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Wilhelm Krull
Eine neue Ökonomie der Universität? –
Hochschulpolitische Erwägungen
Club Research, Wien, 30. Januar 2014
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Thirsty for national profit, nations, and their systems of education, are heedlessly discarding skills that are needed to keep democracies alive. If this trend continues, nations all over the world will soon be producing generations of useful machines rather than complete citizens who can think for themselves, criticize traditions, and understand the significance of another person‘s sufferings and achievements. The future of the world‘s democracies hangs in the balance. […] The humanities and the arts are being cut away, in both primary/secondary and college/university educations, in virtually every nation of the world. (p. 2)
(Hochschul-)Bildung und Demokratie
Martha C. Nussbaum: Not for Profit – Why Democracy Needs the Humanities (2010).
Given that economic growth is so eagerly sought by all nations, especially in this time of crisis, too few questions have been posed about the direction of education, and, with it, of the world‘s democratic societies. With the rush of profitability in the global market, values precious for the future of democracy, especially in an era of religious and economic anxiety, are in danger of getting lost. (p. 6)
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Erfolg und ‚Misserfolg’ im Labyrinth der Wissenschaft
Cabinet Office: R&D Assessment. A Guide for Customers and Managers of Research and Development. London 1989,12.
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Die selbstständige Hochschule der ‚Zukunft‘ (2005)
„Die Hochschule muss die Freiheit bekommen, sich im
nationalen wie internationalen Wettbewerb auf ihren
leistungsstarken Feldern zu profilieren und zu behaupten. Dabei
sind durch entsprechende Entscheidungs-, Management- und
Verwaltungsstrukturen die Fähigkeiten zu entwickeln, in diesem
Wettbewerb Prioritäten zu setzen. Die Hochschule der Zukunft
handelt an Maßstäben orientiert, die der Wissenschaft entstammen,
und ist gleichzeitig der Gesellschaft gegenüber für ihr Wirken, aber
auch für den Ertrag der in sie investierten Gelder verpflichtet.“
Quelle: Eckpunkte eines zukunftsfähigen deutschen Wissenschaftssystems.
Zwölf Empfehlungen. Hannover 2005, S. 12.
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Hochschulautonomie in Deutschland
• Weitgehende Autonomieentwicklung: „Leistungsfähigkeit durch Eigenverantwortung“ (seit 1997)
• Prominente Beispiele für diese Entwicklung in Deutschland:• Hochschulfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (HFG, 2007)• Landeshochschulgesetz Baden-Württemberg (LHG, 2005)• Niedersächsisches Hochschulgesetz (NHG, 2003)
• Vorgenommene Anpassungen waren u. a.:• Ausdehnung der Unabhängigkeit von Hochschulen• Stärkung u. a. der Hochschulräte und des Präsidiums• Teilweise Prägung des Leitbildes der „Hochschulen in
unternehmerischer Freiheit “ (Peter Frankenberg)
• Aufgreifen des Modells der Stiftungsuniversität (insbesondere NHG, 2003)
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Versuchungen der Universitätsautonomie?!
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• Freiheiten wieder eingrenzende Gesetzentwürfe sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Baden-Württemberg• Hochschulzukunftsgesetz Nordrhein-Westfalen (HZG, 2013)• Hochschulrechtsänderungsgesetz Baden-Württemberg
(HRÄG, 2013)
• Intensive und kontrovers geführte Diskussion insbesondere in Nordrhein-Westfalen• Offene Kritik u. a. vom Präsidenten der Hochschulrektoren-
konferenz Professor Horst Hippler• Kritik nicht zuletzt an beabsichtigten Einschränkungen der
Finanzautonomie
Jüngere Vorhaben zur Einschränkung von Autonomie
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Allgemeine Finanzierungsmechanismen und -tendenzen I
• Ausreichendes Maß an (Grund-)Finanzierung durch öffentliche Hand unabdingbar und oft nur unzureichend gegeben (vgl. z. B. Studie der EU-Kommission, Diversified Funding streams for University-based research: Impact of external project-based research funding on financial management in Universities)
• Hochschulverträge, die den Rahmen der Grundfinanzierung festlegen• Zielvereinbarungen, die Ziele und Schwerpunkte der einzelnen
Hochschulen sowie deren Entwicklung berücksichtigen• Teilweise konfligierende Steuerungsinstrumente im Einsatz (Verträge vs.
