1
Mit dem Beginn der Französischen Revolution nimmt ein Projekt seinen Anfang, das in gewisser Weise auch heute noch nicht abgeschlossen ist: die Schaffung von Standardmaßen. Sie sollen sich dadurch auszeichnen, dass sie vom Menschen unab- hängig sind. Im Gegensatz zu den bis dahin üblichen Maßen, wie dem Fuß, sollten die neuen Maße universell und daher für alle Menschen reproduzierbar sein. Mit der Schaffung dieser neuen Maße und Gewichte wurde eine Kommission der Pariser Akade- mie der Wissenschaften beauftragt, die entsprechende Definitionen festlegten. So wurde das neu zu schaffende Längenmaß – der Meter – als der 10.000.000te Teil des Abstandes zwi- schen Nordpol und Äquator definiert. Neben der Definition stellte sich aber auch die Frage nach der Schaffung einer materiellen Realisierung, eines Etalons. Hierfür waren zwei Probleme zu lösen, die exakte Bestimmung der Länge eines Meters und die Schaf- fung eines Maßstabes dieser Länge. Für die Längenbestimmung verma- ßen die beiden Astronomen Delam- bre und Mechain mittels Triangulatio- nen die Strecke zwischen Dünkir- chen und Barcelona. Hierfür verwendeten sie einen speziellen Repetitionskreis (Abbildung 1), der durch wiederholtes Einstellen der Winkel die Messfehler minimierte. Anschließend wurde jeweils eine Seite von zwei der Dreiecke sehr genau mit einem Platinmaßstab ver- messen. Über diese Messungen ließ sich dann der Abstand zwischen den beiden Orten und aus astronomi- 142 | Phys. Unserer Zeit | 35. Jahrgang 2004 | Nr. 3 © 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim MAGAZIN | schen Beobachtungen der hierdurch repräsentierte Teil des Kreisbogens bestimmen. Das so bestimmte Meter wurde dann durch einen Platinstab materiell realisiert, musste allerdings in der Folgezeit mehrfach leicht modifiziert werden. Endgültig als internationale Standardeinheit wurde das Meter erst 1875 durch eine Konvention eta- bliert, der sich zunächst 17 Staaten anschlossen. Im 20. Jahrhundert wurde es im Wesentlichen aus Gründen der Metrologie neu defi- niert. Ab 1927 legte man es über die Wellenlänge einer bestimmten Linie im Spektrum des Cadmiums fest, später wählte man eine Linie aus dem Spektrum des Kryptons als Bezugspunkt. Mit der Festlegung des Wertes für die Lichtgeschwindigkeit, diente diese als Maßstab für das Meter. Danach ist ein Meter die Strecke, die Licht im Vakuum in 1/299.792.485 Sekunden zurücklegt. Messtechnisch ist aber auch diese Definition noch immer aufwändig in der Realisierung: Längennormale werden mittlerweile durch interfero- metrische Methoden mit besonders frequenzstabilen Lasern realisiert. Damit lässt sich die Strecke eines Meters mit einer Genauigkeit im Bereich eines Nanometers bestim- men. Literatur und Internet [1] P. Méchain et al., Grundlagen des dezima- len metrischen Systems, Ostwalds Klassiker, Bd. 181, Harri Deutsch, Frankfurt 2000. [2] K. Alder, Das Maß der Welt. Die Suche nach dem Urmeter, Bertelsmann, Mün- chen 2003 homepages.uni-regensburg.de/~mec02077/ texte/meter.pdf www.ptb.de/de/org/4/43/431/_index.htm Peter Heering, Uni Oldenburg Der Reiz, genauer zu verstehen, was in Kochtöpfen, Pfannen und Öfen passiert, wuchs mit der Bedeutung der Physik der weichen Materie. Peter Barham erläutert allerlei Fak- ten, die beim Kochen und Backen aus Sicht des Physikers zu beachten sind. Eingestiegen wird mit molekula- ren Grundbegriffen und einer kurzen Beschreibung der Moleküle, die in der Küche besonders wichtig sind. Rasch führt dies auf eine sehr knap- pe Darstellung von Emulsionen und Schäumen. In Beispielen wird ge- zeigt, was in der Küche passiert, aber auch schiefgehen und in tragischen „Schmorkatastrophen“ enden kann. Aufmerksame Topfgucker erfah- ren so auf genüssliche Weise viele Zusammenhänge im Grenzbereich von Physik, Chemie und Biologie. Dabei ist Barham die Gratwanderung zwischen unterhaltender Sprache und ernster Wissenschaft gelungen. Ein Problem dieses Buchs ist die Zielgruppe. So scheut sich Barham nicht, „aus Spaß Feinheiten der Physik einfließen zu lassen,“ und beim Eierkochen die Lösungen der Wärmeleitungsgleichung als unend- liche Reihe darzustellen. Physiker haben kein Problem mit diesen Ausflügen. Da aber Fachbegriffe häufig nur kurz erklärt werden, dürfte Laien das Buch an mancher Stelle abschrecken. Hobbyköche auch, denn viele der Rezeptbeispiele sind „very english“ und spiegeln die traditionelle Küche des Königreichs wieder. Der reißerische Titel sug- geriert, dass dieses Buch der Weisheit letzter Schluss wäre. Angesichts der vielen offenen Fragen erscheint dies übertrieben. Thomas Vilgis, Mainz PHYSIK GESTERN UND HEUTE | Wie lang ist ein Meter? Längeneinheiten gehören vermutlich zu den ältesten Maßen, das heute so geläufige Meter wurde aber erst Ende des 18. Jahrhunderts geschaf- fen. Seine genaue Bestimmung stellt auch heute noch eine Herausforde- rung an die Messtechnik dar. Abb. 1 Stich des Borda-Zirkels aus „Base du système métrique“ von 1806. Die letzten Geheim- nisse der Kochkunst Peter Barham, Springer Verlag, Heidelberg 2003, 270 S., Abb., Tab., geb., e 14,95. ISBN 3-5400-0908-6. BÜCHER |

