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Zum 6esetz der L ihmungstypen. Bemcrkungen zu dem Aufsatz yon Otto Schwab ,,Enter- suchungen zu einem Gcsetz der Liihmungstypen" (l)iese Zeit- sch rift Bd. 66 S. 129). Von Siegmund Auerbach-Frankfur~ a/M. In seiner aus der Gerhardtschen Klinik inWiirzburg stammenden Arbeit bescL~ftig~ sich Schwab auf Grund einer grS~eren Zahl yon Kriegsverletzungen der haupts~chlichs~en peripheren ~Terven auch ausfiihrlich mit dem yon mir aufgesteliten Gesetz tier L~hmungstypen. Bereits in meiner ersten Arbeil fiber diesen Gegens~and I) sagte ich: ~,Durch eine Verlelzung kann jeder ~qerv and jeder yon ihm abh~ngige Muskel geli~hmt werden, ganz ohne Rficksicht auf seine sl~ezielle Muskelkraf~ oder die Arbeitsbedingungen, unter defien er sich zu be- t~tigen pfiegt. Fiir uns brauchbar sind nur solehe F~lle, in denen das Trauma einen mehrere Muskeln innervierenden Nerven in seinem ganzen Querschnitt l~dierte o4er einen Nervenplexns in toto getroffen hat, oder wenn bei par~ielIer Verletzung eines solchen dutch einen autoptischen Operationsbefund konstatierl werden kann, welche Aste verschonl geblieben sind". Nun sag~ zwar Schwab (S. 1.30, Absatz 2): ,Die Forderungen, die man zu ihrer (d. i. clef ~ervenverletzungen) genauen Priifuug erheben mu~, lichen sich hier gut durchfiihren. Es war mSglich, das funktionelle Verhalten der Muskeln naeh der Ver- letzung zu priifen, ihr Verhalten auf elek~rische Reize hin festzus~,ellem Infolge der h~iufigen Indikation zu Nervenfreilegungen und :Nerven- n~hten war es mSgheh, Sitz und Art tier ~ervenli~sion einwandfrei zu bestimmen und auch das Verhalten der Muskeln bei Regeneration zu beobachten". Abet auf Sei~e 131, Absatz 2, Mitre, heil~t es aus- driicklich: ,Auch meine Befunde zeigen denselben Typus des Verhaltens der Muskeln ohne grol]en Unterschied, ob es sich um Neurome, am par~ielle oder komplet~e Verwachsung, ob es sich um komple~te oder partielle Durch~rennung der Nerven, ob es sieh am Spontanregene- ration oder Regeneration nach ~ervennaht handelt", tIieraus geh~ 1) Die Hauptursachen der hiiufigsten Li~hmungstypen. Volkmanns Saturn- lung ~lln. Vortr~ige. ~r. 633/34, S. 158.

Zum Gesetz der Lähmungstypen

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Zum 6esetz der L ihmungstypen. Bemcrkungen zu dem Aufsatz yon Otto Schwab ,,Enter- suchungen zu einem Gcsetz der Liihmungstypen" (l)iese Zeit-

sch rift Bd. 66 S. 129). Von

Siegmund Auerbach-Frankfur~ a/M.