Indikatorensysteme)
• Studiengebühren in Deutschland vorerst gescheitert, in Österreich an Universitäten gegenwärtig nicht beabsichtigt
• Verschiedene nationale ‚Exzellenzinitiativen‘ zur Förderung von ausgewählten Standorten und Einrichtungen: Perspektiven für die Anschlussfinanzierung (in Deutschland nach 2017) ungewiss
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Allgemeine Finanzierungsmechanismen und -tendenzen II
• Insbesondere im Bereich der Grundlagenforschung erheblicher Beitrag staatlich finanzierter Fördereinrichtungen wie DFG (D), FWF (AT) oder DNRF und DFF (DK)
• Beständige Zunahme der Drittmittelfinanzierung sowohl durch „Dritten Sektor“ als auch durch Privatwirtschaft oder öffentliche Stellen dritter Staaten
• Verlagerung der Gewichte zwischen Grund- und Drittmittelfinanzierung erfordert größere „Overheads“
• Horizon 2020 und insbesondere Förderinstrumente des European Research Council (ERC) bieten umfangreiche Mittel und Förderpotential
• Zusammenführung des Wirtschafts- und des Wissenschaftsministeriums: Diskussion zu weiterer Verengung der Wissenschaft auf ‚Wirtschaftlichkeit‘
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• Änderung vom 20. März 2013• Orientierung hin zur kapazitätsorientierten,
studierendenbezogenen Universitätsfinanzierung
• Gemäß Implementierungs-Paragraph 14f UG erfolgt die Anwendung der neuen Systematik ab der Leistungsvereinbarungsperiode 2016 - 2018 zunächst anteilig
• 2019 - 2021 wird sie erstmalig voll zum Einsatz kommen
• System der gesamtösterreichischen Universitätsentwicklungs-pläne und der Leistungsvereinbarungen bleibt erhalten
• Erklärtes Ziel (§ 14a 2) und 3) UG): ausreichende Anzahl an Studienplätzen, Betreuungsrelation verbessern, Zahl der Studienabschlüsse steigern, Studienabbrüche verringern
Österreichisches Universitätsgesetz 2002 (UG)
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Zivilgesellschaftlicher Beitrag und Verantwortung
• Zivilgesellschaftliche Mittel können und sollen öffentliche Finanzierung nicht substituieren, Anstöße zu größerem Engagement sollten nichtsdestotrotz erfolgen
• Universitäten und die Zivilgesellschaft im Ganzen könnten in Finanzierungsfragen besser interagieren
• Finanzierung von Wissenschaft und Innovation in Forschung und Lehre sollte stets im Bewusstsein gesellschaftlicher Verantwortung erfolgen
• Geistes- und Sozialwissenschaften sollten ein höheres Niveau gesellschaftlicher Aufmerksamkeit erfahren, als es unter dem Eindruck fortwährender Ökonomisierung der Fall ist.
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Beispiele für Förderaktivitäten der VolkswagenStiftung
• Anpassung der Förderininitiative Lichtenberg-Professuren:• Erweiterung der bisherigen Förderung exzellenter
Wissenschaftler auf W1/W2-Niveau• Nun Anreiz für das Einwerben zivilgesellschaftlicher
Komplementärmittel durch Universitäten mit dem Angebot der Überführung und Verstetigung von Förderung in Stiftungsprofessuren (W2/W3-Niveau)
• Offene und ‚unorthodoxe‘ Förderinitiativen: Experiment!, Freigeist-Fellowships, Offen – für Außergewöhnliches.
Was Exzellenzförderung berücksichtigen sollte
• Langfristige Förderung und Tenure-Angebote auf der Grundlage von
Erfahrung und ‘Tradition’ in geförderten Institutionen
• Berücksichtigung bereits vorhandener Schwerpunkte
• Kooperation mit großer Bandbreite zivilgesellschaftlicher Akteure im
Sinne von lokalen und regionalen Partnerschaften
• Handlungsfähiges Leitungsorgan sollte stimmiges konzeptionelles,
strategisches und kommunikatives Vorgehen garantieren
• Aktive Teilnahme an Strategie- und Strukturentwicklungs- sowie
Evaluationsprozessen
• Prioritäre Förderung wissenschaftlicher Talente zu Beginn ihrer
wissenschaftlichen Laufbahn sowohl qualitativ als auch quantitativ
• Hochwertige Infrastruktur: Bibliotheken, EDV, etc.
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Herausforderungen
• Das Hervorbringen, Verbreiten und Aneignen neuen Wissens erfolgen nahezu simultan
• Wissenschaft, Forschung und Innovation rücken enger zusammen
• Globale Vernetzung erfordert lokale Konzentration
• Das öffentlich finanzierte Hochschul- und Forschungssystem muss vielfältigen strukturellen Herausforderungen begegnen
• Öffentliche und privatwirtschaftliche Förderung greifen verstärkt ineinander
• Weiteres zivilgesellschaftliches Engagement ist nötig
• Multiple Akteurskonstellationen erfordern neue Interaktionsformen und Integrationsbemühungen
I. Neue Herausforderung
en …
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• sich im ständigen Austausch mit ihrer Umwelt immer neuen Anforderungen zu öffnen und innovative Forschungsfelder zu erschließen
• Lehre und Studium an zukunftsträchtigen Wissensgebieten zu orientieren
• starre Strukturen aufzubrechen und fachübergreifende Formen der Wissenserzeugung und -vermittlung zu entwickeln
• Studium und Lehre ebenso wie die Forschung international zu vernetzen und Spitzenleistungen hervorzubringen
• für gesellschaftliche Grundstrukturen bedeutende hochwertige Forschung und Lehre in für Wirtschaft und Innovation weniger relevanten Fachrichtungen sicherzustellen.
III. Neue Rahmenbedingunge
nAngesichts der wissenschafts- und technologiegetriebenen Veränderungsdynamik müssen Universitäten in der Lage sein:
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„Die Wissenschaft ist eine wunderbare Sache, wenn man nicht seinen Lebensunterhalt damit verdienen muss.“
Albert Einstein
„Denn es ist außerordentlich gewagt für einen jungen Gelehrten, der keinerlei Vermögen hat, überhaupt den Bedingungen der akademischen Laufbahn sich auszusetzen.“
Max Weber
Wie vor hundert Jahren?