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WISSENSCHAFTLICHE HAUSARBEIT Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen nach GHPO I vom 22. Juli 2003 Erfolgreich kommunizieren in der Krankenpflege – Förderung von ausbildungsbezogenen Sprachkompetenzen im Deutschunterricht – vorgelegt von Ulrike John eingereicht bei der Pädagogischen Hochschule Heidelberg Referentin: Fr. Prof. Dr. Anne Berkemeier Korreferentin: Fr. AOR Regina Wieland Heidelberg, den 30.07.08

WISSENSCHAFTLICHE HAUSARBEIT · 1 Anlässe und Formen mündlicher Kommunikation in der Pflege 9 2 Darstellung der Forschungslage zur verbalen Kommunikation 14 2.1 Überblick über

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WISSENSCHAFTLICHE HAUSARBEIT

Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen

nach GHPO I vom 22. Juli 2003

Erfolgreich kommunizieren in der Krankenpflege

– Förderung von ausbildungsbezogenen

Sprachkompetenzen im Deutschunterricht –

vorgelegt von

Ulrike John

eingereicht bei der

Pädagogischen Hochschule Heidelberg

Referentin: Fr. Prof. Dr. Anne Berkemeier

Korreferentin: Fr. AOR Regina Wieland

Heidelberg, den 30.07.08

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Inhaltsverzeichnis

I EINLEITUNG 5

1 Zur Fragestellung der Arbeit 5

2 Kommunikative Handlungsformen in der Krankenpflege als

Variante institutioneller Kommunikation

7

II MÜNDLICHE KOMMUNIKATION (Theoretischer Teil) 9

1 Anlässe und Formen mündlicher Kommunikation in der

Pflege

9

2 Darstellung der Forschungslage zur verbalen

Kommunikation

14

2.1 Überblick über den aktuellen Forschungsstand 14

2.2 Untersuchungen zur mündlichen Kommunikation 16

2.2.1 Die Gesprächsanalyse als Methode zur Untersuchung

gesprochener Sprache

16

2.2.2 Ergebnisse von vorliegenden Analysen gesprochener Sprache in

Einrichtungen des Gesundheitswesens

20

2.2.2.1 Allgemeine Beobachtungen zu Gesprächen in pflegerischen

Kontexten

20

2.2.2.2 Eröffnungsphasen 22

2.2.2.3 Gesprächsbeendigungen 25

2.2.2.4 Befindensfragen 26

2.2.2.5 Pflegerische Erstgespräche 27

2.2.2.6 Das Sprachverhalten alter und junger Menschen 31

3 Förderung ausbildungsbezogener Kompetenzen im

Deutschunterricht für den mündlichen Sprachgebrauch

33

3.1 Auswertung der Ergebnisse und Erwartungshorizont:

Welche Fähigkeiten müssten Schüler im Hinblick auf die

Ausbildung in Pflegeberufen erlangen?

33

3.2 Vorgaben des Bildungsplanes 34

3.3 Allgemeine Gesprächskompetenzen 37

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3.3.1 Wissen über Kommunikation und Situationseinschätzung 37

3.3.2 Gesprächsorganisation: Verteilung des Rederechts und

Sprecherwechsel

38

3.3.3 Darstellung und Entfaltung des Themas 40

3.4 Spezielle Gesprächskompetenzen 42

3.4.1 Gruß 42

3.4.2 Vorstellung und Anrede 44

3.4.3 Anspielungen erkennen und nutzen 44

3.4.4 Umgang mit standardisierten Fragen 45

3.4.5 Gesprächsleitfaden erstellen und im Gespräch effektiv nutzen 46

4 Vergleich von ausbildungsbezogenen Erwartungen und

Vorgaben durch den Bildungsplan

48

III SCHRIFTLICHE KOMMUNIKATION (Empirischer Teil) 51

1 Anlässe und Formen schriftlicher Kommunikation in der

Pflege

51

2 Untersuchungen zur schriftlichen Kommunikation 56

2.1 Überblick über den aktuellen Forschungsstand 56

2.2 Eigene empirische Untersuchung von Pflegeberichten 57

2.2.1 Methode und Analysekriterien 57

2.3 Ergebnisse der Analyse von Pflegeberichten 59

2.3.1 Textsorte Pflegebericht? 59

2.3.2 Syntax 61

2.3.2.1 Satzglieder 61

2.3.2.2 Nebensätze 62

2.3.3 Kohäsion und Kohärenz 64

2.3.4 Lexik und Semantik 66

2.3.5 Abkürzungen und Verwendung von Zeichen 69

2.3.6 Inhalt 70

2.3.7 Schreibsituation 73

2.3.8 Überarbeitung

74

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3 Förderung ausbildungsbezogener Kompetenzen im

Deutschunterricht für den schriftlichen Sprachgebrauch

75

3.1 Auswertung der Ergebnisse und Erwartungshorizont:

Welche Fähigkeiten müssten Schüler im Hinblick auf die

Ausbildung in Pflegeberufen erlangen?

75

3.2 Vorgaben des Bildungsplans 75

3.3 Schreibkompetenzen 77

3.3.1 Schriftlich-konzeptuale Fähigkeiten 77

3.3.2 Zweck des Schreibens 79

3.3.3 Textsortenkenntnis 80

3.3.4 Die Funktion des Schreibens:

Problemlöseprozess oder kommunikative Handlung?

82

3.3.5 Adressatenbezug 84

3.3.6 Überarbeitungskompetenz 85

4 Vergleich von ausbildungsbezogenen Erwartungen und

Vorgaben durch den Bildungsplan

86

IV ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE

UND AUSBLICK

89

V ANHANG 91

1 Literatur 91

2 Internetquellen 94

3 Abbildungsverzeichnis 94

4 Versicherung über die Autorenschaft 95

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I EINLEITUNG

1 Zur Fragestellung der Arbeit

„Non scholae sed vitae discimus!“1

Schon die Römer wussten, dass wir nicht für die Schule, sondern für das Leben

lernen. Allerdings stellt sich auf Lehrer- wie auf Schülerseite im Schulalltag immer

wieder die Frage, wie dieser Anspruch wohl umzusetzen ist. Eine gängige

Möglichkeit ist es, den Schülern für das Leben möglichst viel ‘Allgemeinbildung’

mit zu geben oder ihnen, nach modernerem Verständnis, so genannte

Schlüsselqualifikationen (wie z. B. kommunikative Kompetenz) zu vermitteln. Eine

andere Möglichkeit besteht darin, sich ein Bild von der außerschulischen Berufswelt

zu machen und zu analysieren, welche Qualifikationen die Schulabgänger für ihre

nachfolgende Ausbildung benötigen. Sind die erforderlichen Kompetenzen benannt,

ist es Aufgabe der Institution Schule, diese auf die Unterrichtswirklichkeit herunter

zu brechen und daraus Lehr- und Lernziele abzuleiten.

In diesem Sinne soll diese Arbeit einen Brückenschlag zwischen Berufsalltag und

Schule herstellen und zu diesem Zweck werden einzelne Ausschnitte beruflicher

Kommunikation genau unter die Lupe genommen. Das Ziel ist, aus dieser

detaillierten Beobachtung und Beschreibung Aufschlüsse über die Anforderungen zu

erhalten, die an Schulabgänger zu Beginn ihrer Ausbildungen (und darüber hinaus)

gestellt werden.

Gegenstand der Untersuchung ist die Kommunikation in den verschiedenen Berufen

des Pflegebereichs. Hierzu zählen im Wesentlichen die Berufe der Krankenpflege,

der Krankenpflegehilfe2 und der Altenpflege sowie der Altenpflegehilfe (ferner

ließen sich auch Berufsbilder im Rettungsdienst sowie die der therapeutischen

Berufe hinzuzählen).

Die Ausbildungsgänge zu diesen Berufen unterscheiden sich nicht zuletzt nach den

Zugangsvoraussetzungen. So bleibt die Krankenpflegeausbildung zwar Realschul-

abgängern mit Mittlerer Reife vorbehalten, die anderen Berufsbilder können jedoch

nach Erreichen des 18.Lebensjahres auch mit Hauptschulabschluss erlernt werden.

Außerdem ermöglicht die prinzipielle Durchlässigkeit des deutschen Schulsystems ja 1 Ursprünglich von Seneca im 1. Jhdt. n. Chr. mit den Worten „Non vitae sed scholae discimus“ als Schulkritik formuliert, ist dieses Sprichwort heute in der umgekehrten o. g. Formulierung verbreitet. 2 Die korrekten Berufsbezeichnungen heißen „Gesundheits- und Krankenpflege“ bzw. „Gesundheits- und Krankenpflegehilfe“ (vgl. http://www.afg-heidelberg.de) (03.06.08)

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zumindest theoretisch jedem Schüler den Wechsel auf eine höher qualifizierende

Einrichtung.

Viel wichtiger als der Blick auf die Zugangsvoraussetzungen erscheint mir aber die

Tatsache, dass die Schulabgänger über viele der für Pflegeberufe benötigten

sprachlichen Kompetenzen schon bei Ausbildungsbeginn verfügen müssten, denn in

den Ausbildungen zu Pflegeberufen ist kein Deutschunterricht mehr vorgesehen, der

die Auszubildenden gezielt auf ihr späteres Sprachhandeln vorbereiten könnte.

Kommunikative Kompetenzen werden in den Ausbildungsgängen zwar thematisiert,

jedoch ausschließlich unter psychologischen Gesichtspunkten und unter Verwendung

psychologischer Modelle. Die von der Schule vermittelbaren sprachlichen

Kompetenzen sind somit gleichsam ausbildungsbezogene wie berufsbezogene

Kompetenzen, die im Laufe der Ausbildung nicht mehr speziell gefördert werden. Es

gilt also, in den allgemeinbildenden Schulen – und ganz besonders im

Deutschunterricht – sich der Verantwortung diesbezüglich bewusst zu sein, wenn die

Schüler tatsächlich für das Leben lernen sollen!

In dieser Arbeit werden Lehr- und Lernziele exemplarisch durch die Analyse

sprachlicher Handlungen in Pflegeberufen abgeleitet. Dies ist nach ähnlichem Muster

genauso für andere Berufszweige denkbar und wäre im Hinblick auf die

Vorbereitung von Schülern auf das Berufsleben sicher auch sinnvoll. Da die

linguistischen Disziplinen, die sich mit diesen und ähnlichen Fragestellungen

beschäftigen, noch sehr jung sind, kann man davon ausgehen, dass hier in Zukunft

weitere Analysen entstehen werden.

Ich benutze im folgenden Text in der Regel die Termini der ‘Pflegenden’, der

‘Patienten’ und der ‘Schüler’. Damit sind natürlich immer Vertreter beiderlei

Geschlechts gemeint und außerdem auch immer Vertreter aller pflegerischen

Berufsgruppen.

Die Arbeit gliedert sich im Anschluss an die beiden einleitenden Abschnitte in zwei

große Teile: Der erste Teil ist theoretischer Art und behandelt die mündliche

Kommunikation, der zweite Teil beinhaltet meine eigene empirische Untersuchung

schriftlicher Kommunikation am Beispiel von Pflegeberichten. In beiden Teilen

erfolgt anhand der Analyseergebnisse eine didaktische Modellierung auf den

Deutschunterricht. Die abgeleiteten Lernziele werden im Anschluss daran auf ihre

Übereinstimmung mit dem Bildungsplan hin geprüft.

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2 Kommunikative Handlungsformen in der Krankenpflege als

Variante institutioneller Kommunikation

Im Arbeitsalltag der in Pflegeberufen tätigen Fachkräfte gibt es sehr viele und sehr

verschiedene Formen und Anlässe von Kommunikation. Um den Einstieg in das

Thema zu erleichtern, beginne ich mit der Darstellung und Beschreibung der

gängigen kommunikativen Handlungen in den Berufsfeldern der Kranken- und

Altenpflege.

Die Kommunikation in der Pflege dient in dieser Arbeit exemplarisch für eine Art

der institutionellen Kommunikation. Dieser Begriff der Institution soll daher

zunächst etwas näher betrachtet werden.

Institutionen sind nach Ehlich und Rehbein „Formen des gesellschaftlichen Verkehrs

zur Bearbeitung gesellschaftlicher Zwecke; sie verlangen eo ipso Kommunikation

zwischen den Aktanten“ (Ehlich/Rehbein 1980, S. 338). In jeder Institution gibt es

spezielle, sie kennzeichnende sprachliche Handlungsmuster, die wiederum durch das

Charakteristische der jeweiligen Institution geprägt sind. Die Aktanten einer

Institution (also deren Agenten und Klienten) haben typische

„Handlungsmöglichkeiten, über die institutionsspezifisches Wissen ausgebildet ist“

(ebd., S. 343). Oftmals finden sich standardisierte Abläufe, so genannte sprachliche

Handlungsmuster, die durch die Tätigkeiten in der Institution bedingt sind. Mitunter

kann es dabei zu relativ starren Sprachhandlungsformen kommen (vgl. ebd., S. 342).

Da unterschiedliche Institutionen durch ganz verschiedene Handlungsmuster

charakterisiert sind, kann „die Untersuchung von Sprache in Institutionen […] sich

nur in Bezug auf einzelne Institutionen entfalten“ (ebd., S. 339). Daraus ergibt sich

wiederum, dass die Analyse sprachlicher Handlungen in der Institution

Krankenhaus/Pflegeheim hier nur den Ausschnitt des Pflegebereiches darstellen (und

von diesem wiederum nur ein kleiner Ausschnitt beleuchtet werden) kann.

Dennoch bin ich der Meinung, dass die Art der Analyse auch auf andere Formen

institutioneller Kommunikation übertragbar und auf deren Bezug zum

Deutschunterricht überprüfbar ist. Außerdem wird zu betrachten sein, was an

spezifischen Kommunikationsformen des Pflegebereichs durch eine induktive

Vorgehensweise auf andere Kommunikationssituationen in anderen Institutionen zu

übertragen und anzuwenden ist.

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In der Krankenpflege spiegelt sich wider, was für unsere gesamte Gesellschaft gilt:

Wir leben in einer Zeit, in der eine „zunehmende Versprachlichung der Gesellschaft

und ihrer Institutionen“ (Fiehler/Sucharowski 1992, S. 24) zu beobachten ist.

Dadurch steigt zum einen die Anzahl sprachlicher Handlungen und kommunikativer

Formen insgesamt, zum anderen werden sprachlich-kommunikative Prozesse immer

differenzierter und komplexer. In vielen Bereichen des täglichen und beruflichen

Lebens wird von uns erwartet, dass wir uns angemessen ausdrücken und effektiv

kommunizieren können. Dazu gehört sowohl eine adäquate sprachliche Realisierung

als auch eine passende Einschätzung von situativem Kontext, Gesprächsgattung,

Verhältnis der Gesprächspartner usw., alles bezogen auf mündliche wie auch auf

schriftliche Formen von Kommunikation.

So stellt die kommunikative Kompetenz heute eine Schlüsselqualifikation dar, die

„auf allen Ebenen beruflicher Bildung in den letzten Jahren diskutiert, propagiert und

eingefordert wurde, wobei man sich auf den primären, sekundären und tertiären

Bildungsbereich bezieht“ (Walther 2003, S. 19). Dies gilt in besonderem Maße auch

für den Bereich der Pflegeberufe. Im Pflegealltag ist die Beherrschung vielfältiger

Kommunikationstechniken unerlässlich, denn nur so kann die Aufgabe bewältigt

werden, den Patienten mit einem gut kooperierenden Team bestmöglich bei seiner

Genesung zu unterstützen. Aber nicht nur innerhalb des therapeutischen Teams sind

kommunikative Kompetenzen wichtig, sondern auch im direkten Kontakt mit dem

Patienten. Moderne Krankenhäuser sind zu Wirtschaftsunternehmen geworden, in

denen Effektivität und Kundenorientierung eine elementare Rolle spielen. In den

letzten Jahren ist daher die Bedeutung der Kommunikation sowohl in das

Bewusstsein der Pflegewissenschaft und Pflegeforschung als auch in die

Rahmenlehrpläne der verschiedenen Ausbildungsgänge gelangt.

Es ist allerdings nicht eindeutig definiert, was genau unter kommunikativer

Kompetenz zu verstehen ist. Um sich der Vielschichtigkeit des Begriffes zu nähern,

werde ich zunächst aufzeigen, in welchen Zusammenhängen im Bereich der Pflege

kommunikative Handlungen überhaupt stattfinden.

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II MÜNDLICHE KOMMUNIKATION

(Theoretischer Teil)

1 Anlässe und Formen mündlicher Kommunikation in der Pflege

Unabhängig von der eigentlichen Tätigkeit, von der Art der Klinik und vom

Fachbereich lässt sich feststellen, dass Pflegekräfte bei sehr vielen ihrer Tätigkeiten

kommunizieren. Betrachtet man einerseits die dafür aufgewendete Zeit und

andererseits die Anzahl der Anlässe für kommunikative Handlungen, so steht die

mündliche Kommunikation hier gegenüber der schriftlichen deutlich im

Vordergrund.

Sich an den am Gespräch beteiligten Personen oder Personengruppen zu orientieren,

stellt eine Möglichkeit dar, sich einen Überblick über die verschiedenen Arten

mündlicher Kommunikation zu verschaffen. Diese Art der Kategorisierung erscheint

mir sinnvoll, da sich Gespräche auf einer ersten Beobachtungsebene nach der

Auswahl der Gesprächspartner unterscheiden. Schwestern und Pfleger sprechen mit

Ärzten anders als mit ihren eigenen Kollegen, mit Therapeuten anders als mit

Angehörigen usw. Auch Sachweh kategorisiert in vergleichbarer Weise und

beschreibt dies als mögliche „Schnittstellen zwischen der Pflege und anderen

Arbeitsbereichen“ (Sachweh 2006, S. 36).

Zunächst werden in erster Linie die Gespräche zwischen dem Pflegepersonal und den

Patienten betrachtet, da diese Art der mündlichen Kommunikation im Rahmen der

vorliegenden Arbeit für den Teilbereich Mündlichkeit im Mittelpunkt stehen wird.

Gespräche zwischen Pflegekräften und Patienten sind mittlerweile auch zum

Untersuchungsgegenstand einiger linguistischer Analysen geworden, die im

Kapitel 3 vorgestellt werden.

Im Kontakt mit den Patienten gibt es sehr viele unterschiedliche Gesprächsanlässe.

Dabei ist zu unterscheiden, ob das Gespräch die eigentliche Tätigkeit darstellt oder

ob das Gespräch parallel zu einer Handlung stattfindet. Der allererste Kontakt

zwischen Patienten und Pflegenden ist ein Beispiel für eine Situation, in der das

Gespräch die eigentliche Tätigkeit ist. Dieser Erstkontakt erfolgt in der Regel als

Begrüßung und beinhaltet die Zuweisung eines Zimmers usw. Sofern der Patient

sprechfähig ist, erfolgt bald nach dessen Ankunft auf einer Station ein

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Aufnahmegespräch, das jedoch oft eher eine Befragung des Patienten als ein

Gespräch im eigentlichen Sinne ist (vgl. Abschnitt 2.2.2.5 in diesem Teil). Für die

Pflegenden ist es wichtig, möglichst genau über die mit der Krankheit in Verbindung

stehenden Probleme, Einstellungen und Gewohnheiten des Patienten Bescheid zu

wissen. Sie fragen daher gezielt und umfangreich nach dem körperlichen Befinden

und aktuell bestehenden Problemen, aber auch beispielsweise nach bisher

verordneten und eingenommenen Medikamenten, der häuslichen Situation, den

Ernährungsgewohnheiten usw.

Auch während des stationären Aufenthaltes erkundigen sich die Pflegenden

regelmäßig nach dem Befinden ihrer Patienten. Dies kann gezielt erfolgen oder quasi

nebenher entstehen, also während die Pflegekraft einer anderen Tätigkeit nachgeht.

Diese handlungsbegleitende Kommunikation macht einen Großteil der mündlichen

Kommunikation aus. Bei allen sich bietenden Kontakten zwischen Pflegenden und

Patienten, also während der Hilfestellung bzw. Übernahme der Körperpflege oder bei

Routineuntersuchungen (Temperatur- und Blutdruckmessungen, Verbandswechseln

usw.) sprechen die Pflegenden mit den Patienten. Sie kündigen ihre Tätigkeiten an,

sie erklären ihr Tun und ergänzen ihr physisches Handeln durch sprachliches

Handeln. Dabei hat das sprachliche Handeln selbst aber immer auch eine

pflegerische Komponente. „Im Sinne der Kommunikation, die eine pflegerische

Handlung ist und dem Heilungsprozess eines Patienten dienen soll, sollen die

Gespräche – auch handlungsbegleitend – geplant und gesteuert werden“, wie es in

einem Standard-Lehrbuch für Krankenpflege gefordert wird (Geißner 2004b, S. 413).

Unter Umständen wird die mündliche Kommunikation erheblich erschwert, nämlich

dann, wenn die Patienten aufgrund ihrer Erkrankung in ihrer Sprach- und/oder

Sprechfähigkeit eingeschränkt sind. Besonders Krankheitsbilder wie Demenz,

Schwerhörigkeit, Morbus Parkinson oder Schlaganfälle mit begleitenden Sprach-

oder Sprechstörungen (Aphasien, Dysarthrien) führen dazu, dass die Kommunikation

auf die Bedürfnisse der Patienten angepasst werden muss (vgl. Sachweh 2006,

S. 157ff.). Im schlimmsten Fall sind Patienten völlig verstummt, zum Beispiel wenn

sie komatös sind oder eine sprachbehindernde Erkrankung im Finalstadium vorliegt.

Die Pflegekräfte sprechen aber auch mit diesen Patienten und versuchen, die

Kommunikationssituationen so normal wie möglich erscheinen zu lassen. Ihr

Bestreben ist es, auch unter erschwerten Bedingungen respekt- und würdevoll mit

den Patienten umzugehen, wozu eine angemessene Kommunikation gehört. Sachweh

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hat solche Gespräche untersucht und betont, dass es besonders wichtig ist, sich genau

mit der jeweiligen Diagnose der Bewohner zu beschäftigen, da die aus einer

Erkrankung resultierenden Kommunikationsschwierigkeiten sehr unterschiedlich

sein können (vgl. Sachweh 2006, S. 157ff.).

Die Aufklärung über ärztliche Untersuchungen und Eingriffe stellt (nicht zuletzt

unter juristischem Blickwinkel) eigentlich eine ärztliche Tätigkeit dar. Trotzdem

besteht seitens der Patienten oft Bedarf, von den Schwestern und Pflegern weitere

Informationen über ihren Gesundheitszustand oder detaillierte Angaben zur

Durchführung geplanter Interventionen zu erhalten. Die Pflegekräfte haben also auch

die Aufgabe des Erklärens und Informierens.

Weitere Gesprächsanlässe ergeben sich in beinahe allen Situationen, in denen es zum

Patientenkontakt kommt; die Gespräche müssen dabei aber nicht unbedingt fachliche

oder pflegespezifische Inhalte haben. Beispielsweise haben so genannte „homilëische

Diskurse“ (Ehlich/Rehbein 1980, S. 343) inhaltlich nichts mit dem institutionellen

Krankenhausalltag zu tun; sie lockern aber den Patientenalltag auf und dienen somit

der Beziehungspflege zwischen den Gesprächspartnern (vgl. Sachweh 2000, S. 42ff.,

Weinhold 1997, S. 22). Wenn man bedenkt, dass es in manchen Krankenhäusern nur

stundenweise Besuchszeiten gibt oder Patienten überhaupt keinen Besuch erhalten,

kann man erahnen, wie wichtig diese Gespräche für die Kranken sein können. (Die

psychische Komponente der Genesung kann in dieser Arbeit allerdings nur am

Rande erwähnt werden.)

Sachweh nennt zusammenfassend die kommunikativen Anforderungen an Pflegende

im Kontakt zu den Patienten und stellt hierbei fest, dass „die Spanne der

notwendigen kommunikativen Tätigkeiten vom Informieren, Erklären, Beraten,

Motivieren, Unterhalten, Erzählen, Singen und Scherzen bis zum Trösten“ reicht

(Sachweh 2006, S. 36).

Das Pflegepersonal tritt aber auch zu anderen Berufsgruppen in Beziehung, woraus

sich noch eine ganze Reihe weiterer Gesprächsformen ergibt. Da auf diese hier nicht

weiter eingegangen werden kann, werden sie aufgezählt und nur kurz erläutert, um

zu verdeutlichen, welchen Umfang die mündliche Kommunikation im Berufsalltag

hat.

Zunächst seien Gespräche mit den Ärzten genannt. Pflegekräfte erstatten den

Stationsärzten regelmäßig Bericht über den Zustand der ihnen angetrauten Patienten.

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Sie informieren die Ärzte bei Komplikationen, sie halten Rücksprache bezüglich

organisatorischer oder medizinischer Fragen wie beispielsweise der Medikation,

geplanten oder bereits durchgeführten Untersuchungen, dem voraussichtlichen

Entlassungszeitpunkt eines Patienten usw. Die Stationsärzte nutzen diese

gegenseitige Informationen einerseits um die Behandlung ihrer Patienten zu

optimieren, andererseits um wiederum andere Personen zu informieren; z. B. den

Oberarzt in der Visite oder den Hausarzt mittels Arztbrief. Oft finden solche

Gespräche zwischen Pflegepersonal und ärztlichem Personal unter Zeitdruck statt, so

dass eine strukturierte und präzise Ausdrucksweise wichtig und auch in diesem

Rahmen besonders hervorzuheben ist. Dies gilt auch für mündliche Äußerungen in

ärztlichen Visiten. Pflegekräfte ergänzen durch ihre persönlichen Beobachtungen und

die im Kontakt mit den Patienten gewonnenen Informationen somit die ärztliche

Einschätzung, die sich oft im Wesentlichen nur auf Untersuchungsbefunde und

Laborwerte stützt. Dies liegt vor allem daran, dass den Ärzten für direkte Gespräche

mit einzelnen Patienten im Vergleich zu den Pflegekräften viel weniger Zeit zur

Verfügung steht. Die Pfleger betreuen je nach Stationsart und –größe zwischen zwei

und ca. acht Patienten, während die Ärzte in der Regel für eine ganze Station (bis zu

über 30 Patienten) alleine zuständig sind.

Die Kommunikation zwischen Pflegepersonal und Ärzten ist gekennzeichnet durch

den Einsatz vieler Fachtermini, die sich die Pflegekräfte einerseits aneignen müssen,

um sich unmissverständlich ausdrücken zu können, andererseits um Äußerungen der

Ärzte verstehen und Anordnungen umsetzen zu können. Im Hinblick darauf, dass nur

ein Teil der Pflegekräfte eine höhere Schulausbildung mit den Fremdsprachen Latein

und/oder Griechisch absolviert hat, stellt die angemessene Nutzung von Fachsprache

für einige Pflegende eine große Herausforderung dar. Auf welche Art die Aneignung

des Fachvokabulars tatsächlich erfolgt, wäre ein weiterer interessanter zu

untersuchender Aspekt, der den Rahmen dieser Arbeit allerdings deutlich übersteigen

würde3.

Die Fachsprache spielt auch im Kontakt zu anderen medizinischen Berufsgruppen

eine Rolle; es sind informative und organisatorische Gespräche, die das

Pflegepersonal mit Physio- und Ergotherapeuten, mit Logopäden, Sozialarbeitern

u. a. führt. Der Inhalt dieser Gespräche reicht vom Austausch über den aktuellen

3 Ein Überblicksartikel zur linguistischen Bedeutung von Fachsprachen findet sich z. B. bei W. v. Hahn (1980). In: Althaus, Hans Peter et al. (Hrsg.), S. 390-395

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Zustand eines Patienten über terminliche Absprachen bis hin zu freundschaftlichen

fachfremden Gesprächen, die primär der Beziehungspflege dienen.

Auch zwischen des Angehörigen des Pflegebereichs finden Gespräche statt; viele

davon ungeplant, z. B. während gemeinsamer Pflegeaktivitäten oder beim Richten

von Medikamenten, viele auch geplant, so z. B. die regelmäßig stattfindenden

Schichtübergaben.

Zu Beginn jeder Schicht, also in der Regel drei Mal am Tag (Früh-, Spät-,

Nachtdienst) findet eine Übergabe statt, in der die Kollegen, die ihren Dienst

beginnen, genau über jeden einzelnen Patienten informiert werden. Übergaben finden

gewöhnlich in separaten Räumen statt, meist im Stationszimmer oder im

Aufenthaltsraum. Das gesamte pflegende Personal der angrenzenden Schichten ist

anwesend. Jeder Pfleger berichtet dabei über die Patienten, die er im Laufe seiner

Schicht im Rahmen der heute weithin üblichen ‘Zimmerpflege’ betreut hat, für die er

also in den Stunden zuvor Ansprechpartner und Verantwortlicher war. Der

kompetente und adäquate Einsatz von Fachvokabular kann in diesen Gesprächen

helfen, die eigenen Beobachtungen und die erhobenen Befunde zweifelsfrei und

unmissverständlich weitergeben zu können (vgl. Geißner 2004b, S. 408). In der

Übergabe müssen alle relevanten Dinge knapp und präzise formuliert werden; die

nachfolgenden Kollegen sollen ein möglichst umfassendes Bild der ganzen Station

bekommen. Hierbei ist es sehr wichtig, dass auch psychische Auffälligkeiten von

Patienten zwar erwähnt werden, aber keine Wertung erfahren, da negative

Werturteile über Patienten sonst über Schichtgrenzen hinweg das Verhältnis zu

einzelnen Patienten belasten können. Übergaben fachlich kompetent, effektiv und

gleichzeitig verständnisvoll zu gestalten ist also eine Tätigkeit, die nur auf den ersten

Blick leicht erscheinen mag.

