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(Aus der Marburger Kinderklinik.) Zur biologischen Bedeutung der Phosphatester der roten Blutk~irperchen. Von Ernst Freudenberg. Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 13. Juli 1935.) In neuerer Zeit hat die Frage nach der Bedeutung der Phosphates~er des Blutes steigendes Interesse gefunden, das sich zum Teil in metho- dischen Arbeiten (E. Miiller 1, Nissen~), zum Tefl bereits in Hinweisen auf die klinische Bedeutung dieser Phosphorverbindungen bei der Rachitis ausdriiekt (Rominger a). Stearns und. Warwag 4 teilen mit, dab sie 2 F~lle yon Sp~trachitis beobachteten, in denen die Esterffaktion vermindert war, naehdem schon 1932 Kay 5 eine Verminderung derselben in den roten BlutkSrperchen bei Rattenrachitis gefunden hatte. Zufiihrung yon D-Vitamin bewirkte einen sehr raschen Anstieg bei der Heilung. Nissen ~ berichtet, dal]er Herabsetzungen bei Rachitis und Tetanie sah. Meine Beobachtungen liegen, wie vorausgeschickt werden mag, ganz in gleicher Richtung, so daft die /riihere Au//assung, bei ttachitis sei ausschliefllich der anorganische Phosphor (a. P.) im K6rper vermindert, nieht mehr au]rechterhalten werden kann. :Die Sicherung dieses Tatbestandes wurde dutch die methodisehen Verbessermlgen der obenangeffihrten Arbeiten erleichtert. :Die Benutzung des Stufenphotometers gegenfiber dem mit Amidol als Reduk~ionsmitSel erzielten blauen Farbton fanden wit sowohl bequemer als auch genauer als die Auswertung nach Briggs unter A_awendtmg des Colorimeters yon A utenrieth. Der gesamte s~urel6sliche Phosphor des Vollblutes wurde in 1 ccm des Trichlor- essigs~urefiltrates durch nasse Veraschung nach _Fiske-Subbarow, anschlieBende Neutralisierung mittels 25%iger Lauge, Auffiillen auf 10 ccm und Versetzen yon 1 ecru dieser Verdiinnung mit 0,2 corn Trichloressigsaurel6sung vorgenommen, indem sod~nn wie beim a. P. nachE.Mi~ller 1 gearbeitet wurde. Es kam nur ttirudin- blur in Anwendung. Die Differenz des gesamts~urel6slichen P und des a.P. ist der hydrolysierbare P, der vorwiegend aus esterartig gebundenem P besteht, wie zuerst Rona und Iwasaki e erkannten. Die weitero Aufteilung dieser Verbindungen in ihre 3 Unterfraktionen wurde nicht ausgeftihrt. Wcnn bei den Versuchsans~tzen Phosphat zugesetzt wurde, kam ein entsprechend verkleinertes Blutvolumen (0,1 oder 0,2 ecm) zur Verarbeitung. 1. H~rkunft und Entst~ungsw~ise d~r P-Ester der roten Blut~rperchen. Was die Verbreitung dieser Verbindungen im Blur angeht, so ist bekannt, dab sie nur in geringer Menge im mensehlichen Serum vor-

Zur biologischen Bedeutung der Phosphatester der roten Blutkörperchen

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Page 1: Zur biologischen Bedeutung der Phosphatester der roten Blutkörperchen

(Aus der Marburger Kinderklinik.)

Zur biologischen Bedeutung der Phosphatester der roten Blutk~irperchen.

Von

Ernst Freudenberg. Mit 2 Textabbildungen.

(Eingegangen am 13. Juli 1935.)

In neuerer Zeit hat die Frage nach der Bedeutung der Phosphates~er des Blutes steigendes Interesse gefunden, das sich zum Teil in metho- dischen Arbeiten (E. Miiller 1, Nissen~), zum Tefl bereits in Hinweisen auf die klinische Bedeutung dieser Phosphorverbindungen bei der Rachitis ausdriiekt (Rominger a). Stearns und. Warwag 4 teilen mit, dab sie 2 F~lle yon Sp~trachitis beobachteten, in denen die Esterffaktion vermindert war, naehdem schon 1932 Kay 5 eine Verminderung derselben in den roten BlutkSrperchen bei Rattenrachit is gefunden hatte . Zufiihrung yon D-Vitamin bewirkte einen sehr raschen Anstieg bei der Heilung. Nissen ~ berichtet, da l ]e r Herabsetzungen bei Rachitis und Tetanie sah. Meine Beobachtungen liegen, wie vorausgeschickt werden mag, ganz in gleicher Richtung, so daft die /riihere Au//assung, bei ttachitis sei ausschliefllich der anorganische Phosphor (a. P . ) im K6rper vermindert, nieht mehr au]rechterhalten werden kann.

:Die Sicherung dieses Tatbestandes wurde dutch die methodisehen Verbessermlgen der obenangeffihrten Arbeiten erleichtert. :Die Benutzung des Stufenphotometers gegenfiber dem mit Amidol als Reduk~ionsmitSel erzielten blauen Farb ton fanden wit sowohl bequemer als auch genauer als die Auswertung nach Briggs unter A_awendtmg des Colorimeters yon A utenrieth.

Der gesamte s~urel6sliche Phosphor des Vollblutes wurde in 1 ccm des Trichlor- essigs~urefiltrates durch nasse Veraschung nach _Fiske-Subbarow, anschlieBende Neutralisierung mittels 25%iger Lauge, Auffiillen auf 10 ccm und Versetzen yon 1 ecru dieser Verdiinnung mit 0,2 corn Trichloressigsaurel6sung vorgenommen, indem sod~nn wie beim a. P. nachE.Mi~ller 1 gearbeitet wurde. Es kam nur ttirudin- blur in Anwendung. Die Differenz des gesamts~urel6slichen P und des a.P. i s t der hydrolysierbare P, der vorwiegend aus esterartig gebundenem P besteht, wie zuerst Rona und Iwasaki e erkannten. Die weitero Aufteilung dieser Verbindungen in ihre 3 Unterfraktionen wurde nicht ausgeftihrt. Wcnn bei den Versuchsans~tzen Phosphat zugesetzt wurde, kam ein entsprechend verkleinertes Blutvolumen (0,1 oder 0,2 ecm) zur Verarbeitung.

