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Aus dem Pharmakologisehen Institut der Universit~it Heidelberg. Zur Chemie und Pharmakologie vergorener Nahrungsmittel. II. Von Werner IKeil und Ernst Kunz. (Eingegangen am 8. VIII. 1934. Uber Salzgurkensaft. 0bet Salzgurken liegen bisher keine ehemisehen Untersuchungen vor. In einer kiirzlieh erschienenen Arbeit von Keil und Kritter 1 wurde fest- gestellt, dal] im SauerkrautsaR biogene Amine in reichlicher Menge vor- kommen. Da Run der G~irungsprozel~ bei Salzgurken ~ihnlieh verlguft wie beim Sauerkrautsaft, war es naheliegend, aneh Salzgurken in dieser Richtung bin zu untersuchen. Unsere Erwartungen wurden nicht getguscht. Wit erhielten die gleichen Stiekstoffderivate und zwar: Putrescin, Cholin und Acetylcholin, dagegen kein Histamin. Besehreibung der u 3 Liter Salzgurkensaft (der Firma Stieglitz, tteidelberg*) werden fiber Kieselgur filtriert. Das Filtrat wird im Vakuum stark eingeengt (auf etwa 120 ecru). Aus der eingedampRen Flfissigkeit seheidet sich eine groSe Menge von Kochsalz und Kali- salzen aus, yon denen abfiRriert wird. Die im Filtrat enthaltenen Basen werden mit Phosphorwolframs~ure gefallt, solange noch etwas ausfiillt. Das Phosphorwolframat wird ab- fiRriert und mR 5 %iger Sehwefelsaure gewasehen. Die Fallung wird mit Baryt und Kohlendioxyd in eine LSsung der freien Basen verwandeR. Die Basenl6sung wird im Vakuum auf ein kleines Volumen eingedampft. Mit Silbernitrat und BarytI6sung wird die Basenl6sung nun in die Purin-, Histidin- und Argininbasenfraktion zerlegt. Aus diesen Fraktionen wurde jedoeh kein reiner K6rper isoliert. Sieher war abet keine wesentliehe Menge yon ttistamin vorhanden. Isolierung yon Putresein. Die Lysinffaktion wird mR Salzs~ure yore Silber, mit Schwefels~iure vom Bary~ befreit. Nun werden die Basen mR Phosphorwolframs~ure in das Phosphorwolframat verwandelt. Die daraus gewonnene BasenlSsung wird dann im Vakuum zur Trockene eingedampR. Wieder in Wasser gelSst, werden die Basen mR Tierkohle zur Reinigung aufgekocht. Man filtriert 1 IKeil, W. u. H. IKritter: Arch. f. exper. Path. 17,5, 736 (1934). * Wit mScflten nicht verfehlen, auch an dieser Stelle ffir das grol~e Entgegen- kommen der Firma Stieolitz zu danken.

Zur Chemie und Pharmakologie vergorener Nahrungsmittel. II

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Aus dem Pharmakologisehen Institut der Universit~it Heidelberg.

Zur Chemie und Pharmakologie vergorener Nahrungsmittel. II.

Von

Werner IKeil und Ernst Kunz. (Eingegangen am 8. VIII. 1934.

Uber Salzgurkensaft.

0 b e t Salzgurken liegen bisher keine ehemisehen Untersuchungen vor. In einer kiirzlieh erschienenen Arbeit von K e i l und K r i t t e r 1 wurde fest- gestellt, dal] im SauerkrautsaR biogene Amine in reichlicher Menge vor- kommen. Da Run der G~irungsprozel~ bei Salzgurken ~ihnlieh verlguft wie beim Sauerkrautsaft, war es naheliegend, aneh Salzgurken in dieser Richtung bin zu untersuchen. Unsere Erwartungen wurden nicht getguscht. Wit erhielten die gleichen Stiekstoffderivate und zwar: Putrescin, Cholin und Acetylcholin, dagegen kein Histamin.

Besehreibung der u 3 Liter Salzgurkensaft (der Firma Stieglitz, tteidelberg*) werden fiber Kieselgur

filtriert. Das Filtrat wird im Vakuum stark eingeengt (auf etwa 120 ecru). Aus der eingedampRen Flfissigkeit seheidet sich eine groSe Menge von Kochsalz und Kali- salzen aus, yon denen abfiRriert wird.

