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Wer waren die niederösterreichischen Nationalsozialisten? Biografische Studien zu NSDAP-Kreisleitern, SA und SS

Wer waren die niederösterreichischen Nationalsozialisten

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Wer waren die niederösterreichischen Nationalsozialisten?

Biografische Studien zu NSDAP-Kreisleitern, SA und SS

Forschungen zur Landeskunde von NiederösterreichBand 42

Herausgegeben vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich

Hans Schafranek

Wer waren die niederösterreichischen Nationalsozialisten?

Biografische Studien zu NSDAP-Kreisleitern, SA und SS

Verein für Landeskunde von NiederösterreichSt. Pölten 2020

Gedruckt mit Unterstützung des Amtes der NÖ Landesregierung, St. Pölten,

Abteilung Wissenschaft und Forschung

Das Forschungsprojekt wurde gefördert vom Amt der NÖ Landesregierung, St. Pölten, Abteilung Wissenschaft und Forschung,

und vom NÖ Landesarchiv

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-901234-35-4

© 2020 Verein für Landeskunde von Niederösterreich, St. Pöltenhttp://www.vlknoe.at

Redaktion: Heidemarie Bachhofer, Stefan EmingerBildredaktion: Stefan Eminger

Register: Heidemarie Bachhofer, Sigrun Geppert

Umschlagabbildungen: Empfang Adolf Hitlers in Amstetten, 14. März 1938. — Stadtarchiv Amstetten; Einmarsch der Österreichischen Legion, Durchfahrt

Amstetten, 30. März 1938. — Aus: Otto Bokisch u. Gustav A. Zirbs, Der österreichische Legionär. Aus Erinnerungen und Archiv, aus Tagebüchern

und Blättern (Leipzig 1940) 272.

Umschlaggestaltung: Renate StockreiterSatz: ARGE DDV Fiona Spiegelhofer KG

Druck: Print Alliance HAV Produktions GmbH, A-2540 Bad Vöslau

Inhalt

Einleitung ......................................................................................................................... 7

Niederösterreicher in der Österreichischen Legion und SA .............................. 12

Vorbemerkungen............................................................................................................. 12

Regionale und lokale Herkunft, Altersstruktur, NS-Organisationsdichte und Berufsstruktur der Legionäre aus Niederösterreich .................................................. 16

Biografien ......................................................................................................................... 29

Die niederösterreichischen NSDAP-Kreisleiter ................................................. 50

Vorbemerkungen ............................................................................................................. 50

Biografien ......................................................................................................................... 53

Die niederösterreichischen SS-Täter .................................................................. 101

Vorbemerkungen ............................................................................................................. 101

Biografien ......................................................................................................................... 101

Literaturverzeichnis ........................................................................................................ 140

Abkürzungsverzeichnis .................................................................................................. 143

Personen- und Ortsregister ........................................................................................... 146

Einleitung

Die Erforschung der Geschichte des Nationalsozialismus in Österreich vor 19381 weist in bundesländerspezifischer Hinsicht erhebliche Unterschiede auf.2 Setzt man die Anzahl der Gesamtdarstellungen der NS-Bewegung in den jeweiligen Bundes-ländern als Maßstab, so stehen die Steiermark3 und Kärnten4 an der Spitze. Die „Schlusslichter“ bilden Niederösterreich, Wien und das Burgenland.5 Zum National-sozialismus in Niederösterreich liegen mehrere Studien vor, die im Wesentlichen lokalgeschichtlich orientiert sind und in diesem Rahmen wertvolle Erkenntnisse ver-mitteln.6 Andere Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit dem niederöster-reichischen Gauleiter Hugo Jury und dem NSDAP-Kreisleiter Hans-Heinz Dum.7

1 Die Fokussierung auf die Periode vor dem „Anschluss“ hat folgenden Grund: Das gemeinsame Merkmal aller in dem vorliegenden Band untersuchten Biografien besteht darin, dass es sich um Personen handelt, die bereits in der sogenannten „Kampfzeit“ (1933–1938) in signifikanter Hinsicht für die NS-Bewegung tätig waren.

2 Siehe dazu den detaillierten Überblick bei Hans Schafranek, Österreichische Nationalsozialisten in der Illegalität 1933–1938. Ein Forschungsbericht. In: Florian Wenninger u. Lucile Dreidemy (Hrsg.), Vermessung eines Forschungsfeldes (Wien 2013) 105–137. Darin sind überregionale, regio-nale und biografische Studien seit den 1980er Jahren erfasst, aber auch unveröffentlichte Diplom-arbeiten und Dissertationen. Aus der kritischen Auswertung von knapp 100 wissenschaftlichen Arbeiten resultiert eine Fülle von Forschungsdesideraten. Ebd., 129 ff.

