichtigste Grund für den Ankauf des Anwesens. Nebendem frei lebenden Wild wurden eigens für die Jagd inumzäunten „Tiergärten“ gehaltene und später freigelassene Tiere erlegt. Einheimisches Jagdwild undGeflügel, aber auch exotische Tiere wie Fasane, „indianische Hühner“ (Truthühner) und Pfauen warendie ersten „Zoo-Bewohner“. Maximilians Sohn Matthias soll bei einem seiner Jagd-ausflüge eine Quelle mit außergewöhnlichem Wasserentdeckt haben. Ein Brunnenstein, versehen mit demInitial „M“ erinnert seit der Zeit Maria Theresias an diese Legende. Der Name Schönbrunn wurde erstmals1642 urkundlich erwähnt.

Foto

: pix

elio

.de

/ h

elgr

o

Blick von der Gloriette auf Schloss Schönbrunn

Page 30: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Das Wasser des „Schönen Brunnens“ wurde bis zurErrichtung der Hochquellwasserleitung im 19. Jahr-hundert von der kaiserlichen Familie in Schönbrunn,aber auch in der Hofburg genutzt und sogar auf Reisenin Blechkisten mitgeführt. Besucherinnen und Besuchervon Schönbrunn konnten bis in die 60er Jahre des 20.Jahrhunderts gegen Entgelt von diesem Wasser trinken.

Barocke Pracht

Ursprünglich nur für die Unterbringung der höfischenJagdgesellschaft während der Jagdzeit vorgesehen, kam den Gebäuden von Schönbrunn mit Beginn des17. Jahrhunderts mehr und mehr die Funktion einesSommersitzes zu. Die Wintermonate verbrachte man in der Hofburg. 1683 wurden Schloss und Gärten in Folge der Türken-belagerung Wiens schwer beschädigt. Kaiser Leopold I.beauftragte den führenden Architekten seiner Zeit,Johann Bernhard Fischer von Erlach, mit der Neu-gestaltung. Es sollte den Ansprüchen des beginnendenBarockzeitalters gerecht werden. Die Habsburger ent-falteten insbesondere bei Festlichkeiten ihren Prunk,das Schloss selbst sollte repräsentativ und zweckmäßigsein. Nach nur vier Jahren Bauzeit konnte im Jahr 1700der Mitteltrakt des neuen Schlosses bezogen werden.Die Ausstattung der Innenräume erfolgte nach dendamals modernen Methoden und angesagten Stilen,ausgeführt von den besten Handwerkern und Künstlernder Zeit. In den „Kavalierstrakten“ befanden sich die Unter-künfte für den bis zu 1000 Personen umfassenden Hofstaat. An der Spitze standen der Obersthofmeister,Oberstkämmerer, Obersthofmarschall und der Oberstall-meister, denen die gesamte Dienerschaft wie Küchen-und Stallpersonal, Leibärzte und Quartiermeister unter-stellt waren. Weiters umfasste der Komplex Stallungenund Wirtschaftsgebäude. Die jährlichen Übersiedlungenvon der Hofburg nach Schönbrunn und zurück warenwohl jedes Mal eine gewaltige organisatorische Heraus-forderung.

Maria Theresia

Ab 1742 verbrachte Maria Theresia die Monate April bisNovember im Schloss. Sie verfügte, dass „solches nichtnur repariret, sondern auch erweitert und zu beque-merer Unterbringung der Hof Statt ausgebauet werdensolle“. Die in ihrem Auftrag errichteten Repräsentations-räume stellen den Höhepunkt fürstlicher Repräsentationund höfischer Wohnkultur einer ganzen Epoche dar.Dieser Prunk wird insbesondere in der Großen Galeriesichtbar. Das Deckenfresko zeigt das Herrscherpaar

inmitten der Provinzen und ihrer wirtschaftlichen Stärke und symbolisiert damit eindrucksvoll die Machtdes Habsburgischen Reiches. Ein weiterer Ausdruck für Macht findet sich im „Anti-chambrieren“. Der lange Gang von Besucherinnen undBesuchern bis zu den Audienzräumen der Regentensymbolisierte den hierarchischen Unterschied (lat. ante= vor, davor; frz. chambre = Zimmer). Im SchlossSchönbrunn gelangten die Besucherinnen und Besu-cher vom Erdgeschoß über die repräsentative BlaueStiege in den ersten Stock, die Nobeletage. Sie musstenzahlreiche kleine Zimmer durchschreiten, bis sieschließlich im Antichambre, dem Vorzimmer, ankamen.

Die Raffinesse des Schlosses verdeutlichen Details:Maria Theresia wollte ihre Gäste auch mit damalsmoderner Technik beeindrucken. In einem der

Schloss und Gärten von Schönbrunn28

Foto

: W

ikip

edia

/ A

con

cagu

aoben: Großes Rosa-Zimmer im Schloss

unten: Martin van Meytens: Kaiserin Maria Theresia Fo

to:

Öst

erre

ich

Wer

bu

ng

Page 31: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Besprechungsräume konnte über einen speziellenHebemechanismus zur Überraschung der Gäste einegedeckte Tafel durch eine Öffnung des Bodens in denSaal gehoben werden. Das „Tischlein Deck Dich“ istheute Teil der Führungen für Kinder. In dem Raum, indem einst die Hebebühne stand, dürfen sie selbst einebarocke Tafel decken.Das Schloss war nicht nur Regierungsgebäude, sondernauch Wohnung des Herrscherhauses sowie einer großenDienerschaft, denn der Hofstaat war der größte Dienst-leistungsbetrieb der Monarchie. Viele Details erinnerndaran. Über den großen Fenstern des ersten Stockessind kleine Fenster angeordnet. Nachträglich war hierunter Maria Theresia ein nur zwei Meter hohes Mezza-ningeschoss eingezogen worden, denn man benötigtePlatz für das Personal. Franz I. Stephan von Lothringen, der Gemahl von MariaTheresia, hinterließ gemeinsam mit seinen Kindernauch ganz persönliche Spuren im Schloss. Der Kaiserzerschnitt mit seinen Kindern bemalte Blätter, siegestalteten eigene Collagen. Bei den Blättern handeltees sich, sozusagen standesgemäß, um kostbare Schriftenund Darstellungen aus dem 16. und 17. Jahrhundertder indischen Mogulen! Die Collagen wurden mitRahmen aus echtem Gold im Rokokostil versehen undin die Wandvertäfelung aus exotischem Rosenholz imMillionenzimmer integriert.

Von Napoleon bis zum Ende der Monarchie

Über einen Gast war Schönbrunn wohl nur wenigerfreut. Napoleon hatte bei seiner Besetzung Öster-reichs Schönbrunn als seinen Hauptsitz auserkoren undwohnte hier in den Jahren 1805 und 1809. Er soll sichüber die mangelhafte Ausstattung beschwert haben,war aber von der „wahrhaft königlichen Residenz“beeindruckt. Hier diktierte er den Schönbrunner Frieden – Österreich musste große Gebiete abtreten,die Wehranlagen von Wien und Graz schleifen. Nach den Kriegen war die Staatskasse leer, Schönbrunnkonnte nicht weiter ausgebaut werden. Damit war derFortsetzung der kostspieligen Baugeschichte desSchlosses ein Ende gesetzt. Das Mobiliar wurde aus-geborgt, lediglich dringende Renovierungsarbeitenwurden durchgeführt. Doch die Fassade wurde neugestrichen – erstmals in „Schönbrunner Gelb“. Dieseheute so bekannte Farbe ist eine frühhistoristischeErfindung, Franz Joseph selbst traf dafür die Entschei-dung, in Anlehnung an die sandfarbene Fassade unterMaria Theresia. Dass die Farbpigmente aus einem imBesitz des Herrscherhauses befindlichen Steinbruch inBöhmen stammten, war wohl förderlich für diesen Entschluss. Zuvor war das Schloss hell-gelbrosa (Jagd-schloss), licht-ockerweiß und graublau.

Kaiser Franz Joseph demonstrierte wieder Macht. Die Räumlichkeiten des Schlosses erstrahlten in Weiß – Rot – Gold, das Mobiliar in dunklem Holz. SeineArbeitsräume aber gestaltete der Kaiser einfach undfunktional. Sofas, Eisenbett, Betschemel, Marmor-waschtisch und Bilder der Familie sowie persönlicheErinnerungsstücke waren 50 Jahre lang das unverän-derte Umfeld des Kaisers.Kaiserin Elisabeth, „Sisi“, bevorzugte ebenfalls einenganz persönlichen Stil und richtete im Erdgeschoß eineigenes Gartenappartment mit Salon und Turnzimmerein. Sie nutzte den Park oft für Spaziergänge und Aus-ritte. 500 Kerzen waren für die feierliche Beleuchtung derGroßen Galerie nötig (Feste endeten immer mit derletzten abgebrannten Kerze!). Später wurde auf Gas-beleuchtung umgestellt, erst 1901 erfolgte die Elektri-fizierung des Hauses, durchgeführt vom Erfinder derGlühlampe, Thomas Edison, persönlich. 1104 Glüh-birnen beleuchten anschließend die Große Galerie.Wie skeptisch Franz Joseph dem Fortschritt gegenüberstand, zeigte sich in seiner Weigerung, die Rechnung zu bezahlen. Diese wurde schließlich von der StadtWien beglichen.

1918 ging in Schönbrunn ein Zeitalter zu Ende. KaiserKarl, der Nachfolger von Franz Joseph, unterschrieb hierden Verzicht auf die Regierungsgeschäfte und zog sichauf Schloss Eckartsau in den Donauauen zurück. KurzeZeit später verließ er das Land.

Der Tiergarten

Im 18. Jahrhundert finanzierten viele europäischeHerrscherhäuser, so auch die Habsburger, Forschungs-reisen, die Naturwissenschaften erlebten eine ersteBlüte. Die Reisen wurden aus dem Privatkapital derHabsburger finanziert, daher wollten sie die Ergebnisse

Schloss und Gärten von Schönbrunn 29

Foto

: W

ikip

edia

/ A

con

cagu

a

Kaiserpavillon im Tiergarten Schönbrunn

Page 32: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Nach dem Untergang der Monarchie und der Ausrufungder Ersten Republik am 12. November 1918 verließendie Habsburger das Schloss. Wegen der noch zu engenVerbindung zur monarchischen Vergangenheit war eineNutzung für repräsentative Zwecke der jungen Republikundenkbar. Es herrschte große Wohnungsnot in Wien, in den Wirrender Nachkriegszeit bezogen Privatpersonen Quartier imSchloss, ebenso diverse Organisationen (wie die Kinder-freunde). Einige blieben nur für kurze Zeit, andereerhielten Mietverträge. Die Repräsentationsräume, die„Bel Etage“ blieb aber unberührt. Für Ausstellungenwurden diese Räume bereits in der Zwischenkriegszeitgenützt. Zum 150. Todestag von Maria Theresia fand1930 eine große Ausstellung im Schloss statt.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als das durch denKrieg beschädigte Schloss und die Nebengebäude wie-der restauriert waren, wurde das historische Anwesenauch durch den Staat genutzt. Der Besuch des SchlossesSchönbrunn zählt heute zu einem fixen Bestandteil vonBesuchen internationaler Staatsoberhäupter.

Schönbrunn ist heute museale Einrichtung, Erholungs-raum und zugleich Veranstaltungsstätte. Die intensiveNutzung dieses historischen Komplexes ist – wie beivielen Welterbestätten - mit der Gefahr der Überbean-spruchung, besonders durch die hohe Zahl an Besuche-rinnen und Besuchern verbunden. Ein modernesManagement soll die Nutzung des Schlosses verwaltenund mögliche Gefährdungen hintanhalten.

und Entdeckungen der Reisen auch besitzen und her-zeigen. Franz I. Stephan, Ehemann der Kaiserin MariaTheresia, begründete die Menagerie, den SchönbrunnerTiergarten, in seiner heute noch erhaltenen Architekturmit dem zentralen Pavillon und den 13 radial angeord-neten Tierhöfen. Ursprünglich ein reines Schaugehege,hat sich der älteste Zoo der Welt in den letzten Jahrenzu einem modernen Tiergarten mit artgerechter Haltungentwickelt. Heute ist der Zoo Forschungs- und Bildungs-einrichtung und ein wichtiger Beitrag zur Rettung derArtenvielfalt. Die Geburt des weltweit ersten, in einemZoo natürlich gezeugten Pandas im Sommer 2007, verdeutlicht die Bedeutung des Zoos und fügt den vielen Attraktionen eine weitere, ganz besondere, hinzu. Voraussetzung dafür war die Umgestaltung der Gehegein den letzten Jahrzehnten, die Tiere erhielten mehrAuslauf, mehr Platz. Die alte Bausubstanz blieb erhal-ten. Im Raubtiergehege führt der Weg für Besucherin-nen und Besucher heute durch die Zwinger, währenddie Tiere sich in einem neu errichteten Freigehegebefinden. Die Besucherinnen und Besucher sind imKäfig, die Tiere im Freien. Damit ermöglicht die alteBausubstanz einen neuen Blick auf das Tier-Mensch-Verhältnis.

Die Beschäftigung der Habsburger mit den Naturwis-senschaften zeigte sich auch auf botanischem Gebiet.Die erste Rosskastanie in Wien wurde in Schönbrunngezogen, Tulpen aus dem Orient, Flieder aus Konstanti-nopel und Kartoffel aus Südamerika wurden importiert.

1882 wurde im Park ein für die damalige Zeit heraus-ragendes Bauwerk eröffnet: das Palmenhaus, eineEisen-Glaskonstruktion, angelehnt an Vorbilder in Lon-don, Glasgow und Brüssel. Es ist 113 m lang, 28 mhoch und in drei Klimazonen unterteilt: ein Kalthausim Norden, ein „temperiertes“ im Mittelpavillon undein Tropenhaus im Süden. 1945 wurde das Gebäudedurch Kriegsbomben zerstört, wieder aufgebaut und1986-1990 generalsaniert.

Schloss und Gärten von Schönbrunn30

>> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 1

Bedrohung und Schutz, Management

Page 33: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Ein im Eigentum des Staates stehendes Unternehmen,die „Schloss Schönbrunn Kultur- und Betriebs-ges.m.b.H.“, verwaltet das Schloss. Die Gesellschaft solldie historischen Gebäude mit ihren Kunstschätzenerhalten und restaurieren sowie ein zeitgemäßes Kultur- und Freizeitangebot für die Besucherinnen undBesucher anbieten. Ein „kulturhistorisch-touristischerBeirat“, bestehend aus Expertinnen und Experten ausden Bereichen Kunstgeschichte, Denkmalschutz undTourismus sowie aus dem Museumsbereich, berät inallen wesentlichen Fragen zur touristischen Nutzung.

Die Erkenntnisse und Erfahrungen werden im Fort-bildungsprogramm für Kultur-, Natur- und Kunst-tourismus, der „Akademie Schönbrunn“, weitergegeben.Forschungsarbeiten zur Bau- und Ausstattungs-geschichte sowie Dokumentationen zu Restaurierungenwerden in der „Wissenschaftlichen Reihe Schönbrunn“publiziert. Darüber hinaus wird durch das NetzwerkECHONET (European Cultural Heritage Organisations Net-work) die Kooperation zwischen historischen Gebäu-den, Museen, anderen kulturellen Organisationen undUniversitäten gefördert.

Gegen mögliche Katastrophen wurden Vorkehrungengetroffen. Das „Damage Limitation Team“ (DLT) bestehtaus 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Schlosses,sie kommen aus allen Abteilungen. Sie wurden dafürausgebildet, im Brandfall in Kooperation mit der Wiener Berufsfeuerwehr binnen weniger Minuten dieSchätze von Schönbrunn zu retten. Nach einer von derwissenschaftlichen Abteilung definierten Prioritäten-liste werden die Gegenstände in Sicherheit gebracht.

Öffentliche Diskussionen über Erhaltungs- und Sanie-rungsmaßnahmen bleiben nicht aus. In den Parkan-lagen – sie unterstehen nicht der Betriebsgesellschaftsondern den Bundesgärten – wurden 2003 zwei Hain-buchenhecken zwischen Schloss und Neptunbrunnen

erneuert. Während die Betriebsgesellschaft den Ersatzkranker Bäume und damit eine sanfte Erneuerung vor-schlug, setzen die Bundesgärten auf eine Neupflanzungin einem Schritt. Medien und die Öffentlichkeit betei-ligten sich intensiv an der Diskussion, Bürgerinitiativenwurden ins Leben gerufen, Prominente bezogen Stellung. Es galt, Argumente abzuwägen, denn auchdas Auffüllen von entstandenen Lücken durch neueBäume war problematisch. Die Hecken wurden schließlich zur Gänze erneuert, die Wellen glätteten sich. Die öffentliche Diskussionverdeutlicht aber, welch großen Stellenwert Schloss und Park für die Wienerinnen und Wiener besitzen.

Heftig diskutiert wurde auch ein Bauprojekt. Etwa 500 m vom Schlosspark entfernt wurde ein 120 mhoher Büroturm projektiert. Durch seine Höhe wäredieses Gebäude vom Schlosspark aus gut sichtbargewesen. Die in der barocken Architektur so zentralenSichtachsen wären beeinträchtigt worden. Dies führtezu einer breiten Diskussion und zur Neuplanung desProjektes. Auch hier war der Stellenwert Schönbrunnsals Welterbe ein wichtiges Argument für sorgsamerePlanung.

Eine Chance und gleichzeitig die wohl größte Gefahr für Schönbrunn stellt die enorme Zahl der Besuche-rinnen und Besucher dar. Ihr Interesse ist Garant fürdie Erhaltung, mit ihren Eintrittsgeldern kann dasSchloss restauriert werden. Doch dies verändert auchden Charakter der historischen Räume – hin zu reinenSchauobjekten. Die Wertigkeit des Erbes ist dadurchgefährdet.

Schloss und Gärten von Schönbrunn 31

Foto

: pix

elio

.de

/ M

arcu

s Re

iber

Allee im Schlossgarten

Foto

: pix

elio

.de

/ an

wyn

dar

kelf

2,5 Millionen Besucherinnen und Besucher jährlich

Page 34: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

„Alles entspricht hier der Größe der Monarchin, die esbewohnt. Das Gebäude ist prächtig, die Meublierungkaiserlich, und nach dem feinsten Geschmacke. ImGarten ist alles beysammen, was die Kunst je Grosseshervorgebracht hat. (...) und eine auf dem Berg ange-legte Kolonnade, mit der herrlichsten Aussicht. Seitdemdie Monarchinn ihren Unterthanen ohne Ausnahmeden Zutritt in dieses Elisium gestattet, wird es von Tau-senden und Tausenden besucht.“ (Kurzböck, NeuesteBeschreibung aller Merkwürdigkeiten Wiens)1789 wurde der Schlosspark Schönbrunn zum größtenTeil öffentlich zugänglich. 1919, nach dem Ende derMonarchie, konnten auch die Zimmer des Schlossesbesichtigt werden. Dies war der Beginn der kulturtouri-stischen Nutzung des Areals.Im Jahre 2006 wurden 2,5 Millionen Eintrittskarten fürdas Schloss verkauft, etwa zwei Millionen Menschenbesuchten den Tiergarten. Durch die hohe Anzahl anBesucherinnen und Besuchern müssen spezielle Vor-kehrungen zum Schutz getroffen werden. Die Präsentation des Prunkbettes von Maria Theresiazeigt, wie aufwändig der Schutz ist. Dafür wurde durcheine Verglasung eine klimaüberwachte und staubfreieZone geschaffen, Besucherinnen und Besucher könnennun durch einen Tunnel aus Glas das Prunkbett besich-tigen, ohne es in seinem Bestand zu gefährden. DieKaiserin wäre wohl verwundert…

Veranstaltungsort für Großereignisse

Theater, Musik und Ballett waren unverzichtbare Teiledes höfischen Lebens. „Teatri di Verdura“ wurden dieAnfang des 17. Jahrhunderts äußerst beliebten Auf-führungen im Park genannt. Maria Theresia ließ knapp150 Jahre später auf ausdrücklichen Wunsch dasSchönbrunner Schlosstheater errichten. Neben denKünstlerinnen und Künstlern der Zeit stand auch diekaiserliche Familie – Maria Theresia war eine gute Sängerin! – auf der Bühne.Max Reinhardt etablierte hier in den 30er Jahren des20. Jahrhunderts seine Schauspielschule, das Max-Reinhardt-Seminar. Das Schlosstheater steht der Uni-versität für Musik und Darstellende Kunst zur Verfügungund ist in den Sommermonaten Aufführungsort vonOperetten. Darüber hinaus befindet sich im Hofrats-trakt das Marionettentheater.Im 21. Jahrhundert wird das Areal – insbesondere dieOrangerie, der Ehrenhof und das Große Parterre – fürKonzerte aus den Bereichen Klassik (Schönbrunner

Schlosskonzerte, Konzert für Europa) und Pop (BarbaraStreisand im Juni 2007) genutzt.Vor der eindrucksvollen Kulisse findet jährlich imAdvent auch der traditionelle Weihnachtsmarkt statt.Kunsthandwerk, ein Weihnachtsbaum und weihnacht-liche Musik vor der Schlosskulisse kennzeichnen denwohl stimmungsvollsten Weihnachtsmarkt Wiens.

Erholung für die Großstadtbevölkerung

Schönbrunn verbindet Natur und Architektur. Der Tier-garten ermöglicht die unmittelbare Begegnung mitTieren aus aller Welt, im Palmenhaus reist man inandere Klimazonen. Die Farbenpracht der Gärten imSommer – mehr als 300.000 Blumen werden jedesJahr ausgepflanzt – ist kaum zu übertreffen.

Schönbrunn ist immer noch auch ein Ort der Erholung,der Ruhe, der Begegnung mit der Natur. Vor allem amAbend oder am Morgen, bevor die Touristenbusseankommen, ist der Schlosspark eines der beliebtestenJogging-Gebiete in Wien und Platz der Meditation fürTai-Chi-Praktizierende. Eltern spazieren mit ihren Kindern durch den Park, Eichkätzchen betteln um einpaar Nüsse.Im November oder im Februar ist der touristischeAndrang gering. In diesen Monaten lässt sich die Ruhedes Parks genießen, wirkt das Schloss im Nebel sche-menhaft, etwas geheimnisvoll. Das Besondere desWelterbes Schönbrunn, sein Wert, lässt sich dann ambesten erahnen.

Schloss und Gärten von Schönbrunn32

Ein Schloss für Besucherinnen und Besucher:

Tourismus und Welterbe

>> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 2

Foto

: pix

elio

.de

/ St

efan

Kir

ch

Gloriette

Page 35: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Palast von Abomey

Schlösser und Paläste sind kostspielig. Kriegsgewinne(in Wien nach der Türkenbelagerung) und wirtschaft-licher Aufschwung ermöglichten den Bau prächtigerAnlagen. Sie mussten dem Ansehen eines Weltreichesentsprechen, die Macht des Herrscherhauses unter-streichen. In Westafrika, im heutigen Benin, liegt die Stadt Abomey.Vom 17. bis ins 19. Jahrhundert war es die Hauptstadtdes Königreiches Dahomey. Die Herrschenden verdientengut am Handel mit Sklavinnen und Sklaven, den siekontrollierten. In einem eigenen Bezirk der Stadterrichteten sie ihre Paläste. Es sind Lehmbauten, diedie Herrschenden nach ihrem Geschmack reich aus-statten ließen. Sie stehen für afrikanisches Kunsthand-werk, aber auch für die Schrecken und Grausamkeitender Sklaverei. Die Ruinen dieser Paläste sind seit 1985Welterbe.

Der Garten der heimlichen Herrscherin

Die Gartenanlagen von Schönbrunn sind ein barockesGesamtkunstwerk und Teil des Welterbes. BarockesLebensgefühl wird spürbar, auch die Interessen derHerrschenden an der Natur sind mit dem Tiergartenoder dem Palmenhaus bis heute sichtbar. Auch in China liebten die Kaiserinnen und Kaiser Gartenanlagen. In Peking ist mit dem Sommerpalasteine solche Gartenanlage erhalten geblieben. Sie istmit 290 Hektar um gut ein Drittel größer als Schön-brunn und enthält Pagoden, Tempel, Pavillons undPaläste. Auch dieser Garten wurde im 18. Jahrhundert,als in Wien Maria Theresia regierte, zur Sommerresidenzerweitert. 1860 zerstörten europäische Truppen den

Garten. Der Liebe der Kaiserin Crixis zur Natur undihrem Starrsinn ist es zu verdanken, dass es diese Anlage noch gibt. Sie wollte sich mit den Zerstörungennicht abfinden und ließ den Garten gegen zahlreicheWiderstände – das Land war verarmt, das Herrscher-haus angefeindet – neu errichten. Als Höhepunktchinesischer Gartenarchitektur wurde die Anlage 1998in die Welterbeliste aufgenommen.

Independence Hall, Pennsylvania

Schönbrunn demonstriert kaiserliche Macht, es wurdegeschaffen, um die Macht eines Weltreiches und seinesHerrscherhauses sichtbar zu machen. Wer sich näherndurfte, sollte sich klein und bescheiden fühlen.Doch Maria Theresia lebte noch, als eine Zeitenwendeanbrach. Die amerikanischen Kolonien Englands strebten nach Unabhängigkeit und Freiheit, sie sagtensich los von ihrer Krone. Eine Demokratie wurdegeschaffen, nach griechischem Vorbild, aber angepasstan die Erfordernisse eines riesigen Staates. In der Independence Hall wurde die Unabhängigkeits-erklärung verabschiedet. Das Gebäude ist kein Schloss,ganz im Gegenteil. Es ist ein einfacher Bau aus Holzund Ziegeln, mit einer Freiheitsglocke, die bei allenwichtigen Ereignissen geläutet wurde. Dieses schlichteGebäude steht für die Überwindung von Abhängigkeit,für die Idee der Freiheit. Und nach dem Untergang derKaiserreiche ist sie das Symbol einer der mächtigstenNationen der Erde. Ihre Schlichtheit mahnt aber bisheute auch zur Bescheidenheit. Seit 1979 ist dasGebäude Welterbe.

Schloss und Gärten von Schönbrunn 33

Paläste als Weltkulturerbe

Foto

: U

NES

CO /

Ste

ven

s, A

.

Palast von Abomey, BeninFo

to:

UN

ESCO

/ L

emeé

, Ta

tian

a

Kaiserlicher Sommerpalast in Peking

Page 36: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Schloss und Gärten von Schönbrunn Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler34

Schönbrunn bietet Programme und Führungen auch fürKinder und Jugendliche an, etwa Führungen mit demSchlossgespenst Poldi im Kindermuseum. Für Besuche-rinnen und Besucher der Bundeshauptstadt, z.B. imRahmen von „Wienwochen“, zählt Schönbrunn zu denFixpunkten des Programms. So eindrucksvoll eine „GrandTour“ durch das Schloss auch ist, erst eine thematischeVertiefung lässt den Stellenwert des Schlosses als Welt-erbe erkennen. Dies gilt auch und ganz besonders fürWiener Schülerinnen und Schüler. Die Materialiendaten-bank des Wiener Lehrerinnen- und Lehrerwebs (www.lehrerweb.at) bietet dafür Unterrichtsvorschläge sowieArbeitsblätter, Rätselvorlagen oder Lückentexte an. Schönbrunn ist eng mit der Geschichte der Habsburgerverbunden, hier bieten sich zahlreiche Anknüpfungs-punkte für den Unterricht, (z.B. Geschichte, Bildneri-sche Erziehung, …) Einige Beispiele:

Der Stammbaum der Habsburger

350 Jahre lang lebten die Habsburger im Schloss, eswar im Besitz des Staates, den Herrschern zur Nutzungüberlassen (hoferarischer Besitz).

>> Doch wer wohnte im Schloss, wie viele Kinderhatte das Herrscherpaar und an wen wurde weiter-vererbt? Wähle einen Herrscher, eine Herrscherin, diedich interessiert, aus und beschreibe den Stamm-baum (Großeltern, Eltern, Geschwister, Kinder). Wie war die Verbindung zu Schönbrunn?

Barocker Prunk

Nach der Türkenbelagerung wurde Schönbrunn neugestaltet – als prachtvolles Barockschloss.

>> Was kennzeichnet barockes Lebensgefühl, woranerkennt man das Barock? Finde Gründe heraus, warum plötzlich „Barock“ modern war.

>> Nenne einige Kennzeichen des Barock. WelcheKleidung trugen die Menschen?

Wohngefühl einer Herrscherin

Maria Theresia hat das Schloss Schönbrunn ganz besonders geprägt.

>> Recherchiere, wie die Kinder der Herrscheringelebt haben. Was haben sie gelernt, welche Sprachen gesprochen, wie waren sie gekleidet, welche Spiele haben sie gespielt?

Tiere im Zoo

1828 kam die erste Giraffe nach Wien und erregte hierbeträchtliches Aufsehen, beeinflusste sogar die Mode.Damals waren die Tiere nur wertvolle Ausstellungs-stücke.

>> Überlege: Wie hat sich die Tierhaltung geändert?Warum wurde damals ein Zoo eingerichtet und welche Aufgaben hat er heute?

Eine eigene Zoopädagogik bietet umfangreiche Pro-gramme für Schulen an. Hier können Schülerinnen undSchüler Verhaltensforschung betreiben, Tiere beobach-ten und modellieren, sogar die Sprache ihrer Heimtiere(z.B. der Meerschweinchen) erlernen.

1 >>

Page 37: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Schloss und Gärten von Schönbrunn 35Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler

2 >>Gartenkunst

Der Schlosspark von Schönbrunn folgt einer eindrucks-vollen barocken Gartenarchitektur. Als öffentlicherGrünbereich mit musealer Bedeutung interessant, wäreer möglicherweise für das private Leben nicht nachjedermanns Geschmack.

>> Überlege, wie du einen Garten (einen Schul-garten) gestalten würdest, vielleicht fertigst du eineZeichnung an:

– Was sollte unbedingt enthalten sein (vielleicht ein Gartenhaus, ein Kunstwerk, Platz für Spiel und Sport, Wasser…)?

– Was gefällt dir nicht, was würdest du weglassen?

Im 18. Jahrhundert wurden „Englische Gärten“ populär, sie lösten die Barockgärten ab. Nicht mehrgerade Linien, sondern naturnahe, an die Landschaftangepasste Gestaltung stand im Vordergrund. Auch in Schönbrunn finden sich im Stile eines englischen Gartens gestaltete Gartenteile, etwa derbotanische Garten in der Nähe des Hietzinger Tors.

>> Vergleiche die Gartenteile:

– Was kennzeichnet den jeweiligen Gartentyp? – Welcher Garten gefällt dir besser? – Welcher erfordert mehr Pflege, welchen würden

Tiere bevorzugen? – Der Wiener Maler Friedensreich Hundertwasser

meinte einmal: „Die gerade Linie ist des Teufels“. Was hätte ihm besser gefallen?

Tourismusmagnet Schönbrunn

Schönbrunn ist eine Sehenswürdigkeit von Weltrang.

>> Diskutiert in der Klasse über die Vorteile undNachteile des Tourismus.

– Worauf muss man eurer Meinung nach achten, damit Schönbrunn unversehrt in seinem Wert erhalten bleibt?

– Sollte die Zahl der Besucherinnen und Besucherbegrenzt werden?

– Wie sollten sie sich verhalten, damit keine Schäden entstehen? Bedenkt bitte: Wenn nur einer von tausend Menschen eine Blume pflückt, würden am Ende eines Jahres mehr als 5000 fehlen…

>> Erstellt eine Liste von Verhaltensregeln. Betrachtet die Regeln. Gelten diese Regeln nichtüberall, bei jedem Besuch?

Bankett oder Konzert?

Während der Kaiserzeit fanden Feste in Schönbrunnstatt, der Wiener Kongress „tanzte“ hier. Heute findenKonzerte statt.

>> Was unterscheidet die Ereignisse?

– Wer durfte damals daran teilnehmen, wer darf heute hingehen?

– Wie haben die Eingeladenen davon erfahren? – Wie reisten die Menschen an? – Welche Technik stand zur Verfügung, wie wurde

beleuchtet? Gab es Verstärker? – Und wie spielt sich das heute ab?

Page 38: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Die vielfältige Landschaft, ihre Flora und Fauna, dieGeschichte, das einzigartige Höhlensystem des Dach-steins – all dies prägt die Region, die nicht nur Kultur-erbe, sondern auch Naturerbe von international höchstem Rang ist. Auch die im Aufnahmeantrag der Republik Österreichformulierten Grundlagen beziehen sich auf die vielfäl-tigen Bedeutungsebenen. Vier wesentliche Komponen-ten rechtfertigen die Auszeichnung als Welterbe: – Das archäologische Erbe am Salzberg Hallstatt.

Hier befindet sich der weltweit älteste, noch heute bewirtschaftete Bergbaubetrieb. Die archäologischen Funde gaben einer Kulturepoche den Namen (Hall-stattzeit).

– Die Naturlandschaft der Dachsteinregion mit ihren Höhlensystemen und Karsterscheinungen und ihrer vielfältigen Flora und Fauna.

– Das architektonische Erbe, insbesondere in Hallstatt. Es umfasst gotische und barocke Bauten, die zur

Blütezeit der Salzwirtschaft entstanden. Trotz eines Brandes um 1750 blieb die mittelalterliche Struktur des Marktes erhalten.

– Das kulturhistorische Erbe im weitesten Sinne umfasst die spezifischen, durch das Salzwesen bedingten Bewirtschaftungsformen auch des Waldes, die das Landschaftsbild erkennbar gezeichnet haben.

Im Dezember 1997 wurde die Region „Hallstatt-Dachstein Salzkammergut" auf der 23. Tagung desWelterbekomitees in Neapel, Italien, in die Welterbe-liste aufgenommen.

Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut 199736

Die Bedeutung des Salzes erkennen wir erst, wenn esuns fehlt. In einem bekannten Märchen verstößt einVater seine Tochter, weil sie auf die Frage, wie sehr sieihn liebe, antwortet: „wie das Salz“. Doch als das Salzausgeht, die Speisen geschmacklos werden und ver-derben, erkennt der Vater, was seine Tochter damit zumAusdruck bringen wollte: Salz ist von größter Bedeutungfür die Gesundheit, als Würzmittel, aber auch zumKonservieren von Fleisch, Gemüse oder Fisch. Manbraucht es zum Leben. Während Salz heute praktisch unbegrenzt verfügbar ist,

war es über Jahrtausende in vielen Regionen Mangel-ware und daher teures Handelsgut. Eigene Handels-routen, die Salzstraßen, entwickelten sich. Über siewurde das „weiße Gold“ transportiert.