Je schwerer Patienten erkrankt sind, desto wichtiger wird der Kontakt zu

Angehörigen. Sie sind oft mit der gesamten Situation überfordert, machen sich

Sorgen und sind häufig ein Bindeglied zwischen dem Krankenhauspersonal und

ihrem erkrankten Familienmitglied, das möglicherweise nicht mehr selbst

kommunizieren kann. Sie kennen ihren Verwandten am besten, sie können sich am

ehesten vorstellen, was er an Vorstellungen und Wünschen hat, die er vielleicht nicht

(nicht mehr / noch nicht) äußern kann. Obwohl die Informations- und Aufklärungs-

pflicht hier wiederum bei den Ärzten liegt, schätzen es Angehörige doch sehr, auch

mit den Pflegenden über den Patienten sprechen zu können. Diese Situationen

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einfühlsam und kompetent zu gestalten, ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, zumal

es bei der Gestaltung beispielsweise auch um Entscheidungen geht, ob man in An-

oder Abwesenheit des Patienten über ihn spricht usw. In vielen Kliniken gibt es für

dieses weite Feld Fortbildungsangebote für die Mitarbeiter4.

Zuletzt sollen zusammenfassend Kommunikationsanlässe mit weiteren

Personengruppen genannt werden, mit denen Pflegende in Kontakt treten; so

sprechen Pflegende im Arbeitsalltag aus den unterschiedlichsten Gründen

beispielsweise mit Versorgungs- und Reinigungskräften, mit Hausarbeitern,

Verwaltungsangestellten, Apothekenmitarbeitern, Fahrern von Krankentransport-

und Rettungswagen und vielen anderen.

Allen genannten Anlässen des Sprechens ist eines gemeinsam: Sie alle erfordern eine

bestimmte Situationsangemessenheit und Adressatenspezifik und somit neben der

Einschätzung von Situation und Umfeld, Gesprächskonstellation und Verhältnis der

Gesprächspartner zueinander ein ausreichendes Wissen über die Besonderheiten der

Institution Krankenhaus. Damit Sprache als Handlung wirksam werden kann, bedarf

es darüber hinaus natürlich eines adäquaten und kompetenten Einsatzes von

Wortwahl, Satzbau und Grammatik.

2 Darstellung der Forschungslage zur verbalen Kommunikation

2.1 Überblick über den aktuellen Forschungsstand

In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben sich viele Autoren mit der

Kommunikation in der Pflege befasst. So entsteht bei ersten Erkundungen der

Eindruck, es gebe eine nahezu unüberschaubare Anzahl an Forschungsarbeiten,

Aufsätzen, Artikeln, Berichten und Ratgebern zu diesem Thema. Ein zweiter Blick

auf den Gegenstand relativiert diese Einschätzung jedoch ein wenig. Dem

Gegenstand ‘Kommunikation in der Pflege’ kann man sich auf vielen verschiedenen

Wegen nähern. Die Untersuchungen lassen sich nach spezifischen Handlungsfeldern

einerseits und nach Kommunikationsformen andererseits unterscheiden. So gibt es

4 Vgl. z. B. das aktuelle Programm der Heidelberger Akademie für Gesundheitsberufe unter http://www.afg-heidelberg.de/uploads/media/Programm_2008.pdf, S. 18-28 (17.06.08)

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beispielsweise Analysen über Gespräche mit Patienten, mit Angehörigen, mit

Schwerkranken und Sterbenden usw., aber auch Untersuchungen inter- und

intradisziplinärer Gespräche. Teilweise werden besondere Gesprächssituationen in

den Blick genommen, wie z. B. das Sprechen mit ‘schwierigen’ Patienten oder

‘schwierigen’ Mitarbeitern. Außerdem spielt der fachliche Horizont der jeweiligen

Autoren eine entscheidende Rolle: Infolgedessen sind neben germanistischen vor

allem psychologische, pflegewissenschaftliche und soziologische Untersuchungen

erschienen.

Die bisher vorliegenden Veröffentlichungen beziehen sich in der Mehrzahl auf die

mündliche Kommunikation, viele aber auch auf schriftliche oder nonverbale Formen,

einige „bieten von jedem etwas an oder konzentrieren sich eher auf allgemeines,

psychisch-soziales Verhalten von Menschen“ (Walther 2003, S. 13). Somit ist eine

Eingrenzung des Themas und eine besondere Fragestellung nötig, wenn der

umfangreiche Stand der Forschung wiedergegeben und auf seine Verwendung hin

untersucht werden soll. Da viele Arbeiten eher psychologischen und weniger

linguistischen Ursprungs sind, relativiert sich nun der Umfang des Materials

deutlich. „Je nachdem, welchen Blickwinkel man in der Auseinandersetzung mit der

Thematik Kommunikation und Sprache in der Pflege einnimmt – und je nach

Interessen- oder Forschungsschwerpunkt –, gewinnt man entweder den Eindruck, das

Angebot sei völlig ausreichend, wenn nicht gar schon zu groß oder das Angebot

genüge bei weitem nicht, um den Anforderungen in Ausbildung und Praxis gerecht

zu werden“, beschreibt Walther das Dilemma beim Versuch, einen Überblick über

die vorliegenden Arbeiten zu erhalten. Diese widersprüchliche Beurteilung der

Forschungs- und Datenlage findet sich auch bei anderen Autoren (vgl. ebd., S. 14,

Hervorhebung im Original).

Kommunikation ist in erheblichem Maße von Sprache abhängig bzw. wird durch

Sprache erst wirksam. Andere Faktoren wie Zeit, Situation, Stimmlage, Mimik und

Gestik tragen zwar ebenfalls einen Teil zur Verständigung bei und beeinflussen den

Verlauf von kommunikativen Situationen, aber der eigentliche Kern der

Kommunikation ist die Sprache. Es liegt daher auf der Hand, kommunikative

Prozesse insbesondere auch sprachlichen Analysen zu unterziehen, da nur

linguistische Untersuchungen Aufschluss über sprachliche Handlungsmuster und

deren Wirkung geben können. Ein rein linguistischer Ansatz findet sich allerdings

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16

nur in einer sehr geringen Anzahl der vorliegenden Arbeiten. Walther hat in einer

kommentierten Bibliographie 320 Publikationen aufgenommen, die sich mit der

Kommunikation in der Pflege befassen (Walther 2003). Von diesen 320 Arbeiten

stuft sie 207 als „wissenschaftlich“ ein, davon gründen 114 Arbeiten auf empirisch

gewonnenen Daten. Von den 207 als „wissenschaftlich“ eingestuften Arbeiten

befassen sich 99 schwerpunktmäßig mit verbaler Kommunikation. Besonders

auffällig ist, dass wiederum nur 23 Arbeiten überhaupt die schriftliche Kommunika-

tion thematisieren, lediglich fünf haben diese zum Schwerpunkt (ebd., S.35ff.). Ein

weiterer erstaunlicher Befund ergibt sich für Walther in der Tatsache, dass „in

Pflegelehrbüchern […] häufig die Schriftsprache und nicht die gesprochene Sprache

im Vordergrund [steht], obwohl man sich in den Publikationen in der Mehrzahl mit

Gesprächsführungskompetenzen beschäftigt“ (ebd., S. 20).

Bei der Darstellung der Forschungslage im Bereich der mündlichen Kommunikation

werde ich mich auf die Zusammenfassung solcher Arbeiten beschränken, die

einerseits linguistischen Ursprungs sind und andererseits auf empirischen Unter-

suchungen basieren. Eine solche Einschränkung erscheint mir im Hinblick auf die

zentrale Fragestellung dieser Arbeit sinnvoll, da gezeigt werden soll, wie sprachliche

Kompetenzen schon in der allgemeinbildenden Schule angebahnt werden können.

Die auf den Deutschunterricht bezogene didaktische Umsetzung kann meiner

Einschätzung nach am effektivsten und nur dann zielgerichtet erfolgen, wenn sie auf

konkret vorliegenden Korpora und deren Analyse basiert. Davon abgesehen,

erscheint es mir wichtig, linguistische Betrachtungen und Erkenntnisse von

psychologischen Phänomenen und Verhaltensmustern so gut wie möglich

abzugrenzen, um den Fokus tatsächlich auf sprachliche Handlungsmuster legen zu

können.

2.2 Untersuchungen zur mündlichen Kommunikation

2.2.1 Die Gesprächsanalyse als Methode zur Untersuchung gesprochener

Sprache

Will man verbale mündliche Kommunikation unter sprachlichen Gesichtspunkten

wissenschaftlich erforschen, so bedarf es einer Methode, die sich auf die tatsächlich

gesprochene Sprache konzentriert. Der Terminus „gesprochene Sprache“ wird von

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17

Schank und Schwittalla durch mehrere Merkmale definiert: Es handelt sich um

„freies ad-hoc Formulieren ohne detaillierte vorherige Vorbereitung“ und es findet in

einer natürlichen Situation als Face-to-Face-Kommunikation statt, so dass „Zeit und

Ort der Produktion und Rezeption des Sprechens in eins fallen“ (Schank/Schwitalla

1980, S. 314). Außerdem postulieren die Autoren das Fehlen von beobachtenden

Personen, die Einfluss auf das Gespräch nehmen könnten. Dieser Punkt ist in der

gesprächsanalytischen Praxis jedoch kaum auszuschließen, denn es muss ja

irgendjemand (oder irgendetwas) eine Aufzeichnung erstellen. (Es ist mit Rücksicht

auf die Privatsphäre aus rechtlichen Gründen auch nicht möglich, Gespräche ohne

vorherige Information der beteiligten Gesprächspartner ‘geheim’ aufzuzeichnen.)

Außerdem muss die verwendete Methode die Möglichkeit bieten, die

Sprechhandlungen in einer Weise darzustellen, in der sie wiederholt betrachtet

werden können, ohne dass sie sich verändern, was zum Beispiel zu erwarten wäre,

wenn Gespräche nur aus der Erinnerung heraus und im Nachhinein protokolliert

werden. Sie müssen also in einer Art und Weise fixiert werden, dass sie genau so,

wie sie gesprochen wurden, für die Analyse zeitlich unbegrenzt zur Verfügung

stehen.

Dafür steht die Methode der Gesprächsforschung bzw. der Diskursforschung zur

Verfügung. Die Gesprächsforschung arbeitet grundsätzlich mit authentischem

Gesprächsmaterial, das mittels Tonband-, Minidisc- oder Videoaufnahmen in

natürlichen Gesprächssituationen gewonnen wird. Die Gesprächsforschung

unterscheidet sich hierin von psychologischen Methoden, die mit inszenierten

Gesprächen arbeiten oder stattgefundene Gespräche erst im Nachhinein

reflektierend-erinnernd betrachten.

Wenn sprachliche Handlungen im Hinblick auf wiederkehrende Handlungsmuster in

Institutionen untersucht werden sollen, werden viele Aufnahmen in vielen

verschiedenen, aber wiederkehrenden Situationen aufgenommen. So beziehen sich

die Analysen von Sachweh (2000) z. B. auf die tätigkeitsbegleitende Kommunikation

während der Morgenpflege oder die Arbeiten von Weinhold (1997) auf Situationen

wie Begrüßungen bzw. Eröffnungsphasen, Gesprächsbeendigungen und Befindens-

fragen. Walther (2001a) vergleicht dagegen Anamnesegespräche im Rahmen der

stationären Aufnahme.

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18

Um Handlungsmuster identifizieren zu können, ist es notwendig, bestimmte

wiederkehrende Situationen miteinander zu vergleichen, da unterschiedliche

Aktanten zwar unterschiedlich (sprachlich) agieren, sich aber trotzdem unter

Umständen verallgemeinerbare Aussagen über musterhafte Handlungen treffen

lassen. „Die [Gesprächs]analyse geht – bis zum Beweis des Gegenteils - davon aus,

dass Gespräche und Interaktionen zu jedem Zeitpunkt geordnete, d.h. auf der

Grundlage von Regeln produzierte Aktivitäten der Beteiligten sind. Es wird

unterstellt, dass – auch in scheinbar ‘chaotischen’ Sequenzen – Ordnung besteht,

wobei die ordnungsstiftenden Regeln zu explizieren sind“ (Fiehler/Sucharowski

1992, S. 28).

Liegt ein ausreichendes Korpus an Aufnahmen vor, werden diese transkribiert. Es

gibt unterschiedliche Transkriptverfahren5, die je nach Untersuchungsziel ausgewählt

werden können (vgl. Becker-Mrotzek/Brünner 1992, S. 18), gemeinsam ist ihnen

jedoch, dass grundsätzlich alle Äußerungen (auch unverständliche, abgebrochene, in

Dialekt gesprochene usw.) aufgezeichnet werden und zwar in einer Partitur-

schreibweise. Jeder sprechende Gesprächsteilnehmer erhält dabei eine Partiturzeile

(stummen Teilnehmern werden so lange keine Zeilen zugeordnet, bis sie Äußerungen

tätigen), die Partiturzeilen der Sprecher werden mittels einer Klammer als Fläche

markiert. Jede Fläche wird dann wie eine Zeile gelesen. Wie in einer musikalischen

Partitur kann so gesehen werden, welche Sprechhandlungen von welchem Sprecher

produziert werden und wann sie genau stattfinden, ob sie sich überschneiden, ob

Pausen entstehen usw. In vielen Transkripten sind Hinweise zu Intonation,

Stimmhebungen und –senkungen sowie zur Tonlage enthalten. Zusätzlich können

Zeitangaben notiert sein.

Obwohl es extrem zeitaufwändig ist, Transkriptionen zu erstellen – für eine

Gesprächsminute fallen bis zu 120 Minuten Transkriptionsarbeit an (vgl. Becker-

Mrotzek/Brünner 1999, S. 47) – ist das Ergebnis keinesfalls mit einer unbearbeiteten

Tonbandaufnahme zu vergleichen, da nur im Transkript, das „die Flüchtigkeit der

mündlichen Kommunikation systematisch [überwindet]“ (ebd.), das Kommu-

nikationsgeschehen tatsächlich in beliebig langsamer Zeitlupe betrachtet werden

5 Vgl. z. B. Weinholds Ausführungen zur „Halbinterpretativen Arbeitstranskription (HIAT)“, die von Ehlich und Rehbein 1976 entwickelt wurde (Vgl. Weinhold 1997, S. 24) sowie die Beschreibung des „Gesprächsanalytischen Transkriptionssystems (GAT)“ (Linke/Nussbaumer/Portmann 2004, S. 333). Weitere Hinweise gibt auch das Institut für deutsche Sprache auf seiner Homepage (http://www.ids-mannheim.de/). Anmerkungen zur Erstellung von Notationssystemen geben auch Henne/Rehbock 2001, S. 66ff.)

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kann. Alle gleichzeitig ablaufenden Handlungen können sichtbar gemacht werden

und ein Vor- und Zurückspringen ist ohne Probleme möglich. Ebenso können

verschiedene Transkripte direkt miteinander verglichen werden, was bei einer

Tonband- oder Videoaufnahme technisch deutlich schwieriger ist.

Im darauf folgenden Schritt werden die Gespräche interpretiert. Um dies zu

ermöglichen, ist eine möglichst genaue Beschreibung des Gesprächskontextes

wichtig. Durch die Analyse der Gespräche wird auch deutlich, über welches Wissen

die Aktanten einer Institution verfügen, beispielsweise berufliches Wissen. Für die

Analyse institutioneller Kommunikation ist zu beachten, dass die Agenten, also die

Vertreter der Institution, ein größeres Aktantenwissen haben als die Klienten, hier

also die Patienten. Dieses Ungleichgewicht wirkt auf viele Klienten verunsichernd,

was Kommunikationsstörungen hervorrufen kann oder zumindest begünstigt (vgl.

Sachweh 2000, S. 39f.).

Das interpretative Vorgehen in der Gesprächsanalyse folgt einem hermeneutischen

Ansatz. Dabei spielt die Gesprächserfahrung des Untersuchers eine wichtige Rolle,

denn er versetzt sich wechselseitig in die Rolle des Sprechers und des Hörers hinein.

Dadurch sind Fehlinterpretationen nie völlig auszuschließen; die Untersuchungs-

ergebnisse müssen also als wahrscheinliche Interpretationen verstanden werden.

Durch den Vergleich ähnlicher Analysen können Vermutungen gestützt werden;

allerdings liegt für diesen Fall wohl in den meisten Fällen nicht genug Material vor

(vgl. Linke/Nussbaumer/Portmann 2004, S. 311f.).

Im dritten Schritt, den Becker-Mrotzek und Brünner „Mikroanalyse und Kategorien-

entwicklung“ (Becker-Mrotzek/Brünner 1992, S. 18) nennen, werden ausgewählte

Handlungen miteinander verglichen und wiederkehrende und „übergreifende

Ordnungsstrukturen“ herausgearbeitet (Linke/Nussbaumer/Portmann, S. 295). Hat

man diese Strukturen erkannt und benannt, können auch Kommunikationsstörungen

bzw. -schwierigkeiten identifiziert und genau beschrieben werden.

Wenn die Analyse mit dem Ziel erfolgt, kommunikative Kompetenzen zu erkennen

und zu verbessern, kann sich nun eine Suche nach sprachlichen

Handlungsalternativen anschließen. Dies ist ein in vielerlei Hinsicht lohnendes

Unterfangen für den Deutschunterricht (vgl. Kap.3), aber auch der Inhalt linguistisch

orientierter professioneller Kommunikationsberatungen bzw. -trainings.

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20

Abschließend ist zu erwähnen, dass die Gesprächsanalyse eine relativ junge

Teildisziplin der germanistischen Linguistik ist und sich erst seit den 1970er Jahren

wirklich etabliert hat, was nicht zuletzt daran liegt, dass ihre Entstehung erst durch

die technische Entwicklung von Tonbandaufnahmen überhaupt ermöglicht wurde.

Daraus folgt jedoch auch, dass große Anteile der gesprochenen Sprache noch gar

nicht systematisch erforscht wurden, was sich letztlich auch in der recht geringen

Anzahl von linguistischen Publikationen zur institutionellen Kommunikation in

Einrichtungen des Gesundheitswesens zeigt.

Alle Untersuchungen, auf die ich mich im Kapitel über mündliche Kommunikation

beziehe, basieren auf der Analyse von Transkripten.

2.2.2 Ergebnisse von vorliegenden Analysen gesprochener Sprache in

Einrichtungen des Gesundheitswesens

2.2.2.1 Allgemeine Beobachtungen zu Gesprächen in pflegerischen Kontexten

Gespräche zwischen Patienten und Pflegenden im Krankenhaus und im Pflegeheim

sind kurz. Sachweh bezieht sich auf eine Studie von Wells und stellt dar, dass ein

Großteil der Konversation im Krankenhaus (allerdings in England, ca. Ende der

Siebziger Jahre) durchschnittlich nicht länger als 25 Sekunden dauert (vgl. Sachweh

2000, S. 45ff.). Dies dürfte heute in Deutschland zumindest ähnlich sein und liegt vor

allem am Zeitdruck, unter dem das Personal steht, aber auch daran, dass viele

Gespräche stattfinden, während die Pflegenden etwas anderes tun, was Weinhold als

„tätigkeitsbegleitende Kommunikation“ (Weinhold 1997, S. 139ff.) bezeichnet. Bei

längeren Abschnitten pflegerischer Tätigkeiten entstehen naturgemäß

Gesprächspausen. Wenn nach einer längeren Pause wieder gesprochen wird, kann

entweder das vorangegangene Gespräch fortgesetzt werden oder ein neues mit einem

anderen Thema begonnen werden. Ob es sich dann um ein oder um zwei Gespräche

handelt, hängt sowohl von der Interpretation des Untersuchers als auch vom Inhalt

des Gesprochenen ab. (Man könnte in diesem Zusammenhang zur genaueren

Abgrenzung auch von (Gesprächs-)Sequenzen sprechen oder die Kategorien

Gesprächsschritt bzw. Gesprächsakt benutzen6).

Eine Dialogform, die eine deutlich längere Dauer als die oben genannten aufweist, ist

das Erst- oder Anamnesegespräch, das Walther ausführlich untersucht hat. Sie nennt

6 Henne/Rehbock benutzen für den „Prototyp der Äußerungseinheiten“ den Terminus „Gesprächsschritt“ und für den „Prototyp der semantischen Einheiten“ den Terminus „Gesprächsakt“ (Henne/Rehbock 2001, S.247).

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21

eine mittlere Dauer von gut elf Minuten bei Erstgesprächen, die von examinierten

Pflegekräften durchgeführt und über 17 Minuten bei denen, die von Auszubildenden

geführt wurden (Walther 2001a, S. 145 bzw. S. 274).

Die Verteilung der Rollen in Gesprächen in der Patienten-Pflege-Interaktion ist in

mehrfacher Hinsicht asymmetrisch. Sachweh zählt verschiedene Aspekte auf, durch

die die Asymmetrie gekennzeichnet wird (vgl. Sachweh 2006, S. 41ff.), von denen

ich einige herausgreife, die mir für diese Arbeit bedeutsam erscheinen. Als Agenten

der Institution verfügen die Pflegenden als Experten über ein größeres

Aktantenwissen als die Klienten, die medizinische Laien sind. Dies führt, wie bereits

erwähnt, unter Umständen zu einer Verunsicherung der Patienten, die sich aufgrund

des geringeren Wissens fachlich unterlegen fühlen. Der unüberlegte Gebrauch

medizinischer Fachsprache kann dieses Phänomen noch verstärken.

Auch in körperlicher Hinsicht herrscht ein ungleiches Verhältnis: Das Pflegepersonal

ist in aller Regel deutlich jünger als die zu Pflegenden. Während die Patienten sich

vorübergehend oder dauerhaft damit abfinden müssen, einen Teil ihrer

Beweglichkeit verloren zu haben, erfreuen sich die Pflegenden vorwiegend guter

Gesundheit und Mobilität. In vielen Gesprächssituationen stehen die Pflegenden am

Bett oder am Rollstuhl der Patienten und sprechen daher von oben auf diese herab.

Deren Abhängigkeit und Unterlegenheit wird durch diese Anordnung nicht nur

wahrnehmbar, sondern sogar sichtbar gemacht. Insbesondere wenn die Patienten nur

ein Nachthemd tragen oder sogar unbekleidet sind, intensiviert sich die ungleiche

Situation. Die Pfleger besitzen durch ihre Rolle, die ihnen die Institution zuweist, die

Macht, über den Tagesplan und den Ablauf bestimmter Tätigkeiten zu entscheiden,

wodurch die Patienten ihnen in vielerlei Hinsicht ausgeliefert sind. Sie haben keine

oder nur wenig Möglichkeiten der Einflussnahme in Bezug auf die institutionellen

geregelten Abläufe, was sich auch in der Einflussnahme auf sprachliche

Handlungsabläufe zeigt.

Es ist festzuhalten, dass die Gesprächsinitiative meistens vom Pflegepersonal

ausgeht. In vielen Fällen begrüßen sie beim Betreten eines Zimmers die Patienten

und schließen eine Sequenz zu den anstehenden pflegerischen Routinearbeiten an, so

dass der Beginn des Gespräches durch den Gruß (mit oder ohne vorheriges

Anklopfen) gekennzeichnet ist. Da die Pflegenden ein Zimmer fast immer mit der

Absicht betreten etwas Bestimmtes zu tun, ist es verständlich, dass die Patienten,

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22

teilweise nach Erwiderung des Grußes abwarten, was die Pflegekraft von ihnen

möchte.

Im Gegensatz zur Alltagskommunikation, in der das Rederecht prinzipiell nach

jedem „turn“, also nach jedem „Gesprächsschritt oder Gesprächsbeitrag“ (Henne/

Rehbock 2001, S. 2) neu verhandelt werden kann, liegt das Rederecht im Pflege-

bereich offenbar stärker auf der Seite der Pflegekräfte. Quasthoff hat die Verteilung

des Rederechtes in der Arzt-Patienten-Kommunikation geprüft und festgestellt, dass

dort einerseits das Prinzip des primären Sprechers gilt, nach dem in

Erklärungssequenzen das Rederecht beim Sprecher bleibt (und nicht turn-by-turn

wechselt), aber andererseits die Vergabe des Rederechts auch durch die

„Zuständigkeit“ bzw. „Verantwortung“ des Arztes charakterisiert wird (vgl.

Quasthoff 1990). (Sie bezweifelt dabei allerdings, dass das Rederecht des Arztes

primär aus der institutionellen Rollenverteilung resultiert, vielmehr sieht sie seine

Ursache u. a. in der Sachkompetenz und der Zuständigkeit des Arztes. Diese kommt

dadurch zustande, dass der Patient den Arzt zum Zweck der Diagnose und Therapie

konsultiert und ihm damit die Zuständigkeit für seinen Gesundheitszustand

überträgt.) Diese Beobachtungen sind meines Erachtens auch auf die Pflege zu

übertragen, kommen dort aber etwas abgeschwächt zum Vorschein, da die

Pflegenden von den Patienten weniger deutlich als Experten eingestuft werden als

die Ärzte.

Dennoch handelt es sich bei der Verteilung des Rederechts und besonders bei der

Menge der Anteile am Gespräch nicht um feststehende Größen. Diese Faktoren

hängen vielmehr auch von der Art der Gesprächsführung ab. Dass sich das ungleiche

Verhältnis der Gesprächsanteile in Gesprächen mit geschulten Pflegekräften

durchaus zu Gunsten der Patienten verschieben lässt, konnte Walther (2001a)

nachweisen (vgl. Abschnitt 2.2.2.5).

In einigen Veröffentlichungen liegen linguistische Analysen zu speziellen

sprachlichen Handlungssequenzen vor, von denen ich mehrere herausgreifen und

darstellen möchte. Im Wesentlichen beziehe ich mich dabei auf die Arbeiten von

Weinhold (1997), Walther (2001a) und Sachweh (2002).

2.2.2.2 Eröffnungsphasen

Im vorigen Abschnitt wurden im Rahmen der Gesprächsinitiierung die

Eröffnungsphasen kurz erwähnt. Nach Henne/Rehbock wird in Eröffnungsphasen die

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23

„wechselseitig akzeptierte Situationsdefinition“ erreicht (Henne/Rehbock 2001,

S. 166f.). Da in institutionellen Interaktionen die Rollenverteilung weitgehend

zweifelsfrei geklärt ist, fällt die Eröffnung hier zwar oft kurz aus; Gespräche

beginnen und enden aber auch in einem institutionellen Kontext nicht unvermittelt,

sondern haben eine Einleitungs- und meist eine Beendigungsphase.

Weinhold hat die Eröffnungsphasen der ersten Begegnungen zwischen Pflegenden

und Patienten an einem Tag (im Früh- und im Spätdienst) einer detaillierten

Untersuchung unterzogen und kann hier typische sprachliche Muster aufzeigen. Sie

beschreibt 6 Typen (vgl. Weinhold 1997, S. 48f.), die sich dadurch unterscheiden, ob

es eine Grußformel gibt oder nicht und ob es beim Übergang zur „Sequenz zu

Routinearbeiten“ noch eine „Einleitungssequenz“ und/oder eine „fachinterne

Sequenz“ gibt (gemeint ist ein Gespräch Pflegender untereinander). Auffällig ist,

dass die Pflegenden in ihren Grußformeln variieren, während die Patienten eher

monotone Formeln verwenden oder aber den Gruß überhaupt nicht erwidern. Dies ist

in der Alltagskommunikation völlig unüblich, da der Gruß normalerweise den

Gegengruß als ritualisierte Formel nach sich zieht. Dies wird vom Grüßenden dem

Gegrüßten gegenüber erwartet, wenn es nicht zu Beziehungsstörungen kommen soll.

Weinhold interpretiert den fehlenden Gegengruß in der Weise, dass es in der

Institution Krankenhaus offenbar Situationen gibt, in denen alltägliche

Höflichkeitsformeln außer Kraft gesetzt sind. Eine andere Erklärung könnte sein,

dass manche Patienten körperlich oder geistig nicht in der Lage sind, auf den Gruß

angemessen zu reagieren (vgl. ebd., S. 52f.). Trotz dieses Normverstoßes fahren die

Pflegenden in höflicher Weise mit dem Gespräch fort; sie haben sich also in gewisser

Weise an das Fehlen eines Gegengrußes oder das Vorhandensein monotoner

Grußformeln gewöhnt bzw. messen der Art der Grußerwiderung keine

schwerwiegende Bedeutung auf der Beziehungsebene bei.

Beim Grüßen selbst ist hervorzuheben, dass die Pflegenden manchmal die

Grußformel mit einer namentlichen Anrede der Patienten kombinieren, was die

Patienten nur sehr selten tun. Für die Pflegekräfte ist der Name der Patienten ein

elementares Merkmal zur Unterscheidung, das Personal darf seine Schutzbefohlenen

natürlich unter keinen Umständen verwechseln, da dies fatale Auswirkungen sowohl

auf der medizinisch-fachlichen wie auch auf der Beziehungsebene haben könnte. Die

Nennung des Namens der Patienten bedeutet für diese eine Wertschätzung ihrer

Person, wodurch die Beziehungsebene positiv beeinflusst wird.