1. H~rkunft und Entst~ungsw~ise d~r P-Ester der roten Blut~rperchen.

Was die Verbreitung dieser Verbindungen im Blur angeht, so ist bekannt, dab sie nur in geringer Menge im mensehlichen Serum vor-

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428 Ernst Freudenberg:

kommen, sehr reichlich aber in den roten BlutkSrperchen. Aus diesem Grunde kann ich reich nieht den Folgerungen anschliel~en, die Erantali ~ aus seinen interessanten Experimenten ableitet, in denen er Blutserum und enteiweiflte Serumfiltrate ultraviolett bestrahlte und hierdurch eine Vermehrung des a. P= erzielte, die naeh ihm auf Kosten des Ester-P (E.P.) im Blutserum gcht. Da, wie gesagt, diese Fraktion im menseh- lichen Serum nur wenige Milligramme, oft auch nur Bruehteile won Milligrammen pro 100 ccm an P betr~gt, kann ihr ffir den P-Stoffweehsel keine entscheidende Bedeutung zuerkannt werden. In der friiheren Literatur findet sieh sogar die Behauptung, der a. P. stimme mit dem s~urelSslichen P des Serums in den Fehlergrenzen fiberein: Als Vorrats- stapel ffir de.n a.P. kann diese d~qtige Reserve nicht dienen, denn der Bestand eines biologischen Depots rauB doch unter allen Umsts ein Mehrfaches der aktuellen Masse sein. Man denke an den zirkulierenden Traubenzucker, tier welt hinter den Glykogenstapein an Menge zurfick- tritt.

Es taucht die Frage auf, ob nieht der E.P. der BlutkSrperehen als ein Depot ffir den a.P. dient, das bei seiner Einstelhmg im Serum regu- lierend eingreift. Bevor dieser Grundfrage nachgegangen wird, erhebt sich aber die andere, woher der E.P. stammt, aus was und wo er gebildet wird.

I-Iierfiir stelle ich die folgende ttypothese zur Er6rterung. Die roten Blutzellen entstehen bekanntlieh aus den kernhaltigen Normoblasten im Knoehenmark. Kernhaltigkeit bedeutet die Anwesenheit yon Nukleo- tiden. Die , ,Karyolyse" muff also einen Abbau dieser Stoffe darstellen. Der Aufbau aus Kohlehydratphosphorsaure, an welche Basen (Purine, Pyrimidine) in Glykosidform gebunden sind, ergibt nun flit die M6glieh- keit der Entstehung einer Glycerinphosphorss den Weg, dab die Hexose wie bei der Glykolyse zwisehen dem 3. und 4. Kohlenstoffatom unter Oxydations- und Reduktionsvorg/iugen aufgespalten wird, wobei Glycerin entsteht. Wenn dagegen eine Abspaltung der Basengruppe attf fernaen- tativem Wege dutch Nuldeosidasen erfo]gt, so tritt ttexosephosphors~m'e als Abbauprodukt auf. Wenn die vorgetragene Hypothese zutreffen4 ist, mul3 sie sich reehnerisch begrfinden lassen.

Man kennt durch Ackermann s den P-GehalC der isolierten, gereinigten, getrockneten Vogelblutzellenkerne. Er betragt 3,93%. Fiir die Um- rechnung auf die wasserhaltige frische Substanz sei der durchschnitthche Wassergehalt jugendlieher Gewebe ohne Paraplasma won 80---85% angenommen. Dann ergeben sieh in den feuehten Zellkernen 0,588 bis 0,786% P. Es wird vorausgesetzt, dal~ der P in den Kernen tier Vogel- blutzellen and im Kern der menschlichen Normoblasten in gleieher Menge enthalten sei. Als Volumen normaler mensehlieher Erythrocyten gibt Barker 9 86__87tta an. Der Kerndurehmesser des Normoblasten werde auf die Hiilfte des Zelldurehmessers angenommen. Die Volumina

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Zur biologischen Bedeutung der Phosphatester. 429

verhalten sich dann wie 8 : 1 . Dann ist das Kernvolumen 10,75# a. Das Volumen, welches die Kerne in 100 cem Blur einnehmen wiirden, wenn Normoblasten in einer Zahl yon 5 000 000 pro Kubikmill imeter start Normocyten zirkulieren wiirden, betriige: 10,75 • 10 -11 • 5 • 10 +1~ = 5,375 ecm. Man kann die Rechnung aueh unter Zugrmldelegung der Tatsache durchfiihren, dab das Volumen der roten Zellen in 100 ccm im Durehsehnitt 44 Gem betragt, dab sich das Gesamtzellvolumen zum Kernvolumen wie 87 zu 10,75 verhalt, so dab das Gesuchte imaginare Kernvolumen in 100 ccm Blur 5,44 ccm betragt. Es ergibt sich also fast die gleiche Zahl. Rechnet man, wie oben begriindet wurde, mit 0,588 bis 0,786% P in den genuinen Kernen, so ergibt die Benutzung der ersten Volumzahl 32--42 mg-% E.P. Der Betrag, der sich analytisch ergibt, ist im menschlichen Blur in der Norm 25--35 mg-% E.P., stellt also eine durchaus in der GrSBenordnung der Rechnung liegende Menge dar. Da fiir sie versehiedene Annahmen und Sch/itzungen n5tig waren, ist nur eine ungefahre Annitherung zu erwarten. Besonders sci darauf ver- wiesen, dab die Reinigung der Zellkerne Stoffe entfernt, wodurch der P-Gehalt steigt. DaB eine Ann/~herung aber tats/iehlich erreicht wird, daft als Stiitze der Hypothese angesehen w e r d e n .

2. Bedingungen des Zer/alls der P-Ester in den roten .Blutk6rperchen.

Die Ester zerfallen bei Aufbewahnmg yon dutch Hirudin ungerinnbar gemachtem Blur aui~erhalb des KSrpers bei steigenden Temperaturen in zunehmendem Mafle, wie neben- stehende Tabelle zeigt.

Angesichts der Tatsachc, dab beim einfachen Aufbewahren des Blutes, wie der Versuch zeigt, der E.P. rasch zerfs erhebt sich die Frage, was denn diesen Zerfall in vivo hemmt. Man k5nnte daran den.ken, dab sich die Phosphatase, die die Spaltung bewirkt, im Serum befindet und erst in die Blutzellen eindringen mul3, was na- tiirlieh unter abnormen Bedingungen auBerhalb des KSrpers eher mSg- lich sein wird. Dem ist

Tabelle 1. VenSses Hi rud inb lu t 24 Stunden in Zent r i fugengl~sern

steri l aufbewahr t .

Temperatur a.P. rag-% t E.P. rag-%

40 4,77 29,73 200 7,04 27,36 37 o 20,89 13,81

Tabelle 2. B lu tke rpe rchen aus venSsem Hiru- d i n b h t dureh Zent r i fug ie ren und 3maliges Waschen mit KochsalzlSsung gewonnen, zu m

Vergleieh genuines Hi rud inb lu t selbst. 24 Stunden bei 37 bzw. 40 .