Hallstatt erzählt die Geschichte einer Region, in derSalz seit tausenden von Jahren abgebaut wird, unterTag, im ältesten heute noch bewirtschafteten Berg-werksbetrieb der Welt. In der abgeschiedenen Regionentwickelte sich eine einzigartige, von der Salzwirt-schaft geprägte Kulturlandschaft.

Weißes Gold

Welterbe „Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut“

Foto

s: Ö

ster

reic

h W

erbu

ng

Page 39: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut 37

Begründung der Aufnahme in die Welterbeliste

Bei der Region handelt es sich um ein außergewöhnliches Beispiel einer Naturlandschaft von einzigartigerSchönheit und besonderer wissenschaftlicher Bedeutung, die Zeugnis von der frühen und kontinuierlichenmenschlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Tätigkeit ablegt. Diese Kulturlandschaft verbindet Natur undKultur in harmonischer und sich gegenseitig ergänzender Art und Weise. (Kriterien iii und iv)

Prähistorischer Bergbau

Die Hallstattzeit zwischen 850 und 500 vor Christus wareine Zeitenwende: Eisen setzte sich gegenüber derBronze durch, Handelswege entwickelten sich, neueAbbaumethoden ermöglichten die Nutzung bis dahinwenig genutzter Ressourcen. Am Salzberg in Hallstatthatten die frühen Hallstätter gelernt, Salz abzubauen –im fast schon industriellen Maßstab: Die Bergleute triebenStollen mehrere hundert Meter tief in den Berg. Die Grabbeigaben belegen, dass die frühen Hallstättereuropaweiten Handel trieben und dabei reich wurden:Ein Viertel der Bestatteten wurde mit Waffen beerdigt.Elfenbein aus Nordafrika und Bernstein aus dem Balti-kum zieren den Schwertgriff eines frühen Aristokraten.

Gefunden wurde dieser Schatz in einem Gräberfeld ineinem versteckten Hochtal, 450 m über dem HallstätterSee. Die dort gemachten Funde gaben einer Epocheden Namen „Hallstattzeit“. Keine andere frühgeschicht-liche Ausgrabungsstätte in Österreich ist von ähnlichweit reichender Bedeutung. Erste Funde tauchten vor ca. 200 Jahren auf. Zwischen1846 und 1863 ließ Johann Georg Ramsauer das Gräber-feld planmäßig ausgraben. In unzähligen Zeichnungenhielt er alle Details fest und schuf damit eine wertvolleGrundlage für alle weiteren Forschungsarbeiten. Insge-samt dokumentierte er 980 eisenzeitliche Bestattungen,knapp 20.000 Fundobjekte wurden auf engstem Raumgeborgen. Viele davon sind heute im Museum in Hall-statt zu bewundern.

Hundert Jahre früher wurde der Wert eines wahr-scheinlich prähistorischen Fundes nicht erkannt: 1734fanden Bergleute in einem Stollen eine durch das Salzgut konservierte Leiche. Der Fund erregte einiges Auf-sehen. Wegen der braunen Verfärbung der Haut erhieltdie Leiche vom Volk den Beinamen „geselchter (geräu-cherter) Teufel“. Sie wurde am Kirchfriedhof bestattet.Der Pfarrer verlangte aber eine Exhumierung, da der

Mann wohl ein Ungetaufter war. „Der Mann aus demSalz“ wurde umgebettet. Es ist nicht bekannt, wo erbestattet wurde. Immer wieder tauchen frühgeschichtliche Fundstückeaus dem Berg auf: Kienspäne, Tragsäcke für das Salz,eine Fellmütze. Das Salz hat die Gegenstände überJahrtausende konserviert. Daher hofft man in Hallstattbis heute auf den Fund eines zweiten Mannes aus demSalz. Es wäre eine Sensation, nur vergleichbar mit demFund des „Ötzi“, der Tiroler Gletschermumie. Doch auchohne einen solchen Fund ist die Bedeutung der Hall-stätter Funde für die Frühgeschichtsforschung kaum zuüberschätzen.

Mittelalterliche Salzfertiger

Seinen heutigen Charakter erhielt die Kulturlandschaftum Hallstatt im Mittelalter, als der Salzbergbau eineBlüte erlebte. Eine neue Technik ermöglichte eineneffizienten Abbau: Salz wurde nicht mehr mit Pickelnaus dem Berg gebrochen, sondern herausgelöst. Dazuwurden Höhlen in den Berg gegraben und mit Wassergefüllt. Darin löst sich das Salz – ca. 32 kg in 100 lWasser. Dieses Salzwasser, Sole genannt, wird aus demBerg geleitet und anschließend in Sudpfannen undSudhäusern erhitzt. Das Wasser verdampft, übrig bleibtSalz. Mit diesem Verfahren konnten viel größere Mengen anSalz produziert und exportiert werden. Salz wurde einwichtiger Wirtschaftsfaktor und damit interessant fürHerrscherinnen und Herrscher. Rudolf I. von Habsburg(Sieger über den Böhmenkönig Ottokar) ernannte 1282seinen Sohn Albrecht zum Herzog von Österreich undder Steiermark. Dessen Interesse an der Salzindustriewar so groß, dass er Befestigungen zu ihrem Schutzerrichten ließ. Die Witwe Albrechts, Elisabeth, machtedie Salzindustrie zum Staatsmonopol. Hallstatt wurde zum Markt. Die Salzfertiger erhieltenSonderrechte, ihre Häuser zeugen heute noch vom

Salzabbau in spektakulärer Bergwelt

Page 40: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Wohlstand. Der Platz ist denkbar schlecht für eine Siedlung geeignet. Es ist einfach zu wenig Raum zwischen Berg und See, es gibt keine landwirtschaftlichnutzbaren Flächen, nicht einmal für Hausgärten istPlatz. Nur das Salz rechtfertigte die Besiedlung diesesOrtes. Manche Häuser wurden auf Pfählen in Ufernähegebaut, andere in den steilen Hang. Man sagt, mancheiner musste aufs Dach klettern, um zum Erdgeschoßseines Nachbarn zu gelangen.Nicht einmal für die Toten war genügend Platz. Nachetwa 10 Jahren wurden sie ausgegraben, ihre Knochengebleicht, bemalt und beschriftet und in einem Bein-haus aufbewahrt. Einige Schädel sind auch im Natur-historischen Museum in Wien ausgestellt.

Hallstatt ist „von Natur aus“ schwer zugänglich, dazukam die Abschottung. Die Bedeutung des Salzes alsWirtschaftsfaktor war so groß, dass ein Staat im Staateentstand. Ein eigenes Sozialsystem wurde geschaffen,etwa Alterspensionen für Bergarbeiter. Es gab aberauch massive Einschränkungen: Einheimische durftenohne kaiserliche Genehmigung das Salzkammergutnicht verlassen und Auswärtige sich nicht ansiedeln.Reichtum brachte das Salz immer nur wenigen: DenHabsburgern finanzierte es prunkvolle Schlösser, sogarKriegszüge – die Arbeiterinnen und Arbeiter in denSalinen blieben bettelarm.

So effektiv die Förderung des Salzes war – sie hatteeinen Haken: Zum Einkochen der Solelösung wurdenUnmengen Holz benötigt. Raubbau an den Wäldernhätte nicht nur die Landschaft zerstört, ohne Holz wäreauch die Salzwirtschaft zusammengebrochen. Daherwurde schon im Mittelalter auf eine nachhaltige Wald-wirtschaft geachtet. Das Holz musste aus der weitenUmgebung herangeschafft werden. Dazu wurden Bergbäche einige Stunden hinter einer Holzwand, derKlause, aufgestaut. Wenn die Klause aufgeschlagenwurde, schwemmte ein Wasserschwall die im Fluss liegenden Holzstämme ins Tal. Holzknechte erledigten

diese schwere und gefährliche Arbeit, viele von ihnenlebten im Gosautal. Im 17. Jahrhundert reichte das Holz nicht mehr ausund Sudhäuser mussten stillgelegt werden. Die Berg-leute aber bauten eine Rohrleitung aus 13.000 aus-gehöhlten und ineinander gesteckten Baumstämmenbis nach Ebensee, wo genügend Holz verfügbar war.Diese Soleleitung – sie ist 40 km lang und die wohlälteste Pipeline der Welt – ging 1607 in Betrieb.

Kurgäste und Landschaftsmaler

Bis weit in die Neuzeit wurde die alpine Bergweltals unwirtlich und feindlich empfunden. Erst dieRomantiker, insbesondere Jean Jacques Rousseau, entdeckten und interpretierten die Ästhetik derGebirgswelt, vor allem in der Schweiz. Die Romantik entdeckte aber auch das Salzkammergut.Im ausgehenden 18. Jahrhundert kamen Gelehrte,Künstlerinnen und Künstler hierher. Alexander vonHumboldt rühmte 1797 die Gegend als österreichischeSchweiz. In den folgenden Jahrzehnten besuchten Kunstschaf-fende das Salzkammergut, um hier zu schreiben oderzu malen, unter ihnen Adalbert Stifter. Mit seiner wohlberühmtesten Erzählung, „Bergkristall“, setzte er 1845dem Dachstein ein literarisches Denkmal von Weltrang.Die Erzählung berichtet von zwei Kindern, die sich am Heiligen Abend im Gebirge verirren und die Nachtin einer Eishöhle verbringen. Männer aus zwei Berg-dörfern, die bis zu diesem Zeitpunkt verfeindet waren,beginnen in der Nacht mit der Suche. Am Weihnachts-tag werden die Kinder gefunden, die beiden Dörferversöhnen sich auf Grund der gemeinsamen Rettungs-aktion. Der ORF verfilmte die Erzählung 1999. Das Salzkammergut gilt auch als die Geburtsstätte derLandschaftsmalerei im Biedermeier. Ferdinand GeorgWaldmüller malte den Dachstein und verkörperte damitden neuen Blick auf die alpine Landschaft. Ins Salz-kammergut reisten auch Jakob und Rudolf von Alt,Moritz von Schwind oder Hans Makart. Es kamen soviele Künstlerinnen und Künstler in die Region, dassJohann Nestroy spottete: „Um jeden steirischen Felsensitzen drei Maler herum und pemseln drauf los.“

Das Salzkammergut wurde im 19. Jahrhundert aberauch zum Nobelkurort. Ärzte empfahlen etwa Rheuma-kranken schon vor 200 Jahren Badekuren, insbesondeream Meer. Ein Arzt in Bad Ischl versuchte es mit Bädernin Ischler Sole und konnte damit zahlreiche krankeBergleute heilen. Das sprach sich rasch bis nach Wienherum – bereits 1825 waren 278 Zimmer für Kurgästeverfügbar. 1827 kam Erzherzog Franz Karl, der jüngereSohn von Kaiser Franz I. mit seiner Frau Sophie auf Kur.

Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut38Fo

to:

UN

ESCO

Beinhaus

Page 41: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Die Monarchie wartete auf die Geburt eines Thronfolgers.Kurz nach dem Kuraufenthalt wurde tatsächlich einKronprinz geboren – der spätere Kaiser Franz Joseph.Und dies, obwohl Sophie zuvor fünf Fehlgeburten erlitten hatte. Das Volk sprach vom „Salzprinzen“, Bad Ischl wurde zu einem Kurort ersten Ranges. FranzJoseph selbst machte 1848 die ihm bestens vertrauteGegend zu seinem Sommerdomizil.

Hoch vom Dachstein her

Der Dachstein ist der östlichste vergletscherte Gebirgs-stock der Alpen mit einer riesigen Hochfläche, steilabfallenden Felswänden und zahlreichen Höhlen. Der Kalk des Dachsteines stammt aus dem frühen Erd-mittelalter, der Trias. Das Gebiet lag damals am Randeines tropischen Meeres, seine Riffkalke bildeten dengewaltigen Gebirgsstock. Im Meer der Trias schwammenAmmoniten, frühe Verwandte der Tintenfische mitspiralförmig aufgerollten Gehäusen, meist zentimeter-groß, manche aber auch mit einem Durchmesser vonnahezu zwei Metern. Am Feuerkogel, nur 15 km vonHallstatt entfernt, wurden 500 Arten dieser fossilenWeichtiere identifiziert – es ist dies die bei weitemreichste Ammonitenfauna, die jemals an einem einzigen Platz auf der Erde gefunden wurde. Der Dachstein selbst ist von Höhlen durchzogen, derBerg verkarstet leicht, das Gestein hat viele Risse undKlüfte. Hier dringt Wasser ein, das im Wasser enthalteneKohlendioxid löst den Kalk auf und vergrößert die Risse

und Spalten, es entstehen gewaltige Höhlen. Die Hirlatzhöhle hat eine Länge von 87 km und ist damitdie längste Höhle der Alpen. Obwohl das Gebiet seitmehr als 100 Jahren intensiv erforscht wurde, findensich immer wieder neue Höhlensysteme und neueDurchstiege. Eine weitere Besonderheit des Dachsteines sind seineEishöhlen. In diesen Höhlen strömt die Luft im Winterhöhleneinwärts und im Sommer höhlenauswärts. Die Temperatur bleibt unter dem Gefrierpunkt. Sicker-wasser und Schneeschmelze gefrieren zu Höhleneis,bizarre Eisgebilde entstehen.

Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut 39

>> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 1

Bedrohung und Schutz, Management

Das Welterbe liegt – mit unterschiedlichen Flächen-anteilen – in drei Bundesländern: Oberösterreich, Steiermark und Salzburg. Die Abteilung Raumordnungdes Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung ist gemeinsam mit der Region und den Welterbe-gemeinden für das Management der Welterbestätteverantwortlich. Der Runde Tisch unter der Leitung desOberösterreichischen Landeshauptmannes berät undbeschließt Maßnahmen für den Erhalt und die Entwick-lung des Welterbes. Ein Managementplan existiert nochnicht, 2004 hat der Runde Tisch beschlossen, dafürgeeignete Richtlinien zu entwickeln.

Die Kulturgüter und das Bergwerk sind durch das Bundesdenkmalschutzgesetz seit langem geschützt, die Forstgesetze sowie die Wasserrechtsgesetze

schützen die Wälder und die Karstquellen. Das Karst-gebiet des Dachsteines und der Gletscher sind Natur-schutzgebiet. 60% der Kernzone des Welterbes sind als Natura 2000-Gebiete geschützt. Auf europäischerEbene hat Österreich die Alpenkonvention ratifiziert,die ihrerseits den besonderen Schutz der Berggebietevorsieht. Im Statusbericht von 2005 hält die UNESCOfest, dass das Welterbe ausreichend und effektivgeschützt ist, der Runde Tisch ein geeignetes Manage-mentinstrument darstellt und die gute Zusammenarbeitzwischen der UNESCO und den Landesstellen in Ober-österreich den Schutz des Welterbes fördert. Es existieren aber auch Gefahren und Bedrohungen.Dazu zählen – anders als in den übrigen österreichischenWelterbestätten – auch Naturgefahren. Im hochalpinenBereich bedrohen Lawinen und Muren Bannwälder und

Foto

: U

NES

CO

Hoher Dachstein

Page 42: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut40

Schwerpunkt Umwelt und nachhaltige Entwicklung

Das Welterbe Hallstatt-Dachstein Salzkammergut umfasstsowohl das kulturelle als auch das natürliche Erbe. Damiterkennt die UNESCO die Bewahrung der natürlichen Viel-falt und den Erhalt der Kulturlandschaft des Salzkammer-gutes als für das Erbe der Menschheit bedeutungsvolleAufgabe an. Die UNESCO koordiniert auch die UN-Dekade„Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (2005-2014)und entwickelt international Umsetzungsvorschläge.Hallstatt liefert ein historisches Beispiel für eine frühe,über Jahrhunderte dauernde nachhaltige Entwicklungund damit wichtige Beiträge zur Diskussion überLebensstil, Entwicklung und Selbstbeschränkung.

Vielfalt an Flora und Fauna

Vom Tal bis zum Gipfel des Dachsteines sind es etwa2500 Höhenmeter, entsprechend vielfältig sind Faunaund Flora. In Talnähe, auf etwa 500 m Seehöhe, findensich Mischwälder mit Buchen und Eschen sowie Nadel-hölzern, weiter oben vor allem Fichten- und Lärchen-wälder, die schließlich in lockere Bestände von Zirbenund Legföhren übergehen. Dort findet sich auch dieBewimperte Alpenrose, ein im späten Frühjahr prächtigblühender Strauch (Almrausch). In den höchsten Regionen wachsen nur mehr niedrige Polsterpflanzenwie der Ennstaler Silbermantel. Murmeltiere und Gämsen sind am Dachstein zu beobachten, ebenso der Steinadler als König dieser Berge. Der Dachstein ist Natura 2000-Gebiet und damit ein Schutzgebietvon europäischer Bedeutung.

Wasserreservoir Karst

Karstgebiete wie der Dachstein sind nicht nur von Höhlen durchzogen. Sie haben auch eine überragendeBedeutung als Trinkwasserreservoir. Etwa die Hälfte des Trinkwassers in Österreich ist Quellwasser, davonstammt der überwiegende Teil – etwa das WienerHochquellwasser – aus Karstquellen. Auch das Gebietum den Dachstein ist ein gewaltiges Trinkwasser-reservoir. Ein solcher Schatz muss verantwortungsvollbewahrt werden. Das Wasser wird nur wenig gefiltert,Abwässer können von der Oberfläche ins Grundwassergelangen, Müllablagerungen in Höhlen gefährden die Wasserqualität. Dies stellt besonders touristischintensiv genutzte Regionen, aber auch Schutzhüttenvor große Herausforderungen. Die Errichtung von Kläranlagen oder der Transport des Abwassers ins Talsind extrem teuer – aber notwendig, um sicher zu stellen, dass einer der größten Schätze der Bergwelt,das Trinkwasser, nicht verunreinigt wird.

Beispiel für nachhaltiges Leben

und Wirtschaften

Weltweit besteht Übereinstimmung, dass eine Entwick-lung, die auf die ökologische Krise und gleichzeitig aufdie sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungenreagiert, erforderlich ist. Die natürlichen Ressourcensollen auch künftigen Generationen zur Verfügung

damit auch Siedlungen. Dem Schutz der Wälder kommthier besondere Bedeutung zu.

Die Aufgabe der traditionellen landwirtschaftlichenNutzung gefährdet die Kulturlandschaft. Viele Almenwerden nicht mehr bewirtschaftet, eine Jahrhundertealte Bewirtschaftungsform geht vielerorts verloren.Dazu beigetragen hat auch eine Regelung, dieursprünglich zum Schutz der regionalen Landwirtschaftgetroffen wurde. Um den Bauern im Tal den Zugang zuden Almen und damit zu einer wichtigen Futterquellefür die Tiere zu sichern, durfte kein Fremdvieh auf dieAlmen gebracht werden. Damit erhielten auch kleineBauern, die nicht einmal genügend Wiesen für eine Kuh besaßen, die Möglichkeit, die Almen für ihre Ziegenzu nutzen. Mit dem Rückgang der Viehwirtschaft im Tal

und der zunehmenden Stallhaltung verwaisten dieAlmen. Chancen für die Region bietet der Tourismus. Hallstattbesuchen jährlich etwa 550.000 Tagestouristinnen und -touristen, der Markt zählt an die 600.000 Über-nachtungen. Der Verkehr im Ort wurde in den 90erJahren zum Problem. Damals wurden an Spitzentagen260 Busse in den engen Gassen gezählt. Heute müssenBesucherinnen und Besucher außerhalb des Ortes parken, nur die Hallstätter Bevölkerung selbst darfin den Ort fahren. Im gesamten Welterbegebiet bemüht man sich umsanften Tourismus durch die Errichtung von thema-tischen Wanderungen wie die literarisch-malerischenoder archäologischen Wanderungen, den „WelterbeNature Trail" oder einen Gletscherlehrpfad.

Page 43: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut 41

stehen (von den Zinsen leben und nicht vom Kapital).Gleichzeitig soll die Wirtschaft so weiterentwickeltwerden, dass die Bedürfnisse der Menschen befriedigtund die Armut bekämpft werden kann. Der Zusammen-halt der Gesellschaft muss erhalten bleiben, Gerechtig-keit ein Leitprinzip werden. Nur eine nachhaltige Ent-wicklung ist zukunftsfähig.

Die weitgehend geschlossene Welt des mittelalterlichenSalzkammergutes war ein Beispiel für nachhaltigesWirtschaften unter frühindustriellen Bedingungen. EinFilmbeitrag über Hallstatt aus der Reihe „Schätze derWelt“ endet mit dem Satz: „Der Mensch hat der Naturabgerungen, was er braucht: das Salz, das Holz, dasWasser. Das sensible Gleichgewicht von Mensch undNatur war hier oft gefährdet und doch nie zerstört.Vielleicht ist das das wirkliche Wunder von Hallstatt.“

Tatsächlich gelang es über Jahrhunderte, die Über-nutzung der Natur zu verhindern. Der Wald wurde früh-zeitig bewirtschaftet. Sogar der Fischfang war strenggeregelt. Wenn zu wenig Fische gefangen wurden,mussten die Fischer Netze mit größeren Maschenweitenverwenden, um den Bestand an Jungfischen zu schonen.Eine Regelung, die trotz massiver Überfischung derWeltmeere von der internationalen Fischerei bis heuteleider nicht übernommen wurde.

Diese Nachhaltigkeit war allerdings mit vielen Ein-schränkungen und Entbehrungen verbunden. Zu- undAbwanderung etwa erforderte Genehmigungen. Zwarkonnte die Gesellschaft ein Maximum an Nachhaltigkeiterreichen – ein Umstand, der uns zu Recht Bewunde-rung abringt. Veränderungen aber waren nur sehr ein-geschränkt zugelassen. Die Aufklärung ersetzte diesevon Gott und Kaiser gegebene Ordnung durch den Fort-schritt, durch das Streben nach Freiheit und Weiterent-wicklung. Diesem Fortschritt verdanken wir unsereMöglichkeiten zur Selbstbestimmung. Doch der maßloseGebrauch der Freiheit gegenüber der Natur und denMenschen gefährdet die gewonnene Freiheit: Sieendet, wenn unsere Lebensgrundlagen zerstört sind.Eine zukunftsfähige Gesellschaft kann nicht die alteNachhaltigkeit wieder beleben, sie muss, aufbauendauf den Erfahrungen, neue Formen entwickeln.Die Salzwirtschaft des Salzkammergutes ist ein Beispielfür eine frühe nachhaltige Entwicklung. Wir sind gefordert, daran anknüpfend, weiter zu denken.

Die Silberminen von Potosí

Im Salzkammergut bedeutete Salzbergbau Reichtum fürBischöfe, Fürsten und Herrscherhäuser. Doch die Arbeitin den Bergwerken war mühsame und gefährlicheSchwerarbeit. Die einfachen Arbeiter und Arbeiterinnenblieben arm. Alternativen gab es nicht, da die Ausreiseverboten war. Erst der beginnende Tourismus lindertedie Not der Bevölkerung. Ein anderes Welterbe erinnert an die grausameGeschichte eines der reichsten Erzvorkommen der Erde,an die unmenschlichen Arbeitsbedingungen in einerlebensfeindlichen Landschaft: Potosí, die „Silberminendes Teufels“, in Bolivien. Auf 4000 m Seehöhe, in einer steppenartigen Land-schaft, befindet sich ein kegelförmiger Berg mit deneinst reichsten Silbervorkommen der Welt. Schon dieInka hatten hier Silber gefördert. 1545 gründete Spanien eine Bergbausiedlung und wenige Jahrzehntespäter wurde so viel gefördert und exportiert, dass

Silber in Europa und China an Wert verlor: Die „Silber-inflation" des 16. Jahrhundert beeinflusste auch dieWirtschaftswissenschaften. Um 1610 lebten mehr als150.000 Menschen in der neu gegründeten Stadt

Bergwerke und Kulturlandschaften als Welterbe

>> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 2

Foto

: U

NES

CO /

Mad

rid

De

Zito

, L.

Silberminen von Potosí

Page 44: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut42

Potosí, eine der größten Städte der damaligen Welt.Kaum 10% von ihnen arbeiteten unter Tag. Die übrigenwaren damit beschäftigt, alle erforderlichen Güter wie Lebensmittel oder Holz heranzuschaffen sowie das Silber abzutransportieren. Die indigenen Berg-arbeiterinnen und Bergarbeiter arbeiteten unterunmenschlichen Bedingungen, tausende von ihnenstarben in den Minen. Nach 1800 erschöpfte sich das Silber und Zinn wurdezum Hauptabbauprodukt. Die Stadt verlor ihre Bedeu-tung. Aber auch heute noch arbeiten tausende Kinderim Alter von 7 bis 16 Jahren unter unerträglichenArbeitsbedingungen im Silber-, Zink- und Bleibergbauoder auf den Abraumhalden. Wie groß Elend und Verzweiflung der Menschen in diesem Bergwerk sind,verdeutlicht, dass manche von ihnen in den SchächtenSchreine mit Teufelsstatuen errichten, auf denen sieZigaretten, Kokablätter und Schnaps als Opfergabenlegen: Unter der Erde könne sie Gott nämlich nichtmehr beschützen, sondern nur mehr der Teufel selbst. Seit 1987 sind die Stadt, die alten Industriebauten, dieAnlagen der Wasserhaltung und die ArbeiterquartiereTeil des UNESCO-Welterbes.

Das Salzbergwerk von Wieliczka

Seit mehr als 2500 Jahren wird im Salzkammergut Salzabgebaut. Das Salz hat Herrscherinnen und Herrscherreich gemacht und die gesamte Region geprägt. Auchanderen Regionen brachten Salzvorkommen Reichtum.Im Süden Polens, 17 km von Krakau entfernt, liegtunter der Kleinstadt Wieliczka eines der ältesten Salz-bergwerke der Welt. Schon vor 5000 Jahren wurde hierSalz gewonnen, die aus Quellen stammende Sole aufoffenem Feuer eingekocht. Wie in Hallstatt erlebte dieSalzwirtschaft ihren Aufschwung im Mittelalter. Als sichdie Salzquellen erschöpften, begann man im 13. Jahr-hundert nach Salz zu graben, es entstand eines derbedeutendsten Bergwerke Polens. Bis zu einem Viertelder polnischen Staatseinnahmen stammten aus demSalzabbau in Wieliczka. Das Salz wurde hier vor allem in Trockenbauweiseabgebaut, die Bergleute hämmerten es aus demGestein. Hunderte Kilometer lange Stollen entstanden.Auch hier wurde viel Holz benötigt – weniger zumBeheizen von Sudhäusern als vielmehr zum Abstützender Stollen und Kammern. Berühmt wurde das Berg-werk durch seine Skulpturen, die über Jahrhundertevon Bergleuten angefertigt wurden. Im Bergwerk findetsich sogar eine Kathedrale, mit Figuren, Reliefs undKronleuchtern – aus Salz. Auch hier wurde und wird, wie in Hallstatt, die heilen-de Wirkung des Salzes genutzt, allerdings unter Tage,mit einem Sanatorium im Berg und Heilstollen zur Lin-

derung von Atemwegserkrankungen. Seit 1978 ist dasBergwerk Welterbe und arbeitet auch mit Hallstattzusammen.

Das Kultur- und Naturdenkmal Uluru –

Ayers Rock

In Australien steht eine einzigartige Felsformation inenger Verbindung mit der Kultur der Aborigines – „Uluru“, auch als „Ayers Rock“ bekannt. Er ragt als gewaltiger Inselberg aus rotem Sandstein348 m über die Wüste in die Höhe. Das wenige Wasser,das in dieser trockenen Gegend fällt, sammelt sich aufdem Plateau und speist von dort einen fruchtbarenGürtel um den Felsen – in einer sonst kargen Land-schaft. Manche Wasserlöcher sind so tief, dass sie das ganze Jahr über Wasser führen – eine vielfältigeTier- und Pflanzenwelt profitiert davon. Der Berg istauch Kulturstätte: Er ist ein heiliger Ort der Aborigines,an dem bis heute Zeremonien abgehalten werden. Hier finden sich bis zu 30.000 Jahre alte Höhlen-zeichnungen, jeder Fels hat eine mythische Bedeutungund manche Orte sind so heilig, dass über sie nichteinmal gesprochen werden darf. Seit 1987 ist die Felsformation aus Sandstein wegenihrer überragenden kulturellen Relevanz für die Abori-gines sowie als einzigartige Naturerscheinung Welterbe.Uluru ist auch eine Tourismusattraktion – die Aboriginessehen es jedoch nicht gerne, wenn man ihn besteigtund ihren heiligen Ort „mit Füßen tritt“. Als Frevel gilt,Steine vom Felsen mitzunehmen, es soll Unglückbringen. Und tatsächlich senden Menschen Steinchenin Kuverts an den Nationalpark zurück mit der Bitte, sie wieder an ihren Platz zu legen, damit ihr Unglückein Ende habe. Viele Besucherinnen und Besucherrespektieren jedoch den Wunsch der Aborigines undbesteigen nicht den Inselberg, sondern bewundernihn nur von unten.

Foto

: U

NES

CO /

Th

orse

ll,

J. W

.

Uluru – Ayers Rock

Page 45: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut 43Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler

1 >>

Welterbe aktiv

Die spannendsten Geschichten über den Salzbergbauund die besten Bilder der Bergwelt verblassen gegen-über dem Eindruck, den ein Besuch der Welterbe-stätte vermittelt. Der Tourismusverband Inneres Salz-kammergut hat ein Programm für Schulen entwickelt:Projekttage, aber auch einzelne Besuchertage werdenorganisiert. Informationen und die Möglichkeit zurAnmeldung bietet die Webseite www.welterbe-aktiv.at

Salzbergwerk und Museum

Hallstatt kann aber auch gut „auf eigene Faust“ erkundet werden. Das Bergwerk gibt Einblick in dieGeschichte der Salzgewinnung und ist auch für Kinderattraktiv: Auf der längsten Holzrutsche Europas wirdsogar die Geschwindigkeit mittels Radar gemessen und jede Besucherin, jeder Besucher „geblitzt“. Das Museum erzählt die 7000-jährige Geschichte derSalzgewinnung. Wenn das kein Exkursionsziel ist…

Wander dich schlau!

Nicht bei allen Schülerinnen und Schülern beliebt –aber ein bleibendes Erlebnis sind thematische Wande-rungen. Der Tourismusverband Inneres Salzkammergutbietet dazu Informationen und Unterstützung. Es gibtetwa geologisch-botanische Wanderungen, literarisch-malerische Wanderungen oder eine Spurensuche nachden Katakomben der Geheimprotestanten.

Projekte einer Welterbeschule

Die Welterbe-Hauptschule Bad Goisern setzt sich intensiv mit dem Welterbe und den Prinzipien derWelterbe-Bildung auseinander. Im Unterricht wird daher traditionelles Handwerkebenso berücksichtigt wie Projekte zum Welterbedurchgeführt. Die Homepage enthält nähere Informa-tionen (http://schulen.eduhi.at/welterbehauptschule-badgoisern, www.unesco-schulen.at).

Chemie des Salzes

Salz ist Thema des Chemieunterrichts – seine Löslich-keit, seine Gitterstruktur, seine Eigenschaft als Auftau-mittel, seine technische Bedeutung. Das Züchten vonSalzkristallen oder Versuche zur Löslichkeit von Salzwerden vielleicht auch in deinem Chemieunterrichtdurchgeführt.

>> Welche Möglichkeiten aber gibt es, Salz zu gewinnen? Wie wurde und wird Salz abgebaut?

Die prähistorischen Hallstätter haben mit Bronzepickelndas Salz aus dem Berg gestemmt, im Mittelalter wurdees gelöst und die Sole eingedampft.

>> Beschreibe die unterschiedlichen Verfahren, schildere die Vor- und Nachteile.

Die Seite http://www.kidsnet.at/Sachunterricht/salz-gewinnung.htm enthält interessante Informationen.

Page 46: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler44

Wer braucht schon Salz?

Die Produktionskapazität der Saline in Ebensee betrug2006 etwa 800.000 Tonnen im Jahr – das sind 100 kgfür jede Österreicherin, jeden Österreicher. Wir brauchenSalz als Würzmittel,300 g Salz pro Tag aber wären tödlich.

>> Finde heraus, wer Salz benötigt und wofür(mehr als die Hälfte des Salzes wird als Auftaumitteleingesetzt).

>> Wo ist der Einsatz von Salz problematisch undkann sogar zu Umweltschäden führen (Streusalzschädigt Bäume)?

Die Schwarzen Reiter

Der Protestantismus hatte im Salzkammergut zahlreicheAnhänger und Anhängerinnen – sehr zum Missfallender katholischen Obrigkeit. Doch das abgelegene Landbot Rückzugs- und Fluchtmöglichkeiten, daher konnteeine protestantische Gemeinschaft überleben. In BadGoisern lebt auch heute eine protestantische Gemein-schaft. In der Zeit der Gegenreformation musste sie imVerborgenen ihre Gottesdienste feiern, in den Höhlendes Dachsteinmassivs, die auch „Katakomben des Salzkammergutes“ genannt werden. Die Sage „Dieschwarzen Reiter vom Gosausee“ berichtet von ihrerVerfolgung. Soldaten verfolgten im Winter fliehendeprotestantische Familien über das Eis des Gosausees.Doch während die zu Fuß Flüchtenden das Ufererreichten, brachen die Reiter ein, ertranken – undwurden in schwarze Fische verwandelt, die manmanchmal, an schwülen Sommertagen, aus dem Wasser springen sieht.

>> Suche dir eine Sage (www.sagen.at hat eine eigene Seite mit Sagen aus dem Salzkammergut) und versuche herauszufinden, aus welcher Zeit dieSage berichtet und welchen historischen Kern sie enthält.

Salz schreibt Weltgeschichte

Meersalz aus Frankreich, Himalaya Steinsalz oder dochBad Ischler Spezialsalz? Wir können wählen, welchesSalz wir kaufen. Noch vor zwei Jahrzehnten war dieskeine Selbstverständlichkeit, denn Salz war Staats-monopol und wegen der hohen Steuern relativ teuer.Bis in die 70er Jahre der 20. Jahrhunderts räumtenBauern das Salzfass vom Tisch, wenn Besuch kam – um zu verbergen, dass sie das billigere, mit Eisenoxidbraun gefärbte Viehsalz als Speisesalz verwendeten –denn das war verboten. Salz war von weltpolitischer Bedeutung – ein Boykottdes Salzmonopols stand am Beginn der UnabhängigkeitIndiens. England verbot bei strengen Strafen dieGewinnung von Salz aus dem Meer, das Salz wurde mit2800% Steuer belegt. Die arme Landbevölkerung littunter Salzmangel, viele erkrankten. Mahatma Ghandibegann am 5. April 1930 mit einem Salzmarsch: Er riefdazu auf, Salz am Strand zu sammeln und begannselbst damit. Zehntausende folgten ihm gewaltlos,obwohl er und an die 50.000 weitere Menschen, unterihnen fast alle Kongressmitglieder, verhaftet wurden.Der Marsch erregte weltweit großes Aufsehen. Ein Jahrspäter war Salz des Meeres für alle freigegeben – undIndien auf dem Weg in die Unabhängigkeit.

