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112 Blätter für Heimatkunde 65 (1991) Wie die Burg Leibnitz „steirisch" wurde Von Eduard Staudinger Die Burg (ab 1131) und der Namenwechsel (1419) Die ehemalige erzbischöflich-salzburgische Burg Leibnitz, erbaut von Erz- bischof Konrad d. Gr. im Jahr 1131, 1 trägt in der Gegenwart den Namen „Schloß Seggau". 2 Das Schloß ist im Besitz des Bistums Seckau, dessen Namen es seit 1419 trägt, allerdings in anderer Schreibweise. 3 Bei der Grün- dung des Bistums Graz-Seckau im Jahr 1218 gab der Salzburger Erzbischof Eberhard II. (Erzbischof 1200—1246) dem neuen Bistum einen Bauplatz in seiner Burg Leibnitz, unmittelbar nördlich an den „Alten Turm" anschlie- ßend. Mit dem Turm und dem Pomerium (Maueranger) unterstellte der Erzbischof auch die gesamte Befestigungsanlage der Burg dem Seckauer Bischof, 4 so daß dieser fernerhin mit Recht von seiner Veste Leibnitz spre- chen konnte. Der Seckauer Bischof Friedrich II. von Pernek (Bischof 1399—1414) stellte im ersten Jahr seiner Amtszeit dem Salzburger Erzbischof ein Treue- gelöbnis aus: Geben in vnser Vest Leybencz (1400 Mai 23). Der Seckauer verpflichtete sich: ,, . . . wenn unser Herr von Salczburg oder sein nachkom- men gen Leybencz köment, so sullen vnd welln wir In unser Haws rawmen das er darinne wone . . . vnd auch der Turner mit dem Turn in unser Veste ze Leybencz sweret."° Der Treueschwur des Türmers steht einmalig da. Er bereitete den Forschern viel Kopfzerbrechen, doch der Salzburger wird in der Urkunde nicht als Erzbischof, sondern als (Landes-)Herr von Salzburg angesprochen, der noch immer eine Art Oberherrschaft über die Burg aus- übt. Der Treueschwur des Türmers war aber auch aus taktischen Gründen notwendig, denn der „Herr von Salzburg" hätte nie in seine Häuser hart südlich am Turm gekonnt, wenn der Türmer Widersetzlichkeiten gezeigt hätte. Diese Häuser hatte sich Salzburg bei der Ausstattung des Bistums Seckau mit der Burg Leibnitz vorbehalten. Sie waren Sitz des salzburgischen Vizedoms. Unter Ernst dem Eisernen (Herzog 1406—1424) brach der Hausmacht- kampf Salzburg — Habsburg (Österreich) wieder mit voller Wucht aus. Der steirische Landesfürst beschlagnahmte im Land Steier alle salzburgischen Hoheitsrechte und Güter. Auch auf dem Burgnamen Leibnitz haftete noch immer das salzburgische Hoheitsrecht (siehe Türmerschwur im Jahr 1400). Um seine Burg aus dem Zwist herauszuhalten, schaffte der Seckauer Bischof 1 MGH, SS XI, Vita Conradi, 75: „Libnize a fundamento edificare coepit, sed imperfectum dereliquit." Mit „Leibnitz" darf man hier wohl die mittelalterliehe Einheit von Burg und Markt verstehen. H. P i r c h e g g e r , Geschichte der Steiermark, Bd. 1, Graz 1936 (2. Auflage). S. 163: „Im August 1131 erschien Konrad mit zahlreichem Gefolge in der Mark. Er ordnete den Bau starker Burgen an, wie Leibnitz (Mur), Pettau (Drau) und Reichenburg (Sawe)." 2 E. S t a u d i n g e r , Schloß Seggau. Kurzer geschichtlicher Überblick. Gutsverwaltung Seggau 1989. 3 Staudinger (wie Anm. 2), S. 38 ff. 4 StUB II, Nr. 163 und SL'B III, Nr. 738. 5 StLA, Hs. 1157: Urbar des salzburgischen Vizedomamtes Leibnitz 1322, Urkundenanhang, folio 80/2.' 113

