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Pflügers Archiv, Bd. 267, S. 426--433 (1958) Aus dem Pharmakologischen Institut der Albert-Ludwigs-Univcrsit~~ Frciburg/Br. Zum Problem der ,,reaktiven Hyperämie" der Niere Von G. GRUPP und H. HEIMPEL Mit 2 Textabbildungcn (Eingegangen am 15. Mai 1958) BIm~ 3 hat 1898 die Vermutung ausgesprochen, daß die Niere im Gegensatz zu den meisten anderen Gef~ßgebieten keine reaktive ttyper- Bmie aufweise. Als ,reaktive Hyper~mie" wird die kompensatorische Mehrdurchblutung eines Gef~ltgebietes bei Wiederherstellung der Zirku- lation nach vorhergegangener Abldemmung oder Mangeldurehblutung bezeichnet. (BIE~8,4; Ka~oG~18; Lwwls u. Gl~A~IT15; R~II~ u. SCH~EI- I)m~17). Die reaktive Erweiterung des Gef~l~gebietes wird auf lokal- chemische Einwirkungen w~hrend der Mangeldurchblutung zurück- geführt ~a,~5 STIm~L~~I 2o hat die Vermutung BI~l~S durch Messungen mit der Thelanostromuhr bestätigt und dabei festgestellt, daß nach voll- ständiger Isch£mie der Niere durch Abklemmen der A. renalis bei der Wiederherstellung der Zirkulation keine Mehrdurchbhitung zu finden war. Dagegen beobachtete er in 7 von 35 Versuchen eine Verminderung der Durchblutung für kurze Zeit. Es war außerdem seit langer Zeit be- kannt, daß schon eine relativ kurze Unterbrechung der Blutzufuhr eine funktionelle Schädigung der Niere zur Folge hat. (H~la)~~~AI~«; LA~I- I)ERGI~~~~ U. TIGm~ST~»TI«; S~OLIJ u. CAI~LSO~~~), gegenteilige Befunde siehe MAI~SI~AIùL u. C~~E ~~. Von Vola~Al~» 22 wurde die Unfähigkeit zur reaktiven Mehrdurchblutung für den Schaden mit verantwortlich ge- macht, den die Niere bei der mit einem Spasmus der afferenten Arteriolen beginnenden akuten Glomerulonephritis erleidet. SAI~I~~ u. A~sol~o~ 19 haben 1939 die Frage nach der reaktiven Ityper~mie der Niere mit der direkten Durchblutungs-Meßmethode von B&l~CXOl~~ u. Bl~o»i~ 1 am eviszerierten Tier erneut aufgegriffen. Sie erhielten regelmäßig nach 1 15 min Abklemmung der Nierenarterie nach der Wiedereröffnung eine Mehrdurchblutung von 4---173°/o, im Durchschnitt 30°/o. Diese Mehr- durchblutung bezeichnen sie als reaktive Hyper£mie. Die neuerdings von RrrT~~ ~s und uns6, s beschriebene überschießende Mehrdurchblutung im Anschluß an eine mechanische Drucksenkung (partielle Drosselung) in der A. renalis scheint ebenfalls die Möglichkeit anzudeuten, daß auch die ~iere wie andere Gef£Bgebiete eine reaktive Hyper£mie nach Mangel- durchblutung zeigen könnte.

Zum Problem der „reaktiven Hyperämie” der Niere

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Page 1: Zum Problem der „reaktiven Hyperämie” der Niere

Pflügers Archiv, Bd. 267, S. 426--433 (1958)

Aus dem Pharmakologischen Institut der Albert-Ludwigs-Univcrsit~~ Frciburg/Br.

Zum Problem der ,,reaktiven Hyperämie" der Niere Von

G. GRUPP und H. HEIMPEL

Mit 2 Textabbildungcn

(Eingegangen am 15. Mai 1958)