>> Salz hat eine große wirtschaftliche Bedeutung,aber auch hohen symbolischen Wert. Finde Beispiele dafür – in Sprichwörtern und Zitaten,in der Geschichte, in Bräuchen (Salzsegnung).

Page 47: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut 45Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler

2 >>

Wasser: Lebensraum und Lebensmittel

Wasser sparen und Wasser reinhalten ist seit Jahr-zehnten Thema der Umweltbildung, entsprechend vieleWasserprojekte und Initiativen gibt es. Das Umwelt-ministerium hat eine eigene Homepage für Lehrerinnenund Lehrer mit zahlreichen Vorschlägen für Wasser-projekte eingerichtet (www.generationblue.at).

Der Dachstein ist ein riesiges Trinkwasserreservoir, dasfür kommende Generationen erhalten werden muss.Die Bäche, Flüsse und Seen des Salzkammergutes sindLebensraum einer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt.

>> Hinterfrage die Situation am Dachstein: Warum istder Gebirgsstock ein Wasserspeicher? Welche Gefahrendrohen für das Trinkwasser? Welche Folgen hätte dasdrohende Abschmelzen des Gletschers durch den Klimawandel?

Karst – Naturphänomen oder Folge der

Umweltzerstörung?

Als „Karst“ wird eine Landschaft in Slowenien, Italienund Kroatien bezeichnet. Das Wort bedeutet ursprüng-lich „steiniger, unfruchtbarer Boden“. In dieser Regionist der Karst eine Folge des Raubbaues an der Natur:Insbesondere Venedig brauchte Unmengen Holz, dieWälder wurden abgeholzt, der Boden der Erosion aus-gesetzt, er verkarstete, wurde unfruchtbar. Ganz andersam Dachstein: Oberhalb der Waldgrenze ist der Karstein natürliches Phänomen – durch nachhaltiges Wirt-schaften blieb hier der Wald erhalten.

>> Vergleiche die beiden Karstgebiete und analysieredie Bedeutung der Waldwirtschaft für die Erhaltungdes Lebensraumes. Welche Folgen hatte die Ent-waldung am Balkan und welche Folgen hätte eineEntwaldung des Salzkammergutes?

Gletscher ohne Zukunft?

Der Klimawandel lässt die Gletscher schmelzen, einigePrognosen gehen davon aus, dass es in wenigen Jahr-zehnten in den Ostalpen keine Gletscher mehr gebenwird.

>> Welche Auswirkungen hat das Abschmelzen derGletscher? – Was würde sich am Dachstein ändern? – Welche Veränderungen ergeben sich für die

Vegetation, für den Wasserhaushalt? – Und wohin wandern Schneehuhn und Gletscherfloh?

>> Erstelle eine Liste von Maßnahmen, was gegenden drohenden Klimawandel getan werden kann.

>> Was kannst du selbst dagegen tun?

Vielleicht initiierst du ein Klimaprojekt in der Schule,das Klimabündnis hilft dir gerne dabei (www.klimabu-endnis.at). Und wenn du wissen willst, wie hoch deinepersönliche CO2-Produktion ist, verwende den Rechnerauf der Internetseite www.umweltbildung.at.

Nachhaltigkeit lernen

Die UNO hat für 2005-2014 die Dekade „Bildung fürnachhaltige Entwicklung“ ausgerufen.

>> Informiere dich darüber (www.unesco.at,www.nachhaltigkeit.at, www.umweltbildung.at).

– Was zeichnet eine nachhaltige Entwicklung aus?– Warum kann die Jahrhunderte dauernde Salz-

wirtschaft im Salzkammergut als Beispiel fürNachhaltigkeit gelten?

– Schreibe einige Kriterien auf. - Überlege anschließend, was wir davon lernen

können und wo wir neue Wege suchen müssen.

Page 48: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Semmeringbahn 199846

Nach Süden, übers Gebirge!

In der Halle des Wiener Südbahnhofes steht eine geflü-gelte Löwenfigur aus Stein: Der Löwe, er zierte mehr als50 Jahre lang das im Zweiten Weltkrieg schwer beschä-digte alte Südbahnhofgebäude, ist bis heute ein Symbolfür die Verbindung Wiens mit der Adria.

Italienische Kultur prägte Wien (vgl.Historisches Zentrumvon Wien). Künstler und Gelehrte reisten bereits imMittelalter nach Italien, andere pilgerten zum Papstnach Rom. Doch die Reise zu Fuß oder mit Kutschenwar ein langwieriges Unterfangen und wenigen vorbe-halten. Mit der Eisenbahn wurden aus Tagen Stunden,

aus Monaten Tage. Reisen wurde ein Massenphänomen.Das Eisenbahnzeitalter begann in Wien 1837 mit derErrichtung der Nordbahn. Nur wenige Jahre späterwurde eine Linie nach Süden geplant – Ziel war Italien.Ein bis dahin unüberwindbares Hindernis stand derRealisierung entgegen: die Alpen. Am Semmering wurdezwischen 1848 und 1854 in nur sechs Jahren die ersteGebirgsstrecke der Welt errichtet. Wir bewundern heutenicht nur den Pioniergeist und die harmonische Linien-führung sondern auch die zukunftsweisende Planung:Seit mehr als 150 Jahren ist die Strecke praktischunverändert in Betrieb.

Foto

s: Ö

ster

reic

h W

erbu

ng

Begründung der Aufnahme in die Welterbeliste

· Die Semmeringbahn stellt eine hervorragende technische Lösung für ein Hauptproblem bei der Errichtung von Bahntrassen in der Frühzeit des Eisenbahnbaues dar. (Kriterium ii)

· Durch den Bau der Bahn wurden Gebiete großer natürlicher Schönheit leicht zugänglich, sie wurden für Wohn- und Erholungszwecke erschlossen. Eine neue Form der Kulturlandschaft entstand. (Kriterium iv)

Welterbe „Semmeringbahn und umgebende Landschaft“

1998 hat die UNESCO die Semmeringbahn in die Welt-erbeliste aufgenommen – als erste Bahnlinie der Welt.Damit wurde die 41 km lange Eisenbahnverbindungüber den Semmering mit 16 Tunneln und 15 Viaduktenals weltweit bedeutendes Kulturdenkmal anerkannt. Der Bau der Semmeringbahn war eine herausragendeIngenieurleistung in der Pionierphase des Eisenbahn-baues. Die hervorragende Bauqualität der Tunnel undViadukte ermöglichte den ununterbrochenen Betrieb

der Bahn bis zum heutigen Tag – über mehr als 150Jahre. Die Bahn fügt sich in eine großartige Bergland-schaft ein, sie hat diese auch erschlossen und geprägt:Hotels und Villen der Jahrhundertwende zeugen bisheute vom Beginn des Tourismus.Darüber hinaus ist der Semmering als literarisches Thema in den Werken von Stefan Zweigs »BrennendesGeheimnis« und Karl Kraus' »Die letzten Tage derMenschheit« bedeutsam.

Page 49: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Vom Traum zur Planung

Als 1825 George Stephenson im Nordosten Englands(zwischen Stockton und Darlington) die erste dampf-betriebene Eisenbahn in Betrieb nahm, setzte eineEntwicklung ein, die in wenigen Jahrzehnten die Weltveränderte. Mit bis dahin unbekannter Geschwindigkeit(Stephensons Lokomotive „Rocket“ schaffte bereits 48 km/h) konnten Menschen und Güter in großer Zahltransportiert werden.

Wien benötigte einen leistungsfähigen Verkehrsweg zurAdria, zum Meer. Für die Eisenbahn gab es zwei mög-liche Wege: einen, der alten Bernsteinstraße folgend(vgl. Welterbe Neusiedler See), im Osten der Alpen undeinen quer über das Gebirge durch die Steiermark. Der Weg über das Gebirge war wesentlich kürzer,zudem hatte Erzherzog Johann in den ersten Jahrzehn-ten des 19. Jahrhunderts den obersteirischen Industrie-raum entwickelt: 1844 wurde eine Bahnlinie zwischenGraz und Mürzzuschlag in Betrieb genommen, der Her-zog förderte die Semmeringvariante. Doch nie zuvorwar eine Bahnlinie durch weitgehend unbewohnteWildnis über ein Gebirge gebaut worden, es gab keineLokomotive, die in der Lage gewesen wäre, sich selbst,geschweige denn einen Zug, über die Berge zu ziehen.

Ein Ingenieur war überzeugt, eine solche Eisenbahnplanen und bauen zu können: Carlo Ghega (später CarlRitter von Ghega). Er wurde als Sohn albanischer Eltern1802 in Venedig geboren, studierte in Padua Mathe-matik (mit 17 Jahren erhielt er die Doktorwürde) undkannte das englische und amerikanische Eisenbahn-wesen. Als Ghega 1843 den Auftrag erhielt, eine Trasse überden Semmering zu planen, durchwanderte er monate-lang das Semmeringgebiet und entwickelte eine Linien-führung mit insgesamt 16 Viadukten und 15 Tunnelssowie einer maximalen Steigung von 2,5% (eine ähnli-che Steigung weist heute übrigens die Wiener U-Bahn-linie U1 auf). Ghega setzte auf eine Adhäsionsbahn:Der Antrieb sollte nur über die Haftung der Räder (undnicht Zahnräder oder einen Seilzug) erfolgen. Es gabauch andere Pläne: Alois Negrelli, technischer Leiter derNordbahn und einer der Planer des Suezkanals, schlugein Spitzkehrensystem vor. Andere wollten eine Zahn-radbahn realisieren. Sogar eine mit Druckluft bewegte„atmosphärische Eisenbahn“ war im Gespräch.

1848 endete das Biedermeier, eine Zeit des gesellschaft-lichen Stillstandes, in einer Revolution: Metternich ver-ließ Wien, Kaiser Ferdinand dankte ab, der junge Franz

Josef übernahm die Regierung, die Aufstände wurdenvom Militär brutal niedergeschlagen. Die Regierungwollte einerseits Arbeit schaffen, andererseits die revolutionären Arbeiter möglichst aus der Stadt ent-fernen – zum Semmering: Ghega wurde beauftragt, die Semmeringstrecke zu bauen.

Der Bau der Strecke

In nur sechs Jahren, von 1848 bis 1854 wurde die ersteGebirgsbahn der Welt errichtet – von bis zu 20.000Arbeiterinnen und Arbeiter – mehr als 3000 von ihnenwaren Frauen. Der Bau war mit ungeheuren Anstren-gungen verbunden, an die 1000 Menschen (die genaueZahl kennt niemand) starben. Die wenigsten Menschenkamen dabei durch Unfälle ums Leben, Typhus undCholera waren die häufigsten Todesursachen.

Ghega hatte nicht nur mit Kritikern und technischenSchwierigkeiten zu kämpfen, sogar Terror bedrohte dasBauprojekt. Denn auch das österreichische Militär förderte den Bau mit dem Ziel, Nachschub für Soldaten

Semmeringbahn 47

Die erste Gebirgsbahn der Welt

Foto

: Pr

ivat

arch

ivEr

ich

Kod

ym

oben: Streckenwärterhäuschen

unten: Galeriebögen Weinzettlwandtunnel

Foto

: Pr

ivat

arch

ivEr

ich

Kod

ym

Page 50: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

im rebellischen Oberitalien sicher zu stellen. In Italienaber war Garibaldi ein Held für die Einheit des Landes,die Österreicher Feinde. Wegen des Baues der Eisen-bahn wurde Ghega von manchen Italienern und Italie-nerinnen als Verräter angesehen, bei einem Messer-attentat eines Italieners auch verletzt – zum Glück nurleicht. Ghega riskierte viel: Zu Baubeginn gab es keine Loko-motive, die eine solche Steigung bewältigen konnte.Erst 1851 – der Bau der Strecke war bereits weit fort-geschritten – wurden auf Grund einer Ausschreibungvier Lokomotiven ausgewählt. Obwohl sie alle die ge-forderten Leistungen erbrachten (und gekauft wurden),wurde eine eigene „Semmering-Lokomotive“ gebaut:Im Mai 1854 und damit rechtzeitig zur Eröffnung –wurden 16 nach ihrem Erfinder benannte „Engerth-Lokomotiven“ ausgeliefert. Sie bewältigten die Berg-fahrt mit der atemberaubenden Geschwindigkeit von19 Stundenkilometern, die Talfahrt sogar mit 23 Stundenkilometern.Neben den riesigen Viadukten – das höchste ist über46 Meter hoch – war der Bau der Tunnel eine beson-dere Herausforderung. Dynamit als Sprengstoff warnoch nicht erfunden, Schwarzpulver aber hat eine nurgeringe Sprengkraft und erzeugt viel Rauch. Der Scheitel-tunnel wurde nicht nur von zwei Seiten vorangetriebensondern von insgesamt 12 Punkten aus in den Berggegraben. Durch senkrechte Schächte wurden Arbeiterund Arbeiterinnen hinab gelassen und Gestein abtrans-portiert. Am Ende wurden die Tunnels mit Ziegeln aus-gekleidet: 65 Millionen Stück waren dafür erforderlich.

Als erste Hochgebirgsstrecke war die Semmeringbahnauch eine Herausforderung für die Sicherheitstechnik.Um die Strecke ausreichend überwachen zu können,wurden in Sichtabstand insgesamt 55 steinerne Streckenwärterhäuser und 32 Signalhäuser errichtet.Korbsignale zeigten den Lokomotivführern an, ob die Strecke frei war, zwischen den Stationen wurden elek-trische Glockensignale eingerichtet – eine technischeNeuerung der damaligen Zeit. Tatsächlich blieb dieSemmeringbahn von schweren Zugsunglücken ver-schont, Funkenflug setzte allerdings häufig Waldstückein Brand. Nach nur sechs Jahren Bauzeit konnte die Bahnlinie1854 eröffnet werden. Noch im gleichen Jahr wurdeder Zugsverkehr bis Ljubljana aufgenommen und dreiJahre später erreichte die Bahn in Triest das adriatischeMeer. Ghega aber hatte nicht nur eine neue Bahntrassegeschaffen, sondern ein Gesamtkunstwerk aus Technikund Natur.

Semmeringbahn48

Die Semmeringbahn ist nach wie vor die Hauptverbin-dung von Wien nach Graz bzw. von Wien nach Slowe-nien oder Italien. Sie ist in Vollbetrieb, mit täglich biszu 160 Personen- und Güterzügen.

Für die Bahnstrecke als Kulturgut bestehen zwei ganzunterschiedliche Gefahren: Zum einen durch Moder-nisierungsmaßnahmen, falls diese wenig Rücksichtnehmen auf die vorhandene Strecke, zum anderendurch die Einstellung des Bahnbetriebes.Die erste Gefahr wurde bereits frühzeitig erkannt: DieBahnlinie steht unter Denkmalschutz, jede Änderungund Adaptierung braucht die Zustimmung des Bundes-denkmalamtes. Ebenso ist die Landschaft vor schwer-wiegenden Eingriffen geschützt.

Bedrohung und Schutz, Management

>> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 1

Foto

: Pr

ivat

arch

ivEr

ich

Kod

ym

Theaterspielstätte Südbahnhotel

Page 51: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Semmeringbahn 49

Der Semmering als frühe Tourismusregion

Aspekte des Tourismus betreffen nahezu alle Welterbe-stätten: Mit der Aufnahme in die Welterbeliste erfahrendie jeweiligen Stätten eine touristische Aufwertung.Vielfach ist mit der Aufnahme die Hoffnung nach mehrBesucherinnen und Besuchern verbunden. Auf deranderen Seite gefährdet ungezügelter Massentourismusdie Wertigkeit der Welterbestätten. Diesem Thema istdaher auch ein eigenes Kapitel der UNESCO Unterrichts-mappe „Welterbe für junge Menschen“ gewidmet. Inder Entwicklung des Tourismus in Österreich hat derSemmering eine entscheidende Rolle gespielt. Ursprünglich war der Semmering nicht mehr als einschwer zu überwindendes Hindernis auf dem Weg in

den Süden. Mit der Bahn aber wurde er bald selbstzum Reiseziel. Natur und insbesondere die Bergweltwurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts zum Traumziel(vgl. auch Welterbe Kulturlandschaft Hallstatt – Dach-stein – Salzkammergut). Vor allem Künstler und Künstlerinnen kamen zum Semmering. Die Kunst des Fin de Siecle ist untrennbarmit dem „Zauberberg“ verbunden. Gebaut wurde imVillenstil, mit Elementen des Jugendstils sowie länd-lichen Elementen. Hotels, Pensionen und Villen ausdieser Zeit prägen bis heute die Landschaft. Der OrtSemmering war der erste planmäßig angelegte Ferien-ort Europas. Adelige und Geschäftsleute aus Wien undUngarn, unter ihnen der Herzog von Windsor, aberauch Künstler (Arthur Schnitzler, Gerhard Hauptmann)fanden am Semmering Erholung.

Der Semmering war Luftkurort, die Gebirgsluft sollte vorallem bei Lungenerkrankungen helfen. Für arme Leutewar der Semmering aber trotz Eisenbahn zu weit weg.Der Gründer des Gänsehäufelbades in Wien (heute das wohl bekannteste Bad der Stadt) wollte dieheilende Wirkung der Bergluft bekannt machen – ergründete auf dem Bisamberg (einem Hügel in der NäheWiens) eine Luftkurstätte und nannte sie Volkssemme-ring. Die Einrichtung blieb erfolglos und wurde wenigeJahre später geschlossen, die Namensgebung verdeut-licht aber die Popularität der Semmeringregion.

Foto

: Pr

ivat

arch

ivEr

ich

Kod

ym

Hotel Panhans

Der Semmeringbasistunnel würde nicht nur die Reise-zeit verkürzen und die bestehende Strecke entlasten –der Semmering würde damit wohl auch unrentabel und zur Museumsbahn. Damit würde sich jedoch derCharakter der Bahn, die „Wertigkeit“, stark verändern.Es wird eine besondere Herausforderung für die Bahn,den Erhalt der ersten Gebirgsbahn der Welt mit denAnforderungen moderner Mobilität in Einklang zu bringen.

Das Welterbe „Semmeringbahn“ umfasst auch dieumgebende Landschaft mit den Villen und Bauten, sielegt Zeugnis ab von einer Kultur der „Sommerfrische“vor 100 Jahren. Nach einer langen Zeit des wirtschaft-lichen Niederganges dieser Tourismusregion wurden inden letzten Jahren Akzente in Richtung eines Qualitäts-tourismus gesetzt: Hotels wurden renoviert, man spieltwieder Theater am Semmering.

Daneben prägt „Event-Tourismus“ vor allem die Wintersaison: Weltcupschirennen oder Wiener Schitagebringen tausende Menschen auf den Berg. Auch hier ist die Balance gefordert zwischen notwendiger wirt-schaftlicher Entwicklung und Bewahren des kulturellenund natürlichen Erbes.

Page 52: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Semmeringbahn50

Welterbestätten des Industriezeitalters

Tee für England – die Himalaya Bahn

25 Jahre nach der Fertigstellung der Semmeringbahnbegann im Jahre 1879 der Bau einer ganz anderenBergbahn – der nordindischen Himalaya Bahn von Siliguri nach Darjeeling. Die 86 Kilometer lange Bahn-strecke überwindet 2000 Höhenmeter und wurde innur zwei Jahren errichtet (die Semmeringbahn über-windet zwischen Gloggnitz und dem Pass eine Höhevon 543 Meter). Es ist eine Schmalspurbahn, die liebe-voll „Toy Train“, also Spielzeugeisenbahn, genannt wird.Weite Kehren wie bei der Semmeringbahn konnten in

den engen Bergtälern des Himalaya nicht gebaut werden:Der Zug muss rangieren, er fährt im Zickzack, einmalvorwärts, einmal rückwärts, über sechs so genannte Z-Kehren. Ein Konzept, das auch für die Semmering-bahn vorgeschlagen worden war. Die Bahn bewältigt eine Steigung bis zu 4,4% (also fastdoppelt so viel wie die Semmeringbahn) und kämpftdabei mit dem Rutschen der Antriebsräder. Auf densteilsten Stellen streut der Lokführer bis heute Ascheauf die Gleise. Mit der Bahn konnte Tee kostengünstig transportiertwerden – Darjeeling Tee wurde zu einer weltweitenQualitätsmarke. Die Bahn ist immer noch für den Personenverkehr im Betrieb, ihre Dampfmaschinen sind auch nach hundert Jahren noch funktionstüchtig. Seit 1999 ist die Bahn Weltkulturerbe.

Foto

: U

NES

CO

Himalaya Bahn

Dass die Bahn und die Landschaft mit den Hotels undVillen original erhalten geblieben ist, hat auch mit demwirtschaftlichen Dornröschenschlaf der Region zu tun.Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor der Semmering seineBesucherinnen und Besucher, viele der Villen undHotels standen lange Zeit leer, Investitionen lohntennicht. Erst die Diskussionen um den Bau eines neuenTunnels und die Ernennung zum Welterbe riefen den„Zauberberg“ und seine Bahn verstärkt ins öffentlicheBewusstsein. Erhalten blieb die historische Bausubstanz: „Weil sievergessen wurde, gibt es sie noch – diese Welt vonGestern, dieses Paradies der Sommerfrischler“ (aus:Schätze der Welt).

Der Tourismus zum Semmering zeigt heute sehr unter-schiedliche Ausprägungen: Die alten Hotels wurdenmodernisiert und bieten Wellness-Urlaub (frühernannte man dies Erholung oder Kuraufenthalt) der

Luxusklasse: mit Golfanlagen, Hallenbädern oderSchönheitstherapien. Daneben hat sich der Kultur- und Wandertourismus (meist Tagesausflüge) etabliert.Die Aufführung von „Alma“ am Semmering erreichteinternational Kultstatus.

Ganz anders die Mega-Events des Wintersports. Diedurch einen Radiosender organisierten Semmeringtagesind ein Massenereignis mit tausenden Besuchern und Besucherinnen aus Wien. Für Weltcupschirennenam Semmering wird wegen des Andranges sogar dieSchnellstraße über Kilometer zum Parkplatz umfunktio-niert.

>> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 2

Page 53: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Semmeringbahn 51

Verbindungen in die Ferne -

Radiostation in Grimeton

Mit der Eisenbahn begann eine neue Ära des Reisens.Strecken, für die Wanderer und Pferdekutschen Wochenbenötigten, bewältigte die Bahn in Stunden. VonBeginn an wurden nicht nur Menschen und Waren transportiert, sondern auch Informationen: In Post-säcken verpackt kamen Briefe und Karten mit Nach-richten aus fernen Weltgegenden.Doch es gab eine schnellere Möglichkeit: die Tele-graphie. Nachrichten konnten damit in Echtzeit (wiewir heute sagen würden) übertragen werden. Bei der Semmeringbahn wurden von Beginn an „elektro-magnetische Glockensignale“ zur Kommunikation zwischen den Stationen verwendet, schon 1858 (alsovier Jahre nach der Eröffnung) wurde für diesen Zweckauch ein Telegraph eingesetzt.

Mit den Reisenden in Kontakt bleiben: Das wünschen sich bis heute die Daheimgebliebenen. Der Telegraphmachte es erstmals möglich. Doch die Telegraphiebenötigte lange Zeit Drähte. Die Verlegung von Kabelnüber das Meer war aufwändig und teuer. Um mit denvielen Auswandererinnen und Auswanderern nachAmerika in Kontakt bleiben zu können, suchte man inSchweden nach dem Ersten Weltkrieg einen neuen Wegund errichtete Funkstationen. Eine einzige ist heutenoch voll funktionsfähig: die Sendeanlage Grimeton inSchweden, erbaut 1924. Sechs 127 Meter hohe Funk-türme sind Herz und Wahrzeichen der Anlage. Mit die-sem „Längstwellensender“ konnte keine Sprache oderMusik übertragen werden, nur Morsezeichen, die einAlphabet ergaben und in Texte übersetzt werden konn-ten. Am Beginn jeder Botschaft kommt bis heute dasMorsesignal von Grimeton: SAQ. Diese Kennung wurdezu einem Symbol für weltumspannende Kommunikation.Sie ist bis heute zu besonderen Anlässen zu hören und

kann sogar mit einem modernen PC empfangen werden.Wegen seiner Bedeutung für den Aufbau weltweiterKommunikationsnetze hat die UNESCO 2004 Grimetonin die Welterbeliste aufgenommen. Auch in Österreich befindet sich ein denkmalgeschützterhistorischer Sender. Die Anlage in Dobel bei Graz istetwas jünger als die Anlage in Grimeton und ebenfallsvoll betriebsfähig.

Ironbridge – die erste Brücke aus Eisen

In Mittelengland wurde 1781 – lange bevor Stephensondie erste Eisenbahn baute – die älteste noch erhaltene,vollständig aus Eisen bestehende Brücke gebaut: Die 30Meter lange Ironbridge war die größte frei schwebendeBrückenkonstruktion ihrer Zeit und ein Symbol für dasbeginnende Industriezeitalter. Ein junger Industrieller, der 23-jährige Abraham Darby,war vom Plan, eine Eisenbrücke über den Fluss zu bau-en, begeistert – obwohl es dafür kein Vorbild gab. Mitder Realisierung dieser Brücke wurden die technischenMöglichkeiten des Werkstoffes Eisen sichtbar: Als Bau-werk am Beginn einer Ära, die später das industrielleZeitalter genannt werden sollte, wurde die Brücke 1986in die Weltberbeliste aufgenommen.

Bei der Semmeringbahn aber, die 70 Jahre spätererrichtet wurde, fand diese Technologie keine Verwen-dung, die Viadukte wurden aus Stein und Ziegelnerrichtet. Ingenieure insbesondere der steirischenEisenwerke hielten diese Bauweise für „altmodisch“.Sie gaben Eisenkonstruktionen den Vorzug und spotteten über den „italienischen Maurermeister“.

>> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 3

Foto

: W

ikim

edia

/ T

he

Sin

gin

g Bad

ger

Ironbridge

Page 54: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Semmeringbahn Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler52

Pioniergeist und Skepsis

Rückblickend erscheint uns der Wandel, den der Bauder Eisenbahn ausgelöst hat, bescheiden im Vergleichzum gesellschaftlichen Wandel der letzten Jahrzehnte.Es war jedoch der Beginn einer Globalisierung, mitGewinnern und Verlieren, begleitet von Euphorie undSkepsis. Die folgenden Texte geben einen Eindruck vonEmotionen, die technische Neuerungen auslösen.

SkepsisInsbesondere bei der ländlichen Bevölkerung lösten die „Stahlrösser“ Angst aus. Peter Rosegger beschreibtdiese Skepsis in der Erzählung „Als ich das erste Mal imDampfwagen saß“: Der Patenonkel hat Angst vor demTeufelswerk, doch es fasziniert ihn auch. Er ringt sichtrotz seiner Ängste zum Mitfahren durch und steigt mitseinem Neffen vor dem Semmeringtunnel ein….

In demselben Augenblick wurde der Zug abgeläu-tet, und ich hörte noch, wie der Pate murmelte:„Das ist meine Totenglocke. Jessas und Maron!“schrie er, „da draußen fliegt ja eine Mauer vor-bei!“ Jetzt wurde es finster. Draußen in der Nachtrauschte und toste es, als wären wir von gewalti-gen Wasserfällen umgeben, und ein ums andereMal hallten schauerliche Pfiffe. Wir reisten unterder Erde. Der Pate hielt die Hände auf dem Schoßgefaltet und hauchte: „In Gottes Namen,… warumbin ich der dreidoppelte Narr gewesen“. ZehnVaterunser lang mochten wir so begraben gewesensein, da lichtete es sich wieder, draußen flog dieMauer, flogen die Telegraphenstangen und dieBäume, und wir fuhren im grünen Tal. - Mein Patestieß mich an der Seite: „Du Bub! Das ist gar ausder Weis gewesen, aber jetzt - jetzt hebt’s mir anzu gefallen. Richtig wahr, der Dampfwagen istwas Schönes!“ (gekürzt)

Dem Onkel gefällt die Fahrt so gut, dass er nicht aus-steigt sondern sitzen bleibt und schließlich fürs„Schwarzfahren“ eine Strafe zahlen muss.

EuphorieHeinrich Littrow fasste in seinen Gedichtendie Meinung der Bevölkerung zusammen.Nach einiger Kritik, unter anderem an derFinanzierung der Bahn, rühmt er denErbauer Ghega und den Konstrukteur derersten Lokomotive, Engerth:

Was ihr geleistet, soll man anerkennen.Und Eure Namen nur mit Ehrfurcht nennen.Du Ghega, hast den kühnen Bau geleitet, die Konzeption, die Trace waren Dein…und Engerth führt des Feuerrosses Zügelund jagt mit ihm jetzt über Thal und Hügel…

(Engerth war der Ingenieur, der, speziell für die Sem-meringbahn Gebirgslokomotiven baute. Beachte auch,dass die Reisegeschwindigkeit „über Tal und Hügel“etwa 20 km/h betrug!)

ErnüchterungSpätestens mit den ersten Zugskatastrophen – vondenen der Semmering glücklicherweise weitgehendverschont blieb - kamen Ernüchterung und Zweifel. DerEinsturz der Brücke über den Tay in Schottland 1879 –nur 25 Jahre nach der Eröffnung der Semmeringbahn –war für Theodor Fontane Anlass, in der Ballade „DieBrücke am Tay“ die Technikgläubigkeit zu hinterfragen.Da steht der Lokführer Johnie für naive Zuversicht:

…Und Johnie spricht: „Die Brücke noch!Aber was tut es, wir zwingen es doch.Ein fester Kessel, ein doppelter Dampf,die bleiben Sieger in solchem Kampf,und wie's auch rast und ringt und rennt,wir kriegen es unter: das Element.

Doch ein Sturm zerstört die Brücke.

…denn wütender wurde der Winde Spiel,und jetzt, als ob Feuer vom Himmel fiel,erglüht es in niederschießender Prachtüberm Wasser unten… Und wieder ist Nacht.

„Tand, Tand ist das Gebilde von Menschenhand"

>> Wie hätten die drei Autoren wohl die Fahrt desZuges über das höchste Viadukt beschrieben? Lass sieerzählen, was sie beim Anblick des Zuges in großerHöhe gedacht, gefühlt hätten. Beachte, dass sie auchunterschiedliche Ausdrucksweisen wählen würden.

1 >>

Page 55: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Semmeringbahn 53Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler

Der Ablauf von Fortschrittsglauben, Skepsis undErnüchterung findet sich immer wieder. Etwa beim Baudes Überschallflugzeuges Concorde oder bei der Ent-wicklung des amerikanischen Spaceshuttles.

>> Finde weitere Beispiele.

Die Bahn verändert die Gesellschaft

Mit der Eisenbahn konnten Waren rasch, in großerMenge und damit kostengünstig transportiert werden.Menschen fanden Arbeit (und damit einen Lebensun-terhalt) beim Bau neuer Strecken. Als Lokführer das„Feuerross“ zu beherrschen, wurde bald zum Kinder-traum. Doch es gab auch Verlierer: Pferdefuhrwerkerverloren ihre Arbeit, daher protestierten viele gegenden Bahnbau. Unter den Verlierern waren auch dieKöhler: Ihre Holzkohle war nicht mehr gefragt, denndie Bahn brachte Steinkohle in großen Mengen.

>> Recherchiert die Lebensbedingungen derMenschen am Lande (Steiermark, Niederösterreich)um 1800 und vergleicht sie mit denen um 1900(Geschichtebuch, lokales Museum, Chronik, Internet).

– Was hat sich geändert? – Für welche Änderung war Ferntransport

(und damit die Eisenbahn) ausschlaggebend?

Vom Nutzen der Reibung

Nur die Reibung zwischen Rädern und Schienenermöglicht den Antrieb einer Adhäsionsbahn. Doch dieReibung zwischen den blanken Metallschienen undden eisernen Rädern ist gering, viel geringer als etwazwischen den Reifen eines Autos und der rauen Straße(was geschieht bei Glatteis?). Damit verbunden ist eingroßer Vorteil – einmal in Bewegung, treten wenig Reibungsverluste auf – aber auch ein großer Nachteil:Bei Steigungen (oder zu heftigem Anfahren) drehen dieRäder durch.

Adhäsionsbahnen werden meist bis zu einer Steigungvon 3% gebaut, es gibt aber auch Ausnahmen: DiePöstlingbergbahn in Linz weist auf etwa einem Kilo-meter Streckenlänge eine Steigung von 10,5% auf undist damit eine der steilsten Reibungsbahnen der Welt.Probleme treten nicht nur bei der Bergfahrt auf, bei derTalfahrt kann der Zug gefährlich ins Rutschen kommen.

>> Erkläre den Begriff „Adhäsion“: Wovon hängt dieStärke der Reibung ab? (Im Physikunterricht gibt esdazu viele Beispiele und Versuche.)

>> Straßenbahnen führen Streusplit mit. Wenn einerasche Bremsung notwendig ist, streut der Fahrerüber ein Rohr diesen Split vor die Räder. Warum?

>> Die Engerth-Lokomotive war so konstruiert, dassauch das Gewicht des Tenders (Kohlewagens) auf derLokomotive lastete. Warum?

Die Mappe „Welterbe für junge Menschen“ enthältgerade im Hinblick auf die Auswirkungen des Tourismuszahlreiche Anregungen für den Unterricht (z.B. einWelterbe-Tourismusspiel).

Der Semmering ist Ausflugsziel: Im Sommer bietet er fürWandererinnen und Wanderer, Erholungssuchende,Kulturinteressierte ein breites Angebot, im Winter stehtder Schi- und Snowboadsport im Vordergrund. DieBedürfnisse und Erwartungen sind jedoch unterschied-lich. Ziel ist das Verständnis der Schüler und Schülerin-nen für die Besonderheit und Schutzwürdigkeit derRegion zu wecken. Darüber hinaus sollen sie sanfteFormen des Tourismus kennenlernen und wissen, dasssie durch den Kauf regionaler Produkte (regionalesEssen) eine nachhaltige Entwicklung unterstützen.

2 >>

Page 56: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

3 >>

Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler54 Semmeringbahn

Denkmäler der Zukunft?

Technische Entwicklungen verändern unser Leben. Welche aber werden in Zukunft als Meilensteine für richtungsweisende Entwicklungen angesehen? Dieersten Handymasten? Ein Windrad als Symbol für dieWende hin zu sanften Energieformen? Oder die Server-Farmen von Google?

>> Überlegt, welche technischen Entwicklungen unserLeben verändern (werden) und nennt Symbole dafür.

Als die Menschen reisen lernten….