Wie lang ist ein Meter?

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Wie lang ist ein Meter?

Mit dem Beginn der FranzösischenRevolution nimmt ein Projekt seinenAnfang, das in gewisser Weise auchheute noch nicht abgeschlossen ist:die Schaffung von Standardmaßen.Sie sollen sich dadurch auszeichnen,

dass sie vom Menschen unab-hängig sind. Im Gegensatz zu

den bis dahin üblichenMaßen, wie dem Fuß,sollten die neuen Maße

universell und daher füralle Menschen reproduzierbar

sein. Mit der Schaffung dieserneuen Maße und Gewichte wurde

eine Kommission der Pariser Akade-mie der Wissenschaften beauftragt,

die entsprechende Definitionenfestlegten. So wurde das neu zu

schaffende Längenmaß – derMeter – als der 10.000.000te

Teil des Abstandes zwi-schen Nordpol undÄquator definiert. Nebender Definition stellte sich

aber auch die Frage nachder Schaffung einer materiellenRealisierung, eines Etalons.

Hierfür waren zwei Probleme zulösen, die exakte Bestimmung derLänge eines Meters und die Schaf-fung eines Maßstabes dieser Länge.Für die Längenbestimmung verma-ßen die beiden Astronomen Delam-bre und Mechain mittels Triangulatio-nen die Strecke zwischen Dünkir-chen und Barcelona. Hierfürverwendeten sie einen speziellenRepetitionskreis (Abbildung 1), derdurch wiederholtes Einstellen derWinkel die Messfehler minimierte.Anschließend wurde jeweils eineSeite von zwei der Dreiecke sehrgenau mit einem Platinmaßstab ver-messen. Über diese Messungen ließsich dann der Abstand zwischen den beiden Orten und aus astronomi-

142 | Phys. Unserer Zeit | 35. Jahrgang 2004| Nr. 3 © 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

M AG A Z I N |

schen Beobachtungen der hierdurchrepräsentierte Teil des Kreisbogensbestimmen. Das so bestimmte Meterwurde dann durch einen Platinstabmateriell realisiert, musste allerdingsin der Folgezeit mehrfach leichtmodifiziert werden.