BIm~ 3 hat 1898 die Vermutung ausgesprochen, daß die Niere im Gegensatz zu den meisten anderen Gef~ßgebieten keine reaktive t typer- Bmie aufweise. Als , reakt ive Hyper~mie" wird die kompensatorische Mehrdurchblutung eines Gef~ltgebietes bei Wiederherstellung der Zirku- lation nach vorhergegangener Abldemmung oder Mangeldurehblutung bezeichnet. (BIE~8,4; Ka~oG~18; Lwwls u. Gl~A~IT15; R~II~ u. SCH~EI- I)m~17). Die reaktive Erweiterung des Gef~l~gebietes wird auf lokal- chemische Einwirkungen w~hrend der Mangeldurchblutung zurück- geführt ~a,~5 STIm~L~~I 2o hat die Vermutung BI~l~S durch Messungen mit der Thelanostromuhr bestätigt und dabei festgestellt, daß nach voll- ständiger Isch£mie der Niere durch Abklemmen der A. renalis bei der Wiederherstellung der Zirkulation keine Mehrdurchbhitung zu finden war. Dagegen beobachtete er in 7 von 35 Versuchen eine Verminderung der Durchblutung für kurze Zeit. Es war außerdem seit langer Zeit be- kannt, daß schon eine relativ kurze Unterbrechung der Blutzufuhr eine funktionelle Schädigung der Niere zur Folge hat. (H~la)~~~AI~«; LA~I- I)ERGI~~~~ U. TIGm~ST~»TI«; S~OLIJ u. CAI~LSO~~~), gegenteilige Befunde siehe MAI~SI~AIùL u. C ~ ~ E ~~. Von Vola~Al~» 22 wurde die Unfähigkeit zur reaktiven Mehrdurchblutung für den Schaden mit verantwortlich ge- macht, den die Niere bei der mit einem Spasmus der afferenten Arteriolen beginnenden akuten Glomerulonephritis erleidet. SAI~I~~ u. A~sol~o~ 19 haben 1939 die Frage nach der reaktiven Ityper~mie der Niere mit der direkten Durchblutungs-Meßmethode von B&l~CXOl~~ u. Bl~o»i~ 1 am eviszerierten Tier erneut aufgegriffen. Sie erhielten regelmäßig nach 1 15 min Abklemmung der Nierenarterie nach der Wiedereröffnung eine Mehrdurchblutung von 4---173°/o, im Durchschnitt 30°/o. Diese Mehr- durchblutung bezeichnen sie als reaktive Hyper£mie. Die neuerdings von RrrT~~ ~s und uns6, s beschriebene überschießende Mehrdurchblutung im Anschluß an eine mechanische Drucksenkung (partielle Drosselung) in der A. renalis scheint ebenfalls die Möglichkeit anzudeuten, daß auch die ~iere wie andere Gef£Bgebiete eine reaktive Hyper£mie nach Mangel- durchblutung zeigen könnte.

Page 2: Zum Problem der „reaktiven Hyperämie” der Niere

ù l~eaktive Hyperämie" der Niere 427

Es erschien uns deshalb notwendig, systematisch die Frage des Vor- kommens einer reaktiven Hyperämie der Niere mit einer zeitgerecht registrierenden und quanti tat iven Durchblutungs-Meßmethode (Bubble- flow-Meter [BFM] 2,1°) noch einmal zu untersuchen, weil die Mehr- durchblutung nach partie]ler Drosselung bzw. die kurze Minderdurch- blutung während der partiellen Drosselung als ,Einstellbewegungen" Ausdruck der Autoregulation des Nierenkreislaufs sind. So könnte die reaktive tIypcrämie, wenn sie wirklich existiert, zur Erklärung der Auto- regulation herangezogen werden. Daneben war es in unseren Unter- suchungen der Wärmebildung in der Nierenrinde und im Nierenmark notwendig, die Zirkulation kurze Zeit zu unterbrechen, umdie Konvektion auszuschalten s. So konnten wir einen Versuch zur Klärung der Frage der reaktiven Hyperämie der Niere nach Mangeldurchblutung an einer größeren Zahl von t tunden unternehmen.

Methodik Die Versuche wurden an 26 Hundert von 9--18 kg in Chloralose- (0,1/kg) oder

Numal- (0,05/kg) Narkose durchgeführt. Bei 15 Runden wurde die Durchblutung wegen gleichzeitigen Wärme-Messungen in der 5Iierenvene mit dem automatisch registrierenden BFM (2) gemessen, wobei das l~ierenvenenblut durch die V. femo- ralis dext. direkt in die V. cava zurückgeleitet wurde. Die Abklemmung der A. renalis wurde dabei durch ein kleines Kompressionsgerät vorgenommen. Bei 11 Hundert wurde die A. renalis kanuliert, die Niere aus der A. carotis sin. durehströmt und der Einstrom des Blutes in die Niere gemessen. Das Blut war mit 20 mg/kg Poly- äthen-SO3-Na ungerinnbar gemacht. Die Nierengefäße wurden entweder durch medianen Bauchschni~t ~ransperitoneal oder vom Rücken her retroperitoneal frei- gelegt. Blutdruck und Nieren-Einflußdruck wurde mit Hg-Manometern gemessen. (Weitere Einzelheiten zur Methodik sieheS,S,S,11.)