Tourismus, insbesondere Massentourismus, ist ein Phä-nomen unserer Tage, frühere Generationen sind kaumauf Urlaub gefahren. Die Eisenbahn ermöglichte amSemmering die Entwicklung zum Ferienort – einem derersten in den Alpen. Doch wie reisten die Menschendamals? Was nahmen sie mit? Wie verbrachten sie dieFerienzeit und welche Speisen verzehrten sie?

Gruppe 1: Schreibe eine Packliste: Was hättest du damals mitgenommen in den Urlaub?Was nimmst du heute mit?

Gruppe 2: Wie hättet ihr die Tage und die Abendeverbracht? Was war anders als heute?

Gruppe 3: Welche Speisen wurden serviert? Waswaren Lieblingsspeisen von damals, was gab es nicht?

Erholung am Semmering

Ihr habt bei einem Wettbewerb mitgemacht undgewonnen! Ein verlängertes Wochenende am Semme-ring: vier Tage im traditionsreichen Hotel Panhans mitHallenbad und Fitnessstudio.

>> Macht euch einen Plan für die Tage am Semmering(Informationen gibt es auf der Homepage www.sem-mering.at). Wie reist ihr an? Was wollt ihr unbedingtsehen, was tun? Wohin würdet ihr Ausflüge planen?Was würdet ihr genießen? Was fehlt?

>> Wo kommt ihr mit dem Welterbe in Berührung?Was wollt ihr vom Welterbe sehen? Und was würdetihr vermeiden, um das Welterbe zu schützen? (Gruppe 1: Winterurlaub - Gruppe 2: Sommerurlaub)

Wandern oder Snowboarden?

Keine Frage: Die meisten Schulklassen würden sichwohl für den Sport entscheiden. Doch welchen Einflusshat der Tourismus auf die Region? Wie verändert sichdie Landschaft durch Schipisten und Liftanlagen? Undwie durch Wanderwege?

>> Je eine Gruppe kann versuchen, die Auswirkungendes Sommer- bzw. Wintertourismus zu analysierenund Vorschläge zu machen, wie man die Nachteilevermeiden kann (Anreise, Verhaltensweisen).

Es geht keineswegs darum, eine Form gegen die andereauszuspielen. Tausende Wandererinnen und Wanderer,die mit dem Auto anreisen und im Wald parken, scha-den der Landschaft ebenso wie rücksichtslose Schifah-rer und Schifahrerinnen.

>> Findet Kriterien für Wanderungen heraus, die euchSpaß machen. Was gehört dazu, was davon könnt ihram Semmering finden?

Seit neuestem gibt es einen „Bikepark“ am Semmering,einen Abenteuerspielplatz für Radfahrerinnen undRadfahrer.

>> Bewertet diese Attraktion aus eurer Sicht.

Page 57: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Historisches Zentrum der Stadt Graz 199955

Foto

: U

NES

CO

Foto

: St

adt

Gra

z /

Fisc

her

Begründung der Aufnahme in die Welterbeliste

· Das historische Zentrum von Graz zeichnet künstlerische und architektonische Strömungen aus dem germanischen Raum, dem Balkan und dem Mittelmeerraum nach, als deren Kreuzungspunkt die StadtJahrhunderte lang diente. Die besten Architektinnen und Architekten und Künstlerinnen und Künstler dieser unterschiedlichen Regionen fanden hier zu kraftvollem Ausdruck und brillanter Synthese. (Kriterium ii)

· Der städtische Komplex, der das historische Zentrum von Graz bildet, ist ein außergewöhnliches Beispiel für das harmonische Zusammenspiel architektonischer Stilrichtungen aus unterschiedlichen Epochen.Jede Ära wird durch typische, vielfach meisterhafte Bauwerke repräsentiert. Glaubwürdig erzählt das Stadtbild die Geschichte seiner historischen Entwicklung. (Kriterium iv)

Nicht das Mittelmeer ist vom Schlossberg aus zu sehen(auch wenn in Graz durchaus italienisches Flair spürbarist), wohl aber ein Meer roter Dächer. Auch ein blaues,blasenartiges Ungeheuer mit seltsamen Fortsätzentaucht in diesem Meer auf – das „Friendly Alien“ (sogenannt von den Architekten Cook/Fournier) als neuesKunst- und Kulturzentrum an der Mur. „Friendly Alien“ ist das Wahrzeichen des NEUEN GRAZ,einer pulsierenden Stadt des 21. Jahrhunderts, dieKulturhauptstadt Europas 2003. Seit diesem Jahr stehtGraz - nach den rebellischen Aufbrüchen des „steirischenherbstes“ in Literatur und Architektur in den 1960er-und 1970er-Jahren – wieder im Zentrum der kultu-rellen und künstlerischen Moderne in Europa. Graz ist eine Stadt, der es gelungen ist, Gewachseneszu bewahren ohne auf moderne Akzente zu verzichten.

Die Altstadt der zweitgrößten Stadt Österreichs wurde1999, im Rahmen der 23. Sitzung des Welterbe-komitees in Marrakesch, Marokko, als Welterbestättegelistet.Graz liegt an einem Schnittpunkt zwischen Westeuropaund Südosteuropa. Die geografische Positionierungbegründete die Bedeutung der Stadt als Wirtschafts-zentrum zwischen dem Donauraum und der Adria. Graz wurde zur multikulturellen Drehscheibe, ein Ortder Begegnung von Menschen aus den umliegenden Ländern, an dem Gelehrte ihre Studien betrieben, aber auch ein Ort historischer Auseinandersetzungenzwischen Religionsgemeinschaften.

Das Grazer Kunsthaus und

alte Dachlandschaften

Welterbe „Historisches

Zentrum der Stadt Graz“

Page 58: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Frühzeit einer Stadt

Die Anfänge von Graz finden sich im Mittelalter, Fundeam Hauptplatz belegen die Besiedlung seit dem 11. Jahrhundert. Gradec – „Kleine Burg“ - lautete derursprünglich slawische Name der Stadt, die urkundlicherstmals im Laufe des 12. Jahrhunderts erwähnt wurde.

Ein Straßenmarkt an einem Murübergang – dies warwohl der Beginn der Stadt. Die Grazer Bürgerinnen undBürger betrieben neben dem Gewerbe auch Landwirt-schaft. Ein sakraler innerstädtischer Mittelpunkt fehltedamals, vielmehr entwickelte sich ein Kirchenzentrumaußerhalb der Stadt auf einer erhöhten Lage. DieseZweiteilung in Markt und erhöhte Wehrkirche wartypisch für das 13. Jahrhundert und bildete denGrundstein für die spätere Stadtentwicklung in Altstadtund Stadtkrone. Unter die Herrschaft der Habsburger kam Graz gegenEnde des 13. Jahrhunderts. Herzog Friedrich V., derspätere Kaiser Friedrich III. (1440-1493), residierte inGraz und gestaltete die Stadt: Er baute die Stadtburgund den Dom neu, erweiterte die Altstadt und dieStadtmauern. Die auf ihn zurückgehende Anlage derStadt ist bis heute erhalten.

Der Schlossberg diente bereits seit dem 10. Jahrhundertals Schutzberg und Wehranlage für die Stadt. Seit dem15. Jahrhundert erforderte aber die ständige Bedrohungdurch die Türken neue Befestigungen. Die Schreckender damaligen Zeit zeigt das Fresko „Landplagenbild“(Gottesplagenbild) von Meister Thomas von Villach ander Fassade des gotischen Grazer Domes.

Graz als Residenzstadt

Nach der Teilung des Habsburgerreiches wurde Graz im16. Jahrhundert zur Residenz Innerösterreichs, einesTerritoriums, das die Steiermark, Kärnten, Krain, Görzund Istrien umfasste.

Ferdinand I. baute Graz zur Hauptfestung Inneröster-reichs aus und engagierte „welsche“ Architekten, dieden Renaissance-Stil und damit den noch spürbarenitalienischen Flair nach Graz brachten. Das Landhaus inder Herrengasse (1557-1565) gleicht einem veneziani-schen Palazzo, es ist der bedeutendste Renaissancebauaußerhalb Italiens. Bereits seit 1588 untersagen „Rumortafeln" an denbeiden Einfahrten ins Landhaus, in dem Gebäude zurumoren, Schwert, Dolch oder Brotmesser zu zücken,sich zu balgen und zu schlagen. Vielmehr solle manhier „in Worten und Werken bescheiden sein, sonstwird man an Leib und Leben bestraft“. Die Verhaltens-regeln hängen bis heute hier.

1619 übersiedelte der Grazer Hof nach Wien, Graz bliebzwar Landeshauptstadt, verlor aber seine zentrale Stellung als Residenzhauptstadt. Graz blieb wehrhaft,wegen der Bedrohung durch die Türken wurde einArsenal an Waffen produziert und im 1644 erbautenLandeszeughaus in der Herrengasse aufbewahrt.

Historisches Zentrum der Stadt Graz56

Drehscheibe zwischen Südosteuropa und Westeuropa

Foto

: U

NES

CO

Historisches Zentrum Graz

Foto

: U

NES

CO

Landhaus

Page 59: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Mit 32.000 Exponaten enthält es die bedeutendstehistorische Waffensammlung der Welt! Obwohl Graz seine Bedeutung als Residenzstadt verlo-ren hatte, wurden zahlreiche barocke Prunkbauten vorallem im Auftrag des katholischen Adels errichtet (zB.Attems, Wildenstein, Stubenberg und Welsersheimsowie Schloss Eggenberg).

Dennoch: Politische und wirtschaftliche Bedeutungwaren geschwunden, daher entwickelte sich Graz nichtzu einer Stadt des Hochbarocks wie etwa Salzburg oderWien. Erst eine neue Wirtschaftspolitik Karls VI., desVaters von Kaiserin Maria Theresia, brachte neuen Auf-schwung. Die Reichs-Commercialstraße Wien-Triest führte nunüber Graz, der Handel mit Süd- und Südosteuropagewann an Bedeutung. Handelssitze, Fabriken undBanken wurden gegründet, bürgerliche Vorstädte wieLeonhard und Geidorf entstanden und durch den Bauder Universitäten erhielten sie wichtige kulturelle undwissenschaftliche Impulse. Der Verlust politischer Macht hatte auch seine guten Seiten: Die Bausubstanzfrüherer Generationen blieb erhalten.

Bollwerk - Schlossberg

Die Befestigungen der Stadt blieben bis zu den Napo-leonischen Kriegen intakt. Zwar konnten auch dieFranzosen Graz nicht erobern, doch der Friede vonSchönbrunn im Jahre 1809 zwang die Stadt Graz (wieauch Wien) zur Schleifung ihrer Wehranlagen. Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt aber kauftenNapoleon ihren im 13. Jahrhundert errichteten Uhr-turm ab und konnten somit das heutige Wahrzeichender Stadt vor der Zerstörung retten.

Der Uhrturm diente über Jahrhunderte als Wehrturmund Feuerwache. Neben der Feuerglocke gab es die„Armesünderglocke“, die bei Hinrichtungen geläutet

wurde. Die Zeiger am 5 Meter großen Ziffernblatt desUhrturmes sind vertauscht, weil ursprünglich nur dieStunden angezeigt wurden. Erst später wurde der –kleinere – Minutenzeiger ergänzt. Auch der Glockenturm wurde von den Grazerinnen undGrazern „freigekauft“. Die beliebte „Liesl“ (sozusagendie „Pummerin“ von Graz) läutet täglich dreimal 101Schläge – weil die Glocke aus 101 Kanonenkugelngegossen worden sein soll. Nach der Zerstörung der Anlagen am Schlossberg wurden sukzessive weitere Wehrbauten im Stadtgebietaufgelassen. Die freigewordenen Bereiche wurden zu Grünflächen umgestaltet, diese umfassen mittlerweileinternational unerreichte 78% des Stadtgebietes.

Auch im 20. Jahrhundert diente der Berg den Graze-rinnen und Grazern als Schutz: Graz wurde im ZweitenWeltkrieg massiv bombardiert. Ein Stollensystem imFels, in das die Grazer Zivilbevölkerung bei Luftangriffenflüchten konnte, rettete tausenden Grazerinnen undGrazern das Leben.

Wirtschaftsstandort, Kulturhauptstadt

Graz ist aber keinesfalls eine verschlafene Provinzstadt.Mit seinen Maschinenbau- und Autofabriken ist Grazein wichtiger Wirtschafts- und Forschungsstandort.

1968 wurde der „steirische herbst“, das Festival derNeuen Kunst, gegründet - lange Zeit war dies das einzige Avantgarde-Festival in Österreich. Bis heutesorgen die Impulse des Festivals für Aufregung, setzenAkzente, die auch in der Grazer Kunstszene ein starkesEcho finden.

2003 war Graz europäische Kulturhauptstadt mit zahl-reichen international anerkannten Aktivitäten. Es wur-den u.a. spektakuläre Bauten errichtet, wie zB.„Friendly Alien“, das neue Grazer Kunsthaus, oder dieschwimmende Murinsel „Acconci“. Seit jeher ist Graz Heimat berühmter Persönlichkeitenaus dem Bereich Wissenschaft und Kunst, welche durchihr Schaffen Weltruhm erlangten (zB. Johann BernhardFischer von Erlach, Nikolaus Harnoncourt, Robert Stolz,Dr. Karl Böhm, Inge Morath).

Historisches Zentrum der Stadt Graz 57

Foto

: St

adt

Gra

z /

Fisc

her

Schlossberg, Uhrturm und Glockenturm>> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 1

Page 60: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Nach der Übersiedelung der Residenz nach Wien imJahre 1619 verlor Graz an politischer Bedeutung. DieStadt entwickelte sich gemächlich, ohne Druck vonaußen. Daher reihen sich die Gebäude von Epoche zuEpoche aneinander, ohne sich zu konkurrieren. Diesesharmonische Zusammenspiel architektonischer Stil-richtungen aus unterschiedlichen Epochen war einwesentliches Argument für die Aufnahme in die Welt-erbeliste.

In den 70er Jahren reagierten Aktivistinnen und Aktivisten, allen voran der Journalist Max Mayr, inKooperation mit der auflagenstärksten Tageszeitung der Steiermark, mit einer Medienaktion auf dengeplanten Abbruch einer architektonisch heraus-ragenden Häusergruppe. Das Aktionskomitee „Rettetdie Grazer Altstadt“, das nach wie vor aktiv ist, konntedie Verantwortlichen aufrütteln, die Gebäude bliebenerhalten.

Mit dem Beschluss des Grazer Altstadterhaltungs-gesetzes im Jahr 1974 wurden besondere Bestimmun-gen zum Schutz der historischen, städtebaulichen undarchitektonisch bedeutsamen Altstadt seitens der StadtGraz gesetzt (Altstadtsachverständigenkommission –ASVK).

Mit der Weltkulturerbestelle in der Stadtbaudirektionder Stadt Graz wurde eine zentrale Koordinationsstelleeingerichtet. Bemerkenswert ist der „WeltkulturerbeHistorische Altstadt Graz - Managementplan 2007“, der die strengen Vorgaben der UNESCO betreffend Monitoring erfüllt und die Abwicklung von Bauvor-haben in der Schutzzone koordiniert.

Neben den behördlichen Organen widmet sich auch die„UNESCO Landesarbeitsgemeinschaft Steiermark/Austria– Verein zur Förderung der UNESCO-Ziele“ dem Welt-kulturerbe.

Graz ist eine moderne Stadt. Alt und Neu bilden hiereine eindrucksvolle Symbiose – nicht nur im architek-tonischen Stadtbild, auch kulturell und ideell. DieWelterbe-Philosophie wird mitgetragen, der Welterbe-Gedanke ist lebendig.

Historisches Zentrum der Stadt Graz58

Bedrohung und Schutz, Management

Foto

: St

adt

Gra

z /

Stad

tbau

dir

ekti

onFo

to:

Stad

tG

raz

/ Fi

sch

er

oben: Gemaltes Haus, Herrengasse

unten: Hauptplatz mit Rathaus

Page 61: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Graz liegt an einem Schnittpunkt von Westeuropa undSüdosteuropa. An solchen Schnittpunkten entwickeltsich der Handel, es sind Orte der Begegnung, des kulturellen Austausches. Es sind aber auch Brenn-punkte von Konflikten und kriegerischen Auseinander-setzungen. UNESCO-Welterbestätten sind nicht in ersterLinie touristische Attraktionen. Es sind Orte derBeschäftigung mit dem Erbe, der eigenen Geschichteund der Geschichte der anderen.

Zipser Burg

Kreuzungspunkte von Kulturen sind vielfach um-kämpfte Orte: Bis zu sechs Meter dick waren die Mauernder Stadt Graz, um feindliche Angreifer abzuhalten.

Etwa 700 Kilometer von Graz entfernt, im Nordostender Slowakei, liegt ein anderer Schnittpunkt der Kulturen: die Landschaft Zips. Es ist eine blühendeLandschaft, erinnert viele an die Schweiz, die Slowakensprechen von ihrer Schatzkammer. Slawen, Juden undRoma, Deutsche, Ungarn und Ukrainer lebten hier.Orthodoxe, römische und griechische Katholiken schufen mit Protestanten und jüdischen Gläubigen eine multiethnische Kultur im Herzen Europas. Hier erbauten die Bewohnerinnen und Bewohner im12. Jahrhundert die größte Burganlage Mitteleuropas.Insbesondere nach den Mongoleneinfällen im 14. Jahr-hundert wurde die Burg erweitert – zur Verwaltung desLandes und zur Verteidigung gegen Angreifer. Neue Waffensysteme ließen den Wert der Verteidigungs-anlagen schwinden. Im 18. Jahrhundert – Graz hattenoch seine Stadtmauern – wurde die Burg nach Bränden verlassen und nicht wieder aufgebaut. Heute ist die Burg aus dem 12. Jahrhundert das Wahr-zeichen der Region, seit 1993 ist sie Welterbestätte.

Timbuktu

Graz war und ist eine Drehscheibe zwischen Süd- undWesteuropa. Vielleicht mit ein Grund, dass hier großeGelehrte, unter ihnen Johannes Kepler gearbeitet haben.

Am Schnittpunkt ganz anderer Kulturen, am südlichenRand der Sahara liegt eine Stadt, deren Namen fastjede und jeder kennt: Timbuktu, eine tausendjährigeHandelsstadt in Mali, auf deren Märkten Elfenbein,Gold oder Salz gehandelt wurde. Hier leben Schwarz-afrikanerinnen und Schwarzafrikaner und Araberinnenund Araber, vor allem Touareg, keineswegs immerfriedlich nebeneinander.

Im 14. und 15. Jahrhundert erlebte die Stadt eine Blütezeit, an einer Universität wurden Astronomie,Physik und Mathematik gelehrt. 80.000 Manuskript-seiten sind erhalten und zeugen vom hohen kulturellenNiveau der Stadt.

Weil es keine Steine gibt, wurden die Gebäude, auch dieMoscheen, aus Lehm gebaut. Diese charakteristischenLehmbauten hat die UNESCO schon 1988 auf die Welt-erbeliste gesetzt.

Historisches Zentrum der Stadt Graz 59

Welterbe am Schnittpunkt von Kulturen, als Mahnmal für Frieden

Foto

: U

NES

CO

Zipser Burg

Wik

iped

ia:

Skiz

ze v

on R

ené

Caillié,

Voy

age

a To

mbou

ctou

Timbuktu um 1830

Page 62: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Die UNESCO will mit den Welterbestätten ein besseresVerständnis für die unterschiedlichen Kulturen fördern.Die Auseinandersetzung mit der Geschichte zeigt, dassToleranz und Frieden in jeder Generation neu erarbeitetwerden müssen.Graz liefert dafür zahlreiche Impulse – als Ort derBegegnung, als Drehscheibe zwischen Kulturen aberauch als wehrhaftes Bollwerk und Ort religiös moti-vierter Auseinandersetzungen.

„Graz macht den Eindruck, als ob man zum Friedenkäme aus dem Krieg", meinte Franz Grillparzer. DieStadt ist auch heute ein friedlicher Ort, zumindest inder Altstadt und auf der Burg scheinen die Uhren wirk-lich ein klein wenig langsamer zu gehen als anderswo.So friedlich uns Graz - Stadt der Menschenrechte seit2001 - heute auch scheint, es war immer eine wehr-hafte Stadt. Gefahr drohte insbesondere durch dieEroberungszüge der Türken, später durch die TruppenNapoleons. Spuren der ehemaligen Befestigungsanla-gen, vor allem aber die umfangreiche Waffensammlungim Zeughaus erinnern an diese Bedrohungen.

Religiöser Fundamentalismus

Graz ist aber auch geprägt von religiösen Auseinander-setzungen zur Zeit der Reformation und Gegenreforma-tion. 1568 waren drei Viertel der Grazer Bevölkerungprotestantisch, die Stadt wurde von katholischen Habsburgern und vorwiegend protestantischen Ständenregiert.

Im Paradeishof (heute Kaufhauskomplex von Kastner & Öhler) wurde die protestantische Stiftsschule ein-gerichtet. Hier unterrichteten namhafte Gelehrte ausDeutschland, unter ihnen der Astronom und Mathe-matiker Johannes Kepler, der vier Jahre in Graz ver-brachte und am Ende seiner Grazer Zeit, im Jahre 1600,am Grazer Hauptplatz mit einer „camera obscura“ eineSonnenfinsternis beobachtete. Der katholische Erzherzog Karl II. berief im Gegenzugdie Jesuiten nach Graz, ihnen wurde die ehemaligeStadtpfarre St. Ägydius (heute Grazer Dom) unterstellt.1572 wurde das Jesuitenkolleg in der Bürgergasse, einimposanter Bau mit eindrucksvollen Arkadengängenund dem größten Innenhof in der Grazer Altstadt, er-richtet. Es ist bis heute Priesterseminar. Dreizehn Jahrespäter, 1585, erfolgte die Gründung der Universität,

Historisches Zentrum der Stadt Graz60

Welterbe und eine Kultur des Friedens

Hiroshima

Graz war gegen die Angriffe der Türken und später derFranzosen gut gerüstet. Das Zeughaus enthält heute diegrößte mittelalterliche Waffensammlung der Welt. Kriegbrachte immer Zerstörung, Leid und Tod. Doch moderneWaffensysteme können nicht nur eine Stadt zerstören,sie können das Leben auf der Erde auslöschen. Daranerinnert eine andere Welterbestätte: der Atombomben-dom und die Gedenkstätten in Hiroshima.

Am 6. August 1945 wurde erstmals eine Atombombegegen eine Stadt eingesetzt. Der Philosoph GüntherAnders sollte später über diesen Tag schreiben: „Andiesem Tag wurde bewiesen, dass wir fähig sind, denFaden der Weltgeschichte durchzuschneiden“. 70.000Menschen starben sofort, weitere 180.000 an den Folgen der Strahlung. Die Gewalt der Explosion war sogroß, dass selbst einer der Väter der Bombe, RobertOppenheimer, erschüttert sagte: „Wir haben das Werkdes Teufels getan“.

Bizarr verbrannte Ruinen in Hiroshima erinnern an diesen Tag, als Mahnmale für den Frieden. Eine um-strittene Welterbestätte, denn die USA unterstützten die Aufnahme in die Liste nicht.

Foto

: U

NES

CO

Hiroshima Mahnmal (Genbaku Dome)

Page 63: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

die spätere Karl-Franzens-Universität. Hier wirkten u.a.auch 6 Nobelpreisträger (zB. Julius-Wagner-Jauregg fürMedizin 1927).

Die Gegenreformation war keineswegs zimperlich: Über 10.000 protestantische Bücher wurden vor demPaulustor demonstrativ verbrannt. Glücklicherweisewurden die Erstausgaben dieser Bücher in der Universi-tätsbibliothek verwahrt und sind so erhalten geblie-ben. Die renommierte Stiftsschule musste geschlossenwerden, 1600 wurden protestantische Bürgerinnen undBürger und 28 Jahre später auch Adelige aus der Stadtverwiesen. Die Architektur aus dieser Zeit prägt bis heute die Stadtund ist gleichzeitig Mahnung zu Toleranz und Mensch-lichkeit.

Bewahrung des Friedens als Aufgabe der

UNESCO

Eine zentrale Aufgabe der UNESCO als Sonderorgani-sation der Vereinten Nationen (UNO) ist die Förderungeiner Kultur des Friedens, die definiert wird als „…eine Gesamtheit von Werten, Einstellungen, Verhaltens-und Lebensweisen, die Gewalt ablehnt und Konflikteverhindert, indem sie an deren Wurzeln ansetzt undProbleme durch Dialog und Verständigung unter Indi-viduen, Gruppen und Nationen zu lösen versucht“.

Anlässlich des Internationalen Jahres für eine Kulturdes Friedens im Jahr 2000 wurde eine Dekade für eineKultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit (2001 bis2010) ausgerufen. Die UNESCO initiiert in diesem Zeit-raum zahlreiche Kampagnen und Kooperationen imZeichen der Friedensbildung. Friedensbildung ist auch Anliegen der rund 8000UNESCO-Schulen in weltweit knapp 180 Ländern (übrigens: Im Bundesland Steiermark gibt es zwölfUNESCO-Schulen!). In einer offenen Atmosphäre imSchulalltag, durch intensiven Fremdsprachenunterrichtund internationale Schulpartnerschaften vermitteln sieinterkulturelle Bildung mit Schwerpunkt auf Frieden,

Menschenrechte und Demokratie sowie auf den Schutzvon Umwelt und Welterbe. Auch auf universitärer Ebene erfolgt die Auseinander-setzung mit dem Welterbe. Seit 1992 wurden weltweitknapp 600 UNESCO-Lehrstühle in 125 Ländern zur Förderung der internationalen Hochschulkooperation,der Forschung und Lehre im Sinne der UNESCO etabliert.Auch Graz erhielt 2007 einen UNESCO-Lehrstuhl: An derKatholisch-Theologischen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz wurde eine Professur für interreligiösenund interkulturellen Dialog für Südosteuropa einge-richtet.

Welterbe als Ort der Begegnung

Im Juni 2003 war Graz Schauplatz eines internationalenJugendtreffens, bei dem sich 144 Schülerinnen undSchüler und 34 Lehrerinnen und Lehrer aus 16 Ländernmit dem Thema Welterbe beschäftigten. Leben in der modernen Stadt und historische Stadt-architektur, Tanz und Mode, Traditionen und Kulinarikaus den Regionen zählten zu den mannigfaltigeninterkulturellen Themen der Workshops.

Gipfeltreffen der Religionen

Graz stand 2002 im Zeichen des „Friedens für dieWelt“. Der Dalai Lama, Friedensnobelpreisträger undgeistliches Oberhaupt des tibetischen Buddhismus,besuchte Graz und hielt ein mehrtägiges Ritual für den Weltfrieden ab. 9000 Menschen aus 70 Ländernnahmen an den Meditationen teil. Am Schlossberg fand auch ein Gipfeltreffen der Welt-religionen statt: Der Dalai Lama, als Vertreter des tibetischen Buddhismus, traf mit Vertreterinnen undVertretern christlicher Religionen, des Hinduismus, des Islam und des Judentums zusammen. Das Treffenhatte hohe Symbolkraft, gerade vor dem Hintergrunddes wachsenden Misstrauens zwischen den großenReligionsgemeinschaften.

Historisches Zentrum der Stadt Graz 61

>> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 2

Page 64: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Historisches Zentrum der Stadt Graz Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler62

1 >>

Alte und neue Wege

Graz war Verkehrsknotenpunkt für Händler und Reisendevon Ost nach West, von Nord nach Süd. Die „stratahungarica“ geht auf die Antike zurück und hatte imMittelalter als Verbindung zwischen Ost und WestBedeutung. Von Pannonien kommend, führte sie übereine Furt durch die Mur und stieß auf die von Nordennach Süden gehende Römerstraße. Heute ist vor allemdie Südautobahn A2 für den Verkehr von großer Bedeu-tung. Sie führt von Wien nach Graz und weiter nachKärnten und Italien. Eine andere Route führt von Ober-österreich nach Graz und weiter nach Slowenien. DiePhyrnautobahn (A9) zeigt auch heute, dass die Verbin-dung zwischen Südosteuropa und Deutschland über Grazführt. Eine Strecke, die in den 70er und 80er Jahren fürhunderttausende Gastarbeiterinnen und Gastarbeiterder Weg zur Arbeit und zurück in ihre Heimat war.

>> Welche Wege – Straßen, Meeres- oder Luftwege –die für Handel, Religion, Tourismus relevant warenbzw. sind, kennst du? (vgl. auch die Kapitel Semme-ringbahn und Neusiedler See)

>> Welche Wege nehmen Menschen heute? (Urlauber-ströme über die Alpen, Transitrouten für Waren)

>> Welche Vorteile bringt es mit sich, an einem Verkehrsknoten zu leben und welche Nachteile (denke auch an die Umweltbelastungen)?

Studieren und Forschen in Graz

Graz ist nicht nur ein starker Wirtschaftsstandort, son-dern auch Zentrum für Forschung, Wissenschaft undBildung. In Graz studieren tausende Studentinnen undStudenten. Darüber hinaus befindet sich in Graz mitdem Joanneum das größte FachhochschulzentrumÖsterreichs.

>> Wenn du dich über Ausbildungs- und Studien-möglichkeiten informierst, erkundige dich über dieMöglichkeiten in Graz, auch wenn du nicht in derSteiermark zu Hause bist.

Der Gang der Planeten

Einer der bedeutendsten Gelehrten der Wissenschafts-geschichte ist Johannes Kepler. Er erhielt als jungerForscher in Graz einen Lehrauftrag für Mathematik undAstronomie, obwohl er eigentlich Theologe werdenwollte. Kepler stützte sich auf das Weltbild von Kopernikus:Nicht die Erde, sondern die Sonne steht im Mittelpunkt.Die von ihm entwickelten Keplerschen Gesetzebeschreiben die Planetenbahnen als Ellipsen, in derenBrennpunkt die Sonne steht.

>> Kennst du die drei Gesetze? Die in Graz von Keplerentwickelten Überlegungen können Ausgangspunktzu einer intensiven Beschäftigung zum Sonnen- undPlanetensystem sein.

Als „Landschaftsmathematikus“ war Kepler in seinerGrazer Zeit auch für das Eich- und Messwesen, Karto-grafie und die Erstellung des jährlichen Kalenderszuständig, der auch Voraussagen über zu erwartendeEreignisse und Katastrophen beinhalten sollte.

>> Besprecht, was Kepler in den Kalender eingetragenhat. Er war ein tief religiöser Mensch und Astronom.Was könntet ihr eintragen (Feiertage)?

>> Was wäre für euch schwierig zu recherchieren(Mondphasen, Sonnenfinsternisse, Sichtbarkeit vonPlaneten oder Sternbildern)?

>> Was vermerkt ihr heute in euren Kalendern(Geburtstage, Schularbeiten, Ferien…)? Was davon hatte zu Keplers Zeit Bedeutung?

Page 65: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Historisches Zentrum der Stadt Graz 63Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler

Astronomie oder Astrologie

Liest du das Horoskop in der Zeitung? Der Wissen-schafter Kepler hat Horoskope zu Studienzweckenerstellt, um die Zusammenhänge zwischen Himmels-konstellation, Geburtszeitpunkt und Charaktereigen-schaften zu erforschen.

Die naturwissenschaftliche Forschung konnte keineZusammenhänge zwischen Sternzeichen, Schicksal undCharakter der Menschen feststellen. Dennoch lesen vieleMenschen Horoskope und hoffen etwas über ihre Zu-kunft zu erfahren oder Entscheidungshilfen zu erhalten.

>> Diskutiere mit deinen Mitschülerinnen und Mit-schülern: Warum war Kepler noch Astrologe undAstronom, während heute diese Bereiche strenggetrennt sind? (Anregung: Denkmal im Stadtpark,Gedenktafel im Paradeishof, Keplergymnasium)

Grazer Sagen

Wie in anderen Stätten auch, gibt es über Graz, seinehistorischen Stätten und seine Geschichte zahlreicheSagen (www.sagen.at).

>> Sucht euch eine Sage zu einem Ort, einem Ereignisaus und analysiert die Sage: In welcher Zeit spielt dasEreignis? Was will uns die Geschichte verdeutlichen,welche Moral steckt in ihr?

Graz als grüne Oase

Durch die Schleifung der Wehranlagen im frühen 19. Jahrhundert (als Folge des Schönbrunner Friedens-vertrages mit Napoleon) entstanden große Freiflächenin Graz. Viele davon blieben als Grünflächen erhalten,für die Lebensqualität von Graz sind sie heute von entscheidender Bedeutung. Gesunde Luft dagegen ist in Graz nicht selbstverständ-lich. Anders als in Wien, wo meist Wind durchs Donau-tal weht, liegt Graz in einem Becken. Die Luft, und mit ihr Abgase des Verkehrs, der Haushalte und derIndustrie, verweilen länger in der Stadt. Graz hatdarauf reagiert und fördert Maßnahmen zur Luftrein-haltung, wie umweltfreundlichen Verkehr.

>> Welche Maßnahmen zur Luftreinhaltung kennstdu? Welche sind dir von Graz bekannt? Wie trägst duselbst zur Luftreinhaltung bei? Auskünfte gibt unteranderem das Umweltbildungszentrum Steiermark(www.ubz-stmk.at).

Renaissance in Graz

Das Landhaus in der Herrengasse ist der bedeutendsteRenaissancebau außerhalb Italiens und gleicht einemPalast. Renaissance bedeutet die kulturelle Wiederge-burt der Antike, es ist eine Epoche zwischen der mittel-alterlichen Gotik und dem neuzeitlichen Barock - eineStilbezeichnung, die, ausgehend von Italien, Europavom 14. bis ins 16. Jahrhundert prägte.

In Kunst und Architektur gab es immer wieder Rück-griffe auf frühere Epochen. Die Wiener Ringstrassen-bauten etwa wurden im Stile des Historismus errichtet(vgl. Welterbe Wien). Auch heute greifen wir vielfachauf frühere Epochen zurück: „Retrolook“ in der Modeoder „Covering“ in der Musik verweisen auf voran-gegangene Vorbilder.

>> Welche Epoche fasziniert dich? Das Mittelalter oderdie Römerzeit? Überlege, was dir an diesen Epochengefällt und suche Gründe, warum im ausgehendenMittelalter die Antike „modern“ wurde.

Page 66: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Historisches Zentrum der Stadt Graz Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler64

2 >>

Friedenserziehung ist integraler Bestandteil von politischer Bildung und Menschenrechtsbildung, desglobalen Lernens und der Bildung für nachhaltige Entwicklung.

Materialien zu Themen wie Frieden und Toleranz sindetwa beim Zentrum polis (www.politik-lernen.at) oderbei Südwind (www.suedwind.at, globales Lernen)erhältlich.

Was ist Friede?