Blutart I a.P. rag-%

Rote Blutk6rperchen bei 37 0 17,20 Rote Blutkfrperchen bei 40 ] 4,29 Vollblut bei 370 . . . . . 20,70 Vollblut bei 4 ~ . . . . . 4,65

E.P. n~-%

13,50 26,49 13,10 30,05

aber nicht so~ Phosphatase ist yon vornherein in den Erythrocyten ent- halten, wie der nebenstehende Versueh zeigt.

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430 :Ernst Freudenberg:

])er P-Zuwachs im Versuch mit BlutkSrperchen betr/~gt also 12,91 rag-%, im Vollblut 16,05 rag-%. Es liegt mithin nut eine geringe Besserstellung des Vollblutes gegeniiber den isolierten Zellen vor. Es kann kein Zweifel daran entstehen, dal3 die Eryttu'oeyten selbst phos- phatasehaltig sind.

])ie n/~ehstdem zu erw/~gende MSglichkeit war die, dal~ in vivo eine Hemm~mg der Zerfallsreaktion vorliegt. Hierbei ist in erster Linie an die Zerfallsprodukt e selbst zu 4enken. Hemmt etwa ein erhShter Zucker- gehalt so, wie es Brugsch und Horst~rs lo und D~muth n fiir den Zerfall der tfexosephosphors/~ure angeben ? Es wurde Zucker selbst zugesetzt und Glykogen, aus welehem die Blutdiastase langsam ])extrose bildet.

Tabelle 3.

Blu ta r t

Venenblut mit ttirudin sofor~ untersucht . . . . . . . ]~benso, 24 Stunden bei 4 o aufbewahrt . . . . . . . . 2 Gem Blu t+ 5 mg Glucose 24 Stunden bei 370 . . . . 2 ecm Blu t+ 120 mg Glykogcn 24 iStunden bei 37 o . .

~. P, rag-% E.P. rag-%

4,67 29,53 4,70 28,89

17,05 16,75 20,21 13,29

])ieser Versuch l/~l~t eine Hemmang selbst dutch hohe Kohlehydrat- konzentrationen nieht erkennen. Als weiterer Gesiehtspunkt bei der Fahndung nach Reaktionshemmung diente die (~berlegung, dab in vivo das Blur immer wieder arterialisiert, d. h. frisch mit Sauerstoff beladen und yon Kohlens/s befreit wird. Konnte dies etwas ausmaehen?

Tabelle 4.

Bluta~

Venenblut mi~ Hirudin sofort untersuch~ . . . . . . Ebenso, 6 Stunden bei 37 ~ zeitweise Luft durehgeleitet Ebenso, 6 Stunden bei 370, unter Kohlen~ure . . . .

a . P . E.P. rag-% rag-%

4,67 I 28,43 7,02 26,68

14,10 19,39

PlI

7,32 8,05 7,10

])er Mechanismus war hiermit entdeckt. Die ArZ~rialisierung des Blutes hemmt die Phosphatolyse der Blutk6rperchen-P.Ester in vivo.

])er Versuch wurde wiederho]t, indem start Luft Sauerstoff durch- ge]eitet wurde. ])as Ergebnis war das gleiche, ieh verziehte daher auf Wiedergabe des Versuches. ])ie ])eutung der gemachten Beobachtung war abet noeh often. Es konnte ein p~-Effekt vor]iegen, und es konnte ein spezifischer KohIenss die Phosphatolyse fSrdern bzw. ent- hemmen. ])ir erste Vorstellung ist sehr unwahrscheinlich. Phosphatasen wirken nach Robison und vielen anderen im allgemeinen bei PE 8 und in der NiChe dieser Reaktionsstufe am besten. ])a13 die Verschiebung nach p~ 7,1 fSrdern soUte, w~hrend bei pH 8 eine starlre Hemmun~ vorliegt, ist daher unverst~ndlieh, wenn man die KohlensiiurefSrderung

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Zur biologischen Bedeutung der Phosphatester. 431

dutch direkte pH-Einwirkung auf den ~ermentprozeB erk l~ren will. I m folgenden Versueh wurde auger d e r Kohlens~ureprobe auch eine Probe mi~ Essigss angesetzt, eine dri t te Probe mit Biearbonatzusatz.

.Tabelle 5. Je 3 ccm I-I irudinvollblut mit den im folgendon angefi ihr ten Zus~tzen werden 8 8 tunden bei37 ~ bebrfi tet .

a . P . E.P. I PH Zu~vachs Zusatz ing-% rag-% an a. P. T

0,5 cem l~atriumbicarbonat 1,3%]g . . . . . 7,17 26,33 I 7,94 2,37 I

0,5 ccm Essigs~ure 0,9%ig . . . . . . . . 13 ,71 19,99 I 7,08 9,01 0,5 ccm Kochsalzl~sung ~- C02-A~mosph~re . 16 ,14 17 ,26 7,10 11,44

Hieraus ergibt sich, dab Essigs~ure sozusagen dig Kohlens~ure ersetzt und dab Natr iumbiearbonat wie die Durchlfiftung des Blutes wirkt. I m ersten Fall erfo]gt Phosphatolyse, im zweiten Hemmung. Wieder kSnnte man hierin eine Best~tigung dafiir sehen, dab die aktuelle Reakt ion in unmit te lbarem Einflu~ auf den ~ermentprozel~ entscheidend sei. Ehe dies angenommen wttrde, sollte ers~ ermit tel t werden, in welcher Weise zunehmende, durch Biearbonatzust~nde bewirkte Alkalit~t hemmt.

Tabelle 6. 3 ccm venSses t I i rud inb lu t werden mit s te igenden Mengen einer 1,3%igen Bicarbonat lSsung verse tz t , und das Volumen jeweils mit KochsalzlSsung ausgegllchen, h ierauf 8 Stunden bei 37 ~ aufbewahr t .

Bicarbonatzusatz 0,1 ccm 0,2 ccm 0,3 ccm 0,4 ccm

pn am Versuchsende . . a.P. mg-% . . . . . . F,.p. rag-% . . . . . .

7,38 7,02

26,48

7,63 8,54

24,86

7,76 8,24

25,16

7,85 8,85

24,85

Hieraus ist ersichtlich, dal~ der Verlauf der p~-Kurve yon 7,38 nach 7,85 keinen Einflu~ auf die Phosphatolyse nimmt, die iiberall gleich- m~Big sehwach ist. Wie die frfiheren Versuche zeigten, springt sie bei Ss rasch an, sobald p~ sich unter 7,30 senkt.