3 Als Gesamtdarstellung siehe Hans Schafranek u. Herbert Blatnik (Hrsg.), Vom NS-Verbot zum „Anschluss“. Steirische Nationalsozialisten 1933–1938 (Wien 2015).

4 Als Gesamtdarstellung siehe Alfred Elste u. Dirk Hänisch, Auf dem Weg zur Macht. Beiträge zur Geschichte der NSDAP in Kärnten von 1918 bis 1938 (Wien 1997).

5 Schafranek, Nationalsozialisten (wie Anm. 2) 125 ff. Nahezu alle Publikationen zum National-sozialismus in Wien vor 1938 konzentrieren sich auf die (Vor-)Geschichte des NS-Putsches vom 25. Juli 1934.

6 Klaus-Dieter Mulley, Nationalsozialismus im politischen Bezirk Scheibbs 1930–1945 = Heimat-kunde des Bezirkes Scheibbs, Bd. 8 (Scheibbs 1988). Thematisch etwas weiter ausgreifend, aber eher knapp: Klaus-Dieter Mulley, Die NSDAP in Niederösterreich 1918 bis 1938. Ein Beitrag zur Vor-geschichte des „Anschlusses“. In: Österreich in Geschichte und Literatur 33/3–4 (1989) 169–191; Rudolf Riha, Nationalsozialismus im unteren Traisental. Wegbereiten – mitmachen – vergessen = Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 44 (St. Pölten 2007); Robert Streibel, Krems 1938–1945. Eine Geschichte von Anpassung, Verrat und Wider-stand (Weitra 2014); Stefan Eminger, „Brauner“ versus „roter“ Sozialismus? Von den Anfängen des Nationalsozialismus in St.  Pölten bis zum Betätigungsverbot 1933. In: Stefan Eminger (Hrsg.), St. Pölten zwischen den Kriegen. Politik, Wirtschaft, Kultur 1918–1938 = Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 63 (St. Pölten 2015) 62–98; Ernst Lang-thaler, Die „braune Flut“ im „schwarzen Land“? Zur Struktur der NSDAP-Wählerschaft in Niederösterreich 1932. In: Unsere Heimat 65/1 (1994) 13–41; Ludwig Jedlicka, Gauleiter Josef Leo-pold (1889–1941). In: Gerhard Botz (Hrsg.), Geschichte und Gesellschaft. Festschrift für Karl R. Stadler (Wien 1974) 143–162; Christian Klösch, Das „nationale Lager“ in Niederösterreich 1918–1938 und 1945–1996. In: Stefan Eminger u. Ernst Langthaler (Hrsg.), Niederösterreich im 20. Jahrhundert, Bd. 1: Politik (Wien/Köln/Weimar 2008) 565–600.

7 Klaus-Dieter Mulley, Niederdonau: Niederösterreich im „Dritten Reich“ 1938–1945. In: Stefan Eminger u. Ernst Langthaler (Hrsg.), Niederösterreich im 20. Jahrhundert, Bd. 1: Politik (Wien/Köln/Weimar 2008) 73–102, hier 79–81; Peter Mähner, Hans-Heinz Dum (1906–1986). Ein Wald-viertler Nationalsozialist. In: Harald Hitz, Franz Pötscher, Erich Rabl u. Thomas Winkelbauer (Hrsg.), Waldviertler Biographien, Bd. 1 (Horn/Waidhofen an der Thaya 2001) 285–296.

8 Einleitung

Die individual- und kollektivbiografische Untersuchung einzelner NS-Täter-gruppen weist im regionalen und österreichischen Maßstab markante Unterschiede und Lücken auf. Neben den Studien des Verfassers zur SA bzw. zu den nach Deutsch-land geflüchteten SA-Angehörigen sind vor allem zwei größere Untersuchungen zu nennen, in denen die Geschichte der Wiener SS bzw. die österreichischen SS-Gene-räle umfassend beleuchtet werden.8

Mit dem hier grob skizzierten Befund sind zugleich einige für die niederöster-reichische NS-Geschichte relevante Forschungsdesiderate angesprochen. Erstmals werden anhand einer jeweils größeren Anzahl von detailliert recherchierten Bio-grafien drei verschiedene niederösterreichische NS-Tätergruppen präsentiert: SA-Führer, höhere Funktionäre aus dem Parteiapparat (NSDAP-Kreisleiter) und SS-Mitglieder. Die Auswahl bei der letzteren Gruppe erfolgte nicht aufgrund formel-ler Kriterien (Dienstgrad, nominelle Funktion), sondern deshalb, weil es sich in der überwiegenden Mehrzahl um Personen handelte, die entweder als „Schreibtischtäter“ einzustufen sind oder persönlich an schweren Verbrechen beteiligt waren, wobei es wiederholt zu personellen Überschneidungen kam.