Endgültig als internationaleStandardeinheit wurde das Meter erst1875 durch eine Konvention eta-bliert, der sich zunächst 17 Staatenanschlossen. Im 20. Jahrhundertwurde es im Wesentlichen ausGründen der Metrologie neu defi-niert. Ab 1927 legte man es über dieWellenlänge einer bestimmten Linieim Spektrum des Cadmiums fest,später wählte man eine Linie ausdem Spektrum des Kryptons alsBezugspunkt. Mit der Festlegung desWertes für die Lichtgeschwindigkeit,diente diese als Maßstab für dasMeter. Danach ist ein Meter dieStrecke, die Licht im Vakuum in1/299.792.485 Sekunden zurücklegt.

Messtechnisch ist aber auch dieseDefinition noch immer aufwändig inder Realisierung: Längennormalewerden mittlerweile durch interfero-metrische Methoden mit besondersfrequenzstabilen Lasern realisiert.Damit lässt sich die Strecke einesMeters mit einer Genauigkeit imBereich eines Nanometers bestim-men.

Literatur und Internet [1] P. Méchain et al., Grundlagen des dezima-

len metrischen Systems, OstwaldsKlassiker, Bd. 181, Harri Deutsch, Frankfurt2000.

[2] K. Alder, Das Maß der Welt. Die Suchenach dem Urmeter, Bertelsmann, Mün-chen 2003

homepages.uni-regensburg.de/~mec02077/texte/meter.pdfwww.ptb.de/de/org/4/43/431/_index.htm

Peter Heering, Uni Oldenburg

Der Reiz, genauer zu verstehen, wasin Kochtöpfen, Pfannen und Öfenpassiert, wuchs mit der Bedeutungder Physik der weichen Materie.Peter Barham erläutert allerlei Fak-ten, die beim Kochen und Backenaus Sicht des Physikers zu beachtensind. Eingestiegen wird mit molekula-ren Grundbegriffen und einer kurzenBeschreibung der Moleküle, die inder Küche besonders wichtig sind.Rasch führt dies auf eine sehr knap-pe Darstellung von Emulsionen undSchäumen. In Beispielen wird ge-zeigt, was in der Küche passiert, aberauch schiefgehen und in tragischen„Schmorkatastrophen“ enden kann.

Aufmerksame Topfgucker erfah-ren so auf genüssliche Weise vieleZusammenhänge im Grenzbereichvon Physik, Chemie und Biologie.Dabei ist Barham die Gratwanderungzwischen unterhaltender Spracheund ernster Wissenschaft gelungen.

Ein Problem dieses Buchs ist dieZielgruppe. So scheut sich Barhamnicht, „aus Spaß Feinheiten derPhysik einfließen zu lassen,“ undbeim Eierkochen die Lösungen derWärmeleitungsgleichung als unend-liche Reihe darzustellen. Physikerhaben kein Problem mit diesenAusflügen. Da aber Fachbegriffehäufig nur kurz erklärt werden,dürfte Laien das Buch an mancherStelle abschrecken. Hobbyköcheauch, denn viele der Rezeptbeispielesind „very english“ und spiegeln dietraditionelle Küche des Königreichswieder. Der reißerische Titel sug-geriert, dass dieses Buch der Weisheitletzter Schluss wäre. Angesichts dervielen offenen Fragen erscheint diesübertrieben.

Thomas Vilgis, Mainz

PH YS I K G E S T E R N U N D H EU T E |Wie lang ist ein Meter?Längeneinheiten gehören vermutlich zu den ältesten Maßen, das heuteso geläufige Meter wurde aber erst Ende des 18. Jahrhunderts geschaf-fen. Seine genaue Bestimmung stellt auch heute noch eine Herausforde-rung an die Messtechnik dar.

Abb. 1 Stich desBorda-Zirkels aus„Base du systèmemétrique“ von1806.

DDiiee lleettzztteenn GGeehheeiimm--nniissssee ddeerr KKoocchhkkuunnssttPeter Barham,Springer Verlag, Heidelberg 2003,270 S., Abb., Tab.,geb., e 14,95. ISBN3-5400-0908-6.

B Ü C H E R |