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24

Die Pflegenden erfahren den Namen ihrer Patienten entweder in der Übergabe oder

durch die Akte oder Aufkleber am Krankenbett, die Patienten setzen jedenfalls

voraus, dass ihr Name der zuständigen Pflegekraft bekannt ist (vgl. Walther 2001a,

S. 116). Andersherum ist der Name einer Pflegekraft schwieriger zu erfahren.

Abgesehen von einer persönlichen Vorstellung ist er normalerweise dem (oft

kleinen) Schild auf deren Berufskittel zu entnehmen oder findet sich auf einer

Informationstafel auf dem Stationsflur (nicht immer aktuell). Er ist möglicherweise

aus der Sicht der Patienten nicht allzu bedeutsam, da ja alle Kollegen die Aufgaben

der Institution ausführen und in gewisser Weise austauschbar erscheinen, vor allem,

was die Ausführung der pflegerischen Tätigkeiten anbelangt. Auf der

Beziehungsebene stellt sich dieses freilich anders dar, da hier persönliche

Sympathien, individuelle Umgangsformen usw. eine größere Rolle spielen. Es ist

erstaunlich, wie oft Patienten die Namen der betreuenden Pflegekräfte gar nicht

kennen und daher den Namen im Gegengruß auch gar nicht verwenden könnten,

selbst wenn sie es wollten.

Auch Weinhold stellt fest, dass das im Alltag gebräuchliche gegenseitige Vorstellen

im Krankenhaus nicht praktiziert wird und das Fehlen somit ein Kennzeichen des

institutionellen Sprachgebrauches ist (vgl. Weinhold 1997, S. 179). (In Pflegeheimen

scheint sich der Sprachgebrauch in Bezug auf die namentliche Anrede und das

Grüßen eher an der Alltagskommunkation zu orientieren, was wahrscheinlich daran

liegt, dass die Bewohner sich ja tatsächlich im ‘Alltag’ befinden und die betreuenden

Pflegekräfte schon lange kennen (vgl. Sachweh 2002, S. 117f.)).

Im folgenden Beispiel aus einem Krankenhaus fehlen sowohl der Gegengruß als

auch die namentliche Anrede der Krankenschwester durch den Patienten, ohne dass

dies Auswirkungen auf den weiteren Gesprächsverlauf hätte.

Abb. 1: Beispiel einer Eröffnungsphase im Frühdienst (Weinhold 1997, S. 214)

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2.2.2.3 Gesprächsbeendigungen

Im Gegensatz zu den Eröffnungsphasen konnte Weinhold keine ganz eindeutigen

Muster bei den Beendigungen feststellen. Dennoch gibt es spezifische Inhalte, die

relativ häufig vorkommen und damit diese Gesprächsform konstituieren. Eine

Gesprächsbeendigung im Pflegebereich geht nahezu immer mit dem Verlassen des

Zimmers durch die Pflegekraft einher. Eine Verabschiedung findet jedoch nur in

wenigen Fällen statt, wobei oftmals auch nicht eindeutig feststeht, ob sich die

Gesprächspartner an diesem Tag noch einmal sehen werden. Stattdessen werden

Formulierungen wie „Bis später“, „Bis später dann“ oder „Also bis später“ vor allem

dann benutzt, wenn ein Wiedersehen in absehbarer Zeit zu erwarten ist.

Die alltagstypische Verabschiedungsformel „Auf Wiedersehen“ wird weder von

Walther (vgl. Walther 2001a, S. 129) noch von Weinhold (vgl. Weinhold 1997, S.

78ff.) genannt. Häufig stellen die Pflegenden auch abschließende Fragen, die den

Patienten ermöglichen, noch etwas zu sagen. Durch solch eine Frage räumt die

Pflegekraft dem Patienten ganz eindeutig das Rederecht ein. Diese könnten dann

noch ein Anliegen vorbringen, sich bedanken, ihre (Un-)Zufriedenheit ausdrücken

usw. Walther hebt hervor, dass die Patienten durch eine abschließende Frage einen

Hinweis darauf erhalten, dass das Gespräch sich dem Ende nähert, was aufgrund der

asymmetrischen Kommunikationssituation und des unterschiedlichen Wissens über

die Kommunikationssituation wichtig sei.

Trotz der Erteilung des Rederechts an den Patienten geht die Initiative zur

Gesprächsbeendigung also vom Personal aus (vgl. Walther 2001a, S. 125). Sowohl

ein Hinweis auf baldige Rückkehr als auch die abschließende Frage werden von

Weinhold als Zeichen dafür gewertet, dass das Personal trotz des Gesprächsendes

seine weiterhin bestehende Verfügbarkeit für die Patienten hervorheben möchte. Den

gleichen Zweck erfüllen Hinweise auf die Möglichkeit, bei Bedarf von der

Patientenklingel Gebrauch zu machen. Die häufigsten letzten Worte bei

Beendigungen im Spätdienst sind „Gute Nacht“ und „Bis morgen“, während der

Schlaf nur sehr selten thematisiert wird und eine Formel wie „Schlafen Se gut“ im

gesamten Korpus nur einmal vorkommt (vgl. Weinhold 1997, S. 71ff.).

In ihrer Analyse pflegerischer Erstgespräche beschreibt Walther auch Störungen in

den Gesprächsbeendigungen. Diese können entstehen, wenn der Patient die Hinweise

auf die Beendigung nicht versteht oder nicht aufnimmt, wenn er im vorangegangenen

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26

Gespräch übergangen wurde oder wenn keine abschließenden Fragen gestellt werden

(vgl. Walther 2001a, S. 138).

2.2.2.4 Befindensfragen

Eine betrachtenswerte Art von Sprachhandlungen im Pflegebereich sind die

Befindensfragen. An diesem Beispiel wird besonders gut deutlich, warum

Pflegekräfte sprachliche Handlungen durchaus als Teil ihrer Tätigkeit begreifen

sollten. Die Frage nach dem Befinden des Patienten stellt ganz eindeutig eine

sprachliche pflegerische Aufgabe dar, weil es die Pflicht der Pflegenden ist, sich über

den aktuellen Gesundheitszustand der Patienten zu informieren. Die Antwort auf eine

Befindensfrage beinhaltet in der Regel eine „somatisch-physiologische“ (Weinhold

1997, S. 87) Information; zumindest wird diese in der Institution Krankenhaus

erwartet.

Ganz anders verhält es sich dagegen im Alltag. Nach einer Grußformel schließt sich

in der Alltagskommunikation oft eine Befindensfrage an, die jedoch nicht den

gleichen Zweck verfolgt wie ihr Pendant in der institutionellen Kommunikation. Im

Alltag dient die Frage eher dem Beziehungsaufbau und es wird eine Antwort

erwartet, die die Emotionen des Gesprächspartners thematisiert. Sie hat dann nicht

unbedingt die Funktion einer echten Frage. Die Befindensfrage hat im alltäglichen

Kontext eine stark rituelle Komponente, die deswegen auch zu einer rituellen

Antwort führen kann. Wenn die Befindensfrage im Pflegekontext wirklich mit dem

Ziel gestellt wird, etwas über den aktuellen körperlichen Zustand zu erfahren, kann

eine ritualisiert oder emotional orientierte Antwort seitens des Personals als störend

oder unpassend aufgefasst werden, weil sie nicht zur Erreichung des angestrebten

Ziels führt. Psychisch-emotionale Antworten werden vom Personal weniger erwartet,

es sei denn, es handelt sich um eine Einrichtung für psychiatrische Erkrankungen.

Fiehler stellt (im Zusammenhang ärztlicher Interaktion) fest:

[Die gesellschaftliche Institution Medizin] beschränkt sich entweder auf die somatische oder auf die psychische Seite des Leidens. […] Der Zweck der Institution Medizin besteht in der Heilung von Krankheit, ohne – was für die alltagsweltliche Interaktion zentral ist – ein individuelles Interesse und Anteilnahme an der Person und ihrem (Wohl-)Ergehen. (Fiehler 1990, S. 48) Dieser Äußerung von Fiehler würden zwar viele Pflegekräfte empört widersprechen,

da dem Berufsverständnis schon seit mindestens zwei Jahrzehnten eine ganzheitlich

orientierte Pflege zugrunde liegt, die physische und psychische Komponenten sowie

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27

das persönliche Wohlergehen des Patienten einschließt (vgl. z. B. Geißner 2004a,

S. 5f.). Dennoch kommt es im Berufsalltag im Zusammenhang mit Befindensfragen

zu Kommunikationsstörungen, weil institutionelle Sprachhandlungen nicht von

alltäglich-ritualisierten unterschieden werden. Weinhold stellt aber fest, dass es zu

deutlich weniger Missverständnissen kommt, wenn Pflegende nicht allgemeine,

sondern konkrete inhaltliche Fragen stellen. Diese beziehen sich direkt auf

bestehende Probleme des Patienten und werden daher von diesen in der Regel auch

so verstanden und beantwortet (vgl. Weinhold 1997, S. 95). Das folgende Beispiel

zeigt, dass die Patientin Pw3 (übrigens ohne Gegengruß – s. o.) zunächst eher

alltagstypisch rituell mit „Na ja.“ auf die Befindensfrage „Na wie isses mit Ihnen?“

reagiert und erst auf die Nachfrage der Schwester Sw1 ihre Antwort konkretisiert.

Abb. 2: Beispiel einer Befindensfrage (Weinhold 1997, S. 213)

2.2.2.5 Pflegerische Erstgespräche

Während in den voran stehenden Abschnitten kurze musterhafte

Gesprächssequenzen beleuchtet wurden, sollten auch längere Gespräche zwischen

Pflegenden und Patienten berücksichtigt werden. Durch die Analyse längerer

Abschnitte oder vollständiger Gespräche können eher Aussagen zu Inhalten, zur

Themenverteilung und zu speziellen Strategien getroffen werden als es bei der

Analyse kurzer Sequenzen möglich ist. Zur Darstellung beziehe ich mich im

Folgenden auf die Publikation von Walther (2001a). Sie hat pflegerische

Erstgespräche untersucht, die sowohl von examiniertem Krankenpflegepersonal als

auch von Auszubildenden geführt worden sind.

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Pflegerische Erstgespräche nehmen im Pflegealltag insofern einen Sonderstatus ein,

als dass sie selbst die pflegerische Handlung darstellen und nicht in die große Gruppe

der handlungsbegleitenden Kommunikation fallen (vgl. ebd., S. 16). Der

Hauptzweck der Erstgespräche besteht darin, etwas über die mit seiner Erkrankung

in Zusammenhang stehenden Probleme des Patienten zu erfahren. Pflegende erheben

mittels dieser Gesprächsform also pflegerelevante Befunde, werten diese aus und

setzen sie in pflegerische Maßnahmen um. Je besser die Gesprächskompetenz der

Pflegekräfte ist, umso mehr relevante Daten werden sie herausfinden und umso

besser kann die Pflege individuell angepasst werden.

Ein weiteres wichtiges Ziel des Erstgespräches ist der Aufbau einer persönlichen

Beziehung zum Patienten, die den Genesungsprozess unterstützen soll (vgl. ebd.,

S.31f.). Gleichzeitig wird angestrebt, dass sich die Pflegekraft ein möglichst

umfassendes Bild über die Gesamtsituation des Kranken machen kann, was sowohl

psychische wie auch soziale Faktoren einschließt. Der Aufbau einer emotionalen

Beziehung ist ein wesentlicher Grund, weswegen sich Walther für den Begriff des

Erstgespräches ausspricht (vgl. ebd., S. 35ff.), obwohl dieser Terminus in der

Literatur nicht einheitlich benutzt wird; es besteht offenbar Uneinigkeit darüber, ob

es sich bei dieser Sprachhandlung um ein Gespräch handelt oder eher um ein

Interview. Der Hauptunterschied liegt darin, dass das Interview eine Befragung ist,

bei der die Rollen in die des Fragenden und die des Antwortenden aufgeteilt sind,

während sich ein Gespräch durch das Wechselspiel zwischen Sprecher und Hörer

auszeichnet, wobei beide Gesprächspartner beide Rollen im Wechsel übernehmen

und im Rahmen des Sprecherwechsels tauschen (vgl. Kap. 3.3.2).

Walther unterzieht die Transkriptionen pflegerischer Erstgespräche einer

umfangreichen Analyse nach vielfältigen Kriterien, von denen ich hier diejenigen

herausgreifen möchte, die in den vorangegangenen Abschnitten noch nicht erwähnt

wurden und die mir im Hinblick auf ihren Bezug zum Deutschunterricht bedeutsam

erscheinen.

Da Pflegekräfte gesetzlich zur Dokumentation ihrer Tätigkeiten verpflichtet sind,

müssen sie auch die im Erstgespräch erhaltenen Informationen schriftlich fixieren.

Dazu gibt es in der Regel einen Anamnesebogen, der die zu erfragenden Inhalte

weitgehend vorschreibt. Gelegentlich ist dieser in den Bogen zur Pflegeplanung

integriert, was vermutlich den anfallenden Schreibaufwand reduzieren soll (vgl.

Abb.3, S. 50, Spalte „Infosammlung“). Oft enthält er aber zu einzelnen Stichpunkten

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29

Zeilen, in die die Pflegenden ihre Notizen als Freitext eintragen können. In jedem

Fall soll die physische, die psychische und die soziale Situation erfasst werden, da

davon ausgegangen wird, „dass die körperliche Erkrankung Einfluss auf andere

Lebensbereiche oder ‘Lebensaktivitäten’ nehmen kann“ (Walther 2001a, S. 37).

Der Hinweis auf die schriftliche Dokumentation an dieser Stelle hat zwei Gründe:

Erstens darf nicht unerwähnt bleiben, dass es eine sehr komplexe Handlung darstellt,

ein Gespräch zu führen und die Gesprächsergebnisse gleichzeitig nebenher zu

fixieren. Sprechen, hören, formulieren, schreiben, bewerten und einiges mehr müssen

gleichzeitig ablaufen, was eine hohe Konzentration erfordert und die Gefahr birgt,

dass entscheidende Fakten, Handlungen oder Informationen vergessen oder

übersehen werden. Dass die Qualität der Gesprächsführung unter der hohen

Komplexität leiden kann, ist gut vorstellbar.

Zweitens kann der vorgegebene Formbogen sehr unterschiedlich eingesetzt werden.

Im günstigeren Fall wird er von den Pflegenden als Gesprächsleitfaden oder

Gesprächsstütze genutzt, wie es auch in der einschlägigen Pflegeliteratur

vorgeschlagen wird: „Fragebögen sind Leitfäden. Sich informieren lassen ist ein

kommunikativer Prozess, in dem die interessierte Aufmerksamkeit des Fragenden

dem Patienten hilft, die für ihn schwierigen Informationen preiszugeben“ (Geißner

2004b, S. 413). Das besprochene Thema weist dann zwar inhaltliche

Übereinstimmung mit dem Anamnesebogen auf, er dient aber nicht dazu,

Formulierungen des Bogens wörtlich ins Gespräch zu übernehmen. Letzteres

geschieht aber, wenn Pflegende sich sehr stark am Anamnesebogen orientieren und

ihn als Checkliste verstehen, nach der die Patienten befragt werden. Dieser

grundlegende Unterschied im Umgang mit dem Formbogen hat erhebliche

Auswirkungen auf das Gesprächsverhalten. Je enger sich die Pflegenden am

Formular orientieren, desto stärker liegt die Initiierung eines neuen Themas zu über

90% bei ihnen, d. h., sie bestimmen fast immer, worüber als nächstes geredet wird

(vgl. Walther 2001a, S. 140, 148, 175). Die starke Bindung an den Anamnesebogen

birgt somit die Gefahr eines scheinbar zusammenhanglosen Abfragens verschiedener

Themenbereiche. Den Pflegenden gelingt es vielfach nicht, die Themen so

miteinander in Verbindung zu bringen und zu verknüpfen, dass ein fortlaufendes

Gespräch entsteht, dessen Sinn für den Patienten nachvollziehbar ist.

Im Folgenden ein Beispiel aus einem Erstgespräch (KS: Krankenschwester, P:

Patient):

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KS: Sind irgendwelche Allergien bekannt? P: Nein. KS: Penicillinallergie oder auf irgendwelche Antibiotika [oder so was?] P: [Nich dass ich] wüsste. KS: Keine bekannt. Und Sie leben zu Hause mit Ihrer Ehefrau in einer gemeinsamen Wohnung, [ja?] ((2 Sek.)) P: [Hm.] KS: Und was sind Sie von Beruf? (Walther 2001a, S. 220, die Transkriptzeichen stammen von der Verfasserin)

Die Themenwechsel werden nur selten durch eine inhaltliche oder grammatische

Verknüpfung hergestellt, häufig sind hingegen Gliederungs- oder Abschlusssignale

wie „gut“ oder „o.k.“ (vgl. ebd. S. 220). Außerdem führt eine starre (oder sogar

wörtliche) Orientierung an den Vorgaben leicht zu geschlossenen Fragen, die von

den Patienten entsprechend knapp beantwortet werden; zwei Drittel der

Patientenantworten sind Kurzantworten bzw. werden nur mit einem Wort

beantwortet (vgl. ebd., S. 183). Die Folge in Bezug auf die ungleiche Verteilung der

Redeanteile ist offensichtlich. Durch die Abfolge von geschlossener Frage,

Kurzantwort und Themenwechsel wird das Gespräch immer wieder unterbrochen,

bzw. die Entstehung eines Gespräches im eigentlichen Sinne wird von vorneherein

behindert. Walther stellt fest, dass „die vorliegende Form der Interaktion in hohem

Maße dadurch gekennzeichnet ist, dass sie laufend beendet wird“ (ebd., S. 222). Sie

schlussfolgert, dass es sich bei den von ihr analysierten Sprachhandlungen

überwiegend um Interviews und nicht um Gespräche handelt (ebd., S. 248).

Patientenorientierte Gespräche kommen hingegen eher zustande, wenn verschiedene

Strategien bei der Gesprächsführung berücksichtigt werden. Besonders wenn

verschiedene gesprächsfördernde Signale in günstiger Weise zusammen spielen,

werden die Patienten zum ausführlicheren Sprechen angeregt, die Themen werden

dann freier entfaltet und ausgeführt. Als Möglichkeiten hierfür bieten sich

Hörersignale, explizite Aufforderungen zum Erzählen, positive Rückmeldungen,

Verständnis, offene Fragen usw. an. Das Gespräch wird nicht ständig unterbrochen,

wenn verschiedene Themen geschickt miteinander verknüpft werden, wie das

folgende Beispiel zeigt:

P: Nee, ich bin doch jetzt ((lächelt)) jetzt im Dezember, eh, jetzt, sechzich Jahr verheirat! KS: Ohh, das is ja toll! P: Am ersten Dezember. KS: Is ja toll! · Ihre Frau ist auch mitgekommen? Hat Sie begleitet?

(Walther 2001a, S. 221)

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Wenn Gesprächspausen nicht nur entstehen, weil Informationen notiert werden,

können sich diese ebenfalls positiv auswirken, weil die Gesprächspartner dadurch

Zeit zum Nachdenken erhalten. Walther betont außerdem die Wichtigkeit der

genauen Kenntnis des Gesprächszweckes (aus der Sicht beider Gesprächspartner!),

um die gewünschte Patientenorientierung erfolgreich umsetzen zu können. Nur wenn

dem Patienten der Sinn des Erstgespräches klar ist, kann er sich wirklich auf dieses

ernsthaft einlassen (vgl. ebd., S. 124, 330).

Dass gezielte Schulungen bei der Erlangung von Kompetenzen für diese Art von

Gesprächen ausgesprochen positive Auswirkungen haben können, zeigt Walther in

ihrer Arbeit, indem sie die Gespräche von examinierten Krankenpflegern denen von

Auszubildenden gegenüberstellt, die zuvor einen gezielten Unterricht erhalten hatten,

der sie auf das Führen von pflegerischen Erstgesprächen vorbereitet hat.

2.2.2.6 Das Sprachverhalten alter und junger Menschen

In den bisher zitierten Arbeiten wird das Sprachverhalten alter und junger Menschen

nicht im Detail thematisiert oder analysiert, wahrscheinlich weil dies genügend

Material für etliche weitere, v. a. soziolinguistische Untersuchungen bergen würde.

Da meine Arbeit sich jedoch mit den didaktischen Möglichkeiten des

Deutschunterrichtes zur Förderung berufsbezogener Sprachkompetenzen beschäftigt,

erscheint es mir wichtig, zumindest einen kurzen Blick auf den Sprachgebrauch alter

und junger Menschen zu werfen.

Die Kommunikation in Kranken- und Pflegeeinrichtungen wird nicht nur durch

institutionelle Merkmale charakterisiert, sondern auch durch gesellschaftliche

Faktoren, Rollenverhalten und Einschätzungen der Generationen zueinander –

inklusive aller denkbaren Stereotype und Vorurteile. Ein Großteil der im

Krankenhaus betreuten Patienten und fast alle Bewohner von Pflegeheimen sind alte

oder zumindest ältere Menschen. Sie besitzen einen reichen Schatz an

Lebenserfahrung, haben verschiedene Zeiten und Epochen (und politische Systeme)

erlebt und haben im Laufe ihres Lebens Wertvorstellungen und Normen entwickelt,

die ihr Kommunikationsverhalten beeinflussen. In Einrichtungen des

Gesundheitswesens treffen sie auf deutlich jüngere Menschen, die sich um sie

kümmern und für sie verantwortlich sind. Im Deutschunterricht haben wir es mit

noch jüngeren Menschen zu tun, deren Leben sich von dem der älteren Menschen in

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hohem Maße unterscheidet. Die Sprache ist dabei nur ein Merkmal unter vielen

anderen. Linke/Nussbaumer/Portmann beschreiben, dass

„die Angehörigen einer bestimmten Altersgruppe aufgrund der für die verschiedenen Lebensalter konstitutiven Erfahrungs- und Handlungswelten auch ein entsprechend ähnliches Sprachverhalten an den Tag legen. Damit ist nicht gemeint, dass z.B. ältere Menschen eben noch über einzelne ‘altmodische’ Ausdrücke bzw. über einzelne Wortschatzbereiche verfügen, die den jüngeren Generationen nur noch passiv oder überhaupt nicht mehr zur Verfügung stehen. Gemeint ist vielmehr, dass es so etwas wie ‘altersspezifische Sprachwelten’ geben muss“ (Linke/Nussbaumer/Portmann 2004, S. 354). Jugendsprache kann mit Hilfe vieler verschiedener Merkmale beschrieben werden.

Dazu gehören z.B. Verstärkungspartikeln wie „echt“, „total“, Anglizismen („cool“,

„Hi!“), Partikeln wie „irgendwie“ usw. (vgl. ebd., S.354ff.). Es erscheint mir wichtig,

hier (in stark verkürzter Form!) darauf hinzuweisen, dass es durch den

Sprachgebrauch zu Unverständlichkeiten, befremdlichen Gefühlen und Irritationen

kommen kann, wenn Jugendliche und alte Menschen miteinander kommunizieren. Es

sind überwiegend negative Stereotype und Klischees, die die Kommunikation mit

älteren Menschen zu belasten drohen (vgl. Sachweh 2000, S. 28ff.). Andererseits ist

nicht außer Acht zu lassen, dass es nicht zwangsläufig zu Kommunikationsstörungen

kommen muss, wenn junge und alte Menschen aufeinander treffen; die Sprechenden

selbst beeinflussen durch ihren Sprachgebrauch die Gesprächssituation und

definieren durch ihr sprachliches Handeln in der entsprechenden Situation die

sozialen Variablen immer wieder neu (vgl. Linke/Nussbaumer/Portmann 2004, S.

367).

Abschließend sei nochmals erwähnt, dass die beschriebenen Kategorien und

Phänomene lediglich eine Auswahl darstellen. Es gäbe noch etliche weitere

Sprachhandlungen zwischen Patienten und Pflegepersonal, die es sich darzustellen

lohnte, dafür sei aber an dieser Stelle nochmals auf die Publikationen von Walther

(2001a), Weinhold (1997) und Sachweh (2000) verwiesen, deren Analysen

mündlicher Kommunikation viele weitere Aspekte umfassen.

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3 Förderung ausbildungsbezogener Kompetenzen im

Deutschunterricht für den mündlichen Sprachgebrauch

3.1 Auswertung der Ergebnisse und Erwartungshorizont:

Welche Fähigkeiten müssten Schüler im Hinblick auf die

Ausbildung in Pflegeberufen erlangen?

Es besteht offenbar Einigkeit darüber, dass während der Schulzeit Kompetenzen zur

Gesprächsfähigkeit erworben werden sollen. Der Bildungsplan Hauptschule für

Baden-Württemberg postuliert, dass „der Deutschunterricht in der Hauptschule […]

die Anbahnung und Entwicklung sprachlicher Kompetenzen zum Ziel [hat], die zur

eigenverantwortlichen Bewältigung der Anforderungen von Schule, Alltag,

Gesellschaft und Arbeitswelt befähigen“ (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport

2004, S. 54). Nur teilweise wird allerdings konkretisiert, wie diese Kompetenzen

genau aussehen sollen.

Zunächst lassen sich – sehr pauschal – die Bereiche Sprechen, Schreiben und Lesen

benennen. Meines Erachtens müsste beim Lernbereich „Sprechen“ auch noch der

Lernbereich „Hören“ genannt werden, der zur Entwicklung von Gesprächsfähigkeit

ja ebenfalls konstitutiv ist. Als weitere Säule kommt die Reflexion über Sprache

hinzu, was in unserem Fall nicht (nur) den traditionellen Grammatikunterricht

meinen sollte, sondern die Auseinandersetzung mit gesprochener und geschriebener

Sprache überhaupt, also auch im Hinblick auf semantische und pragmatische

Phänomene sowie auf verschiedene Sprechsituationen.

Der Bildungsplan für den Deutschunterricht in der Grundschule und in der

Sekundarstufe 1 thematisiert die mündliche Kommunikation in verschiedenen

Zusammenhängen. Im ersten Abschnitt des folgenden Kapitels werden die

wichtigsten Inhalte vorgestellt.

Danach soll aufgezeigt werden, welche konkreten Fähigkeiten Schülern im

Deutschunterricht vermittelt werden können; dieser Schritt entspricht im weiteren

Sinne einer didaktischen Analyse. Hier orientiere ich mich an der Didaktik Wolfgang

Klafkis, der fordert, die Unterrichtsinhalte im Hinblick auf die Gegenwarts- und

Zukunftsbedeutung für die Schüler, auf ihre Exemplarität und auf ihren

Bildungsgehalt hin zu überprüfen (vgl. z. B. Gudjons 2003, S. 235f).

Neben der Vermittlung von Fähigkeiten und Fertigkeiten dürfen daher meines

Erachtens auch schülergerecht aufbereitete fachlichwissenschaftliche Grundlagen im

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Bereich der Gesprächsanalyse nicht fehlen. Um das Lernziel Gesprächsfähigkeit

erreichen zu können, müssen die Lernenden grundlegende Kategorien von

Gesprächen kennen, die im zweiten Abschnitt als „allgemeine Gesprächs-

kompetenzen“ bezeichnet werden.

Aus den in Kapitel 2.2.2 beschriebenen Sprachsituationen ergeben sich zusätzlich

Hinweise auf spezielle Kompetenzen, die Pflegenden das effektive mündliche

Kommunizieren erleichtern bzw. ermöglichen. Viele dieser Kompetenzen können

und müssen bereits in den allgemeinbildenden Schulen (und nicht erst in

Berufsschulen) angebahnt und gefördert werden, weil sie in diversen Situationen des

alltäglichen und beruflichen Lebens nötig sind. Es ist an dieser Stelle nochmals

hervorzuheben, dass die Krankenpflege hier als Exempel dient, an dem sich

sprachliche Phänomene beobachten lassen. In anderen Berufsfeldern mögen die

Schwerpunkte vielleicht etwas anders geartet sein, gewisse Regelmäßigkeiten von

institutioneller Kommunikation und allgemeinem Sprachverhalten sind aber

durchaus übertragbar.

Man kann davon ausgehen, dass eine berufsbezogene Sprachkompetenz demnach

auch positive Auswirkungen auf sprachliches Handeln im Alltag hat.

3.2 Vorgaben des Bildungsplanes

Der Bildungsplan für das Fach Deutsch an baden-württembergischen Grund- und

Hauptschulen orientiert sich vom Aufbau her zum einen an den zwei Großbereichen

der Deutschdidaktik (Sprachunterricht und Literaturunterricht), zum anderen an

einem kontinuierlich fortschreitenden Zuwachs der Kompetenzen der Schüler. Für

die Klassenstufen 2, 4, 6 und 9 gibt es genaue Vorgaben bezüglich der zu

erwerbenden Kompetenzen und der zu vermittelnden Inhalte. Diese werden anhand

von vier Lernbereichen dargestellt: „Sprechen“, „Schreiben“, „Lesen / Umgang mit

Texten und Medien“ und „Sprachbewusstsein entwickeln“, wobei der erste und der

letzte traditionell dem Sprachunterricht zuzuordnen sind, während „Schreiben“ und

„Lesen / Umgang mit Texten und Medien“ ihren Schwerpunkt im Literaturunterricht

haben. Dennoch wird betont, dass die vier Arbeitsbereiche „nur aus Gründen der

Übersichtlichkeit getrennt aufgeführt [werden]. Deutschunterricht ist prinzipiell

integrierter Unterricht, die Arbeitsbereiche beziehen sich funktional aufeinander“

(Bildungsplan Hauptschule, S. 55).

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Besonders für die Förderung von berufsbezogenen Sprachkompetenzen erscheint

dieser ganzheitliche Ansatz wichtig, da alle Bereiche für die Entwicklung der nötigen

Fähigkeiten von Bedeutung sind. Einzelne Kompetenzen müssen vernetzt werden,

damit sie in komplexeren Handlungszusammenhängen gemeinsam eingesetzt werden

können (vgl. Berkemeier 2006, S. 172). Berkemeier schlägt daher vor, einzelne

„Kernkompetenzen“ auch schon im Unterricht vernetzt zu vermitteln und

anzuwenden.