Aus den einzelnen Biografien lassen sich wichtige gruppenspezifische Unter-schiede ablesen: Die NSDAP-Kreisleiter verkörperten in „ihren“ Kreisen ein hohes Ausmaß an personeller Kontinuität. Viele hatten bereits nach 1933 in denselben NS-Bezirken bzw. Kreisen ähnliche Funktionen ausgeübt, und nach dem „Anschluss“ gelang es ihnen in der Regel, ihre „Hausmacht“ zu festigen und auszubauen. Manche von ihnen wurden aber nach 1945 nicht „nur“ als „Funktionstäter“ angeklagt. Durch einen Erlass des Gauleiters Jury (Februar 1945) avancierten sie zu „Verteidigungs-kommissaren“, was einen enormen Machtzuwachs implizierte, da sie dadurch in ihren Kreisen die oberste Gerichtsbarkeit innehatten und Standgerichte einrichten konnten. Zahlreiche Kriegsendverbrechen gingen auf das Konto der Kreisleiter. Die von den Standgerichten gefällten „Urteile“ waren in allen bekannten Fällen nichts weiter als schlecht kaschierte Morde.

Die Biografien der niederösterreichischen SA-Führer sind in einen quantitativ wesentlich größeren Zusammenhang eingebettet, nämlich in eine Untersuchung jener 1.600 namentlich erfassten niederösterreichischen Nationalsozialisten, die nach 1933 ins Deutsche Reich flüchteten, fast ausnahmslos der SA angehörten und in Bay-ern der sogenannten „Österreichischen Legion“ beitraten, einer paramilitärischen Formation, deren Mitglieder in „SA-Hilfswerklagern“ ausgebildet wurden. Vor allem 1933/34 stellten diese Legionäre einen ständigen Unruheherd dar. Sie waren in den an Bayern angrenzenden Bundesländern für zahlreiche gewaltsame Grenzverletzungen verantwortlich und bildeten eine der Hauptursachen für die sukzessive Verschärfung der spannungsgeladenen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und Öster-reich. Im Rahmen langjähriger Forschungen konnte der Verfasser fast 140.000 bio-

8 Christiane Rothländer, Die Anfänge der Wiener SS (Wien 2012); Wolfgang Graf, Österreichische SS-Generäle. Himmlers verlässliche Vasallen (Klagenfurt/Ljubljana/Wien 2012).

9Einleitung

grafische Eckdaten zu 15.000 Legionären aus ganz Österreich ermitteln.9 Aufgrund der vorhandenen Daten über die niederösterreichischen Legionäre war es möglich, eine Untersuchung durchzuführen, die sowohl organisations- als auch sozial-geschichtlich relevante Aspekte anhand zuverlässiger NS-Originalquellen10 erschließt: Altersstruktur, Berufsstruktur, Organisationsdichte (Beitrittsdaten zur NSDAP und SA), lokale Herkunft aus allen niederösterreichischen Bezirken. Auch wenn keine genauen Zahlen zur numerischen Stärke der illegalen SA (1933/34) in Niederöster-reich vorliegen, kann davon ausgegangen werden, dass mindestens 40 Prozent dieser SA-Mitglieder nach Deutschland flüchteten und der „Legion“ beitraten.11

Den höchsten Grad an Mobilität wiesen die SS-Mitglieder auf, was keineswegs als niederösterreichisches Spezifikum anzusehen ist, sondern für alle Angehörigen des „schwarzen Ordens“ galt. Als „Truppe des Weltanschauungskrieges“12 sollte die (Waf-fen-)SS während des Krieges jederzeit und an jedem Schauplatz ihre „Einsatzbereit-schaft“ unter Beweis stellen, und beim Studium der Personalunterlagen vieler SS-An-gehöriger staunt man über die Anzahl von Versetzungen und Kommandierungen. Während man seitens der SS-Führung penibel darauf achtete, dass die SS-Leute an der „Heimatfront“ ein sicheres familiäres „Hinterland“ hatten (Ehezwang und explizite Nötigung zum Nachwuchs), ist auf der anderen Seite ein ebenso konsequen-tes Bemühen erkennbar, alle sonstigen individuellen Wurzeln abzuschneiden, die geeignet gewesen wären, der besagten Mobilität wie auch immer geartete Hinder-nisse in den Weg zu legen. Bei höheren SS-Führern kam die Intention Himmlers dazu, unter allen Umständen zu vermeiden, dass seine Vasallen in ihren „Heimat-gauen“ eine starke politische und organisatorische „Hausmacht“ aufbauen konnten