Ergebnisse Die Größe der Nierendurchblutung lag bei den hier mitgeteilten Ver-

suchen zwischen 1,5 und 4,9 ml/g • min; hauptsächhch zwischen 2,5 und 3,5 mi/g • min. Der Systemblutdruck (gemessen in der A. femoralis) war 100--150 m m H g . Der Nieren-Einfiußdruck, den wir in 11 Versuchen in der Nierenarterien-Kanüle gemessen haben, lag um 5--10 m m t t g ~iefer als der Systemdruck. Der Unterschied ist auf den Druckabfall im Zu- leitungsschlauch zur Nierenartcrie zurückzuführen.

Die vollständige Abklemmung der Nierenarterie selbst oder des Zu- leitungsschlauches zur Nierenarterie für 1--7 min beeinflußt das Gefäß- system der Niere so, daß nach Wiederherstellung der Zirkulation die Durchblutung gegenüber dem Vorwert für kurze Zeit vermindert ist (Abb. 1). Da der Druck sofort nach der Lösung der Abldemmung auf sein vorheriges Niveau ansteigt, ist die Verminderung der Durchblutung auf eine Erhöhung des Widerstandes in der Niere zurückzuführen. Die Durch- blutung kehrt nach 1--3 min auf ihren Vorwert zurück. In einigen Fällen,

Page 3: Zum Problem der „reaktiven Hyperämie” der Niere

428 G. GRUPP und H. HEIMPEL:

insbesondere bei niedriger Ausgangsdurchblutung, blieb die Nierendurch- blutung nach dem Lösen der Abldemmung auf die Dauer vermindert.

Bei den Versuchen, in denen die Stromst~rke im arteriellen Zufluß zur Niere gemessen wurde, konnte der initialen Durchblutungsverminderung

manchmal eine geringere, aber etwas l~Lnger dauernde Zunahme folgen. Diesen biphasisehen Verlaufz eigt Abb. 2. Bei beiden Abklemmungen

Abb. ] Abb. 2

Abb. 1. Vollständige Unterbrechung der 2(ierenzh'kulation durch Abklemmen der Nierenarterie für 60 sec. Obere l~egistriel'ung: Systemblutdruck in Art. renalis; untere Registrierung: Stromstärke

(höhere Ordinaten bedeuten geringere Stromsti~rke!). Zeitmarkierung 10 see

Abb. 2. BiDhasischer Yerlauf der Stromstärkeßnderung nach Eröffnung der 57ierenarterie nach 60 sec Abklemmung. Registrierung wie in Abb. 1, A Abldemmung,/5 Lösung

ist der Druck im Zuftuß der Niere direkt nach Lösen der Abklemmtmg kurz erhöht. In dieser Zeit ist die Stromsti~rke in der Niere vermindert, der Strömungswiderstand ist also erhöht. Daran schließt sich die 2. Phase mit Erniedrigung des Druckes und größerer Stromstärke, also mit einer Verminderung des Widerstandes an. Die biphasische Reaktion dauert ebenfalls maximal 3 min.

Page 4: Zum Problem der „reaktiven Hyperämie” der Niere

ù Reaktive Hyperämie" der Niere 429

Eine eindeutige Durchblutungszunahme direkt nach Lösen der Ab-

k lemmung wurde nur bei 5 H u n d e n beobachte t , von denen bei 2 die nach-

folgenden Abk lemmungen keine Änderung oder eine Verminderung zur

Folge ha t ten .

Tabelle 1. Änderung der Nierendurchblutung nach Löse~ der vollständigen Abklemmung der Æierenarterie im Vergleich zum Vorwert

I: während der 1. min nach Lösung. II : während der ersten 3 min

Nr.

