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Fakultät für SoziologieProjekt „Wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen
und Einstellungen der Bürger“ (WME)
Gefördert mit Mitteln der Fritz Thyssen Stiftung
Arbeitspapier Nr. 2
Zur Deskription und Determination vonEinstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat
Theoretische Konzepte und empirische Ergebnisse
Thorsten Heien
Bielefeld
Oktober 1998
Universität Bielefeld
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 2
Inhalt
1. Einleitung und Fragestellung ................................................................. 3
2. Konzeptualisierung des Einstellungsobjektes Wohlfahrtsstaat ......... 5
2.1. Einstellungsobjekt Wohlfahrtsstaat .......................................................................... 5
2.2. Empirische Arbeiten zu Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat ...... 7
2.3. Internationale Arbeiten ............................................................................................. 14
2.4. Synthese des WME-Projektes ................................................................................. 19
3. Konzeptualisierung der Determinanten wohlfahrtsstaatlicherEinstellugen.............................................................................................. 20
3.1. Kulturtheoretischer Ansatz ....................................................................................... 21
3.1.1. Exkurs: Gerechtigkeitsvorstellungen ....................................................................... 22
3.1.2. Kulturelle Integration vs. Differentielle Sozialisation ............................................... 26
3.2. Strukturtheoretischer Ansatz .................................................................................... 30
3.3. Wahrnehmung und Bewertung faktischer sozialer Ungleichheit .............................. 32
3.4. Synthese des WME-Projektes ................................................................................. 34
4. Entwicklung der Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrts-staat in den 1990er Jahren ...................................................................... 36
4.1. Deskription wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen ....................................................... 36
4.1.1. Ziele des Wohlfahrtsstaates ................................................................................... 37
4.1.2. Mittel des Wohlfahrtsstaates ................................................................................... 39
4.1.3. Folgen des Wohlfahrtsstaates ................................................................................ 39
4.1.4. Finanzierung des Wohlfahrtsstaates ....................................................................... 40
4.2. Determination wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen ................................................... 40
4.2.1. GANGL: „Ansprüche an den Wohlfahrtsstaat in den alten und neuenBundesländern“ (1997) ........................................................................................... 42
4.2.2. ROLLER: „Sozialpolitische Orientierungen nach der deutschen Vereinigung“(1997)....................................................................................................................... 45
5. Schlußbetrachtung .................................................................................. 47
Literatur .................................................................................................... 49
Anhang ..................................................................................................... 55
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 3
1. Einleitung und Fragestellung
Der bundesdeutsche Wohlfahrtsstaat scheint
gegenwärtig in der Klemme zu stecken. Seine
offensichtlich immer zahlreicher werdenden
Kritiker verurteilen ihn als „Umverteilungs-
staat“ , „Versorgungsstaat“ , „kollektiven Gefäl-
ligkeitsstaat“ oder „Bürokratiestaat“ , um nur
einige der geläufigen Schlagworte zu nennen1,
und verbinden dies gemeinhin mit Forderungen
nach seinem Umbau oder, im Falle neoliberaler
Orthodoxie, sogar seinem radikalen Abbau (vgl.
ALBER 1989, BERTHOLD/SCHMID 1997,
NEUMANN/SCHAPER 1998). Wesentlich bemer-
kenswerter ist jedoch, daß selbst traditionelle
Verteidiger des Wohlfahrtsstaates angesichts
diverser objektiver Mißstände einen Reformbe-
darf im Sinne des Abbaus bürokratischer
Hemmnisse und des Aufspürens von Rationali-
sierungs- und Wirtschaftlichkeitsreserven aner-
kennen (BÄCKER 1995, 1997, LESSENICH 1996,
NEUMANN/SCHAPER 1998). Allerdings tun sie
dies nicht, ohne auf - von obigen Kritikern
größtenteils angezweifelte - positive Auswir-
kungen wohlfahrtsstaatlicher Arrangements
hinzuweisen: Gesellschaftliche Stabilität durch
Integration gegensätzlicher Interessen, Hu-
mankapitalbildung, Schaffung von gesamtwirt-
schaftlicher Nachfrage und Arbeitsplätzen.
Die aktuelle Diskussion ist keineswegs neu,
vielmehr ist die „Krise des Wohlfahrtsstaates“
spätestens seit Mitte der siebziger Jahre ein
1 Im öffentlichen wie politischen Sprachgebrauch besitztbereits der Begriff „Wohlfahrtsstaat“ eine negative Kon-notation im Sinne eines ausufernden Staatseingriffes, wo-hingegen der Begriff „Sozialstaat“ als Bezeichnung füreine maßvollere Variante staatlicher Intervention verwen-det wird (ALBER/SCHÖLKOPF 1995, KOCH 1995). Im Kon-text dieses Arbeitspapieres werden in Einklang mit dersozialwissenschaftlichen Forschung beide Begriffe syn-onym verwendet (vgl. ALBER 1989, ALBER/SCHÖLKOPF
1995, ROLLER 1992).
Dauerthema in Politik, Wissenschaft und Medi-
en (KLEIN/SCHILLING 1994, KRÜGER 1993,
NULLMEIER 1997).2 Dies gilt im übrigen nicht
nur für die Bundesrepublik Deutschland, da der
die Diskussion auslösende Faktor in den mei-
sten westlichen Industriegesellschaften zu beob-
achten war, nämlich die Abkehr von einem
langjährigen Wirtschaftswachstumspfad. Ange-
sichts der durch überproportional steigende
Sozialausgaben wachsenden Verschuldung der
öffentlichen Haushalte wurde die Aufrechter-
haltung des wohlfahrtsstaatlichen Status quo in
der Folgezeit zunehmend in Frage gestellt
(ALBER 1989, AUCLAIRE 1984, KAUFMANN
1997).3 Die konjunkturell bedingte negative
Entwicklung des bundesdeutschen Wohlfahrts-
staates in Gestalt steigender Kosten und sinken-
der Einnahmen wurde in den vergangenen Jah-
ren durch verschiedene exogene (Kosten der
Wiedervereinigung) und endogene Faktoren
(demographische Entwicklung, Zunahme der
Arbeitslosenzahlen, Frühverrentung, Kostenex-
plosion im Gesundheitswesen etc.) verschärft,
so daß die Sozialleistungsquote, also der Anteil
der gesamten Sozialausgaben am Bruttosozial-
produkt, Schätzungen zufolge 1997 einen
Höchststand von 34,4% erreichen konnte
(SOZIALPOLITISCHE UMSCHAU 157/1998; vgl.
Kaufmann 1997). Angesichts der skizzierten
2 ALBER weist darauf hin, daß der Wohlfahrtsstaat seitseiner Etablierung, die in Deutschland gemeinhin ver-knüpft wird mit der BISMARCKschen Sozialversicherungs-politik gegen Ende des vorherigen Jahrhunderts (1881:Ankündigung von Gesetzesvorlagen in „Kaiserlicher Bot-schaft“ ; 1883: gesetzliche Arbeiterkrankenversicherung;1884: Unfallversicherung; 1889: Alters- und Invalidenver-sicherung für Arbeiter), in der Diskussion steht (ALBER
1988: 181; vgl. ALBER 1989, BRAUN 1995, SCHÄFERS
1990).3 Der Druck auf die Konsolidierung der Staatsfinanzenwurde im übrigen in jüngster Vergangenheit durch dieKonvergenzkriterien des die für 1999 angestrebte Europäi-sche Währungsunion regelnden Maastricht-Vertragesverschärft (FORMA 1997, ROLLER 1996).
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 4
Kostensteigerungen wird die Leistungsfähigkeit
des bundesdeutschen Wohlfahrtsstaates in Frage
gestellt.
Neben der Kosten- und Finanzierungsproble-
matik nehmen die dem Wohlfahrtsstaat zuge-
schriebenen negativen Nebenfolgen einen brei-
ten Raum in der gegenwärtigen Diskussion ein:
Zu hohe Lohnnebenkosten und ein innovations-
und effizienzfeindliches Regulierungssystem
belasten die Unternehmen mit der Konsequenz
eines sinkenden Wirtschaftswachstums und
erhöhter Arbeitslosigkeit (BERTHOLD/SCHMID
1997). Auf individueller Ebene wird eine allge-
meine Bürokratisierung und Verrechtlichung im
Sinne der HABERMASschen „Kolonialisierung
der Lebenswelt“ beklagt (FORMA 1997, GOUL
ANDERSEN 1992). Darüber hinaus sorge die
umfassende Absicherung der Lebensrisiken
dafür, daß für viele Gesellschaftsmitglieder kein
Anreiz mehr bestehe, Arbeitskraft anzubieten,
bzw. eigenverantwortliche Risikovorsorge zu
betreiben („moral hazard“ - und „Trittbrettfah-
rer“ -Verhalten“ ), wie angesichts der Effekte von
Einkommensumverteilung bzw. -nivellierung
die Motivation der „Leistungsträger“ der Ge-
sellschaft gelähmt werde (BACHER/STELZER-
ORTHOFER 1997, PRISCHING 1996). Der Wohl-
fahrtsstaat, so das Fazit der Kritik, schaffe sich
im Grunde genommen die Probleme, die er zu
lösen vorgebe, und zerstöre sich damit in letzter
Konsequenz selbst (BERTHOLD/SCHMID 1997,
RINGEN 1987).
In unmittelbarem Zusammenhang mit den be-
schriebenen Krisensymptomen steht die ebenso
häufig unterstellte Erosion der Akzeptanz des
Wohlfahrtsstaates in der Bevölkerung, die in der
politikwissenschaftlichen Forschung unter dem
Stichwort „Legitimationsverlust“ diskutiert wird
(COOK/BARRETT 1992, DÖRING 1995, FORMA
1997, GREIFFENHAGEN 1997, RINGEN 1987).4
Ein Akzeptanzrückgang wäre insofern von Be-
deutung, als er grundsätzlich den „sozialen
Frieden“ durch die Zunahme von Konflikten
zwischen gesellschaftlichen Gruppen gefährden
und volkswirtschaftlich gesehen über Aus-
weichreaktionen zu Effizienzverlusten führen
könnte (DEHLINGER/BRENNECKE 1992).
Der unterstellte Rückgang der Akzeptanz ist der
Anknüpfungspunkt des Projektes „Wohlfahrts-
staatliche Maßnahmen und Einstellungen der
Bürger“ (WME). Das WME-Projekt befaßt sich
auf der Grundlage von Sekundäranalysen reprä-
sentativer Befragungsdaten mit Einstellungen
zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat und de-
ren Entwicklung seit der Wiedervereinigung, für
die der Akzeptanzfrage gemeinhin ein zentraler
Stellenwert eingeräumt wird (vgl. z.B.
ROLLER/MATHES 1993). Das Interesse des
WME-Projektes gilt in diesem Kontext zum
einen der von der einschlägigen Forschung be-
reits ausgiebig thematisierten Beschreibung
wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen, also der
Frage, welche Einstellungen überhaupt zu beob-
achten sind. Zum anderen gilt das Interesse den
bisher eher vernachlässigten Determinanten
dieser Einstellungen, also der Frage, weshalb
welche Einstellungen auftreten (vgl. ANDREß et
al. 1997).
4 Neben der allgegenwärtigen Krisendiskussion werdendiverse strukturelle Entwicklungen - Gruppenegoismen der„mittleren Masse“, die zur Ablehnung wohlfahrtsstaatlicherMaßnahmen für Unterpriviligierte führen (These des„welfare backlash“); ein seit den siebziger Jahren zu beob-achtender Wertewandel in westlichen Industriegesell-schaften; die Zerstörung kollektiver Identitäten im Zugezunehmender sozialer Differenzierung - als Determinanteneines Legitimationsverlustes diskutiert (KAASE et al. 1987,KRÜGER 1993, PIOCH/VOBRUBA 1995, ROLLER 1992,WILENSKY 1975).
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 5
Die Analyse des Zusammenhangs zwischen
Einstellungen zum Wohlfahrtsstaates und ihren
möglichen Determinanten setzt einen theoreti-
schen Bezugsrahmen voraus, in dem beide
Aspekte eindeutig definiert und zueinander in
Beziehung gesetzt werden. Im Rahmen dieses
Arbeitspapiers werden deshalb anhand der Dis-
kussion einschlägiger empirischer Arbeiten
Konzeptualisierungsvorschläge für die abhängi-
gen (Kapitel 2) wie unabhängigen Variablen
(Kapitel 3) des WME-Projekts entwickelt, die
anschließend zu einem Kausalmodell zusam-
mengefügt werden. Aufgrund des hierzulande
nicht sehr reichhaltigen Angebots an Studien zu
Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat und deren
Determinanten5 wird in diesem Zusammenhang
auch auf Studien zurückgegriffen werden, die
sich nicht explizit auf den bundesdeutschen
Wohlfahrtsstaat beziehen, deren Konzeptualisie-
rungen aber auf diesen übertragbar sind. Ziel
des WME-Projektes ist ein umfassendes Kau-
salmodell, das sowohl möglichst viele Aspekte
wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen als auch
möglichst viele Determinanten derselben be-
rücksichtigt. Über die Entwicklung eines Kau-
salmodells hinaus versucht das Arbeitspapier
einen Überblick über die Ergebnisse der bishe-
rigen empirischen Forschung zum Thema, wo-
bei die zuvor entwickelten Konzeptualisierun-
gen die interessierenden Aspekte dieser „Be-
standsaufnahme“ vorgeben (Kapitel 4). Abge-
schlossen wird das Arbeitspapier durch ein re-
sümierendes Fazit (Kapitel 5).