Wenn wir an Frieden denken, denken wir meist anKriege. So eng sind diese Begriffe verbunden. DochFriede ist mehr als ein Zustand ohne bewaffnete Konflikte. Friede spielt sich nicht nur in der Weltpolitik ab, sondern auch im unmittelbaren Umfeld. Friede beginntim Umgang miteinander, beim Spiel, in der Schule, der Freizeit. Mobbing ist bereits Gewalt, die anderenangetan wird.

>> Formuliert eure Gedanken zum Begriff „Friede“.Achtet bei der Arbeit besonders darauf, ob es im Zuge dessen zu Meinungsverschiedenheiten oderzu Konflikten kommt und wie ihr sie löst.

Respekt vor Überzeugungen

„Glaube kann Berge versetzen“, heißt es. Graz bietetauch die Möglichkeit, den Dialog zwischen Kulturenund Religionen in den Unterricht zu holen. Inter-religiöse Projekte tragen wesentlich zur Entwicklunggegenseitiger Toleranz bei. Die Grazer Stadtgeschichte zeigt, dass religiöse Frage-stellungen die kulturelle und geistige Entwicklung desOrtes und seiner Einwohner positiv wie auch negativbeeinflussen können.

>> Nehmt dies zum Ausgangspunkt, um überReligionen und die mit den Glaubensansichten verbundenen Traditionen zu diskutieren.

Schulpartnerschaften

Schul- oder Klassenpartnerschaften ermöglichen denAustausch von Erfahrungen, das Lernen voneinander.Dank Email und Internet sind solche Partnerschaftenmit Schulen auf der ganzen Welt möglich.

>> Überlegt, ob eure Schule/eure Klasse eine solchePartnerschaft eingeht, vielleicht mit einer UNESCO-Schule, vielleicht mit einer Schule in der Nähe eineranderen Welterbestätte.

Page 67: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Kulturlandschaft Wachau 200065

Foto

s: Ö

ster

reic

h W

erbu

ng

Die Steigerung von Barock

Den Beginn der Wachau markiert Stift Melk: „Ob präch-tig, bedeutend, bekannt oder kunstvoll, jede Eigen-schaft trifft ausschließlich im Superlativ zu. Für Melkmüsste sich das Wort Barock steigern lassen…“ merktein Reiseführer an (Die Wachau, Hannes Gans, 2006).36 Kilometer stromabwärts, am Ende der Wachau, liegtdie Doppelstadt Krems-Stein, mittelalterliches Han-delszentrum, als jüngste Universitätsstadt Österreichseine Bildungs- und Kulturstadt, die laut Reiseführer„nach Kunst schmeckt“. Dazwischen mit Wein bepflanzte, steinerne Terrassen

mit südländischem Flair, steile Felswände mit gewalti-gen Burgruinen und ein Strom in Bewegung: Nebenden Donauauen östlich von Wien ist dies der einzigenicht durch ein Kraftwerk verbaute Abschnitt der Donauin Österreich. Die Wachau ist, gerade in derVerbindung von spektakulärerNaturkulisse und einer überJahrtausende gestalteten Kultur-landschaft, nahezu ein Idealbildfür das „Land am Strome“.

Welterbe „Kulturlandschaft Wachau“

Das Welterbekomitee hat am 30. November 2000 beiseiner Jahrestagung im australischen Ort Cairns das 36km lange Flusstal zwischen Melk und Krems mit demStift Göttweig in Niederösterreich als Kulturlandschaftin die Welterbeliste aufgenommen. „Dieser kurze Abschnitt der Donau – 36 km von ins-gesamt 2800 km – ist einmalig“, heißt es in derBegründung für die Aufnahme. Durch seine vielfältigeLandschaftsstruktur, seine bedeutenden Kulturdenk-male und kleinstädtischen Ensembles stellt dieserAbschnitt des Donautals eine historische Kulturland-schaft von herausragendem universellen Wert dar.Natürliche Landschaftselemente – wie das gewundeneDonautal, Auwälder, schroffe Felsformationen – undvom Menschen gestaltetes Kulturland – wie die Wein-bauterrassen, typische Ortschaften und Flurformen,Stifte, Burgen, Ruinen – ergänzen einander. Das vonOsten in die Wachau reichende warme trockene

pannonische Klima ermöglicht die Kultivierung vonWein, der die Landschaft seit Jahrhunderten prägt.

Die Wachau wurde, wie es in der Begründung derUNESCO weiter heißt, schon früh besiedelt – die in derWachau gefundene Statuette der „Venus von Willen-dorf“ ist 26.000 Jahre alt. Die Donau war in römischerZeit Grenze, dann Verkehrsweg. Seit den Römern hatjede Epoche ein reiches bauliches Erbe hinterlassen,das allein schon die herausragende Bedeutung derWachau rechtfertigen würde. Als besonderes Charakte-ristikum werden die Blickbeziehungen und Sichtachsenzwischen den bedeutenden Monumenten genannt: Von Stift Melk über Schloss Schönbühel, die RuinenAggstein, Dürnstein und Hinterhaus erstreckt sich bis zu dem bereits etwas abseits gelegenen, aber weithinsichtbaren Stift Göttweig eine Reihe von Bauwerken mit besonderer Aussicht.

Page 68: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Schroffe Felsen, sanfte Hügel

Bis zu 750 m tief schneidet die Donau in das Gestein.Hier am Rande der böhmischen Masse sind es Gneise(entstanden aus Granit), weichere Schiefergneise (ent-standen aus Ablagerungen), die dunklen, aus vulkani-schem Basalt entstandenen Amphibolite, aber auchKalksilikate. Im Tal finden sich Meeresablagerungenund Schotter, den die Urdonau brachte, der Wind ver-

frachtete während der Eiszeit Löss vom Osten her. Vielfalt im Untergrund bedingt die Vielfalt der Land-schaftsformen, der spektakulären Felsformationen. Ummanche ranken sich Sagen, der Teufel hätte versucht,die Donau abzumauern, scheiterte aber, weil die Felsenseiner Hand entglitten (Sage um die Teufelsmauer beiSt. Johann in der Wachau). Im Tal treffen zwei Klimazonen aufeinander: Pannoni-sches Klima prägt den östlichen Teil des Tales, währendden oberen Teil der Wachau feucht-kühles mitteleuro-päisches Klima beeinflusst. Ohne menschliche Aktivi-täten wäre die Wachau dennoch ein bewaldetes Tal,mit Wärme liebenden Flaumeichen im Osten, aber auchBuchen oder Föhren sowie einigen offenen Stellen anden flachgründigen, trockenen Hängen. WärmeliebendeTiere leben hier, die seltene Smaragdeidechse ist hierzu finden. Mit einer Körperlänge von 40 cm ist sie diegrößte heimische Eidechse, in der Paarungszeit sind dieprächtigen Männchen smaragdgrün gefärbt und an derKehle leuchtend blau.

Doch die Wachau ist vor allem Kulturland: Menschenhaben die Hänge bewirtschaftet und erst damit dieheute so bewunderte Landschaft geschaffen. Die durchden Weinbau geschaffene Terrassenlandschaft prägt dieRegion und gibt ihr einen fast mediterranen Charakter.

Römer, Ritter, Klöster

Die Wachau ist uraltes Siedlungs-gebiet. Altsteinzeitliche Jäger undSammler lebten hier und schufenvor 26.000 Jahren eines der älte-sten Kunstwerke der Menschheit:eine nur 11 cm große Frauenfiguraus Kalkstein, bekannt unter demNamen „Venus von Willendorf“.

Kulturlandschaft Wachau66

Begründung der Aufnahme in die Welterbeliste

· Die Wachau ist ein hervorragendes Beispiel eines Flusstales, in dem eine lange historische Entwicklung bis heute in einem bemerkenswerten Ausmaß sichtbar ist. (Kriterium ii)

· Die Architektur, die menschlichen Siedlungen und die Landwirtschaft illustrieren lebendig eine im Grunde mittelalterliche Landschaftsform und ihre organische und harmonische Entwicklung durch die Jahrhunderte. (Kriterium iv)

Natur, Landwirtschaft und Kultur im Einklang

Foto

: Ar

bei

tskr

eis

Wac

hau

oben: Blick auf Rührsdorf und Weißenkirchen

unten: Smaragdeidechse

Foto

: Ar

bei

tskr

eis

Wac

hau

Foto

: w

ikim

edia

Page 69: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Ackerbau begann hier vor mehr als 4000 Jahren in derWachau, dies belegen Werkzeug- und Gefäßfunde. Die Römer kamen um 15 vor Christus, die Donau wurdezur Grenze (wenn es auch zahlreiche Beispiele dafürgibt, dass diese Grenze durchlässig war), Mautern zumKastell. Severin, der Heilige Noricums, lebte in Mauternund verhandelte geschickt mit Kelten und Germanen.Doch der Zusammenbruch des Römischen Reiches warnicht aufzuhalten. Nach dem Tod Severins (482) wurdedie römische Bevölkerung evakuiert. Völkerwanderungenund Kriege prägten die kommenden Jahrhunderte.Mit den Babenbergern begann vor mehr als 1000 Jahrendie Geschichte Österreichs. Die Wachau lag von Beginnan im Zentrum dieses neuen Reiches, das die Baben-berger als Herzöge beherrschten, auch wenn einzelneOrtschaften aufgrund ihrer Verbindungen zu Klöstern inDeutschland diese Herrschaft erst wesentlich spätervollzogen. Das wohl bekannteste Ereignis dieser Zeitwar die Gefangennahme des englischen Königs RichardLöwenherz. Er blieb in Dürnstein gefangen, bis dieEngländer eine Unsumme an Lösegeld zahlten.

Am Beginn der Neuzeit standen Kriege: Die Türkendrangen bis in die Wachau vor, der Dreißigjährige Kriegentvölkerte das Land, die Schweden zerstörten 1645die Burg Dürnstein, sie ist seither eine Ruine. Am Ende dieser unruhigen Zeit blühte das Barock: ZuBeginn des 18. Jahrhunderts gestalteten die bestenKünstler ihrer Zeit die Stifte Melk und Göttweig oder die Kirche von Dürnstein. Napoleons Armee lieferte 1805 gegen die österreichischeArmee die blutigste Schlacht, die jemals in der Wachaustattfand: Bei Loiben wurden an die 10.000 Soldatengetötet, der Ort zerstört. Ein weiteres dunkles Ereignis in der Geschichte derWachau ereignete sich in den letzten Kriegstagen desZweiten Weltkrieges: Nazischergen verübten im Gefängnis Stein ein Massaker und töteten mehr als 350 Menschen.

Leben am Fluss

Die Donau ist Lebensader der Wachau. Während derStrom sich vor der Regulierung in den Ebenen Nieder-österreichs in ein Gewirr von Nebenarmen aufgefächerthat, war er in der Wachau ein Gebirgsfluss, eingezwängtzwischen den Bergen. Entsprechend unberechenbarwar die Strömung: Für Schiffer und Flößer war dieWachau über Jahrhunderte wegen der hier vorhandenenStromschnellen einer der gefährlichsten Abschnitte derDonau. Die Donau war ein bedeutender Handelsweg. Insbe-sondere Salz, aber auch Holz und Eisen wurden überdie Donau transportiert. Doch die Donau ist in Öster-reich ein Gebirgsfluss, mit einer Fließgeschwindigkeitbis zu zwölf Stundenkilometern. Ein beladenes Schiffkann gegen eine solche Strömung nicht rudern. Daherwurden lange Zeit „Einwegschiffe“ gebaut: EinfacheFlöße oder Kähne wurden am Zielort, etwa in Wienoder Budapest, zerlegt und das Holz verkauft. Im Mittel-alter begann die Treidelschifffahrt an der Donau. DieSchiffe wurden vom Ufer aus mit Seilen flussaufwärtsgezogen, zuerst von Menschen, später von Pferden.

Entlang der Donau wurden Treppelwege angelegt, aufihnen zogen bis zu 60 Pferde einen an die 500 Tonnenschweren Schiffverband. Es war wohl eine unsäglicheSchinderei für Mensch und Tier. Oftmals mussten diePferde die Seite wechseln, in kleinen Booten wurdensie ans andere Ufer gebracht: Rossatz etwa war ein Ort,an dem die „Rösser hinüber setzten“. Den Eigentümernwaren die Waren wichtig, nicht die Menschen und Tiere:Schiffern war es verboten, schwimmen zu lernen, damitsie auch bei großer Gefahr nicht die Ladung aufgebenund ans Ufer schwimmen konnten. Kein Wunder, dassein Gedicht jungen Mädchen empfahl:

Dirndl, heirat kein’ Schiffmann,do heiratst in d’ Not:Hast im Sommer kein Mann. Und im Winter kein Brot.

Die Herren der Wachau kontrollierten im Mittelalter die Schifffahrt und hoben nach eigenem GutdünkenSteuern ein. Dies trug wohl dazu bei, dass etwa Aggstein in Legenden und Sagen als Raubritterburggeschildert wird.

Kulturlandschaft Wachau 67

Foto

: Ar

bei

tskr

eis

Wac

hau

Rotes Tor bei Spitz: Stadttor aus den Schwedenkriegen

Page 70: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Dampfschiffe beendeten die Ära der Treidelschifffahrt:1837 fuhr das erste Dampfschiff von Regensburg nachWien – durch die Wachau. Die zunehmende Bedeutungdes Gütertransportes führte zum Ausbau der Schifffahrt– die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft DDSG wurdezur größten Binnenreederei der Welt: Um 1880 gehörtenihr mehr als 200 Dampfschiffe und an die 1000 Last-kähne. Sogar ein Kohlebergwerk zur Gewinnung desBrennstoffes für die Schiffe gehörte der Gesellschaft. Doch der Transport auf der Donau ist langsamer alsBahn oder LKW, der Eiserne Vorhang verhinderte zudemeine gemeinsame Entwicklung des Donauraumes, dieSchifffahrt verlor im 20. Jahrhundert ihre Bedeutungfast gänzlich.

Seit 1992 verbindet ein Kanal Rhein und Donau. Ausflugsschiffe, aber auch Lastkähne aus den Nieder-landen können bis ans Schwarze Meer und zurückfahren – durch die Wachau. Dadurch kommt aber auchdie freie Fließstrecke der Donau in der Wachau mitihren veränderlichen Wasserständen und Fahrbedin-gungen immer wieder ins Gerede. Wesentliche Wirkungdes Welterbes ist hier, dass jede Form des weiterenAusbaues der Donau für Transportzwecke nur maßstäb-lich und im Sinn der Erhaltung der Kulturlandschaftpassieren darf. Eine Schifffahrt, die diese Anforderun-gen respektiert, kann einen positiven Beitrag zur Ent-wicklung der Region leisten.

Der Fluss trennt aber auch: In Krems und Melk ver-binden Brücken die Ufer, in Spitz und Weißenkirchenbringen Rollfähren Fahrzeuge und Menschen ans andereUfer. Sie benötigen keinen Motor, vielmehr treibt siedie Strömung des Wassers entlang eines Seiles ansjeweils andere Ufer.

Wein und Marille

Der Wein prägt die Wachau. Der karge Boden, dasbesondere Klima geben dem Wein hier einen typischenGeschmack. René Gabriel, ein internationaler Wein-experte und Buchautor, lobt die internationale Spitzen-klasse dieser Weine, stellt sie in eine Reihe mitbekannten französischen Weinen. In die Wachau gebracht haben den Wein die Römer. Zur Zeit des Heiligen Severin (5. Jahrhundert) wird einOrt in der Wachau bereits mit der Bezeichnung advineas (bei den Weingärten) versehen. Als im neunten Jahrhundert Mönche aus Bayern undSalzburg ins Donautal zogen, kam eine Blütezeit desWeinbaues. Die Mönche begannen mit dem Bau vonTerrassenkulturen. Bis heute prägen tausende Mauern,aus losen Steinen aufgeschichtet, den einzigartigenCharakter der Wachau. Sie sind wichtiger Bestandteil

des Welterbes. Der Bau der Mauern, aber auch die Pflege der Weinstöcke auf den Terrassen ist Schwer-arbeit und erfordert viel Geschick und Erfahrung. In den letzten Jahrzehnten wurde die extrem arbeits-aufwändige Bewirtschaftung der Terrassen unter ver-schärften Marktbedingungen immer weniger rentabel.Durch die visionäre Markenpolitik der Wachauer Winzerseit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts konnte zwarein überdurchschnittlicher Anteil der Weinterrassen inder Bewirtschaftung gehalten werden. Dennoch wird inden nächsten Jahren eine Reihe von Maßnahmen zurUnterstützung des Weinbaus in den Steilterrassenlagenzu setzen sein. Der Erhalt dieser Terrassenkultur ist da-her ein Schwerpunkt der Bemühungen zur Bewahrungdes Welterbes und zum Schutz des Landschaftsbildes.

Die Wachau ist aber auch bekannt für ihre Marillen:65.000 Marillenbäume prägen das Bild und die Marillenblüte ist jedes Jahr ein besonderes Erlebnis. Als Qualitätsmarke ist die Wachauer Marille EU-weitgeschützt.

Kulturlandschaft Wachau68

Foto

: pix

elio

.de

/ Ad

olf

Ries

s

Weinterrassen bei Spitz

>> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 1

Page 71: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Die UNESCO fordert bereits bei der Einreichung, dassausreichende Schutzmaßnahmen für das jeweilige Kultur- oder Naturgut bestehen. Für einige der öster-reichischen Welterbestätten war dies in den letztenJahrzehnten keineswegs selbstverständlich, so auchnicht für die Wachau: 1972 fasste die damalige öster-reichische Bundesregierung den Beschluss zum Vollaus-bau der Donau: Ein Flusskraftwerk bei Rossatz, mittenin der Wachau, wurde geplant. Es war die Zeit des ersten Ölschocks, die Erdölpreiseverdreifachten sich. Im nur wenige Kilometer von Kremsentfernten Zwentendorf wurde mit dem Bau einesAtomkraftwerkes begonnen. Mit dem Ausbau der Donauwollte man die Abhängigkeit vom Erdöl verringern.Aber zur gleichen Zeit verwies der Club of Rome auf die„Grenzen des Wachstums“, Bürgerinitiativen stemmtensich gegen die Zerstörung der Umwelt. Das Kraftwerk hätte die Kulturlandschaft zerstört:

Weissenkirchen wäre hinter einem sechs Meter hohenDamm verschwunden, das für den Weinbau so ent-scheidende Klima hätte sich verändert. Die WachauerBevölkerung stellte sich gegen das Projekt. Gemeinde-mitglieder, Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kulturund Wirtschaft sowie engagierte Bürgerinnen und Bürger gründeten den „Arbeitskreis zum Schutz derWachau“, der zwölf Jahre später jubeln konnte: „EinSieg der Vernunft hat die Entscheidung über den Ver-zicht des Donaukraftwerkes in der Wachau gebracht!“

Die Wachauer Bevölkerung war der Überzeugung, dassnur die internationale Anerkennung der Wachau alsKulturgut dauerhaften Schutz bietet – und hat dasAnsuchen um Aufnahme in die Welterbeliste kräftigunterstützt. Der aus der Protestbewegung hervor-gegangene Arbeitskreis hat seither eine führende Rolleim Management der Welterbestätte.

Reisterrassen der Ifugao, Philippinen

Ob in Italien, auf den Philippinen, in der Wachau: Terrassenlandschaften faszinieren uns. Überall aber er-zählen sie von den unsäglichen Mühen landwirtschaft-licher Arbeit unter extremen Bedingungen. Manchenennen sie Treppen zum Himmel, andere schwärmenvom schönsten Arbeitsplatz der Welt. Seit 2000 Jahrenringt das Bauernvolk der Ifugao dem Boden ihr Haupt-nahrungsmittel ab: Reis. An den Hängen der Berge

haben sie Terrassen angelegt, die Einfriedungen habeneine Länge von 23.000 Kilometern. Ein ausgeklügeltesSystem stellt die für den Reisanbau so wichtige Bewäs-serung sicher. Bis auf eine Höhe von 1600 Meter reichendie Terrassen, wegen des rauen Klimas ist nur eine Erntemöglich. Und ein einziger Hektar Reis erfordert jährlich1000 Arbeitsstunden, für weniger als 20 Zentner Reis. Auch auf den Philippinen sind die Terrassen bedroht:Die Jungen ziehen in die Stadt, viele Terrassen verfallen.Das Welterbe ist eine letzte Chance, diese Landschaft inihrer Einzigartigkeit zu erhalten.

Cinque Terre

Die Terrassen von Cinque Terre weisen viele Parallelen zu den Terrassen in der Wachau auf – dies hat auch derösterreichische Antrag unterstrichen. Da wie dort wird diemühselige Handarbeit auf diesen Terrassen zunehmendaufgegeben. Und da wie dort liegt die Hoffnung, dassdank neuer Projekte, mit finanziellen Mitteln aus demTourismus, dieses Erbe erhalten werden kann. In Italien, an der ligurischen Küste, liegt Cinque Terre,ein unzugänglicher, zwölf Kilometer langer Küsten-streifen. Abgeschlossen von der Außenwelt haben dieMenschen hier über Jahrhunderte an den SteilhängenTerrassen angelegt. 11.000 Kilometer lang sind dieTrockenmauern aus Stein, von den Bewohnerinnen und

Kulturlandschaft Wachau 69

Bedrohung und Schutz, Management

Täler und Terrassen als Welterbe

Foto

: U

NES

CO /

Spie

r-D

onat

i, M

aria

nn

e

Reisterrassen auf den Philippinen

Page 72: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Bewohnern mühsam aufgeschichtet, um Land für denWeinbau und damit fürs Überleben zu gewinnen. FünfOrtschaften prägen das Land: Sie sind befestigt gegendas Meer, denn Piraten raubten Menschen, um sie in die Sklaverei zu verkaufen. Heute erscheint das Land als Idylle. Doch ein Chronist schildert das Leben vor 150 Jahren als hart und entbehrungsreich: keinemedizinische Versorgung, kein Fleisch – nur Schwer-arbeit. Die heute bewunderte Schönheit entstand ausdem Elend der Jahrhunderte. Die Weinterrassen sind bedroht. Immer weniger Winze-rinnen und Winzer nutzen sie noch, die Macchie – daswuchernde Gebüsch – erobert sie. Seit 1997 ist CinqueTerre Welterbe. Damit verbunden ist die Hoffnung, dassdieses Erbe erhalten werden kann.

Dresdner Elbtal

Im Vergleich zur Wachau könnte die Charakteristikkaum unterschiedlicher sein: Das Welterbe „Dresdner

Elbtal“ ist eine großstädtische Kulturlandschaft. Dasweite Tal inmitten der Stadt beherbergt einerseits eineweitgehend natürliche Flusslandschaft, andererseitskunstvolle Stadtarchitektur und reiche Kultur. Die sächsischen Kurfürsten haben die Stadt geprägt, imBarock galt der Hof als einer der prunkvollsten inEuropa. Der Fluss wurde mit einbezogen, Gondeln nach italienischem Vorbild für Ausflugsfahrten genutzt.Vor 150 Jahren begann die Dampfschifffahrt hier, fürAusflugsfahrten sind immer noch Schaufelraddampferim Einsatz. Groß war die Begeisterung 2004, als die UNESCO denFlussabschnitt in die Welterbeliste aufnahm. Heute steht er auf der Roten Liste: Eine geplante vier-spurige Autobahnbrücke droht das Erbe in zwei Teile zu zerschneiden. Wird die Brücke gebaut, droht dieStreichung. In der Wachau war es ein geplantes Kraftwerk, es hättedas Tal zerschnitten, die Kulturlandschaft für immerzerstört. In der Wachau konnte der Bau verhindertwerden. In Dresden ist der Ausgang noch ungewiss.

I

Insbesondere historische Stadtkerne oder Kulturland-schaften verändern sich, unterliegen einer Entwicklung.Rein konservierender Schutz entspricht nicht denIntentionen der UNESCO. Entwicklungen dürfen undsollen stattfinden, aber in einer Weise, dass das Welt-erbe in seiner Wertigkeit nicht gefährdet wird. Gefahr droht sowohl durch Großprojekte (Brücken,Kraftwerke, Hochhäuser, Industrieanlagen) als auchdurch eine Vielzahl von kleinen Veränderungen, die inihrer Summe zur Zerstörung des Gesamtbildes führen.

Eine weitere Gefahr sind Nutzungsänderungen: Wirdder Weinbau auf den Wachauer Terrassen eingestellt,kehrt der Wald zurück, die Kulturlandschaft ginge verloren.

Vor diesem Hintergrund ist es entscheidend, dassgemeinsam mit den Betroffenen Richtlinien, Kriterienund Maßnahmen erarbeitet werden, die eine auf denErhalt des Welterbes ausgerichtete Entwicklung unter-stützen. Dies ist der Grund, warum die UNESCOManagementpläne und –maßnahmen für die Welt-erbestätten fordert. Jede Welterbestätte wählt dabeiihren eigenen Weg.

Kulturlandschaft Wachau70

Welterbe-Management

Foto

: U

NES

CO

Cinque Terre

Foto

: pix

elia

.de

/ M

. G

roß

man

n

Dresdner Elbtal

Page 73: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Besonders Erfolg versprechend ist es, wenn sich dieBetroffenen selbst für den Erhalt und die Entwicklungdes Welterbes einsetzen. Die Bürgerinnen und Bürgersowie die Gemeinden hatten sich im „Arbeitskreis zum Schutz der Wachau“ ursprünglich zu einer Protest-bewegung zusammengeschlossen, heute widmet sichdieser Arbeitskreis der nachhaltigen Entwicklung derRegion. Die Umbenennung in „Arbeitskreis Wachau“war sichtbares Zeichen dafür. Seine Mitglieder (unterihnen alle Gemeinden der Wachau sowie die Stifte Melkund Göttweig) haben sich verpflichtet, die Wachau inder seit Jahrhunderten bewahrten Form zu erhaltenund die Pflege des Landschaftsbildes sicher zu stellen.Diese Ziele sollen im Bewusstsein der Bevölkerung undder Gäste gestärkt werden.Die Aktivitäten des Arbeitskreises sind eine Voraus-setzung dafür, dass sich die Wachau ihrer Wertigkeitentsprechend entwickelt und erhalten bleibt.

Entwicklung braucht neben Engagement und Organisa-tion auch Geld. Die Wachau hat sich als LEADER-Regionetabliert. LEADER ist ein Förderprogramm der EU zurEntwicklung des ländlichen Raumes. Dazu wurde derWachau im Rahmen eines LIFE Natur-Projektes fünf

Jahre eine große Menge an europäischen und natio-nalen Mitteln zur Verbesserung des Naturschutzes zurVerfügung gestellt. Die Entwicklung der Region hängt nicht an einem„Großprojekt“, vielmehr sind viele Schritte, viele ganzspezielle Maßnahmen erforderlich. Zum Schutz der natürlichen Vielfalt werden Trocken-rasen wieder beweidet, Altarme der Donau geöffnetund damit Lebensraum für Fische geschaffen oderMaßnahmen für den Erhalt eines der schönstenSchmetterlinge der Region, des Apollofalters, getroffen. Im kulturellen Bereich werden Themenwege angelegt(etwa bei Mautern zur Geschichte seit der Römerzeit),Museen erhalten oder verbessert, aber auch innovativeIdeen, wie eine Camera Obscura auf einer Rollfähre,umgesetzt. Im landwirtschaftlichen Bereich werden Initiativen zumErhalt der Weinterrassen und damit auch der Trocken-mauern gesetzt sowie die Wachauer Marille als EU-geschützte Marke gefördert. Schließlich wird das Welterbe selbst der Öffentlichkeitvorgestellt: durch ein Welterbefest, durch Projekttagean Schulen oder bei der Planung eines eigenen Welt-erbezentrums.

Am Managementplan selbst wird noch gearbeitet: DieWachau muss in den nächsten Jahren das erste Malüber den Zustand des Welterbes Bericht an die UNESCOlegen. Bis dahin muss ein auf breiter Basis anerkannterManagementplan für das Weltkulturerbe vorliegen.

„Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit“: DiesesMotto am Giebel der Wiener Secession trifft auch aufdie Wachau zu: Sie beschränkt sich nicht nur auf denErhalt des reichen historischen Erbes, sondern suchtneue Formen und Ausdrucksweisen. Krems hat sich zueinem kulturellen Zentrum entwickelt. Donaufestival,Kunsthalle oder Karikaturmuseum setzen Impulse, dieauch international Beachtung finden. Kunst findet aberauch abseits der Großveranstaltungen ihren Platz. Diesist ganz im Sinne des Welterbes. Das Bewahren desErbes wird verbunden mit neuen Ausdrucksformen.Nicht nur der Bestand, auch die Wertigkeit bleibtgewahrt.

Kulturlandschaft Wachau 71

>> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 2

Foto

: Ar

bei

tskr

eis

Wac

hau

oben: Neue Schotterbänke am Donauufer bei Rossatz. Im seichten Wasser hinter der Schotterinsel und im Seitenarm können wieder Jungfische aufkommen

unten: Wachauer Trockenrasen mit Federgras

Foto

: Ar

bei

tskr

eis

Wac

hau

/ M

. H

aslin

ger

Page 74: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Kulturlandschaft Wachau Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler72

1 >>

Teufelsmauern und Donaufürsten

Zahlreiche Sagen sind über Orte und Ereignisse in derWachau überliefert (www.sagen.at). Sie erzählen vonErscheinungen, die den Schiffern Unglück brachten, sieberichten über Raubritter oder einen Pakt mit demTeufel und natürlich über König Richard Löwenherz undseinen Sänger Blondel.

>> Suche dir eine Sage aus. Aus welcher Zeit stammtsie? Kannst du einen historischen Kern erkennen?

Viele Sagen verweisen darauf, dass letztlich das Gutebelohnt und das Böse bestraft wird. Was ist die Moral der Sage, die du ausgewählt hast?

Bildanalyse

Die Wachau ist eine der am häufigsten abgebildetenLandschaften Österreichs. Aber was zeigen die Bilder?Und vor allem: Was zeigen sie nicht? Bilder aus derWachau eignen sich ganz besonders, um zu zeigen, dassauch die Fotografie keineswegs objektiv ist, sonderndazu neigt, Klischees zu produzieren: Arbeitende Menschen oder Straßenverkehr sind nicht sichtbar.

>> Nimm einen Bildband oder Postkarten oder sucheim Internet Bilder über die Wachau. Wähle 10 oder 20Bilder aus und gruppiere sie nach ihrem Inhalt.

– Welche Gebäude zeigen die Bilder? – Welche Landschaften? – Welches Wetter herrscht vor? – Welche Fahrzeuge sind zu sehen? – Was gefällt dir, was findest du kitschig oder

langweilig? – Was fehlt dir auf den Bildern? – Was würdest du fotografieren?

Ein Besuch in der Wachau bietet dazu viele Möglichkeiten.

Artenvielfalt in der Wachau

Die Wachau zeichnet sich durch große Artenvielfalt aus.Klimatische Unterschiede – einerseits trocken-heiss,andererseits feucht-kühl – lassen sich hier erleben. Der Vergleich zweier Standorte zeigt, wie unterschied-lich die Vegetation ist. Anfang Juni findet der „Geo-Tag“ der Artenvielfalt statt.Das Ökogymnasium Krems hat gemeinsam mit demKompetenzzentrum Fachdidaktik Biologie der Univer-sität Wien zu diesem Thema 2002 das Projekt „Stroh-kopf“ durchgeführt.

>> Der Tag der Artenvielfalt ist Anlass, sich mit Bio-diversität auseinander zu setzen, die Vielfalt sehen zu lernen. Eine Exkursion in die Wachau ist dazu eine hervorragende Möglichkeit.

Blickachsen

Die Wachau ist von keinem Punkt aus gänzlich zu über-blicken, das Tal ist zu eng und zu gekrümmt. Aber anerhöhten Punkten, besonders in den äußeren Bögen derFlusskrümmungen, stehen Bauwerke von besondererBedeutung, die Blickachsen herstellen (Stift Melk, KlosterSchönbühel, Ruine Aggstein, Ruine Dürnstein, Stift Gött-weig und andere). Es sind Ausblicke, die einen Gesamt-eindruck von der Wachau und ihrer Schönheit vermitteln.Diese Blickachsen waren ein wichtiges Kriterium bei derEinreichung für die Aufnahme in die Welterbeliste.

>> Überlege, wo optische Achsen angelegt wurden(vgl. auch Welterbe Historisches Zentrum von Wien),etwa in Gebäuden oder Alleen. Bei einem Ausflug indie Wachau achte ganz besonders auf solche Blick-achsen.

– Was würde eine solche Blickachse stören? – Zeichne ein Hochhaus, eine Fabrik o.ä. in ein Foto

(eventuell mit einem Bildbearbeitungsprogramm).

Beachte: Auch eine vollständige Bewaldung kann eine Blickachse zerstören.

Page 75: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Kulturlandschaft Wachau 73Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler

2 >>

Ein Szenario für die Wachau

Im Managementplan werden Maßnahmen zur Erhaltungund Entwicklung einer Region vorgeschlagen. Voraussetzung dafür sind klare Vorstellungen, wohinsich eine Region entwickeln soll und welche Gefahrenihr drohen können. Eine Kulturlandschaft verändertsich, auch wenn man nichts tut. Werden die Wein-terrassen nicht mehr bewirtschaftet, kehrt der Waldzurück.

>> Überlegt euch, was für negative Auswirkungen beispielsweise eine fehlende Planung noch habenkann.

>> Skizziere ein Szenario für die Wachau: Was sollteunbedingt erhalten bleiben, wovon sollten die Menschen hier leben, was muss verhindert werden? Vielleicht fertigst du einfach zwei Zeichnungen an: So will ich die Wachau in 20 Jahren sehen und so will ich sie keinesfalls haben.

>> Wenn ihr eine solche Vorstellung entwickelt habt,schlagt drei Maßnahmen vor, die sicherstellen, dasses eine für euch positive Entwicklung gibt.

Kulturlandschaft nur mit heimischen

Pflanzen?

Das Anpflanzen fremdländischer Pflanzen kann vielSchaden anrichten: Schädlinge können eingeschlepptwerden, die Neuankömmlinge können heimischePflanzen verdrängen. Aber auch unsere Kulturpflanzen kommen von weither: Marillen etwa aus Asien, den Wein brachten die Römer ins Land, Erdäpfel, Paradeiser oder Mais stammen aus Mittel- und Südamerika. Ohne die Pflanzen wäre unser Speisezettel sehr bescheiden.

>> Eine Initiative hat jetzt überlegt, Tee in der Näheder Wachau anzupflanzen. Sammelt in Gruppen Argumente dafür und dagegen. Welche Argumenteüberwiegen für euch?