Zum Verst~ndnis, was dies bedeutet, tr~gt ein Blick auf die Zeitkurve der Phosphatolyse bei; die in der Abb. 1 dargestellt ist. Die Spaltung im offenen Gef~fi und unter Kohlens~ureatmosph~re sind in dieser Kurvendarstel lung verglichen. Unter Kohlens~ure t r i t t sie raseh ein, ohne solche macht sich eine deutliche Phase einer anf~nglichen VerzSge- rung yon 3 Stunden bemerkbar. In Abb. 2 dauert diese Phase sogar 4 S tunden . Der Verlauf dieser Kurven ist S-fSrmig. Die chemische Kinetik kennt solehe Verl~ufe yon der Autokatalyse her, be i welcher ein Reak~ionsprodukt selbst beschleunigend wirkt, bis sich durch Substrat- erschSpfung Ver]angsamungen bemerkbar machen. Genau so wie dort das allm~hliche Auftreten eines Kata lysa tors wird sich aber auch die Entfernung tines Hemmungsk5rpers auswirken miissen. Die Phosphato-

Zeitschrift fiir :ILinderheilkunde. 57. 29

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482 Ernst :Freudenberg:

lyse der Hexosediphosphorskure wird nach Demuth ~o dutch Phosphate gehemm~. Das Eingr~i/~n der Kohlensliur~ und ander~r in den Erythro. cyte, n eindring~nde, r S~iuren bei d~r Phosphatolys~ stelle ich mir so vor, daft sie iiber den seit 38 Jahren bekannten and in den einsehl~igigen Lehr- biiehern besehriebenen ,,Anionenaustausch" wirkt (vgl. HamburllerZ*): Bekanntlich besagt dieser Vorgang folgendes: Worm I(ohlens~ure dutch Blur geleite~ wird, so dringt C1 in die Erythroeyten ein, Bicarbonat verl~l~t sie hn Austauseh, wie dies zuerst

181 l C02"Afmos. ,. ,~h, Cr~ I unt, r/.uffim % ~ . ,/ , /

1 . /

/

i/ / R / .......

/ ~ ...... ~'l#~rd~W)i ~

Abb . Z. Phospha to lyse in H i r u 4 i n b l u t yon e i n e m Erwachsenen .

~ss

ein Pi~diater, n~mlich Koepps,

~6 / ,I

l~ I 16 //~ 15 I ,

/ / " / j ;

A

5 0 2 r 6 6 l#~Td.

Abb. 2, Phospha to lyse in Hirlldinblut~ y o n o inem Fall sohwerer :Rachitis. A v o r Bo- hand lung , Bl nach Behand lung , B, ebenso

u n t e r C02.

richtig erkl~rt hat. Ieh mache nun die Annahme, dab ebenso wie Bi- carbonat auch Phospha~ auswandert, indem es dutch Chlorid verdr~ng~ wird. Dutch die Herausdr~ngung des Phosphates wird das Gleichgewich~ des a.P. zum E.P. gestSrt, der Ester beginnt zu zeffallen. ])as ent- stehende Phosphat wird erneut unter Einwirkung der Kohlenss ver- dr~ngt, indem Chlor einwander~, ~md so geh~ der Spal~ungsprozeB weiter. Setzt man Bicarbonat im Oberschu~ zu, so wh.d der Austanseh ebenso gehemmt wie durch Phosphat. Die I)urehleittmg yon Luft oder Sauer- scoff wirken gegensinnig, indem sie Koh]ens~ure entfernen.

Wie kann aber der Ester im Hirudinb]ut zerfallen, das sich selbs~ iiberlassen bleibt ? Die: Antwort lautet, dadureh, dal~ hierbei die Glyko- lyse in der entstehenden Milehs~ure die in den Erythroeyten eindringende S~ure liefert, welche den Anionenaustauseh in Gang setzt. Die Latenz- phase der Abb. 1 und 2 entsprechen der Zeit, we]she verstreieht, bis geniigend Milehs~ure gebildet ist, um Phosphat zu verdr~ngen. DaB Phosphato]yse und Glyko]yse in vielen l~/il]en a]s gekoppelte Vorg~nge erscheinen, riihrt daher, dab jene durch diese herbeigefiihrt werden muB, werm nieh~ eine andere Quelle fiir neu auftretende Anionen gegeben ist,

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Z u r b io logisehen B e d e u t u n g de r P h o s p h a t e s t e r . 483

die das Phosphatgleichgewicht zwisehen BlutkSrperchen und Plasma stSren. Diese Vorstellungen haben weiten Anwendungsbreich fiir patholo- gisehe Verh~ltnisse, bei denen abnorme S~uren entstehen.

Es fragt sich nun, ob die norma|e Spanne des Untersehieds im Kohlen- siiuregehalt zwischen arteriellem und venSsem Blut sehon ausreicht, um Untersehiede im Serum-P beider Blutar ten zu bewirken.

Blutar t

Venenblut, unter Paraffin auf- gefangen, sofort untcrsucht

Capillarblut, unter Paraffin aufgefangen, sofort unter- sucht . . . . . . , . . . .

Tabelle 7.

H~mato- a .P .mg-% kri twert ] i m Blur %

43 4,80

44 : 4,77

a. P. rag-% a .P . mg-% ] im im Ery-

Plasma throcyten

4,28 5,49

4,20 5,50

t?berschufl der Ery-

throcyten

1,21

1,30

Der k]eine Unterschied zuungunsten des P-Gehaltes im ar~eriellen Plasma, der der oben ausgesprochenen Vermutung entsprechen wiirde, soll nieht bewertet werden Die kurze Dauer des Aufenthalts der Erythro- cyten im venSsen Abschnit t (3 Blutuml~ufe pro Minute !) reicht nicht aus, um die Austauschreaktion zu veranlassen. Dies wird nur bei erheblicher Stase mSglieh sein, natiirlieh auch in Blutextravasaten. Der letzte Versuch zeigt aber noeh etwas anderes, was hohes Interesse verdient. Die Blutk6rperchen enthalten deutlich mehr a .P. als dab Plasma. Der ~berschuB yon 1,21 bzw. 1,30 mg-% P ist weir jenseits der Fehler- grenzen. Der Befund findet eine absolute Sieherung dadm'ch, da ] in 28 F~llen bei gleiehzeitiger Best immung des a. P. im Blut und im Plasma bzw. Serum bei Rachitikern und Nichtrachitikern stets mehr a. P. im Blur als im Plasma gefunden wurde.