5 ROLLER führt die im Vergleich etwa zu den USA, Groß-britannien oder den skandinavischen Ländern äußerstgeringe Anzahl an Arbeiten im wesentlichen darauf zurück,daß „Forschungen zum Wohlfahrtsstaat auf der Einstel-lungsebene [in Deutschland, T.H.] wenig Tradition haben“(ROLLER 1992: 4).
2. Konzeptualisierung des Einstel-lungsobjektes Wohlfahrtsstaat
Die unterschiedlichen Aspekte der Diskussion
über die „Krise des Wohlfahrtsstaates“ lassen
vermuten, daß die im Rahmen des WME-
Projektes interessierenden wohlfahrtsstaatlichen
Einstellungen ein vielschichtiges und komplexes
Konstrukt sind. Im folgenden wird deshalb zu-
nächst eine grundsätzliche semantische Klärung
versucht, zumal weder der Einstellungs- noch
der Wohlfahrtsstaatsbegriff in der sozialwissen-
schaftlichen Forschung einheitlich definiert sind
(Kapitel 2.1). Anschließend werden konkrete
Konzeptualisierungen empirischer Arbeiten zu
Einstellungen gegenüber dem bundesdeutschen
Wohlfahrtsstaat (Kapitel 2.2) wie einiger inter-
nationaler Arbeiten (Kapitel 2.3) diskutiert. Als
Resultat der Diskussion dieser beiden Kapitel
folgt schließlich ein Konzeptualisierungsvor-
schlag des WME-Projektes (Kapitel 2.4).
2.1. Einstellungsobjekt Wohlfahrtsstaat
Einstellungen werden in der sozialwissen-
schaftlichen Forschung in der Regel als die be-
wertenden Vermittler zwischen Reizen, die be-
stimmte abstrakte oder konkrete Sachverhalte
bzw. (Einstellungs-)Objekte - z.B. den Wohl-
fahrtsstaat - betreffen, und Reaktionen auf diese
Reize aufgefaßt: „Attitude is a psychological
tendency that is expressed by evaluating a parti-
cular entity with some degree of favor or disfa-
vor“ (EAGLY/CHAIKEN 1993: 1). Die Einstel-
lungen selbst sind als ein latentes Konstrukt zu
verstehen, beobachtbar sind lediglich die ur-
sächlichen Reize und die positiven, neutralen
oder negativen Reaktionen. Letztere werden je
nach Autor unterschiedlich konzeptualisiert,
wobei die wesentliche Trennlinie zwischen dem
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 6
Drei-Komponenten-Ansatz und eindimensiona-
len, sich auf eine einzige Einstellungskompo-
nente beschränkende Konstrukte verläuft. Ver-
treter des ersten Ansatzes differenzieren zwi-
schen affektiven (gefühlsmäßige Haltung gegen-
über dem Einstellungsobjekt), kognitiven (Wis-
sens- und Informationsstand über das Einstel-
lungsobjekt) und konativen (durch das Einstel-
lungsobjekt ausgelöste Verhaltens- und Akti-
onsbereitschaft) Reaktionen (vgl. z.B.
EAGLY/CHAI-KEN 1993, ROSENBERG/HOVLAND
1960). Als problematisch werden gemeinhin die
implizierten hohen Anforderungen an die Ope-
rationalisierung des Ansatzes (HAUBL 1987)
sowie die widersprüchlichen, die Beziehungs-
struktur der drei Komponenten zum Teil stüt-
zenden, zum Teil verwerfenden empirischen
Ergebnisse beurteilt (EAGLY/CHAIKEN 1993,
STAHLBERG/FREY 1996). Befürworter des Ein-
komponentenmodells setzen unter Verweis auf
die übermäßige Bedeutung der affektiven Kom-
ponente für Bewertungen häufig Einstellungen
mit eben dieser Komponente gleich (vgl. z.B.
FISHBEIN/AJZEN 1975). Aber auch dieses Mo-
dell hat nur bedingt empirische Bestätigung
erfahren, so daß ein Urteil, welches der Modelle
die Realität besser abbildet, zumindest bis dato
nicht getroffen werden kann.6
Wenn der Wohlfahrtsstaat im Rahmen des
WME-Projektes als Einstellungsobjekt fungiert,
stellt sich zunächst die Frage nach dem grund-
sätzlichen semantischen Gehalt des Begriffes. In
der sozialwissenschaftlichen Forschung werden
diesbezüglich im wesentlichen zwei Arten von
Definitionen unterscheiden (ALBER 1989,
ROLLER 1992). Im ersten Fall wird der Wohl- 6 Es hat sich allerdings gezeigt, daß die Einstellungsdimen-sionalität in Abhängigkeit vom untersuchten Einstellungs-objekt variiert (STALLBERG/FREY 1996).
fahrtsstaat durch den Umfang und die Art der
Maßnahmen definiert, die der Staat zur Sicher-
stellung und Verteilung von wirtschaftlichen
Gütern und Ressourcen ergreift. Das prominen-
teste, auch in jüngeren deutschsprachigen Ver-
öffentlichungen aufgegriffene Beispiel hierfür
(vgl. z.B. BACHER/STELZER-ORTHOFER 1997)
stammt von Harold WILENSKY, der die „Es-
senz“ des Wohlfahrtsstaates in „government-
protected minimum standards of income, nutri-
tion, health, housing and education, assured to
every citizen as a political right“ sieht
(WILENSKY 1975: 1).7 Der wesentliche Nachteil
einer derartigen Definition ist ihr sowohl zeit-
lich wie geographisch eingeschränkter Gel-
tungsbereich, da sie sich in beiderlei Hinsicht
konkret festlegt. So orientieren sich moderne
Wohlfahrtsstaaten nicht (mehr) primär an der
Sicherung des Existenzminimums, wie in der
Definition von WILENSKY unterstellt, sondern
vielmehr an der Sicherung des erreichten sozia-
len Status (ALBER 1989, FLORA et al. 1977,
ROLLER 1997). Die geographische Beschränkt-
heit macht beispielsweise CNAAN deutlich, der
vor dem Hintergrund des israelischen Wohl-
fahrtsstaates die Definition von WILENSKY um
den Aspekt der religiösen Dienste, wie die Ent-
lohnung religiöser Funktionsträger, den Bau von
Synagogen oder die Unterstützung diverser reli-
giöser Aktivitäten und Institutionen (CNAAN
1989: 299), erweitert wissen will. Schließlich
macht ROLLER darauf aufmerksam, daß im
Rahmen einer solchen Definition nur solche
staatliche Aktivitäten als wohlfahrtsstaatlich
identifiziert werden, die explizit im Mittelpunkt
des Wohlfahrtsstaates stehen, finanz- und wirt-
schaftspolitische Interventionen mit wohlfahrts- 7 Für weitere Beispiele für Definitionen dieses Typs vgl.z.B. ALBER (1989) und ROLLER (1992).
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 7
staatlichen Konsequenzen jedoch von vornher-
ein ohne Beachtung bleiben (ROLLER 1992: 11).
Das Problem einer stark eingeengten Perspekti-
ve stellt sich nicht für die Definitionen des
zweiten, auf allgemeiner Ebene argumentieren-
den Typs. Ein hierzulande häufig aufgegriffenes
Beispiel (vgl. z.B. GANGL 1997, KLEEBAUR
1991, ROLLER 1992) stammt von Peter FLORA,
Jens ALBER und Jürgen KOHL (1977), die den
Wohlfahrtsstaat als den Teilbereich staatlicher
Aktivitäten definieren, der auf die Realisierung
der Ziele sozio-ökonomischer Sicherheit und
sozio-ökonomischer Gleichheit der Gesell-
schaftsmitglieder auf der Grundlage von
Rechtsansprüchen abzielt (FLORA et al. 1977:
323). Neben der Anerkennung einer staatlichen
Verantwortung und der Zuschreibung von
Rechtsansprüchen auf wohlfahrtsstaatliche Lei-
stungen besteht die grundlegende Annahme
darin, daß „Gleichheit“ und „Sicherheit“ die
beiden zentralen Ziel- und Wertdimensionen des
Wohlfahrtsstaates darstellen. Die Dimension der
Sicherheit rekurriert in diesem Zusammenhang
auf die gesamte bzw. die durchschnittliche Grö-
ße der primär wirtschaftlichen Güter und Res-
sourcen, die auf die Gesellschaftsmitglieder
entfallen. Die Dimension der Gleichheit nimmt
demgegenüber Bezug auf die Verteilung dieser
Güter und Ressourcen unter den Angehörigen
einer Gesellschaft (FLORA et al. 1977: 322).
Eine wichtiger Aspekt der Definition von
FLORA et al. ist die Interpretation des Wohl-
fahrtsstaates im Rahmen einer Theorie der Mo-
dernisierung als Lösung oder zumindest Ant-
wort auf zwei grundlegende gesellschaftliche
Entwicklungsprozesse, nämlich den der Indu-
strialisierung und den der Demokratisierung,
und nicht als „das beliebige Resultat voluntari-
stischer politischer Entscheidungen“ (ALBER
1989: 30). Während die Industrialisierung über
Prozesse struktureller Differenzierung zur
Schwächung der Sicherungsfunktionen von
Haushalten, Verwandtschaftssystemen und an-
derer Gemeinschaften und infolgedessen zu
Forderungen nach sozio-ökonomischer Sicher-
heit geführt hat, sind die Forderungen nach so-
zio-ökonomischer Gleichheit Bedingung für die
Wahrnehmung der mit der Demokratisierung
einhergehenden politischen Beteiligungsrechte
(FLORA et al. 1977: 716 ff.; vgl. ALBER/SCHÖL-
KOPF 1995).8
Nach dieser ersten inhaltlichen Orientierung, die
sich zumindest für den Wohlfahrtsstaatsbegriff
auch auf funktionale Aspekte erstreckt hat, gilt
es im folgenden die konkreten Dimensionen
wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen anhand der
Diskussion bereits vorliegender Vorschläge der
empirischen Forschung zu bestimmen. Ange-
strebt wird in diesem Zusammenhang nicht al-
lein eine Unterscheidung verschiedener Ein-
stellungsdimensionen, sondern auch eine Sy-
stematisierung dieser Dimensionen hinsichtlich
ihrer Beziehungen untereinander im Sinne eines
analytischen Einstellungskonzeptes.
2.2. Empirische Arbeiten zu Einstellun-gen zum bundesdeutschen Wohl-fahrtsstaat
Für einen ersten Überblick über empirische Un-
tersuchungen zu Einstellungen gegenüber dem
bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat erweisen sich
zwei Fragen als hilfreich (vgl. Schaubild 1):
8 FLORA et al. orientieren sich in diesem Punkt anMARSHALL (1964), demzufolge die Institutionalisierungvon Bürgerrechten in der Regel von bürgerlichen („civilrights“) über politische („political rights“) zu sozialenGrundrechten („social rights“) erfolgt (FLORA et al. 1977:715).