Page 76: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Historisches Zentrum von Wien 200174

Wien – Zentrum eines Weltreiches – Hauptstadt eines Kleinstaates

Wien wurde am 13. Dezember 2001 auf der 25. Sitzung des Welterbekomitees in Helsinki in die Welterbeliste aufgenommen, am 11. Oktober 2003 konnte das UNESCO-Dekret in einem feierlichen Akt im Rathaus überreicht werden.

Die Kernzone erstreckt sich über 3,71 km2 und weist1.600 schützenswerte Objekte auf. Die Pufferzoneist 4,62km2 groß und enthält 2.950 Objekte.Insgesamt schließen diese beiden Zonen jedoch nur2% des Stadtgebietes von Wien ein.

Foto

: m

edia

wie

n /

Weh

dor

n A

rch

itek

ten

Foto

s: Ö

ster

reic

h W

erbu

ng

Der Wandel hätte dramatischer kaum sein können:Über Jahrhunderte war Wien Hauptstadt eines Welt-reiches, in dem unter Kaiser Karl V. die Sonne nichtunterging, von dem es, zumindest nach einer Deutungdes Wahlspruches A.E.I.O.U. hieß, „Austria est imperareorbi universo“: Es ist Österreich bestimmt, die Welt zubeherrschen.

Der Katastrophe des Ersten Weltkrieges folgte der Zerfallder Monarchie. „Der Rest ist Österreich“, dekretiertFrankreichs Premier Clemenceau 1919 für die Sieger-mächte. Wien war kein Machtzentrum mehr, die Monarchie war abgeschafft worden, der Kaiser hattedas Land verlassen.

Eine Stadt – und ein ganzes Land - mussten ihre Identität finden. In den 20er und 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts scheiterte dies: Ein Bürgerkrieg,ein autoritäres Regime und schließlich die Barbarei der Nationalsozialisten endeten in der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges.

Nach 1945 setzte Wien auf die Wiedererrichtung der Kulturgüter – und fand eine neue Identität – aufbauend auf seiner Geschichte. Die Bedeutung deshistorischen Stadtzentrums Wien für die Identität desneuen Österreich war einer der ausschlaggebendenGründe für die Anerkennung des Status „Welterbe“durch die UNESCO.

FaktenWelterbe „Historisches

Zentrum von Wien“

Page 77: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Historisches Zentrum von Wien 75

Vom Römerlager zur Residenzstadt

Mit Vindobona errichteten die Römer um 100 n. Chr.ein in die Befestigungslinie des Limes eingebundenesKastell. Östlich von Vindobona entstand entlang desWienflusses die Zivilstadt. Die Umrisse sind noch heuteim Stadtgrundriss deutlich erkennbar.

Anders als in anderen Großstädten ist der Stadtkernörtlich nicht gewandert, die Stadtfläche wurde vomPunkt der ersten Besiedelung ausgehend erweitert.Maßgeblich vergrößerte sich Wien ab dem Mittelalter. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wurde dieStadt zum Sitz der Babenberger und Wien damit zurResidenzstadt. Die erste Bauphase der Hofburg alsKastellburg fiel ebenfalls in diese Zeit und wurde erst1275 unter König Ottokar II. Premysl (> Identität:„König Ottokars Glück und Ende“) fertig gestellt. Ihrältester Kern ist im Schweizerhof erhalten.

Erzherzog Rudolf IV. der Stifter legte mit der Errichtungder Universität 1365 den Grundstein für höhere Bildungim Land. Das Areal um die Postgasse entwickelte sich

zum Studentenviertel und vermittelt noch heute einemittelalterliche Atmosphäre.

Als politisches, geistiges und sakrales Zentrum prospe-rierte Wien auch wirtschaftlich, gefördert durch denDonauhandel. Es entstanden Kaufmannssiedlungenund Handwerkerviertel, z.B. das Textilviertel um denHohen Markt. Bezeichnungen von Straßen und Plätzenverweisen noch heute darauf. Tuchfärber aus Flandernsiedelten sich am Ottakringerbach beim Tiefen Grabenan (Färbergasse). Mittelalterliche Spuren finden sich vor allem an sakralenBauten, insbesondere am Stephansdom. Er ist eines derbemerkenswertesten gotischen Bauwerke Österreichsund Wahrzeichen der Stadt (> Identität).

Im Mittelpunkt die Sonne

Das Barock, die Zeit des Absolutismus, in der politischeund kriegerische Macht durch pompöse Bauten reprä-sentiert wurde, war für Wien von besonderer Bedeu-tung.

Die Stadt in ihren wichtigsten Entwicklungsperioden

Begründung der Aufnahme in die Welterbeliste

Die kulturelle Tradition von universellem Wert, die außergewöhnlich gute Sichtbarkeit dreier kultureller Perioden (Mittelalter, Barock und Gründerzeit) im Stadtbild und die Rolle Wiens als Weltstadt der Musikwaren entscheidende Kriterien für die Aufnahme in die Welterbeliste.

· Das historische Stadtzentrum Wiens zeigt in Architektur, Stadtplanung und Landschaftsgestaltung den regen und andauernden Austausch menschlicher Werte im Laufe der letzten 2000 Jahre. Die räumliche Organisation, Dichte und Qualität der historischen Bauten legt Zeugnis über die sozio-ökonomische und kulturelle Entwicklung Wiens ab. Dieses Erbe ist Träger einer kulturellen Tradition von universellem Wertund weist Wien als Stadt der Kunst und Kultur aus. (Kriterium ii)

· Drei Perioden der europäischen kulturellen und politischen Entwicklung – Mittelalter, Barock, Gründer-zeit – sind außergewöhnlich gut im städtischen und architektonischen Erbe illustriert. Die Anlage als auch die einzelnen Gebäude des historischen Stadtzentrums sind in imperialem Stil gehalten und wurden zu einem Symbol der österreichischen Geschichte. (Kriterium iv)

· Wien ist unmittelbar verbunden mit künstlerischen, besonders musikalischen Arbeiten von heraus-ragender, weltweiter Bedeutung. Ausgehend vom Minnegesang des Mittelalters, wurde Wien bereits im16. Jahrhundert ein Zentrum europäischer Musik. Im Hochbarock erfolgte die Etablierung der Oper. Die Wiener Klassik mit Vertretern wie Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, sowie die Walzerkompositionenvon Strauss und Werke der Wiener Moderne festigen den Ruf Wiens als Musikstadt bis heute. (Kriterium vi)

Page 78: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Nach fast zweihundert Jahren andauernder Bedrohungdurch die Türken konnte sich die Stadt nach 1683 alsMittelpunkt des Habsburgerreiches und als Kaiserresi-denz entfalten. Die Einwohnerzahl stieg rasant (wassich schließlich auch negativ in der Lebensqualität dereinfachen Bevölkerung mit dem fatalen Höhepunkt derPest auswirkte).Karl VI. und seine Nachfolgerin Kaiserin Maria Theresia(Schülerinnen und Schülern durch die Einführung derallgemeinen Schulpflicht bestens bekannt) haben dieStadtarchitektur Wiens besonders geprägt.

Obwohl in dieser Zeit vor allem österreichische Archi-tekten in Wien bauten, orientierte sich die Planung anItalien, wie in Rom sollte die Stadt durch weit gestreckteoptische Verbindungsachsen gegliedert werden, anderen Ende Prunkbauten (Paläste) errichtet wurden. Die Straßen stellten „Achsen des Triumphes“ (Via trium-phalis) dar, waren Symbole für Reichtum und Macht.Dieses Gestaltungskonzept entwickelte sich ausgehendvon Rom und Wien im Barock zu einem europäischenPhänomen. Man findet sie etwa in Paris mit seiner AxeHistorique.

Wie sich im Barock das heliozentrische Weltbild mit der(strahlenden) Sonne als Mittelpunkt durchsetzte, sokann dies im metaphorischen Sinne auch auf dieStadtgestaltung übertragen werden: Wien wurde wiemit einem Kranz strahlender Achsen vom Zentrum ausüber die bestehenden Festungsmauern hinweg zu denVorstädten erweitert. Axial auf das Stadtzentrum ausgerichtet und mit barok-ken Gärten umgeben wurden etwa die Vorstadtpalästedes Prinzen Eugen (Unteres und Oberes Belvedere), derFürsten Schwarzenberg und Trautson sowie das PalaisAuersperg. Auch die zum Dank für die Überwindung derPest von Karl VI. gestiftete Karlskirche (Eingedenk Mei-nes Versprechens…) wurde unter diesem Gesichtspunktgeplant und von Johann Bernhard Fischer von Erlachgebaut. Sie liegt auf der Verlängerung der von der Hof-burg stadtauswärts führenden Augustinerstraße und laggleichzeitig am Weg zur Favorita, einem Lustschloss derKaiserfamilie (heute Theresianum).

Die Hofstallungen wurden am Rand des damals nochunverbauten Glacis (freie Felder vor der Stadtmauer, dienicht verbaut werden durften, damit Angreifer keineDeckung finden) in einem, mit der Hofburg durch eineimaginäre Linie verbundenen, neuen, weitläufigenGebäude untergebracht - dem heutigen Museums-quartier. Die Gestaltung des dazwischen befindlichenBereiches mit dem Maria Theresia-Platz und den Nationalmuseen an beiden Seiten des Platzes erfolgteerst mehr als 150 Jahre später.

Historisches Zentrum von Wien76Fo

to:

Öst

erre

ich

Wer

bu

ng

Foto

: Öst

erre

ich

Wer

bu

ng

Foto

: m

edia

wie

n

oben: Luftaufnahme Freyung

Mitte: Karlskirche

unten: Ringstrasse

Page 79: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Historisches Zentrum von Wien 77

Auf dem Weg in die Moderne

Die Gründerzeit (ab 1850) war eine Zeit des politischenWandels von der Hochblüte der k.u.k.-Monarchie unterKaiser Franz Joseph I. bis zu ihrem Niedergang, begleitetvon sozialem Wandel mit einem aufstrebenden Bürger-tum und der sich formierenden Arbeiterschaft. Die Kunstrevoltierte, dem Historismus des 19. Jahrhunderts wirdmit dem Jugendstil und modernen Ausdrucksformeneine eindeutige Absage erteilt. Bevor an der Secession „Der Zeit ihre Kunst, der Kunstihre Freiheit“ zu lesen war, erfolgte für das umfassendsteStadtplanungsprojekt der Zeit ein Rückgriff auf die Ver-gangenheit: Unter der Diktion des Historismus entstandim Bereich der ehemaligen Befestigungsanlagen dasGesamtkunstwerk der Wiener Ringstraße.

Entlang der ca. 4 km langen und 57 m breiten Ring-straße finden sich Gebäude des aristokratischen wieauch des bürgerlichen Forums: einerseits die Repräsen-tationsbauten des Hofes (Hofburg, Adelspalais), andererseits Bauten des politischen Lebens (Rathaus, Parlament), des künstlerischen Schaffens (Burgtheater,

Staatsoper), der Wissenschaft (Universität, Museen) und des privatwirtschaftlichen Interesses (Zinshäuser,Börse). Das städtebauliche Gesamtkunstwerk der Ringstraßeumfasste, neben der Gebäudeerrichtung, die Anlageder Baumalleen entlang des Rings und der Parks alsErholungsgebiete, aber auch Details wie eine einheit-liche Straßenbeleuchtung.

Schließlich setzte sich die Moderne durch. Mit der Ver-besserung der Infrastruktur wurde auch architektonischder entscheidende Schritt in die Moderne gewagt. DieGestaltung der Stadtbahnanlage wurde Otto Wagner,dem bedeutendsten Vertreter des Jugendstils, über-tragen. Mit der von ihm gestalteten Postsparkasse hieltauch am Ring moderne Architektur Einzug.

„Die Stadt Wien ist und soll kein Museum sein.“ (Bürgermeister Michael Häupl)

Eine nachhaltige Stadtentwicklung soll sowohl denSchutz des Weltkulturerbes als auch Leben und Arbeitenin einer modernen Stadt ermöglichen. Dabei steheneinander Erhaltungs- und Nutzungsinteressen oft alsvermeintlich unvereinbare Pole gegenüber:

Die UNESCO ist sich der Problematik sehr wohl bewusst:„Historische Städte, die noch bewohnt sind und sichgerade … unter dem Einfluss sozio-ökonomischen undkulturellen Wandels entwickelt haben, werden sich auchweiterhin entwickeln … dies (stellt) zweifellos eineSituation dar, welche jede Erhaltungspolitik problema-tisch macht“. (M. Wehdorn, Wien. Ein Stadtführer 2004)Die Richtlinien zum Schutz des Weltkulturerbes sehen

>> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 1

Bedrohung und Schutz, Management

Schutz

– Stadtgrundriss: Straßenverläufe, Viertel, Sichtachsen

– Ensembles, Einzelgebäude, Denkmäler

– Kulturelle Vielfalt

Wirtschaft

– Entwicklung zu einem international

wettbewerbsfähigen Standort

– Flächen für Bürogebäude, Industriezonen

– Infrastruktur, Verkehrswege

– Offensive in Bildung-, Wissenschaft und Forschung

Gefahren

– Wirtschaftlicher Entwicklungsdruck

– Hochhauslinien im Hintergrund

– Hochwasser, Brände

– Verkehr, Luftverschmutzung

– Beanspruchung durch Tourismus

Bevölkerung

– Wohnraum, Erholungsraum

– Nahversorgung, Mobilität

– Arbeitsplätze, Bildungseinrichtungen

– Sport, Kunst & Kultur

Page 80: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Identität und Welterbe Wien

Während die individuelle Identitätsbildung und damitdie Bestimmung des eigenen Platzes in der Gesellschaftvorwiegend über den persönlich-privaten Bezug zuVorbildern (Eltern, Freundinnen und Freunde, berühmtePersönlichkeiten) und auf Basis der lokalen Verwurze-lung erfolgt, sind im nationalen Kontext und damit inder Identitätsstiftung eines Landes historisch-kulturelleFaktoren bestimmend.

Identität durch Kunst und Kultur

Von Mozart und Grillparzer bis zum Museumsquartierund den Wiener Festwochen – Identitätsstiftung erfolgtseit jeher über den Faktor Kunst und Kultur.

Auf die Frage, was die Stadt Wien auszeichne, antwor-ten 90% der Wienerinnen und Wiener „das alte Kultur-erbe“ und 85% „das kulturelle Leben“ (Umfrage desIFES-Instituts 2003, vgl. Wehdorn, S. 136). Auch fürTouristinnen und Touristen ist der Kulturfaktor einHauptmotiv für ihren Besuch in der Stadt.

Burgtheater – StaatsoperZu Beginn der Zweiten Republik erkannte die damaligePolitik – Regierung wie auch Besatzungsmächte – dieBedeutung des Identitätsträgers „Kultur“ zur Etablie-rung des Landes als eigenständigen, selbstbewusstenStaat. Österreich und Wien im Besonderen wurden physisch und ideologisch mit Reminiszenzen an dieVergangenheit unter dem Aspekt eines Landes derKunst und Kultur wieder aufgebaut.

Foto

: Öst

erre

ich

Wer

bu

ng

Burgtheater

vor, die Stadtentwicklung unter Bedachtnahme derunterschiedlichen Interessen und der daraus zu er-wartenden Einflüsse (positiv wie negativ) für das Welt-kulturerbe in einem Managementplan zu formulierensowie die Entwicklung durch geeignete Maßnahmen zu überprüfen und zu überwachen. Seitens der Stadtwerden dafür langfristige Stadtentwicklungspläne erarbeitet.

Die UNESCO äußert sich auch zu konkreten Projekten. Zu erwartende Beeinträchtigungen des Gesamtbildesdurch das Bauvorhaben Bahnhof Wien-Mitte am Randeder Pufferzone wurden heftig und kontroversiell disku-tiert, die Möglichkeit einer Streichung von der Welt-erbeliste stand im Raum. Das Bauvorhaben wurde unterBerücksichtigung der UNESCO-Kriterien neu projektiert.

Gerade im städtischen Bereich verändern aber nichtnur Großprojekte das Stadtbild. Noch bedrohlicher istdie Vielzahl kleiner Veränderungen mit in Summe großer Wirkung: Dachausbauen etwa, oder die Verän-derung an Fassaden oder eine ausschließlich touristi-sche Nutzung von Objekten mögen im Einzelfall wenigins Gewicht fallen. Eine Fülle solcher Veränderungen

aber verändert den Charakter der Stadt oft irreversibel.Aus diesem Grund fordert die UNESCO Management-maßnahmen, die in der Lage sind, auch Wildwuchs imKleinen hintan zu halten.

Welterbe und zeitgenössische Architektur

Der internationale UNESCO-Kongress im Wiener Rathaus(12.-14. Mai 2005) hatte zum Ziel, für alle Weltkultur-erbe-Städte einheitliche Kriterien für die Management-pläne zu erarbeiten. Ergebnis war das „Wiener Memo-randum“.„Die zentrale Herausforderung der zeitgenössischenArchitektur in der historischen Stadtlandschaft bestehtdarin, auf die Entwicklungsdynamik zu reagieren, umeinerseits sozioökonomische Veränderungen undWachstum zu ermöglichen und andererseits gleichzeitigdas überlieferte Stadtbild und sein Umfeld zu respek-tieren. Lebendige historische Städte, insbesondereWelterbestädte, brauchen eine Stadtplanungs- undManagementpolitik, die Erhaltung zu einem zentralenThema macht.“ (aus dem Wiener Memorandum)

Historisches Zentrum von Wien78

Page 81: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Historisches Zentrum von Wien 79

Burgtheater und Staatsoper wurden unmittelbar nachKriegsende wieder aufgebaut. Sie bilden einen wichti-gen Bestandteil des Weltkulturerbe-Areals in Wien (vgl.Kriterium ii). Die Wiedereröffnung der neu aufgebauten„nationalen Kunsttempel am Ring“ (Ulf Birbaumer, 1985)erfolgte im Jahr der Wiedererlangung der staatlichenSouveränität, 1955, mit symbolträchtigen Werken: demParadestück des österreichischen Dramatikers FranzGrillparzer „König Ottokars Glück und Ende“ (Burg-theater) und der Freiheitsoper „Fidelio“ von Beethoven(Staatsoper) (vgl. Kriterium vi)

„Wir müssen und werden uns dieses neue Burg-theater erbauen, nicht nur aus Stein, sondernvor allem aus österreichischer Geisteskraft. (...)Vergessen wir nicht, dass eines der köstlichstenBesitztümer unseres neu gewonnen Österreichseben dieses Burgtheater ist. Vergessen wir nicht,dass unabhängig von politischen Systemen undVerbrechen dieses Kulturösterreich seit Jahr-hunderten besteht.“ (Egon Hilbert, Bundestheater-Chef, 1946)

Ein Dom als Mittelpunkt der StadtDer Stephansdom gilt als Identifikationssymbol undWahrzeichen der Stadt und des Landes.Die langwierigen Arbeiten am Dom ab dem 12. Jahr-hundert waren begleitet von mysteriösen Umständen,die von der Bevölkerung aufgegriffen wurden. Mehr als40 überlieferte Legenden ranken sich um die Bautätig-keit (> Wiener Sagen). Hier zeigt sich die von Beginn anemotionale Identifikation der Bevölkerung mit diesemGebäude. Während der Monarchie war der Dom im Zentrum desgroßen Reiches nicht nur von religiöser Bedeutung. Im gesamten Reich durfte kein Kirchturm höher als derSüdturm (136,4 m) erbaut werden.Die herausragende Symbolkraft des Stephansdomes

auch im 20. Jahrhundert verdeutlichen zwei Begeben-heiten. O5 - diese Buchstaben-Zahlen-Kombinationsteht für Widerstand gegen den Nationalsozialismusvon 1938-1945. Unter diesem Code kämpfte eine überParteigrenzen und Ideologien stehende Gruppe für einfreies Österreich. Die Widerstandskämpferinnen und -kämpfer haben – nicht zufällig – O5 auf der Westseitedes Stephansdomes in die Mauern eingeritzt. Zu Kriegsende, in der Nacht zum 12. April 1945,brannte der Dom. Die Pummerin stürzte ab und zer-schellte am Boden. Unmittelbar danach erfolgte derWiederaufbau, finanziert durch Spenden von der ohnehin durch den Krieg mittellosen Bevölkerung. Die neue Pummerin wurde aus dem Material der zuBruch gegangenen Glocke gegossen. 1952 war der Dom wiederhergestellt.

Dass der Dom bis heute ein „Nationalheiligtum“ ist,beweisen nicht nur die hohen Tourismuszahlen, son-dern zeigt sich auch in der Spendenbereitschaft derÖsterreicherinnen und Österreicher für den Erhalt desGebäudes. Die laufenden Instandhaltungsarbeitenwerden großteils durch Spenden finanziert, die u.a.durch die 1987 gegründete Privatinitiative „Rettet denStephansdom“ koordiniert werden.

Stephansdom

Foto

: Öst

erre

ich

Wer

bu

ng

Foto

: Öst

erre

ich

Wer

bu

ng

Staatsoper

Page 82: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Der Vergleich von Weltkulturerbestädten der Welt zeigtdie Vielfalt an Stadtkonzepten, beeinflusst vom kultu-rellen Umfeld (sozial, religiös, wirtschaftlich) und denEreignissen in der jeweiligen Landesgeschichte. Die UNESCO misst darüber hinaus Identität stiftendenSymbolen besonderen Wert bei.

Eine Stadt, am Reißbrett entworfen: Brasilia…

Wien hat sich in 2000 Jahren entwickelt: Phasen derStadtplanung (Barock, Gründerzeit) wechselten ab mitPhasen der Entwicklung. Es ist eine historisch gewach-sene Stadt, die mittelalterliche Elemente ebenso ent-hält wie barocke Achsen oder Bauten, die den Aufbruchin die Moderne signalisieren (Sezession). Ganz anders Brasilia: Die Hauptstadt Brasiliens wurdein der Mitte der 1950er Jahre innerhalb von nur dreiJahren gleichsam aus dem Nichts erbaut und ist damitein außergewöhnliches Beispiel für konsequente Stadt-planung.Als Verbindung des ärmeren Hinterlandes mit dem pro-sperierenden Südosten an der Küste (und der damaligen

Hauptstadt Rio) sollte Brasília ein Kommunikations-zentrum des Landes und damit auch ein Bindeglied inder zerklüfteten brasilianischen Bevölkerung darstellen.Der Stadtgrundriss und die Aufteilung der Nutzungs-flächen – oft verglichen mit der Silhouette eines gegenSüdosten fliegenden Vogels oder eines Flugzeuges –folgt strengen geometrischen Kriterien, die Gebäudesind Beispiele für Architektur der 50er Jahre.

Städte und Identitätssymbole als Welterbe

Historisches Zentrum von Wien80

MQ – Moderne als IdentifikationEines der zehn größten Kulturareale der Welt befindetsich in Wien, in den Gebäuden der ehemaligen Hof-stallungen. Das Museumsquartier ist ein Beispiel fürmustergültige Revitalisierung. Nach heftigen Kontro-versen – auch die UNESCO gab eine Stellungnahme ab –konnte das Areal als Symbiose zwischen barocker undmoderner Architektur gestaltet werden.

Seit seiner Eröffnung 2001 ist das Museumsquartier mitdem Museum für Moderne Kunst, Leopold Museum undder Kunsthalle Wien ein Hot Spot in der internationalenKunstszene. Es ist eine Schnittstelle zwischen dort an-gesiedelten Institutionen der Bildenden Kunst, Archi-tektur und Tanz mit Kulturinteressierten und Kindern.

Das geschützte Areal mit den legendär gewordenenSitzmöbeln und einer lebendigen Gastronomie bietetauch Erholungsraum mitten in der Stadt. Das Museums-quartier zeigt, neben anderen herausragenden Initiati-ven, wie den Wiener Festwochen oder dem Filmfestivalam Rathausplatz, dass Wien seinen Ruf als Kulturstadtauch in der Moderne gerecht wird. >> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 2

Brasília

Museumsquartier

Foto

: U

NES

CO /

Dom

iniq

ue

Roge

rFo

to:

Öst

erre

ich

Wer

bu

ng

Page 83: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

In seiner kurzen Entstehungsgeschichte und demStadtentwurf zeigt Brasília auch soziale Aspekte auf, sie spiegelt den (gescheiterten) Versuch, einen idealenLebensraum für eine moderne, „klassenlose“ Gesell-schaft zu schaffen. (Walter Prigge, 2003)

Gewachsene Multikulturalität:

Altstadt von Baku

Wien hatte als Zentrum eines Weltreiches großen Ein-fluss auf den Städtebau in Europa. Für die Gliederungder Stadt durch optische Achsen im Barock war Wien,neben Rom, Vorbild für europäische Hauptstädte, fürdie Bauten der Gründerzeit war Wien Vorbild in derganzen Monarchie.

Baku dagegen ist eine Stadt, die auf keinem eigenenKonzept beruht, sondern Einflüsse zahlreicher Völker insich aufgenommen hat. Zoroastrier, Sassaniden, Araber,Perser, Schirwaner, Ottomanen und Russen haben inBaku (Aserbaidschan) ihre Spuren hinterlassen. Die Alt-stadt der heutigen Ölmetropole am Kaspischen Meergeht zurück bis ins 7. Jahrhundert vor Christus undentwickelte sich kontinuierlich über die Jahrhunderte.Sie ist eine Festung, umgeben von Mauern, mit einemLabyrinth aus engen Straßen und zahlreichen erhalte-nen Monumenten (Palast der Khane von Schirwan, dieKarawansereien, der Jungfrauenturm, die Bäder, DjumaMoschee). Baku stellt ein außergewöhnliches Beispieleines historischen Stadtensembles unter multikulturel-lem Einfluss dar, so die Begründung der UNESCO zurAufnahme als Weltkulturerbestätte.

Im Jahr 2000 wurde die Stadt von einem schweren Erd-beben getroffen. Ausgearbeitete Pläne zur Wiederher-stellung des Kulturerbes fehlen leider. Daher hat dieUNESCO Baku im Juli 2003 auf die „Rote Liste“ dergefährdeten Welterbestätten gesetzt.

Eine Brücke als Symbol des Friedens: Mostar

Symbole waren und sind für die Identität Wiens vongroßer Bedeutung: In den Jahren der Armut und derfinanziellen Not wurde in Wien unter großer Anteil-nahme der Bevölkerung die Staatsoper wiederher-gestellt und die Pummerin neu gegossen. Auch ein Neustart braucht solche Symbole, die, auf-bauend auf der Geschichte, in die Zukunft weisen. DieBrücke von Mostar ist ein herausragendes Beispiel dafür.

Bosnien-Herzegowina war von 1992-1995 Schauplatzdes Balkankrieges. Im Zuge der Kriegshandlungen wur-de auch ein Großteil der Altstadt von Mostar zerstört.Die Alte Brücke, „Stari Most“, nach der auch die StadtMostar benannt wurde, wurde gesprengt. Diese Brückeführte über den Neretva Fluss und stellte eine wichtigeVerbindungsachse zwischen den von unterschiedlichenVolksgruppen bewohnten Stadtteilen dar. Die Brücke mit ihren architektonischen Elementen ausverschiedenen Kulturen wurde originalgetreu wiederaufgebaut. Dass dieser Wiederaufbau trotz der wirt-schaftlich desaströsen Lage des Landes nach dem Kriegerfolgen konnte, ist das Verdienst eines von der UNESCOeinberufenen internationalen Komitees, das die Wieder-errichtung der historischen Stadt organisatorisch undfinanziell unterstützte.

Der Wiederaufbau Mostars gilt als Symbol der Versöh-nung und der Koexistenz kultureller, ethnischer undreligiöser Gemeinschaften. In der Begründung für dieAufnahme als Weltkulturerbestätte werden explizit diegrenzenlosen Bemühungen der menschlichen Solidari-tät für Frieden und die enge internationale Zusammen-arbeit angesichts unermesslicher Katastrophen hervor-gehoben.

Mostar

Historisches Zentrum von Wien 81

Foto

: U

NES

CO /

Mou

nir

Bou

chen

aki

Page 84: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Historisches Zentrum von Wien Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler82

Vom Römerlager zur europäischen Metropole

Kaum vorstellbar, dass Wien einst nur aus ein paarStraßenzügen und gerade einmal 1000 Häusernbestand. Das Wachstum dieser Stadt zur Metropole mitetwa 1,65 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnernim Jahr 2007 ist im Stadtbild gut nachzuvollziehen.Die Expansion Wiens zeigt sich im Vergleich von Stadt-plänen über die Jahrhunderte. Die Veränderungen amStadtbild selbst sind mit alten Zeichnungen und Male-reien sowie Fotografien dokumentiert. Versuche dabei,besonders die Änderungen in den drei wichtigen Peri-oden (Barock, Gründerzeit, Moderne) herauszuarbeiten.

>> Wie hat sich dein Wohnbezirk im Laufe der Zeitentwickelt? Wer hat früher dort gelebt?

Alt und Neu

Der Erhalt der historischen Stätten und eine moderneStadterneuerung stellen Politik, Wirtschaft, Bewohne-rinnen und Bewohner und nicht zuletzt die UNESCO als„mahnendes Gewissen“ vor immer neue Herausforde-rungen, einzelne Bauprojekte erhitzen die Gemüter.Mit der Errichtung des Haas Hauses des ArchitektenHans Hollein im historischen Zentrum gegenüber demStephansdom und der Revitalisierung der barockenHofstallungen zum pulsierenden Museumsquartier gibtes zwei Beispiele für die Symbiose von Alt und Neu.

>> Verfolge die Medienberichterstattung zu umstrit-tenen Bauvorhaben, wie dem Bahnhof Wien Mitteoder Hochhäusern in Wien. Diskutiert in der Klasseeure Meinungen.

Und in Zukunft?

„STEP04“, der aktuelle Stadtentwicklungsplan vonWien, enthält die Zielsetzungen für die Zukunft derStadt, mit besonderem Fokus auf die Lebensqualitätseiner Bewohnerinnen und Bewohner.

>> Sieh dir die Stadtentwicklungspläne von Wien anund überlege, inwieweit die Pläne deinen persön-lichen Vorstellungen für die Zukunft der Stadt ent-sprechen. Erstelle in der Klasse eine „Wunschliste“und gestalte diese übersichtlich in Form von Plakatenu.a.

Lebensqualität

Wien liegt international an dritter Stelle der Städte mit höchster Lebensqualität. (Studie Mercer HumanResource Consulting)

Städte mit höchster Lebensqualität

1. Zürich (Schweiz)2. Genf (Schweiz)3. Vancouver (Kanada)3. Wien (Österreich)5. Auckland (Neuseeland)5. Düsseldorf (Deutschland)7. Frankfurt (Deutschland)8. München (Deutschland)9. Bern (Schweiz)

Städte mit geringster Lebensqualität

207. Port Harcourt (Nigeria)207. Sanaa (Jemen)210. Ndjamena (Tschad)211. Pointe Noire (Kongo)212. Khartoum (Sudan)213. Bangui (Zentralafrik. Republik)214. Brazzaville (Kongo)215. Baghdad (Irak)

Um die Lebensqualität zu beurteilen, wurden 39 Faktoren wie Wirtschaft und Umwelt, Gesundheits-versorgung, Bildungsangebote, Verkehrsmittel undSicherheit in Betracht gezogen. Auffallend an der Rang-liste ist, dass größtenteils europäische Städte über einegute Lebensqualität verfügen und die letzten Plätzevon afrikanischen Städten belegt werden.

1 >>

Page 85: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Historisches Zentrum von Wien 83Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler

>> Wähle eine Stadt aus der oberen und eine aus derunteren Info-Box aus, recherchiere zu diesen Städtenund vergleiche sie hinsichtlich ihrer Lebensqualität.

Naturraum Großstadt

Wien ist auch eine „Umweltmusterstadt“, die mit demBiosphärenpark Wienerwald, dem Nationalpark Donau-auen und den zahlreichen Parks über einen vergleichs-weise hohen Anteil an Grünflächen verfügt. Auch diehistorische Altstadt bietet einer Vielzahl an LebewesenHeimat (vgl. Universum-Dokumentation Leben im Stephansdom).

>> Erkunde den Naturraum Großstadt, beobachte die Pflanzen- und Tierwelt und wie sie mit den städtischen Rahmenbedingungen (Verbaute Flächen,Verkehr, Lärm, Menschen) existieren.

>> Welche Maßnahmen könntest du ergreifen, umden Lebensraum für Pflanzen und Tiere zu verbes-sern?

Gemeinsam leben

In einer Stadt als Lebens- und Wirtschaftsraum treffenverschiedenste Interessen aufeinander, umso wichtigerist ein reger Austausch dieser Interessen und der Anliegen der Bevölkerungsgruppen (vgl. Kapitel„Bedrohung und Schutz, Management“).

>> Schlüpfe in eine andere Rolle und überlege dir,was dieser Person in ihrem unmittelbaren Lebens-umfeld wichtig ist. Wie ist ihre Meinung zu Stadt-entwicklung, Denkmalschutz, Naturschutz? In einem Rollenspiel kannst du dies mit deinen Kolleginnen und Kollegen diskutieren.

Vorschläge für Rollen:Marie und Jonathan, 9 und 14 Jahre, Schülerin und Schüler / Juliane Maier, 40 Jahre, Büroangestellte,

Mutter von Marie und Jonathan / Michael Wiener, 58 Jahre, Bürgermeister der Stadt Wien / Anette Hofer,18 Jahre, Schülerin an einem UNESCO-Gymnasium, Mit-glied des Jugendfachbeirates der UNESCO-Kommission /Frank Strohmayer, 75 Jahre, Industrieller, Präsident derösterreichischen Fußballliga / Ursula Müller, 62 Jahre,Bezirksvorsteherin Wien-Innere Stadt / Hubert Senger,29 Jahre, Maurermeister, derzeit arbeitslos / Ching Li,32 Jahre, Pianistin aus Tokio, derzeit Touristin in Wien

Vom lieben Augustin und dem Meister

Puxbaum: Sagen in Wien

Zahlreiche Legenden und Sagen ranken sich um Persön-lichkeiten aus der Stadt und um einzelne Bauwerke inWien. Sie wurden über Jahrhunderte mündlich über-liefert. Durch sie lässt sich längst Vergangenes erleben,die Atmosphäre der damaligen Zeit wird spürbar.

Unter http://www.sagen.at/texte/sagen/oesterreich/wien/1_bezirk/sagen_1_ bezirk.html findet sich eineVielzahl von Sagen über Orte und Ereignisse der InnerenStadt.

Schülerinnen und Schüler haben im Rahmen einesUnterrichtsprojektes Sagen ausgewählt, den jeweiligenOrt aufgesucht und dort die Sage erzählt. Eine nach-ahmenswerte Aktion.

>> Analysiere eine Sage.

In welcher Zeit fanden die geschilderten Ereignissestatt (Mittelalter, Türkenzeit…)? Was erfahren wirüber das Leben der Menschen? Welche Lehren solltendie Zuhörerinnen und Zuhörer aus der Sage ziehen?Gelten diese Lehren heute noch?