Zunächst werde ich die Vorgaben des Bildungsplanes darstellen, die sich direkt auf

die Vermittlung von kommunikativen Kompetenzen beziehen. Der Frage, ob es

darüber hinaus noch weitere Lernbereiche gibt, die dem Aufbau dieser Kompetenzen

indirekt dienen könnten, wird im Kapitel 4.2 nachgegangen.

Bereits in den Vorgaben im Arbeitsbereich „Sprechen“ für Klasse 2 wird erwartet,

dass Schüler themenbezogen und frei sprechend von Erlebnissen erzählen können.

Dabei sprechen sie verständlich und können anderen Personen zuhören. Sie sollen

erste Gesprächsregeln kennen und sich an diese halten. Für Klasse 4 wird dieser

Anspruch um die Fähigkeit erweitert, das Erzählen partner- und situationsbezogen zu

gestalten. Zusätzlich sollen sie „über das Gelingen von Kommunikation nachdenken

und Konsequenzen daraus ziehen“ können (Bildungsplan Grundschule, S. 50), dies

bedeutet meines Erachtens, dass sie auch über Kommunikation sprechen müssen

(wie könnte sonst das „Nachdenken“ gewährleistet werden?) und somit schon eine

Meta-Ebene erreichen. Implizites Wissen wird auf diese Weise bewusst gemacht,

reflektiert und kann schließlich mit explizitem Wissen verknüpft werden.

Es wird erwartet, dass die Schüler Spielszenen entwickeln und gestalten können, was

bedeutet, dass sie fremde Rollen übernehmen und in diesen übernommenen Rollen

sprechen und agieren müssen. Die Rollenübernahme kann dann gut gelingen, wenn

die Perspektive der Rolle übernommen werden kann, eine Fähigkeit, die die Kinder

erst erlernen müssen.

Die Arbeit am Wortschatz wird dem Arbeitsbereich „Sprachbewusstsein entwickeln“

zugeordnet. Die Schüler sollen Wörter sammeln und sortieren können (Klasse 2),

bzw. in Klasse 4 „Wörter nach grammatischen und semantischen Kriterien sammeln,

ordnen, gliedern“ (S. 52), was auch das Zusammenstellen von Wortfeldern

beinhaltet. Ansonsten beschränkt sich dieser Arbeitsbereich zumeist auf die

traditionellen Vorstellungen von Grammatik, also Verfahren zur Veränderung von

Sätzen zu erproben sowie die linguistische Terminologie kennen zu lernen (Vokal,

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Konsonant, Alphabet, Silbe usw.). Auffallend ist meines Erachtens, dass sich das

Nachdenken über Sprache in diesem Arbeitsbereich vor allem auf die Schriftsprache

beziehen soll (vgl. S. 52); das Sprechen über gesprochene Sprache findet sich also

nur indirekt (s. o.)!

Für den Bereich der Hauptschule wird in den Leitgedanken zum Kompetenzerwerb

festgestellt, dass der Deutschunterricht „die Anbahnung und Entwicklung

sprachlicher Kompetenzen zum Ziel [hat], die zur eigenverantwortlichen

Bewältigung der Anforderungen von Schule, Alltag, Gesellschaft und Arbeitswelt

befähigen“ (Bildungsplan Hauptschule, S. 54). In den übergeordneten Erklärungen

zu den Kompetenzen findet sich hier eine Beschreibung, was unter Sprech- und

Gesprächskompetenz zu verstehen sei, nämlich „zunächst die Fähigkeit, anderen

zuzuhören, sie zu verstehen und Aussagen in eigene Wissenshorizonte einzubinden

[…] Die Auswahl angemessener sprachlicher Antworten und deren verständliche

Formulierung schließen sich an“ (S. 55). Die Schüler sollen sprachliche Mittel und

ihre Bedeutung kennen und sie der Situation angemessen einsetzen können. Die

Wirkung sprachlicher Mittel soll reflektiert und das Sprachverhalten entsprechend

angepasst werden.

Konkret werden für Klasse 6 die Beherrschung höflicher Umgangsformeln wie z. B.

Gruß und Vorstellung sowie das Beachten von Gesprächsregeln vorgegeben. Die

Schüler sollen ihre Meinung zu einem Thema äußern und in Diskussionen vertreten

können. Dabei akzeptieren sie abweichende Meinungen anderer Gesprächspartner.

Interessant erscheint mir die Vorgabe, dass die Schüler nach Anleitung

„Befragungen“ durchführen und „einfache Sachverhalte übersichtlich und

verständlich aufschreiben“ (S. 58) können sollen. Angemerkt sei hier, dass keinerlei

Hinweise auf die Behandlung spezieller Textsorten gegeben wird, so dass es

weitgehend unklar bleibt, ob es hier um die sprachliche Fähigkeit geht, Interviews

erheben zu können oder darum, erste Übungen zu empirischen Datensammlungen

nebst deren Präsentation durchzuführen.

Im Bereich „Sprachbewusstsein entwickeln“ findet sich nur ein Punkt, der auf

kommunikatives Verhalten abzielt; die Schüler sollen Zusammenhänge zwischen der

Kommunikationssituation, den Kommunikationspartnern sowie deren

Ausdrucksmitteln herstellen können, was auch die Wortwahl und verschiedene

Schreibweisen einschließen soll (vgl. S. 60). Alle anderen Vorgaben beziehen sich

auf grammatische Kategorien und die Untersuchung geschriebener Sprache.

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Die Vorgaben für Klasse 9 sind diesbezüglich hilfreicher; nun werden auch

Fähigkeiten wie das Erkennen von Wertungen (Lob, Beleidigung usw.) benannt

sowie das Unterscheiden von Standardsprache gegenüber Soziolekten, Dialekten und

Fachsprachen.

Im Bereich „Sprechen“ soll die Diskursfähigkeit weiter ausgebaut werden, was sich

an Formulierungen wie „Die […] Schüler können ihre Meinung begründet vertreten

und auf andere Meinungen eingehen“ oder „Argumente und Aussagen unter-

scheiden“ (S. 61) zeigt. Wichtig für die Zielsetzung dieser Arbeit erscheint mir die

Fähigkeit, „eigenes und fremdes Gesprächsverhalten beschreiben und reflektieren“

(ebd.) zu können, was die Voraussetzung dafür ist, das eigene Gesprächsverhalten zu

begreifen und ggf. zu verbessern sowie andere bei deren Reflexion an ihrer

Sprachbenutzung zu unterstützen.

Die Weiterentwicklung der Fähigkeiten zu darstellendem Spiel, Rollenspiel und

Improvisation wird in den Niveaukonkretisierungen der 6. und der 9. Klasse benannt,

wobei das Rollenspiel in Klasse 6 auch den Zweck hat, Konflikte nachzuspielen und

damit wohl auch als Handreichung für Streitschlichterprogramme usw. zu verstehen

ist. Allerdings wird die sprachliche Auseinandersetzung mit Konflikten nicht speziell

thematisiert.

Im folgenden Kapitel werden konkrete Lerninhalte vorgestellt, deren Aneignung die

Entwicklung kommunikativer Kompetenz unterstützen kann. Es handelt sich

lediglich um eine Auswahl an Themen. Diese ist aber nicht zufällig erfolgt, sondern

die Inhalte lassen sich direkt aus der Analyse der verbalen Kommunikation in

Krankenhäusern und Altenheimen ableiten.

3.3 Allgemeine Gesprächskompetenzen

3.3.1 Wissen über Kommunikation und Situationseinschätzung

Gespräche sind sprachliche Handlungen, die eine Verständigung zwischen den

Gesprächspartnern anstreben. Diese ist elementar für das Erreichen bestimmter Ziele,

die von den Beteiligten interaktiv festgelegt werden und „auf die Bewältigung der

Realität in ihren verschiedenen gesellschaftlichen Formen und Strukturen

ausgerichtet“ sind (Lepschy 1999, S. 50). Sie umfassen also sowohl die Inhalts- wie

auch die Beziehungsebene. Das Gespräch ist ein dynamischer Prozess. Die

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gemeinsam festgelegten Ziele werden während des Gespräches immer wieder

überprüft und ggf. gemeinsam neu definiert. Diese Gemeinsamkeit muss beiden

Gesprächspartnern bewusst und wichtig sein, damit eine tragfähige Gesprächsbasis

überhaupt denkbar ist.

Die Gesprächssituation wird abgesehen von sozialen Bedingungen stark durch

subjektive Wahrnehmungen und Bewertungen beeinflusst. Sie wird also ständig von

den Gesprächspartnern reflektiert und unterliegt einer fortlaufenden Interpretation. Je

symmetrischer und gleichberechtigter das Verhältnis der Gesprächspartner ist bzw.

von ihnen selbst so verstanden wird, desto eher ist die Perspektivenübernahme des

anderen Gesprächspartners möglich. Von Perspektivenübernahme spricht man, wenn

es darum geht, „psychische Zustände und Prozesse, wie etwa das Denken, Fühlen

oder Wollen einer anderen Person zu verstehen, indem die Situationsgebundenheit

des Handelns (bildlich also: ihre Perspektive) erkannt und entsprechende

Schlussfolgerungen gezogen werden“ (Silbereisen 1998, S. 831). Damit ist gemeint,

dass versucht wird, den Blickwinkel des Gesprächspartners und dessen Sichtweise

nachzuvollziehen. Dies ist die Voraussetzung dafür, die eigene mit der vermuteten

Vorstellung des Partners abzugleichen, erfolgreich auf die Beiträge des anderen

einzugehen und das Gespräch konstruktiv zu steuern. Dies ist auch dann möglich,

wenn die Gesprächspartner über unterschiedliche „Situationseinschätzungen“

verfügen, solange sie ein übereinstimmendes „Situationsverständnis als

Gesprächsbasis“ herstellen können (vgl. Lepschy 1999, S. 51).

Die Reflexion über diese Grundvoraussetzungen für das Gelingen von Gesprächen

sollte im Unterricht erfolgen, um den Schülern implizites Wissen bewusst zu

machen. Zusätzlich ist die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme hervorzuheben,

ohne die ein konstruktives Eingehen auf den Partner nicht erfolgen kann.

3.3.2 Gesprächsorganisation: Verteilung des Rederechts und Sprecherwechsel

Die asymmetrische Situation zwischen Pflegenden und Gepflegten führt, wie bereits

erläutert, dazu, dass Gespräche in den entsprechenden Institutionen zu einem großen

Anteil von den Pflegenden initiiert werden. Aufgrund der Zugehörigkeit zur

Institution kommt ihnen bei der Verteilung des Rederechts eine dominante Stellung

zu, was mit einem größeren Anteil der Gesamtmenge gesprochener Worte und

Äußerungen einhergeht (vgl. Walther 2001a, S. 357f.). Die durch die Institution

zugewiesene Sprecherrolle ist jedoch nicht die einzige Ursache der ungleichen

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Verteilung der Gesprächsanteile, entscheidend ist auch, wie einem Gesprächspartner

das Rederecht zugeteilt wird und wie der Sprecherwechsel durchgeführt wird. Die

Art des Sprecherwechsels hat direkten Einfluss auf das Rederecht.

Der Sprecherwechsel kann durch Fremd- oder Selbstwahl erfolgen (vgl.

Linke/Nussbaumer/Portmann 2004, S. 301ff.). Bei der Fremdwahl wird der Dialog-

partner direkt oder indirekt aufgefordert, etwas zu sagen. Die deutlichste Form der

direkten Aufforderung ist die Frage mit direkter Anrede des Gegenübers. Indirekt

kann der Gesprächsbeitrag (turn) weitergegeben werden, in dem der zuvor

Sprechende aufhört zu sprechen oder seinen Partner erwartungsvoll anschaut, dem

damit das Wort erteilt wird.

Übernimmt einer der Gesprächspartner das Wort, ohne dass er per Fremdwahl dazu

aufgefordert wurde, spricht man von Selbstwahl. Hierbei kann es zu reibungslosen

Sprecherwechseln kommen, zu Überlappungen, die meistens nicht als störend

empfunden werden, oder aber zu Unterbrechungen. Letztere werden vom Sprecher

als unangenehm wahrgenommen, weil er mit seinen Ausführungen noch nicht zum

Ende gekommen ist und er beabsichtigte Beiträge sprachlich nicht umsetzen konnte.

Kommen Unterbrechungen gehäuft vor, kommt es mit großer Wahrscheinlichkeit zu

Störungen in der Kommunikation.

Wenn ein Sprecher durch Selbstwahl das Wort ergreift, muss er sich an bestimmte

Regeln halten um Störungen zu vermeiden. Dazu gehört unter anderem, dass

derjenige das Rederecht hat, der nach einem Beitrag als erstes das Wort ergreift, dass

nur eine Person spricht und dass der Sprecher sich durch die vom Hörer

ausgesendeten Signale vergewissert, dass dieser ihm noch folgt.

Die Aufgaben des Hörers im Dialog sind indessen, Rückmeldungssignale verbal oder

nonverbal (z. B. Nicken, Kopfschütteln, Lächeln) so auszusenden, dass der

Sprechende seinen Gesprächsbeitrag daran orientieren kann. Signale wie „hm“ oder

„ja“ können „dem Sprecher als Symptom für die Wirkung seiner Äußerung bewusst

gemacht, und ihre Beachtung kann zur Kontrolle dieser Wirkung anempfohlen

werden“ (Becker-Mrotzek/Brünner 1999, S. 45). Fehlt diese Orientierung, so kann es

zur Verunsicherung des Sprechers kommen, die wiederum einen Abbruch der

Kommunikation zur Folge haben kann. Der Hörer muss also ebenfalls aktiv werden,

um das Gespräch in Gang zu halten. Seine verbalen Äußerungen können jedoch auch

zum Sprecherwechsel führen (vgl. Rosengren 1980, S. 284), die Rückmeldungen

werden somit zu Gesprächsschritten.

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‘Gute’ Gespräche können nur geführt werden, wenn sich die Gesprächspartner ihrer

Regeln und Pflichten innerhalb des Gesprächs bewusst sind. Je besser sie mit den

ihnen zur Verfügung stehenden sprachlichen und nicht-sprachlichen Mitteln

umgehen können, desto größer sind die Chancen, die Absicht und den Sinn der

Sprechhandlung auch tatsächlich umzusetzen, unabhängig davon, ob es sich um eine

Mitteilung, eine Aufforderung, eine Befragung oder einen Austausch von

Informationen handelt. Dass diese Fähigkeit schon in der Schule eine Rolle spielt,

liegt auf der Hand. Die Frage ist, wie ihre Förderung sinnvoll in den Unterricht

eingebettet werden kann.

3.3.3 Darstellung und Entfaltung des Themas

Das Thema stellt den zentralen Inhalt eines Gespräches dar. Wenn das Gespräch in

Bezug auf die gemeinsam festgelegten Ziele erfolgreich verlaufen soll, ist es

unabdingbar, dass sich die Gesprächspartner einig über den Inhalt sind. Anders als in

der Alltagskommunikation, in der sich ein Gesprächsthema durchaus während des

Gespräches verändern kann und dieses von den Partnern auch gebilligt wird7, werden

institutionelle Gespräche in der Regel mit einer klaren Zielvorgabe geführt. Die

Gesprächspartner müssen dieses Thema klar darstellen und ihre Redebeiträge

inhaltlich auf die Relevanz für das Thema überprüfen (vgl. Lepschy 1999, S. 52).

Dies setzt voraus, dass die Gesprächspartner über den Zweck des zu führenden

Gespräches informiert sind. Ist das nicht der Fall, muss es vom

gesprächsinitiierenden Partner zu Beginn des Gespräches nachgeholt werden. Ein

Versäumnis dieser Klärung muss fast zwangsläufig Kommunikationsstörungen nach

sich ziehen, da der uninformierte Gesprächspartner mit großer Wahrscheinlichkeit

eine andere Zielvorstellung hat als der Initiierende.

Da in Institutionen in der Regel asymmetrische Gesprächskonstellationen vorliegen,

spielt auch die Beziehungsebene im Zusammenhang mit der Themenexplikation eine

Rolle. Entsprechend ihrer Funktion als Pflegende müssen die Vertreter der Institution

Krankenhaus gleichzeitig die gesellschaftlichen Erwartungen an diese Rolle erfüllen

(indem sie beispielsweise das Gespräch initiieren und das Thema (er)klären) und

trotzdem eine vertrauensvolle Gesprächsbasis schaffen, die es ermöglicht, die

7 Vgl. die Analyse eines Verkaufsgespräches im Vergleich mit der eines Partygespräches (Henne/Rehbock 2001, S. 215ff.), bei dem sich ein Thema „frei nach dem Interesse der Beteiligten [entfaltet], es besteht kein Plan oder Zwang, zu einer Entscheidung oder einem Ergebnis zu kommen“ (ebd., S. 215).

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Gesprächsziele (z. B. Informationsgewinnung) zu erreichen. Die Gesprächspartner

müssen also die „Balance zwischen sozialen Erwartungen und individuellen

Vorstellungen herstellen“ (Lepschy 1999, S. 52).

Wenn Einigkeit über das Gesprächsziel besteht, müssen die Gesprächsteilnehmer

sich darum bemühen, die Kommunikation am Laufen zu halten. Hierfür sind

verschiedene sprachliche Mittel nötig. Abgesehen von bereits thematisierten

Strategien zum Sprecherwechsel braucht es auch Taktiken, mit denen Themen

entfaltet und miteinander verknüpft werden. Wir haben gesehen, dass abrupte

Themenwechsel in der Regel zu einer Beendigung der Interaktion führen. Dies kann

verhindert werden, indem inhaltlich ähnliche Dinge innerhalb der gleichen

Gesprächsphase thematisiert werden. Man kann also gewissermaßen die inhaltliche

Verwandtschaft von Themen zur Verknüpfung nutzen.

Ein ähnliches sprachliches Mittel ist der Rückbezug auf den zuletzt erwähnten

Sachverhalt. Indem das vorangegangene Thema mit dem folgenden verbunden wird,

kommt es nicht zu einem Bruch im Gesprächsablauf, wie folgendes Beispiel aus

einem Erstgespräch gut zeigt. Die Pflegeschülerin (A) erhält während des

Gespräches über den Krankheitsverlauf ohne Unterbrechung mehrere Informationen,

indem sie das Gesagte aufnimmt und ihre nächste Frage darauf bezieht. Sie erfährt,

dass der Patient regelmäßig Kontrolluntersuchungen wahrnimmt und zusätzlich

durch welche Ärzte er betreut wird. Beide Aspekte wären möglicherweise an einer

ganz anderen Stelle im vorgegebenen Anamnesebogen zur Sprache gekommen und

hätten – unvermittelt und zusammenhanglos abgefragt – möglicherweise zu

Irritationen beim Patienten und zu Kommunikationsstörungen geführt.

P: Ne. [Ja, und dann] …/ dann war ich zur Kontrolluntersuchung, und da hat man das festgestellt. A: Ah so, gehen Sie regelmäßig dann? [Hm] P: Muss i[ch, m]uß ich! Ja. Ja. A: Wo gehn Sie da hin? P: In die Gemeinschaftspraxis von Doktor Müller, Manner und Meier. (Walther, 2001a, S. 298; Hervorhebung und Transkriptionszeichen im Original) Inhaltliche Verknüpfung kann gelingen, wenn Stichworte des Gesprächspartners

aufgegriffen werden, dabei aber das übergeordnete Ziel des Gespräches, in diesem

Fall Informationen zu den vorgegebenen Sachverhalten zu erhalten, nicht aus dem

Blick gerät.

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Die Schwierigkeit in der Themenverknüpfung liegt teilweise auch darin begründet,

dass Gespräche ja, oberflächlich betrachtet, ungeplant ablaufen. Ein Sprechakt zielt

zwar immer auf eine bestimmte Reaktion des Gesprächspartners, es ist aber offen, ob

sich dieser an die erwartete Reaktion auch hält. Die Kommunikation ist in dieser

Hinsicht nicht planbar (im Gegensatz zu schriftlichen Texten, deren Ablauf bereits

vor der eigentlichen Produktion vorgezeichnet werden kann bzw. sollte). In der

mündlichen Kommunikation müssen die Sprecher sehr flexibel und spontan

reagieren können, wenn das Gespräch störungsfrei verlaufen soll.

Dennoch ist eine gewisse Vorplanung hilfreich, in der wichtige Aspekte sein

könnten: „Was möchte ich unbedingt erfahren?“ „Welche Themen passen inhaltlich

zusammen, können also evt. nacheinander besprochen werden?“. Je besser sich die

Parteien auf die Gesprächssituation vorbereitet haben, also sich vorgestellt haben,

was im Dialog passieren könnte, und je besser sie sich auf unerwartete Reaktionen

eingestellt haben, desto größer ist die Chance auf ein gelingendes Gespräch. Die

Fähigkeit zur Perspektivenübernahme (vgl. Abschnitt 4) spielt dabei eine wichtige

Rolle. Eine Kombination aus sorgfältiger Vorbereitung, genauer Kenntnis des

Gesprächsthemas und der mentalen Vorstellung des Gesprächsablaufes kann die

Effektivität und die Qualität von Gesprächen steigern. Diese Erfahrung können

Schüler im Schulalltag machen, wenn ihnen genug Gelegenheit eingeräumt wird,

Gespräche zu führen und auch auf deren Vorbereitung Wert gelegt wird.

3.4 Spezielle Gesprächskompetenzen

In diesem Abschnitt werden diejenigen Fähigkeiten beschrieben, die sich direkt aus

der Analyse der mündlichen Kommunikation in der Pflege ableiten lassen und die in

der Kommunikation im Krankenhaus eine besondere Relevanz haben. Die

Zusammenstellung erhebt in keiner Weise den Anspruch auf Vollständigkeit. Es geht

vielmehr darum zu zeigen, wie aus der linguistischen Analyse spezieller

Sprachhandlungen Ziele für den Unterricht abgeleitet werden können.

3.4.1 Gruß

Viele allgemeine Sprachkompetenzen ergeben sich aus Normen und

Wertvorstellungen unserer Gesellschaft. Diese Kompetenzen sind nicht auf den

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Bereich der Krankenpflege begrenzt, sondern sind für eine reibungslose

Kommunikation in Alltagssituationen und im beruflichen Umfeld wichtig. So ist die

Begrüßung ein Ritual, das sich als Paarsequenz aus Gruß und (erwartetem)

Gegengruß zusammensetzt. Welche Grußformel gewählt wird, ist von verschiedenen

Faktoren abhängig: Einer davon ist die Tageszeit („Guten Abend“, „Guten Morgen“

usw.), ein anderer das Beziehungsverhältnis der beteiligten Gesprächspartner. So

wäre die Formulierung „Hi, Alter“ für eine Begegnung mit einem Ranghöheren

ebenso unangemessen wie eine ausgesprochen höfliche Variante für eine nahe

stehende Person.

Dem Gruß kann sich eine namentliche Anrede anschließen, was zu einer

persönlichen Würdigung des Gegrüßten führt und signalisiert, dass der Grüßende

weiß, wer der Gegrüßte ist. Danach besteht die Möglichkeit, eine Befindensfrage an

den Gesprächspartner zu stellen. Je kürzer der Kontakt ist, desto unwahrscheinlicher

ist es, dass sich eine Befindensfrage anschließt, grüßt man sich nur im Vorübergehen,

wird diese oft fehlen. Die Bedeutung des unterschiedlichen Umgangs mit

Befindensfragen im Alltag und im Krankenhaus wurde unter 2.2.2.4 bereits

ausführlicher dargestellt.

Schüler müssen verschiedene Grußformeln kennen und diese der Situation und dem

Adressaten angemessen auswählen und benutzen können. Sie müssen in der Lage

sein, zu entscheiden, in welchen Situationen überhaupt gegrüßt wird, welche Gruß-

formel angemessen ist und ob eine anschließende Befindensfrage angebracht ist und

welchen Zweck diese erfüllen könnte. Dazu gehört auch, dass sie über eine

Reflexionsfähigkeit verfügen, wenn sie selbst gegrüßt werden, da auch sie

gesellschaftliche Normen erfüllen sollten. Sie müssen erkennen, dass der Gruß unter

Umständen schon die Eröffnungsphase eines Gespräches darstellt, in der ja die

Beziehungsebene geklärt werden sollte. Eine nicht situationsangemessene

Grußformel hat mit hoher Wahrscheinlichkeit negative Folgen für den Fortgang der

Gesprächseröffnung. Darüber hinaus kann am Beispiel des Grüßens verdeutlicht

werden, inwiefern sich Alltagskommunikation von institutioneller Kommunikation

unterscheidet.

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3.4.2 Vorstellung und Anrede

Wie bereits dargestellt wurde, besteht in Krankenhäusern oft das Problem, dass

Patienten das Personal oft nicht mit Namen anreden oder grüßen können, weil sie die

Namen der Pflegenden nicht kennen. Dies kann zwar prinzipiell daran liegen, dass

sich die Patienten so viele fremde Namen nicht oder nicht so schnell merken können,

es könnte aber auch eine Ursache in der Art und Form der Vorstellung liegen.

Jemanden mit dem Namen ansprechen zu können, führt dazu, dass eine persönliche

Beziehung zum Gesprächspartner hergestellt wird. Der Gesprächspartner erfährt

damit eine stärkere Wertschätzung seiner Person. Sachweh stellt fest, dass durch den

Gebrauch der nominalen Anrede (besonders in der Altenpflege) Respekt und Würde

vermittelt werden (vgl. Sachweh 2000, S. 132). Außerdem hat die Nennung des

Namens einen Appellcharakter und kann während einer Tätigkeit die

Aufmerksamkeit des Interaktionspartners sichern. In diesem Zusammenhang

verwendet steht die nominale Anrede in Verwandtschaft zu anderen Verständnis

sichernden Strategien.

Eine weitere Beziehung der Anrede besteht zu den im Deutschen möglichen Formen

des Duzens bzw. Siezens. In aller Kürze ausgedrückt ist festzustellen, dass das

Siezen in unserem Kulturkreis die angemessene Anrede gegenüber älteren Personen

ist, mit denen man keinen familiären oder freundschaftlichen Kontakt pflegt8.

Schüler sollten die Auswirkungen von Vorstellung und Anrede auf den

Gesprächsverlauf kennen und sich bewusst sein, dass eine formal korrekte

Vorstellung insbesondere von älteren Menschen als Form der Höflichkeit und

Wertschätzung gilt. Sie müssen erkennen, welche Wirkung die Nennung Namens

während des Gespräches hat und dieses dem Gesprächszweck entsprechend einsetzen

können. Sie sollten sich selber situationsangemessen vorstellen können, was

kontextabhängig auch bedeuten kann, dass man die eigene Funktion nennt (z. B. „Ich

heiße … und bin Schüler an der …-Schule“).

3.4.3 Anspielungen erkennen und nutzen

Walther (2001b, S. 144) stellt fest, dass Pflegende oft nicht auf Anspielungen

eingehen, die die Patienten machen. Hinter dieser Beobachtung verbergen sich

8 Sachweh hat das Duzen / Siezen in der Altenpflege genaueren Analysen unterzogen (vgl. Sachweh 2000, S. 132, 245f.). Da der Sprachgebrauch sich in diesem Fall zwischen Pflegeheimen und Krankenhäusern unterscheidet und einer detaillierteren Betrachtung bedarf als sie hier möglich ist, habe ich mich entschieden, in dieses Thema nicht tiefer einzudringen.

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mehrere Probleme. Zum einen muss erwähnt werden, dass bestimmte Themen, die

für die Pflegekräfte vielleicht wichtig wären, für die Patienten schwierig zu äußern

sind. Dazu gehört insbesondere das Äußern von Ängsten und Sorgen. Walther weist

darauf hin, dass manche Anspielungen der Patienten deutlich darauf hinweisen, dass

ihrerseits Gesprächsbedarf besteht. Wenn Patienten zu für sie problematischen

Themen Anspielungen machen und diese von den Pflegenden nicht aufgegriffen

werden, sind gleich zwei Chancen vertan: Der Patient fühlt sich möglicherweise

zurückgewiesen und die Pflegekraft erhält weniger Informationen über den

Patienten. Damit können die beiden wichtigsten Gesprächsziele, nämlich eine

persönliche und vertrauensvolle Beziehung aufzubauen und gleichzeitig

Informationen zu sammeln, nicht realisiert werden.

Zur Kommunikativen Kompetenz gehört also auch, Anspielungen als solche

identifizieren zu können. Das setzt voraus, dass das eigene sprachliche Handeln

reflektiert werden und auf die Äußerungen des Gesprächspartners abgestimmt

werden muss. Walther betont, dass es nicht ausreiche, eine „allgemeine Formel wie

‘Gehen Sie auf Anspielungen des Patienten ein’ […], um Patientenorientierung zu

gewährleisten“ (Walther 2001b, S.144). Schüler müssen vielmehr lernen, wodurch

Anspielungen sich konkret auszeichnen, welchen Zweck sie haben und welche

Gründe es geben kann, auf sie einzugehen oder sich dagegen zu entscheiden.

Durchaus lohnenswert kann hier beispielsweise der Umgang mit aufgezeichneten

authentischen Gesprächen sein. An diesen lässt sich einerseits untersuchen, an

welchen Stellen es Anspielungen gegeben hat und andererseits, warum eine

Anspielung evt. nicht aufgegriffen wurde – Faktoren wie Unsicherheit oder

Unwissen können Gründe dafür sein.