78 1 2

80 1 2

81 1 2

82

83 1 2

84 1 2 3

85

86

91

127 1 2 3

131 1 2 3

132 1 2 3

157 162

163 1 2

St roms tä rkemessung in :Nierenvene

~ a l l e r der Ab-

klemmun~ see

% Änderung

I II

--6 --3 - - 1 3 - - 11

- - 2 0 - - 1 6

- - 1 2 - - I t

-+-2 - - 3 - - 1 4 - - 12

- - 3 2 - - 24

32 ~ 17 ~-16 + 4

÷ 2 + 3 - - 2 1 - - 11 - - 1 6 - - 10

- - 8 - - 4

- - 4 0

- - 9 6

- - 9 - - 7

- - 2 1 - - 14 - - 12 - -21

- -21 - - 2 6 - - 2 9

0 - - 1 4 - - 3 1

70 ~-20

60 - - 4 0

60 - - 3 6 60 ~ 4 8

- - 8 3

- - 17

18 1 21 2 13

2 8

24

12

32

18 21

]~r0mstärkemésstmg in Nierenarteri(

D a u e r

l~r. der Ab- ° /o 2[nderung klemmung

I sec

- - 24

II

- - 1 8

0

- - 1 3

- - 4

-~ 6 0 0

- - 7

- - 3

11 0 0

- - 15 - - 1 1

- - 20 - - t 0

0

- - 1 0

0 ÷ 5

Tab. 1 br ingt eine Ubers icht über die Ergebnisse aller Abklemmungen ,

aufgetei l t nach der S t romstärkemessung in der Nierenar ter ie und Nieren-

vene. Neben der Dauer der Abk lemmung in Sekunden ist d ieÄnderung der

Durchb lu tung in P rozen t infolge der Abk lemmung angegeben und zwar

Page 5: Zum Problem der „reaktiven Hyperämie” der Niere

430 G. GacP~ und H. HEIMPEL:

unter I für die 1. min nach der Lösung und unter I I für die ersten 3 min nach der Lösung. Die Angaben bei I I sind notwendig wegen der Ergebnisse mit biphasischem Verlauf, damit erkennbar wird, welche Phase über-

• wiegt, die verminderte oder die vermehrte.

Tabelle 2 Übersicht über die Reaktionen des Nierenge]äflsystems au/Arterienabklemmung

I u. II siehe Tab. 1

Stromstärke- messung

in

Anzahl

der Abklem- Hunde mnngen

Änderung der Durchblutung (Anzahl der t tnnde in Klammern)

Verbesserung Verminderung : ohneinnerhalbXndernng5 %

Nierenvene

Nierenarterie

Gesamt-Material

15

26

29 3

2i (~)

50 (~) (4)

2~

(2) (õ)

22 20 (12) (11) 14 8 (8) (6) 36 28

(20) (17)

4 7

(4) 10 (7)

(~) 17(7)

(7) (l~)

Die Einschränkungen der Durchblutung nach der vollständigen Ab- klëmmung überwiegen, wie Tab. 1 zeigt. Durchschnittlich fließt 17°/o weniger in den ersten 3 min als in der Vorperiode. Die größte Einschrän- kung war --480/0. Die wenigen Durchblutungszunahmen liegen um -~ 16°/o bei einem Maximalwert von -~ 32°/0. Eine Zusammenfassung gibt Tab. 2, in der neben der Anzahl der Abklemmungen auch die Zahl der Versuehstiere angegeben ist.

Aus Tab. 2 kann man ersehen, daß insbesondere sofort nach Lösen der Abklemmung die Durchblutung vermindert ist, aber auch ir~ der 3 min-Periode findet sieh häufig eine Verminderung. Verbesserung der Durchblutung wird bei 5 Hunden gesehen. Am häufigsten reagiert das Nierengefäßsystem auf die AbMemmung der Nierenarteric mit einer Verminderung der Stromstärke oder sie läßt sie unverändert.

Diskussion

Bei Hunden in Chloralose- oder Numalnarkose wurde die Durch- blutung der linken Niere mit dem Bubbleflõw-Meter ~ blutig gemessen. Diese Meßmethode arbeitet mit einer für die ]31utstrommessung aus- gezeichneten Genauigkeit von -t-20/o. Die Anzeige kann direkt verfolgt werden. Die Stromstärkeänderungen werden sofort sichtbar, so daß also der gesamte Verlauf eines Versuches qualitativ und quantitativ richtig verfolgt werden kann 1°. In einem Teil der Versuche wurde der arterielle Einstrom in die Niere, in dem anderen der venöse Ausstrom gemessen, Wir beobachteten die Wirkung der vollständigen Abklemmung der Nierenarterie für 1--7 min auf das Gefäßsystem der Niere.