Was be4eutet dieser ~bersehuB ? Er zeigt, dab das allgemeine Anionengleiehgewicht zwisehen Erythrocyt and Plasma mit einem Un- gleiehgewieht an Phosphat einhergeht. W~hrend das Serum bzw. Plasma mehr Ch]ori4 als das Gesamtblut enth~lt, verh~lt es sich mit dem a. P. umgekehrt. Dieser a. P.-l~bersehui3 der Erythrocyten besteht sowohl im arteriellen als auch im venSsen Blur. Wird das Plasma dutch Abgabe yon Phosphat an die Excretio~sorgane ~rmer an a. P., so w~chst die Spannung des Ungleichgewichts, und es ist mit einer Abgabe yon a. P. aus dem Ery- throeyten an alas Plasma zu rechnen. Diese Abgabe aber ~ndert das Gleichgewieht zwischen a. P. und E.P. im Erythroeyten, Ester zerfi~llt und liefert a. P. naeh. So besteht also auSer der Entstehung abnormer S~uren oder yon Kohlens~tureanh~tufung noeh ein zweiter Mechanismus, der in vivo auf den Esterzerfall einzuwirken vermag.

Die P-Ester der Erythrocyt~ besitzen also unter Mitwirkung der Phosphatase der Blutk6rperchen eine wichtige Funktion iv d~r Au/recht- ~rhaltung des P-Spiegels im Blur.

29*

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434 "Ernst Freudenberg:

Es wh'd nunmehr noch experimentell zu belegen sein, dal3 die Kohlen- s/iure wirklieh, wie angenommen wurde, genuines Phosphat aus den Erythroeyten austreibt. I)er Beweis ist erschwert, well ja gezeigt werden konnte, dab jede permeable Ss die Phosphatasets im Erythro- eyten durch St6rung des Anionengleiehgewiehts zu aktivieren vermag. W/~hrend des Versuchs muB also die Phosphataset/~tigkeit gehemmt werden. Dies geschieht, indem m a n die Versuchsk61bchen sofort in Eis- wasser versenkt. In einer Probe wird eine Kohlensiiureatmosph/~re iibergelagert, in der anderen Probe wird durchliiftet. Nach 2 Stunden wird entnommen and analysiert.

Tabelle 8.

Blutart

Hirudinblut unter L u f ~ . . Hirudinblut unter CO~ . . Itirudinblut unter Luft . . Hirudinblut unter C02 �9 �9

t [ ~ . t t o - %

43 44

a.P.mg-% a. P'Blutmg" % Plasma

4,44 4,11 4,56 4,30 4,74 4,25 4,77 4,59

a. P. rag-% Erythro-

cytcn

4,88 4,88 5,51 5,05

~berschul~ der Ery-

throcyton

0,77 0,58 1,26 0,46

I)er Unterschied zwischen dem a.P. des Plasma und der Erythrocyten ist beim Kohlensi~ureblut ungefs s/a, im zweiten Versuch fast nur */3 so groB wie in dem unter Luft stehenden Blur. I)al3 der Unterschied �9 ira 2. Versuch gr61]er ist als im ersten, rfihrt daher, dal3 die technische Eim'iehtung zur Kohlens~ures~ttigung wesentlich :r worden war, und das Blur in ganz diinner Sehieht sieh mit Gas s~ttigen konnte. Wie aus dem Ergsbnis des Versuchs ge/olgert wer&n muff, treibt die Kohlens~iur~ zuerst prdi/ormierten, nicht aus Ester abgespaltenen a.P. aus den Erythro. cyten aus. I)ie vorgetragene Theorie ist mithin experimentell sieher- gestellt.

3. Biologische Bedeutung des Zsr]alls &r P-Ester der Blutk6rperchen.

Sobald im 0rganismus abnorme Ss entstehen, die das Anionen- gleiehgewieht zwisehen Ery throeyt and Blutplasma vers und den Austr i t t yon Phosphat aus den Erythrocyten hervorrufen, so dab der P-Spiegel im Plasma steigt, zerf~llt in weiterer l~olge Ester so lange, bis ein neues Anionengleichgewicht zwischen Plasma und Blutk6rperchen erreicht ist. I)ieser Meehanism~s wird bei allen azidotischen Zusts yon Wichtigkeit.

Aus der Gssamtblutmengs k6nnen so/ort bsi Azidoseu erhe.blicha Phos. phatmengs~ gelie]ert werdem dis im S5ursbasenhaushalt Vsrwendung linden, indsm sis b~i der Harnsekretion als prim~irs Phosphate H.Ionen ent/ernen.

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Zur biologischen Bedeutung der Phosphatester. 435

Wenn der KSrper bei dieser Phosphatregulation auf die Kalkphosphate des Skelets zuriickgreifen wollte, so w/irde dieses Hiifsmittel viel zu tr~ge zur Wirkung gelangen, um yon Nutzen sein zu kSnr/en. Gleiehes gilt fiir die in fester organischer Bindung befindliche Phosphorsgure wie die der Phosphatide, der Nukleotide und der I~roteine. Das leieht zerfallende Phosphagen des Muskels dient andererseits speziellen Zweeken. Sein Zerfall geht aueh bei a]kaliseher Reaktion besser vor sich als bei saurer. Die Phosphatregalation ist ein bei allen Azidosen beobachteter Vorgang, solange die Nierent~tigkeit unversehrt ist. DaB die Phosphatase im BlutkSrperehen durch Kohlens~ure, Essigs~ture und Milchs~ure (Glyko- lyse des Blutes) in Gang gesetzt wird, wurde dargetan. Es besteht nicht die mindeste Sehwierigkeit, anderen Si~uren wie etwa der fl-Oxybutter- sgure oder den aromatischen Oxysi~uren die gleiche Rolle zuzuweisen. Bei ]~nger dauernder Azidose wird es zu einer Herabsetzung der P-Ester der Blutk6rperchen kommen. Eine solche Herabsetzung ist fiir die Raehitis bereits erwiesen, wie eingangs dargetan wurde.