Je heikler ein Thema ist und je schwerer es einem Gesprächspartner über die Lippen

kommt, umso wichtiger ist es, Sprachbarrieren zu vermeiden bzw. abzubauen. Das

Eingehen auf Anspielungen gehört damit zu grundlegenden Fähigkeiten

kommunikativer Kompetenz.

3.4.4 Umgang mit standardisierten Fragen

Standardisierte Fragen spielen in beruflichen Kontexten eine große Rolle, weil es

dort ein hohes Maß an regulierten und festgelegten Abläufen gibt. Wenn die Schule

die Aufgabe ernst nimmt, auf das (berufliche) Leben vorzubereiten, sollte sie die

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Schüler dazu befähigen, mit solchen standardisierten Abläufen umzugehen, bzw. sie

auf die Anforderungen des Umganges mit diesen vorbereiten.

Aus der Analyse der Erstgespräche konnte abgeleitet werden, dass standardisierte

Fragen die Gefahr bergen, ein freies Gespräch zu behindern und ein Interview zu

produzieren. Eine schlüssige Themenverknüpfung wird dadurch erschwert oder sogar

verhindert. Daraus lassen sich folgende Ziele für den Unterricht ableiten: Schüler

erkennen standardisierte Fragen und wissen, dass ein starres Festhalten an diesen

eine freie Gesprächsentfaltung blockieren kann. Sie sind in der Lage, standardisierte

Fragen auf ihre Reihenfolge hin zu untersuchen und können sich unter

Berücksichtung der übergeordneten Gesprächsziele (Inhalte? Gesprächsart?) dafür

entscheiden, die vorgegebene Aufeinanderfolge zu verändern. Sie können

vorgegebene Fragen umformulieren und sie durch ihre eigene Wortwahl so an das

Gespräch anpassen, dass die Interaktion nicht unnötig oft unterbrochen wird. Für

letzteres ist es nicht nur nötig, über einen ausreichenden Wortschatz zu verfügen um

eigene Formulierungen zu bewerkstelligen, sondern man braucht auch

Reflexionskompetenz um zu überprüfen, ob die eigene Frage inhaltlich mit der

vorgegebenen Frage übereinstimmt. Dafür muss sowohl die eigene Formulierung als

auch die Äußerung des Gesprächspartners genau auf die Themenrelevanz hin

beobachtet werden.

Letztendlich sollen Schüler auch verschiedene Gesprächsformen und deren Zwecke

kennen. Ein Gespräch unterscheidet sich von einem Interview durch bestimmte

Aspekte und verfolgt damit einen speziellen Sinn. Gleiches gilt auch für das

Interview, das in ganz bestimmten Kontexten zielgerichtet eingesetzt werden kann

und in der Regel auf standardisierten Fragen basiert. Besonders im Hinblick auf die

quantitative Sammlung von Informationen entfaltet das Interview damit seine ganze

Bedeutung.

3.4.5 Gesprächsleitfaden erstellen und im Gespräch effektiv nutzen

Wie in den vorigen Abschnitten verdeutlicht wurde, ist es für das Führen von

Informationsgesprächen sinnvoll, die zu behandelnden Themen so miteinander zu

verknüpfen, dass einerseits das Ziel des Gespräches für die Beteiligten klar ist und

andererseits abrupte Themenwechsel die kommunikative Interaktion nicht immer

wieder unterbrechen. Als Hilfsmittel können dafür vorgefertigte Fragebögen dienen,

die aber vorab unbedingt auf ihren Aufbau hin begutachtet werden sollten. Entsteht

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der Eindruck, dass der Fragebogen eher einem zusammenhanglosen Abfragen dienen

könnte, bedarf es unter Umständen einer Eigenproduktion, um dem geschilderten

Problem auszuweichen.

Da ein Gesprächsleitfaden vordringlich dem Zweck dient nichts zu vergessen, kann

eine Stichwortliste zunächst hilfreich sein. Dabei wird geklärt, welche Informationen

auf jeden Fall erhalten werden müssen. Die gesammelten Stichworte (eigene oder die

des vorgegebenen Bogens) können im zweiten Schritt in eine sinnvolle Reihenfolge

gebracht werden. Dabei wird es sich nicht immer vermeiden lassen, dass

Themenbrüche auftreten; diese können aber nun besser identifiziert werden. Im

Laufe des Gespräches können Themenwechsel dann angekündigt werden; der

Gesprächspartner kann dann auf ein neues Thema besser eingehen, vorausgesetzt, er

ist über den Gesprächszweck ausreichend informiert.

Für den flüssigen Verlauf des Gespräches ist es darüber hinaus wichtig, zu

Stichworten freie Sätze formulieren zu können. Dies fällt umso leichter, je besser der

Sprecher paraphrasieren, umschreiben und frei formulieren kann.

Im Grunde ähneln diese Fähigkeiten sehr stark denen, die für Präsentationen benötigt

werden, nur dass im Gespräch noch die unberechenbare Größe des

Gesprächspartners samt seinen Äußerungen hinzukommt, auf die es möglichst

flexibel zu reagieren gilt. Ein Schüler mit Erfahrungen im Präsentieren dürfte mit

dieser Herausforderung jedoch besser umgehen können als einer, der nicht gelernt

hat, aus Stichworten und Gedächtnisstützen freie Sätze zu formulieren.

Konkret könnte hier zum Beispiel der Einsatz von Kohäsionsmitteln genannt werden

oder der Rückbezug auf bereits vorher Gesagtes. Besonders an Stellen des

Gesprächsverlaufes, die im Vorfeld als schwierig eingestuft werden (also

beispielsweise bei einem nicht zu vermeidendem Themenwechsel), können sie den

Bruch im Gespräch deutlich glätten. Eine entsprechende Notiz bzw. ein Hinweis auf

die geeigneten Formulierungen macht den Gesprächsleitfaden zu einem echten

Hilfsmittel.

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4 Vergleich von ausbildungsbezogenen Erwartungen und Vorgaben

durch den Bildungsplan

In diesem Abschnitt wird gezeigt, inwiefern die zwei Grundbereiche Sprechen und

Reflexion über Sprache für den Zweck der Förderung berufsbezogener Kompetenzen

ausgelegt und genutzt werden können.

Als wichtiger Aspekt erscheint mir, dass kommunikative Kompetenz dann effektiv

geschult und verbessert werden kann, wenn der Schritt vom „intuitiven

Problembewusstsein“ zum „analytischen Problembewusstsein“ gelingt (vgl. Lepschy

1999, S. 52). Nur so kann man sich von der allgemein verbreiteten Meinung,

sprechen könne doch irgendwie jeder, lösen und die eigenen Fähigkeiten realistisch

beurteilen, Fehler identifizieren und Verbesserungen bzw. Handlungsalternativen

aufzeigen. Deswegen nimmt die Reflexion über Sprache, und insbesondere über

gesprochene Sprache, eine herausragende Stellung bei der Förderung

kommunikativer Kompetenzen ein.

Diese dominante Stellung wird ihr im Bildungsplan jedoch eindeutig nicht

zugewiesen. Der Schwerpunkt liegt dort mehr auf der Entwicklung und Anwendung

von Gesprächsregeln, es werden also Vorgaben gemacht, wie man sich in konkreten

Sprachsituationen zu verhalten habe anstatt authentische Sprechhandlungen zu

reflektieren und daran Handlungsalternativen aufzuzeigen.

Umso wichtiger erscheint mir, dass Lehrer und Schüler eine Gesprächskultur

entwickeln, so dass authentische und vielfältige Gesprächsanlässe ermöglicht

werden, die anschließend reflektiert werden können9. Dabei ist zu beachten, dass

nicht jedes Gespräch und jede Erzählsituation sich gleichermaßen eignet, wirklich

authentische Sprachhandlungen zu erzeugen. Fienemann und von Kügelgen warnen

zum Beispiel davor, Alltagskommunikation, etwa im Rahmen eines „Erzählkreises“

unreflektiert in den schulischen Kontext zu holen, da bedingt durch den Charakter

der Institution Schule (geregelte Verteilung des Rederechts usw.) keine

alltagstypischen Gesprächsmuster entstehen können (vgl. Fienemann/v. Kügelgen

2006, S. 133ff.). Der Zweck des Gespräches spielt daher eine wichtige Rolle; die

Gesprächspartner sollten sich auf gemeinsame (!) Ziele festlegen können.

9 Vgl. z. B. die Unterrichtskonzeption zum Klassenrat von Doris Baumann (http://www.bildung-staerkt-menschen.de/unterstuetzung/schularten/GS/umsetzungsbeispiele/D/@@example.2004-11-03.4673527332) (11.07.08)

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Die Möglichkeiten zur Umsetzung sind trotzdem vielfältig. Als Gesprächsformen

kommen Klassengespräche10, Gespräche in Kleingruppen, Diskussionen, Berichte,

Gruppenarbeitsphasen und vieles mehr in Betracht. Auch Projekte bieten jede Menge

Gesprächsanlässe, insbesondere, wenn die Schüler in die Planung und Vorbereitung

aktiv einbezogen werden. Wichtig ist es dann vor allem, dass Lehrkräfte diese

Gesprächssituationen als solche auch wahrnehmen und den Schülern Möglichkeiten

zur Reflexion einräumen. Wenn es auch aus Zeitgründen unrealistisch ist,

beispielsweise von Klassengesprächen Transkripte anzufertigen, so könnten

Tonbandaufnahmen evt. einen Kompromiss darstellen. Zumindest ließe sich dann

verhindern, dass die Reflexion nur auf der Erinnerung an das Gespräch basiert oder

dass vorab Vorschläge für bestimmtes Verhalten in einer fiktiven Situation gegeben

werden.

In einer kommunikationsorientierten Unterrichtskultur sollten Präsentationen zu

verschiedenen Themen nicht fehlen. Im Bildungsplan des Faches Deutsch werden

diese nur auf Buchvorstellungen bezogen. Unabhängig davon, ob im Fach Deutsch

auch andere Themen präsentiert werden oder ob dies in anderen Fächern geschieht,

so ist doch darauf hinzuweisen, dass das Präsentieren eine komplexe Sprachhandlung

ist, die mehrerer Voraussetzungen bedarf. Der präsentierende Schüler muss das

Thema bestimmen, eingrenzen und darstellen, er muss den Ablauf und die

Reihenfolge festlegen und er kann sich durch Visualisierungshilfen, eine

Stichwortliste oder einen Leitfragen Unterstützung schaffen. Dies entspricht doch im

Wesentlichen den Faktoren, die für das Gelingen pflegerischer Erstgespräche

herausgearbeitet wurden (vgl. insbes. Kap. 3.4.5)! Lediglich der Gesprächspartner als

Unsicherheitsfaktor fehlt bei der Präsentation, so dass unter diesem Blickwinkel das

Präsentieren sogar um einen Faktor weniger komplex ist als das Erstgespräch –

welch andere Einschätzung als man annehmen würde, gilt doch das Präsentieren als

etwas Anspruchsvolles, was besonderer Übung bedarf, während jenes ja ‘nur ein

Gespräch’ ist…

Abgesehen von Inhalten des Bereiches Sprachdidaktik möchte ich noch die

Bedeutung des Literaturunterrichts für die Ausbildung der kommunikativen

Kompetenzen hervorheben. Meines Erachtens lassen sich auch aus den

literaturdidaktischen Bereichen Lernziele für die Förderung von Kompetenzen für

den mündlichen Sprachgebrauch ableiten, vor allem wenn man ihn als

10 Siehe z. B. das „Umtopfbeispiel“ (vgl. Berkemeier 2006, S. 174)

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Literaturunterricht in der Auslegung Kaspar H. Spinners versteht (vgl. z. B. Spinner

1987, 1989).

Ein zentraler Begriff in Spinners Konzeption ist die Perspektivenübernahme, von der

wir gesehen haben, dass sie eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen von

Gesprächen ist. Spinner überträgt die Entwicklung der Fähigkeit zur

Perspektivenübernahme auf die Fähigkeit, sich in literarische Figuren hinein zu

versetzen. Es ist die Besonderheit literarischer Texte, dass in ihnen Personen oder

Wesen agieren, deren Verhalten und Handeln man nur verstehen oder nachvollziehen

kann, wenn man in der Lage ist, eine fremde Perspektive zu übernehmen. Damit ist

nicht unbedingt gemeint, dass man sich mit der jeweiligen Figur identifizieren muss,

es ist aber nötig, sich so weit in sie hinein zu versetzen, dass man ihre Motivationen

und Gründe für ihr Handeln nachvollziehen kann. Außerdem werden in literarischen

Texten verschiedene Perspektiven miteinander in Beziehung gesetzt, so dass der

Leser aufgefordert wird, sich über bestimmte Sichtweisen Gedanken zu machen und

diese zu reflektieren (vgl. Spinner 1989, S. 16).

Ein in diesem Sinne gelungener Literaturunterricht kann das kompetente

Sprachhandeln insofern unterstützen und abrunden, dass Personen, die zur

Perspektivenübernahme fähig sind, auch adäquat auf ihre Gesprächspartner eingehen

können. Ähnliches gilt für alle Formen des darstellenden Spiels und des Rollenspiels.

Auch hier spielt in Bezug auf kommunikative Kompetenzen die

Perspektivenübernahme eine wichtige Rolle.

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III SCHRIFTLICHE KOMMUNIKATION

(Empirischer Teil)

1 Anlässe und Formen schriftlicher Kommunikation in der Pflege

Gemessen an quantitativen Gesichtspunkten und im Vergleich zu den Anteilen

mündlicher Kommunikation nehmen schriftliche Kommunikationsformen in der

Kranken- und Altenpflege einen verhältnismäßig kleinen Stellenwert ein. Betrachtet

man jedoch die qualitative Komponente von Texten, die im Pflegealltag entstehen,

näher, lässt sich deren große Bedeutung erkennen.

Fast alles, was Pflegekräfte schriftlich fixieren, geschieht im Zusammenhang mit der

Pflegedokumentation. Darunter versteht man eine Sammlung aller Berichte, Notizen,

Befunde und Formulare, die den Pflegeverlauf betreffen. Die Pflegedokumentation

stellt damit einen Teil der Patientenakte dar. Der wichtigste Zweck dieser

Dokumentation ist die Erstellung einer individuell ausgerichteten Pflegeplanung, die

eine strukturierte Arbeitsweise aller beteiligten Pflegekräfte zum Ziel hat. Die

Pflegenden entwickeln anhand der gesundheitlichen Einschränkungen des Patienten

bestimmte Gesichtspunkte für die im Anschluss fest zu legenden pflegerischen

Maßnahmen. Da in der Pflegeplanung nicht nur das vorgesehene pflegerische

Vorgehen und genaue Anordnungen enthalten sind, sondern in der Regel auch eine

Bewertung der pflegerischen Maßnahmen vorgesehen ist, trägt sie auch wesentlich

zur Qualitätskontrolle bei.

Es gibt verschiedene Modelle, nach denen Pflegedokumentation und Pflegeplanung

erstellt werden. Gemeinsam ist ihnen ein Aufbau, der sich an folgenden Tätigkeiten

und Überlegungen orientiert: Den Pflegebedarf einschätzen (Informationen sammeln

und auswerten), die Pflege planen (Ziele und Maßnahmen festlegen), die Pflege

durchführen und die Evaluation / Verbesserung der Pflegemaßnahmen (vgl. z. B.

http://de.wikipedia.org/wiki/Pflegeplan).

Abgesehen von der Planung erfüllt die Dokumentation weitere wichtige Zwecke: Sie

stellt den Leistungsnachweis für erbrachte pflegerische Leistungen bei der

Abrechnung mit den Leistungsträgern im Gesundheitswesen dar, sie dient der

juristischen Absicherung der verantwortlichen Pflegekräfte sowie der Information

der Kollegen, die den betreffenden Patienten ebenfalls betreuen. Mahler et al. (2002,

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S. 6) fassen die Anforderungen an die Pflegedokumentation zusammen und führen

aus:

Jegliche Art von Dokumentation erfüllt den Zweck des Wiederauffindens und Aufbewahrens von Informationen. Dabei dient das Sammeln und Ordnen von Informationen einen [!] bestimmten Zweck. Für die Akzeptanz der Pflege- dokumentation ist es wichtig, die Gründe für die Dokumentation darzulegen. Einige wichtige Gründe sind:

- Schutz vor Informationsverlust - Unterstützung der Informationsbeschaffung - Unterstützung des zielorientierten Handelns - Konsistenz und Kontinuität der Pflege - Kommunikation mit anderen Berufsgruppen - Internes und externes Qualitätsmanagement - Leistungserfassung und Leistungsabrechnung - Rechtssicherheit - Einsatz für die Lehre - Unterstützung der Pflegewissenschaft - Unterstützung der Krankenhausplanung

Daraus folgt, dass die Dokumentation trotz des umfangreichen Inhaltes detailliert,

präzise und verständlich sein muss. Sie sollte gut und ohne allzu großen Zeitaufwand

lesbar sein. Sie muss alle Maßnahmen, die am Patienten erbracht wurden, sowie alle

relevanten Beobachtungen, Messungen usw. enthalten (vgl. z. B. Jung-Heintz/Lieser

2004, S. 56ff. oder www.pflegewiki.de/wiki/Pflegedokumentation).

Die Pflegedokumentation gliedert sich in der Regel in verschiedene Teile, wobei es

jeder Einrichtung frei steht, wie sie die Gestaltung und Aufteilung im Einzelnen

vornimmt. In vielen Einrichtungen des Gesundheitswesens kommen standardisierte

Formulare zum Einsatz, häufig wird das System Optiplan® benutzt, das es in

verschiedenen Ausführungen gibt, die ich hier allerdings nicht im Detail beschreiben

möchte (vgl. www.optiplan.org/1/Homepage.htm).

Einheitlich ist jedoch weitestgehend, dass in einem vorbereiteten Blatt täglich die so

genannten Vitalwerte wie Temperatur, Puls und Blutdruck sowie die gesamte

aktuelle Medikation eingetragen wird. Hierzu gehören oral eingenommene

Medikamente wie Tabletten oder Tropfen sowie Infusionen, Inhalationen, Salben

usw. Weitere Spalten gibt es für andere Parameter wie beispielsweise die

Flüssigkeitsbilanz, Dokumentation der Ernährung bezüglich Art und Weg (oral oder

über eine Magensonde) usw. In der Regel werden hier auch venöse und arterielle

Zugänge für Infusionen sowie andere Arten von ‘Kabeln’ (etwa das Kabel des

Überwachungsmonitors) und ‘Schläuchen’ (Drainagen, Sonden, Katheter und

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dergleichen) mit dem Datum der Anlage protokolliert. Dieser Teil der

Dokumentation entspricht in erweiterter Form dem, was früher als ‘Fieberkurve’

bezeichnet wurde und gibt auf einen Blick auch Aufschluss über messbare Daten, die

durch Pflegekräfte direkt am Patienten erhoben wurden. Diese Daten lassen schnell

Rückschlüsse auf seinen Zustand und Veränderungen desselben zu.

Auf einem weiteren Blatt (oder der Rückseite der ‘Fieberkurve’) tragen die Ärzte

ihre Anordnungen für Untersuchungen, Eingriffe, therapeutische Anwendungen u. ä.

ein. Die Pfleger haben dann die Aufgabe, diese Anordnungen auszuarbeiten, also

Blutröhrchen zu richten, Anmeldeformulare auszudrucken, die Termine des

Patienten zu koordinieren und vieles mehr. Sie bestätigen durch ihr Handzeichen,

dass der betreffende Punkt von ihrer Seite her erledigt ist.

Besonders auf Stationen, auf denen mit äußerlichen Schäden am Körper des

Patienten zu rechnen ist, gibt es oft einen Vordruck, auf dem Hautläsionen aller Art

durch Striche, Schraffierungen o. ä. eingezeichnet werden können. Dafür steht eine

Skizze des menschlichen Körpers zur Verfügung, in die an der betreffenden

Körperstelle ein Vermerk gemacht werden kann.

Es gibt in der Praxis verschiedene Varianten der Dokumentation spezieller

Pflegemaßnahmen, die im Rahmen der Pflegeplanung festgelegt wurden (s. o.). Oft

wird ein spezielles Formular angelegt, auf dem die Maßnahmen genauer beschrieben,

erklärt und protokolliert werden. Manchmal ergibt sich die Umsetzung der

Pflegeplanung schon durch die vom Arzt angeordnete Medikation, etwa wenn eine

Wunde mit einem speziellen Medikament oder einem besonderen Verbandsmaterial

versorgt werden soll. Das Formular für die Pflegeplanung kann auch bereits

ausformuliert vorliegen, so dass die Pflegenden nur noch die entsprechenden Felder

ankreuzen müssen. Die folgende Abbildung zeigt beispielhaft die erste Seite einer

vorbereiteten Pflegeplanung; die die Teilbereiche Körperpflege und Ernährung

umfasst.

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Abb. 3: Pflegeplanung (Ausschnitt)

Auf den weiteren, hier nicht abgebildeten Seiten finden sich – in unterschiedlicher

Ausführlichkeit – die weiteren Bereiche: „Ausscheidung“, „Bewegung“, „Wachsein/

Schlafen“, „Körpertemp.“, „Atmung“, „für Sicherheit sorgen“, „Beschäftigung“

„Kommunikation“ und „Sinn finden“. Auf der rechten Seite der Tabelle befindet sich

ein Raster, bei dem jede am Patienten tatsächlich durchgeführte Handlung per

Handzeichen mit Zuordnung zur jeweiligen Schicht (F, S, N) dokumentiert wird.

In einigen Einrichtungen gibt es für Routinehandlungen, wie z. B. den

Verbandwechsel an einer peripheren Verweilkanüle, festgelegte Standards, die in

ausführlicher schriftlicher Form vorliegen und den genauen Ablauf dieser

Handlungen regeln, so dass die Dokumentation sich auf Kürzel wie „nach Standard“

oder „nach Leitlinien“ („n. LL“) beschränken kann. Bei einer Pflege nach Standards

wird so immer ein bestimmtes Leistungs- und Qualitätsniveau festgelegt.

Pflegestandards werden von professionellen Pflegekräften entwickelt und formuliert.

Da die Erstellung von Standards jedoch eine hervorragende Sachkenntnis voraussetzt

und überdies sehr aufwändig ist, werden für diese Aufgaben in der Regel

Expertenrunden oder Kommissionen benannt, so dass diese Art der Textproduktion

nicht im regulären Pflegealltag stattfindet. Deswegen soll sie hier auch nicht weiter

thematisiert werden.

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Die aufwändigste Schreibtätigkeit für die Pflegenden ist der so genannte

Pflegebericht. In einem Fließtext wird hier mindestens ein Mal pro Schicht der

aktuelle Zustand des Patienten beschrieben, sofern diese Fakten nicht durch die

Einträge auf den anderen Blättern zu entnehmen sind. Im Pflegebericht wird

aufgeführt, ob es in der vergangenen Schicht spezielle Schwierigkeiten gab, wie der

Patient sich subjektiv fühlt, ob es besondere Vorkommnisse gab oder Informationen

eingetroffen sind, die nicht anderweitig dokumentiert wurden. Die Bewusstseinslage

und das psychische Befinden des Patienten sind ebenfalls Elemente, die hier fixiert

werden. Auch wenn geplante pflegerische Tätigkeiten nicht oder abgeändert

durchgeführt wurden, sollte dies im Pflegebericht mit einer Begründung der

Abweichung vermerkt werden.

Der Pflegebericht hat die Funktion, den Patienten genauer zu beschreiben als es in

den standardisierten Tabellen möglich ist. Durch den Pflegebericht wird das Bild, das

sich die Pflegenden vom Patienten machen, reflektiert und vervollständigt. Der

Bericht kann damit auch zur rechtlichen Absicherung und zur Interpretation einer

zweifelhaften Situation herangezogen werden, sollte es zu Unklarheiten über die

angeordneten Maßnahmen und deren Durchführung kommen. Der Pflegebericht wird

in der Fachsprache verfasst und enthält häufig Abkürzungen, die aber im

Pflegeumfeld allgemein oder auf der Station im Speziellen geläufig sind.

Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren immer mehr Krankenhäuser

ihre schriftliche Dokumentation auf elektronische Datenverarbeitungssysteme

umstellen werden. Schon heute gibt es verschiedene Arten von Software, die im

Einsatz sind und je nach Oberfläche und Komplexität neben den sprachlichen auch

noch erhebliche technische Anforderungen an die Benutzer stellen11.

Wenn ein Patient nicht nach Hause entlassen, sondern auf eine andere Station bzw. in

eine andere Einrichtung verlegt wird, sollte ein Verlegungsbericht angefertigt

werden, aus dem die wichtigsten Informationen zum Pflegeverlauf ersichtlich sind.

Besonders nach einem langen Aufenthalt empfiehlt sich diese Art von Bericht, damit

das nachfolgende Pflegeteam von der Erfahrung seiner Vorgänger profitieren kann.

Wichtige Anforderungen an einen Verlegungsbericht, die seitens des Pflegepersonals

gestellt werden, sind seine Prägnanz und Unmissverständlichkeit sowie die

Möglichkeit, ihn schnell ausfüllen zu können. Es besteht in juristischem Sinne keine

11 Beispiele für Softwareprogramme dieser Art sind z. B. COPRA (http://www.copra-system.de/) (17.06.08) oder CareView (http://www.questek.com.au) (17.06.08)

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56

Pflicht, einen Pflegeverlegungsbericht zu schreiben, so dass er quasi als ‘Service’ an

die übernehmenden Pflegekräfte mitgegeben wird. Daher ist der Wunsch nach einer

zeitsparenden Art des Ausfüllens durchaus verständlich und legitim.

Abb. 4 Pflegeverlegungsbericht

Neben der Pflegedokumentation gibt es im Stationsalltag weitere Formen der

Textproduktion, die zwar im weitesten Sinn der Kommunikation dienen, aber eher

eine untergeordnete Rolle spielen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang

Gesprächsnotizen, die sich auf Telefonate beziehen. Die Inhalte des Telefonats

werden schriftlich fixiert, um nicht anwesenden Kollegen etwas auszurichten oder

um sie – per Aushang – einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das

Gleiche gilt auch für Protokolle von Teamsitzungen, die entweder ausgehängt oder in

einem dafür vorgesehenen Ordner abgelegt werden.

2 Untersuchungen zur schriftlichen Kommunikation

2.1 Überblick über den aktuellen Forschungsstand

Für den Bereich der schriftlichen Kommunikation ergab die Sichtung der

vorliegenden Arbeiten ein ernüchterndes Ergebnis: Es liegt keine einzige Arbeit vor,

in der wirklich der Blick ausschließlich auf sprachliche Phänomene gelegt wurde.

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57

Die ohnehin nicht sehr zahlreichen Veröffentlichungen thematisieren in der Regel

Schwierigkeiten im Rahmen der Pflegeplanung und gehen vor allem auf eine

pflegefachliche oder pflegetheoretische Fragestellung ein (vgl. z. B. Höhmann 1996).

Ich habe mich daher entschlossen, selbst nach Texten zu suchen, die von Pflegenden

verfasst worden sind und diese einer qualitativen Analyse zu unterziehen. Zu diesem

Zweck habe ich in einer großen süddeutschen Akutklinik Pflegeberichte gesammelt.

Es handelt sich um die Art von Berichten, die am Ende einer Schicht zu jedem

Patienten verfasst werden und deren Inhalt auch das Thema der Pflegeübergabe von

einer zur nächsten Schicht ist.

Der Pflegebericht ist die einzige Form schriftlicher Kommunikation, die als freier

Text (wenn auch nicht zwangsläufig als Fließtext) verfasst wird. Mein Interesse galt

daher vor allem der Fragestellung, ob sich das, was im Deutschunterricht im Bereich

der Schreibdidaktik gelehrt wird, auch tatsächlich im beruflichen Umfeld wieder

findet. Dabei soll betrachtet werden, ob die Schreibdidaktik gezielt auf das Schreiben

von Texten im Beruf vorbereitet und ob die in der Schule erworbenen Fähigkeiten im

beruflichen Umfeld abgerufen werden können.

Die genauen Kriterien für die Analyse habe ich erst im Laufe der Datensammlung

festgelegt, da ich zunächst nicht gezielt nach spezifischen Auffälligkeiten suchen

wollte. Im Laufe der Sammlung wurde aber offensichtlich, dass bestimmte

Phänomene gehäuft auftreten, so dass diese an jeweils mehreren Beispielen gezeigt

werden können. Es wäre interessant, meine Aussagen auch durch eine quantitative

Untersuchung empirisch zu untermauern. Dies scheint mir aber ein äußerst

umfangreiches Unternehmen zu sein, das letztendlich den Rahmen dieser Arbeit

sprengen würde.

2.2 Eigene empirische Untersuchung von Pflegeberichten

2.2.1 Methode und Analysekriterien

Bei der Überlegung, welche Textsorten sich für eine Art der Analyse im Kontext

dieser Arbeit eignen könnten, war zunächst auch das Problem zu lösen, zu welchen

Daten ich überhaupt Zugang bekommen könnte. Durch meine Berufstätigkeit ergab

sich die Möglichkeit, eine Datensammlung in einer großen Akutklinik zu planen. In

Gesprächen mit der verantwortlichen Pflegedienstleiterin, die ihr grundlegendes

Einverständnis zu einer Datensammlung gab, wurde jedoch ihr - durchaus

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nachvollziehbarer - Einwand deutlich, dass die Klinik natürlich wenig Interesse

daran haben könnte, dass ich aufzeige, was die Angestellten des Pflegedienstes alles

nicht beherrschen bzw. wo ihre sprachlichen Defizite sind und dieses im Rahmen

dieser Arbeit an die Öffentlichkeit bringe.