Page 6: Zum Problem der „reaktiven Hyperämie” der Niere

ù Reaktive Hyper~mie" der Niere 431

Die Ergebnisse bestätigen die Vermutung von BIERS, « und die mit der Thermostromuhr gemachten Beobachtungen von STIERLEN ~°, daß sich an der Niere nach Unterbrechung der Blutzufuhr keine kompensatorische Mehrdnrchblutung zeigt, wie sie an anderen Organen beobachtet und als ,reaktive Hyperämie" bezeichnet wird. Darüber hinaus konnten wir zeigen, daß sogar in den meisten Fällen eine Verminderung der Durch- blutung um etwa 17°/o als Folge der Abklemmnng zu sehenist. In den Ver- suchen, in denen der Einfiußdruck in die Nierenarterie mitgemessen worden ist, kann man aus dem Druckverhalten und der Stromstärke er- rechnen, daß während der Abldemmung der Gefäßwiderstand in der Niere angestiegen ist. Diese Widerstandserhöhung kann als Konstriktion in irgcndeinem Teil des Nierengefäßsystems angesehen werden. Eine solche constrictorische Reaktion auf Verminderung des 02-Angebotes wurde für die Niere von anderen beobachtet (K~MER12). Die Ver- kleinerung des Nierenvolumens während der Abkemmung bleibt auch nach der Lösung für einige Minuten bestehen (SToLL U. CAgLSON21), was als Spasmus der Nierengefäße gedeutet wird. Diese ,unzweck- mäßige" constrietorische Reaktion der Nierengefäße infolge des Durchblutungs-Stillstands muß als Ausdruck einer meist reversiblen Schädigung der Niere angesehen werden, eine Ansicht, die mit den Beobachtungen übereinstimmt, die auf die Empfmdliehkei~ ~ der Niere gegenüber Ischämie in bezug auf ihre Funktion hingewiesen haben7,14,21,22.

In den wenigen Fällen, in denen direkt nach LSsen der Abldemmung eine Mehrdurchblutung gegenüber dem Vorwert zu beobachten war, glich die übersehießende Mehrdurchblutung in ihrem Ausmag und ihrem zeit- lichen Ablauf der Einstellreaktion der DurchblutunglS, 6, die man bei Lösung einer partiellen Drosselung an der intakten Niere beobachten kann. Daß diese Mehrdurehblutung keine reaktive Hyperämie im Sinne der eingangs gegebenen Definition darstellen kann, wurde auch an anderer Stelle6, s ausführlich diskutiert. Der l%egulationsreiz für die Gefäßerweite- rung bei partieller Durehblutungsdrosselung ist nicht der verminderte An- undAbtransport von Stoffwechselprodnkten, sondern diewährend der Drosselung bestehende Verminderung des arteriellen Einflußdruckes. Die ùGröße der reaktiven Mehr- oder M£nderdurehblutung hängt von der Drnckdifferenz and nicht von der Zeit der Einwirkung ab. Gerade eine sehr starke Einschränkung der Durchblutung bzw. die vollständige "Unterbrechung der Zirkulation durchbricht diese Anpassung und verengt die Nierengefäße. Eine Erklärung für die Tatsache, daß im Ausnahmefall dieser Anpassungsmechanismus erhalten bleibt und: keine constrictori- sche Reaktion der GefgBe erfolgt, kann nicht gegeben werden. Möglicher- weise liefert in diesen Fällen der von der Kapsel her gespeiste Kollateral- kreislauf das notwendige Durchblutungsminimum.

Page 7: Zum Problem der „reaktiven Hyperämie” der Niere

432 G. G~uPP und icl. t{EngPEI~:

Die 1/~nger anhaltende Durchblutungsverbesscrung, die b e i den bilohasisch ablaufenden l%eaktionen nach der Durchblutungsverminde- rung beobachtet wird, ist zu gering, um als reaktive Hyloer&mie aufgefaßt zu werden: Sie reicht in den meisten F/~llen nicht einmal aus, um die initiale Durchblutungsverminderung zu komloensieren. Man muß sich daran erinnern, daß z. B. die am Arm des Menschen gemessene reaktive Hyper~mie das 10--20fache des Ausgangswertes betr&gt 15. Interessant ist, daß der bilohasische Verlauf der Gef£Breaktion insbesondere bei der Messung des arteriellen Einstroms zu beobachten ist, w~hrend die venöse Messung fast ausschließlich Durehblutungsverminderung anzeigt. Dies spricht dafür, daß nach Lösung der initialen Vasoconstriction ein Teil der Stromst~rkezunahme in der Nierenarterie zum Auffüllen der Strom. wege in der Niere benutzt wird, daß also bei den wenigen Mehrdureh- blutungen meistens gar keine wirksame Durchblutnngszunahme zustande kommt.