>> Schreibe eine moderne Sage.

Einige Beispiele für Themen: – Spuk in der Wiener Straßenbahn– Der übermütige Fußball-Fan – Rätselhaftes Handy-Läuten

Page 86: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Historisches Zentrum von Wien Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler84

Schau genau!

Bedenke, dass die Lösung oft im Detail liegt. Nebendem Riesentor beim Stephansdom etwa finden sichzwei Metallstäbe, ein Kreis ist eingraviert. Diese dien-ten als Maßeinheiten für die Länge von Stoffen oder die Größe eines Brotlaibes. So konnte jedermann fest-stellen, ob er genügend Ware für sein Geld bekommenhatte. Stadtführungen weisen auf solche Besonder-heiten hin.

>> Begib dich auf Spurensuche und finde Hinweiseaus der Geschichte der Stadt und dem Leben seinerEinwohnerinnen und Einwohner.

Ansichtskarten von Wien

Schaut euch Ansichtskarten von Wien an.

>> Welche gefallen euch? Was zeigen sie? Beschreibtdie Ansichtskarte mit Worten. Welche Motive findensich auf der Karte? Von welchem Punkt aus wurdephotographiert?

>> Vergleicht die Bilder mit alten Ansichten von Wien(zu finden in den Bezirksmuseen, im Museum derStadt Wien…). Was zeigen diese Bilder? Was war demPhotographen damals wichtig zu zeigen, was ist esheute?

Wer bin ich – Wer sind wir?

>> vgl. Das Welterbe: Eine Quelle der Identität. Aus: „World Heritage in Young Hands“ (Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler)

Nationaldichter und Vaterlandsverräter

„Es ist ein gutes Land (...)Wo habt ihr desgleichen schon gesehen? (...)Schaut rings umher, wohin der Blick sich wendet, Lacht´s wie dem Bräutigam die Braut entgegen! (...)O gutes Land! O Vaterland!“ (König Ottokars Glück und Ende, UA 1825, Hofburgtheater)

„In diesem fürchterlichsten aller Staaten haben sieja nur die Wahl / zwischen schwarzen und rotenSchweinen“(Thomas Bernhard, Heldenplatz, UA 1988, Burgtheater)

Wien als Kulturstadt und Österreich als Kulturnation –diese Klassifizierung gefällt zumeist. Das Bild ist geradein der Literatur geprägt von folkloristisch-romantischenEinflüssen, oft in Erinnerung an „die gute alte Zeit“ der Monarchie. Doch es gibt auch kritische Intellektuelle,die das historische Erbe Österreichs kritisch betrachten,wie z.B. Elfriede Jelinek oder Thomas Bernhard. In seinem Theaterstück „Heldenplatz“ skizziert er ein Bild,das so ganz und gar nicht Gefallen gefunden hat –Politikerinnen und Politiker, Journalistinnen und Jour-nalisten und nicht zuletzt das Publikum erzürnten sichob dieser „Beleidigung“. Es war ein Theaterskandalersten Ranges. Kurioses Detail am Rande: Grillparzers„Loblied auf Österreich“ und Bernhards „Österreich-Besudelung“ wurden beide am österreichischen Nationaltheater am Ring uraufgeführt!

>> Loblied oder Spottgedicht: Schreibt ein Gedicht(einen Text, einen Rap…), über Wien, das etwas füreuch Typisches von Wien beschreibt oder aufs Kornnimmt: Die Fiaker auf der Ringstraße, die BrakedanceGruppe vor dem Stephansdom, die Oper und ihreBesucherinnen und Besucher, die Fanmeile,…

>> Sammelt Meinungen: – Ich steh’ auf Wien, weil… – Wenn mich jemand in Wien besucht, zeige ich

ihm/ihr…– Typisch für Wien ist…– Mich stört an Wien, dass…

>> Gruppiert die Antworten, findet Gemeinsamkeitenund Unterschiede heraus. Warum wird Wien sobeschrieben (Medien, Prospekte, Literatur)?

2 >>

Page 87: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Kulturlandschaft Fertö-Neusiedler See (gemeinsam mit Ungarn) 200185

Foto

s: Ö

ster

reic

h W

erbu

ng

Lange Zeit wurde der Neusiedler See für einen Rest desThetysmeeres aus dem Erdmittelalter gehalten, jenesUrozeanes, aus dessen Ablagerungen ein großer Teil desheutigen Europas aufgebaut ist. In den umgebendenHängen und Steinbrüchen finden sich Fossilien, derSee, ganz besonders aber die umgebenden Lacken,sind salzhaltig. Hier wachsen Pflanzen, die sich sonst

nur an Meeresküsten finden. Der See ist jedoch vieljünger. Erst vor ca. 13.000 Jahren schufen tektonischeAbsenkungen Wannen, die sich mit Wasser füllten. Die Weite des Landes, die riesigen Vogelschwärme, dievon der Nord- und Ostsee kommend hier Rast machen,und nicht zuletzt die große Wasserfläche legen aberGedanken an ein fernes Meer nahe.

Welterbe „Kulturlandschaft Fertö-Neusiedler See“

Die Kulturlandschaft Fertö-Neusiedler See wurde, zeit-gleich mit Wien, im Zuge der 25. Sitzung des Welterbe-komitees 2001 in Helsinki in die Welterbeliste auf-genommen.Das Welterbe umfasst 74.700 Hektar, 69% des Gebietesliegen in Österreich, 31% in Ungarn. Der See mit seinemSchilfgürtel ist zur Gänze Welterbe. Mörbisch, die Frei-stadt Rust sowie Oggau, Winden oder Donnerskirchenam Westufer des Sees liegen im Welterbegebiet, ebensoTeile des Seewinkels mit Podersdorf, Illmitz und Apetlon.

In Ungarn zählen das riesige Schilfgebiet am See sowiedie beiden Barockschlösser Nagycenk und Fertöd zumWelterbegebiet. Viehzucht, Landwirtschaft, Weinbau und Fischfanghaben diese Kulturlandschaft im Laufe von acht Jahr-tausenden geprägt. Die bemerkenswerte ländlicheArchitektur der Dörfer und die beiden Palastanlagenungarischer Adeliger aus dem 18. und 19. Jahrhundertunterstreichen den Wert der Region als kulturelles Erbe.

Vogelparadies, Kulturland, Grenzgebiet

Begründung der Aufnahme in die Welterbeliste

· Die Region Fertö-Neusiedler See ist geologisch und geomorphologisch von einzigartiger Vielfalt geprägt. Durch das Zusammentreffen unterschiedlicher Klimaeinflüsse – kontinental, submediterran, alpin – bildet sie nicht nur ein geographisches Grenzgebiet, sondern auch einen Übergangs – und Grenzbereich der Faunen- und Florenregionen. Über acht Jahrtausende war die Region Fertö-Neusiedler See auch Treffpunkt unterschiedlicher Kulturen, zu denen germanische, slawische (kroatische) und finno-ungrische-altaische (ungarische) Bevölkerungs- elemente zählen. Dies wird deutlich in der vielfältigen Landschaft, die das Ergebnis eines evolutionären und symbiotischen Prozesses der menschlichen Interaktion mit der physikalischen Umwelt ist. (Kriterium v)

Page 88: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Kulturlandschaft Fertö-Neusiedler See86

Ein See, umgeben von Schilf

Der Neusiedler See ist der westlichste europäischeSteppensee. Die Vielfalt des Naturraumes ist für Europaeinzigartig, weil hier Pflanzen und Tiere aus drei ganzunterschiedlichen Lebensräumen vertreten sind. Wirfinden Lebewesen, die für die Steppen des kontinen-talen Europas typisch sind, wärmeliebende Arten ausdem submediterranen Raum aber auch Vertreter dersubalpinen Flora und Fauna. Gespeist wird der 320 km2 große See vor allem durchNiederschläge und nur zum geringen Teil durch rechtkleine Flüsse. Die natürlichen Wasserstandsschwan-kungen führten in historischer Zeit zum Anwachsen biszu einer Größe von 500 km2. Der See trocknete aber auchmehrmals aus. Im schlammigen Wasser leben heuteKarpfen, Barsche, Hechte und Welse. In den letztenJahrzehnten wurden auch „Aliens“ ausgesetzt. Dazuzählte der Aal oder der Amur. Diese problematischeVorgangsweise – fremde Arten können die heimischeFischfauna verdrängen – wurde längst eingestellt, Aaleaus dem Neusiedler See gibt es kaum mehr. In Europa findet sich nur im Donaudelta ein größererSchilfbestand. Am Neusiedler See ist er bis zu 5 kmbreit. Die heutige Ausdehnung hat das Schilf erst

innerhalb der letzten 150 Jahre erreicht. Niedrigwasser-stände nach der Regulierung durch einen künstlichenAbfluss sowie Nährstoffe aus der Landwirtschaft ließendas Schilf kräftig wachsen. Der Schilfgürtel ist keineswegs eine gleichmäßigbewachsene Fläche. Hier wechseln Kanäle und offeneWasserflächen mit Schilfbeständen unterschiedlichenAlters. Diese Struktur beherbergt unzählige Tiere, es istdie Kinderstube der Fische des Sees. Hecht, Wels undviele karpfenartige Fische verbringen hier ihr ganzesLeben. Im Schilf leben auch heimliche Bewohner, dieman kaum zu Gesicht bekommt, wie die Wasserspitz-maus oder die Zwergmaus, die hier aus Blättern undStängeln ihre Kugelnester baut. Gäbe es nicht die Störche – der See wäre das Paradiesder Frösche. Wasserfrösche und Laubfrösche sind zwarkeine ausgesprochen seltenen Tiere (obwohl alleAmphibien in Österreich geschützt sind). Ungewöhnlichund einmalig ist hier die Größe des Bestandes, am Seeleben Millionen von Fröschen.

Am gesamten Ostufer des Sees findet sich ein bis zuzwei Meter hoher und bis zu 25 Meter breiter Sandwall.Entstanden ist er durch Eisstöße. Wegen seiner geringenTiefe kühlt der See im Winter rasch ab. Es bildet sicheine mächtige Eisdecke. Bei niedrigem Wasserstandkann der See sogar durchfrieren. Nordwestwinde herr-schen hier vor, schieben das Eis und mit ihm lockereSande zum Ostufer, ein Damm bildet sich. Auf dem trockenen Sand konnte sich nur eine dünneBodenschicht entwickeln, immer wieder finden sichoffene Stellen. Hier kann man den Ameisenlöwenbeobachten, eine Insektenlarve, die in ihrem kegel-förmigen Trichter auf Ameisen lauert. Im Sand lebenauch die großen Maulwurfsgrillen. Sie wiederum sindNahrung für den Wiedehopf. Bei Illmitz, am Sandeck,kann man sich vom Ausmaß des Seedammes über-zeugen, aber auch davon, dass er tatsächlich aus See-sand aufgebaut ist: Ein Stück des Fahrradweges ist so

Steppensee am Alpenrand

Segelboote

Foto

: Ve

rein

Wel

terb

e N

eusi

edle

r Se

e

Satellitenbild des Neusiedler Sees

Foto

: W

ikim

edia

/ N

ASA

10 km

Page 89: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Siedlungsgebiet seit 8000 Jahren

Der Raum ist uraltes Siedlungsgebiet. Aus dem 6. Jahr-tausend vor Christus, der Jungsteinzeit, stammen dieältesten Siedlungsspuren. Die Region hatte bereits zudieser Zeit Grenzlandcharakter. Gefunden wurden Keramiken sowohl von nordwest- als auch südost-europäischer Herkunft. Hirten besiedelten 2000 Jahrespäter, in der Bronzezeit, die Region und eine euro-päische Fernstraße entstand: die Bernsteinstraße.

Bis in die Römerzeit führte sie von der Nordsee bis zurAdria und passierte dabei den See. 500 vor Christus siedelten die Kelten am See – in Erd-hütten. Auch sie betrieben Ackerbau und Viehzucht. Um Christi Geburt kamen die Römer ins Land, bautenSiedlungen und befestigten die Bernsteinstraße bis zur Donau als Route für das Militär. Mit der Völker-wanderung kamen Quaden, Sveben, Goten, Hunnen,Heruler, Langobarden, Avaren und Onoguren, sogarFranken errichteten am See Militärposten.

sandig, dass man beim Radfahren sehr geschickt seinmuss, um es ohne abzusteigen zu bewältigen.

Der Seewinkel

Der Seewinkel ist geprägt von zahlreichen salzhaltigenLacken: Vergleichbare Seen finden sich etwa in Asienam Rande von Wüstengebieten, selten aber mitten inEuropa. In den Böden wandert das Salz in Trockenperioden mitdem aufsteigenden Wasser nach oben und bildet dortdie im Sommer weithin sichtbaren weißen Salzkrusten.Das Salz eignet sich nicht zum Kochen, es besteht vorallem aus Soda und nur zum geringen Teil aus Kochsalz. Heute liegen noch rund 45 Lacken im Seewinkel. Eswaren einmal mehr als 100. Ihr Wasserstand schwanktstark. Im Frühjahr sind sie bis zu 70 cm tief, im Sommerkönnen sie völlig austrocknen. Die seenahen Lackenwaren ursprünglich ein Teil des Sees, sie wurden durchden Damm vom See getrennt. Andere sind wahrschein-lich älter als der See selbst. Sie entstanden währendder letzten Eiszeit aus so genannten Pingos. Diese riesigen Eislinsen enthielten Lehm und Ton. Nach ihremAbschmelzen dichteten diese Materialien die durch dasEis aufgeschürften Senken ab, sie konnten sich mitWasser füllen. Nur spezielle Salzpflanzen können auf Salzbödenwachsen. Manche, wie die Salzkresse, weisen starkverdickte Blätter auf, um möglichst viel Wasser auf-nehmen zu können. Andere, wie der Strand-Dreizack,versuchen das Salz loszuwerden, indem sie es in Blättern speichern und diese dann abwerfen. Auch die Lacken sind – trotz des hohen Sodagehaltes –voll Leben. Hier sind Urzeitkrebse zu finden, unterihnen mehrere Zentimeter große Kiemenfußkrebse.

Es sind lebende Fossilien. Sie lebten schon im Erdalter-tum, lange vor den Dinosauriern. Sie sind außerordent-lich gut an den extremen Lebensraum angepasst. IhreEier können mehrere Jahre trocken liegen, sie könnengefrieren oder sich auf dem heißen Boden bis zu 70Grad erwärmen. Wenn sich wieder eine Lacke bildet,schlüpfen sie in kürzester Zeit. Im Seewinkel dienen siedarüber hinaus den Wasservögeln als Nahrung: An denLacken erwartet gefiederte Gäste ein „SeewinklerShrimpscocktail“. Der Seewinkel war und ist auch Weideland, für dörf-liche Herden aber auch für die großen Herden derGutshöfe. Die Beweidung hat die charakteristischeSteppenlandschaft geschaffen: offenes Grasland undgroße, von Hirten und ihren Hunden bewachte Vieh-herden, da und dort eine Schilfhütte als Unterstandsowie charakteristische Brunnen. Selten gewordenePflanzen und Tiere finden sich im Weidegebiet, unterihnen die Spinnenragwurz, eine Orchidee, deren Blüteeiner Spinne täuschend ähnlich sieht. Zu finden sindauch so genannte Weidezeiger, Pflanzen, die wegenihrer Dornen und Stacheln oder aufgrund ihres bitterenGeschmackes von Tieren nicht gefressen werden. Zuihnen zählt der Feldmannstreu. Diese große stacheligePflanze bricht im Herbst ab, der Wind rollt den kugel-förmigen Fruchtstand über die Steppe und verstreut soden Samen dieses „Steppenrollers“.

Kulturlandschaft Fertö-Neusiedler See 87

Heimat für Bauern, Treffpunkt von Völkern

Page 90: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Ungarn und Österreich –

Zusammenleben am See seit 900 Jahren

Erst die Magyaren errichteten im 11. Jahrhunderteinen dauerhaften Staat und eine Verwaltung, die über Jahrhunderte den See und das Umland prägte. Die Siedlungen am Westufer des Sees (Rust, Fertörakos)gehen auf Gründungen im 12. und 13. Jahrhundertzurück. Ab dem 13. Jahrhundert wanderten deutsch-sprachige Siedlerinnen und Siedler ein. Da die Regionvon der Tatareninvasion verschont blieb, entwickeltesie sich kontinuierlich bis zu den Türkenkriegen. Als dieTürken 1529 Wien belagerten, wurde auch die RegionFertö-Neusiedler See verwüstet. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Land mehrmals zerstört, undPestepidemien entvölkerten das Land. Kroatische Siedlerinnen und Siedler wurden ins Land gerufen, sie bauten die Siedlungen wieder auf. Bis heute bildensie die zweitgrößte Volksgruppe der Region. Die mittelalterlichen Befestigungen von Rust, Oggauoder Purbach wurden verstärkt. 1681 wurde Rust zurFreistadt – ein Zeichen für das Erstarken der Region.Die Stadt hatte sich ihre Freiheit erkauft, unter anderemdurch den weithin bekannten Wein, der nachweislichseit dem 14. Jahrhundert in der Umgebung angebautwird. Rust grenzt einerseits ans Ufer des Sees undandererseits an die Weingärten der Hügel am Westuferdes Sees. Bis heute bestimmt die hohe Stadtmauer dieSiedlungsstruktur der Stadt.

Mit seinen Kirchen und Plätzen, den alten Bürger-häusern und nicht zuletzt den Storchennestern auf denRauchfängen zieht Rust hunderttausende Besucherin-nen und Besucher an. Rust ist eine der Siedlungen, die entlang einer Straßeden See umgeben. Am Westufer zählen Mörbisch, Rust,Donnerskirchen und Neusiedl dazu, im Osten Poders-dorf, Illmitz und Apetlon. Dieser Ring setzt sich inUngarn fort, mit Fertörakos, Balf oder Sarrod. Die bis

heute sichtbare Siedlungsstruktur – geschlossene Ort-schaften und dazwischen unbesiedeltes Land – istJahrhunderte alt. Nur die Gemeinschaft der Siedlungbot auf dem flachen Land Schutz vor Überfällen.Im 18. Jahrhundert entdeckten Adelige die Schönheitdes Landes. Zwei der führenden ungarischen Adels-familien errichteten riesige Barockschlösser im Südendes Sees: Nagycenk und Fertöd in Ungarn sind Teil desWelterbes. Der Zerfall der Monarchie und der Eiserne Vorhang nachdem Zweiten Weltkrieg teilten zwar die Region, die Ver-bindungen blieben jedoch lebendig. Ein ganz beson-deres Symbol dieser Verbindung ist die knapp außer-halb des Welterbegebietes liegende Brücke von Andauim Seewinkel. Über die kleine Brücke gelangten 1956,während des Aufstandes gegen das kommunistischeRegime, über 70.000 Ungarn und Ungarinnen nachÖsterreich. 1989 wurde in der Nähe von St. Margareten beim sogenannten „Paneuropäischen Picknick“ Geschichtegeschrieben. Der Eiserne Vorhang öffnete sich zumersten Mal. Wenige Monate später fiel die BerlinerMauer. Seither „wächst zusammen, was zusammengehört“, auch in der Region Fertö-Neusiedler See.

Bauernstand und Adel

Ländereien von Adeligen und kleinbäuerliche Dörferprägten die Region, die Landnutzung blieb über Jahr-hunderte gleich. Streckhöfe, errichtet aus Lehm und mitSchilf gedeckt, waren typisch für Kleinbauern, in dengrößeren Orten prägen die eindrucksvollen Gehöfte dasStadtbild. Siedlungs- und Gehöftformen sind charakte-ristisch für die Region und damit Teil des Welterbes.

Über Jahrhunderte waren die Esterhazys eine dermächtigsten Adelsfamilien Westungarns. Im 18. Jahr-hundert ließ Fürst Nikolaus Esterhazy („der Pracht-liebende“) Schloss Esterhaza, heute Fertöd, errichten.Das Barockschloss mit seinen Prunksälen, einem eigenenOpern- und Musikhaus sowie einer riesigen barockenGartenanlage (vgl. Schönbrunn) erhielt den Beinamen„Ungarisches Versailles“. Der Fürst liebte Prunk – unddie Musik. Mehr als 20 Jahre lebte und arbeitete JosephHaydn im Schloss. Eine Anekdote gibt Einblick in dasLeben der Musiker. Sie lebten während der Saison –mehr als 10 Monate im Jahr – getrennt von ihrenFamilien. 1772 wollte die Saison nicht enden, daherbaten die Musiker Haydn, beim Fürsten ein gutes Wortfür sie einzulegen. Haydn komponierte daraufhin dieAbschiedssymphonie. Im fünften Satz verlässt ein Musiker nach dem anderen die Bühne, nur zwei Violinen beenden die Symphonie. Der Fürst verstandden Wink und schickte die Musiker nach Hause.

Kulturlandschaft Fertö-Neusiedler See88

Page 91: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Voraussetzung für die Anerkennung als Welterbe ist derSchutz durch nationale und internationale Vereinba-rungen und Gesetze. Als Inter-Nationalpark (in Öster-reich und in Ungarn) und als Biosphärenpark genießtdieses Gebiet den größtmöglichen Schutz.

Lange Zeit wurden der See und die natürliche Um-gebung nicht als schützenswert betrachtet. Die Bewoh-nerinnen und Bewohner der Gegend waren arm, siewollten an der wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben,insbesondere durch Intensivierung der Landwirtschaft.Große Flächen wurden trocken gelegt, die traditionelleViehzucht durch Getreide- und Weinbau ersetzt. Voretwa 100 Jahren gab es sogar Pläne, den NeusiedlerSee trocken zu legen und die Seefläche als Ackerland zu nutzen.

Doch es gab Initiativen, die sich für die Bewahrung desNaturerbes einsetzten. Der Schutz des Gebietes um die„Lange Lacke“ im Seewinkel war entscheidend für dieGründung des WWF Österreich. Die noch junge Organi-sation pachtete das Gebiet 1964 und rettete damitdiesen einmaligen Lebensraum. 1971 sollte eine Auto-bahnbrücke quer über den See gebaut werden: DerNaturschutzbund sammelte mehr als 200.000 Unter-schriften und verhinderte dieses Projekt. 1977 wurdedas Gebiet zum UNESCO-Biosphärenpark und 1993schließlich zum Nationalpark erklärt. Zum damaligenZeitpunkt war dies der einzige von der IUCN (Welt-naturschutzorganisation) anerkannte Nationalpark inÖsterreich.

Der Neusiedler See liegt im Dreiländereck Österreich,Ungarn und Slowakei. An die drei Millionen Menschenleben in dieser Region im Zentrum Europas. Daher istdieses Gebiet auch für Großinvestitionen interessant. Inder Nähe des Welterbegebietes, in Parndorf, sollte einHotelkomplex entstehen, ein mehr als 100 Meter hoherTurm hätte das Landschaftsbild verändert. Nach Ein-sprüchen der lokalen Bevölkerung und der UNESCOwurde das Projekt neu geplant, die Höhe deutlichreduziert. Dieses Beispiel zeigt die Notwendigkeit unddie Bedeutung des Schutzes.Darüber hinaus erfordern die vielen kleinen Verände-rungen in der Region geeignete Managementpläne.Zubauten an den Häusern sowie Neubauten mögen imEinzelfall nur von punktueller Bedeutung sein, in ihrerSumme können sie aber den Charakter eines Dorfesverändern. Gemeinsam mit der Bevölkerung müssenhier Wege gefunden werden, damit Altes und Neuesharmoniert. Der Verein „Welterbe-Neusiedler See“ entwickeltegemeinsam mit allen Betroffenen den von der UNESCOgeforderten Managementplan. Die Fertö-Neusiedler SeeRegion soll als Kulturlandschaft erhalten, die Region zu einer Modellregion für nachhaltige Entwicklunggestaltet werden. Das Gebiet soll als Welterbe auch der Bevölkerung vorgestellt und nicht zuletzt sollenBrücken zwischen den Ländern geschaffen werden.Viele Schritte sind dazu erforderlich: Es gibt Programmefür sanften Tourismus, für die Zusammenarbeitzwischen Schulen in Österreich und Ungarn und fürinnovative Verkehrskonzepte.

Kulturlandschaft Fertö-Neusiedler See 89

Das zweite Schloss in der Welterberegion, Nagycenk, ist eng mit den Fürsten Szechenyi und damit einem der bekanntesten ungarischen Adelsgeschlechter ver-bunden. Das Schloss erhielt im 19. Jahrhundert, etwa50 Jahre später als Fertöd, seine heutige Gestalt. Vorbild war nicht mehr französisches Barock, sondernenglische Landsitze mit ihren Parks. Pferdezucht warden Fürsten ein besonderes Anliegen, sie begründetenhier ein bekanntes Gestüt.

Schloss Esterhazy

Foto

: Ve

rein

Wel

terb

e N

eusi

edle

r Se

e

>> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 1

Bedrohung und Schutz, Management

Page 92: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Kulturlandschaft Fertö-Neusiedler See90

Schutz für Biodiversität: Welterbe und Umwelt

Ein ganz besonderes Erbe der Menschheit ist die Viel-falt des Lebens. Lebewesen und Lebensräume könnennicht rekonstruiert, ihr Verlust kann nicht ersetzt wer-den. Doch die Vielfalt ist weltweit bedroht, vor allemdurch die Veränderung und Zerstörung von natürlichenoder über Jahrhunderte gewachsenen Lebensräumen.Die internationale Staatengemeinschaft hat daher aufdem Umweltgipfel in Rio de Janeiro 1992 dem Schutzder Biodiversität einen vorrangigen Stellenwert einge-räumt.

Das Welterbe Fertö-Neusiedler See ist für den Schutzder Biodiversität von doppelter Bedeutung. Die Vielzahlan Lebensräumen bedingt eine hohe Artenvielfalt. Fürdie Vogelwelt ist das Gebiet darüber hinaus von gesamt-europäischer Bedeutung. Auf ihrer Reise von Nordennach Süden und zurück rasten hier zehntausende Zug-vögel, das Gebiet ist für sie Trittstein. Mit der Bewah-rung dieses Gebietes kommt Österreich auch seineninternationalen Verpflichtungen zum Schutz der Feucht-gebiete und der Vogelwelt nach.

Heimat und Rastplatz für Vögel

Die Vogelfauna des Neusiedler Sees ist weltberühmt: An die 300 Vogelarten wurden beobachtet. Etwa 150davon brüten hier, unter ihnen bis zu 700 Silberreiher-Paare. Der Neusiedler See ist das größte bekannte Brut-gebiet der Welt für diese Art.

40% der europäischen Vogelarten können hier beob-achtet werden. Insbesondere während des Vogelzugesim Frühjahr und Herbst finden sich riesige Vogel-schwärme am See. Bis zu 35.000 Gänse machen imWinter hier Rast. An Entenvögeln rasten hier Brand-gans, Löffel-, Schnatter-, Pfeif-, Krick-, Spieß-, Tafel-,Reiher- und Knäkente sowie Gänse- und Zwergsäger.All diese Vögel brauchen den See. Der Schutz dieserLebensräume ist damit von europäischer Bedeutung.Österreich hat entsprechende internationale Verein-barungen unterzeichnet.Der Schutz der Vögel ist auch der Grund für Maßnahmenzur Lenkung von Besucherinnen und Besuchern: VieleVögel besitzen eine große Fluchtdistanz und würdenmassiv gestört, wenn ihnen Menschen ständig zu nahekommen. Daher ist es so wichtig, die Vögel von denWegen und Aussichtswarten aus zu beobachten. Gehtman näher heran, fliegen die Tiere auf und verbrauchenfür sie lebenswichtige Energie. Ein gutes Fernglasermöglicht viel bessere Ansichten als der Versuch, sichanzupirschen.

Vielfalt an Haustieren

Biodiversität heißt Vielfalt auch bei Nutztieren. DerErhalt der einst im Seewinkel lebenden, an die Regionangepassten Tiere, ist ein eigener Schwerpunkt. Hierlebende Tiere konnten (und mussten) das ganze Jahrüber im Freien verbringen und die klimatischen Beson-derheiten dieser Gegend (heiße trockene Sommer undkalte Winter) ertragen. Viele dieser Tierrassen, die einstdie Landschaft prägten, sind vom Aussterben bedroht.Am Neusiedler See wurde für einige der früher hierlebenden Tierrassen wieder eine Heimat geschaffen. Sie gehören ebenfalls zum Welterbe. Dazu zählen dasUngarische Steppenrind, der Wasserbüffel, die WeißenEsel und das Przewalskipferd. Das weiße bis hellgraue Steppenrind mit den riesigenHörnern ist ein typisches Fleisch- und Zugtier: Großund schwer (bis zu 900 kg), anspruchslos, kam es vormehr als 1000 Jahren aus dem Osten bis ins Burgen-land. Mit den modernen Transportmöglichkeiten wurden Ochsenwagen überflüssig, die Rinderrasse verlor an Bedeutung und starb fast aus. Weniger als200 Tiere zählte man vor wenigen Jahrzehnten. Heuteleben im Seewinkel 450 dieser seltenen Haustiere.

Foto

: Ve

rein

Wel

terb

e N

eusi

edle

r Se

e

oben: Vögel in der Luft

unten: Graurindherde

Foto

: Ve

rein

Wel

terb

e N

eusi

edle

r Se

e

Page 93: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Gutsbesitzer in der Donaumonarchie hielten sich Weiße Esel. Sie haben hellblaue Augen und ein gelb-lich-weißes Fell, sind also keine Albinos (die hättenrote Augen!), sondern eben hell gefärbte Tiere. Gezüchtet wurden sie im 17. und 18. Jahrhundert, dieBezeichnung „Barock-Esel“ verweist darauf. In dieserZeit galten weiße Pferde als Lichtbringer, sie standenfür das Gute. Damals wurden Lipizzaner vor die Kaiser-kutschen gespannt. Es war daher nahe liegend, auchWeiße Esel zu züchten – nicht als Arbeitstiere, sondernals Spielgefährten für adelige Frauen und Kinder. Welt-weit gibt es wohl nur mehr 150 bis 200 dieser Tiere.Am Neusiedler See leben etwa 30 von ihnen. Als Teilder natürlichen Vielfalt und des kulturellen Erbes werden sie hier für die Nachwelt erhalten.

Mangalitzaschweine besitzen, anders als die meistenHausschweine, ein Haarkleid mit Unterwolle – daherauch die deutsche Bezeichnung „Wollschweine“. Nochvor 50 Jahren war das Mangalitzaschwein die in Ungarnvorherrschende Schweinerasse, anspruchslos undgeschätzt wegen der dicken Fettschicht, aus der dieBauern und Hirten Speck und Schinken erzeugten. Doch fettes Fleisch kam aus der Mode. Ende der 70erJahre des vorigen Jahrhunderts war diese Schweine-rasse bis auf wenige hundert Tiere verschwunden. Am Neusiedler See hat diese Tierrasse eine Heimatgefunden.

Kulturlandschaft Fertö-Neusiedler See 91

Bernstein und Weihrauch:

Harze mit Weltgeschichte

In den kargen Landschaften Arabiens wächst ein bis zu8 Meter hoher Baum, dessen Harz seit Urzeiten vongroßem Wert ist: Weihrauch. Schon die alten Ägypterverwendeten es zu kultischen Zwecken und bei derMumifizierung. Seine desinfizierende Wirkung warbereits im Altertum bekannt. Den Wert von Weihrauchlässt die biblische Erzählung von den Gaben der dreiWeisen erahnen: Gold, Weihrauch und Myrrhe warenGeschenke für einen künftigen König. Vom 3. Jahrhundert vor Christus bis zum 2. Jahrhundertnach Christus kontrollierte der Nomadenstamm derNabatäer den Handel mit Weihrauch. Sie brachten das

kostbare Harz von Südarabien durch die Wüste Negev zuden antiken Häfen am Mittelmeer. Der Geschichts-schreiber Diodor (1. Jh. v. Chr.) schrieb: „Sie übertreffendie anderen arabischen Stämme bei weitem an Reich-tum, … denn nicht wenige sind gewohnt, Weihrauchund Myrrhe und auserlesene Gewürze zum Meer zubringen …“. Einen Abschnitt dieses uralten Handels-weges hat die UNESCO 2005 in die Welterbeliste auf-genommen.Ein Harz ganz anderer Art findet sich an der Ostsee-küste: Bernstein, fossiles Harz von Kiefern, die vormehr als 30 Millionen Jahren dort wuchsen. Bernsteinfindet sich in manchen Braunkohlefeldern, wird aber –insbesondere nach Sturmfluten – auch aus versunkenenLagerstätten an den Strand gespült. Seit Urzeiten giltBernstein als Symbol von Luxus und Macht. Er warbegehrt als Schmuck und als Zaubermittel und findetsich bereits in jungsteinzeitlichen Gräbern. Der bedeu-tendste Handelsweg für dieses Luxusgut war die Bern-steinstraße: Sie führte von St. Petersburg die Ostsee-küste entlang, dann nach Süden. Bei Carnuntum über-querte sie die Donau, den Neusiedler See, den Alpeno-strand, und endete schließlich in Venedig. Die Römerbefestigten diese Straße von Italien bis nach Carnuntum,sie wurde zur Staatstraße.

Heimat für Krauskopfpelikan und Silberreiher

In Bulgarien liegt ein einzigartiges Vogelschutzgebiet:der Srebarna See. Das Gebiet liegt im Norden Bulgariens,

In bester Gesellschaft: Neusiedler See und andere Welterbestätten

Die Wüste Negev

Foto

: U

NES

CO /

Lou

rier

, Le

ah

>> Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler 2

Page 94: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

nur einen Kilometer südlich der Donau, die hier dieGrenze zu Rumänien bildet. Der See ist Rastplatz fürZugvögel, 233 Arten wurden hier beobachtet. Derbekannteste Brutvogel an diesem See ist der Kraus-kopfpelikan. Mit einer Flügelspannweite bis 2,80 mund mehr als 10 kg schwer, ist er der größte PelikanEuropas. Die Zerstörung des Lebensraumes, aber auchdirekte Verfolgung durch den Menschen haben diesenVogel zur bedrohten Tierart gemacht. Etwa 10% desWeltbestandes, so schätzt man, leben an diesem See.

Auch der Neusiedler See ist ein einzigartiger Lebens-raum für Vögel. Über 300 verschiedene Arten wurdenhier beobachtet, 150 Arten brüten hier. Unter anderemist der See Brutgebiet für etwa 700 Silberreiher-Paare.Wegen seiner Schmuckfedern wurde dieser Vogel intensiv gejagt. Dank der Schutzmaßnahmen habensich die Bestände aber wieder erholt. Spektakulär amNeusiedler See ist auch der „Gänsestrich“: Von MitteOktober bis zum Dezember rasten hier tausende Gänseauf ihrem Weg in den Süden. Am Abend fliegen sie vonihren Nahrungsgebieten in typischer Pfeilform auf dieLacken, um die Nacht auf dem Wasser zu verbringen –ein Schauspiel, das jedes Jahr Vogelkundige aus allerWelt in den Seewinkel führt.