Wie die Burg Leibnitz „steirisch wurde · 2020. 1. 8. · Bischof von Seckau sprach von seiner Veste Seccaw, und der Erzbischof von Salzburg gebrauchte im Jahr 1430 die Ortsbezeichnung

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    Blätter für Heimatkunde 65 (1991)

    Wie die Burg Leibnitz „steirisch" wurde

    Von Eduard Staudinger

    Die Burg (ab 1131) und der Namenwechsel (1419)

    Die ehemalige erzbischöflich-salzburgische Burg Leibnitz, erbaut von Erz-bischof Konrad d. Gr. im Jahr 1131,1 trägt in der Gegenwart den Namen „Schloß Seggau".2 Das Schloß ist im Besitz des Bistums Seckau, dessen Namen es seit 1419 trägt, allerdings in anderer Schreibweise.3 Bei der Grün-dung des Bistums Graz-Seckau im Jahr 1218 gab der Salzburger Erzbischof Eberhard II. (Erzbischof 1200—1246) dem neuen Bistum einen Bauplatz in seiner Burg Leibnitz, unmittelbar nördlich an den „Alten Turm" anschlie-ßend. Mit dem Turm und dem Pomerium (Maueranger) unterstellte der Erzbischof auch die gesamte Befestigungsanlage der Burg dem Seckauer Bischof,4 so daß dieser fernerhin mit Recht von seiner Veste Leibnitz spre-chen konnte.

    Der Seckauer Bischof Friedrich II. von Pernek (Bischof 1399—1414) stellte im ersten Jahr seiner Amtszeit dem Salzburger Erzbischof ein Treue-gelöbnis aus: Geben in vnser Vest Leybencz (1400 Mai 23). Der Seckauer verpflichtete sich: ,, . . . wenn unser Herr von Salczburg oder sein nachkom-men gen Leybencz köment, so sullen vnd welln wir In unser Haws rawmen das er darinne wone . . . vnd auch der Turner mit dem Turn in unser Veste ze Leybencz sweret."° Der Treueschwur des Türmers steht einmalig da. Er bereitete den Forschern viel Kopfzerbrechen, doch der Salzburger wird in der Urkunde nicht als Erzbischof, sondern als (Landes-)Herr von Salzburg angesprochen, der noch immer eine Art Oberherrschaft über die Burg aus-übt. Der Treueschwur des Türmers war aber auch aus taktischen Gründen notwendig, denn der „Herr von Salzburg" hätte nie in seine Häuser hart südlich am Turm gekonnt, wenn der Türmer Widersetzlichkeiten gezeigt hätte. Diese Häuser hatte sich Salzburg bei der Ausstattung des Bistums Seckau mit der Burg Leibnitz vorbehalten. Sie waren Sitz des salzburgischen Vizedoms.

    Unter Ernst dem Eisernen (Herzog 1406—1424) brach der Hausmacht-kampf Salzburg — Habsburg (Österreich) wieder mit voller Wucht aus. Der steirische Landesfürst beschlagnahmte im Land Steier alle salzburgischen Hoheitsrechte und Güter. Auch auf dem Burgnamen Leibnitz haftete noch immer das salzburgische Hoheitsrecht (siehe Türmerschwur im Jahr 1400). Um seine Burg aus dem Zwist herauszuhalten, schaffte der Seckauer Bischof

    1 MGH, SS XI, Vita Conradi, 75: „Libnize a fundamento edificare coepit, sed imperfectum dereliquit." Mit „Leibnitz" darf man hier wohl die mittelalterliehe Einheit von Burg und Markt verstehen. H. P i r c h e g g e r , Geschichte der Steiermark, Bd. 1, Graz 1936 (2. Auflage). S. 163: „Im August 1131 erschien Konrad mit zahlreichem Gefolge in der Mark. Er ordnete den Bau starker Burgen an, wie Leibnitz (Mur), Pettau (Drau) und Reichenburg (Sawe)."