In seiner aus der Gerhard t schen Klinik inWiirzburg stammenden Arbeit bescL~ftig~ sich Schwab auf Grund einer grS~eren Zahl yon Kr iegsve r l e t zungen der haupts~chlichs~en peripheren ~Terven auch ausfiihrlich mit dem yon mir aufgesteliten Gesetz tier L~hmungstypen. Bereits in meiner ersten Arbeil fiber diesen Gegens~and I) sagte ich: ~,Durch eine Verlelzung kann jeder ~qerv and jeder yon ihm abh~ngige Muskel geli~hmt werden, ganz ohne Rficksicht auf seine sl~ezielle Muskelkraf~ oder die Arbeitsbedingungen, unter defien er sich zu be- t~tigen pfiegt. Fiir uns brauchbar sind nur solehe F~lle, in denen das Trauma einen mehrere Muskeln innervierenden Nerven in seinem ganzen Querschnitt l~dierte o4er einen Nervenplexns in toto getroffen hat, oder wenn bei par~ielIer Verletzung eines solchen dutch einen autoptischen Operationsbefund konstatierl werden kann, welche Aste verschonl geblieben sind". Nun sag~ zwar S c h w a b (S. 1.30, Absatz 2): ,Die Forderungen, die man zu ihrer (d. i. clef ~ervenverletzungen) genauen Priifuug erheben mu~, lichen sich hier gut durchfiihren. Es war mSglich, das funktionelle Verhalten der Muskeln naeh der Ver- letzung zu priifen, ihr Verhalten auf elek~rische Reize hin festzus~,ellem Infolge der h~iufigen Indikation zu Nervenfreilegungen und :Nerven- n~hten war es mSgheh, Sitz und Art tier ~ervenli~sion einwandfrei zu bestimmen und auch das Verhalten der Muskeln bei Regeneration zu beobachten". Abet auf Sei~e 131, Absatz 2, Mitre, heil~t es aus- driicklich: ,Auch meine Befunde zeigen denselben Typus des Verhaltens der Muskeln ohne grol]en Unterschied, ob es sich um Neurome, am par~ielle oder komplet~e Verwachsung, ob es sich um komple~te oder partielle Durch~rennung der Nerven, ob es sieh am Spontanregene- ration oder Regeneration nach ~ervennaht handelt", tIieraus geh~

1) Die Hauptursachen der hiiufigsten Li~hmungstypen. Volkmanns Saturn- lung ~lln. Vortr~ige. ~r. 633/34, S. 158.

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doch wohl hervor, dal] er die obigen-Einsehri~nkungen~ mit denen mein Gesetz fiir die traumatischen Nervenl~ihmungen gilt, nicht be- rficksichtig~ hat. 0der hat er sich in jedem einzelnen Falle yon •eurom, partieller oder kompletter Verwachsung and partieller Durch- trennung notiert, welehe Fasern oder Bahnen des Nervenstammes aus- gespart, welche in geringerem oder st~rkerem Grade verle~zt waren? Ist die Fnnktion der Bahnen~ deren Verletzung zweifelhaft war, bei denOperationen elektrisch gepriift worden? Von den Schul~verle~zungen sind ohne diese besonderen Feststellungen - - d a s leuchte~ doch ohne weReres ein - - zur Priifu,g meiner L~hmungstheorie ausschliel~]ich diejenigen verwer~bar, bei denen der gesamte QuerschnRt in ganz g le i chem Grade betroffen ist, also die kbsehfisse und diejenigen Fglle, bei denen wegen eines seinen ganzen QuerschnRt durehsetzenden Nervenkallus der ganze Stature reseziert werden muIite. Diese Zweifel mii~ie Schwab ers~ zerstreuen, ehe ich seine Ergebnisse an- erkennen kSnnte. In n6eh hSherem Mal~e mul~ ich diese Bedenken gegen die 4 Cauda-equina-Verletzungen geRend machen, die eine be- sondere WiderstandsfghigkeR der Beuger am Oberschenkel beweisen sollem Es is~ klar, dal~ hier nut Fglle mR ganz sicherem biop~ischem oder Obdnk~ionsbefund inkl. mikroskopischem Ergebnisse benutzt werden kiinnen. Da Sch. nut einen solchen Fall mitteilt, miissen die drei anderen ohne weR~eres ausscheiden, kber auch gegen jenen sind starke Einwgnde zu erheben hinsieh~lich seiner Beweiskrafk So- wohl der Sek~ionsberieh~ als auch der mikroskopische Befund, ebenso wie die klinische Besehreibung, sind viel za nngenau, lfickenhaft und widerspruchsvoll, um mi~ ihnen das zu beweisen, was Sch. mR ihnen beweisen zu kSnnen glaub~. Auf S. 140 heil~t es oben: ,,W~hrend der ganzen Dauer der Beobachtung zeigen die Beuger am Oberschenkel eine auffallende UberlegenheR fiber die Muskulatur des Unterschenkels"~ Hi er mult man doch gleich fragen: an we lchem Obersehenkel oder an be iden? Im Sektionsbericht lautet es: ,Verletzung des Riicken- markes (Cauda equina) mR Durchtrennung mehrer sensibler und mote- fischer Wurzeln unterhalb des Conus medullaris. ~arbige Ver- wachsung der durchtrennten Wurze]n und Erhaltung anderer im Be- reiche der Schu[~stelle". Hier mu~ man fragen: w e l c h e yon den Caudawurzeln yon L2 ab kaudalw~irts waren verletzt oder verwachsen? Welter: ,,Rechter :N. peroneus gemischt aus weil~en and grauen Fasern, ein Muskelast gut weil~ gefiirbk Museulus peroneus dagegen diinn, schlaff und gelblieh". Welcher N. peron, is~ nun gemeint: N. peron. communis, profundus oder superficialis, und weleher Musenlns peroneus ? Ferner: ,Muskeli~s~e zu den Beugern reehts wei/~ und gul, Isehiadicus reehts weilier and drehrunder"~ doeh wohl scilicet als linker? Und