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 8
Zum einen die auf den Entstehungs- oder Dis-
kussionskontext abzielende Frage nach der Per-
spektive einer Studie, also ob sich das Interesse
auf den Wohlfahrtsstaat insgesamt oder nur auf
einen bestimmten Teilaspekt des Wohlfahrts-
staates, wie beispielsweise die soziale Sicherung
oder die Umverteilung von Gütern und Ressour-
cen richtet. Zum anderen die den ersten Aspekt
differenzierende Frage der konzeptuellen Vor-
gehensweise von Autoren, also ob einer Studie
überhaupt, wie zum Abschluß des vorangegan-
genen Kapitels angesprochen, ein analytisches
Einstellungskonzept zugrundeliegt, oder ob
- aus welchen Gründen (restriktive Datenlage,
spezifisches Forschungsinteresse etc.) auch
immer - lediglich aus den zur Verfügung ste-
henden Datensätzen diejenigen Items herausge-
griffen werden, für die sich ein inhaltlich sinn-
voller Bezug zum Wohlfahrtsstaat herstellen
läßt. Gemäß Schaubild 2 ist hierzulande eine
deutliche Dominanz weniger elaborierter
und/oder sich an Teilaspekten orientierender
Arbeiten zu konstatieren. Genauer gesagt finden
sich unter sämtlichen von uns recherchierten
Arbeiten nur zwei (ROLLER 1992, 1997), die mit
einem differenzierten analytischen Konzept
operieren. Hinzu kommt, daß es sich dabei um
ein und dasselbe Konzept handelt, da beide
Arbeiten von derselben Autorin stammen.9
Das angesprochene Konzept hat Edeltraut
ROLLER erstmals im Rahmen ihrer Studie „Ein-
stellungen der Bürger zum Wohlfahrtsstaat der
Bundesrepublik Deutschland“ (ROLLER 1992)
vorgelegt, in der sie sich neben theoretischen
und empirischen Aspekten der Akzeptanz des
Wohlfahrtsstaates der legitimatorischen Rele-
9 CNAAN (1989: 297), SIHVO/UUSITALO (1995: 216) undSVALLFORS (1991: 611) weisen allerdings einhellig daraufhin, daß der Mangel an systematischen Konzeptualisierun-gen ein grundsätzliches Problem in der sozialwissenschaft-lichen Forschung zu Einstellungen gegenüber dem Wohl-fahrtsstaat ist, also auch in Ländern mit einer diesbezüglichgrößeren Tradition als die Bundesrepublik Deutschland(vgl. Fußnote 5) zu beobachten ist.
Schaubild 1: Empirische Studien zu Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat
Einstellungen zumWohlfahrtsstaat
Wohlfahrtsstaatinsgesamt
Teilaspekte desWohlfahrtsstaates
1) Perspektive
UnsystematischeIndikatorensammlung
SystematischeKonzeptualisierung
2) Konzeptuelle Vorgehensweise
Beispiele: ROLLER (1992/1997) ALBER (1986)KAASE et al. (1987)KLEIN/SCHILLING (1994)KRÜGER (1993)MAU (1997)RINNE/WAGNER (1995)ZAPF (1986)
DEHLINGER/BRENNECKE (1992)GANGL (1995)HUSEBY (1995)KLEEBAUR (1991)KLUEGEL/MIYANO (1995)PETTERSON (1995)ROLLER (1995a,b)
Quelle: Eigene Darstellung
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 9
vanz letzterer für das politische System insge-
samt widmet. In Anlehnung an die Theorie des
politischen Systems von ALMOND und POWELL
und deren allgemeingültiger Klassifikation der
Elemente der Policy-Ebene10 (vgl. ALMOND/
POWELL 1978) weist sie darauf hin, daß es für
eine Analyse von Einstellungen zum Wohl-
fahrtsstaat zweckmäßig ist, zwischen den allge-
meinen Objektkategorien der Ziele, Mittel und
Folgen wohlfahrtsstaatlicher Maßnahmen zu
unterscheiden (vgl. Schaubild 2), da die Ein-
stellungen von Personen in Abhängigkeit davon
variieren können, welcher Aspekt wohlfahrts-
staatlicher Maßnahmen betrachtet wird
(ROLLER 1992: 41 f.).
Die Ziele („goals“ ) des Wohlfahrtsstaates sind
in diesem Zusammenhang zu verstehen als er-
strebenswerte Zustände, für deren Realisierung
der Staat eine Zuständigkeit übernimmt. Der
Aspekt der staatlichen Verantwortung ist hier
von besonderer Bedeutung, da Ziele, die ohne
Bezugnahme auf staatliches Handeln formuliert
werden, nicht Bestandteil der Definition
ROLLERs sind. Dies ist insofern bemerkenswert,
als in zahlreichen empirischen Arbeiten zur
Unterstützung des Wohlfahrtsstaates Items be-
rücksichtigt werden, denen eben dieser Bezug
auf staatliches Handeln fehlt (vgl. z.B.
COUGHLIN 1980). Eine inhaltliche Spezifikati-
on, um welche Ziele es sich handelt, unternimmt
ROLLER anhand des im vorangegangen Kapitel
diskutierten Wohlfahrtsstaatsbegriffes von
FLORA et al. (1977), d.h., sie sieht sozio-
ökonomische Sicherheit und sozio-ökonomische
10 Die Policy-Ebene ist nach ALMOND/POWELL eine derdrei Funktionsebenen des politischen Systems (neben derSystem- und der Prozeß-Ebene) und bezieht sich auf dasVerhalten des politischen Systems gegenüber seiner Um-welt bzw. anderen Systemen (ALMOND/POWELL 1978: 12ff.; vgl. ROLLER 1992: 14 ff.).
Gleichheit als konkrete Ziele wohlfahrtsstaatli-
chen Handelns an.11 Die beiden Ziele können
sich nach ROLLER auf zwei unterschiedliche
Aspekte beziehen. Zum einen der Aspekt der
Extensität, also die Frage, ob der Staat über-
haupt eine Verantwortung bzw. Zuständigkeit
für die Realisierung sozio-ökonomischer Si-
cherheit und sozio-ökonomischer Gleichheit
besitzt. Zum anderen der Aspekt der Intensität,
also die Frage, in welchem Ausmaß die beiden
Ziele bei gegebener staatlicher Zuständigkeit
realisiert werden sollen. Die getroffene Unter-
scheidung ist analytisch wie praktisch wichtig.
Zum einen setzt die Frage der Intensität eine
Beantwortung der Frage der Extensität voraus,
insofern besitzt letzteres Einstellungsobjekt eine
größere Relevanz für das Funktionieren des
Wohlfahrtsstaates (ROLLER 1992: 42 ff.). Zum
anderen kann eine Beurteilung beider Fragen
durchaus unterschiedlich ausfallen.
Unter den Mitteln wohlfahrtsstaatlicher Maß-
nahmen sind die diversen „Outputs“ des Staates
zu verstehen, die zur Realisierung der skizzier-
ten Ziele eingesetzt werden. Grundsätzlich ist zu
unterscheiden zwischen auf Dauer angelegten
Institutionen, ROLLER verweist hier auf den von
Renten-, Unfall-, Kranken- und Arbeitslosen-
versicherung gebildeten „ institutionellen Kern
des Wohlfahrtsstaates“ (ROLLER 1992: 43), und
befristeten Programmen, wofür Arbeitsbeschaf-
fungsprogramme als Beispiel aufgeführt wer-
den. Institutionen wie Programme wiederum
sind jeweils Kombinationen von konkreten Out-
puts, die in einem inhaltlichen und organisatori-
11 Im Rahmen einer qualitativen Befragung von 231 Voll-zeit-Erwerbstätigen konnte ROLLER die Existenz einesderart konzeptualisierten Einstellungsobjektes nachweisen:73% der Befragten verstanden unter dem Wohlfahrtsstaats-begriff eine staatliche Intervention gemäß der Definitionvon FLORA et al. (ROLLER 1992: 58 ff.).
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 10
schen Zusammenhang stehen. ROLLER differen-
ziert diesbezüglich zwischen den für die Ziel-
verfolgung primär bedeutsamen distributiven
Outputs (z.B. Transferzahlungen, öffentliche
Güter und Dienstleistungen), extraktiven Out-
puts (z.B. Steuern, Beiträge), regulativen Out-
puts (z.B. Verhaltensregulierungen, Regulierun-
gen von Märkten) und symbolischen Outputs
(z.B. politische Reden) (ROLLER 1992: 18 f.;
vgl. ALMOND/POWELL 1978).12 Auch auf der
Mittelebene ist ROLLER zufolge von einer unter-
schiedlichen Relevanz der Einstellungsobjekte
für das Funktionieren des Wohlfahrtsstaates
12 So setzt sich beispielsweise die Institution Arbeitslosen-versicherung unter anderem aus den Transferzahlungen andie Arbeitslosen (distributiver Output) und den von Ar-beitnehmern und Arbeitgebern zu entrichtenden Beiträgen(extraktiver Output) zusammen (ROLLER 1992: 43).
auszugehen, wobei Institutionen wegen ihres
gegenüber Programmen höheren Maßes an Dau-
erhaftigkeit als bedeutsamer anzusehen sind.
Die Folgen („outcomes“) wohlfahrtsstaatlicher
Maßnahmen sind die Resultate der mit den spe-
zifischen Mitteln angestrebten Ziele, für die der
Staat zuständig ist. Zu unterscheiden ist zwi-
schen den intendierten Folgen, welche das
Ausmaß bezeichnen, in dem die beabsichtigten
Wirkungen der eingesetzten Mittel, also die
Realisierung sozio-ökonomischer Sicherheit und
sozio-ökonomischer Gleichheit, eingetreten
sind, und den nicht-intendierten Nebenfolgen,
die Folgen außerhalb des unmittelbar ange-
strebten Zielbereichs bezeichnen.13 Gerade die
13 Die nicht-intendierten Nebenfolgen werden von ROLLER
Schaubild 2: Konzeptionalisierung von Einstellungen zum Wohlfahrtsstaates durch ROLLER
Einstellungenzum
Wohlfahrtsstaat
Ziele(goals)
Mittel(outputs)
Folgen(outcomes)
Extensität(Umfang/Ausdehnung
staatlicher Zuständigkeit)
Intensität(Ausmaß staatlichen Handelnsbei gegebener Zuständigkeit)
Institutionen(auf Dauer angelegt, wie z.B.
die Rentenversicherung)
Programme(zeitlich befristet, wie z.B. dieGesundheits-/Rentenreform)
Intendierte Folgen(Realisierung von sozio-
ökonom. Sicherheit/Gleichheit)
Nicht-intendierteNebenfolgen
(Außerhalb liegende Folgenwie z.B. Mißbrauch)
Bezug
auf
global
spezifisch
global
global
spezifisch
spezifisch abnehmendeBedeutung des
Einstellungsobjektesfür die Funktions-
fähigkeit desWohlfahrtsstaates
spezifisch
spezifisch
global
global
spezifisch
global
Differenzierungder Objekte
Allgemeine Objektkategorien
Quelle: Eigene Darstellung nach ROLLER (1992: 41 ff.)
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 11
letztgenannten Nebenfolgen spielen in der Dis-
kussion über die Krise des Wohlfahrtsstaates
ein herausragende Rolle (vgl. Kapitel 1), nichts-
destotrotz sind sie rein analytisch betrachtet von
nachrangiger Bedeutung, da ihre Existenz inten-
dierte Folgen voraussetzt.
Im Überblick über die diskutierten Elemente der
ROLLERschen Konzeptionalisierung in Schau-
bild 2 verdeutlicht der abwärtsgerichtete Pfeil
auf der rechten Seite, daß nicht nur für die spe-
zifischen Ausprägungen der allgemeinen Ob-
jektkategorien Ziele (Extensität/Intensität),
Mittel (Institutionen/Programme) und Folgen
(intendiert/nicht-intendiert) eine Relevanz-
Hierarchie hinsichtlich ihrer Bedeutung für das
Funktionieren des Wohlfahrtsstaates existiert.
Auch die Objektkategorien selbst lassen sich in
diesem Sinn ordnen, wobei Folgen die Anwen-
dung von Mitteln voraussetzen, deren Anwen-
dung wiederum nur bei der Existenz von Zielen
sinnvoll ist (ROLLER 1992: 46). Allerdings ist
zu berücksichtigen, daß die von ROLLER aufge-
stellte Relevanz-Hierarchie ein rein analytisches
Konzept ist und insofern lediglich Hypothesen-
charakter besitzt. Eine angesichts der Diskussi-
on über die „Krise des Wohlfahrtsstaates“ vor
allem im Hinblick auf die nicht-intendierten
Nebenfolgen interessante Überprüfung der
Hierarchiehypothese an der empirischen Wirk-
lichkeit unternimmt ROLLER nicht.