    2 E. S t a u d i n g e r , Schloß Seggau. Kurzer geschichtlicher Überblick. Gutsverwaltung Seggau 1989.

    3 S t a u d i n g e r (wie Anm. 2), S. 38 ff. 4 StUB II, Nr. 163 und SL'B III, Nr. 738. 5 StLA, Hs. 1157: Urbar des salzburgischen Vizedomamtes Leibnitz 1322, Urkundenanhang,

    folio 80/2. '

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  • Ulrich IV. von Albek (Bischof 1417—1431) den Namen Veste Leybenz ab und setzte dafür Veste Seccaw. In seinen Lehensbüchern liest man ab 1419 erstmals: „Ausgerufen in der Vesten Sekgaw pey Leybencz auf der obern prukh. "6 Unter Leibnitz ist hier wohl der Name des Marktes zu verstehen, der Burgname Leibnitz war dem Hausmachtkampf zwischen dem steirischen Landesfürsten und dem salzburgischen Erzbischof zum Opfer gefallen. Die Namensänderung von 1419 bedeutet damit den Abschluß einer Entwicklung.7

    Die Doppelherrschaft in der Burg ging jedoch nach 1419 weiter. Der Bischof von Seckau sprach von seiner Veste Seccaw, und der Erzbischof von Salzburg gebrauchte im Jahr 1430 die Ortsbezeichnung „in seiner Vesten ze Leybencz genant die obern zway häuser."6 Dieser Dualismus endete erst im Jahr 1595, als Erzbischof Wolf-Dietrich von Raitenau (Erzbischof 1587— 1611) im Zuge des Verkaufs aller Salzburger Güter in der Steiermark Schloß und Herrschaft Leibnitz schenkungsweise dem Bistum Seckau überließ.9

    Damit war die gesamte Burganlage wie vor 1218 wieder in einer Hand verei-nigt. Unter „Schloß Leibnitz" muß man die Salzburger Häuser in der Veste Seccaw verstehen. Zur Herrschaft gehörte auch der Markt Leibnitz. Das Hoheitsrecht von Salzburg war schon seit dem „Rezeß" von 1535 erlo-schen,10 nachdem es zuvor schon seit der Eroberung der „Geslösser" durch Maximilian I. im Jahr 1490 in Frage gestellt war.11 Der jahrhundertelange

    6 A. L a n g , Die Lehen des Bistums Seckau. Graz 1931. Es folgen chronologisch gereiht die Belehnungen des Jahres 1419 „ze Sekgaw in der vest": 38/07, 188/06. 354/08, 112/01, 131/04, 156/08, 198/04, 222/10, 72/02, 312/05, 65/02, 196/06. E. S t a u d i n g e r , Wo stand die „Veste Sekgaw pey Leybnicz?", in: BlHk 57/1983, Heft 1, S. 2 ff.

    7 J. Z a h n , Ortsnamenbuch der Steiermark im Mittelalter. Wien 1893, S. 300, Sp. 2: Stichwort Leibnitz: 1323 castrum Leybencz, 1335 in Castro Leybencz, 1341 in monte Leybencz castrum ecclesie Seccoviensis, 1354 vest Leibentz, 1393 castrum episcopale, 1400 vest Leybencz (des bischof zu Seccaw; siehe Anm. 5), 1419 ze Sekgaw in der vest, vest Sekgaw bey Leybencz (womit wohl der Markt gemeint ist).