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doeh sollen, wie im mikroskopischen Befund steh~, ,,die zu den Muskeln gehenden Asie am Ober- nnd Unterschenkel gleich (fast ganz) atro- phisch" gewesen sein? Seltsam! 0brigens ist im mikroskopisehen Befunde zwisehen Rechts und Links gar nich~ untersehieden. Es heist nur: ,,Ischiadicus: H~lfte der Fasern zugrunde gegangen, andere t]~lfte gut". Waren dann also ausgerechnet nut die sens ib len Fasern ,,noch gut"? Obwohl nun ,,die zu den Muskeln gehenden Aste am Ober- und Unterschenkel gleich (fast ganz) atrophisch waren", war die ,,Muskulatur verschieden. Waden- und Peroneusmuskulatur nut noeh vereinzelte querges~reif~e Fasern, Beugermuskeln am Ober- schenkeI vorwiegend erhalten beiderseits". Man wird mir wohl zu- geben: Falls die zu den Beugern am Obersehenkel gehenden Aste des :N. ischiadieus ,,fast ganz atrophiseh" waren, so ist nach allem~ was wir yon der Muskelinnervation wissen, undenkbar, dait die yon ihnen versorgte Musknlatur ,noch gut erhalten" isk Es w~re noeh einiges mehr fiber diesen Fall zu sagen; ich glaube aber, dal~ jeder Unbefangene mir Reeht geben wird, wenn ieh behaupte, dal] man die yon Sch. aus ibm gezogenen Sehliisse nioht fiir begriindet halten kann. Leider mul~ ieh dasselbe yon einem Falle sagen, den D. G e r h a r d t kiirzlich (Iqeuro]. Centralbl. 1920, :Nr. f0: ,,(~ber das Verhalten der Kniebeuger bei der Ischiadicusl~hmung") mitgeteilt hat. Hier ergab die Sektion aul~er Resten chroniseher Peritonitis und reehter Pleu- ritis ,,eine subehronisch-ent, ziindliehe Auflagerung auf der Aul~enseite der Dura im Bereiche des 7.--9. Brustwirbels, am Riickenmark selbst nur leieht entziindliehe Infiltration und Degeneration der Randzone". In klinischer Beziehung gibt G. folgendes an: ,Mi~ zunehmender Para- plegie s e h w a n d e n Knie- und Aeh i l l e s r e f l exe ; beim Bestreichen der Fui~sohlen bleiben die Full-und Zehenbewegungen aus, aber Ad- d u k t o r e n und O b e r s c h e n k e l b e u g e r (soil doeh wohl heil~en ,,Beuger am Obersehenkel?" Ref.) zuckten lebhaft; diese beiden Gruppen gerieten aueh regelm~l~ig in kr~ftige Kontraktion, wenn die Muskeln dureh passive Bewegung der Beine ruckweise gedehnt wurden. Beim Beklopfen der Knieseheibe zuckten wiederum dieselben Muskeln, aber niehl der Quadrieeps. Faradiseh zuekten s~m~liche Muskeln prompt". Obwohl nun in diesem Falle das giickenmark offenbar mikroskopisch gar nicht untersueht und nicht festgestellt war, ob und in welchem Grade eine absteigende Degeneration vorlag, und wie weir herab die ,,leiehte en~ziindliche Infiltration und Degeneration der Randzone" reichte, so sehlie~t G. aus dem ana~omisehen i. e. nut makroskopisehen Verhalten, da~ die meningeale Aufiagerung in ihrer ganzen Ausdehnung etwa gleichm~il~ig auf die nervSse Substanz ein- gewirkt hube." Es bestand abet hier d~)ch offenbar nut eine Kom-