So entstand die Idee, grundsätzliche sprachliche Phänomene von Pflegeberichten

deskriptiv aufzuzeigen und zu überprüfen, auf welche dort benötigten Kompetenzen

der Deutschunterricht vorbereiten kann. Da der Pflegebericht die einzige frei

formulierte Textsorte im Arbeitsalltag ist, erschien es mir sinnvoll, diese Textform

für eine genauere sprachliche Analyse auszuwählen. Dass dabei sehr gute Berichte

als Vorbild genutzt werden können, dafür schwächere eher zur Ableitung von

Verbesserungsvorschlägen oder zum Aufzeigen spezieller Probleme dienen, lässt

sich nicht völlig vermeiden. Dennoch ist es mir wichtig, die Pflegeberichte in der

Analyse keinesfalls zu bewerten oder herabzuwürdigen. Viele sind, wie noch zu

sehen sein wird, unter äußerst widrigen und schwierigen Umständen entstanden. Als

Textkorpus stehen 295 Pflegeberichte zur Verfügung, die auf sechs Normalstationen

und einer Intensivstation des Akutkrankenhauses entstanden sind. Dabei bezeichne

ich alle Einträge (meist ist es allerdings nur einer) zu einer ganzen Arbeitsschicht als

einen Bericht.

Es handelt sich bei der Untersuchung der Pflegeberichte um eine qualitative Analyse.

Nach der Sammlung der Daten und einer ersten Sichtung war schnell klar, dass

bestimmte Phänomene in einem Großteil der Berichte zu finden waren. Diese

wurden als Kriterien mit dem Ziel ausgewählt, die Phänomene detailliert zu

beschreiben. Aufgrund der Größe des Korpus wäre es möglich, hier auch quantitative

Aussagen zu machen, worauf ich jedoch verzichtet habe, da der Umfang der Arbeit

dies nicht zulässt.

Da die sprachlichen Phänomene durch Beispiele belegt werden sollen, hat die

Wahrung der Anonymität hohe Priorität. Ich habe die Berichte auf den jeweiligen

Stationen fotokopiert, werde Beispiele aber nur in abgetippter Form präsentieren, um

die Handschriften der Pflegenden zu anonymisieren. Nicht leserliche Passagen

wurden durch <…> gekennzeichnet, Abkürzungen und Symbole wurden unverändert

übernommen. Datum, Uhrzeit oder die übliche Notiz der Schicht (Früh-, Spät-,

Nachtdienst) sowie Handzeichen der Pflegenden wurden entfernt und

Patientennamen in beliebige Namen verändert, die rein zufällig ausgewählt wurden.

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Bei der Wiedergabe habe ich alle Zeilenumbrüche so übertragen, wie ich sie in den

Berichten vorgefunden habe.

Die Nummerierung der Berichte beschreibt lediglich die Reihenfolge während der

Datenerhebung, dient nur dem Wiederauffinden innerhalb des Korpus und wird

daher nach jedem Zitat in Klammern angegeben. Medizinische Fachbegriffe werden

im Fußnotentext erklärt.

Die folgenden Abschnitte wurden so sortiert, dass erst sprachliche Phänomene

beschrieben werden und anschließend Inhalte und Textfunktion betrachtet werden.

Damit orientiere ich mich am Vorschlag Adamziks, Texte getrennt nach textinternen

und textexternen Dimensionen zu beschreiben (vgl. Adamzik 2004, S. 55).

Trotz offensichtlicher und vielfältiger Auffälligkeiten im Bereich der Orthographie

habe ich mich dazu entschlossen, diesen Gegenstand nicht in die Analyse

aufzunehmen. Das hat zwei Gründe: Zum einen müssten die orthographischen

Probleme genau analysiert und anschließend systematisiert werden, um daraus

schulische Fördermöglichkeiten ableiten zu können.

Zum anderen halte ich die meisten orthographischen Unregelmäßigkeiten in den

gesammelten Berichten nicht für so gravierend, dass sich daraus Kommunikations-

schwierigkeiten ergeben würden. Die Verständlichkeit ist in der Regel nicht

eingeschränkt, so dass der Fokus auch ohne Thematisierung der Orthographie auf der

kommunikativen Funktion liegen kann. So könnte sich zwar ein weiteres

Forschungsvorhaben zum Thema Orthographie im beruflichen Schreiben ergeben,

dies entspricht jedoch nicht der Zielsetzung der vorliegenden Arbeit.

2.3 Ergebnisse der Analyse von Pflegeberichten

2.3.1 Textsorte Pflegebericht?

Bei einer ersten Betrachtung fällt dem Leser schnell ins Auge, dass die vorliegenden

Pflegeberichte sehr unterschiedlich ausfallen. Ihr Umfang reicht von ein bis zwei

Wörtern („schlief“ (119), „Pat. schlief“ (22, 28, 57 u. a.) oder „Ø Beschwerden“

(80)) bis zu ausführlicheren Texten mit mehreren Sätzen:

Pat. hat sich selbst versorgt. Laut HNO muss eine Tonsillektomie durchgeführt werden, außerdem sollen noch diverse Zähne gezogen / bzw. Parotontitis behandelt werden vor OP! Fraglich ist noch, ob Pat. so lange bei uns auf Station liegen

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muß, da dies längere Zeit in Anspruch nimmt! (55) 12

An diesen wenigen Beispielen kann man schon deutlich sehen, dass es keinen

einheitlichen Umgang mit dem Schreibstil in Bezug auf die Textsorte gibt; in den

meisten Berichten dominieren stichwortartige Aufzählungen, in anderen finden sich

ganze Sätze, so dass Fließtexte entstehen. Berichte, die den Umfang von drei bis vier

Sätzen übersteigen, sind aber die Ausnahme.

An den oben zitierten Beispielen kann man die Spaltenbreite erahnen, die für den

Bericht vorgesehen ist (es sind 11 cm); die vorliegenden Berichte umfassen im

Durchschnitt 3,1 Zeilen. Die Anzahl der Zeilen ist allerdings nicht unbedingt

aussagekräftig in Bezug auf Inhalt oder Umfang, da kleiner geschriebene Buchstaben

naturgemäß weniger Zeilen benötigen, manche Schreiber hingegen für jedes einzelne

Thema eine neue Zeile beginnen, was insbesondere bei den stichwortartigen

Berichten vorkommt.

Während der Datensammlung fiel mir auf, dass der Umfang der Berichte auch stark

stationsabhängig ist. Auf einer Station, auf der die Patienten oft mehrere Wochen

lang behandelt werden, waren die Berichte durchschnittlich doppelt so lang wie auf

einer anderen Station, auf der die durchschnittliche Liegedauer nur wenige Tage

umfasst. Ob die Länge der Berichte dadurch beeinflusst wird, dass die Pflegenden

die Patienten bei längerer Liegedauer besser kennen lernen oder mehr dadurch, dass

die Stationsleitungen je nach Krankheitsschwerpunkten dem Bericht eine

unterschiedliche Bedeutung beimessen, darüber lässt sich nur spekulieren. Eine

einheitliche Vorgabe, an der sich die Pflegenden orientieren könnten, gibt es jedoch

nicht.

In der Regel werden die Berichte in Vergangenheitsformen verfasst. Dies liegt

meines Erachtens vor allem daran, dass sie meistens am Ende einer Schicht

geschrieben werden und die Pflegekräfte auf die vergangenen Stunden zurückblicken

und das Geschehen zusammenfassend notieren. Dabei kommen sowohl Perfekt als

auch Präteritum vor; innerhalb der Berichte wechselt die Vergangenheitsform in der

Regel jedoch nur selten, der einzelne Schreiber legt sich also auf eine der beiden

Möglichkeiten fest. Im Perfekt:

Pat hat nur 200 ml Urin <…>eschieden – Arzt informiert hat sich mit hilfe am Waschbecke<…> gewaschen […] (255)

12 Tonsillektomie: Entfernung der Rachenmandeln; Parodontitis: Zahnfleischentzündung

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Im Präteritum:

Pat. wurde gegen 200 Uhr von der Wachstation auf Station verlegt. Sie wirkte sehr erschöpft und müde und schlief gleich ein. (187)

Manche Berichte stehen auch im Präsens; diese Form wird vor allem gewählt, wenn

sich am Zustand des Patienten bis zum Zeitpunkt des Schreibens nichts geändert hat:

Pat. fühlt sich nicht wohl, Vitalz. ↓ wie immer aber stabil, lehnt Grundpflege ab, obwohl ich ihm auch nur eine „Katzenwäsche“ angeboten habe, liegt nur im Bett + schont sich (216) 13

2.3.2 Syntax

Zum allgemeinen Verständnis konzeptualer Schriftlichkeit gehört unter anderem ein

komplexer und elaborierter Sprachgebrauch, der sich nicht zuletzt durch vollständig

konstruierte Sätze auszeichnet. Ob und inwiefern dies für Pflegeberichte zutrifft, ist

Inhalt der nächsten Abschnitte.

2.3.2.1 Satzglieder

Durch den stichwortartigen Charakter der Berichte entstehen regelmäßig

unvollständige Sätze, bei denen auf einzelne Satzglieder verzichtet wird. Dabei fehlt

entweder das Verb als Prädikat (fast durchgehend betrifft es die flektierten Formen

von ‘sein’), das Hilfsverb oder das Subjekt. Beispiele für fehlende Verben sind:

Pat. respiratorisch stabil, kardiozirkulatorisch schwankender Arterenolbedarf […] (90) 14 oder

Sonst Pat. wie immer, tlw. desorientiert (31)

oder

Pat. heute morgen bei ERCP; → hat eitrige Cholangitis […] (5) 15

Nicht selten fehlen die Hilfsverben, es sind dann lediglich die Partizipien vorhanden:

[…] Extubation 1215 seither etwas Hyperventiliert aber soweit gute Gase […](1) 16

13 Vitalz.: Vitalzeichen (Puls, Blutdruck, Atemfrequenz) 14 Arterenol: Medikament, das in der Intensivmedizin intravenös zur Blutdrucksteigerung verabreicht wird. 15 ERCP: Darstellung der Gallenwege, Cholangitis: Gallengangsentzündung 16 Extubation: Entfernung des Beatmungsschlauches aus der Luftröhre

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62

oder

Pat. klagt über Schmerzen. Bedarfsmedi verabreicht. Nachsorge bisher o.B. (37)

Erstaunlich ist, dass in vielen Berichten das Tempus (teilweise auch der Modus)

nicht identifiziert werden kann, weil die dazu notwendige flektierte Verbform fehlt.

Dazu kommt es zu Konstruktionen wie

Pat. Ø Beschwerden, unauffällig (133)

oder

Pat. geduscht.[…] (203)

Es wird hier also nicht deutlich, ob der Patient geduscht hat oder ob er geduscht

wurde, was aus pflegerischer Sicht einen erheblichen Unterschied bezüglich der

daraus zu ziehenden Rückschlüsse über seine Selbständigkeit und den evt. damit

verbundenen Arbeitsaufwand macht.

Fehlende Subjekte finden sich zum Beispiel in folgendem Bericht:

Pat. war bei der Lufu. War lange weg Wartet zu Hause auf OP Termin Bekommt am Freitag Zähne gezogen bleibt solange hier. (51)17

Bei dieser Konstruktionsart wird in der Regel so vorgegangen, dass das Subjekt zu

Beginn des Eintrages steht und sich alle weiteren Sätze dann darauf beziehen. Diese

werden aber nicht durch Kommata aneinander gereiht, sondern stehen entweder ohne

Satzzeichen hintereinander (s. o.) oder werden durch Punkte getrennt.

Pat. klingelt. Hat Bedenken wg. heutiger HK-Untersuchung. Wollte etwas zur Beruhigung. Habe sie verbal beruhigt. (84)18

2.3.2.2 Nebensätze

Der Großteil der vorliegenden Fließtexte besteht aus einer Aneinanderreihung von

einfachen Hauptsätzen, Nebensatzkonstruktionen sind die Ausnahme, kommen aber

häufiger vor, wenn der Text insgesamt länger ist. Aufgrund der Unvollständigkeit der

Sätze sind auch Satzgefüge oft nicht vollständig und daher teilweise schwierig zu

klassifizieren. Die häufigsten Nebensätze werden durch Konjunktionen eingeleitet

(vgl. Drosdowski 1984, S. 667). In dieser Gruppe finden sich insbesondere

Kausalsätze, die durch ein Begründungsverhältnis gekennzeichnet sind: „im

17 Lufu: Lungenfunktionsuntersuchung 18 HK: Herzkatheteruntersuchung

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wesentlichen wird in dem einen der beiden Teilsätze die Ursache für das im anderen

Satz genannte Geschehen […] gegeben“ (ebd, S. 692). Kausalsätze werden in der

Regel durch ‘weil’ oder ‘da’ eingeleitet, so auch in folgenden Beispielen:

800 Uhr wurde Heparinperfusor pausiert, da Pat. noch Ascites-Pkt. erhalten soll; hat sich morgens im Bad selbst vesorgt […] (65)19

bzw.

[…] kam nach ca 30 Min zurück, weil dort zu viele Leute waren. […] (30)

Bisweilen gibt es in den Berichten auch andere Konjunktionen, zu finden sind die

Wörter „aber“ (sechs mal), „jedoch“ (vier mal), „als“ (zwei mal) „obwohl“

„deshalb“, „wenn“, ob“ (jeweils ein mal), sowie Konstruktionen mit „dass“ (vier

mal).

Auffallend selten sind Relativsätze. Im gesamten Material (295 Berichte) sind nur

drei Nebensätze dieser Art zu finden, sie stehen in Berichten von sieben Zeilen bzw.

vier Zeilen Länge, also überdurchschnittlich langen Texten. Eine der drei

Relativsatzkonstruktionen müsste das Relativpronomen im Dativ enthalten, der

Schreiber verwendet es jedoch im Nominativ:

Pat. hatte mehrmals VT-Alarm, welche durch den Defi mit Entladungen entgegen gesteuert wurde. […] (23)20

In diesem Fall stimmen weder Kasus noch Numerus von Substantiv und

dazugehörigem Relativpronomen überein. Über die Ursache solcher Schreibungen

kann nur spekuliert werden; ich vermute, dass sie vor allem in einer ungünstigen

Schreibsituation zu suchen ist (s. Abschnitt 2.3.7).

Insgesamt enthalten die 295 Berichte 30 durch Konjunktionen eingeleitete, allerdings

teilweise unvollständige Nebensätze, das heißt, Konjunktionalsätze kommen nur in

etwa jedem zehnten Bericht vor.

Abgesehen von Konjunktionalsätzen existieren vereinzelte Infinitivkonstruktionen

mit „um zu“ (24, 26, 281 u. a.), mit denen der Zweck einer Handlung ausgedrückt

wird wie in folgendem Fall:

Pat. macht sich mehrmals selbst vom Monitor ab, um auf Toilette 19 Heparinperfusor: Infusionsapparat für das Medikament Heparin (‘Blutverdünner’), Ascites:Flüssigkeit, die sich krankheitsbedingt im Bauchraum angesammelt hat und mittels Punktion („Pkt.“) entfernt werden muss. 20 VT: Herzrhythmusstörung mit lebensbedrohlicher hoher Herzfrequenz; Defi: Interner Defibrillator: Implantiertes Gerät, das diese Rhythmusstörungen durch gezielte Stromschläge beenden kann.

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64

zu gehen; sonst Ø Besonderheiten (24)

Auch bei diesen Beispielen gibt es allerdings wieder eines, bei dem die

Nebensatzkonstruktion nicht kongruent in ihrem Verhältnis zum Hauptsatz ist und

der ganze Satz in diesem Fall dadurch inhaltlich falsch wird:

Pat. war seit 930 bis 1300 auf Wache um ZVK zu legen. […] (281)21

Natürlich hat der Patient nicht selber einen „ZVK“ gelegt, sondern hat diesen von

einem Arzt gelegt bekommen. Möglicherweise ist die deutsche Sprache für diesen

Schreiber aber die Zweitsprache, denn er fährt fort:

da liegen 2 ZVKs. eins muß gezogen werden […]

Da das Wort ZVK maskulin ist (der Katheter), müsste also einer der beiden gezogen

werden. (Auch wirkt das auf den Ort hinweisende „da“ an dieser Stelle ungeschickt;

eleganter wäre eine Formulierung wie ‘Momentan liegen zwei ZVK, von denen einer

noch gezogen werden muss’ o. ä.)

2.3.3 Kohäsion und Kohärenz

Als Kohäsionsmittel bezeichnet man die sprachlichen Mittel, die an der

Textoberfläche als Verbindung zwischen den Worten sichtbar sind, als Kohärenz

bezeichnet man den Zusammenhang des Textes in sich, er ist folglich in der Tiefe

des Textes anzusiedeln (vgl. Linke/Nussbaumer/Portmann 2004, S. 254ff.).

In der Textlinguistik besteht seit einiger Zeit Uneinigkeit darin, ob und wie viel

Kohärenz ein Text braucht, um tatsächlich als Text definiert werden zu können (vgl.

Adamzik 2004, S. 47ff.). Diese Diskussion nehme ich zum Anlass, die

Verbundenheit der Pflegeberichte genauer anzusehen. Unter Bezug auf Jürgens

(1999) gibt Adamzik zu bedenken, dass unter bestimmten Umständen „selbst der

minimalistische Einsatz von Köhäsionsmitteln die Verständigung nicht unbedingt

stört“ (ebd., S. 139)22. Dieser Frage wird auch im Abschnitt über die Inhalte (Kap.

2.3.6) noch nachgegangen werden.

Wie wir gesehen haben, sind Pflegeberichte besonders dadurch gekennzeichnet, dass

kurze Hauptsätze aneinander gereiht werden. Diese werden nur selten miteinander

verknüpft. Stattdessen werden die einzelnen Themenbereiche voneinander isoliert

aufgezählt, ohne dass zwischen ihnen Beziehungen sprachlicher oder inhaltlicher Art

21 ZVK: Zentraler Venenkatheter: Schlauch in einer großen Vene zur Infusionsgabe 22 Vgl. auch die Merkmale von Texten nach Beaugrande/Dressler (1981) in Becker-Mrotzek 1997, S. 16f

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erkennbar sind. Die Pflegenden orientieren sich beim Schreiben offenbar an

Einzelfaktoren, die ihnen zu den betreuten Patienten einfallen. Sie verfassen die

Berichte möglicherweise anhand der in der Patientenakte vorliegenden Sammlung

von Befunden, Anordnungen sowie den geplanten und den bereits durchgeführten

Untersuchungen. Es ist denkbar, dass der Pflegebericht in der Reihenfolge der

anderen Daten der Akte unter Zuhilfenahme derselben erstellt wird. Was das

inhaltlich für Auswirkungen haben kann, wird in Abschnitt 3.2.2.6 noch deutlicher

herausgearbeitet. Sprachlich betrachtet gibt es für die Pflegenden offenbar kaum

Anlass zur Verknüpfung durch Kohäsionsmittel:

Pat. hat sich selbst versorgt. Ist mit Ehemann in der Augenklinik. Hatte heute keine Rhythmusstörungen. (33)

Auch wenn ein Thema über mehr als nur einen Satz entfaltet wird, verfügen die

Texte über wenig Kohäsion; nur ein Mittel wird häufig angewendet; es ist eine

verkürzte Variante der so genannten Proform. Bei dieser wird „mit Hilfe weitgehend

inhaltsleerer sprachlicher Elemente auf ein Bezugselement des sprachlichen

Kontextes verwiesen“ (Linke/Nussbaumer/Portmann 2004, S. 247). In den

Pflegeberichten wird eine pronominale Proform benutzt, jedoch ohne das Pronomen

tatsächlich zu nennen. Es handelt sich also im strengeren Sinne um Ellipsen, bei

denen anstelle der Proform eine Leerstelle steht (vgl. ebd., S. 251). Auch hierbei

entstehen Teilsätze, die kein Subjekt enthalten:

Pat. muss mehrmals zur Mobilisation aufgefordert werden, wird immer im Bett liegend o. schlafend an- getroffen; cardial beschwerdefrei (49)

Hier werden die Satzteile, die sich auf „Pat.“ beziehen und inhaltlich zur gleichen

Kategorie gehören, zwar durch Kommata abgetrennt, befinden sich folglich in einem

Satz, in anderen Beispielen kommen aber auch Punkte vor, so dass mehrere Sätze

entstehen (sofern der Punkt als zuverlässiges Zeichen für ein Satzende angesehen

wird):

Pat. beschwerdefrei. Hatte viel Besuch (118)

Andere Kohäsionsmittel wie Substitution oder andere Formen der Rekurrenz liegen

im untersuchten Material so gut wie nicht vor; Ausnahmen sind die oben erwähnten

Relativsätze, die den Proformen ähnlich sind, jedoch innerhalb eines Satzes gebildet

werden.

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Einige Berichte, in denen kurze Angaben zu Besonderheiten bei der

Patientenbetreuung gemacht wurden, enthalten eine Abschlussformel, die durch

„ansonsten“ oder „sonst“ eingeleitet wird. Dieser Satz steht dann immer am Ende

eines Berichts, sofern den Schreibenden nicht danach noch etwas Mitteilenswertes

einfällt wie im zweiten der folgenden Beispiele:

Pat. 2x erfolglos auf Toilette, sonst Pfl. lt. Pl. (207) Gegen 400 hat Pat geklagt über Luftnot – hat O2 erhalten laut DA. <mehrere Wörter durchgestrichen> Ausgeprägte Pneumonie + Staung Pat hat 3mg Lasiv23 erhalten – um 530 sonst Pat. es geht ihr ein bischen besser AB n. plan (286)24

Hier wird der abschwächende Eindruck erweckt, die geschilderte Besonderheit sei

nicht sehr bedeutsam, da ja im Übrigen alles soweit normal sei. Dies kann für die

nachfolgenden Kollegen als Beruhigung gedacht sein, damit sie sich um die

betreffenden Patienten keine besonderen Sorgen machen müssen. Gleichzeitig macht

es den Eindruck, dass der schreibende Pfleger seine Patienten in ‘ordnungsgemäßem’

Zustand hinterlässt – was ja tatsächlich im Krankenhaus gar nicht unbedingt erwartet

würde, da es manchen Patienten (wie der oben geschilderten Frau, die eine schwere

Lungenentzündung hat) ja unter Umständen durchaus über Schichtgrenzen hinweg

nicht gut geht.

2.3.4 Lexik und Semantik

Die vorliegenden Pflegeberichte weisen sehr viele ähnliche Formulierungen auf, die

Pflegenden wählen in der Regel geradezu standardisierte Sätze. Dies ist keine

Besonderheit des hier vorliegenden Materials. Wie ich auch während meiner

Berufstätigkeit in verschiedenen Krankenhäusern beobachten konnte, sind auch über

Stations- und Bereichsgrenzen hinweg, unabhängig vom Alter oder der

Berufserfahrung der Pflegekräfte, die gleichen Sätze üblich, mit denen der Zustand

der Patienten oder bestimmte Vorkommnisse beschrieben werden. Man findet sie in

verschiedenen Einrichtungen und in verschiedenen Städten im deutschsprachigen

Raum, so dass sich mir die Frage stellt, ob mit einer derart reduzierten

23 M. E. wurden hier zwei Wörter miteinander verschliffen: Lasix (Medikament zur Förderung der Ausscheidung) und i. v. (intravenös) 24 DA: Dienstartzt, AB: Antibiose

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Ausdrucksweise der Zustand eines kranken oder alten Menschen überhaupt treffend

wiedergegeben werden kann.

Auf gezielte Nachfrage bei einigen Pflegekräften wurden mir im Wesentlichen drei

Gründe (übrigens meist in vollem Bewusstsein für das bestehende Problem) für

diesen reduzierten Sprachgebrauch genannt: Erstens handele es sich um eine

konventionelle Ausdrucksweise, die in der Klinik eben üblich sei und die man schon

in der Ausbildung verinnerliche, weil ja schließlich alle Kollegen so schrieben (Wir

haben es demnach mit einer Form der institutionellen Kommunikation zu tun). Diese

Äußerung deckt sich mit der Beobachtung, die Jakobs über das Schreiben im Beruf

unabhängig von der Berufssparte gemacht hat: „Die Anfänger fragen erfahrene

Kollegen, wie Texte aussehen sollen und/oder orientieren sich an den Textbeispielen

der beruflichen Umgebung“ (Jakobs 2005, S. 321).

Zweitens koste das Verfassen der Berichte sehr viel mehr Zeit, wenn man sprachlich

anspruchsvoller schreiben wolle, diese habe man aber meistens nicht. (Die Ursache

für Defizite im sprachlichen Bereich seien durch wirtschaftliche Zwänge bedingt.)

Die Schreibaufgabe wird – im Gegensatz zu pflegerischen Handlungen – nicht als

die eigentliche Arbeit aufgefasst, was für spezielle Berufsgruppen ebenfalls auch von

Jakobs so beschrieben wurde: „Der subjektive Stellenwert wirkt sich auf den

Produktionsprozess aus“ (ebd., S. 323) und führt zu weniger Zeitaufwand und

Energie beim Überarbeiten.

Und drittens – und das ist wohl der erschütterndste Grund – würde ja sowieso

niemand lesen, was man dort schreibe, es gäbe also recht wenig Grund, sich Mühe

mit den Formulierungen zu geben. Diese Einstellung bekam ich auch zu spüren,

wenn ich auf den Stationen Material sammeln wollte und mich beim anwesenden

Personal kurz vorstellte und ihnen mein Vorhaben schilderte. Die Aussage „Das ist ja

ungewöhnlich, dass sich jemand für die Pflegeberichte interessiert!“ hörte ich nicht

nur ein Mal.

Welche Formulierungen sind nun konkret gemeint?

Zunächst fällt auf, dass von den 295 Berichten nur 58 nicht mit der Abkürzung „Pat.“

für Patient/Patientin beginnen! Bei einigen der 58 Berichte, die mit anderen Wörtern

beginnen, steht das Wort „Pat.“ dann zu Beginn des zweiten Satzes, so dass sich die

Zahl der Anfangsvarianten weiter reduziert. (Ebenfalls abgezogen werden müssten

die Berichte, die auf andere Weise standardisiert formuliert werden; an der

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Handschrift ist zu sehen, dass einzelne Pflegende oft wörtlich identische Einträge

schreiben.) Die Bezeichnung „Pat.“ anstelle des persönlichen Namens scheint den

Pflegenden völlig zu genügen, denn Patientennamen werden in keinem einzigen

Bericht genannt. Dazu sei allerdings angemerkt, dass auf jedem Blatt ein

Namensetikett klebt, so dass Verwechselungen sicher ausgeschlossen sind. Der

Gebrauch der Abkürzung „Pat.“ legt jedoch die Vermutung nahe, dass die Patienten,

zumindest im Hinblick auf das Verfassen des Berichts, in gewisser Weise

austauschbar sind, bzw. dass es weniger um die Person geht, über die berichtet wird,

sondern hauptsächlich um einen zu schildernden Zustand oder besondere

Vorkommnisse.

Für den Bereich der mündlichen Kommunikation wurde bereits dargestellt, dass die

Nennung eines Namens einen Einfluss auf der Beziehungsebene hat (vgl. Kapitel

2.2.2.2 in Teil I). Dies hätte auch in der schriftlichen Kommunikation vielleicht eine

ähnliche Funktion. Ob die Pflegenden auf den Namen verzichten, weil sie dies im

schriftlichen Bericht unpassend finden oder ob wenig Wert darauf gelegt wird, zu

zeigen, ob oder dass sie eine persönliche Beziehung zu ihren Patienten aufgebaut

haben, bleibt unklar.

Im Gegensatz zum Fehlen der Patientennamen werden ab und zu Namen der Ärzte

genannt. Diese spielen wohl insofern eine größere Rolle, weil sich Pflegende damit

absichern können, wer genau etwas angeordnet oder eine ärztliche Entscheidung

getroffen hat, wer also im Falle auftretender Fragen oder Beschwerden als

Ansprechpartner angesehen wird:

Nierenwerte haben sich verschlechtert → wird gespült, Pat darf nicht in Ausgang l. OA Müller25 – Pat ist ziemlich aufgebracht. […](167)

Obwohl geschildert werden könnte, wie Patienten, denen es erfreulich gut geht, ihren

Tag verbracht haben, beschränken sich die Pflegenden in der Regel auf die

Formulierung

Pat. beschwerdefrei (72)

Pat. unauffällig (134)

oder auf vergleichbare Texte; ein Patient, der sich wohl fühlt, macht eben wenig

Arbeit. Eher selten wird sein Zustand erläutert, was dem Leser jedoch einen viel

genaueren Einblick in das Erleben des Patienten ermöglicht:

25 Name geändert

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69

Pat. […] wirkt unzufrieden und gibt sich Gleichgültig gegenüber seiner Krankheit. Möchte am liebsten nach Hause. Ansonsten beschwerdefrei (58)

Das Wort „Beschwerde“ (bzw. „Beschwerden“, „Beschw.“ oder das Kompositum

„beschwerdefrei“) kommt in der Textsammlung 99 mal vor, steht also in jedem

dritten Bericht. Es wird immer dann gebraucht, wenn die Patienten keine

„Beschwerden“ haben, bei Einschränkungen des Wohlbefindens wird dieses in der

Regel kurz erläutert:

Pat. wirkt verlangsamt. RR ↓ Beine ↑ im Bett, spricht unklar (8)26

Daraus lässt sich schließen, dass bestehende Probleme des Patienten in der Regel zu

längeren Berichten führen. Dies müsste man genauer untersuchen, in dem man

inhaltliche Kategorien (Beschreibung des Zustandes der Patienten) mit der Anzahl

der geschriebenen Wörter vergleicht; ich beschränke mich hier jedoch auf die

Feststellung als solche, obwohl es auch einige wenige Abweichungen gibt, in denen

positive Vorkommnisse oder planmäßige Verläufe ausführlich geschildert werden:

Nach unauffälliger HK-Nachsorge wurde um 1430 der DV entfernt, Ø Strömungsgeräusch, ESS o. B. Pat. wurde problemlos mobili- siert. (125)27

2.3.5 Abkürzungen und Verwendung von Zeichen

In einigen der bisher zitierten Berichte kamen bereits verschiedene Symbole sowie

Abkürzungen vor. Oft entsprechen die Abkürzungen dem mündlichen

Sprachgebrauch des medizinischen Personals untereinander, insbesondere wenn es

sich um Abkürzungen für lange oder komplizierte Wörter handelt. Die Abkürzungen

werden von allen Pflegenden synonym für das medizinische Fachwort verwendet,

wobei es vorkommt, dass die korrekte Bezeichnung dem Personal nicht oder nicht

vollständig bekannt ist. Wenn alle Beteiligten aber nur die entsprechenden

Abkürzungen verwenden, fällt dieses jedoch nicht auf, bzw. spielt meist keine Rolle.