    8 A. L a n g , Die Salzburger Lehen in Steiermark bis 1520, 2 Bde. Graz 1937: 1430: Der Salzburger Erzbischof Johann von Reisperg (Erzbischof 1425—1441) belehnt Stainwald von Flednicz mit der „behawsung seiner vesten ze Leybencz, genant die oberen zway häuser" (437/ 2); 1432: Revers des Pflegers der „oberen zwei häuser der veste zu Leibnitz" (437/3); 1442: Jörg Windischgreczer leistet dem Erzbischof Friedrich IV. Truchseß von Emmerberg (Erzbischof 1441-1452) das Diensttreuegelöbnis auf die „vest und pflege des oberen hauses zu Leibnitz auf dem Berge" (519/16). Vom Burgtor aus gesehen liegt der salzburgische Anteil südlich des Turmes „oben". 1454: Dem Ritter Erasmus Holmegker ist gegen „burghut auf Lebenszeit anvertraut die Pflegschaft mit Behawsung des salzburgischen Mitterhauses zu Leybencz" (242/ 6). Zwischen dem Seckauer Haus im Norden und dem Schloß Polheim im Süden gelegen, ist das „obere haus" tatsächlich ein „Mitterhaus".

    9 K. A m o n , Die Bischöfe von Graz-Seckau 1218—1968. Graz 1969, S. 262 f.; E. M a r x , Der Verkauf der Salzburger Besitzungen in der Steiermark unter EB Wolf-Dietrich. Katalog der 4. Salzburger Landesausstellung 1987, Fürsterzbischof Wolf-Dietrich von Raitenau, S. 158 ff.; A. L a n g , Die Salzburger Lehen in der Steiermark bis 1520, III. Teil. Graz 1947, Anhang S. 684, insb. Punkt b.

    10 J. Th. Z a u n e r , Corpus Iuris publici Salzburgensis. Salzburg 1792, S. 40 ff. Dies ist eine Sammlung der wichtigsten die Staatsverfassung des Erzstiftes Salzburg betreffenden Urkunden. H. P i r c h e g g e r , Geschichte der Steiermark 1282—1740. Graz 1931, S. 137: „ . . . der ,Rezeß' vom 20. Oktober 1535 erkannte vollends die Territorialhoheit der Habsburger über die noch bestehenden kümmerlichen Reste der Enklaven an (Leibnitz, Landsberg, Sausal, Haus, Gröbming und kleine Splitter)."

    11 Inschriftstein in der Chorbrüstung der oberen Schloßkapelle zu Seggau: „ . . . zu sand Gilgen tag (LXXXX) sein die und ander geslösser zur leben kaiser Friedrichs durch kunig Maximilian mit gwalt zerschossen un gewunen." Die „geslösser" sind das unmittelbar am „alten Turm" nördlich angebaute Schloß „Seccaw" und das ebenso südlich am Turm angebaute Schloß Leibnitz. Siehe Anm. 6. Vgl. W. K n a p p , Werden und Vergehen der Bischofburg Seggau, in: BlHk 12/1934, S. 41 ff. Knapp irrt! Die „geslösser" werden mit den Schlössern Vager und Hausnberg bei Salzburg verwechselt (StUB II, Nr. 118).

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    Kampf um Leibnitz hatte mit einem völligen Sieg der Habsburger geendet. Zum Vorteil hatte dieser Zwist dem Ort in seiner Entwicklung allerdings nicht gereicht.

    Das Pfingstfest im Jahr 1144

    1144 fiel der Pfingstsonntag auf den 14. Mai.12 Zwei Urkunden des Stiftes Admont und eine des Stiftes Sankt Lambrecht sind mit „Pfingsten 1144" datiert.13 Salzburgs Erzbischof Konrad d. Gr. feierte das Fest in Leibnitz, und kirchliche und weltliche Große des Landes samt zahlreichem Gefolge nahmen daran teil. Waren sie aus reinem Zufall in Leibnitz zusammenge-kommen? Sicherlich lag eine Einladung (Einberufung) durch den Erzbischof vor. Aus welchem Anlaß? War nach 13 Jahren die 1131 von Erzbischof Konrad angeordnete Neuordnung so weit abgeschlossen, daß zu Pfingsten 1144 die Vollendung gefeiert werden konnte? Zugleich mit der Vorstellung des neuen Ortes vor den Großen des Landes war auch vieles in der Land-schaft selbst zu regeln.14 Mit 12. Mai wird von einer salzburgischen General-synode berichtet, der ersten, die in Leibnitz nachweisbar ist.15