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pressionsliihmung, wie ja schon aus der erhaltenen Reaktion der Muskeln auf ~aradisehe Reize hervorgeht. Dal~ das Mark und die Wurzeln an der Druckstelle am st~rks~en und weRer caudalw~rts in viel geringerem Grade gesch~idig~ sein mu~ten, leuchtet ja ohne weReres ein. Deshalb ist es gar nicht verwunderlich, da{~ die Knie- reflexe erlosehen waren, deren Reflexbogen bekanntlich in L2--L 4 liegt, in Segmenten, die wenigstens zum Teile noch im Bereiche des Krankhei~sherdes dem direkten Drucke und dem Entziindungsprozesse ausgesetzt waren, w~hrend die fiir die Innervation der Mm. semi- membranosus, semRendinosus und biceps femoris in Betracht kommen- den Segmente L4--$2, S~ sind und nur mittelbar, und deshalb in viel geringerem Grade gesch~digt sein konnten. Auch ist es nicht riehgg, da~ die Innervation der Adduktoren in L2---L 3 f~llt, sondern dies trifft nur fiir den Adduct. longus zu, w~ihrend der Adductor brevis und der Add. minimus noch yon Lt, der kr~igste der Adduktoren abet, n~mhch der Adduktor magnus, dessen ganze dorsale ParOle bekannt-

:lich yore N. ischiadicus innerviert wird, sogar noch yon L 5 und $1 abh~ngt, Eine lebhafte Zuckung dieses Muskels wiire deshalb auch nicht weRer erstaunlich. Auffallend is~ aUerdings, dal~ auch die Achilles- und Ful]sohlenreflexe fehlten. Vielleieht - - mehr l~Bt sich beim Fehlen der mikroskopischen Un~ersuchung nicht sagen - - k a n n man dies mR der bekanntlich besonders hochgradigen EmpfindlichkeR der Reflexbahnen erkl~iren. [Tbrigens liil~t sich m. E. das Verhalten der Reflexe bei einer Druckl~hmung des Riickenmarks iiberhaupt nicht flit die Beurteilung der Funl~tion einzelner Muskeln oder Muskel- gruppen verwer~en, ganz besonders aber dann nicht, wenn man sich auf eine mikroskopische Untersuchung nicht stiitzen kann.

Nun aber zuriick zur ArbeR yon Schwab! Abgesehen yon den oben geriigten M~ngeln ist den Untersuchungen Sch's. ein schwerer methodischer Fehler vorzuwerfen. Er stellt seine Widerstands- und Gewichtsreihen ffir die Muskeln der einzelnen Hauptnervenst~mme auf. Die Art ihrer Funktion, die yon ihnen aui~gewendete Kraft und An- strengung, ihre ArbeRsleis~ung, auf die es bei meiner L~hmungs- theorie ankommt, hat aber mR der ZugehSrigkeit zu einem bestimmten Nervens~amme gar nichts zu tun. Nut deshalb, weft die Beuger am Oberschenkel und die Plantarflexore~ des Fu~es yore ~q. ischiadicus versorgt werden, kann man sie doch nicht in ihrer Fun]~tion bzw. Widerstandsf~hig]~eit miteinander vergleichen. Jene beugen den Unter- sehenkel und strecken den Oberschenkel nach hinten, diese beugen den Fu{] plantarw~rts; sie haben also ganz verschiedene Massen zu bewegen und in ganz verschiedenen Gelenken, sie sind also in ihrer Funk~ion inkommensurabel. Vergleichbar in dieser Beziehung sind

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nur Muskeln and Muskelgruppen an denselben Gliedabschnitten, z. B. die Dorsal- and Plantarfiexoren des Ful~es, die Strecker and die Beuger des Unterschenkels usw.