Grenzen von gestern mitten durch Europa

Eine befestigte Grenze trennte die Gebiete der Germanenund das Römische Reich: der Limes. In Österreich bildete die Donau diese Grenze, in Deutschland war esein befestigter Grenzwall: Der obergermanisch-rätischeLimes war 550 Kilometer lang, an die 100 Kastelle und900 Wachtürme wurden zur Grenzsicherung errichtet.Der Limes war eine willkürliche, streckenweise schnur-gerade Grenze, allerdings keine unüberwindliche Barriere, eher eine Wirtschafts- und Kulturgrenze. Teiledieser Grenze wurden bereits 1987 (Hadrians Wall) und

2005 (obergermanisch-rätischer Limes) als grenzüber-schreitende Welterbestätte „Grenzen des RömischenImperiums“ in die Welterbeliste aufgenommen. Eine andere Grenze teilte fast 50 Jahre auch das Welt-erbegebiet Fertö-Neusiedler See: der Eiserne Vorhang,eine nahezu unüberwindbare Grenze mit Stacheldraht-verhauen und Wachtürmen. Erst 1989 wurde dieseBarriere durchlässig – mit dem so genannten „Paneuro-päischen Picknick“ an der Grenze nahe St. Margareten.Die Veranstaltung nutzten etwa 600 Bürgerinnen undBürger der damaligen DDR zum Grenzübertritt in denWesten – ohne dass Grenzsoldaten einschritten. Kaumdrei Monate später fiel die Berliner Mauer.

Geschichte von Genuss und Laster

Der Anbau von Genussmitteln und Drogen bestimmtnicht nur Wirtschaft und Geschichte ganzer Völker, erprägt auch Landschaften. Auf Kuba findet sich eine eigentümliche Landschaft,geprägt durch bizarre Kalksteinkegel: das Viñales Tal.Bauern pflanzen hier vor allem Tabak an, angeblichden besten der Welt. Von der Aussaat bis zur Ausliefe-rung sind fast 100 Arbeitsgänge notwendig, dahermeint ein kubanisches Sprichwort: „Tabak kannst dunicht einfach pflanzen, den musst du heiraten". Weinbau prägt das Gebiet um den Neusiedler See. Diemeist kleinräumig strukturierten Weingärten prägensowohl das Westufer als auch den Seewinkel. Rust undPurbach wurden als Weinorte bekannt, seine Bürge-rinnen und Bürger mit dem Weinhandel reich. AuchWeinbau erfordert viel Handarbeit – vom Rebschnittim Spätwinter bis zur Lese im Herbst. Wein und Tabak prägen Landschaften, erzählen vonfrühem Handel, von Festen, auch von kultischen Feiern. Alkohol und Nikotin sind aber auch Suchtgifte,deren Missbrauch schwere gesundheitliche und sozialeSchäden anrichtet.

Kulturlandschaft Fertö-Neusiedler See92

Hadrians Wall

Foto

: U

NES

CO /

Du

nou

au,

Fran

ck

Purbach / Kellerviertel

Foto

: Ve

rein

Wel

terb

e N

eusi

edle

r Se

e

Page 95: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Kulturlandschaft Fertö-Neusiedler See 93Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler

1 >>

Kulturlandschaft erleben

Das Welterbegebiet Neusiedler See ist ein idealesExkursionsgebiet, vor allem für Fahrradgruppen, aberauch für Wanderungen.

>> Führungen bietet das Nationalparkzentrum oder der WWF an. An keinem anderen Ort in Öster-reich können so viele Vogelarten so leicht beobachtetwerden. Zudem ist das Gebiet von Wien aus auch mitöffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar.

Kleine Unterschiede prägen das Land

Auf den ersten Blick erscheint der Seewinkel flach undeintönig. Es ist ein Land, von dem man sagt, dass manam Morgen schon sehen kann, wer zu Mittag vorbei-kommt. Doch geringe (Höhen-) Unterschiede verändernhier die Pflanzen und Tierwelt. Achtet ganz besondersdarauf. In der Nähe des Sees sind feuchte Wiesen – früher Mähwiesen, heute leben hier vielfach Pferde –zu finden, dann folgt der trockene, sandige Seedamm.Dahinter finden sich Wiesen, in den Vertiefungen sindLacken. Manche sind mit Süßwasser gefüllt und dunkelgefärbt (Schwarzlacken), andere mit Salzwasser unddaher fast weiß.

>> Versucht mindestens eine typische Tier- oderPflanzenart für jeden Bereich zu nennen.

Eine Zeitreise

Der Neusiedler See ist seit acht Jahrtausenden Kultur-land. Lasst Wanderinnen und Wanderer erzählen, diehier vorbei kamen

>> Vor 10.000 Jahren: Das Gebiet war kaum besiedelt, nur Steinzeitjäger lebten hier. Wie warensie gekleidet, wovon lebten sie? Wie hat das Landausgesehen (Wälder, Sümpfe), welche Tiere lebtenhier (Wölfe, Bären, Auerochsen)?

>> Vor 2000 Jahren: Eine römische Handelsstrasseführte vorbei, Bauern lebten hier von Viehzucht undAckerbau. Wie hat sich das Land verändert? Wie reisten die Menschen? Wie lebte die Bevölkerung?(Fragt auch im Lateinunterricht, Plinius berichtet über diese Gegend)

>> Vor 500 Jahren, im ausgehenden Mittelalter: Wiehaben die Orte ausgesehen, wie schützten sich dieMenschen? Welche Gefahren drohten ihnen? Wie wardie Gesundheitsvorsorge, die Hygiene (die Pest suchtedas Land heim)? Woraus bauten die Menschen ihreHäuser, wie befestigten sie die Siedlungen (SteinbruchSt. Margareten)?

Frühe Globalisierung

>> Welche Waren wurden vor 2000 Jahren über weiteStrecken transportiert und warum? Welche Waren sindes heute?

>> Bernsteinhändler haben sicherlich am NeusiedlerSee Rast gemacht. Wie waren sie unterwegs? Wasfürchteten sie? Und was fanden sie vor? Wo machtenNomaden Rast, wie transportierten sie ihre Schätze?

>> Was erinnert heute noch an die Bernsteinstraße,gibt es Spuren am Neusiedler See (römisches MitrasPortrait in Fertörakos, Römersteinbrüche, Bernstein-funde…)?

Page 96: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Kulturlandschaft Fertö-Neusiedler See Aktivitäten für Schülerinnen und Schüler94

Steckbriefe

>> Schreibt in Gruppen Steckbriefe für einige am Seevorkommende Vogelarten. Der originellste Steckbriefwird ausgezeichnet. Nachstehend ein Beispiel:

Gesucht: Der LöfflerBeschreibung: Schreitvogel (lange Beine!), Länge80 cm, Flügelspannweite 1,5 m, reinweißBesonderes Kennzeichen: löffelförmiger SchnabelAngehörige: verwandt mit dem heiligen Ibis der ÄgypterVermuteter Aufenthalt: Neusiedler See, sonst sehr selten.Eventuell in Holland und in Südspanien anzutreffen. Im Winter verzieht er sich nach Afrika. Braucht offeneFlächen, treibt sich im flachen Wasser herum. Achtung! Seiht mit seinem Schnabel alles Fressbare ausdem Schlamm. Daher für Insektenlarven, Krebse oderMuscheln besonders gefährlich.

Rastplätze

Wenn Menschen reisen, brauchen sie Hotels oder Campingplätze zum Übernachten, Restaurants zumEssen, Tankstellen für die Treibstoffversorgung. Wenn Vögel reisen, brauchen sie Plätze, an denen sieNahrung finden und sicher übernachten können.

>> Wenn eine Graugans schreiben könnte, wie würdeeine Ansichtskarte (Email, SMS, MMS) vom NeusiedlerSee aussehen?

Nahrung für Wien – einst und jetzt

Weitgehend baumloses Steppenland, dazwischen Wasserflächen – so genannte Lacken - und immer wieder grasende Rinderherden. Da und dort ein paarschilfbedeckte Häuser. Die Viehwirtschaft prägte dasLand um den Neusiedler See über Jahrhunderte. Vor 100 Jahren stammten Tafelspitz und Rindsbraten in Wien nicht selten von Tieren aus dieser Region.

Paradeiser und Paprika gedeihen in der Region ambesten, sie sind die Hauptprodukte des Seewinkels.Daneben werden Radieschen, Jungzwiebel, Salat, Karfiol, Chinakohl, Zucchini und Zuckermais angebaut.Jährlich werden etwa 10.000 Tonnen Gemüse vermarktet (aus: Genuss-Regionen 2005).

>> Diskutiere die Gründe für diese Entwicklungen:

– Warum wurde die Viehwirtschaft aufgegeben (Intensivierung, Stallhaltung)?

– Woher stammt das Fleisch für Wien heute (Grünlandgebiete wie Voralpenland, Salzburg…)?

– Warum wird gerade im Seewinkel Gemüse angebaut(Sonnenscheindauer, Nähe Wien)?

Musik als kulturelles Erbe

Joseph Haydn komponierte auf Schloss Fertöd. Seine Musik wurde weltbekannt.

>> Welche Musik hat Haydn komponiert, was hat ihnbeeinflusst? Und welche Musik verbindet ihr heutemit dem Neusiedler See? Ist es die Operette oder sindes die Violinklänge von Toni Stricker?

2 >>

Page 97: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Informationen und Links / Literatur

Page 98: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

96 Informationen und Links / Literatur

UNESCO-Welterbe

Informationen und Linkshttp://whc.unesco.org UNESCO-Welterbezentrum

http://whc.unesco.org/en/list Liste aller Welterbestätten

www.unesco.at Österreichische UNESCO-Kommission

www.unesco.at/kultur/welterbeUNESCO-Welterbe in Österreich

www.schaetze-der-welt.deFernsehreihe 3sat

LiteraturWelterbe für junge Menschen. Eine Unterrichtsmappefür Lehrerinnen und Lehrer, 2003 (erhältlich bei derÖsterreichischen UNESCO-Kommission, www.unesco.at)

Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Natur-erbes der Welt, UNESCO Generalkonferenz, 1972www.unesco.at/kultur/basisdokumente

Richtlinien für die Durchführung des Überein-kommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, UNESCO-Zentrum für das Erbe der Welt, 2005www.unesco.at/kultur/basisdokumente

Starke, Thomas: Welterbe Deutschland ÖsterreichSchweiz. Schmid Verlag, 2001

Deutsche UNESCO-Kommission e.V. (Hrsg.): Welterbe-Manual, 2006

Müller, Jörg: Hier fällt ein Haus, dort steht ein Kranund ewig droht der Baggerzahn oder Die Veränderungder Stadt. Verlag Sauerländer, 2007

Historisches Zentrumder Stadt Salzburg

Informationen und Linkswww.salzburg-guide.atSpezialtouren für Jugendliche

www.hellbrunn.atSchloss Hellbrunn

www.salzburg.infoSalzburg Tourismus

www.salzburg-rundgang.at/de_salzburg-geschichte.html

LiteraturBundesdenkmalamt: The World Heritage Documentationfor the Nomination of Salzburg – historic center / Altstadt von Salzburg, 1995

Dopsch, Heinz und Hoffmann, Robert: Geschichte derStadt Salzburg. Verlag Anton Pustet, 1996

Kramml, Peter F. und Veits-Falk, Sabine:Stadt Salzburg. Geschichte in Bildern und Dokumenten. Kostbarkeiten aus dem Stadtarchiv. StadtgemeindeSalzburg (Hrsg.), 2002

Hutter, Clemens M.: Salzburg. Ein Glücksfall. Otto Müller, 2002

Barockberichte. Informationsblätter des SalzburgerBarockmuseums zur bildenden Kunst des 17. und 18.Jahrhunderts. Heft 46/47, 2007

Bastei. Zeitschrift des Stadtvereines Salzburg, 56. Jg.2007

Das Kunstwerk des Monats. Salzburg Museum (Hrsg.)

Mitteilungen der Gesellschaft für SalzburgerLandeskunde, Bd. 1 (1860) – 147 (2007)

Salzburg Archiv. Schriftenreihe des Vereines Freundeder Salzburger Geschichte, Bd. 1 (1986) – 31 (2007)

Schriftenreihe des Archivs der Stadt Salzburg

Schloss und Gärtenvon Schönbrunn

Informationen und Linkswww.schoenbrunn.at Schlossgeschichte und Touren

www.zoovienna.at Tiergarten und Zoopädagogik

Page 99: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

97Informationen und Links / Literatur

http://www.bundesgaerten.at/schbrunn/schb.htmSchlossgärten

www.lehrerweb.at Suchbegriff „Schoenbrunn“: Materialiendatenbank,Unterrichtsvorschläge, Arbeitsblätter, Rätsel

LiteraturBundesdenkmalamt: The World Heritage Documentationfor the Nomination of Schönbrunn – Palace and Gardens / Schloß und Park von Schönbrunn, 1995

Iby, Elfriede und Koller, Alexander: Schönbrunn. Christian Brandstätter Verlag, 2007

Kurdiovsky, Richard: Die Gärten von Schönbrunn. Ein Spaziergang durch einen der bedeutendstenBarockgärten Europas. Residenz Verlag, 2005

Schratter, Dagmar und Heindl, Gerhard:Tiere unterwegs. Historisches und Aktuelles über Tiererwerb und Tiertransporte. Braumüller, 2007

Vocelka, Karl: Geschichte Österreichs. Kultur – Gesellschaft – Politik. Heyne, 2002

von Kurzböck, Johann Edler: Neueste Beschreibungaller Merkwürdigkeiten Wiens, 1779

Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut

Informationen und Linkswww.welterberegion.at

www.dachsteinwelterbe.at

www.salzkammergut.at

www.museum-hallstatt.at Geschichte

www.salzkammergut.co.at Salzkammergut Touristik

www.hallstatt.net Tourismus- und Veranstaltungsinformationen

www.inneres-salzkammergut.at Tourismusverband

www.welterbe-aktiv.at Schulprogramme und –aktivitäten

http://schulen.eduhi.at/welterbehauptschule-badgoisern

www.sagen.at

LiteraturBundesdenkmalamt: The World Heritage Documentationfor the Nomination of the Cultural Landscape Hallstatt– Dachstein / Salzkammergut, 1996

Jeschke, Hans Peter (Hrsg.): Das Salzkammergutund die Weltkulturerbelandschaft Hallstatt-Dachstein/Salzkammergut. Grundlagenforschung, Kulturlandschaftspflegewerk und Monitoring. Gesellschaft für Landeskunde – OberösterreichischerMusealverein, 2002

Komarek, Alfred: Salzkammergut. Reise durch einunbekanntes Land. Kremayr & Scheriau, 1994

Aitenbichler, Sepp: Sagen aus dem Salzkammergut.Freya, 2006

Grieser, Dietmar: Nachsommertraum im Salzkammergut.Eine literarische Spurensuche. Insel, 1996

Konstam, Angus: Die Kelten. Von der Hallstatt-Kulturbis zur Gegenwart. Tosa, 2005

Pinkau, Guido: Wandern mit Kindern. Rund um Salzburg. Von Hallstatt bis zum Chiemsee. Stocker, 2000

Semmeringbahn

Informationen und Linkswww.semmeringbahn.at Geschichte, Wanderwege, Aktuelles

www.suedbahnmuseum.atwww.semmeringbahn.info Rundwanderwege, Gewinnspiel

www.semmering.at Semmering Tourismus

www.hirschenkogel.atWanderrouten

Page 100: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

98 Informationen und Links / Literatur

http://album.eisenbahnen.at/ Eisenbahnfotografie

www.bikeparksemmering.at Bikepark

LiteraturBundesdenkmalamt: The World Heritage Documentationfor the Nomination of Semmering – railway – culturalsite / Semmeringbahn (Kulturlandschaft), 1995

Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Kultur undWissenschaft (Hrsg.): Denkmalpflege in Niederöster-reich. Semmering–UNESCO Weltkulturerbe, 2003

Kos, Wolfgang und Sotriffer, Kristian (Fotos):Über den Semmering – Kulturgeschichte einer künstlichen Landschaft. Tusch, 1984

Pap, Robert: Weltkulturerbe Semmeringbahn. Zum Jubiläum 150 Jahre Semmeringbahn 1854-2004. Tourismusregion NÖ Süd (Hrsg.), 2003

Straub, Wolfgang: Carl Ritter von Ghega. Styria, 2004

Forum. Magazin Technisches Museum Wien: FaszinationSemmeringbahn. Sonderausstellung des TechnischenMuseums Wien im Schloss Reichenau. Ausgabe 02/2004

Technisches Museum Wien und Marktgemeinde Rei-chenau an der Rax: Faszination Semmeringbahn. EineAusstellung des Technischen Museums Wien und derMarktgemeinde Reichenau an der Rax, 2004

Marktgemeinde Reichenau an der Rax (Hrsg.):Katalog zur Ausstellung 150 Jahre Südbahn. Mit Volldampf in den Süden, 2007

Hauleitner, Franz und Hauleitner, Rudolf: Rother Wanderführer – Wiener Hausberge. Bergverlag Rother, 2006

Historisches Zentrumder Stadt Graz

Informationen und Linkswww.graz.at

www.staedteforum.at Magazin mit Beiträgen zum UNESCO-Welterbe

www.graztourismus.atGraz Tourismus: Sehenswertes und Webcam

www.eduhi.at Suchbegriff „Graz“: Unterrichtsmaterialien

www.unesco-stmk.orgUNESCO-Landesarbeitsgemeinschaft Steiermark

www.keplerraum.at Museumsraum zu Johannes Kepler

LiteraturBundesdenkmalamt: The World Heritage Documentationfor the Nomination of Graz – historic center, 1998

Stadt Graz Stadtbaudirektion: Weltkulturerbe Historische Altstadt Graz. Management Plan, 2007

Celedin, Gertrude (Hrsg.): Graz. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, 2003

Koren, Johannes: Von Kaisern, Mördern und anderenGrazern. Geschichte in Lebensbildern – von FriedrichIII. bis Otto Wanz. Steirische Verlagsgesellschaft, 2007

Laukhardt, Peter: Der Grazer Schlossberg. Weltkultur-erbe im Sturm der Zeit. Verlag für Sammler, 2000

Laukhardt, Peter und Strahalm, Werner: Graz – eineStadtgeschichte. Ed. Strahalm, 2006

Friedl, Inge und Rath, Beatrix: Kinder entdecken Graz.Styria, 2001

Leb, Andreas und Turek-Pirker, Sabine:Graz ganz groß. Ein tierisch guter Stadtführer für Kinder.Styria, 2006

Praschl-Bichler, Gabriele: Geheimnisse des Mittelaltersund der Renaissance. Der Grazer Vergangenheit auf denSpuren. Stocker, 2005

Stadtgartenamt (Hrsg.): Der Grazer Schlossberg. Magistrat Graz, 1998

Stadt Graz (Hrsg.): Weltkulturerbe. Dokumentation über die Nominierung der Altstadt von Graz. Steirische Verlagsgesellschaft, 2000

Haditsch, Bernd: Wandern mit Kindern – Graz & rundum Graz. Stocker Leopold Verlag, 2007

Page 101: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

99Informationen und Links / Literatur

Kulturlandschaft Wachau

Informationen und Linkswww.wachau.at

www.arbeitskreis-wachau.at Arbeitskreis Wachau

www.stiftmelk.atStift Melk

www.spitz-wachau.at Marktgemeinde Spitz

www.life-wachau.at LIFE Nature Projekt Wachau

www.hskrems-1.ac.at/wachau/html/index.htmlWebseite zur Wachau, erstellt von der 4.Klasse derHauptschule 1 in Krems

www.geo.de/artenvielfalt „GEO-Tag“ der Artenvielfalt

https://public.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/kompetenzzentrum_aeccb/pdf/Fallstudie_Strohkopf.pdf Fallstudie des Ökogymnasiums Krems zum „GEO-Tag“

LiteraturBundesdenkmalamt: The World Heritage. Dokumentation für die Nominierung der Kulturland-schaft Wachau, 1999

Bundesdenkmalamt: Denkmal – Ensemble – Kultur-landschaft am Beispiel der Wachau. Monument – Site –Cultural Landscape exemplified by the Wachau. Verlag Berger Wien – Horn, 2000

Hofmann, Thomas und Hofmann, Clemens: Wachau.Wunderbares – Sagenhaftes – Unbekanntes. Pichler Verlag, 2005

Magris, Claudio: Donau – Biographie eines Flusses.Zsolnay, 1996

Gans, Hannes: Falters Feine Reiseführer – Die Wachaumit Strudengau und Nibelungengau. Falter Verlag, 2006

Fürst, Ulrich: Schule des Sehens – Neue Medien derKunstgeschichte. Einführung in die Architektur derRenaissance und des Barock. www.fak09.uni-muenchen.de/Kunstgeschichte/projekte/arch_complete_vers/start.htm

Historisches Zentrum von Wien

Informationen und Linkswww.wien.gv.at

www.wien.gv.at/stadtentwicklung/weltkulturerbeWelterbe Wien

www.wienguide.at geführte Stadtspaziergänge

www.wienmuseum.at Wien Museum am Karlsplatz: Stadtgeschichte, Kunstschätze, Ausgrabungen

www.bezirksmuseum.at Bezirksgeschichte

www.stephansdom.at

www.ddsg-blue-danube.at Wien per Schiff entdecken

www.mqw.atMuseumsquartier Wien: Zoom Kindermuseum, Theater„Dschungel Wien“

http://www.wieninternational.at

LiteraturBundesdenkmalamt: Wien: Historisches Stadtzentrum.Nominierung zur Aufnahme in die Weltkulturerbeliste,2000

Stadtentwicklung Wien, Magistratsabteilung 19(Hrsg.): Wien, Weltkulturerbe. Der Stand der Dinge.Vienna, World Heritage. The State of the Art. Stadt Wien, 2006

Stadt Wien (Hrsg.): Internationale Konferenz Welterbeund zeitgenössische Architektur. Vom Umgang mit derhistorischen Stadtlandschaft. Report. Stadt Wien, 2005

Wiener Memorandum, UNESCO-Konferenz „Welterbeund zeitgenössische Architektur“ 2005.www.wien.gv.at/stadtentwicklung/weltkulturerbe/wien2005.htm

Wehdorn, Manfred: Wien. Das historische Zentrum:Weltkulturerbe der UNESCO. Springer, 2004

Page 102: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

100 Informationen und Links / Literatur

Wehdorn, Manfred: Wien. Ein Stadtführer durch dasWelterbe der UNESCO. Springer, 2004

Recheis, Käthe: Sagen aus Österreich. Ueberreuter,2001

Universum-Dokumentation (ORF): „St. Stephan – Der lebende Dom“ (ca. 80 Min.), auf DVD

Studie Mercer Human Resource Consulting:Quality of Life Survey, 2007

Prigge, Walter: Bauhaus und Brasilia, Auschwitz undHiroshima. Jovis, 2003 www.baufachinformation.de/artikel.jsp?v=218469

Stiftung Bauhaus Dessau (Hrsg.): Weltkulturerbe des20. Jahrhunderts: Modernität und Barbarei. EditionBauhaus Bd.12, 2003

Bierbaumer, Ulf: Wiederaufbau oder Neuaufbau. Der Wiener Theaterbetrieb beginnt mit einem Rückgriff.In: Waechter-Böhm, Liesbeth (Hrsg.): Wien 1945davor/danach. Verlag Christian Brandstätter, 1985

KulturlandschaftFertö-Neusiedler See

Informationen und Linkswww.welterbe.org Welterbe Fertö-Neusiedler See

www.fertotaj.hu Ungarischer Welterbeverein

www.nationalpark-neusiedlersee.org

www.burgenland.at

www.burgenland.info Burgenland Tourismus, Radwege, Wanderwege

www.neusiedlersee.com Neusiedler See Tourismus Gesellschaft; Radwandertageauch für Schulklassen

www.rust.at Informationen über Rust, Wissenswertes über Störche

www.bernsteinstrasse.net Bernsteinstrasse

www.borg-op.asn-bgld.ac.at/RoemischeBernsteinstrasseSchulprojekt des BG Oberpullendorf zur RömischenBernsteinstrasse

www.wwf.at World Wide Fund for Nature: Projekttage und Projekt-wochen des WWF für Schulen, Ferienlager

LiteraturBundesdenkmalamt: The World Heritage Documentationfor the Nomination of the cultural landscape of Fertö-Neusiedler Lake, 2000

Republik Österreich, Republik Ungarn:Welterbe Kulturlandschaft Fertö / Neusiedlersee. Managementplan. Welterbe-Workshop, 2003

Verein Welterbe Neusiedlersee (Hrsg.):Kulturlandschaft Fertö/Neusiedlersee. Unser Welterbe. Kurzfassung Managementplan, 2004

Universum Spezial: Welterbe Neusiedler See, 2005

Schittenhelm, Christoph: Social Impacts im Tourismus– Am Beispiel Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel. Diplomica, 2002

Békési, Sandor: Verklärt und verachtet. Wahrnehmungsgeschichte einer Landschaft – Der Neusiedler See. Lang, 2007

Löffler, Heinz: Der Seewinkel. Die fast verlorene Land-schaft. Molden, 1983

Vyoral, Hannes und Chobot, Manfred: Sommer aufdem ausgeruhten Land. Gedichte aus dem Seewinkel1998-2002. Grasl, 2003

Page 103: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

Legende zu den Folien

Page 104: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

102

Historisches Zentrum der Stadt Salzburg

THEMA: „Umbauten und Veränderungen in derAltstadt“Eine historische Altstadt, wie die der Stadt Salzburg, istbeständigen Veränderungen unterworfen. Diese könnendurchaus unterschiedlich beurteilt werden. Neben seiner Tradition als Musik- und Festspielstadt sieht sichSalzburg auch als Kulturzentrum, das Fortschritt mitmoderner Architektur dokumentieren möchte. Wennsich Salzburg auch seiner Rolle als Welterbestättebewusst ist, besteht die Sorge, als Museumsstadt ab-gestempelt zu werden. Deshalb werden Projekte derModerne an prominenten Stellen favorisiert. Hier stelltsich die Frage: Sind nicht an manchen Stellen von Welt-erbestätten Erneurungen überhaupt auszuschließen –sei es wegen ihrer besonderen Bedeutung, sei es, weildas zuträgliche Ausmaß an Erneuerungen bereits aus-geschöpft wurde?

Großes Foto: 1 Das historische Zentrum der Stadt Salzburg

Kleine Fotos (v.l.n.r.): 2 Museumder Moderne am Mönchsberg 3 Haus für Mozart (ehem. KleinesFestspielhaus)

Schloss und Gärten von Schönbrunn

THEMA: „Optischer Umgebungsschutz“Ein außerhalb von Kern- und Pufferzone geplantesHochhaus (120 m) hätte die optische Integrität derWelterbestätte maßgeblich beeinträchtigt. Auf Inter-vention der UNESCO wurde eine Reduktion der Bauhöhedes Projektes auf die Hälfte bewirkt, denn schon während der Planungsphase konnte die Integration des Gebäudes in die bestehende Stadtsilhouette durchBildmontagen überprüft werden.

Großes Foto: 1 Das Schloss und dieGärten von Schönbrunn

Kleine Fotos (v.l.n.r.): 2 Bildmon-tage Schloss Schönbrunn mit demgeplanten Hochhaus (60 m) imHintergrund 3 Geplantes Hochhausmit 120 m; Kompromisslösung mitReduktion der Höhe auf 60 m

Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein

Salzkammergut

THEMA: „Verkehrslösungen“Die historische Verbindung See – Stadt wurde seinerzeit(wie übrigens sonst nur noch in Dürnstein/Wachau)durch die Tunnelführung der Umfahrungsstraße bei-behalten und nicht unterbrochen. Der Welterbestatusvon Hallstatt ist sicherlich wesentlich auf diese frühereEntscheidung (und Investition) zurückzuführen.

Großes Foto: 1 Die KulturlandschaftHallstatt-Dachstein Salzkammergut

Kleine Fotos (v.l.n.r.): 2 Foto von der Bauphase der Hallstatt-Umfahrung 3 Vogelperspektive auf Hallstatt 4 Lageplan der Hallstatt-Umfahrung

Semmeringbahn

THEMA: „Nutzung bringt Veränderung vs. konservatorische Erhaltung“Der heutige Betrieb der Bahn erfordert Veränderungenin Hinsicht auf Technik und Sicherheit. MassivereBetonbrüstungsmauern mit größerem Sicherheits-abstand zum Gleis stellen derartige Adaptionen dar.Dabei ist erforderlich, nicht jeweils für einzelne Viadukte zu planen, sondern bei den Adaptierungenstets die Einheitlichkeit der gesamten Semmering-strecke im Auge zu behalten.

Großes Foto: 1 Die Semmeringbahn

Kleine Fotos (v.l.n.r.): 2 Foto mitneuer Elektrolokomotive 3 Aquarellmit Dampflok

Legende zu den Folien

BILDNACHWEIS: Historisches Zentrum der Stadt Salzburg 1 © Österreich Werbung / 2 und 3 © F. Neuwirth Schloss und Gärten von Schönbrunn 1 © Österreich Werbung / 2 und 3© Stadt Wien/Architekturbüro Podsedensek Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut 1 © Österreich Werbung / 2 und 4 © M. Singer. In: Hans Jörgen Urstöger, Hallstatt-Chronik. Verlag des Musealvereins Hallstatt, 2000 / 3 © M. Oberer/BDA Semmeringbahn 1 © Österreich Werbung / 2 © F. Neuwirth / 3 © H. P. Pawlik. In: Kubinszky-Pawlik-Slezak,Architektur an der Semmeringbahn. Josef Otto Slezak Verlag, 1992

Page 105: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

103Legende zu den Folien

Historisches Zentrum der Stadt Graz 1 © Österreich Werbung / 2 und 3 © F. NeuwirthKulturlandschaft Wachau 1 © Österreich Werbung / 2 und 3 © Benedikt v. Loebell /4 © F. Neuwirth Historisches Zentrum von Wien 1 © Österreich Werbung / 2, 3 und 4 © F. Neuwirth Kulturlandschaft Fertö-Neusiedler See 1 © Österreich Werbung /2 und 3 © F. Neuwirth

Historisches Zentrum der Stadt Graz

THEMA: „Moderne Bauten“Neue Elemente können in die Altstadt eingefügtwerden, vorausgesetzt, sie haben die entsprechendeQualität und beachten den Maßstab. Es ist zudem die Quantität zu beachten, denn die beste Lösung kann nicht beliebig wiederholt werden und wirkt beiWiederholungen gegenteilig. Die Idee, Alt und Neu zu kombinieren, kann an dem Beispiel des „EisernenHauses“, einem revolutionären Gebäude seiner Zeit,und seiner Interpretation in die heutige Zeit - Kunst-haus Graz - veranschaulicht werden. Schon dieBezeichnung des Kunsthauses als „Friendly Alien“zeigt, dass es von der Bevölkerung akzeptiert wurde.

Großes Foto: 1 Das historische Zentrum der Stadt Graz

Kleine Fotos (v.l.n.r.): 2 Dachland-schaft mit Kunsthaus 3 Kunsthausals Zubau zum „Eisernen Haus“

Kulturlandschaft Wachau

THEMA: „Hochwasserschutz“Aus Rücksichtname auf die Kulturlandschaft werdenHochwasserschutzeinrichtungen in Form mobiler Elemente auf einer niedrigen Basismauer errichtet.Diese können im Falle einer drohenden Flut in modu-larer Art beliebig erhöht werden. Es ist nicht erforder-lich, die Mauern etwa historisch zu gestalten, sondernes genügt, sie als modernes Zweckbauwerk möglichstzurückhaltend zu entwerfen.

Großes Foto: 1 Die KulturlandschaftWachau

Kleine Fotos (v.l.n.r.): 2 Hoch-wasser 3 Mobile Elemente beiHochwasser 4 Mobile Elemente bei Normalpegel

Historisches Zentrum von Wien

THEMA: „Stadtarchäologie und Dachausbauten“Durch das harmonische Einfügen eines sogenanntenLaternengeschoßes – wie am Esterhazy-Park beispiel-haft als umlaufendes Glasband umgesetzt – fügt sich dieneue Dachkonstruktion unter Weiterverwendung derbestehenden Bausubstanz in die Dächeransicht Wiensein. „Draufg’setzt“ ist dagegen das Schlagwort für denDachausbau am Karlsplatz, wo die Ausbauten vielmehrAufbauten im wortwörtlichen Sinne sind. Die Band-breite der Entscheidungen zwischen einer Nutzung derDachgeschoße unter Beibehaltung der alten Strukturund Tektonik einerseits und einer „Stadt über derStadt“ andererseits, zeigt zugleich den Unterschiedzwischen dem für das Welterbe Zuträglichen und der oft gehandhabten Praxis. Die Ausgrabungen amMichaelerplatz zeigen die Veränderungen durch den historischen Entwicklungsprozess. In historischen Städten ist somit fast immer ein früherer archäologi-scher Befund vorhanden - die „Stadt unter der Stadt“.

Großes Foto: 1 Das historische Zentrum von Wien

Kleine Fotos (v.l.n.r.): 2 Dach-ausbau am Esterhazy-Park3 Dachausbau am Karlsplatz 4 Ausgrabungen am Michaelerplatz

Kulturlandschaft Fertö-Neusiedler See

THEMA: „Landschaftsgerechtes Bauen“In den Ortsverband einer Kulturlandschaft gehören Bauformen, die dem traditionellen Ortsbildcharakterentsprechen. Es können durchaus Neubauten errichtetwerden. Diese sollten jedoch in Höhe und in Kubatur denbestehenden Gebäuden entsprechen und die grund-sätzliche Bebauungstypologie historischer Ortschaften –wenn auch in modernen Bauformen – aufgreifen. Dazugehört auch, dass die Bebauung nicht ins umliegendeGründland ausufert, sondern der Ortsverband – wiefrüher – möglichst geschlossen erhalten bleibt.

Großes Foto: 1 Die KulturlandschaftFertö-Neusiedler See

Kleine Fotos (v.l.n.r.): 2 Bauen imOrtsverband 3 Bauen in der Kultur-landschaft

Page 106: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,
Page 107: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,
Page 108: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,
Page 109: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,
Page 110: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,
Page 111: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,
Page 112: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,
Page 113: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,
Page 114: Welterbe für junge Menschen Österreichwhc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-54...Schönbrunn, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein Salzkammergut, die Semmeringbahn,

„Tradition ist die Weitergabe des Feuers –

nicht die Anbetung der Asche.“ Gustav Mahler