    War dem Pfingstfest und der Synode am 1. Mai 1144 die Weihe der Kirche im neuen Markt vorausgegangen, weil fortan am 1. Mai das Kirch-weihfest stattfand? Kaiser Friedrich III. (1440—1493) bekannte am 29. August 1492 zu Linz: „ . . ., daß Wir Unsrem Getreuen Lieben N: Richter und Rathe, auch Unsern Bürgern zu Leibnicz, So wir nächst ergangenen kriegsweeßen mit gewalt erobert. . . die gnad gethan: Vnd ihren Erben und Nachkhomen das PruckhRecht zu Landschach an der Pruckhen über die Muhr bey Leibnicz . . . und darzue zween Jahrmärckht, ain St: Philipps und St. Jacobs-Tag, der Kirchweich daselbst, Vnd den andern am St. Jacobstag

    12 U. G r o t e f e n d , Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit. Hannover 1971, S. 132.

    13 StUB I, Nr. 218, Nr. 219, Nr. 220, Nr. 221; SUB II, Nr. 224, Nr. 225, Nr. 226. Die Zusammenschau der drei Urkunden, ergänzt durch zwei weitere, die ebenfalls im Mai 1144 ausgestellt wurden, ergibt folgendes Bild: SUB/StUB Archiv Datum 224/218 St. Lambrecht 14. Mai 1144: Acta sunt autem hec Libenizze 225/219 Admont 14. Mai 1144: . . . cum idem archiepiscopus, dommus videlicet

    Chünradus quodam anno cum quibusdam principibus, scilicet Gurcensi episcopo, Oudalrico duce, Pernhardo comite cum aliis multis nobilibus et ministerialibus solempnitatem pentecostes festive apud Castro Libniz celebraret.

    —/220 Admont 14. Mai 1144: Actum est in castro Libniz in solemnitate Pentecostes coram multis testibus infra denominatis, marehione de Stira, Sigefrido comite de Liubenoe . . .

    226/ St. Peter/Sbg. 23. Mai 1144: Acta sunt autem hec anno (1144) presente venerabili Gurcensi episcopo Romano . . . cum aliis multis Christi fidelibus, quibus consentientibus hec acta sunt apud Libiniz X kal. iunii; feliciter amen.

    —/221 Admont 30. Mai 1144 14 E. S t a u d i n g e r , Wie Zuib zu Leibnitz wurde, in: BlHk 54/1980, S. 65 ff.; d e r s . ,

    Wo lag die „Civitas Zuib"?, in: BlHk 58/1978, S. 33 ff.; d e r s . , Die Abwandlung des römer-zeitlichen Stadtnamens „Flavia Solva" bis ins Mittelalter, in: Römisches Österreich 11—12/ 1983—84, S. 289 ff.; d e r s . , Verschollene Orte an der unteren Sulm, in: BlHk 53/1979, S. 65 ff.

    15 J. A. J a n i s c h , Topographisch-statistisches Lexikon von Steiermark, Bd. 2, Graz 1885, S. 46, Sp. 2 (Pfarrchronik S. 6 irrig: 12. März).

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  • im Schnid. . . gegeben haben."16 Der Philipps- und Jacobstag ist der 1. Mai. St. Jakob im Schnitt fällt auf den 25. Juli. 1492 handelte es sich aber nur um eine Wiederverleihung, da der Kaiser keine hergebrachten Rechte in seinem eroberten Hausmachtgebiet anerkannte.17

    Für die große Zahl an Teilnehmern am Pfingstfest 1144 war die Kapelle „St. Michael in der Burg"18 zu klein. So feierte der Erzbischof das Fest nicht in, sondern apud Castro Libniz, unten in der Civitas Zuib in der neuerbauten Kirche, die genügend Platz bot. Der mit der Ortsverlegung verbundene Namenswechsel von Zuib zu Leibnitz,19 bahnte sich erst an. Der Erzbischof hinterließ Leibnitz bekanntlich unvollendet.20 Die neue Kirche „Sankt Jakob im Markte" stand unter den Filialen der alten Pfarrkirche St. Martin (Alten-markt) nach Frauenberg und der Burgkapelle an dritter Stelle.21 Sie wurde im Angesicht der Burg an der römischen Murtalstraße errichtet.