In Schaubild 2 ist eine weitere Differenzierung
der Objektkategorien zu erkennen, nämlich die
nochmals anhand der auf unterschiedlichen analytischenDimensionen angesiedelten Gegensatzpaare von antizipiert(z.B. Finanzierungsprobleme) und nicht-antizipiert (z.B.sinkendes Wirtschaftswachstum) sowie positiv (z.B. Stabi-lisierung der politischen Ordnung) und negativ (z.B. sin-kendes Wirtschaftswachstum) differenziert, die aber inihrem konzeptuellen Rahmen der Unterstützung desWohlfahrtsstaates (vgl. Schaubild 2) keine Berücksichti-gung finden (ROLLER 1992: 44).
auf FREE und CANTRIL (1967) zurückgehende
und in der sozialwissenschaftlichen Forschung
mittlerweile etablierte grundsätzliche Unter-
scheidung zwischen globalen und spezifischen
Einstellungen (vgl. z.B. COUGHLIN 1980,
SVALLFORS 1991), die von ROLLER im übrigen
als horizontale Dimension ihres Konzeptes, im
Gegensatz zur vertikalen Dimension der allge-
meinen Objektkategorien, bezeichnet wird
(ROLLER 1992: 55). Auf der Ebene der Zielex-
tensität beispielsweise beschreiben erstere Ein-
stellungen eine grundsätzliche bzw. bereichsun-
spezifische staatliche Zuständigkeit für die
Realisierung der Ziele sozio-ökonomischer Si-
cherheit und sozio-ökonomischer Gleichheit,
während letztere eine auf einzelne (Lebens-)
Bereiche beschränkte staatliche Zuständigkeit
für die Realisierung beider Ziele beschreiben.14
Die in zahlreichen Arbeiten berücksichtigte
weitere Differenzierung der spezifischen Ein-
stellungen in den Kern des Wohlfahrtsstaates im
Bereich der Einkommenssicherung und den
restlichen wohlfahrtsstaatlichen Aktivitäten
(vgl. z.B. COUGHLIN 1980) wird von ROLLER
zwar diskutiert, nicht jedoch systematisch in
ihren konzeptuellen Rahmen integriert.
Obwohl ROLLER nicht nur auf eigene, im Rah-
men des Teilprojektes A7 „Wohlfahrtsansprü-
che“ des Sonderforschungsbereiches 3 „Mikro-
analytische Grundlagen der Gesellschaftspoli-
tik“ erhobene Daten zurückgreift, sondern auch
mehr als ein Dutzend anderer Umfragen berück-
sichtigt, erweist sich die Operationalisierung der
zahlreichen Dimensionen ihres Konzeptes als
14 Eine Möglichkeit zur Bestimmung der in diesem Zu-sammenhang relevanten (Lebens-)Bereiche ist der Rück-griff auf konkrete Definitionen des Wohlfahrtsstaates, wiesie am Beispiel von WILENSKY in Kapitel 2.1 diskutiertworden sind.
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 12
nicht ganz unproblematisch. Zum einen ist bei
zahlreichen Indikatoren „ fremder“ Umfragen
keine eindeutige Zuordnung möglich, da sie „ in
der Regel nicht auf der Grundlage explizit un-
terschiedener theoretischer Dimensionen for-
muliert worden sind“ (ROLLER 1992: 46 f.).
Zum anderen mangelt es ihr für einzelne
Aspekte schlichtweg an Indikatoren, so daß
ROLLER sich bei der Datenanalyse auf die Di-
mensionen der Extensität, der Intensität und der
intendierten Folgen beschränken muß.15 Darüber
hinaus bleibt zumindest im Hinblick auf die
intendierten Folgen offen, wie ROLLER selbst
eingesteht (ROLLER 1992: 46), ob die letztend-
lich von ihr verwendeten Indikatoren tatsächlich
Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat messen, da
sie ohne expliziten Bezug auf staatliche Aktivi-
täten nach der Realisierung von sozio-
ökonomischer Sicherheit und sozio-
ökonomischer Gleichheit fragen.16
Wie bereits zu Beginn dieses Kapitels ange-
sprochen, findet sich in der Literatur zu Ein-
stellungen gegenüber dem bundesdeutschen
Wohlfahrtsstaat kein einziges dem Vorschlag
von ROLLER vergleichbares analytisches Kon-
zept. Zum Teil erfolgt der Verzicht auf ein sol-
ches Konzept sogar bewußt, wie in der Arbeit
15 Die gleichen Probleme stellen sich ROLLER in ihrerzweiten Arbeit (ROLLER 1997), in der sie die vorgestellteKonzeptionalisierung erneut verwendet, ihr im Gegensatzzur Arbeit von 1992 allerdings – eine Folge der in derEinleitung skizzierten aktuellen Diskussion? – Indikatorenfür die nicht-intendierten Nebenfolgen zur Verfügungstehen.16 Dies wird am Beispiel einer von ROLLER verwendetetenALLBUS-Frage aus dem Jahr 1984 deutlich: „Wie ist esmit Ihrer persönlichen Alterssicherung oder Sicherung vorInvalidität und im Krankheitsfall? Fühlen Sie sich ausrei-chend oder nicht ausreichend gesichert?“ (ROLLER 1992:129). Eine Zustimmung zu dieser Frage kann sowohl eineZufriedenheit mit den Folgen des Wohlfahrtsstaates indi-zieren, aber auch Ausdruck einer grundsätzlichen, eventu-ell auch auf private Vorsorgeaktivitäten zurückgehendenmateriellen Absicherung sein.
von Thomas KLEIN und Johannes-Georg
SCHILLING „Die Akzeptanz des Wohlfahrts-
staates“ (KLEIN/SCHILLING 1994). Die Autoren
wollen im Rahmen ihrer Studie „die Akzeptanz
des Wohlfahrtsstaates an sich“ erforschen und
verzichten deshalb auf eine differenzierte Form
der Erhebung. Vor dem Hintergrund des Kon-
zepts von ROLLER erscheint der von den Auto-
ren untersuchte Aspekt allerdings lediglich als
ein kleines Detail, nämlich als das der globalen
Intensität, da KLEIN/SCHILLING sich auf „ein
globales Zuviel oder Zuwenig wohlfahrtsstaatli-
cher Leistungen“ beziehen (KLEIN/SCHILLING
1994: 612).17
Diese verengte Perspektive wird auch beim
Blick auf Tabelle 1 deutlich, die einen Über-
blick über uns bekannte empirische Arbeiten zu
Einstellungen gegenüber dem bundesdeutschen
Wohlfahrtsstaat der vergangenen 15 Jahre
- unsere Recherchen basierten auf den in diesem
Zusammenhang einschlägigen Methoden der
Informationsgewinnung (Datenbanken, Quer-
verweise etc.) - bietet. Gegliedert ist Tabelle 1
nach den in den jeweiligen Studien untersuchten
Aspekten der ROLLERschen Konzeptionalisie-
rung wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen in ihrer
feinsten Differenzierung - neben der Unter-
scheidung von Extensität, Intensität, Institutio-
nen, Programmen, intendierten Folgen sowie
nicht-intendierten Folgen wird also auch die
Frage nach globalen oder spezifischen Aspekten
gestellt - und unter Berücksichtigung des Erhe-
17 Im konkreten Fall von KLEIN/SCHILLING kommt erschwe-rend hinzu, daß die Autoren zur Operationalisierung derglobalen Intensität auf einen nicht unproblematischenIndikator zurückgreifen. Es erscheint äußerst fragwürdig,ob mit der verwendeten Frage zur allgemeinen Staatsein-mischung trotz der durchgeführten Validitätsanalyse an-hand parteipolitischer Präferenzen der Befragten(KLEIN/SCHILLING 1994: 615 f.) überhaupt die Akzeptanzdes Wohlfahrtsstaates gemessen wird.
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 13
bungsdatums der den Studien zugrundeliegen-
den Daten.
Der Übersicht ist zu entnehmen, daß der Ver-
zicht auf ein systematisches analytisches Kon-
zept nicht unbedingt mit einem eingeschränkten
Indikatorenspektrum einhergehen muß. So fin-
den sich einige Arbeiten (z.B. ALBER 1986,
DEHLINGER/BRENNECKE 1992), die relativ viele
Aspekte des Konzeptes von ROLLER abdecken,
darunter sogar einige, für die ROLLER selbst
keine Indikatoren gefunden hat. Darüber hinaus
18 Die Arbeiten greifen auf mindestens eine Umfrage ab1990 zurück, darüber hinaus können aber auch ältere Datenberücksichtigt werden.
bietet Tabelle 1 einen Vorgriff auf das Kapitel
zu den konkreten Forschungsergebnissen zu
wohlfahrtsstaatlichen Einstellungen (Kapitel 4),
da sie einen Überblick über die Datenlage zur
Deskription wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen
gibt. Es zeigt sich, daß unabhängig von den
Unterscheidungen zwischen Extensität und In-
tensität sowie globalen und spezifischen Ein-
stellungen auf der Ebene der Ziele offensicht-
lich in großem Umfang Daten zur Verfügung
stehen. Während die Datenlage für die Ebene
der Folgen, vor allem was die nicht-intendierten
Nebenfolgen angeht, schon deutlich dürftiger
ist, steht es besonders schlecht um die Ebene
Tabelle 1: Berücksichtigte Einstellungsdimension in empirischen Studien zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat
Autoren
Einstellungsdimensionen nachROLLER (1992): A
LB
ER
(198
6)
BU
HL
MA
NN
/MA
U (1
996)
DE
HL
ING
ER/B
RE
NN
EC
KE
(199
2)
GA
NG
L (1
997)
HU
SEB
Y (1
995)
KA
ASE
et a
l. (1
987)
KL
EE
BA
UR
(199
1)
KL
EIN
/SC
HIL
LIN
G (1
994)
KL
UE
GE
L/M
IYA
NO
(199
5)
KR
ÜG
ER
(199
3)
MA
U (1
997)
PET
TE
RSO
N (1
995)
RIN
NE/W
AG
NE
R (1
995
a,b)
RO
LL
ER
(199
2)
RO
LL
ER
(199
5a,b
)
RO
LL
ER
(199
6)
RO
LL
ER
(199
7)
RO
LL
ER/W
EST
LE
(198
7)
ZA
PF (1
988)
GlobalExtensität
Spezifisch
GlobalZie
le
IntensitätSpezifisch
GlobalInstitutionen
Spezifisch
GlobalMit
tel
ProgrammeSpezifisch
GlobalIntendierteFolgen Spezifisch
GlobalFol
gen
Nicht-inten-dierte Folgen Spezifisch
Quelle: Eigene Darstellung Legende: vor 1990 ab 199018
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 14
der Mittel, wo mit Ausnahme einer Arbeit
(ALBER 1986) überhaupt keine Daten vorlie-
gen.19
Nach Durchsicht der Forschung zum bundes-
deutschen Wohlfahrtsstaat bleibt letztendlich
offen, ob das Konzept von ROLLER trotz seiner
Differenziertheit relevante Einstellungsdimen-
sionen außer Acht läßt, oder ob es womöglich
die Bedeutung einzelner Dimensionen überbe-
wertet. Zur Beantwortung dieser Fragen werden
deshalb im folgenden einige Konzeptualisie-
rungsvorschläge aus der internationalen For-
schung diskutiert.
2.3. Internationale Konzeptualisierungs-vorschläge
Ein erster Vorschlag stammt von Johann
BACHER und Christine STELZER-ORTHOFER, die
in ihrem Aufsatz „Das Ende des wohlfahrts-
staatlichen Konsenses?“ (BACHER/STELZER-
ORTHOFER 1997) die Akzeptanz des österreichi-
schen Wohlfahrtsstaates in der Bevölkerung
untersuchen. Aus der Betrachtung diverser De-
finitionen des Wohlfahrtsstaates (u.a. von
WILENSKY) ziehen die Autoren den Schluß,
„daß die Akzeptanz des Wohlfahrtsstaates als
komplexes Konstrukt der unterschiedlichsten
Handlungs- und Leistungsbereiche, dessen Fi-
nanzierung und auch Effizienz nicht durch ein
eindimensionales, sondern nur durch ein mehr-
dimensionales Einstellungskonstrukt zu beant-
worten ist“ (BACHER/STELZER-ORTHOFER
1997: 166). Infolgedessen unterscheiden BA-
CHER/STELZER-ORTHOFER, im übrigen ad-hoc,
also ohne Bezug auf eine bestimmte Theorie
19 Es darf in diesem Zusammenhang allerdings nicht ver-nachlässigt werden, daß die vorliegenden Daten in ent-scheidendem Ausmaß abhängig sind von der Auswahl dersie publizierenden Autoren (vgl. Kapitel 4.1).
wie im Fall von ROLLER, zwischen vier Dimen-
sionen des „Wohlfahrtsbewußtseins“ bzw. des
„Wohlfahrtsstaates in den Köpfen“ (vgl. Schau-
bild 3). 20
Erstens die Leistungs- bzw. Umverteilungsdi-
mension, die den Wunsch nach einer staatlichen
Zuständigkeit für zentrale wohlfahrtsstaatliche
Leistungen betrifft. Zweitens die Vertrauensdi-
mension, der die Frage zugrundeliegt, ob die
staatlichen Akteure (Regierung, Behörden etc.)
das für die Bewältigung ihrer Aufgaben nötige
Vertrauen der Bevölkerung genießen. Drittens
die Erfolgsdimension, die den Umfang der Rea-
lisierung wohlfahrtsstaatlicher Aufgaben und
Leistungen mißt. Viertens schließlich die Fi-
nanzierungsdimension, die die Bereitschaft des
einzelnen zu Beitragszahlungen erfaßt. Die Fra-
ge nach der Hierarchie der vier Dimensionen
wird von den Autoren nur insofern thematisiert,
als die Leistungs- bzw. Umverteilungsdimensi-
on als zentraler Aspekt des Konzeptes bezeich-
net wird, eine Beurteilung der unterschiedlichen
Relevanz der restlichen drei Dimension für die
Akzeptanz des Wohlfahrtsstaates findet nicht
statt (BACHER/STELZER-ORTHOFER 1997: 166).