Was nun die Ergebnisse Sch's. im einzelnen anbelangt, so ist es sehr interessan~, daI~ sie in der Hauptsache durehaus fiir alas yon mir aufgestelRe Gese~z sprechen. Er sagt S. 143, Absatz 3: ,,Fasse ich meine Befunde zusammen, so kann ieh sagen: Das Gewicht und die yon A u e r b a c h angegebenen S~tze fiber die Inanspruchnahme geben wesentliche Anhaltspunkte fiir die Beurteilung der WiderstandskraR der Muskeln bei Nervensehi~digungen; res~los diirf~en sie alle zu~age getretenen Erscheinungen nieht erkl~ren'. Ieh will nun zeigen, dal~ alle diejenigen Erscheinungen, die Sch. sich mR meiner Theorie nicht erkl~ren kann, gerade geeignet sind, sie zu stfitzen:

1. S. 135: ,,Nieht im Einklang mR tier Auerbachschen Theorie steh~ die Schwere der Sehi~digung der D a u m e n a b d u k t i o n . Dabei ist noch zu beriieksichtigen, dal~ der Abduct. poll. brev., der veto N. medianus versorgt wird, funktionieren miii~te", ttier ist zun~eh.st die Annahme Seh's. unzutreffend, da~ der Abduct. poll. brev. auch den Daumen abduziert; dieser Muskel opponiert den Daumen, beugt die 1. und streckt die 2. Phalanx. Synergist mR dem Abduct. poll. longus ist der gleichfalls veto N. radialis versorgte M. extensor poll. long. Die Unterstiitzung des Abduct. poll. long. dutch den brevis kommt also gar nieht in Betraeh~. Ferner beriicksiehtigt Sch. bei der veto Abduct. poll. ]eng. zu leistenden Arbeit nur sein Muskelgewicht, nicht aber die relativ grol~e Anstrengung, die er bei seiner T~igkeR auf- zuwenden hat. Mull er doeh den Daumen yon der Medianaehse der Extremit~t abziehen. Man fiihlt ja schon bei der Abduktion des Daumens die rela~iv grSl~ere Anstrengung, die der MuskeI zu maeheno hat,. Da[~ dieses Gefiihl fiir die Gr51~e tier ArbeRsleistung 'maneher Muskeln etwas sehr Beaehtenswertes ist, haben die Physiologen sehon lange hervorgehoben (vgl. auch R. Du Bois Reymondl ) . Ebenso untersch~tz~ Sch. die Arbeitsbedingungen, unter denen ein Muskel sich bet~tigt, wenn er

2. sich darfiber wundert, da~ der Flex. carpi u lna r i s allen Ulnarismuskeln an Widerstandskraft fiberlegen is~. Wenn er S. 136" unten meint, dal~ dieser Mnskel bald mR bald gegen die Erdsehwere arbeRet, so befindet er sich in einem grol~en Irrtum: er arbeRet nu t mit der Erdsehwere und beweg~ die Hand auiierdem gegen die Medianebene des K5rpers bin, is~ also in seiner ArbeRsleistung be-

1) Spezielle Bewegungslehre mit Uberblick fiber die Physiologie der Ge- lenke. Handb. d. Phys. d. Menschen von l~agel. 5. Bd: 2. H~lfte.

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sonders gfinsfig gestellt. Fails Seh. dies bezweifeln sollte, so kann ich ihm nur den Rat geben, den Muskel an seinem Reizpunkte am unferen Ende des oberen Dl"ittels des Vorderarms zu reizen.

3. Ebendieseiben Griinde sind fiir die geringe Schiidigung der P rona~o ren der Hand anzuffihren. Es is~ mir ganz unvel's~indlich, wie Sch. S. 137 behaupten kann: ,,Die beiden Pronatoren, der Schwere entgegen arbeitend . . . . . ". Sic arbeiten l ed ig l i ch mit der Erd- schwere, der Arm f~il]t bei der Pronation ja gleichsam nach unten urn. Sch. vergleiche doeh einmal das Gefiihl der Ans~rengung, alas man bei der Supina~ion und bei der Pronation ha~. Au~erdem ist mit der Pronation immer auch eine geringe Bewegung zur Median- ebene des KSrpers hin verkniipft.