9 Hans Schafranek, Söldner für den „Anschluss“. Die Österreichische Legion 1933–1938 (Wien 2011).

10 Ein gravierendes Manko sehr vieler Darstellungen zur Geschichte des Nationalsozialismus in Österreich vor 1938 besteht darin, dass sie sich (fast) ausschließlich auf „Gegnerquellen“ stützen, d. h. auf die archivalische Überlieferung durch den Behördenapparat des Dollfuß- und Schusch-nigg-Regimes. Zu den daraus resultierenden Verzerrungen und Fehleinschätzungen vgl. Schafra-nek, Nationalsozialisten (wie Anm. 2) 106 ff.

11 Diese Grobschätzung basiert auf folgenden Voraussetzungen: Die Tiroler SA-Brigade umfasste 1934 etwa 3.500 Mitglieder, organisatorische Erweiterungen sind aus den historischen Quellen nicht zu eruieren. Wenn bei den illegalen SA-Brigaden eine bestimmte numerische Höchststärke über-schritten wurde, die bei annähernd 4.000 Mann gelegen haben dürfte, wurden neue Organisations-einheiten (Sturmbanne) gegründet, was in Niederösterreich ebenso wenig der Fall war wie in Tirol. Erreichten die neu errichteten Sturmbanne ein bestimmtes Ausmaß, wurde die Brigade geteilt, d. h. eine zweite aufgestellt. Dies war lediglich in der Steiermark der Fall (Kampfstärke beider Brigaden 1934 etwa 8.000 Mann). Unter der „großzügigen“ Prämisse, dass die niederösterreichische SA-Bri-gade 1934 ihr volles numerisches Potenzial erreicht hatte, also etwa 4.000 Mitglieder zählte, ist jener Anteil, der zur Österreichischen Legion stieß (nachweislich 1.600 Personen), mit etwa 40 Prozent zu beziffern. Bei einer geringeren Stärke der niederösterreichischen SA wäre der Legionärs-Anteil sogar noch höher zu veranschlagen.

12 Dieser von Helmut Krausnick geprägte Terminus war in dessen bahnbrechender Publikation zwar auf die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD bezogen, kann aber auch auf die gesamte Waffen-SS übertragen werden; Helmut Krausnick, Die Truppe des Weltanschauungskrieges. Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD 1938–1942 (Stuttgart 1981).

10 Einleitung

– also genau das, was bei den NSDAP-Kreisleitern der Fall und in dieser Form wohl auch erwünscht war.

Für die Erstellung der 58 biografischen Beiträge wurden wichtige neue Quellen-bestände erschlossen, wobei sich vor allem die Verknüpfung von Archivstudien in Österreich und im Bundesarchiv Berlin als sehr fruchtbar erwies. Vier längere Arbeitsaufenthalte in Berlin förderten u. a. zahlreiche Personalakten zu öster-reichischen SA- und SS-Führern, aber auch zu „einfachen“ SS-Angehörigen zutage. Fast alle diese Akten enthalten handschriftlich verfasste Lebensläufe, die oftmals einen starken Kontrast zu den jeweiligen Selbstdarstellungen in Nachkriegsverfahren bilden. Die hier verwendeten SS-internen Dokumente aus dem Bundesarchiv Berlin haben sowohl ad personam wie als Quellengattung insgesamt in die zeitgeschicht-liche Forschung Österreichs noch kaum Eingang gefunden. An erster Stelle sind hier die SS-Führer-Personalakten (SSO) sowie die sogenannten „Heiratsakten“ von SS-Angehörigen (Rasse- und Siedlungshauptamt, RuS) anzuführen. Ergänzende Angaben fanden sich mitunter in den Beständen NS 19 (Persönlicher Stab des Reichs-führers SS) und R 58 (Reichssicherheitshauptamt). Fallweise erwiesen sich auch die Recherchen in den Aktenbeständen R 19 (Hauptamt Ordnungspolizei) und R 55 (Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda) als hilfreich, im Fall eines SD-Angehörigen (Hermann Lapper) auch Unterlagen aus dem Zentralarchiv des frü-heren Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR. Auch die häufige Benutzung des Aktenbestandes PK (Parteikorrespondenz) erwies sich als weiterführend, um die oftmals komplizierten Fragen der NS-Parteizugehörigkeit (Beitrittsdaten, Situation während der „Illegalität“ 1933–1938, Anerkennung oder Nichtanerkennung der frü-heren Mitgliedschaft nach dem „Anschluss“, Status als sogenannte „Alte Kämpfer“13 usw.) zu klären. In Österreich konzentrierten sich die Recherchen auf die Auswertung der im Wiener Stadt- und Landesarchiv aufbewahrten Ermittlungs- und Prozess-akten des Volksgerichtes Wien, vor allem gegen ehemalige niederösterreichische NSDAP-Kreisleiter. In einigen Fällen (etwa im Verfahren gegen den zum Tode ver-urteilten Neunkirchner Kreisleiter Johann Braun) umfassen diese Akten der öster-reichischen Nachkriegsjustiz mehrere Tausend Seiten. In geringerem Ausmaß wur-den Prozessakten aus dem Tiroler Landesarchiv und dem Oberösterreichischen Landesarchiv herangezogen. Die sogenannten „Gauakten“ (Akten des Gaupersonal-