Schließlich konnten wir in unseren Versuchen keinen Einfluß der Zeit- dauer der Abklemmung auf die Gef~ßreaktion bei der LSsung feststellen. Selbst nach einer Abldemmung von 7 min war keine Vermehrung, sondern eine Verminderung der Stromst~rke zu sehen. Da das Anschließen des Bubbleflow-Meter immer eine Abklemmung der Nierenarterie verlangt, sind unsere Beobachtungen sehr zahlreich. Wir sahen mit großer l%egelm~ßigkeit, daß die erst schlechte Durchblutung sich langsam verbesserte.

Die Verschiedenheit der Ergebnisse von SAm~~ u: A~SORGV,19 gegen die von STI~aL~N ~o und uns mnB auf der Verschiedenheit der verwandten Methode beruhen: Der von SXRRE gegenüber STI~~L~~ gemachte Ein- wand, daß die Einstellzeit des Meßgerätes zu lang sei, um eine rasch ablaufende Mehrdurchblutung zu erfassen, ist gegenüber der Messung mit dem ]~FM nicht berechtigt (siehe auch 10). Man sieht in Abb. 2, daß die Registrierung direkt mit dem Wiederanstieg des 1Wiereneini]ußdruckes beginnt. (Die bei der ersten Ordinate mögliche Fehlanzeige des BFM geht eher in Richtung einer zu hohen als einer zu niedrigen Durchblutung : die Stromstärke direkt nach Lösung war also eher etwas geringer als die Messung zeigt.) Daneben haben wir bei unseren Durchblutnngsmessungen an der Niere unter den verschiedenen Bedingungen niemals eine Durch- blutungszunahme um 173°/o gesehen.

Die Sauerstoffausnutznng der Niere liegt mit 50/0 normalerweise sehr viel niedriger als in anderen Organen. Sie kann aber bei extremer Einschränkung der Durchblutnng auf 30o/0 ansteigenS, ~°. Bei der Größe der Nierendurchblutnng reicht dieser Mechanismus aus, um die w~hrend der Abklemmung eingegangene Sauerstoffsehnld auszugleichen, ohne daß eine zusätzliche Vermehrung der Durchblutung erforderlich wKre 11.

Page 8: Zum Problem der „reaktiven Hyperämie” der Niere

, Reaktive Hyper~mie" der Niere 433

Zusammenfassung 1. Nach der Lösung einer vol ls t£ndigen Abk lemmung der Nieren-

arterie für 1 - -7 min wird beim H u n d in der Regel die Durchb lu tung der Niere für 1 - -3 min u m durchschni t t l ich 17O/o (max. 480/0) verminder t . Als Ausnahme wurde bei 5 von 26 H u n d e n eine Mehrdurchblu tung von 16°/o (max. 32°/0) gesehen.

2. W£hrend der Abk lemmung steigt der St römungswiders tand in der Niere infolge Vasoconstriction. Diese Kons t r ik t ion auf extreme Mangel- du rchb lu tung ist als pathologische Reakt ion der Nierengef£Be anzusehen, die die normalerweise e intre tende regulat ive Erwei terung der Gefäße bei s inkendem Arter iendruck (Autoregulation) durchbricht .

3. Bei der Stromstärkemessung in der Nierenarterie, nich~ in der Nierenvene, wird eine biphasische l%eaktion auf die Abk lemmung beobachtet : einer Durchb lu tungsverminderung folgt eine Verbesserung. Die S t romstärkezunahme ist hierbei n icht effektiv, sie d ient der Auffül- lung der vorher verengten Gefäße.

4. Die Niere zeigt keine , r eak t ive Ityperämie".

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Priv.-Doz. Dr. G. G~v~~, Phaxmako]ogisehes Instituv der Universität Freiburg/Br., Katharinenstr. 29