Ein Vergleich der Dimensionen des Konzeptes
von BACHER/STELZER-ORTHOFER mit denen
des umfassenden Konzeptes von ROLLER zeigt
vielfältige Überschneidungen, wenn auch einige
Dimensionen vom jeweils anderen Konzept
nicht berücksichtigt werden. So entspricht die
Leistungs- bzw. Umverteilungsdimension in-
haltlich der Zieldimension, wobei sich die Indi-
katoren von BACHER/STELZER-ORTHOFER auf
20 Allerdings ist diese Auswahl auch durch datentechnischeRestriktionen begründet, da den Autoren für weitere inter-essierende Dimensionen keine geeigneten Indikatorenvorlagen (BACHER/STELZER-ORTHOFER 1997: 167).
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 15
die bereichsspezifische Extensität und Intensität
beschränken.21
Für die Vertrauensdimension findet sich kein
direktes Pendant in ROLLERs Konzept, aller-
dings können Regierung und Behörden als Ak-
teure des Wohlfahrtsstaates in gewisser Weise
als eine „Personifizierung“ der Institutionen und
Programme, also der Mittel, interpretiert wer-
den. Wenn die Akteure auch in der Relevanz-
Hierarchie wegen des grundsätzlichen Charak-
ters der Mittel (als Kontext, in dem gehandelt
wird) unterhalb derselben einzuordnen sein
dürften, sind sie doch eine sinnvolle und schlüs- 21 Die Extensitäts-Indikatoren lauteten im einzelnen: „Esist die Aufgabe des Staates, die Einkommensunterschiedezwischen Leuten mit hohem und solchen mit niedrigemEinkommen zu verringern“ ; „Der Staat sollte für Kinderaus armen Familien die Möglichkeiten verbessern, eineUniversität zu besuchen“; „Der Staat sollte für jeden, derarbeiten will, eine Stelle bereitstellen“ ; „Der Staat sollte füreinen angemessenen Lebensstandard der Arbeitslosensorgen“; „Der Staat sollte ein garantiertes Basiseinkommenfür alle bereitstellen“ . Der Intensitäts-Indikator lautete:„Der Staat sollte weniger für die Unterstützung der Armenausgeben“ (BACHER/STELZER-ORTHOFER 1997: 168).
sige Erweiterung, da sie inhaltlich letztendlich
einen eigenständigen Aspekt darstellen. Aller-
dings erscheint die von BACHER/STELZER-
ORTHOFER zur Operationalisierung verwendete
Frage nach der Bewertung der Macht des Staa-
tes ein fragwürdiger, da den Sachverhalt eher
indirekt messender Indikator, der vielmehr auf
ein allgemeines Vertrauen in den Staat abzielt.
Die Erfolgsdimension entspricht der Dimension
der intendierten Folgen, wobei bemerkenswer-
terweise neben der Bewertung der Einkom-
mensunterschiede (Realisierung sozio-ökono-
mischer Gleichheit) auch die Schlichtung so-
zialer Konflikte im Sinne einer „Pazifizierungs-
funktion“ des Wohlfahrtsstaates als indirekter
Maßstab betrachtet wird (BACHER/STELZER-
ORTHOFER 1997: 167).
Problematisch gestaltet sich dagegen die Zuord-
nung der Finanzierungsdimension, die auf die
Kostenseite des Wohlfahrtsstaates bzw. den
Schaubild 3: Konzeptualisierung wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen durch BACHER/STELZER-ORTHOFER (1997)
Einstellungen zumWohlfahrtsstaat
Leistungs - bzw. UmverteilungsdimensionWird eine staatliche Verantwortung fürzentrale soziale Leistungen gesehen?
VertrauensdimensionGenießen sozialstaatliche Akteure das
Vertrauen der Bevölkerung?
Erfolgsdimension
Wird das Handeln sozialstaatlicher Akteureals erfolgreich bezeichnet?
Finanzierungsdimension
Ist der einzelne bereit, Beitrags-zahlungen zu leisten?
Quelle: Eigene Darstellung nach BACHER/STELZER-ORTHOFER (1997: 166 f.)
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 16
„ Input“ durch die Bürger Bezug nimmt, wäh-
rend sämtliche Dimensionen des ROLLERschen
Konzeptes, wie auch die restlichen Dimensio-
nen des Konzeptes von BACHER/STELZER-
ORTHOFER, den wohlfahrtsstaatlichen „Output“
thematisieren.22 Insofern stellt die Finanzie-
rungsdimension eine weitere sinnvolle Erweite-
rung dar, zumal sie bekanntlich ein zentrales
Thema der Diskussion über die „Krise des
Wohlfahrtsstaates“ ist (vgl. Kapitel 1). Auch
hier ist jedoch die Operationalisierung kritisch
zu betrachten, da die von BACHER/STELZER-
ORTHOFER ausgewählten Fragen zur Bewertung
aller Steuern und Abgaben erneut eine eher
22 Der hier verwendete Outputbegriff ist nicht zu verwech-seln mit dem von ROLLER (vgl. Kapitel 2.2), der sich be-kanntlich auf die Mittel-Ebene ihres Konzeptes beschränkt.
allgemeine, nicht auf den Wohlfahrtsstaat be-
schränkte Perspektive aufweisen.
Ram A. CNAANs auf Israel bezogene Studie
„Public opinion and the dimensions of the wel-
fare state“ offeriert einen weiteren Vorschlag
zur Konzeptualisierung wohlfahrtsstaatlicher
Einstellungen (vgl. Schaubild 4), bei dem mit
der präferierten Höhe wohlfahrtsstaatlicher
Ausgaben („government allocation“ ), den Ein-
stellungen gegenüber Nutznießern des Wohl-
fahrtsstaates („number of beneficiaries“ ) und
der Qualität der angebotenen Dienste („quality
of service“ ) ad-hoc drei hinsichtlich ihrer Rele-
vanz nicht weiter beurteilte Dimensionen unter-
schieden werden (CNAAN 1989: 300 ff.).
Schaubild 4: Konzeptualisierung wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen durch CNAAN (1989)
Einstellungen zumWohlfahrtsstaat
Government allocationsSoll die Höhe wohlfahrts-
staatlicher Ausgabenverändert werden?
Number of benificiaries
Soll die Anzahl der Nutz-nießer des Wohlfahrts-
staates verändert werden?
Quality of serviceWie sind die wohlfahrts-staatlichen Leistungenqualitativ zu beurteilen?
Elemente desWohlfahrtsstaates
Education
Health
Housing
Employment
Incomemaintenance
Religion
Personal socialservices
Einstellungs-dimensionen
(ausschließlich in Israel)
Quelle: Eigene Darstellung nach CNAAN (1989: 298 ff.)
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 17
Die drei Einstellungsdimensionen werden von
CNAAN immer bezüglich sieben konkreter Ele-
mente des Wohlfahrtsstaates untersucht, näm-
lich die in Anlehnung an die allgemeinen Defi-
nitionen von WILENSKY (1975) und BRIGGS
(1961) unterschiedenen Bereiche Bildung, Woh-
nen, Beschäftigung, Gesundheit, Einkommenssi-
cherung und persönliche soziale Dienste (vgl.
Kapitel 2.1) sowie die für den Anwendungsfall
Israel zu berücksichtigenden religiösen Dienste.
Insofern beschränken sich die Analysen
CNAANs zwar einerseits auf - im Sinne der von
ROLLER (1992) berücksichtigten Unterschei-
dung von FREE/CANTRIL (1967) - spezifische
Einstellungen, sie verdeutlichen durch ihr Kon-
zept aber andererseits das sich hinter der spezi-
fischen Unterstützung verbergende breite Spek-
trum wohlfahrtsstaatlicher Leistungen. Hin-
sichtlich der Vergleichbarkeit der Dimensionen
beider Konzepte ist zu konstatieren, daß die
Zuordnung der Dimension der Beurteilung der
Nutznießer des Wohlfahrtsstaates im Gegensatz
zu denen der Höhe der Ausgaben (Intensität)
und der Qualität der Dienste (intendierte Fol-
gen) schwer fällt. Zwar wird die „Nutznießer-
Dimension“ vom Autor im Sinne des Miß-
brauchs von Sozialleistungen (nicht-intendierte
Nebenfolgen) diskutiert23, die zu ihrer Operatio-
nalisierung verwendete Frage weist aber eher 23 Interessanterweise wird in diesem Zusammenhang nichtnur die in Deutschland zentrale Diskussion über die „so-ziale Hängematte“ angesprochen, sondern auch der Miß-brauch der Sozialleistungen durch die „Mittelklasse“ the-matisiert, die für ärmere Bevölkerungsgruppen gedachteLeistungen in den Bereichen Bildung, Wohnen, Gesund-heit oder Beschäftigung in Anspruch nimmt (CNAAN 1989:301 f.; vgl. GOODIN/LEGRAND 1987).
Schaubild 5: Konzeptualisierung wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen durch SIHVO/UUSITALO (1995a)
Einstellungenzum
Wohlfahrtsstaat
Responsibility for welfareGibt eine staatliche Verantwortung für die
Wohlfahrtsproduktion und -sicherung?
Financing of welfareSollen die (Steuer-)Ausgaben für wohlfahrts-
staatliche Bereiche verändert werden?
Use of the welfare state benefitsWerden wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen
über- und/oder unterbeansprucht?
Effects of the welfare stateAusmaß beabsichtigter und
unbeabsichtigter Folgen
Adequacy of benefits and servicesAngemessenheit von Leistungen
und Diensten
Einstellungsdimensionen
- Civic responsibility
- Private responsibility
- Public responsibility
- Public financing
- Underuse
- Overuse
faktorenanalytischeIndikatorenlösung
- Levelling effect
- Passivating effect
- Sufficiency of income security
- Sufficiency of services
- Quality of services
Quelle: Eigene Darstellung nach SIHVO/UUSITALO (1995a: 216)
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 18
auf den ROLLERschen Aspekt der Intensität
hin.24
Ein letzter hier zu diskutierender Konzeptuali-
sierungsvorschlag stammt aus einer der zahlrei-
chen skandinavischen Studien zu wohlfahrts-
staatlichen Einstellungen (vgl. z.B. ERVA-
STI/KANGAS 1995, GOUL ANDERSEN 1992,
KANGAS 1995, FORMA 1997, SVALLFORS 1991,
1995): Tuire SIHVO und Hannu UUSITALO un-
terscheiden in ihrer Arbeit „Attitudes towards
the welfare state have several dimensions“
(SIHVO/UUSITALO 1995a) mit der Wohlfahrts-
verantwortung, der Finanzierung des Wohl-
fahrtsstaates, der Nutzung des Wohlfahrtsstaa-
tes, der Angemessenheit wohlfahrtsstaatlicher
Leistungen und Dienste sowie den Effekten des
Wohlfahrtsstaates insgesamt fünf Einstellungs-
dimensionen, die wie im Fall des Vorschlages
von CNAAN nicht hinsichtlich ihrer Relevanz
beurteilt werden (vgl. Schaubild 5).
Die Frage der Autoren nach einer staatlichen
Verantwortung für die Produktion und Siche-
rung der Wohlfahrt der Bevölkerung (im Ge-
gensatz zu einer Verantwortung des Marktes,
der Familie oder anderer Institutionen der „Zi-
vilgesellschaft“ ) zielt analytisch auf den
ROLLERschen Aspekt der Extensität, unter den
letztendlich faktorenanalytisch zusammenge-
faßten Fragen finden sich allerdings auch Inten-
sitäts-Indikatoren.25 Die Dimension der Finan-
zierung des Wohlfahrtsstaates ist bereits in der
Arbeit von BACHER/STELZER-ORTHOFER (1997)
24 Die Frage lautet konkret: „ In your opinion the number ofbeneficiaries from public [education, housing, employ-ment, health, income maintenance, personal social services,religion, T.H.] is too high – high – medium – low – toolow“ (CNAAN 1989: 305).25 Z.B.: „Private and commercial health and social servicesshould be increased and public services should be decrea-sed“ (SIHVO/UUSITALO 1995a: 216).
angesprochen worden, bemerkenswert bei
SIHVO/UUSITALO ist jedoch die Operationalisie-
rung durch eine Frage nach der Bereitschaft zur
Veränderung der Steuerausgaben für neun ver-
schiedene wohlfahrtsstaatliche Bereiche (u.a.