13 Als „alte Kämpfer“ galten in der „Ostmark“ nach 1938 jene Nationalsozialisten, deren Parteizuge-hörigkeit bereits vor dem Betätigungsverbot der NSDAP in Österreich (19. Juni 1933) von der Berli-ner Reichsorganisationsleitung anerkannt wurde, sodass sie eine Mitgliedsnummer und einen Mit-gliedsausweis erhielten. Weiters musste eine zweite Voraussetzung erfüllt sein, nämlich der Nachweis einer ununterbrochenen Aktivität zwischen 1933 und 1938. Dieser Nachweis war natur-gemäß in vielen Fällen nicht zu erbringen, sodass zigtausende Gefälligkeits-Bestätigungen ein-geholt wurden, um eine „illegale Tätigkeit“ zu suggerieren. Waren beide Voraussetzungen formal erfüllt, durften die solcherart anerkannten österreichischen Nationalsozialisten ihre alte Mitglieds-nummer behalten, was der weiteren Karriere oftmals förderlich war. In den „Entnazifizierungs“-Ver-fahren und Prozessen nach 1945 wiederholte sich derselbe Schwindel unter umgekehrten politi-schen Vorzeichen („Persilscheine“).

11Einleitung

amts Wien) im Österreichischen Staatsarchiv/Archiv der Republik ergänzten fall-weise die personenbezogenen Forschungen im Bundesarchiv Berlin.

Die vorliegende Publikation geht aus einem Forschungsprojekt hervor, das vom Land Niederösterreich, konkret von der Abteilung Wissenschaft und Forschung sowie dem Niederösterreichischen Landesarchiv, finanziell gefördert wurde. Die Durchführung erfolgte unter der Ägide des Vereins „Netzwerk Geschichte Nieder-österreich“ (Dr. Willibald Rosner), mit der Projektbetreuung war Dr. Stefan Eminger (Niederösterreichisches Landesarchiv) befasst, der sich dankenswerterweise auch der Korrekturen annahm. Gleichfalls für Korrekturarbeiten bedanke ich mich bei Mag. Andrea Hurton. Für wertvolle Unterstützung bei der Bildrecherche im Öster-reichischen Staatsarchiv/Archiv der Republik sei Mag. Roman Eccher herzlich gedankt.

Niederösterreicher in der Österreichischen Legion und SA

Vorbemerkungen

Die Österreichische Legion entstand im Juni 1933 als eine paramilitärische Ein-heit, bestehend aus militanten SA-Angehörigen, die besonders nach dem Verbot der NSDAP in Österreich (19. Juni 1933) zu Tausenden nach Bayern flüchteten, wo sie in sogenannten „Hilfswerklagern“ der SA kaserniert und von Reichswehroffizieren aus-gebildet wurden. Als „bewaffneter Arm“ der illegalen österreichischen SA unterstand sie dem Kommando des SA-Obergruppenführers Hermann Reschny, der 1926 von Hitler zum Leiter der österreichischen SA bestimmt wurde und im Juni 1933 seinen Sitz nach München verlegte.

Der Terminus „Österreichische Legion“ ist etwas ungenau und wurde als offizielle Organisationsbezeichnung (d. h. im amtlichen Verkehr mit anderen Dienststellen im Deutschen Reich) erst ab März 1938, ab dem „Anschluss“, verwendet. Von Juni 1933 bis März 1934 bildeten die SA-Legionäre einen Teil der SA-Obergruppe VIII (= Öster-

Abb. 1: Legionslager Lechfeld bei Augsburg, September 1933. — Aus: Otto Bokisch u. Gustav A. Zirbs, Der österreichische Legionär. Aus Erinnerungen und Archiv, aus

Tagebüchern und Blättern (Leipzig 1940) 25.