Andere Anwendungen dieser Erkenntnisse sind naheliegend. Was wird gesehehen, wenn naeh einer Azidosephase dureh eintretende Anazi- dose oder dutch Hyperventilation mit der Folge einer erniedrigten Kohlensiiuresparmung der Esterzerfall gesperrt ist und nun durch Re: sorption der a.P. im Blutplasma steigt ? Es ist zu vermuten, dab die Ester wieder resynthetisiert werden und dab das Depot, das vorher Verhtste erlitten hatte, wieder aufgefiillt wird. Trifft aber eine resorptive Aufnahme yon a.P. ins Blutplasma mit erhShtem Esterzerfall zeitlich zusammen, so bleibt nut iibrig, dab der in das Blut aufgenommene a.P. in die Ausscheidimgsorgane abgedr~ngt und so der a. P. vor litnger dauern- der ~berhShung bewahrt wird. Dies wiirde der Lage bei Azidosen ent- spreehen. Wenn dm'ch Kohlenss oder BicarbonatfiberschuB Alkalose droht, so wird automatiseh die P-Abspaltung gesperrt, die Syathese des Esters in Gang gesetzt und eventuell Plasma-Phosphat als sekundi~res Salz in den ttarn geschiekt werden, wodurch die Gefahren des Zusammentreffens yon Alkalose und hohen a.P.-Werten gebannt sind. Resorptiv oder dureh P-Zerfall im Gewebe bedingte a.P.-Erh6hung wird bei solcher Lage immer gefahrvoll sein. Es fragt sich dann, wie sieh die Gesehwindigkeiten der Ansseheidung und der Estersynthese zu denen der Resorption bzw. des Gewebszerfalls verha]ten. Ein ungiinstiges Verhitltnis kann zur P-Stauung ffihren. Diese Verhi~ltnisse gewinnen fiir die Pathogenese der infantilen Tetanie, bei weleher relative oder absolute a.P.-Erh6hungen im Serum eine Rolle spielen, Bedeutung. Fiir die Pathogenese der Tetanie stehen 2 Bedingungskomplexe im Vordergrund: Einsetzen der Rachitisheilung und fieberhafte Infekte. In beiden Fs liegen die Verh~ltnisse so, wie sie soeben geschildert wurden, indem dort die rasch einsetzende verbesserte Retention yon a.P. (Rominger a), hier der toxiseh veranlaBte Eiweil3abbau yon Belang sind.

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436 Ernst l~reudenberg:

Die P-Erh6hung bei Niereninsuffizienz wird tefls dutch die infolge der Azidose erh6hte Zerfallsgeschwindigkeit, teils durch die Excretions- stSrung zu erkls sein.

Meine Beobaehttmgen linden weiter eine auff~llige Parallele in Ver- suchen am Lebenden. Havard.Reay la zeigte, dab die Einatmung yon

�9 Kohlenss den a. P. steigert, F. Holtz 14 land, dab lange fortgesetzte Hyperventilation den a. P. des Serums bis auf 30 % senkt. Der Autor gibt keine Erlds Sie ist fo]gende: I)a die Phosphatolyse gesperrt ist, wenn Hypokapnie herrseht, da au8erdem sekmld~res Phosphat zur Beks der unkompensierten A]kalose in den Harn abwandert, verarmt das Blut an Phosphat.

Im vorhergehenden wurde wiederholt auf den Vorgang einer Synthese yon Ester in der Blutbahn hingewiesen. Tatsi~chlieh ist die Annahme einer Synthese notwendig, wenn der hier gesehflderte Mechanismus der P-Regulation beim Lebenden Bedeutung besitzen so]l. Ws der Vorgang nieht reversibel, ws der Ester naeh Aufspaltung nicht mehr imstande, P zu binden, so wi~re er einem Werkzeug zu vergleichen, das nach ein- maliger Benutzung unbrauchbar wird. Der Nachw~is der Reversibilitgt i~t der Pri~/stein der biologischen Bedeutung. Er gesehah in doppeiter Weise.

tIirudinvollblut wurde 10 Stunden unter Kohlenss aufbewahrt, um so die Aufspaltung der Ester zu erreichen, dann wurde 3mal mit kohlensauregesattig~er KochsalzlSsung gewaschen, naeh der 3. Waschung valrde genau das bisherige Blu$- volumen durch Zusatz einer L6sung yon 0,8 Koehsalz- und 0,1% Bicarbonatgehalt hergestellt. Hierauf wurde auf a.P. und E.P. analysiert. Sodann valrden 5 mg troekenes sekund~res Natriumphosphat auf 2 ecru Blut eingewogen und noohmals 10 Stunden in den Thermostaten eingestellt, dann erfolgte die zweite Entnahme zur Analyse.

Tabelle 9. ta. P. m~-% I~.P. ragi~

Vor Zusatz yon Phosphat . . 7,93 6,76 Naeh Zusatz yon Phosphat. 51,50 32,0

Wie ersiehtlich, er- hSht sieh der E.P. naeh Ersch6pfung der Ab-

spal tung und Auswa- schung der Phosphate

nach neuerlichem Phosphatzusatz fast auf das Fiinffache. Wenn also dis C02.Spannung vermindert wird und gleichzeitig P angeboten wird, tritt die Phosphatesa in Aktion und kehrt den Prozefl urn.

Dies konnte auch so bewiesen werden, dab das gleiche Hirudinblut einmal unter Kohlensaure, das andere Mal mit Phosphatzusatz und hauflgem Durchschfit~eln an freier Luft 8 Stunden bebriitet v~lrde. ])ann wurde analysiert.

Tabelle 10. Auch dieser Versuch

l a. P. rng-% E.P. rag-%

Unter Kohlens~ure 16,75 16,65 Mit Phosphatzusatz 28,64 38,76

selbst and seine Umkehmmg wieder.

beweist die Reversibili- ti~t des Vorgangs. Das folgende Schema gibt den Spaltungsverlauf

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Zur biologisohen Bedeutung der Phosphatester. 437

Phospha~bs~ltung bei Sgiurewirb~ 9.

trod bei Abnahme des a. P. im Plasma.

2. Phase: Phosphatase spaltet a .P . im Erythroeyten aus P = Ester ab. 3. Phase: wie erste.

Phospha~nlagerung bei A~zidos~.

2. Phase: Phosphatese baut Phosphates~er auf. 3. Phase: wie erste.

4. Verhalteu des E.P. der Blutk6rpsrchen bei R~hitis. Es w a r d e n an 13 f lor iden Rachi t i s fMlen B e s t i m m a n g e n des a . P . a n d

E .P . im Blute ausgef i ihr t , die in de r folgenden Tabei le niedergelegr sind.

T a b e l l e 11.

Nr. Name a.P. rag-% E.P. mgi% a.P. mg-% Blur Blur Serum Diagnose

Rachitis und Tetanie 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13

~ . S. D.R. I . R . I .O . W.Z . H . H . E , S . A . K . M.G. t t . S . t t . N . H. Set H . W .