Arbeitslosenunterstützung, Gesundheitswesen),
die implizit auch die Intensität des Wohlfahrts-
staates anspricht. Die Nutzungsdimension meint
sowohl die vieldiskutierte Überbeanspruchung
(„overuse“) des Wohlfahrtsstaates im Sinne
eines Mißbrauchs von Sozialleistungen als auch
die aufgrund ihrer gravierenden sozialen Kon-
sequenzen von SIHVO/UUSITALO als größeres
Problem eingestufte Unterbeanspruchung („un-
deruse“) des Wohlfahrtsstaates (SIHVO/UUSI-
TALO 1995a: 217) und ist infolgedessen gleich-
zusetzen mit den nicht-intendierten Nebenfolgen
ROLLERs. Mit der Angemessenheit wohlfahrts-
staatlicher Leistungen und Dienste wird erneut
der Aspekt der Intensität des Wohlfahrtsstaates
angesprochen, zum einen im Hinblick auf die
Einkommenssicherheit („sufficiency of income
security“ ), zum anderen im Hinblick auf diverse
kommunale Sozial- und Gesundheitsdienste
(„sufficiency of services“ ). Darüber hinaus wird
jedoch mit der Qualität der angesprochenen
Dienste („quality of services“ ) auf intendierte
Folgen Bezug genommen. Die Effekte des
Wohlfahrtsstaates bezeichnen schließlich das
Ausmaß intendierter Folgen im Sinne einer
Realisierung der Angleichung von Einkommen
und Lebensbedingungen („ levelling effect“ ) wie
nicht-intendierter Nebenfolgen im Sinne der
Entstehung einer „Abhängigkeitskultur“ , die die
Gesellschaftsmitglieder zur Passivität veranlaßt
(„passivating effect“ ).
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 19
2.4. Synthese des WME-Projektes
Die Diskussion einiger internationaler Vor-
schläge zur Konzeptualisierung von Einstellun-
gen zum Wohlfahrtsstaates im letzten Kapitel
hat einerseits gezeigt, daß das Konzept von
ROLLER (1992) einige relevante Dimensionen
unberücksichtigt läßt. Andererseits ist das Kon-
zept insofern „bestätigt“ worden, als in den
entsprechenden Arbeiten ein Großteil der von
ROLLER aufgeführten Dimensionen berücksich-
tigt wird. Um dem eigenen Anspruch einer
möglichst umfassenden Beschreibung wohl-
fahrtsstaatlicher Einstellungen nachkommen zu
können, soll im Rahmen des WME-Projektes
mit dem in Schaubild 6 wiedergegebenen Kon-
zept gearbeitet werden, daß den Vorschlag
ROLLERs entsprechend modifiziert.
Der wesentliche Unterschied zwischen beiden
Konzepten ist in der Einführung der mehrfach
hervorgehobenen (Bereitschaft zur) Finanzie-
rung des Wohlfahrtsstaates als „ Input“ -
Dimension zu sehen, während ROLLER, wie
bereits im Zuge der Diskussion des Vorschlages
von BACHER/STELZER-ORTHOFER (1997) erör-
tert, lediglich „Output“ -Dimensionen berück-
sichtigt. Darüber hinaus wird die von BA-
CHER/STELZER-ORTHOFER angeregte Dimensi-
on des Vertrauens in wohlfahrtsstaatliche Ak-
teure als ein weiteres Element der Mittel des
Wohlfahrtsstaates in das WME-Konzept inte-
griert. Unter rein pragmatischen Gesichtspunk-
ten läßt sich über den Wert der gesamten Mittel-
Ebene sicherlich streiten, denn die entsprechen-
den Aspekte spielen weder - mit Ausnahme der
Arbeit von BACHER/ STELZER-ORTHOFER - in
Schaubild 6: Konzeptualisierung wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen durch das WME-Projekt
Einstellungen zumWohlfahrtsstaat
Ziele Mittel Folgen
Extensität(global/spezifisch)
Intensität(global/spezifisch)
Institutionen(global/spezifisch)
Programme(global/spezifisch)
Intendierte Folgen(global/spezifisch)
Nicht-intendierteNebenfolgen
(global/spezifisch)
Akteure(global/spezifisch)
Finanzierung
Zahlungs-bereitschaft
(global/spezifisch)
"Output" desWohlfahrtsstaates
"Input" desWohlfahrtsstaates
Quelle: Eigene Darstellung
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 20
der internationalen Literatur eine Rolle, noch ist
gemäß der in Kapitel 2.2 präsentierten Übersicht
über empirische Studien zur Unterstützung des
bundesdeutschen Wohlfahrtsstaates (vgl. Ta-
belle 1) die Datenlage für diese Aspekte als
befriedigend zu bezeichnen. Nichtsdestotrotz
werden die wohlfahrtsstaatlichen Mittel vom
WME-Projekt im Sinne eines vollständigen
analytischen Konzeptes berücksichtigt. Die
Feststellung einer diesbezüglich schlechten
Datenlage kann vielmehr als Anregung für zu-
künftige (Primär-)Forschung zur Unterstützung
des Wohlfahrtsstaates dienen.
Die von ROLLER in Anlehnung an FREE/
CANTRILL (1967) getroffene Unterscheidung
zwischen globalen und spezifischen Einstellun-
gen, die in den diskutierten internationalen Ar-
beiten bemerkenswerterweise explizit keine
Rolle gespielt hat, wird - wie Schaubild 6 zu
entnehmen ist - im Rahmen des WME-
Konzeptes aufgrund ihrer hohen inhaltlichen
Plausibilität aufrechterhalten. Das sich hinter
den spezifischen Einstellungen verbergende
breite Spektrum wohlfahrtsstaatlicher Einstel-
lungen wird in Schaubild 6 aus Platzgründen
nicht dargestellt, zu diesem Zweck sei noch
einmal auf die von CNAAN (1993) getroffene
Differenzierung verwiesen (vgl. Kapitel 2.3).
Nicht übernommen wird nach Schaubild 6 die
von ROLLER behauptete Relevanzhierarchie der
verschiedenen Dimensionen wohlfahrtsstaatli-
cher Einstellungen. Zum einen ist eine solche
Hierarchie gemäß der Diskussion in Kapitel 2.2
inhaltlich zu hinterfragen, zum anderen besteht
für das WME-Projekt wegen seiner sekundära-
nalytischen Ausrichtung keine Möglichkeit zur
Überprüfung dieser Hypothese.
Ein letzter Aspekt der Diskussion in Kapitel 2.3,
der zwar keinen Niederschlag in Schaubild 6
gefunden hat, aber trotzdem vom WME-Projekt
berücksichtigt werden soll, ist die von
SIHVO/UUSITALO (1995a) angesprochene Diffe-
renzierung nicht-intendierter Nebenfolgen des
Wohlfahrtsstaates in die Über- und Unterbean-
spruchung wohlfahrtsstaatlicher Leistungen.
Inwieweit es sich hierbei nur um eine analyti-
sche Unterscheidung handelt, die mangels Indi-
katoren für den eher selten thematisierten
Aspekt der Unterbeanspruchung nicht auf die
Daten „übertragbar“ ist, bleibt abzuwarten.
3. Konzeptualisierung der Determi-nanten wohlfahrtsstaatlicherEinstellungen
Die Forschungsliteratur zur Determination
wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen wird im
wesentlichen von zwei Erklärungsansätzen do-
miniert, die es zunächst vorzustellen gilt. Einer-
seits die „kulturtheoretische“ Erklärung durch
im Rahmen der Sozialisation normativ vermit-
telte Einstellungen zu sozialer Gerechtigkeit
(Kapitel 3.1). Andererseits die „sozialstruktu-
relle“ Erklärung durch sozio-ökonomische Ei-
geninteressen („Self-interest“ -Ansatz26) im Sin-
ne einer Entscheidung von Personen vor dem
Hintergrund rationaler Kosten-Nutzen-Überle-
gungen, die auch die Gerechtigkeitsvorstellun-
gen beeinflußt (Kapitel 3.2). Eine dritte, weitaus
seltener thematisierte Erklärungsvariante nimmt
bezug auf die Wahrnehmung und Bewertung
faktischer sozialer Ungleichheit, die als ent- 26 Beim „Self-interest“ -Begriff handelt es sich um einezumindest im englischsprachigen Raum konsensuelleBezeichnung (vgl. z.B. COUGHLIN 1980, HASENFELD/RAFFERTY 1989, PAPADAKIS 1993), die sich allerdings imdeutschsprachigen Raum bisher nicht durchgesetzt hat. Zuden Bezeichnungen für die beiden kulturtheoretischenErklärungen vgl. HEIEN (1997: 45 ff.).
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 21
scheidende Determinanten wohlfahrtsstaatlicher
Einstellungen betrachtet werden (Kapitel 3.3).
Im Anschluß an die Diskussion dieser drei Er-
klärungsmodelle wird das WME-Kausalmodell
erläutert, das eine Synthese der zuvor präsen-
tierten Determinanten versucht (Kapitel 3.4).
3.1. Kulturtheoretische Ansätze
Im Mittelpunkt kulturtheoretischer Ansätze
steht die Annahme, daß Personen im Rahmen
ihres Sozialisationsprozesses - vermittelt durch
die normative Kultur der Gesellschaft oder des
sozialen Milieus, in der oder dem sie leben und
aufwachsen - normative Grundüberzeugungen
ausbilden bzw. internalisieren, die ihre Haltung
zum Wohlfahrtsstaat und seinen Einrichtungen
prägen. Ein Ergebnis dieser normativen Prägung
sind z.B. die Vorstellungen einer sozial gerech-
ten Gesellschaftsordnung, die sich, so die An-
nahme, nicht umstandlos auf andere Determi-
nanten - etwa sozio-ökonomischen Interessen
oder die Wahrnehmung faktischer sozialer Un-
gleichheit - zurückführen lassen und dement-
sprechend einen eigenständigen Einfluß auf
wohlfahrtsstaatliche Einstellungen entfalten
(vgl. Schaubild 7). Grundsätzlich denkbar ist in
diesem Zusammenhang auch ein direkter, in
Schaubild 7 durch eine gestrichelte Linie darge-
stellter Sozialisationseffekt auf Einstellungen
zum Wohlfahrtsstaat, wie er im übrigen in zahl-
reichen Arbeiten der empirischen Forschung
untersucht wird (vgl. z.B. MAU 1997, ROLLER
1992). Vor dem Hintergrund von Ergebnissen
der Sozialisationsforschung, die von einem Er-
werb allgemeiner Überzeugungen - wie eben
Gerechtigkeitsvorstellungen - bereits in einem
sehr frühem Stadium des Sozialisationsprozes-
ses ausgehen (vgl. KLUEGEL/SMITH 1986), er-
scheint ein indirekter, über Gerechtigkeitsvor-
stellungen vermittelter Einfluß auf wohlfahrts-
staatliche Einstellungen allerdings plausibler.
Dementsprechend konzentriert sich die Argu-
mentation im Rahmen dieses Arbeitspapieres
auf letzteres Erklärungsmodell, wenn auch di-
rekte Sozialisationseffekte nicht grundsätzlich
ausgeschlossen werden.
Angesichts der Vielschichtigkeit und Komple-
xität des Gerechtigkeitsbegriffes, die in der so-
zialwissenschaftlichen Forschung seit jeher ein
Thema ist (vgl. z.B. SCHERER 1992, WEGENER
1995), erscheint eine etwas ausführlichere Be-
schäftigung mit dem Begriff im Rahmen dieses
Arbeitspapiers unerläßlich. Zu diesem Zweck
wird auf Arbeiten der Gerechtigkeitsforschung
Schaubild 7: Kulturtheoretische Erklärung wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen
KulturEinstellungen
zumWohlfahrtsstaat
Gerechtigkeits-vorstellungen
Quelle: Eigene Darstellung
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 22
zurückgegriffen, die sich mit der Problematik
wesentlich intensiver auseinandergesetzt hat als
die Wohlfahrtsstaatsforschung.
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Gerechtigkeitsvorstellungen werden im Kontext
des WME-Projektes als Einstellungen zu distri-
butiver sozialer Gerechtigkeit verstanden und
beziehen sich entsprechend auf die institutiona-
lisierten Grundsätze zur Verteilung sozialer und
wirtschaftlicher Güter in einer Gesellschaft.27
Sie sind demnach immer bezogen auf die Frage
nach der Legitimität sozialer Ungleichheit bzw.
danach, unter welchen Umständen die Vertei-
lungsordnung in einer Gesellschaft als legitim
anzusehen ist und wann nicht.