4. Aueh ffir die gu~e Funktion des Palmar. ]ongus ,,finder Seh. keine Erklgrung durch das Auerbachsche Gesetz". Ich sollte meinen, diese Erkliirung w~re sehr einfach. Erstens arbei~et er mit der Schwere und zweitens hat er die kri~ftigen Benger des Handgelenks zu Syner- gisten. Es ist mir unvers~indlieh, weshalb es Sch. fraglieh erscheint, ob man dieses letztere Moment mit heranziehen k~nn.

5. Was nan ,,das schlechte Verhalten" des Flex. digit , sublim. und p r o f u n d u s anbelangb, so ist es mir sehr wahrscheinlich, da~ bier ein ihre Arbeit ersehwerendes rein mechanisehes Moment Be- riicksiehtigung verdient, ni~mlich das der erheblichen Re ibung , welche diese Muskeln unter der tiefen, querverlaufenden Sehicht der Aponeurosis palmaris iiberwinden miissen. Von i.hr gehen (vg]. Spa l t eho lz Bd. 2, S. 317) auSerdem noch sagittale Seheidew~nde in die Tiefe, welche kanalartige R~ume fiir die Sehnen der Fingerbeuger abgrenzem Ganz analoge ana~omische Verhiiltnisse bestehen an der Fu~sohle (vgl. Spal~eh01z Bd. 2, S. 352). Hier schick~ die schon ohnedies s~raffe Alooneuronis plantaris neben dem M. flexor digit, brev. derbe Zwischenw~nde in die Tiefe. So diirft, e sieh ungezwungen die im Kriege so hiiufig gemaehte Beobachtung erkl~iren, dal] die Rege- neration der Zehenflexoren so lange auf sich warren l~il~.

6. Das angebliehe f)berwiegen der Beuger am Oberschenkel gegen- fiber den Plan~arfiexoren des Ful~es babe ich schon oben beleuchtet. Es ist gegenstandslos, da diese beiden Muskeln aus den oben ange- fiihrten Griinden inkommensurable Grbiten sind. Ubrigens weichen die yon den Gebr. W e b e r angegebenen Zahlen ffir das Gewichts- verh~il~nis der beiden Muskelgruppen yon denen bei Fri~nk e l -Frohs e nicht unerheblich ub. N a c h den ersteren Autoren ist es 851,5 : 818,2 r~ach den letzteren (wie Schwab angibt) 825 : 815.

Da ich nun geze~g~ habe, dal~ die Abweiehungen yon meinem Gese~ze, die Schw. gefunden zu haben glaubt~ nieh~ existieren, sondern

Deutsah,e ZeHschrif~ f. Nerveaheilkunde, Bd.Ti. 11

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im Gegen~ei[ a~ch seine Untersuehungen ~ro~z der ihnen anhaftenden M~ngel ffir die Allgemeingiil~igkei~ dieses Gesetzes sprechen, so kSnnte ich meine Ausffihrungen hiermi~ besehliegen. Ieh halte es jedoch fiir angezeig~, um anderen Arbei~ zu ersparen, noeh kurz auf die all- gem einen Bemerkungen Sch's. einzugehen, die den grSi~eren Tail seiner Arbeit einnehmen, in welehem er versucht, ,,die Ursachen aufzudecken, warum das Gewich~ and meine Augabe fiber die Inanspruehnahme nieht allgemein ffir seine F~lle zu~reffen konnten", wie er -- zu Un* reeh~ - - meint.