    Zu Pfingsten 1144 war die gesamte politische Prominenz des Landes innerhalb der Mauern der Jakobskirche versammelt, allen voran der Kärnt-ner Herzog Ulrich I. aus der Familie der Spanheimer (Herzog 1135—1144). Ein Herzogtum Steiermark gab es noch nicht. Das wurde erst 1180 geschaf-fen. Der Spanheimer nützte die Anwesenheit sicherlich zur Wahrung seiner Interessen, die drauabwärts bis in die Mark hinter dem Drauwald reichten. Dortiger Mittelpunkt war die Markburg, woraus sich der Stadtname Marburg entwickelte. Der hier sitzende Graf Bernhard von Sponheim (nachweisbar 1100—1147) weilte ebenfalls in Leibnitz. Er wird gleich nach dem Herzog genannt. Der Gurker Bischof Roman I. (1131—1167), als nächster genannt, amtswaltete als Salzburger Unterbischof in Kärnten. Das Bistum Seckau entstand erst 1218. Hinter dem Namen Marchio(ne) de Stira verbirgt sich Markgraf Otakar III. „v. Steyr" (Markgraf 1129—1164). Er zählte zur Fami-lie der Traungauer. Der Markgraf vermerkte das Aufblühen eines salzburgi-schen Machtmittelpunktes, noch dazu kärntnerisch ausgerichtet, am Süd-rand seiner Marchia (Carinthia) wohl mit gemischten Gefühlen. 1122 teilten die beiden mächtigsten Familien des Landes das eppensteinische Erbe unter sich auf. Die Sponheimer nahmen den kärntnerischen und die Traungauer den später „steirisch" genannten Teil. Ihr Gebiet reichte nun geschlossen von der Stadt Steyr bis in die Mark. Die Entstehung eines neuen Herzog-tums kündigte sich an, weshalb das Jahr 1122 auch als „die Geburtsstunde" der „Steiermark" bezeichnet wird.

    Die Traungauer leiteten ab 1122 die vierte Besiedlungsetappe ein.22 Mark-graf Otakar III. trieb die Besiedlung der späteren „Oststeiermark" tatkräftig weiter. Sein Blick war aber auch ins Drauland gerichtet. Mit Graf Bernhard von Sponheim waren die Traungauer verschwägert. Da dessen Ehe kinderlos

    16 StLA, Urkunde Nr. 8986, Linz 1492 VIII 29. Karl VI. erneuerte am 27. Febr. 1726 die beim Brand vom 29. Mai 1704 verlorengegangenen Gnaden- und Freiheitsbriefe. Darunter befand sich auch die Urkunde von 1492. Das Pergamentlibell befindet sich im Besitz des Verf.s.

    Der Kirchweihmarkt am 1. Mai fiel nach 1945 der Motorisierung und den Großeinkaufs-markten zum Opfer. Der Jakobimarkt im Juli wird hingegen noch abgehalten

    8 StUB I, Nr. 514 und SUB II, Nr. 399. 19 S t a u d i n g e r (wie Anm. 14). 20 Siehe Anm. 1. !1 Siehe Anm. 18.

    o ™ , 1 ' f ( e , r S c h ^ ' D a s W e r d e n d e r Steiermark (Die Zeit der Traungauer). Festschrift zum 800-Jahr-Jubilaum. Graz 1980, S. 30 und 49.

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    war, stand dem Markgrafen über kurz oder lang das Drauland als Erbschaft ins Haus. Unter diesen Zielsetzungen sollte auf dem Weg in den Süden eine salzburgische Stadtfestung entstehen? Dieser Gedanke bereitete Markgraf Otakar gewiß Unbehagen.