Am bekanntesten von den zahlreichen in der
Literatur vorgeschlagenen Typologisierungsver-
suchen ist sicherlich die von DEUTSCH einge-
führte Unterscheidung von Gerechtigkeitsvor-
stellungen danach, auf welche sogenannten
„Prinzipien distributiver Gerechtigkeit“ sie Be-
zug nehmen (DEUTSCH 1975). Nach DEUTSCH
lassen sich auf formaler Ebene drei Prinzipien
distributiver Gerechtigkeit voneinander unter-
scheiden (vgl. Schaubild 8): das Gleichver-
teilungsprinzip (equality), das Leistungsprinzip
(equity) und das sogenannte Bedarfsprinzip
(need).
Das Gleichverteilungsprinzip fordert in diesem
Zusammenhang, daß allen Mitgliedern einer
Gesellschaft, ungeachtet ihrer Investitionen und
Beiträge zu einer Sache, gleich hohe Anspruchs-
rechte auf die Teilhabe an einem zu verteilenden 27 Für eine ausführliche Diskussion der semantischenStruktur des Gerechtigkeitsbegriffes, die unter anderem dieunterschiedlichen Anwendungsbereiche (distributiv, kom-mutativ, politisch oder korrektiv) und Handlungsebenen(subjektbezogen oder ordnungsbezogen) berücksichtigt,vgl. z.B. HEIEN (1997), KOLLER (1994, 1995).
Gut einzuräumen sind. Bei direkter Anwendung
dieses Prinzips auf die Beurteilung der Ver-
teilungsordnung in einer Gesellschaft sind so-
ziale Ungleichheiten jeder Form als sozial unge-
recht und illegitim zu verwerfen. Das Lei-
stungsprinzip - bekanntgeworden als das Ba-
sisprinzip der von ADAMS (1965) und HOMANS
(1974) begründeten sozialpsychologischen
Equity-Theorie - fordert demgegenüber, daß der
Anteil, den ein einzelner an einem zu verteilen-
den Gut beanspruchen kann, proportional sein
muß zu den Leistungen bzw. zu dem Beitrag,
den er, verglichen mit anderen, zu einer Sache
erbracht hat. Personen, die mehr zu einer Sache
beigetragen haben als andere, haben entspre-
chend höhere Anspruchsrechte auf die Teilhabe
an einem zu verteilenden Gut als Personen, de-
ren Beitrag hierzu geringer ausfällt. Korre-
spondieren Ungleichheiten in der Wohl-
standsverteilung einer Gesellschaft mit ent-
sprechenden Ungleichheiten in den Leistungs-
beiträgen seiner Mitglieder, so ist die gegebene
Verteilungsordnung als legitim und damit als
sozial gerecht anzuerkennen. Dem Bedarfsprin-
zip zufolge sind die Anspruchsrechte an einem
zu verteilenden Gut in Abhängigkeit davon zu
bemessen, welche spezifischen Bedarfe eine
Person in diesem Zusammenhang aufweist. Ar-
gumentationslogisch zielt es dabei auf eine
wohlfahrtsäquivalente Verteilung von Gütern,
bei der individuelle Bedarfsunterschiede zwi-
schen den Mitgliedern eines Gesellschaft - be-
dingt etwa durch Alter, Gesundheitszustand,
spezifische Lebensbedingungen etc. - mit be-
rücksichtigt werden. In empirischen For-
schungsarbeiten wie auch in der sozialpoliti-
schen Diskussion wird das Bedarfsprinzip in der
Regel gleichgesetzt mit der Forderung, jedem
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 23
Mitglied einer Gesellschaft ungeachtet seiner
sozialen Stellung Anspruchsrechte auf die Güter
zukommen zu lassen, die es minimal zur Teil-
nahme am gesellschaftlichen Leben braucht.
Die von DEUTSCH vorgeschlagene Typologie
von Prinzipien distributiver Gerechtigkeit findet
sich in leicht abgewandelter Form ebenfalls in
den Arbeiten anderer Autoren wieder. So unter-
scheiden FLORA, ALBER und KOHL (1977: 722
f.) vor dem Hintergrund eines über den Gleich-
heitsbegriff konzeptualisierten Gerechtigkeits-
verständnisses zwischen den Verteilungsprinzi-
pien der Ergebnisgleichheit, der Grundgleich-
heit und der Chancengleichheit (vgl. Schaubild
8). Ergebnis- und Grundgleichheit entsprechen
dabei den angeführten Regeln des Gleichheits-
und Bedarfsprinzips (letzteres verstanden im
Sinne einer Grundbedarfsdeckung). Das Prinzip
der Chancengleichheit stellt dagegen eine modi-
fizierte Form des von DEUTSCH herausgestellten
Leistungsprinzips dar. Das Augenmerk richtet
sich dabei auf die Ausgangsbedingungen, vor
deren Hintergrund unterschiedliche Leistungen
erbracht und infolgedessen sozial ungleiche
Status- und Einkommenspositionen erworben
werden. Das Prinzip der Chancengleichheit
fordert, nur diejenigen Formen der Ungleich-
verteilung als legitim anzusehen, die sich aus
individuellen Leistungsunterschieden bei glei-
chen Ausgangsbedingungen ergeben.
HOCHSCHILD (1981) unternimmt den Versuch,
das Spektrum der von DEUTSCH unterschiede-
nen Verteilungsgrundregeln um zwei Prinzipien
zu erweitern: das sogenannte Investitions- und
das Zuschreibungsprinzip (vgl. Schaubild 8).
Das Investitionsprinzip fordert, die An-
spruchsrechte des einzelnen an einem zu ver-
teilenden Gut proportional danach zu bemessen,
welche Investition resp. welches „Grundkapital“
dieser in die gesellschaftlichen Zusammenhänge
einbringt. Als verteilungsrelevant können dabei
einerseits Investitionsgrößen wie Zeit, Tugend-
haftigkeit und Engagement/Anstrengung, zum
anderen Kapitalgüter wie Allgemeinbildung,
berufliche Bildung oder Geld angesehen wer-
Schaubild 8: Alternative Konzeptualisierungen von Gerechtigkeitsvorstellungen bzw. Verteilungsprinzipien der sozialwis-senschaftlichen Gerechtigkeitsforschung
DEUTSCH(1975)
Ergebnis-gleichheit
Grund-gleichheit
Chancen-gleichheit
ZuschreibungGleichheit LeistungBedarfHOCHSCHILD
(1981)
FLORA/ALBER/KOHL
(1977)
(Modifizierung)
Investition
"Gleichheit" "Differenzierung"
Gleichheit(equality)
Bedarf(need)
Leistung(equity)
Kontinuum der Verteilungsprinzipien
Quelle: Eigene Darstellung
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 24
den.28 Bei Anwendung des Zuschreibungssprin-
zips erfolgt die Verteilung von Gütern demge-
genüber in Abhängigkeit von askriptiven
Merkmalen wie etwa dem Alter, dem Ge-
schlecht oder der Hautfarbe einer Person. Mit
anderen Worten: Nicht Leistung oder Bedarf,
sondern die Zugehörigkeit zu einer Merkmals-
gruppe entscheidet darüber, welchen Anteil der
einzelne an dem zu verteilenden Gut beanspru-
chen kann. Die Zugehörigkeit zu einer Merk-
malsgruppe kann sich dabei - von Fall zu Fall
variierend - an verschiedenen Definitionsmerk-
malen festmachen, je nachdem, welche Merk-
male die Verteilungsinstanz als verteilungsrele-
vant erachtet.
HOCHSCHILD unterstellt in ihrer Arbeit (HOCH-
SCHILD 1981: 51), daß sich die bezeichneten
Distributionsprinzipien auf einem Kontinuum
anordnen lassen, als dessen Pole sie auf einer
übergeordneten Ebene ein stärker an dem Be-
griff der Gleichheit und ein stärker an dem Be-
griff der Differenzierung orientiertes Gerechtig-
keitsverständnis benennt (vgl. Schaubild 8). Das
gleichheitsorientierte Gerechtigkeitsverständnis
postuliert, daß die Mitglieder einer Gesellschaft
als gleichwertig aufzufassen sind und Unter-
schiede in der Behandlung einer besonderen
Rechtfertigung bedürfen. Das am Differenzie-
rungsprinzip orientierte Gerechtigkeitsverständ-
nis geht demgegenüber davon aus, daß die Mit-
glieder einer Gesellschaft als Individuen grund-
sätzlich verschieden und entsprechend alle For-
men der Gleichbehandlung, die der Individuali-
28 Im Unterschied dazu steht beim Leistungsprinzip dasProdukt der Investitionen im Sinne einer „objektiven Lei-stung“ im Mittelpunkt. Insofern kann im Hinblick auf dasInvestitionsprinzip von einer „subjektiven Leistung“ ge-sprochen werden (vgl. HEIEN 1997).
tät des einzelnen nicht Rechnung tragen, in be-
sonderer Weise zu legitimieren sind.
Analog zu HOCHSCHILD versuchen auch andere
Autoren, die Gerechtigkeitsvorstellungen von
Personen auf der Ebene übergeordneter Vertei-
lungsprinzipien zu beschreiben. Sie gehen da-
von aus, daß es in der normativen Kultur einer
Gesellschaft verschiedene Gerechtigkeitsideo-
logien29 gibt, auf die Personen in ihren Vorstel-
lungen Bezug nehmen und vor deren Hinter-
grund sie ihre je eigenen Vorstellungsbilder von
einer sozial gerechten Verteilungsordnung ent-
wickeln. Einige Autoren schlagen in ihren Ar-
beiten vor, Einstellungen zu sozialer Gerechtig-
keit danach zu unterscheiden, ob sie stärker auf
egalitäre oder aber auf antiegalitäre Gerechtig-
keitsideologien bezogen sind (SANDBERGER
1983, KLUEGEL/MATEJU 1995). Egalitäre Ge-
rechtigkeitsideologien stehen dabei für eine eher
kritisch-distanzierte, antiegalitäre Ideologien
dagegen für eine eher affirmativ-legitimierende
Haltung gegenüber bestehenden Ungleichheiten
in der Wohlstandsverteilung. Es ist wichtig zu
berücksichtigen, daß die von Individuen vertre-
tenen Vorstellungen einer sozial gerechten
Verteilungsordnung eine mehrdimensionale
Struktur aufweisen und entsprechend parallel
zueinander sowohl egalitäre als auch antiegali-
täre Aspekte beinhalten können (vgl. HALLER et
al. 1995: 225).30 Es wird so möglich, daß Perso-
nen in ihren Einstellungen für eine Verteilungs-
ordnung eintreten, die zwar soziale Un-
gleichheiten in einem gewissen Ausmaß zuläßt, 29 Der Begriff der Ideologie fungiert hier in Anlehnung andie Konzeptualisierung Karl MANNHEIMs (1929) rein de-skriptiv als allgemeine Bezeichnung für ein System norma-tiver Ideen, die die soziale Wahrnehmung und das sozialeHandeln von Individuen beeinflussen.30 Dieses Phänomen wird in der sozialwissenschaftlichenForschung gemeinhin mit dem „Split consciousness“-Begriff bezeichnet (KLUEGEL/MATEJU 1995: 210 f.)
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 25
die dabei aber jedem Gesellschaftsmitglied An-
spruchsrechte auf eine Mindestversorgung ge-
währt und in diesem Sinne eine egalitäre Grund-
struktur aufweist.
Ein ähnlicher, allerdings stärker auf die Zu-
schreibung von Verteilungsverantwortlichkeiten
innerhalb eines politisch verfaßten Gemeinwe-
sens abstellender Konzeptualisierungsversuch
ist die von WEGENER (1992: 275) in Anlehnung
an LANE (1986) eingeführte Unterscheidung
zwischen funktionalistischen und etatistischen
Gerechtigkeitsideologien.31 Der Ausdruck
Funktionalismus steht dabei für die Befürwor-
tung einer marktgesteuerten Verteilung von
Gütern, bei der die Person, die viel leistet, auch
viel bekommt. Die Verteilungsverantwortung
liegt hier primär beim Individuum, dem dieses
Ergebnis kausal zugerechnet wird, weshalb die-
ser Einstellungstyp von WEGENER in späteren
Veröffentlichungen (vgl. WEGENER/LIEBIG
1995a, 1995b) auch als Individualismus be-
zeichnet wird. Der Gegenstandpunkt zum Funk-
tionalismus ist der Etatismus: Hier wird der
Staat für die Verteilungsergebnisse verantwort-
lich gemacht. Das Schwergewicht einer etatisti-
schen Gerechtigkeitsideologie liegt entspre-
chend auf der Forderung, daß der Staat über-
haupt als „Verteiler“ auftreten und Anspruchs-
rechte von Gesellschaftsmitgliedern auf Teilha-
be an gesellschaftlichen Gütern sichern soll.