Die im Filtrat enthaltenen Basen werden mit Phosphorwolframs~ure gefallt, solange noch etwas ausfiillt. Das Phosphorwolframat wird ab- fiRriert und mR 5 %iger Sehwefelsaure gewasehen. Die Fallung wird mit Baryt und Kohlendioxyd in eine LSsung der freien Basen verwandeR. Die Basenl6sung wird im Vakuum auf ein kleines Volumen eingedampft. Mit Silbernitrat und BarytI6sung wird die Basenl6sung nun in die Purin-, Histidin- und Argininbasenfraktion zerlegt. Aus diesen Fraktionen wurde jedoeh kein reiner K6rper isoliert. Sieher war abet keine wesentliehe Menge yon tt istamin vorhanden.

Isolierung yon Putresein.

Die Lysinffaktion wird mR Salzs~ure yore Silber, mit Schwefels~iure vom Bary~ befreit. Nun werden die Basen mR Phosphorwolframs~ure in das Phosphorwolframat verwandelt. Die daraus gewonnene BasenlSsung wird dann im Vakuum zur Trockene eingedampR. Wieder in Wasser gelSst, werden die Basen mR Tierkohle zur Reinigung aufgekocht. Man filtriert

1 IKeil, W. u. H. IKritter: Arch. f. exper. Path. 17,5, 736 (1934). * Wit mScflten nicht verfehlen, auch an dieser Stelle ffir das grol~e Entgegen-

kommen der Firma Stieolitz zu danken.

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durch Kieselgurfilter. Die gereinigte Basenl6sung wird Init dem gleichen Voluinen 30 %iger Natronlauge alkalisch geinaeht. Man schiittelt dreiinal Ini~ Chloroform aus. Die ChloroforinbasenlSsung wird dutch ein trockenes Filter gegeben. DaMn wird Init alkoholischer Pikrinsgure gefillt. Der Niederschlag wird abfiltriert. Nun wischt man mit Chloroform. Die Fillung bes~eht aus reinem P u t r e s c i n p i k r a t . Zur Analyse wird es aus Wasser uinkristallisier~ und iin Vakuuin getrocknet.

Ausbeute 1,1 g. 3,21 mg Substanz gaben 0,570 ems N (753 mm 23~

C4H12N2 -2C6H~O~N 3. Bet.: N: 20,52~o. (546,2) Gef.: N: 20,29%*.

Es bildet gelbe seidenglinzende Krist~llnadeln vein Fp. und M. Fp. 250 --2550 (unter Zersetzung). IIn kalten Wasser ist es sehr sehwer 15slich.

Isolierung yon Cholin.

Die stark alkalische L6sung, aus der Init Chloroform das Putrescin ent- fernt wurde, wird mit Salzsgure neutralisiert. Naeh Verdtinnen fallt man Init Phosphorwolfrainsiure die Basen aus. Die in iiblicher Weise daraus dargestellte BasenlSsung wird auf ein kleines Voluinen eingedampft. Man fallt den grSl?ten Teil des sich hier angereicherten Kaliums mit Pikrinsiiure aus. Das Filtrat vein Kaliuinpikrat wird Init Salzsaure und Chloroforin in eine LSsung der Chloride verwandelt. Die auf wenige Kubikzentiineter eingedampfte ChloridlSsung gibt Init Goldehloridchlorwasserstoffsaure eine Fiillung yon Cholinehloroaurat (Fp. 265~ Da die Menge jedoeh gering ist und sich so bei der LeichtlSsliehkeit des Cholinchloroaurates die Menge des vorhandenen Cholins nut schleeht bestiininen liil3t, wird das Chloroaurat Init saint seiner Mutterlauge Init Hilie yon Silber wieder in eine Chlorid- 15sung zuriiekverwandelt. Aus dieser fgllt man nun das Cholin als Reineckat. Seine Menge betrigt 0,1 g. Zur Analyse wird das Reineckat aus Pyridin Init Wasser uinkristallisiert. Man troeknet naeh griindlichein Wasehen mit Alkohol im ttochvakuuin.