3,70 3,13 3,92 3,20 4,02 2,70 3,10 4,17 3,20 4,04 2,92 3,37 3,22

16,10 18,47 18,88 21,40 19,08 17,00 18,70 18,63 20,55 18,46 17,48 18,23 17,78

3,53 2,90 3,50 3,10 3,60 2,50

3,07 3,68 2,80 3,70 2,80 3,00 3,01

,, ,, Pneumonie . . . . Pyodermie . . . . Periarthri~is . . . . Colitis . . . . Grippe . . . . Bronchitis

,, ,, Ekzem . . . . Impfschaden $,

, , , , A n / i m i o

Es erg ib t sieh, dab der E .P . dieser u n b e h a n d e l t e n Raehi t i s f~l le zwischen 16,10 u n d 21,40 mg-% liegt, u n d zwar bei 4 F/fl len zwischen 16 u n d 18 r a g - % , bei 6 :Fs zwischen 18 a n d 19 m g - % , b e i 3 FMlen darf iber . I n a l len ~/fllen l iegt der a. P. des Blu tes fiber d e m des Serums. I m f0]genden werden nun Rachi t i s fs wiedergegeben, die gr6Btenteil~ in Behand]u~g s t anden a n d sich in He i lung befanden , w~hrend 2 ~ ] l e

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438 Erns$ :Freudenberg:

Anzeichen sog. Spontanhcilung (bei fortgeschrittener Jahreszeit) dar- boten.

Tabelle 12. Hei lende und geheil te Rachi t isf~l lc bei Sauglingen und Kleinkindern.

Nr.

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13

N ~mo

P~ K.S. K.K. M . S . W.W. H. H. D.] P . H . " E. R: R.M.W. E.S. D.l% F . H . M.G.

a.P. rag-% Blur

4,05 3,55 4,48 5,29 4,59 3,29 4,19 4,80 3,77 5,90 5,65 3,56 5,32

E.P. rag-% Blur,

23,85 28,15 33,82 22,71 30,31 26,81 23,51 26,60 21,73 26,99 22,35 25,04 25,78

a.P. rag-% Serum

3,75 3,00 3,90 5,38 4,41 3,31 3,92 4,30 3,44 5,80 5,47 3,45 3,80

Behandlung

8 Tage Vigantol 10 Tage Vigantol Spont~nheilung beginnend 20 Tage Vigantol naeh Vigantolkur Spontanheilung begirmend 6 Wochen Vigantol Vigantol, d~nn HShensonne 25 Tage Vigantol 20 Tage Vigantol VSllig geheilt HShensonne ]tShensonne

I n den angefiihrten F~llen war der Heilungsvorgang unvollsts in den l~l len 1, 2, 3, 6, 7, 8, 9, 10, 12 und 13, in den iibrigen Fi~llen war die Hoilung vollst~ndig. Die Bewertung der Heilung erfo]gte nach rSnt- genologischen, ldinischen and blutchemischen Gesichtspunkten.

Die Werte des E.P. schwanken yon 21,73 bis 30,31, sio erroichen also das Gebiet des Normalen, nur 5 Werte liegen noch tief. Die 3 Werte fiir a .P . im Serum bei den F~llen 4,6 und 13 sind nicht gleichzeitig mi t den Blutbest immungen gemacht worden, so dal3 sie zu einer Beur- teilung des Serum-P im Verh~ltnis zum Blut-P nicht herangezogen werden kSnnen. In den anderen 10 l~i~]len ist durchweg wieder der Blutwert der h6here, entsprochend dem erw~hnten ~berschul3 yon a .P . in den Erythrocyten.

Zweimalige Best immungen beim gleichen Kind vor und nach der Behandlung wurden bei folgenden ~allen vorgenommen:

1. M. S. E.P. vorher 16,10 nachher 22,71 2. M.G. ,, ,, 20,55 ,, 25,78 3. E.S. ,, ,, 18,70 ,, 26,99 4. K.M. ,, ,, 18,05 ,, 28,30

Auch diese Einzelwerte beweisen eindeutig, dab der E.P. bei Rachitis erniedrigt ist and mit eintretender Heilung rasch ansteigt. Es muB aller- dings zugegebe n werden, dab bei heilender Rachitis die Verh~ltnisse etwas schwanken. Fall 3 and 6 der Tabelle 12, die kliifisoh als florid rachitisch erschienen, rSntgenologisch aber schon Andeutungen einer neuen Verkalkungslinie zeigten, haben normale Werte des E.P., Fall 8 der Tabelle 11 dagegen einen erniedrigten E.P. bei ~hnlicher Lage der D i n g e . Es ist verst~ndlichi dab bei heilender Rachitis solche Unregel-

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Zur biologischen Bedeutung der Phosphatester. 439

m~l]igkeiten vorkommen. Setzt die Heilung ein und wir4 mehr P im KSrper retiniert, so wird wohl die Verteilung der ~bersehiisse auf Skelet und Blut bei den einze]nen Entnahmen verschiedenartige Monmntbilder ergeben kSnnen. Aus diesen Griinden scheint es ,auch zweekms die Bestimmung des a. P. im Serum zur Diagnostik der Rachitis beizubehalten und nicht den Versueh zu maehen, den E.P. an seine Stelle zu setzen. l~iir die Verminderung des E.P. bei Rachitis l~Tnnte man versucht sein, auch eine andere Erkl~rung heranzuziehen, n~mlieh die Vermehrung der Phosphatase im Serum bei Raehitis, der ja hSchstwahrseheinlieh eine solche in den BlutkSrperchen parallel geht. Diese Vermehrung, die zuerst yon meinem Mitarbeiter Demuth 11 1925 besehrieben wurde, hat in den letzten 2 Jahren auch die Beaehtung und Best~tigung anderer Autoren gefunden (Bodansl~y 15, Andersen 16), welche sie zur Raehitis- diagnose auswerteten. ;Ftir unser Problem besagt diese Vermehrung niehts. Viel Phosphatase ist auch viel Phosphatese. l~iir die :Frage, warum der Abbau iiberwiegt, besagt die Fermentvermehrung allein niehts.