Beispiele hierfür sind „ACVB“ (124) für die Operationsbezeichnung

‘Aortocoronarer Venenbypass’ oder „o. B.“ für ‘ohne Befund’ (5).

Eine andere Form des Abkürzens tritt bei Wörtern auf, die sehr häufig vorkommen,

das Beispiel „Pat.“ wurde bereits genannt, unauffällig wird zu „unauff.“ (222),

26 RR: Blutdruck 27 HK: Herzkatheteruntersuchung, DV: Druckverband, ESS: Einstichstelle (unübliche Abkürzung)

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Besonderes wird zu „bes.“ (67), Therapie zu „Th“ (175) und Pflege zu „Pfl“ (175).

Es wird dabei grundsätzlich davon ausgegangen, dass der Leser diese Abkürzungen

versteht, die sich oft, aber nicht immer, tatsächlich im Kontext erschließen lassen,

zumindest wenn über medizinisches bzw. pflegerisches Fachwissen verfügt wird.

Abgesehen von Abkürzungen ist die Verwendung einiger Symbole sehr verbreitet.

Die häufigsten Zeichen sind Pfeile, die entweder angeben sollen, wie sich ein (Blut-)

wert oder ein Zustand verändert (↑,↓) oder eine Konsequenz beschreiben, die sich

aus dem zuvor geschilderten Geschehen ableiten lässt bzw. sich auf diese begründet.

Hierbei wird der nach rechts zeigende Pfeil eingesetzt (→).

Abkürzungen und Pfeile werden geradezu virtuos miteinander kombiniert und tragen

unter Umständen sehr zu einer Einsparung des Schreibaufwandes bei, wie sich am

folgenden Beispiel zeigt, über das man trotz seiner korrekten inhaltlichen Logik

beinahe schmunzeln muss…:

[…] Pat bei RR ↓ → hohe AF ↑, Sätt ↓, bei FiO2 ↑, AF ↓, RR ↑, Pat scheidet Ø aus. (93)28

Die insgesamt sieben (!) Pfeile in der ersten Zeile nutzt der Schreiber zur genauen

Darstellung des Zusammenhanges zwischen mehreren Beatmungsparametern und

Auswirkungen auf den Blutdruck (RR) des Patienten.

Das Zeichen Ø wird sehr verbreitet in verneinender Bedeutung verwendet und steht

immer für die Wörter nicht/nichts bzw. kein/keine.

2.3.6 Inhalt

Wie wir bereits gesehen haben, wird in den Pflegeberichten nicht nach einer genauen

Vorgabe dokumentiert, sondern es wird eher das notiert, was den Pflegenden in der

vergangenen Schicht erwähnens- oder bemerkenswert an ihren Patienten erschien.

Dies können medizinische Fakten, Rückschlüsse aus Gesprächen mit den Patienten,

Beobachtungen und vieles mehr sein. Da für den Pflegebericht unbegrenzt Platz zur

Verfügung steht, bleibt der Umfang im Ermessensspielraum der Pflegenden. Er

scheint vor allem durch die knappe zeitliche Ressource limitiert zu sein, die den

Pflegenden zur Verfügung steht.

Zusätzlich zum Pflegebericht müssen einige andere Formulare spätestens bis zum

Schichtende ausgefüllt werden, die Berichte werden im Arbeitsalltag oft zum Schluss

und in zeitlicher Nähe zur Schichtübergabe geschrieben.

28 AF: Atemfrequenz; Sätt: Sauerstoffsättigung im Blut; FiO2: Anteil des Sauerstoffes, der der Beatmungsluft beigemischt wird.

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71

Bei der potentiellen Vielzahl der Themen muss angemerkt werden, dass bei einem

Großteil der Berichte Fakten notiert werden, die bereits an anderer Stelle der

Patientenakte (Fieberkurve usw., vgl. Kapitel 1 in diesem Teil) vermerkt wurden.

Dazu gehören alle Angaben zu Medikamenten, zu den Vitalzeichen Puls,

Temperatur, Blutdruck sowie Anordnungen zu Untersuchungen. Trotzdem finden

sich diese Themen sehr oft in den Berichten wieder, was letztlich bedeutet, dass viele

Dinge doppelt dokumentiert werden – und das, obwohl die Zeit oft so knapp ist! Im

folgenden Beispiel, einem mit vier Zeilen immerhin leicht überdurchschnittlich

langem Text, finden sich bis auf die ersten zwei Wörter nur Informationen, die an

anderer Stelle bereits genannt wurden:

Pat. beschwerdefrei, hat 3600 ml Aszitis punktiert bekommen. Bilanz bei -3050, ab 2200 wieder Heparin auf 2,1 + 5000 IE als Bolus (66)29

Ebenso verhält es sich im folgenden stichwortartigen Bericht aus einer

Intensivstation, bei dem die Inhalte der ersten vier (von sechs) Zeilen nichts

enthalten, was man nicht auch an der Kurve (oder dem mindestens stündlich

aktualisiertem Beatmungsprotokoll) ablesen könnte, da alle Ausscheidungen ja in der

Fieberkurve verzeichnet werden:

RR – weiter Arterenolpflichtig Resp. – stabil Hb-stabil – Ø Teerstuhl abgeführt fördert weiter Hämatin über MS Hat morgens Augen aufgemacht beim Lagern. Ø Fixiert. Ø Extremitäten bewegt. (91)30

Den Pflegenden scheint diese doppelte Dokumentationsarbeit nicht aufzufallen, sonst

würden sie sicher gerne darauf verzichten. Außerdem fehlt möglicherweise auch das

Bewusstsein dafür, was in einem Bericht notiert werden könnte. Insbesondere die

Befürchtung der Pflegenden, der Bericht werde womöglich sowieso von niemandem

gelesen (vgl. Kap. 2.3.4), verhindert eine echte Auseinandersetzung mit sinnvollen

Inhalten, die es zu kommunizieren gilt.

Zwei Einträge (87, 213) tragen wirklich Merkmale der Textsorte Bericht, die sich

durch präzise Formulierungen, eine neutrale Sichtweise und einen chronologisch

korrekt dargestellten Ablauf des Geschehens auszeichnet (vgl. http://www.uni-

duisburg-essen.de/schreibwerkstatt/trainer/trainer/seiten/s118.html). Beide Texte

29 Aszites: Wasseransammlung im Bauchraum, Heparin: Medikament zur Blutverdünnung, IE: Internationale Einheiten, Bolus: kurzfristige hohe Medikamentendosierung 30 RR: Blutdruck, Arterenol: Medikament zur Blutdruckerhöhung, MS: Magensonde

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gehören zu den längsten der gesamten Datensammlung, einen zitiere ich hier

beispielhaft in seiner vollen Länge, obwohl auch dieser in den letzten drei Zeilen

Dinge enthält, die bereits an anderer Stelle stehen müssten:

[…] Pat von Toilette mit Stöcken zurück- gelaufen u vor dem Bett Übergewicht bekommen, Pat ist auf Nachttisch gestürzt nur mit <…> möglich Pat von Boden aufzuheben, Pat. hat an Nase von Brille leicht Schürfwunde Pat hatte Übelkeit mit erbrechen RR 90/50 70 HF, NaCl 0,9% angehängt soll 500 ml haben, BZ 135 mg% (213)31

Der Leser erfährt hier den Hergang des Sturzes des Patienten, der sich dabei leicht

verletzt hat. Unklar bleibt allerdings, ob die betreuende Pflegekraft selbst anwesend

war oder ihre Schilderung des Geschehens auf der Erzählung des Patienten basiert.

Interessant ist dieser Eintrag auch noch aus einem anderen Grund: Ausnahmsweise

bezieht sich der nachfolgende Bericht auf den Zustand des Patienten, bzw. auf die

zuvor beschriebene Übelkeit:

Pat. geht´s nach Pantozol- / Paspertingabe besser, hat viel geschlafen, probiert jetzt mit Tee + Zwieback (214)

Dieser Zusammenhang zwischen den Berichten ist sonst kaum zu finden, in der

Regel beziehen sich die Schreibenden nicht auf die vorigen Einträge, es sei denn, der

Zustand eines Patienten ändert sich über längere Zeit hinweg („weiterhin“) nicht und

dieses wurde zuvor schon mehrfach notiert:

Pat […] möchte Bett weiterhin nicht ver- lassen (217)

In der Regel stehen Berichte mit gleichem Inhalt jedoch hintereinander, ohne

inhaltlich oder sprachlich Bezug aufeinander zu nehmen:

Pat. klagt über Rückenschmerzen, erhielt 1x Bedarf, anschließend besser (40)

Pat. schlief. Wurde zur Toilette begleitet Hatte 1x Rückenschmerzen. Bedarf verab- reicht (41)

Diese Beobachtung spricht möglicherweise dafür, dass die Pflegenden ihre Berichte

gegenseitig nicht lesen, also deren kommunikative Funktion gar nicht wahrnehmen!

Das mangelnde Bewusstsein für diesen Zweck der Berichte erscheint mir

schwerwiegender als das Fehlen potentieller kommunikationsfördernder Elemente,

31 HF: Herzfrequenz, NaCl 0,9%: Kochsalzinfusion, BZ: Blutzucker

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73

wie es vielfach zum Beispiel Kohäsionsmitteln zugeschrieben wird. Ich schließe

mich also hier insofern der Aussage Adamziks an, dass der sparsame Einsatz von

Kohäsionsmitteln die kommunikative Funktion nicht unbedingt stören muss (vgl.

Adamzik 2004, S. 139), sondern dass textexternen Faktoren wie etwa der Art der

Rezeption eine bedeutend größere Rolle zukommt.

2.3.7 Schreibsituation

In der Regel werden Pflegeberichte direkt auf der Station verfasst, wobei meistens

ein Schreibtisch im Pflegestützpunkt zur Verfügung steht, den sich die anwesenden

Pflegekräfte jedoch oft teilen. Eventuell können sie an Tische im Aufenthaltsraum

ausweichen. Viele Berichte, vor allem auf den Intensivstationen, werden jedoch im

Stehen auf Ablageflächen aller Art verfasst. Die Pflegenden können sich für ihre

Textproduktion in der Regel nicht zurückziehen, da in dieser Zeit niemand für ihre

Vertretung bei der Patientenbetreuung zur Verfügung steht; zumindest wird dies

gewöhnlich nicht eingeplant. Während der Schreibtätigkeit läuft der normale

Stationsbetrieb ungehindert weiter. Das bedeutet, dass die Pflegenden während des

Schreibens unter Umständen mehrfach unterbrochen werden, was sich auch an den

Texten zeigt. Es kommt zu Satzabbrüchen oder grammatisch inkonsistenten

Formulierungen, ohne dass mangelnde sprachliche Fähigkeiten dafür zu

identifizieren sind. Das folgende Beispiel verdeutlicht die Schwierigkeit, sich auf die

Textproduktion zu konzentrieren; sprachliche Defizite liegen dabei aber offenbar

nicht vor, denn die gleiche Schwester benutzt in einem anderen Bericht dieselbe

Formulierung grammatisch fehlerfrei:

[…] T-Stück nach 1 min abge- brochen auf Grund mangelndes Atemantrieb (90)32

Besonders in Berichten der Intensivstationen kommen Satzabbrüche vor, offenbar

werden die Pflegekräfte hier mit größerer Dringlichkeit in der Schreibarbeit

unterbrochen (Notfälle usw.) als auf den Normalstationen, wo dieses Phänomen

selten ist.

Pat. Kardiozir. Stabil, T-Stück ohne Probleme → Extubation 1215 seither etwas Hyperventiliert aber soweit gute Gase Pat. reagiert adequat gibt diffuse (1)

32 T-Stück-Versuch: Kurzfristiges Abschalten der Beatmungsmaschine mit dem Ziel, die Eigenatmung des Patienten beurteilen zu können.

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74

Hier bricht der Bericht unvermittelt ab, es fehlt auch das Handzeichen, das ja

normalerweise am Ende jeden Berichtes steht.

2.3.8 Überarbeitung

Auch wenn durch eine qualitative Analyse wenig gesicherte Aussagen zur

Überarbeitung gemacht werden kann, ist wohl davon auszugehen, dass die Berichte

normalerweise nicht nochmals gelesen und überarbeitet werden, anderenfalls würden

vermutlich zumindest die unter 2.3.7 dargestellten Phänomene den Schreibern

auffallen. Ob die Ursache der fehlenden Korrektur vor allem in der knapp

bemessenen Zeit oder eher im mangelnden Bewusstsein für die kommunikative

Funktion des Berichtes zu suchen ist, wage ich nicht zu beurteilen. Dass sich die

durch Unruhe und Störungen geprägte Schreibsituation jedoch tendenziell negativ

auf die Berichte auswirken muss, ist wohl gut nachzuvollziehen.

Leider erkennen die Verfasser der Berichte oftmals die Zweckmäßigkeit ihres Tuns

nicht. Wenn sie ihrerseits die Texte ihrer Kollegen lesen und deren Informationen für

ihre eigene Arbeit gewinnbringend einsetzen könnten, hätten sie vermutlich eine

größere Motivation, auch schwierigere Sachverhalte (wie etwa das psychische

Befinden der Patienten) ausführlicher zu schildern. Da im Berufsalltag dem

Verfassen der Pflegeberichte in der Regel die mündliche Übergabe an die nächste

Schicht folgt, mag das schriftliche Dokumentieren als zusätzliche Arbeit erscheinen;

schließlich kann man die als wichtig eingestuften Dinge ja auch mündlich

weitergeben.

Der besondere Nutzen der Schrift, Informationen dauerhaft zu fixieren und damit

über Raum und Zeit hinweg beständig verfügbar zu machen, wird im Pflegealltag

kaum genutzt. Der Pflegebericht könnte nämlich auch dazu dienen, die Ereignisse

der vergangenen Stunden strukturiert zusammenzufassen und somit eine Vorlage für

die mündliche Übergabe zu erstellen. Dazu bedürfte es nicht zuletzt einer

konzentrierten und ruhigen Atmosphäre sowie einer klaren Zielsetzung beim

Schreiben. Außerdem müsste die Möglichkeit bestehen, auch fremde Texte zu lesen

und diese für das eigene Handeln zu nutzen, um den kommunikativen Zweck solcher

Texte zu erkennen. Eine Überarbeitung würde in diesem Sinne bedeuten, dass der

Text auch auf seine Verständlichkeit und seine Nutzbarkeit hin überprüft wird.

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75

3 Förderung ausbildungsbezogener Kompetenzen im

Deutschunterricht für den schriftlichen Sprachgebrauch

3.1 Auswertung der Ergebnisse und Erwartungshorizont:

Welche Fähigkeiten müssten Schüler im Hinblick auf die

Ausbildung in Pflegeberufen erlangen?

In Kapitel 3.2 im Teil I war zu sehen, dass Kompetenzen für die mündliche

Kommunikationsfähigkeit vor allem in den Arbeitsbereichen „Sprechen“ und

„Sprachbewusstsein entwickeln“ vermittelt werden sollen. Für den Bereich der

schriftlichen Kommunikation und der Textproduktion finden sich die Vorgaben vor

allem in den Bereichen „Schreiben“ und „Lesen / Umgang mit Texten“.

Die Produktion schriftlicher Texte wird traditionell meist in Anlehnung an den

Literaturunterricht verstanden; Textproduktionen dienen dann der Entfaltung der

Kreativität und der Identitätsbildung der Schüler. Dabei spielen die Lerninhalte, die

auch zur Rezeption von Literatur befähigen, wie etwa die Fähigkeit zur

Perspektivenübernahme usw. eine große Rolle. Schreib- und Lesekompetenzen

gehören also insofern zusammen, dass das eine ohne das andere nicht denkbar ist. Im

Hinblick auf ausbildungsbezogene Kompetenzen ist es aber zweifelhaft, ob die

Entwicklung von Schreibkompetenzen auf den Literaturunterricht beschränkt bleiben

muss.

Zunächst wird jedoch dargestellt, welche Vorstellung von Textproduktion dem

Bildungsplan Baden-Württemberg zu Grunde liegt.

3.2 Vorgaben des Bildungsplans

In der Grundschule steht zunächst der Schriftspracherwerb im Vordergrund. Als

Leitgedanke für diesen elementaren Abschnitt des Schreibenlernens gilt, dass die

Schüler dabei eine „(Re)Konstruktion der Schrift“ in Eigenaktivität entwickeln sollen

statt passiv vorgegebene Muster und Konventionen zu übernehmen (vgl.

Bildungsplan Grundschule, S. 43). Sie sollen nach und nach Strategien entwickeln,

mit deren Hilfe sie ihre Texte verfassen können. Anfangs geht es dabei hauptsächlich

um Erkenntnisse über sprachliche Regelmäßigkeiten und die Entwicklung

orthografischer Kompetenzen, zunehmend aber auch um die Förderung einer

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lebenslang andauernden Freude am Schreiben, Lesen und Sprechen. Das Schreiben

soll von den Kindern als persönlich bedeutsam erfahren werden (vgl. ebd. S. 47),

dabei soll die kommunikative Funktion des Schreibens von Anfang an eine wichtige

Rolle spielen. Die Kinder brauchen dafür die „Gewissheit, dass ihre Texte für reale

Leserinnen und Leser bestimmt sind“ (S. 45).

Am Ende der zweiten Klasse sollen die Kinder kurze Texte eigenständig verfassen

können, wobei die Schreibanlässe sowohl vorgegeben als auch individuell

ausgewählt sein sollen. Sie können die zeitliche Reihenfolge innerhalb einer

Geschichte beachten und können Fragen an eigene und an fremde Texte stellen.

Infolgedessen entwickeln sie erste Fähigkeiten zur Überarbeitung von Texten (vgl.

S. 48).

Am Ende der Klasse 4 wird erwartet, dass die Kinder ihren Schreibprozess selber

planen können, indem sie ihre Themen selber auswählen und ihre Texte unter einer

besonderen Zielsetzung schreiben. Die Texte dienen also einem bestimmten

kommunikativen Zweck, dessen wichtigste Voraussetzung der entsprechende

Adressatenbezug ist. Sie sollen sowohl Texte mit „erzählendem“ wie auch

„informierendem Charakter“ (S. 51) verfassen können, wobei nicht genau benannt

wird, worin sich die beiden Typen unterscheiden sollen. „Schreibhilfen“ wie

„Ideensammlung, Wortfelder, Textmuster“ oder „erweitern, ersetzen, umstellen,

kürzen“ (ebd.) sollen den Kindern helfen, ihre Texte zu strukturieren und

anschließend über eigene und fremde Texte zu kommunizieren.

In den „Leitgedanken zum Kompetenzerwerb für Deutsch“ im Bildungsplan

Hauptschule (2004, S. 55) wird definiert, was unter Schreibkompetenz zu verstehen

ist; es handelt sich um „die Fähigkeit, Texte so zu verfassen, dass sie der

Anforderungssituation entsprechen, also sie sachgerecht darzustellen, folgerichtig zu

argumentieren, ansprechend zu erzählen oder kreativ zu variieren“ (ebd.). Am Ende

der Klasse 6 sollen die Schüler Texte planen können, dazu gehören die Fähigkeit

Material zu sammeln, Stichworte für die Textproduktion verwenden zu können und

Ereignisse in einer folgerichtigen und logischen Reihenfolge wiederzugeben. Dabei

sollen sie „dem Schreibziel und der Schreibsituation entsprechend schreiben“ (S. 58).

Die Kompetenzen zur Überarbeitung eigener Texte werden in Schreibkonferenzen

und durch Gespräche über Texte gefördert (vgl. S. 59). Als zu vermittelnde

Textsorten werden Brief /E-Mail, Einladung und (Telefon-)Notiz genannt.

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Erst in Klasse 9 wird die Textsorte Bericht explizit genannt, und zwar in Form des

Praktikumsberichts sowie des Unfallberichts. Die Schüler müssen also ihre Texte

nach vorgegebenen Textmustern verfassen können, dabei sollen sie in der Lage sein,

Konventionen zu bestimmten Textmustern zu beachten. Der Adressatenbezug wird

allerdings nur in Bezug auf die Gestaltung thematisiert, diese soll

„adressatengerecht“ und „übersichtlich“ sein (S. 61).

Insgesamt orientiert sich der Bildungsplan für die Hauptschulen Baden-

Württembergs relativ wenig an bestimmten Textsorten, der Schwerpunkt des Lernens

liegt eher auf Kriterien wie Verständlichkeit, Logik und einem angemessenen

Sprachgebrauch. Das bedeutet, dass sich die Vorgaben für die Hauptschule deutlich

von den Anforderungen, die an Gymnasiasten gestellt werden, unterscheiden; die

Vermittlung der Textsorten Erzählung, Schilderung, Bericht, Beschreibung und

Erörterung gehört heute an diesen Schulen immer noch zu den Standardinhalten des

Deutschunterrichts (vgl. z. B. Ludwig 2006, S.174f.).

3.3 Schreibkompetenzen

Ausgehend von der Analyse der Pflegeberichte lassen sich unter zwei

Gesichtspunkten Lernziele für die Entwicklung der Schreibkompetenz ableiten:

Erstens stellt sich die Frage, über welche Fähigkeiten Schüler verfügen müssen, um

beispielsweise Pflegeberichte verfassen zu können (bzw. überhaupt im beruflichen

Kontext Berichte schreiben zu können). Zweitens gilt es angesichts der

Analyseergebnisse wohl auch, Wege aufzuzeigen, wie Pflegeberichte und ähnliche

berufsspezifische Textsorten in Zukunft qualitativ verbessert werden könnten, mit

anderen Worten, wo eine noch stärkere Akzentuierung bestimmter Kompetenzen von

Nöten wäre. Beide Aspekte sollen in der Ableitung der Lernziele berücksichtigt

werden.

3.3.1 Schriftlich-konzeptuale Fähigkeiten

Becker-Mrotzek stellt fest, dass „Kinder und Jugendliche […] über viele Jahre eine

deutliche Entwicklungsdifferenz zwischen ihren mündlichen und schriftlichen

Kommunikationsfertigkeiten auf[weisen]. Das ist ein deutliches Indiz dafür, dass die

Produktion von Texten anderen Bedingungen unterliegt als die mündlicher

Äußerungen“ (1997, S. 27).

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Um diesem Phänomen nachzugehen, sollte man sich vergegenwärtigen, welche

Merkmale es sind, die die Schrift und den Schriftgebrauch konstituieren. Eine

umfassende (und hier sehr verkürzt dargestellte) Beschreibung erfahren diese

Merkmale im von Koch/Oesterreicher (1994) geprägten Begriff der Schriftlichkeit,

deren Ausprägung zwischen der medialen wie der konzeptionellen zu verorten ist.

Dabei gelten Merkmale wie ein höheres Maß an Kompaktheit, Komplexität,

Elaboriertheit für die konzeptionelle Schriftlichkeit konstitutiv. Weitere Faktoren wie

räumliche und zeitliche Distanz der Kommunikationspartner, ein gewisses Maß an

Öffentlichkeit, eine monologische Grundkonzeption und die Fixierung auf ein

bestimmtes Thema kommen hinzu (vgl. Günther 1993, S. 88).

Die medialen Dimensionen mündlich und schriftlich sowie die konzeptionellen Pole

der Mündlichkeit bzw. der Schriftlichkeit sind nicht genau voneinander abzugrenzen;

vielmehr existieren sie nebeneinander bzw. „durcheinander“ (ebd., S. 89). Dennoch

bedarf es einer genauen Vorstellung der konzeptionellen Schriftlichkeit, wenn

Schüler anhand vorgegebener Textmuster eigene Texte verfassen sollen.

Im Gegensatz zum Sprechen kann die einzelne Äußerung geplant werden, und zwar

so lange, wie der Schreiber das möchte; die „Planung des Sprechaktes wird zu einer

eigenen Handlung“ (Becker-Mrotzek 1997, S. 66), bevor sie geäußert, also

niedergeschrieben wird. Dies ermöglicht einen reflektierteren Sprachgebrauch, etwa

was die Wortwahl angeht, als es in der gesprochenen Sprache möglich ist. Die

Planung der Äußerung ist aber auch nötig, um einer Situation angemessen zu

agieren, was bei der Textproduktion beispielsweise heißt, dass die Reaktion des

Lesers schon antizipiert und ein Schreibziel formuliert werden muss und dass die

potenzielle Möglichkeit einer Überarbeitung und Veränderung bereits beim

Schreiben eingeschlossen ist.

Das Schreiben an sich teilt sich auf in den wichtigen Prozess der Planung und einen

zweiten Prozess der Niederschrift, also der graphemischen Umsetzung in

Schriftzeichen (vgl. ebd., S. 67). Das heißt, dass „Schriftlichkeit ein eigenständiges

Konzept, einen eigenen Denkstil darstellt und nicht nur ein Anhängsel des Sprechens

ist“ (Fix 2000, S. 34) und dass die für das Konzept erforderlichen Fähigkeiten und

Vorstellungen in der Schule ausgebildet werden müssen. Dabei ist zu

berücksichtigen, dass die Entfaltung der konzeptionellen Schriftlichkeit an die

kognitive Entwicklung der Kinder gebunden ist, also erst im Laufe der Schulzeit

erreicht werden kann. Günther weist darauf hin, dass „selbst ganz einfache

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sprachlich-kognitive Leistungen nicht möglich sind, solange Schrift nicht verfügbar

ist“ (1993, S. 86), die Aneignung von Schrift bewirkt nach seiner Auffassung also

eine Veränderung des Denkens.

Nicht unerwähnt sollten daher auch die Auswirkungen auf den mündlichen

Sprachgebrauch bleiben. Günther beschreibt, wie die Anforderungen an gesprochene

Sprache durch die Schriftlichkeit geprägt sind, so dass „das didaktische Ziel […]

(auch) [ist], dass der Schüler schriftlich sprechen lernt“ (ebd., S. 93). Diese

Forderung ist zwar nicht unumstritten, da der mündliche Sprachgebrauch ja durchaus

vom schriftlichen abweicht; ein Zusammenhang zwischen dem Begreifen von

schriftlicher Konzeption und der Verbesserung mündlicher Kompetenzen ist nach

Günther jedoch zweifelsfrei festzustellen.

Die Erziehung zur Schriftlichkeit umfasst die gesamte Schulzeit und beginnt mit dem

Schriftspracherwerb, der phonologischen Bewusstheit und der Erkenntnis, dass sich

Sprache in Laute gliedert. Schüler sollten die Unterschiede zwischen Schriftlichkeit

und Mündlichkeit kennen, sollten aber auch wissen, dass es in Bezug auf die

konzeptionelle Ebene Schriftlichkeit – Mündlichkeit selten eindeutige Zuordnungen

gibt, sondern dass die Unterschiede vielmehr graduell sind. Die Reflexion über

Normen und Konventionen des Sprachgebrauchs stellt für dieses Wissen eine

wichtige Basis dar.

3.3.2 Zweck des Schreibens

Die Schrift hat sich im Laufe der Zivilisation des Menschen aus Zeichen und

Symbolen entwickelt und dient dem Zweck, mit Hilfe konventionalisierter

graphischer Zeichen Sprache zu fixieren und damit dauerhaft verfügbar zu machen.

Die Schrift überträgt damit Sprache in ein anderes Medium (vgl. Günther 1993,

S. 85). Sie konnte sich entwickeln, weil die Kapazität des menschlichen

Gedächtnisses sehr begrenzt ist und es unzählige Gründe gibt, Informationen

aufzubewahren. Auch (und im Besonderen) Berichte erfüllen den wichtigen Sinn,

Sachverhalte zu fixieren und damit die Flüchtigkeit der mündlichen Sprache zu

überwinden. Damit werden Äußerungen reproduzierbar gemacht. Durch die Schrift

werden Sprachhandlungen „zerdehnt“ (Becker-Mrotzek 1997, S. 31), das Schreiben

bzw. Lesen ist gewissermaßen dadurch gekennzeichnet, dass einmal der Hörer und

einmal der Sprecher fehlt.