Ieh kann reich bier um so kiirzer fassen, aIs Sch. den yon mir ffir meine Theorie so wichtigen Begriff der A n s t r e n g u n g eines Muskels oder einer Muskelgruppe viel zu wenig berficksiehtig& Wean er die Ausfiihrungen auf S. 2--7 meiner ersten VerSffenIY' \ .ng (a. a. 0.) fiber diese Materie sieh ganz zueigen gemacht h~tte, (t. hi~tte er alle Er5r~erungen unterlassen kSnnen, die diesen Abseh &: seines Aufsatzes einnehmen. Ieh babe doch wirklieh genugsam b'~':d~, da$ alle auf diesem Gebie~e ma~gebenden 12hysiologen za dem Sehlasse gekommen sind, dal~ eine exak~e mathematisehe Fes~steUung tier dynamischen Muskelwirkung am Lebenden wegen der unendhchen Komplikation der mechanischen Verh~l~nisse unmSglich ist, dug es aber fiir unsere klinischen Fragen hierauf auch gar nieht ankommt, da es sich fiir uns ja meist um Verg le ichsverh /~ l tn i sse handelt, Auch die Frage der Anpass~lng der Muskeln an ihre Funktion babe ich erSrter~. Sch. hat bier offenbar die Lehre yon Roux ieilweise mil~verstanden. Ebenso -wie T e l e k y I) bin ich bezfig]ich der Funktion tier Muskula~ur des menschlichen Arms und der H~nde zu einem teleologisch keineswegs befriedigenden Schlusse gelangt. Te leky sag~: ,,Der menschliche Arm mi~ seiner kr/if~igen Muskulatur ffir die Bewegungen im Ellbogengelenk, mit seinen kr~f~igen Supinatoren ist vorwiegend gebaut ftir grobe, sehwere Arbei& Die H~inde und Finger- strecker sin4 nur in der S~rke and Leistungsfi~higkeit angeleg~, die 4er geringen Anstrengung, die ihnen bei gewShnhcher ArSei~ zu~/ill~, en~sprich~. Bei allen feineren Arbeiten aber wird gerade diesen Muskeln ein bei wei~em grSi~eres Ma~ ~on Arbeitsleistung zuge- mute~ a]s bei grober ArbeW'. Ich (a. a. O. S. 156) warf deshalb die Frage auf, ,;oh nieh~ vielleich~ die Weiterentwicklung des menseh- lichen Armes und der H~nde im Laufe groSer Zeitr~ume nach der Richtung fin vor sieh gehen wird, daft dieses so wich~ige Werk- zeug des Homo sapiens den an es herantretenden Forderungen mi~

1) T e .eky, Zur Kasuistik der Bleil~hmung. Deutsche Zeitschr. f. Nerven- heilk. Bd. 37, S. 234.

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geringerer Anstrongung Geniige leis~en kann, als das his je~z~ der Fall is~".

Fiir ganz mi~lungen h~I~e ich den Versueh Sch's., die Schwierig- kei~en, die er gefunden zu haben glaub~, die aber, wie ich oben ge- zeig~ babe, gar nich~ exis~ieren, dami~ erkli~ren zu wollen, dal~ er nach dem Vorgange yon Wi l l i G. Lange 1) die Muskeln ill Kra f t - und Dauermuskeln ein~eil~. Wie so manche andere in dieser Schrif~ vor- ge~ragene Anschauung, so is~ aueh die Behaup~ung L ange's , auf die sieh jen e Ein~eilung stiitz~, dal] n~imlich ein t~iger Muskel mi~ einer Kolbendampfmasehine zu vergleichen sei, hSehs~ anfechtbar. Er bring~ a uch gar keine B~weise fiir diese Behaup~nng bei. Er dokre~ie~ ein- fach: ,,Genau dasselbe gilt fiir die Muskeln". Geradezu unrich~ig is~ seine Angabe, dal~ nut dana der Querschni~t des Muskels zunehmen ]~ann, wenn er durch l'Jberwindung eines grSi~eron Widers~andes in der Zeiteinhei~ eine Mehrarbei~ leis~e~, nieht aber, wean er gegen die g]eiehe Belastung wie vorher, aber l~ngere Zei~ ~tig ist. Nut der A~hle~ verfiige fiber eine massige Muskulatur, DauerI~ufern, Dauer- gehern, Dauerschwimmern fehle sie. Diese Behaup~ungen wider- sprechen allen unseren Erfahrungen, sie widerspreehen aber auch dem yon Lange selbs~ (a. a.O.S. 2) angefiihrten ersten Rouxsehen Grund- sa~z der funktionellen Anpassung, ,,naeh dem die s~i~rkere Funktdon die qualitative Besehaffenhei~ der 0rgane gnder~, indem sie die spezi- fische Leis~ungsfi~higkei~ d6rselben erhShk Die Giil~igkei~ dieses Gesetzes wird z. B. erwiesen dutch die Tatsaehe, dal~ die Musknla~ur des reehten Arms, tier mehr gebrauch~ wird als tier linke, nich~ nut voluminSser, sondern auch rela~iv leistungsf~higer is~ als die des linken Arms". Oder sind am reeh~en Arm e~wa nur die ,,Kraf~muskeln" s~rker als die linkssei~igen und ~icht anch die ,,D~uermuskeln?" Ein expor imen~e l l e r Beweis daftir, dal~ eine Dauerlels~ung zu einer be~r~ichtlichen Volumzunahme der Muskula~ur fiihr~, ist~ be]~ann~lich yon H. Gerhar~z ~) erbrach~ worden, der einen Hund 28 Wochen lang his 7 Stunden ~i~glieh die aufrechte S~ellung einnehmen liel~. Bei diesem ,,Stehhund" waren naeh Ablauf dieser Zei~ die S~rec]~er am Obersehenkel bedeutend s~rker geworden Ms die Benger. Under den Behaup~ungen Langes , deren Bes~imm~hei~ oft im umgekehr~en Ver- hiflbnisse zu ihrer Rich~igkei~ s~eh~, befinde~ sieh auch folgende S. 31 (a. a. 0.): ,,Ganz auff~llig is~ der geringe Tonus der Muskula~ur, z. B. tier Arme, yon zu besonders ausgiebiger Dauerarbei~ bef~hig~en