2,66 mg Substanz gaben 0,543 ems N (749 rain, 240). Gel.: N: 23,12%, Bet.: N: 23,21~o.

Das Cholinreineek~t ist in Wasser, Alkohol und Ather sehr schwer 18slieh; zieinlich wenig 18st es sich in Aceton, dagegen sehr leieht in Pyridin. Es zeigt einen Fp. yon 281~ ~ (under Zersetzung).

Isolierung von Acetylcholin.

2,7 Liter Gurkensaft werden auf etwa 100 ccm eingedainpft. Um Kaliuin nnd Putrescin zu entfernen, wird Ini~ ges~ttigter alkoholischer Pikrinsiure gefiillt. Das Pikrat wird abfiltriert. Das Fil~rat wird mit

* Die Mikro-U--H- und N-Analysen dieser Arbeit verdanken wir Frl. Lang veto Chemischen Institut, Heidelberg.

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Reineeke-Salz versetzt. Man lg~t fiber eine Stunde stehen. Die Reineckat- fiillung entsteht recht langsam. Sic wird dutch Eiskiihlung beschleunigt. Das abfiltrierte und getrocknete Reineckat wird nun in mSglichst wenig siedendem Aceton gelSst. Beim Abldihlen kristallisiert ein derbes, ziemlieh grol3kristallines Reineekat aus veto Fp. 220--221 ~ Dieses Reineckat besteht aus Putresein, woven wir uns naeh (Yberfiikrung ins Chloroaurat iiberzeugten: Fp. und M. Fp. 235--2400 unger Zersetzung. Synthetisehes Putreseinreineekat hat einen Fp. yon 220--221 ~

4,17 mg Substanz gaben 2,05 mg Au. C4HI2N2" 2 HAuCI 4 + 2 H 20. Au. Gel.: 49,16%.

(802,2) Ber. : 49,05%.

Das Filtrat des Putrescinreineckats wird eingedampft. Es zeigt nun einen Fp. yon 173--175 ~ und bestand aus einem Gemisch von Cholin-, Acetylcholin- und Putrescinreineckat. Es wird in der bereits frfiher be- schriebenen Weise mit Silberacetat zersetzt. Die erhaltene Basenaeetat- 15sung wird aul etwa 10 ecru im Vakuum eingedampft. Aus dieser LSsung wird darm mit alkoholischer Pikrinsiiure der Rest des vorhandenen Putreseins entfernt. Der Ubersehul~ an Pikrinsgure wird nun mit Chloroform und Essigs~ure, sowie letzten Endes mit Wolle 2 beseitigt. Die so erhaltene Iarblose LSsung wird jetzt auf wenige eem eingedampft. Auf Zusatz yon reiner kristallisierter Goldehloridehlorwasserstoffs~iure f~illt ein Chtoroaurat aus vom Fp. 153 ~ Dieses besteht aus einem Gemenge yon Cholin- und Acetylcholinehloroaurat. Seine Menge betrug etwa 60 rag. Zur Abtrennung des Aeetyleholins wird dieses Chloroaurat mehrmals mit elementarem Silber zersetzt und mit Goldehloridehlorwasserstoffs~iure umgef~llt. So werden sehliel?lieh 12 mg eines in feinen hellgelben Bliittehen kristallisierten Chloroaurates vom typisehen Aussehen des Aeetyleholinchloroaurates ge- wonnen. Dieses zeigt den riehtigen Fp. und M. Fp. yon 168--169 ~ Die Analyse des im Hoehvakuum getroekneten Salzes bestgtigte seine Reinheit.

4,44mg Substanz gaben: 1,24mg H20 und 2,84mg CO~. 4,42 mg Substanz gaben: 1,795 mg Au.

C:HI60~NAuC1 ~. Ber.: C 17,31% H 3,32% Au 40,65%. (485,1) Gel.: C 17,44% H 3,12% Au 40,61%.

Besprechung der Ergebnisse.