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Je mehr sich der Berichtschreibende dieser Bedeutung von Schrift im Klaren ist,

desto besser kann er Inhalte identifizieren, die so wichtig sind, dass sie im Kontext

der zu berichtenden Situation aufgeschrieben werden sollten. Es ist im

Zusammenhang mit der Betreuung von Kranken kein Wunder, dass den

Pflegeberichten eine wichtige Absicherungsfunktion zukommt. Im Falle eines

Rechtsstreites werden Schriftstücke zur Rekonstruktion des zu behandelnden

Sachverhaltes herangezogen. Je differenzierter der Bericht ausfällt, desto schlüssiger

und klarer ist das Bild, das sich der Leser anhand der fixierten Fakten machen kann.

Das Verfassen eines Berichts beinhaltet also auch ein Maß an Verantwortung, dessen

sich der Verfasser bewusst sein sollte.

Auch wenn dem Schreiber die Absicht, sich verständlich auszudrücken, nicht

abzusprechen ist, gibt es doch Gründe für die Annahme, dass die

Textverständlichkeit für Texte im Berufsalltag nicht die höchste Priorität hat. Auch

Jakobs (2005, S. 324f.) weist darauf hin, dass berufliche Texte häufig der

Absicherung des Schreibers dienen, unter diesem Gesichtspunkt kann ein Bericht

eigentlich nicht ausführlich genug sein.

Für Schüler wird diese Verantwortung dann deutlich, wenn Berichte herangezogen

werden können, um vergangene Sachverhalte oder Situationen zu rekonstruieren. Sie

können in solchen Fällen selbst feststellen, welche Auswirkungen eine unpräzise

Schreibweise oder ein lückenhafter Bericht hat.

Auf die adressatenbezogene Funktion von Berichten wird in Kapitel 3.3.5 separat

eingegangen.

3.3.3 Textsortenkenntnis

Wie bereits dargestellt wurde, wird im Bildungsplan Hauptschule kein besonderer

Schwerpunkt auf die Vermittlung bestimmter Textsorten gelegt, während dies in

anderen Schulformen durchaus der Fall ist. Die Kenntnis gewisser Textsorten und

ihrer charakteristischen Merkmale kann Schülern jedoch beim Erwerb von

Schreibkompetenzen eine große Orientierung und Hilfestellung sein, weil Textarten

in gewisser Weise standardisiert sind. Da Textsorten „konventionalisierte

Sprachhandlungen“ sind, schaffen sich Schreiber und Leser einen „gemeinsamen

kommunikativen Kontext für ihren Austausch“ (Merz-Grötsch 2006, S. 811). Folgt

man der Argumentation von Schneuwly (1995), so stellen Textsorten „Werkzeuge

menschlichen Handelns“ dar, die vom Textproduzenten als Einheiten genutzt werden

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können, um bestimmte kommunikative Ziele zu erreichen (vgl. ebd., S. 124).

Schneuwly geht davon aus, dass die Aneignung von Schreibkompetenzen durch die

Vernetzung neuer mit bereits bekannten Inhalten stattfindet und dass die Aneignung

deduktiv erfolgt, also vom „Abstrakten und Allgemeinen“ zum Speziellen, zum

„Empirischen und Erlebten“ verläuft (vgl. ebd., S. 127). Daraus lässt sich schließen,

dass Schreibkompetenzen nicht „naturwüchsig aus der Praxis des Schreibens“ (ebd.)

heraus aufgebaut werden können, wie es in Ansätzen der Reformpädagogen zum

freien bzw. bei Boettcher et al. (1973) zum kommunikativen Schreiben angenommen

wird. Die Kenntnis von Textsorten vermittelt dem Schreiber vielmehr eine

Orientierung an „thematischem Inhalt, kompositioneller Struktur und Stil als einer

begrenzten Auswahl sprachlicher Mittel“ (ebd., S. 125).

Die Textform Bericht lässt sich im Hinblick auf diese Kriterien recht eindeutig und

klar beschreiben. Die Schüler können an der Form des Berichts erfahren, wie man in

einer chronologischen Abfolge Sachverhalte neutral beschreibt. Die Exemplarität

mag der Grund dafür sein, dass sich der Bericht als einzige der in anderen

Schulformen behandelten Textarten in Form des Praktikumsberichts bzw. des

Unfallberichts findet. Die an dieser Textsorte erworbenen schriftlichen Fähigkeiten

erleichtern auch das Verfassen von verwandten Textarten wie Protokollen usw., die

im Berufsleben ebenfalls eine wichtige Bedeutung haben.

Haueis gibt hingegen zu bedenken, dass die Einteilung von Texten in bestimmte

Arten ein Relikt schulischer Schriftkultur vergangener Jahrzehnte sei, aber keinerlei

Bezug zur außerschulischen Schriftkultur habe (vgl. Haueis 2006, S. 226). Becker-

Mrotzek (1997, S. 82) weist außerdem darauf hin, dass die gängige Einteilung in

sechs Formen des Aufsatzes in ihrer Ausschließlichkeit textlinguistisch nicht zu

begründen ist. Die für den Bericht als typisches Merkmal geltende fehlende

„Ausschmückung durch adjektivische Attribute“ (Haueis 2006, S. 228) oder die

Verwendung bestimmter Tempora sind Charakteristika, die sich weniger durch

Analyseergebnisse außerschulisch produzierter Texte rechtfertigen als vielmehr

durch eine Festlegung für den Schulgebrauch (vgl. ebd.). Diese Feststellung

entspricht zwar der in dieser Arbeit vorliegenden Textanalyse (echte Berichte sind es

nämlich nach der schulischen Definition eben nicht, die von den Pflegenden verfasst

werden), dennoch halte ich die genannten Kennzeichen im Sinne einer Orientierung

für die Schüler hilfreich beim Erstellen eigener berichtender Texte.

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Zum Schreibprozess gehört auch, dass der Schreiber eigene Strategien hat, nach

denen er seinen Text produzieren kann. Der Bericht eignet sich aufgrund seiner klar

zu benennenden Charakteristika dafür, solche Strategien zu verdeutlichen und zu

üben. Der Schüler kann seinen Text auf die gewünschten Kriterien hin ausrichten,

sich also zunächst evt. in Stichworten eine schlüssige Reihenfolge überlegen und

später daraus einen zusammenhängenden Text verfassen. Im nächsten Schritt könnte

er beispielsweise seine Wortwahl auf eine objektive Darstellungsweise hin

überprüfen.

Merz-Grötsch schließt sich gewissenmaßen Haueis` Vorschlag an, Texte vor allem

anhand ihrer Funktion zu beschreiben (vgl. Hauseis 2006, S. 230) und fasst

zusammen, dass

„das Wissen um Textsorten […] für Schülerinnen und Schüler längerfristig dann fruchtbar [wird], wenn ihnen Möglichkeiten und Zusammenhänge der Anwendung und Funktion von Textsorten für sie selbst in schulischen und außerschulischen Kontexten nachvollziehbar wird. In diesem Sinn sind Textsorten Formen, die zunächst sinnvollerweise als Sprachhandlungen erworben werden und die später nach Bedürfnis und Notwendigkeit verändert und variiert werden.“ (2006, S. 811)

3.3.4 Die Funktion des Schreibens:

Problemlöseprozess oder kommunikative Handlung?

Grundsätzlich lassen sich in der Schreibdidaktik unterschiedliche Ausrichtungen

feststellen. Heute wird die schulische Funktion der Textproduktion vor allem unter

dem Gesichtspunkt eines Problemlöseprozesses gesehen, Merz-Grötsch spricht von

der „Funktion des Schreibens als Problemlöseinstrument bei der Erschließung von

Informationsquellen“ (2006, S. 802). Der Schreibprozess als solcher erhält hier eine

besondere Bedeutung, da die Problemlösekompetenz entwickelt wird, indem der

Schreiber die Schreibaufgabe durch die Anwendung bestimmter eigener Strategien

löst. Aber auch bei freieren Formen des Schreibens wie dem expressiven oder dem

personalen Schreiben (vgl. Ludwig 2006, S. 175) wird die Arbeit am Text als Mittel

gesehen, das Denken zu fördern. Das Schreiben soll die Möglichkeit bieten, sich

selbst zu erkennen und die persönliche Identität auszubilden.

In der Schule steht neben der Orientierung am Problemlösen zusätzlich die

Produktorientierung aufgrund der Notwendigkeit einer Bewertung im Vordergrund.

Methodisch genauso denkbar wäre die Orientierung am Adressaten. Letztere wurde

erstmals in den 70er Jahren fokussiert, als die Schreibdidaktik sich stark den

kommunikativen Funktionen von Texten zuwandte (vgl. Haueis 2006, S. 229). Um

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die kommunikative Funktion des Schreibens zu erkennen, bedarf es jedoch spezieller

Schreibanlässe, an denen es in der Schule jedoch oft mangelt; die Kinder empfinden

Schreibaufgaben oft als „lästige Pflichtübungen und Stillbeschäftigung“ (Merz-

Grötsch 2006, S. 805), da es an kommunikativen Anforderungen fehlt. Die sinnvoll

gestellte Schreibaufgabe kann jedoch auch die Funktion haben, die Textproduktion

im Hinblick auf Schreibziel und Planung besser zu bewerkstelligen und Kriterien

festzulegen, denen der zu produzierende Text genügen soll. Der Inbegriff des

kommunikativen Schreibens ist immer noch der Brief (neuerdings auch in anderen

Formen wie E-mail usw.); wie wir gesehen haben, kann aber auch Berichten eine

wichtige kommunikative Funktion zukommen.

Becker-Mrotzek stellt diese Funktion wieder stärker in den Fokus des

Schreibprozesses. Er betont, dass „Sprache in Form von Handlungsmustern bewährte

Formen für die mündliche wie schriftliche Kommunikation bereitstellt“ (1997, S. 11,

Hervorhebung im Original), so dass die kommunikative Aufgabe nicht jedes Mal von

neuem als Problem gelöst werden muss, sondern der Schreibende sich an bekannten

und bewährten Mustern orientieren kann. Eine Schwierigkeit besteht darin, sich den

Leser beim Schreiben vorzustellen und sich in ihn und in seine Rolle

hineinzuversetzen, also dessen Perspektive einzubeziehen. Die hierfür notwendigen

Fähigkeiten sind im Bereich der sozialen Kognition zu finden.

Schüler sollten bei der Festlegung des Schreibziels und noch vor der konkreten

Planungsphase überlegen, ob und welchen kommunikativen Zweck ihr Text erfüllen

soll. Lehrkräfte müssen sich ebenfalls darüber im Klaren sein, welches Lernziel

durch die Textproduktion erreicht werden soll. Günther nennt drei verschiedene

Zielsetzungen des Aufsatzunterrichts (vgl. Günther 1993, S. 92): Der Aufsatz kann

der Lernkontrolle dienen, wobei der inhaltliche Aspekt im Vordergrund steht und

dieser auch bewertet wird. Der Schreibprozess spielt folglich keine Rolle. Die zweite

Legitimation ist das Schreiben als Lerngegenstand, wobei gemeint ist, dass der

Schüler beispielsweise lernt, „dass die Angemessenheit des Schreibens abhängt vom

Texttyp“ (ebd.). Schüler sollen ihre Produktionen textsortenspezifisch ausrichten und

situationsangemessen agieren.

Die dritte Konzeption begreift das Schreiben als Lernmedium. Die Priorität besteht

darin, dass die Schüler das Schreiben an sich erfahren und sich „in konzeptioneller

Schriftlichkeit zurechtfinden“ (ebd.), was vom Lehrer jedoch einen sehr bewussten

und reflektierten Umgang mit Fehlern erfordert. Die Überarbeitung von Texten muss

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unter dieser am Problemlöseprozess orientierten Konzeption eine herausragende

Stellung erhalten.

3.3.5 Adressatenbezug

Im Gegensatz zur mündlichen Kommunikation muss der Schreibende lernen, mit

dem Phänomen des abwesenden Lesers umzugehen und damit auf die ständige

„perikommunikative Verständnissicherung“ zu verzichten (Becker-Mrotzek 1997, S.

29 in Bezug auf Feilke/Augst 1989). Doch jeder Text wendet sich an einen Leser, der

durch den Text selbst mehr oder weniger konkret vorhanden ist. Im Brief scheint er

schon beinahe anwesend zu sein, kennt man doch den Empfänger des Briefes in der

Regel und kann sich gut vorstellen, was er gerne lesen möchte, wie er reagieren

könnte usw. Die Reaktion dieses Lesers kann auch von jüngeren Schülern relativ

leicht antizipiert werden, indem sie sich eine konkrete Person vorstellen, für die sie

schreiben. Schwieriger wird es, wenn der Leser eine abstrakte Größe wird, der aber

in der Vorstellung des Verfassers dessen Schreibprozess mitsteuert, indem er beim

Schreiben mit einbezogen und berücksichtigt wird. Die Art der Textgestaltung in

allen Dimensionen wird nicht zuletzt durch den impliziten Leser bestimmt33. (Streng

genommen müsste an dieser Stelle eine Unterscheidung zwischen implizitem und

intendiertem Leser erfolgen, auf die ich aus Gründen des Umfanges jedoch verzichte.

Gemeint ist in diesem Zusammenhang eher der intendierte Leser.) Es handelt sich

beim dem Text quasi innewohnenden Leser also um eine abstrakte Größe, deren

Existenz Schüler erst erkennen müssen.

Die Funktion des Lesers kann für Schüler verdeutlicht werden, indem ihre eigenen

Texte auch tatsächlich von anderen gelesen werden. In den höheren Klassen ist es

aber auch eine Aufgabe des Literaturunterrichts, den impliziten Leser erfahrbar zu

machen und an verschiedenen Beispielen seine Gegenwart aufzuzeigen.

Auch das Schreiben von Berichten kann bzw. muss unter einem speziellen

Adressatenbezug erfolgen. Einerseits könnte dies zum Beispiel ein Richter sein, der

Klarheit über einen bestimmten Vorgang erhalten möchte oder, im Fall eines

Unfallberichts, ein Polizist, der zwecks Klärung der Schuldfrage auf einen

aussagekräftigen Bericht angewiesen ist. Es ist ein besonderes Merkmal von

33 Der Begriff des impliziten Lesers geht auf die Theorie der Wirkungsästhetik und u. a. auf W. Iser und U. Eco zurück, vgl. z. B. Iser, W. (1972): Der implizite Leser. Kommunikationsformen des Romans von Bunyan bis Beckett. München

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Berichten, dass der Schreibende eine Situation, bei der er selbst anwesend war, für

andere, die selbst nicht anwesend waren, möglichst gut nachvollziehbar und objektiv

darstellt.

Die Erfahrung, dass der implizite Leser niemals real wird, weil die verfassten Texte

niemals wirklich gelesen werden, kann Schreibende verständlicherweise frustrieren

(zumindest wenn der Schreibprozess nicht heuristische Zielsetzungen verfolgt, was

in dem hier behandelten Gebiet nicht der Fall ist). In Pflegeeinrichtungen könnte

diese Frustration durchaus vermieden werden, wenn es üblich wäre, die Berichte von

Kollegen dazu zu nutzen, das eigene Handeln auf die Informationen des Berichts

abzustimmen. „Kommunikation dient dazu, die Tätigkeiten einzelner Individuen im

Kontext eines übergeordneten gemeinschaftlichen Tätigkeitszusammenhangs zu

koordinieren“ erläutert Becker-Mrotzek (1997, S. 13) diese wichtige Funktion, die in

der Pflege in diesem Fall offenbar kaum genutzt wird. Die sprachliche Handlung ist

also nur ein Teil eines größeren Handlungszusammenhanges, dem sie dienen sollte.

In der Schule sollte dafür umso mehr darauf geachtet werden, dass Texte auch

gelesen werden, damit der Adressatenbezug ständig präsent ist und den Schülern

nicht ein wichtiges Motivationselement vorenthalten wird.

Lesen und Schreiben sollten in diesem Sinne eine Verschränkung erfahren und sich

gegenseitig bereichern.

3.3.6 Überarbeitungskompetenz

Es ist die Besonderheit schriftlicher Texte, dass sie zwar die Flüchtigkeit der

gesprochenen Sprache aufheben, aber verschiedenen Formen von Überarbeitung

zugänglich gemacht werden können. Die Fähigkeit, den produzierten Text kritisch zu

reflektieren und nicht als unveränderliches Produkt anzusehen, gehört heute zum

grundlegenden Verständnis über die Fähigkeiten zur Textproduktion. Insbesondere in

den prozessorientierten didaktischen Konzeptionen nimmt die Überarbeitungs-

kompetenz eine zentrale Rolle ein. Schon der Schreibprozess wird als Folge von

Schreiben, Lesen, Redigieren und Korrigieren verstanden (vgl. Sieber 2006, S.

213f.), der fertige Text steht am Ende eines langen Weges (es stellt sich vielleicht

sogar die Frage, ob es den ‘fertigen Text’ überhaupt gibt…). Der Schreibprozess

verläuft nicht linear, es finden während des Schreibens Änderungen statt, die

ihrerseits Konsequenzen auf die gedankliche Arbeit, das Schreibziel usw. haben.

Überarbeitung findet also zu mehreren Zeitpunkten statt; ständig während des

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Schreibens und nach einer – vorläufigen – Beendigung des Schreibprozesses. Im

letzteren Fall muss die Überarbeitung nicht unbedingt durch den Schreiber selbst

stattfinden.

Der Überarbeitungsprozess sollte grundsätzlich so angelegt sein, dass „Gelegenheit

zur umfassenden Entwicklung von Alternativen auf allen sprachlichen Ebenen

gewährleistet ist“ (Merz-Grötsch 2006, S. 808). Das bedeutet, dass der Schreiber

genug Alternativen für sein sprachliches Handeln zur Verfügung haben muss. Die

Überarbeitungskompetenz wächst mit den vorhandenen Schreiberfahrungen, dem

„Schreibalter“ (Sieber 2006, S. 215). Dies hat auch damit zu tun, dass zur

Überarbeitung eine gewisse Distanz zum Text notwendig ist, die das Lesen desselben

mit den Augen des Lesers ermöglicht. Ohne die Fähigkeit zur Perspektiven-

übernahme, die ja ihrerseits an die kognitive Entwicklung gebunden ist, ist daher

eine erfolgreiche Revision nicht möglich.

Für die Schule bieten sich vielfältige Möglichkeiten an, die Überarbeitungs-

kompetenz zu stärken, Schreibkonferenzen sind beispielsweise ein geeignetes Mittel,

diese Fähigkeiten aufzubauen und zu stärken. Die Teilnehmer dein solch einer

Konferenz übernehmen die Adressatenrolle und melden dem Verfasser ihre

Eindrücke bei der Rezeption zurück. Angesichts der vielen Kriterien, die einer

Überarbeitung zugrunde liegen können, empfiehlt es sich, die Arbeit in

Schreibkonferenzen aufzuteilen, so dass einzelne Schüler bestimmte Kriterien in den

Blick nehmen. Ordnende Arbeitsanweisungen und Leitfragen des Lehrers können

Übersichtlichkeit über die Masse der potenziellen Veränderungsmöglichkeiten

schaffen.

4 Vergleich von ausbildungsbezogenen Erwartungen und Vorgaben

durch den Bildungsplan

Die Betrachtung der vorliegenden Pflegeberichte kann den Eindruck erwecken, dass

die Vorgaben des Bildungsplanes sowie wichtige Erkenntnisse der Schreibdidaktik

für das Schreiben in Pflegeberufen kaum von Belang sind und dort keine Effekte

zeigen. Entweder spielen Aspekte wie Adressatenbezug, Orientierung an

wesentlichen Inhalten oder Textsortenkenntnisse beim Verfassen von

Pflegeberichten eine untergeordnete Rolle oder die in der Schule vermittelten

Fähigkeiten werden von den Schreibenden im Berufsfeld nicht umgesetzt. Die im

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Bildungsplan vorgegebenen Lerninhalte finden sich in den vorliegenden Berichten

jedenfalls kaum wieder.

In der Konsequenz dieser Beobachtung könnte sich die Frage nach der Berechtigung

des Schreibunterrichts in der vom Bildungsplan skizzierten Form stellen: Wenn das

Schreiben im Beruf so sehr vom Schreiben in der Schule abweicht, brauchen wir

dann überhaupt eine Schreibdidaktik, wie sie in Lehrplänen vorgegeben wird?

Müssen Schüler dann überhaupt lernen, was in Bericht ist und müssen sie sich einen

potenziellen Leser vorstellen können?

Bevor dieser Frage nachgegangen wird, sollte man sich aber ein paar Fakten

vergegenwärtigen:

Erstens ist der hier behandelte Pflegebericht nur eine einzige, spezielle Textsorte und

damit nur ein winziger Ausschnitt schriftlicher beruflicher Kommunikation - und

daher zwar ein Beispiel schriftlicher Kommunikation im Beruf, aber möglicherweise

kein repräsentatives. (Vergleiche mit anderen Textarten aus anderen Berufsfeldern

müssten hier Aufschlüsse geben.) Einerseits werden in der Pflege selbst auch noch

andere (vielfach sehr kurze) Texte produziert und andererseits entstehen in den

anderen zahlreichen vorhandenen Berufsfeldern ebenso zahlreiche andere

Textsorten. Welche Fähigkeiten Schüler für das Schreiben im Beruf unter allgemein

benötigen, kann an dieser Stelle also nicht befriedigend geklärt werden. Sie müssen

aber in jedem Fall darauf vorbereitet werden, dass sie die in der Schule erworbenen

Fähigkeiten in ihren jeweiligen Ausbildungen weiterentwickeln und variieren werden

müssen. Die Schule hat dabei die wichtige Aufgabe, einen Orientierungsrahmen

anzubieten, auf dessen Basis später eine den speziellen beruflichen Anforderungen

angepasste Entfaltung stattfinden kann.

Zweitens würde ein Verzicht auf die bisher praktizierte Form des Schreibenlernens

bzw. Textproduzierens auch bedeuteten, dass man den aktuellen Zustand von

Pflegeberichten für unveränderbar hält. Meines Erachtens besteht eine wichtige

Aufgabe der Schule vor allem darin, lebenslanges Lernen zu ermöglichen um damit

scheinbar festgelegte Formen und Strukturen kritisch hinterfragen und die

Veränderung derselben in Erwägung ziehen zu können. Für das Verfassen von

Pflegeberichten könnte das bedeuten, dass sie erst dann effektiver genutzt werden

können, wenn die Schreibenden deren potenziellen Nutzen (nicht zuletzt auch zum

Wohle des Patienten) erkennen und sich beim Schreiben daran orientieren können. Je

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mehr Erfahrungsspielraum die Schule den Schülern bei Textproduktionen einräumt

und ermöglicht, desto eher sind Entwicklungen in dieser Richtung denkbar.

Zwar lässt die Analyse der von ausgebildeten Pflegekräften verfassten Berichte

Zweifel an der Umsetzung der in der Schule vermittelten Lerninhalte aufkommen,

aber die analysierten Berichte entstammen ja vorangegangenen Schülergenerationen,

die heute schon jahrelang im Beruf tätig sind.

In den letzten Jahren ist der Adressatenbezug in den Lehrplänen wieder stärker in

den Mittelpunkt schulischen Schreibens gerückt (vgl. Fix 2006, S. 705), was die

Hoffnung beinhaltet, dass zukünftige Schulabgänger über bessere Kompetenzen

verfügen als ihre Vorgänger, die heute im beruflichen Umfeld Texte produzieren.

Wenn Gesichtspunkte wie Adressatenbezug oder Textsortenkenntnis sachgerecht

reflektiert und mit Bedacht in den Unterricht einbezogen werden, kann die

Schreibdidaktik durchaus ihren Teil zur Verbesserung der aktuellen Situation des

beruflichen Schreibens beitragen.

Letztendlich spielt jedoch auch das Wissen des Lehrers über institutionelle und

berufliche Zusammenhänge eine entscheidende Rolle, ob der Schreibunterricht für

die Schüler eine Hilfe bei der Entwicklung der notwendigen Kompetenzen darstellt.

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IV ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE

UND AUSBLICK

In diesem Abschlusskapitel möchte ich noch einmal auf das eingangs zitierte

Sprichwort zurückkommen: Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir.

Für das „Leben“ kann aber nur gelernt werden, wenn Erkenntnisse darüber vorliegen,

was unter ‘dem Leben’ (hier: dem Berufsleben) zu verstehen ist. Damit dem

Unterrichtshandeln nicht nur vage Vorstellungen und diffuse Vermutungen über das

Berufsleben zugrunde gelegt werden, müssen wissenschaftliche Untersuchungen

detaillierte Fakten über spezifische Ausschnitte beruflicher Wirklichkeit liefern.

In der vorliegenden Arbeit wurde gezeigt, wie es möglich ist, linguistische Analysen

der beruflichen Kommunikation für den Deutschunterricht nutzbar zu machen.

Anhand des vorliegenden Beispiels der Kommunikation im Pflegebereich wird

deutlich, dass die Verschränkung verschiedener Disziplinen dabei unabdingbar ist.

Zunächst bedarf es der germanistischen Fachwissenschaft, also hier der

linguistischen Forschung, die Befunde über kommunikatives Handeln aus den

verschiedensten Berufsfeldern liefert. Diese Forschung wird nie abgeschlossen sein,

da sich durch die ständig verändernden gesellschaftlichen Bedingungen auch die

Berufswelten mit ihren sprachlichen Phänomenen ändern.

Anschließend braucht es die Fachdidaktik, die die Beobachtungen auf ihre

Umsetzung in der Schule hin überprüft, Lern- und Lehrziele formuliert und Konzepte

für die Umsetzung im Unterricht aufzeigt. Der Bereich der Methodik fällt dann

hauptsächlich der Schule zu, die sich an den Lernzielen orientiert und diese in die

Unterrichtswirklichkeit holt.

Das Zusammenwirken dieser Disziplinen ist als dynamischer Prozess zu verstehen,

der unaufhörlich durch die gesellschaftlichen Bedingungen geprägt ist. Verändern

sich gesellschaftliche Verhältnisse, bedingt das fortlaufend neue Anforderungen für

das Berufsleben und so folgt beispielsweise auch die Suche nach neuen Textsorten,

die vermittelt werden müssen (vgl. Becker-Mrotzek 1997, S. 73f.). Diese ständigen

Veränderungen erfordern eine hohe Flexibilität der Schule, wobei „mit der

Etablierung neuer Unterrichtsinhalte […] in der Regel der Verlust anderer einher

[geht]“. Ein Mangel an Flexibilität kann eine gewisse „Beharrungstendenz der

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Institution Schule“ (ebd., S. 74) hervorrufen, die wiederum eher hinderlich für

notwendige Innovationen ist.

Die Institution Schule kann im Hinblick auf die Berufsvorbereitung besonders

effektiv agieren, wenn Lehrer bereit sind, sich immer wieder aufs Neue mit der

außerschulischen Berufswelt auseinander zu setzen. Leider haben sie nur sehr

eingeschränkte Gelegenheiten dazu, und viele Lehrer haben im Laufe ihres Lebens

nur die Institution Schule (Hochschule / Universität und wieder Schule) kennen

gelernt. Ich halte einen kontinuierlichen Austausch zwischen den Schulen und

verschiedenen Betrieben für unabdingbar, damit Lehrer ihren Unterricht erfolgreich

auf das spätere Berufsleben ihrer Schüler ausrichten können. Je genauer sie die

außerschulische Berufswelt kennen, umso besser wird ihnen die Vorbereitung ihrer

Schüler auf berufliche Anforderungen gelingen können.

Für den Deutschunterricht bedeutet das, sich auf sich verändernde Unterrichtsinhalte

einzulassen und den Schülern einen fachlichen Orientierungsrahmen und die

Sprachkompetenzen zu vermitteln, mit deren Hilfe sie in ihrer Ausbildung ihr

sprachliches Verhalten variieren, reflektieren und an die jeweils gestellten Ansprüche

anpassen können.

Gleichermaßen erscheint es mir bedeutsam, den viel versprechenden und häufig

verwendeten Begriff der kommunikativen Kompetenz mit konkretem Inhalt zu

füllen. Es ist unbestritten, dass es Aufgabe der Schule ist, den Schülern selbige zu

vermitteln, aber nur selten wird formuliert, wie das zu erreichen ist. Durch die

genaue Formulierung einzelner Teilkompetenzen (vgl. die Abschnitte 3 in beiden

Teilen) erhoffe ich mir auch für meine eigene zukünftige Unterrichtsvorbereitung

mehr Struktur und Klarheit.

Ich schließe diese Arbeit in der Zuversicht, zukünftigen Schülern durch die effektive

Vermittlung und Förderung ausbildungsbezogener Sprachkompetenzen im

Deutschunterricht in kommunikativer Hinsicht einen erfolgreichen Übergang in ihr

Berufsleben zu ermöglichen.

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91

V ANHANG

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3 Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Beispiel einer Eröffnungsphase im Frühdienst. In: Weinhold (1997), S. 214 Abb. 2: Beispiel einer Befindensfrage. In: Weinhold (1997), S. 213 Abb. 3: Erste Seite des Pflegeplanungsformulars der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg, Stand April 2008 Abb. 4: Pflegeverlegungsbericht (www.altenhilfe-manager.de/demo/documents/ form_verlegungsbericht.doc) (02.06.08)

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Versicherung über die Autorenschaft

Ich versichere, dass ich die Arbeit selbständig und nur mit den angegebenen Quellen

und Hilfsmitteln angefertigt habe. Alle Stellen der Arbeit, die ich aus anderen

Werken dem Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen habe, sind kenntlich

gemacht. Entlehnungen aus dem Internet sind durch datierten Ausdruck belegt und

der Arbeit beigefügt.

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