1) Uber hmktionelle Anpassung, ihre Grenzen, ihre Gesetze in ihrer Be- deutung ffir die Heilkunde. Berlin, Springer 1917.

2) Untersuehungen fiber den aufrechten Gang. Berl. klin. Woehenschr. 1910, Iqr. 43.

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164 AUERBAC~, Zum Gesetz der L~ihmungstypen.

Berufsgeigern und Klavierspielern". Jeder, der 5fters GelegenheR hat, diese Musiker zu untersuchen, wird mir zugeben, dal~ gerade das Gegen~eil zu~rifft. Anch schon deshalb ist jene Trennung in Kraft- und Dauermnskeln zu verwerfen, weft gerade bei den die grSiite Kraft effordernden Muskelleistungen niemals ein einzelner Mnskel in Aktion trR~, sondern immer eine Mehrzah], yon denen ein Tell die bei diesen Arbeiten so wichtige Fixation der benachbarten Gelenke zu besorgen hat. Zu den le~zteren gehSren nun abet gerade h~ufig sog. ,Dauer- muskeln". ArbeRen die ]etzteren bier nun als Kraft- oder als Dauer- muskeln ?

Indem sich Schwab diese Einteilung Langes zueigen machO, ger~t er bei der Analyse der einzelnen Muskeln in die grSl~te Be- dri~ngnis. Bei dem M. tibial, antic, and dem Flexor carpi uln. fiihR er das selbst. Den letz~eren bezeichnet er deshalb als ein ,,Miseh- gebilde" zwisehen Dauer- und KraRmuske]. Diesen l~amen muit man aber fast alien Muskeln geben, je naehdem man ihre Insertion oder ihren Ursprung als Punc~um fixum oder Punctum mobile nimmt, and vor allem, dann, wenn man die so auf~erordentlieh mannigfaRige Be- t~tigung tier einzelnen Muskelgruppen bei den versehiedenen Berufs- sti~nden in Riieksicht ziehk Hiiehst seltsam and gezwungen ist auch

die Einweisung tier H a n d - a n d Fingers~reeker nnter die Dauer- muskeln. Weshalb diese Muskeln als Synergisten der Iqand- and Fingerbeuger bei dem kriiftigen nnd oft ruckartigen Faustsehhfl~ nicht mR ihrer maximalen Leistung, d. h. als Kraftmuskeln in Ak~ion tre~en soUen, ist mir unverst~ndlich. Ganz Ahnliehes wi~re yon den kleinen Hand- and Fingermnskeln zu sagen. Doch genng davon!

Ich kann nich~ finden, dal~ mR so kiinstliehen, unserer Erfahrung widersprechenden Konstruktionen das Problem der L~hmnngstypen gefSrder~ wird. Soweit Seh. in seiner Arbeit wirkliche Tatsachen beigebracht hat, kann ich zu meiner Genugtuung feststel|en, daI~ auch sie ausnahmslos fiir die AllgemeingiiltigkeR des yon mir aufges~elRen Gesetzes sprechen.