Der Vorgang der Phosphat01yse bei Raehitis wird durch Abb. 2 n~her erlautert, Es ist aus ihr zu ersehen, dal~ bei einem Fall sehwerer Rachitis zu Beginn der Behandlung die Phosphatolyse im Anfang gehemmt ist. Sparer, naeh erfolgreieher Vigantolkur, mit gleichzeitiger Kalkphosphat- medikation, ist yon dieser Hemmung nichts mehr zu beobachten. Die Kurve steigt sogar noeh etwas steiler auf als die Kurve des Erwachsenen in Abb. 1. Die Erkl~rung hierfiir ist unschwer zu geben. Bei Raehitis ist die Glykolyse gehemmt, wie der Ver]asser 1~ 1926 besehrieben hat. Diese Hemmung, welche auf verzTgerter Zuckerveresterung und dadurch gehemmtem Zuckerabbau (infolge Phosphatmangels) beruht, versehwin- det mit der Heilung. Bei der Phosphatolyse dient wieder die Milchs~ure der Glykolyse auf Grund des Anionenaustausches als fSrderndes Moment. Dadurch wird verst~ndlich, dab die Kurve nach Heilung der Rachitis steiler alffsteigt. Man kTnnte aber noch einen zweiten Faktor heranziehen, ns die verminderte Nfenge yon E.P., welehe bei diesem Kind vor der Behandlung 18,05, nach der Behandlung 28,30 betragen hat. Aus reak- tionskinetischen Griinden mul3 diese Substratverminderung den ReaM- tionsablauf verlangsamen. Dieser Faktor h~tte gepriift werden kSnnen, wenn die Phosphatolyse im floriden Stadium unter Kohlens~urezusatz geprfift worden ware, was aber leider nur nach tier Heflung gescheheu ist. Hierbei steigt die Kurve geradlinig empor und biegt erst in der 7. Stunde um. Der Gesamtumsatz ist deutlieh grSBer als vor der Behand- lung der Raehitis,

Weiterhin wurden bei mehreren rachitisfreien Ans P-Be- stimmungen ausgeffihrt.

Wie zu erwarten is~, liege n die E.P.-Werte bei An~mie tief. Wo wenig esterhaltige BlutkSrperehen vorhanden sind, muB nattirlieh der

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440 Ernst Freudenberg:

Nr. lqaa21o

W.G, K.B.

H.K. H . O .

a . P . I E . P .

im Blut rag-%

4,01 19,79 5,20 22,20 5,62 20,88 4,75 23,10 5,50 20,80 5,08 21,20 4,65 18,45

Tabelle 13.

l:[~ma- t o k r i t

21 25 18 26 27 29 2O

H ~mo - globin

%

68 71 64 70 78 67 46

entspreehende P-Wert im Blu~ sinken.

Mil l ionen E r y t h r o .

c y t e n

2,9 3,6 3,07 3,17 3,90 2,62 3,09

Diagnose

Hgmolytischer Ikterus Ziegenmilchangmie Konstitutionelle An~mie ZSliakie Aliment~re An~mie An~mie bei Tuberkulose AlimentRre An~mie

Diese Feststellung verdient klinisehes Interesse angesiehts dot h~ufig vorkommenden F~lle, bei denen An~mie un4 RaGhitis kombiniert sind. Wir wissen jebzt, dab diese Ver- bindtmg nieht ursi~ehlich begriindet ist and kennen auch die getrenn~e therapeutische BeeinfluBbarkeit beider Zust~nde. Trotzdem w~re es falsch, zu erkl~ren, dab diese Prozesse niehts mitehmnder zu tun hs Sehon das hi~ufige Vorkommen solcher Kombinationen sprich~ fiir einen irmeren Zusammenhang. Man kann verstehen, dab eine Rachitis bei gleichzeitiger An~mie ersehwerte Heilungsbedingungen fiudet, well dureh die An~mie der Mechanismus der Phosphatregulation beelntr~chtigt ist. Die bei der Heihmg der Rachitis feststellbare rasche Erh5hung des E.P. wird nur unvolls~ndig einbre~en, solange An~mie vorliegt.

Zum Schlusse sei erw~hnt, dal~ bei 3 fiebernden F~llen mit leiehter Erniedrigung des a.P. im Serum im Vollblut a.P. und E.P. bestimmt warden. Es Iand sichkeine Abnahme des E.P. Es ist auch wohl verst~nd- lich, dab bei kurzer Einwirkung des Fiebers eine Abnahme des E.P. nieh~ eintritt. Bisher hatten wir noch keine Gelegenheit, Untersuchtmgen bei protrahiertem Fieber vorzu~ehmen.

Zu.sammen/assung. 1. Die Entstehung der Phosphatester der Blutk6rperehen wird yon

den Nukleo~iden der ~qormoblastenkerne abgeleitet. Eine Berechnung unter Zugrundclegmlg des P-Gehaltes der Kerne tier Vogelblutzellen lind des Kernvolumens der Normoblasten ffihr$ zu Zahlen, die nahe den fiir den Ester-P der ]V[enschenblutkSrperchen ermittelten liegen.

2. Die roten BlutkSrperchen enthalten 4eutlieh mehr anorganischen Phosphor als das Blutplasma bzw. das Serum.

3. Die BlutkSrperchen selbst enthalten Phosphatase. 4. Durch Kohlensi~ure wir4 auf dGm Wege des Anionenaustausches

der ~bersehuB an a.P. in den roten Blutk6rperchen herabgese~z~, worauf sofort dutch die T~tigkeit der Phosphatase die Phosphatolyse einsetzt. Bei p~ 7,3 ist dieso noeh gehemmt, bei pg 7,1 in vollstem Gange. Bi- carbonat hemmt die Phosphatolyse ebenso WiG Durchleiten yon Luft oder Sauerstoff durch Hirudinblut.

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Zur biologischen Bedeutung der Phosphatcster. 441

5. Kohlens~ure k a n n durch Milchsi~ure und Essigs~ure, wahrsche in l ich d u t c h bel iebige andere S~uren e rse tz t werden.

6. Die Phospha to ly se de r P - E s t e r de r E r y t h r o c y t e n l iefer t d ie Phos- p h a t e zur sofor t igen Verwendung bei de r S~urebasenregula t ion .

7. A m Lebenden bewir]cen K o h l e n s s und H y p e r v e n t i l a t i o n die B lu tve r~nderungen des a . P . , welehe das :Blutkbrperchenmodel l in v i t ro e rwar t en l~13t.

8. Die Phospha to lyse is t revers ibel . Bei Verminderung der Koh len- s~urespannung oder B iea rbona t - u n d P - E r h 6 h u n g erfo]g~ Resyn these de r Es ter .

9. Bei Raeh i t i s l iegt, wie auch andere Au to re n angeben , eine wesent- l iche Verminderung der P h o s p h a t e s t e r de r B lu tkb rpe rchen vor, d ie bei w i rksamer Raeh i t i sbehand lung sieh rasch ausgleieht .

10. Erwar tungsgem~B wurde die Es t e rmenge der B lu tkSrpe rehen bei An/~mien v e r m i n d e r t gefunden, n ich t abe r bei ~rurzdauernden l~ieber- zus t~nden.

11. Es i s t wahrscheinl ich , d a b bei manche n chronisch az ido t i schen Zus t~nden eine Herabse~zung der Menge der P - E s t e r gefunden werden wird.

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