    Erzbischof Konrad blieb nach dem Pfingstfest noch einige Tage in Leib-nitz, denn vom 30. Mai liegt noch eine weitere Urkunde vor.23

    Die Belagerung der Burg im Jahr 1164

    H. Pirchegger berichtet: „Aus unbekannten Gründen bekämpfte Mark-graf Otakar III. (1129—1164) im Jahr 1164 den salzburgischen Vizedom und belagerte ihn in Leibnitz."24 Waren die Gründe wirklich so unbekannt?

    L. Grill schreibt über diesen Vorfall:,,. . . Der weltliche Landesherr geriet nämlich mit einem Salzburger Ministerialen, dem Vizedom oder Vidam von Leibnitz, dem Präfekten dieses befestigten Ortes, in Streit. Er belagerte die-sen auf der der Stadt benachbarten Burg, heute als Schloß Seggau bekannt. So loderte die Kriegsfackel nicht nur in Oberitalien, sondern auch in der südlichen Steiermark. Nun hätte der Erzbischof Ursache gehabt, mit einem Heeresaufgebot in den Südosten seiner Diözese zu ziehen. Doch das lag nicht im Sinne des Heiligen, trotzdem er aus hochadeliger Familie stammte. Er eilte vielmehr, ohne auf seine Altersschwäche und Kränklichkeit zu achten, als Apostel des Friedens nach Leibnitz. Markgraf Ottokar III. war im Begriffe, die erzbischöfliche Burg im Sturm zu nehmen. Nach Meinung aller bedeutete dies ein Trauerspiel von unabsehbaren Folgen. Jetzt bekämpften sich nicht nur das kaiserliche und päpstliche Lager, sondern es gab Kampf in den Reihen der papsttreuen Partei selbst. Volle drei Tage unterhandelte das Diözesanoberhaupt mit dem Landesherrn ganz vergeblich. Markgraf Ottokar wollte sich um keinen Preis der Welt von der Belagerung der Burg und der Verfolgung des befehlshabenden Stadtpräfekten abbringen lassen. Da erklärte der greise Kirchenfürst kategorisch: ,Schaut nur! Ich will jetzt zu meiner Burg hinaufsteigen und will sehen, wer mich daran hindert!' In der Tat getraute sich niemand, an dem Heiligen Hand anzulegen. Mitten durch die feindlichen Belagerer kam er unbehelligt zu den Eingeschlossenen, die an keine Ergebung denken wollten. Alle ergriff nun Staunen und die Kampfesstimmung legte sich. Der Markgraf aber befahl nach kurzer Bera-tung mit seinen engsten Vertrauten, nun doch von der Bestürmung der feindlichen Burg abzulassen und die Belagerung aufzuheben. Er tat dies sogar, ohne Bedingungen zu stellen, wo er doch vorhin für alle Friedensange-bote taub zu sein schien. Doch auch der Erzbischof erwies sich als großzügig. Er veranlaßte den Befehlshaber seiner Burg, nun endlich den gestellten Bedingungen Genüge zu tun."25

    Auch L. Grill sagt über die umstrittenen Bedingungen nichts aus. Man bleibt auf Vermutungen angewiesen. Es ist auch nicht überliefert, ob der „Befehlshaber der Burg" das Geheiß des Erzbischofs tatsächlich befolgte

    23 Siehe Anm. 13.

    " £ G r 11 lg f ä Ä S S f f i I ^ S ^ u r g (Um 1087 bis 1164, 22. Juni). Stift Rein 1964, S. 79 f.