Das Vorkommen yon Aeetylcholin im Salt der Salzgurken war naeh seiner Auffindung im Sauerkrautsaft nieht welter mehr iiberraschend. Es ist nur verwunderlieh, dal? diese pharmakologisch so hoehwirksame Sub- stanz bislang erst so selten in der Pflanzenwelt aufgefunden wurde. Ledig- lieh D a l e 3 und E v i n s 4 isolierten es aus Mutterkorn. B o r u t t e a u und C a p p e n b e r g ~ fanden es im I-Iirtent~schelkraut. Es sell hierbei abet erst

2 Miiller, H.: Z. physiol. Chem. 209, 207 (1933). -- a Dale, H.H.: J. of Physiol. 48, III (1914). -- 4 Evins: Biochem. J, 8, 44. -- ~ Boru t t eau , H. u. H. Cappenberg: ~rch. Pharm. 259, 33 (1921).

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unter der Einwirkung eines Brandpilzes (Cistopus), der besonders h~iufig auf Hirtentgsehelkraut vorkommt, entstehen ~. Bisher ist also Aeetyleholin nur in solehen pflanzliehen Produkten aufgefunden worden, bei denen Pilze, bzw. Bakterien zugegen waren. Es seheint also, als wenn Cholin dutch niedere Pflanzen in Aeetyleholin verwandelt werden kann. Was die Menge des Aeetyleholins im Gurkensaft betrifft, so war bier die Isolierung be- sonders sehwierig, so dal3 nut ungef~ihre Sehiitzungen gemaeht werden k6nnen. Legt man die Rohausbeute yon Aeetyleholinehloroaurat zugrunde. und nimmt an, dal3 mit 50 % u bei der Darstellung zu reehnen ist ~, so kommt man auf Konzentrationen yon etwa 1 : 65000. Bereits bei der Priifung am Meersehweinehendarm zeigte es sieh iibrigens, dal~ die Gr6Ben- ordnung des Aeetyleholins etwa 1 : 50000 betr~igt. Aueh hier zeigte es sieh sehon, dat3 kein Histamin vorhanden war. Zum Untersehied yon Sauer- krautsaft wurde n~imlieh die Darmerregung dutch Atropin sofort und v611ig aufgehoben.

Das Auftreten yon Cholin neben Aeetyleholin nimmt nieht weiter Wunder. Wegen der grol]en Zersetzliehkeit des Aeetyleholins konnten wir allerdings den Beweis nieht erbringen, ob das yon uns isolierte Cholin nut dutch die Zersetzung des Aeetyleholins wahrend der Aufarbeitung ent- standen ist, oder ob tats~iehlieh Cholin neben Aeetyleholin vorkommt. Wit neigen dazu, anzunehmen, dal3 das ganze Cholin im Gurkensaft als Aeetyl- eholin vorliegt.

Das Vorkommen yon Putresein war naeh den Befunden beim Sauer- krautsaft wohl zu erwarten. Naeh Sehu lze 7 enthalten bekanntlieh alle Pflanzen und bes0nders solehe Pflanzenteile, die in sehnellem Waehstum begriffen sind, viel Arginin. Aus diesem entsteht dann wiihrend des Giirungs- vorganges das Putresein.

Auffallend ist das v611ige Fehlen yon Histamin. Die Basenhistidin- fraktion war so gering, dal] sie nut mit der Argininfraktion zusammen isoliert werden konnte. Diese Silberfraktion gab zwar eine Pau lysehe Diazoreaktion, sowie die Sakagueh i sche Reakiion. Doeh war ihre Menge so gering, dal3 keine analysenreine Substanz daraus isoliert werden konnte. Nit der Untersuehung der Purinbasenfraktion sind wir noeh besehgftigt.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

1. Der Salt yon Salzgurken enth~ilt: P u t r e s c i n , Cho l in und A e e t y l e h o l i n .

2. Die Menge des gefundenen Aeetyleholins steht hinter der zuriick, die im Sauerkrautsaft gefunden wurde. Sie betr~gt nut etwa 1:50000.

3. Weitere biogene Amine wurden im Gurkensaft nieht aufgefunden; v o r allem vermil]ten wir vollstgndig das Vorkommen yon Histamin.

Wolff, P.:. Pharm. Z. 1922, S. 430; Wasieky, J{.: ebenda, S. 704. _ 7 Sehulze, E.: Arch. f. exper. Path. 22, 4~55 (1896).