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  • und inwieweit der Markgraf das Angebot annahm. Nach E. Marx26 gab es einen Leibnitzer Vizedom erst seit Erzbischof Eberhard IL (Erzbischof 1200—1246). Der Befehlshaber der Burg hieß im Jahre 1164 Castellanus Sigemarus de Libenizze (Burggraf 1144—1164).27 Nach 1164 verschwindet Sigemar aus den Urkunden. Was war mit ihm geschehen? Fiel er einem Kompromiß zwischen dem Erzbischof und dem Markgrafen zum Opfer? Sigemar bekannte sich als Salzburger, was für den steirischen Hoheitsan-spruch natürlich Hochverrat war. Interessant erscheint in diesem Zusam-menhang das Schicksal des Stadtrichters (!) Christoph Hammer anläßlich der Eroberung von Leibnitz durch die Habsburger im Jahre 1490.28 Er soll wegen seines „Salzburgertums" sogar hingerichtet worden sein. Im Jahr 1815 berichtet Dechant Joseph Prechtler von einem alten, steinernen Denk-mal, welches das Strafgericht über den hiesigen „staatsverräterischen" Chri-stoph Hammer ausdrückt und zum ewigen warnenden Gedenken an der Mauer des Schulhauses aufbewahrt wird.29 Dieser Stein verschwand aller-dings mit der Auflassung des Friedhofes und dem Abbruch des Schulhauses nach dem verheerenden Brand von Leibnitz im Jahr 1829.30

    Worum konnte es also 1164 gehen? E. Marx schreibt: „Erzbischof Eber-hard sicherte dem Erzstifte die weltlichen Hoheitsrechte über ein großes geschlossenes Territorium. Weiters trachtete er die Vogteien abzuschütteln, wobei ihn die Kurie eifrig unterstützte. Bei Leibnitz erreichte er dieses Ziel 1211. "31 In diesem Jahr kam es nämlich zu einem Vergleich mit den Baben-bergern.32 War es bei der Belagerung von 1164 um die Vogtei über Leibnitz gegangen, die der Erzbischof schließlich doch gewährte? Dies bleibt offen. Sicherlich ging es 1164 aber um die Umorientierung des Salzburger Landes an der Sulm von der spanheimisch4cärntnerischen Draulinie weg und hin zur traungauisch-steirischen Murlinie. In diesem Zusammenhang steht wohl auch die Leibnitzer Pfarrurkunde von 1170.33 Durch sie regelte der Salzbur-ger Erzbischof auf Burg Leibnitz den Gebietsumfang der Pfarre. Sie reichte entlang der alten Römerstraße bis hinauf zum Radipaß. Die Filiale Eibiswald wird mit item sancte Marie sub confinio montis Raedelach bezeichnet. Der Radipaß war aber nicht nur geographische Grenzscheide zwischen dem Drau- und Murgebiet, sondern auch eine politische zwischen den Traungauer und Spanheimer Machtblöcken.

    So war die Belagerung von 1164 nur der Auftakt zum mehrhundertjähri-gen Machtkampf um die Landeshoheit über die Salzburger Enklave Leib-nitz.

    26 E. M a r x , Das Salzburger Vizedomamt Leibnitz, phil. Diss. Salzburg 1972, S. 16 ff. 27 E. S t a u d i n g e r , Die Herren von Leibnitz, masch. Manuskript (unveröff.), S. 12 ff. 28 J a n i s c h (wie Anm. 15), S. 47, Sp. 2 (mit Vorbehalt); vgl. C . S c h m u t z , Historisch-

    Topographisches Lexicon der Steyermark. Gratz 1822, S. 398 (mit Vorbehalt). 29 Der Aufmerksame. Ein vaterländisches Volksblatt in Verbindung mit der Grätzer Zeitung

    6/1817, Nr. 113 vom 20. September 1817: J. P r e c h t le r , Ein Blick über den Aufsatz „Ein Tag in Leibnitz" in dem Aufmerksamen auf den 17. August 1817 (von F. K. Weidmann).

    30 J. A. S u p p a n t s c h i t s c h , Der Brand von Leibnitz in der Nacht vom 8. auf den 9. September 1829. Grätz 1829.

    31 M a r x , Vizedomamt (wie Anm. 26), S. 17. 32 StUB II, Nr. 118 und SUB III, Nr. 645a. 33 StUB I, Nr. 514 und SUB II, Nr. 399.

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