Analog zu der Unterscheidung egalitärer und
antiegalitärer Ideologien ist auch hier zu be-
rücksichtigen, daß Funktionalismus und Etatis-
mus sich auf Einstellungsebene nicht gegensei-
31 LANE unterscheidet in seiner Arbeit zwischen den Prin-zipien der Marktgerechtigkeit und der Politikgerechtigkeit,wobei er allerdings im Unterschied zu WEGENER einestärker psychologisch orientierte Begründung seiner Prin-zipien vornimmt.
tig ausschließen, sondern nebeneinander zu
berücksichtigende Dimensionen von Einstellun-
gen zu sozialer Gerechtigkeit darstellen.
Insgesamt bleibt festzuhalten, daß sich in der
hier keineswegs erschöpfend behandelten sozi-
alwissenschaftlichen Gerechtigkeitsforschung32
bis dato offensichtlich keine einheitliche Kon-
zeptualisierungsstrategie zur Analyse gerechtig-
keitsbezogener Einstellungen durchsetzen
konnte. Wesentliche Ursache dafür dürften al-
lerdings weniger die mangelnde Konsensfähig-
keit der Forschung, sondern vielmehr die diver-
gierenden Fragestellungen der verschiedenen
Autoren sein. Die Entscheidung des WME-
Projektes für einen konkreten Vorschlag wird
durch die Vielfalt der Forschung nicht unbe-
dingt erleichtert. Andererseits bestehen offen-
sichtlich deutliche Zusammenhänge zwischen
einzelnen Vorschlägen. So lassen sich die mei-
sten durch Differenzierung, Zusammenfassung
und/oder Modifizierung der hier als Ausgangs-
punkt der Diskussion gewählten Trias Gleich-
heit, Bedarf und Leistung rekonstruieren. Unter
Abwägung der für das WME-Projekt in dieser
Frage relevanten Kriterien einer differenzierten
Erfassung von Gerechtigkeitsvorstellungen auf
der einen Seite und der Operationalisierbarkeit
angesichts eingeschränkter Ansprüche an
Quantität und Qualität von Indikatoren im Rah-
men einer Sekundäranalyse auf der anderen
Seite, erscheint eine dichotome Lösung ange-
messen. In Analogie zu bereits existierenden
Vorschlägen soll eine egalitaristische, eher das
Gleichheits- und/oder das Bedarfsprinzip beto-
nende und soziale Ungleichheiten delegitimie-
rende Gerechtigkeitsvorstellung einer indivi- 32 Für weitere Konzeptualisierungsvorschläge vgl. z.B.HELLER 1987, RAWLS 1994, RESCHER 1966, SABBAGH et al.1994.
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 26
dualistischen, eher das Leistungs- und/oder das
Zuschreibungsprinzp betonenden und soziale
Ungleichheit legitimierenden Gerechtigkeitsvor-
stellung gegenübergestellt werden. Ausgeklam-
mert werden muß allerdings im Rahmen der
Konzeptualisierung der in einigen Vorschlägen
berücksichtigte Aspekt der staatlichen Vertei-
lungsverantwortung (z.B. CNAAN et al. 1993,
HASENFELD/RAFFERTY 1989, WEGENER 1992)
Letzterer überschneidet sich mit dem Extensi-
täts-Aspekt des WME-Konzeptes wohlfahrts-
staatlicher Einstellungen, der bekanntlich auf
die staatliche Zuständigkeit für die Realisierung
der Ziele sozio-ökonomischer Sicherheit und
sozio-ökonomischer Gleichheit bezug nimmt
(vgl. Kapitel 2.4).33
Im Hinblick auf die Effekte von Egalitarismus
und Individualismus auf wohlfahrtsstaatliche
Einstellungen ist ein eindeutiges Muster zu er-
warten. Die Befürwortung der egalitaristischen
Gerechtigkeitsvorstellung dürfte mit einer
grundsätzlichen Befürwortung des Wohlfahrts-
staates im Sinne einer stärkeren Zustimmung zu
Extensität und Intensität, einer positiveren Hal-
tung gegenüber Institutionen, Programmen und
Akteuren, einer stärkeren Betonung intendierter
Folgen bei gleichzeitiger Geringschätzung
nicht-intendierter Nebenfolgen sowie einer
größeren Bereitschaft zur Finanzierung einher-
gehen (GANGL 1997, HASENFELD/RAFFERTY
1989). Die individualistische Gerechtigkeitsvor-
33 Die Tatsache, daß die Verteilungsverantwortung desStaates von einigen Autoren überhaupt als Aspekt einerGerechtigkeitsvorstellung betrachtet wird, liegt in derabweichenden Konzeptualisierung wohlfahrtsstaatlicherEinstellungen begründet. So beschränken sich beispiels-weise viele Autoren bei der Analyse von Einstellungenzum Wohlfahrtsstaat auf die Frage nach einem (globalenoder spezifischen) „Mehr“ oder „Weniger“ des Wohlfahrts-staates, die der Intensitätsdimension der WME-Konzeptualisierung entspricht (vgl. z.B. CNAAN et al. 1993,HASENFELD/RAFFERTY 1989).
stellung dürfte dagegen eher zu einer Ablehnung
des Wohlfahrtsstaates führen, die sich in genau
entgegengesetzten Haltungen zu den einzelnen
Dimensionen wohlfahrtsstaatlicher Einstellun-
gen ausdrückt
3.1.2. Kulturelle Integration vs. DifferentielleSozialisation
Nach dem ausführlichen Exkurs zur Konzep-
tualisierung von Gerechtigkeitsvorstellungen
und den zu erwartenden Effekten letzterer auf
wohlfahrtsstaatliche Einstellungen geht es nun
um die nicht minder wichtige Frage der Opera-
tionalisierung kulturell-normativer Determi-
nanten, zumal diese innerhalb des kulturtheore-
tischen Ansatzes keineswegs einheitlich disku-
tiert wird. Ein Teil der Forschung geht in die-
sem Zusammenhang von der Annahme aus, daß
es in einer Gesellschaft vor allem kulturelle
Konstanten gibt, die im gesellschaftlichen Le-
ben zur Ausformung einer „dominanten“ (Ge-
rechtigkeits-) Ideologie führen. Im Rahmen des
WME-Projektes wird diese Variante als Modell
der „Kulturellen Integration“ bezeichnet (vgl.
HEIEN 1997). Als entscheidende kulturelle Kon-
stanten werden übereinstimmend der religiös-
konfes-sionelle und der politisch-
ideengeschicht-liche Hintergrund einer Gesell-
schaft betrachtet (HALLER et al. 1995, LIE-
BIG/WEGENER 1995). Katholizismus und Prote-
stantismus beinhalten unterschiedliche Men-
schen- und Gesellschaftsbilder, die sich in
grundverschiedenen Gerechtigkeitsvorstellun-
gen niederschlagen: Während der Katholizismus
in stärkerem Maße substantielle Gleichheitsvor-
stellungen propagiert und auch staatliche Inter-
ventionen nicht ablehnt, ist der Protestantismus
eher durch individualistische Gerechtigkeitsvor-
stellungen geprägt (HALLER 1989, HAUSER et
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 27
al. 1974).34 Im Hinblick auf den politisch-
ideengeschichtlichen Hintergrund wird in der
sozialwissenschaftlichen Forschung grundsätz-
lich unterschieden zwischen liberalen Traditio-
nen einerseits und sozialistischen und kommu-
nistischen Traditionen andererseits (HALLER et
al. 1995). Gemäß seiner Postulate der Selbstbe-
stimmungsfähigkeit der Individuen durch Ver-
nunft, der Individualfreiheit gegenüber dem
Staat und der Selbstregulierung der Ökonomie
durch Gesetzmäßigkeiten von Markt und Wett-
bewerb ist der Liberalismus verknüpft mit indi-
vidualistischen, antiegalitaristischen Gerechtig-
keitsvorstellungen. Dagegen läßt sich das im
sozialistischen und kommunistischen Gedan-
kengut enthaltene Ziel einer klassenlosen Ge-
sellschaft nur mit egalitaristischen und etatisti-
schen Gerechtigkeitsvorstellungen in Verbin-
dung bringen.35 Bezogen auf die Bundesrepublik
haben z.B. NOLL (1992, 1996) sowie WEGENER
und LIEBIG (1995a, 1995b) in ihren Untersu-
chungen gezeigt, daß ost- und westdeutsche
Bundesbürger sich zu Beginn der 90er Jahre in
ihren Gerechtigkeitsvorstellungen tendenziell
unterschieden haben. Eine Erklärung dafür ist
34 Allerdings ist im Falle des Protestantismus deutlichzwischen dem calvinistischen Puritanismus amerikanischerPrägung und dem in Deutschland vorzufindenen lutheri-schen Pietismus zu unterscheiden (vgl. WEGENER 1995b,WEGENER/LIEBIG 1995a). Während im Rahmen der purita-nischen Prädestinationslehre - als Ausdruck des göttlichenAuserwähltseins - ein Ideal der Ungleichheit verfochtenwird, findet sich im Luthertum ein Gleichheitsideal inForm der Ausrichtung individueller Leistung auf die all-gemeine Wohlfahrt.35 Neben kulturellen Konstanten werden bisweilen auchgesellschaftliche Strukturmerkmale wie das sozio-ökonomische Entwicklungsniveau, der Grad ethnisch-kultureller Homogenität sowie die Klassen- und Schicht-struktur einer Gesellschaft (vgl. COUGHLIN 1980, HALLER
1989, MAU 1997) und institutionelle Strukturen wie derGrad der Organisation der Arbeitnehmer, der Grad derZentralisierung von Verfassung und politischem Systemund das politische System selbst (vgl. HALLER et al. 1995,REUBAND 1995) als relevante Faktoren genannt. Für eineausführlichere Diskussion dieser Faktoren und ihres Ver-hältnisses untereinander vgl. HEIEN (1997).
entsprechend die normative Prägung der Men-
schen durch die unterschiedlichen politischen
Systeme und Wertvorstellungen in der ehemali-
gen BRD und der DDR. Dieser Typus von Er-
klärung unterstellt einheitliche Wertorientierun-
gen für alle Bürger eines Landes (bzw. eines
Landesteils), eben eine dominante Ideologie.
Andere kulturtheoretische Modelle unterstellen,
daß die Gesellschaftsmitglieder in unterschied-
lichen Generationen aufgewachsen sind bzw. in
unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus
sozialisiert wurden und auf diese Weise unter-
schiedliche Moral- und Wertvorstellungen inter-
nalisiert haben. Deshalb wird diese Variante im
Rahmen des WME-Projektes als Modell der
„Differentiellen Sozialisation“ bezeichnet (vgl.
HEIEN 1997). Während das Alter ein Indikator
generationsbedingt unterschiedlicher Sozialisa-
tionserfahrungen ist, werden das Geschlecht, die
schulische Bildung und der Beschäftigungssek-
tor als wesentliche Indikatoren milieubedingt
unterschiedlicher Sozialisationserfahrungen
betrachtet (ARZHEIMER/KLEIN 1997, HOEL/
KNUTSEN 1989, WEGENER/LIEBIG 1995b).
Für einen Einfluß des Alters müssen in diesem
Zusammenhang zwei Bedingungen erfüllt sein.
Zum einen müssen einmal erworbene Gerech-
tigkeitsvorstellungen eine gewisse Stabilität
besitzen, um über die gesamte Lebensdauer
hinweg wirksam sein zu können, was zumindest
in der neueren Sozialisationsforschung ange-
zweifelt wird (vgl. GEULEN 1991). Zum anderen
müssen zwei Personen, die unterschiedlichen
Altersgruppen angehören, im Rahmen ihrer
Sozialisation auch unterschiedlichen dominan-
ten Ideologien „ausgesetzt“ gewesen sein. Diese
Annahme eines Ideologiewandels erscheint
zwar angesichts der wechselhaften kulturellen,
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 28
strukturellen und institutionellen Kontexte der
deutschen Geschichte dieses Jahrhunderts
durchaus plausibel, eine exakte Bestimmung der
jeweiligen dominanten Ideologien ist jedoch
wegen der zahlreichen zu berücksichtigenden
Faktoren, die sich darüber hinaus gegenseitig
beeinflussen, nicht unproblematisch (vgl. HEIEN
1997). WILENSKY (1975) betont in diesem Zu-
sammenhang den Gegensatz zwischen den stark
individualistisch-meritokratisch geprägten Wert-
vorstellungen der Jüngeren und den sehr stark
von den Idealen gemeinschaftlicher Solidarität
und kollektiver Verantwortung geprägten Mo-
ralvorstellungen der Älteren. INGLEHART (1977)
verweist demgegenüber auf den Gegensatz von
materialistischen und postmaterialistischen
Wertvorstellungen, die vor dem Hintergrund
unterschiedlicher sozio-ökonomischer Ent-
wicklungsniveaus einer Gesellschaft erworben
wurden und die mit (zentral)staatlichen Inter-
ventionen der Fürsorge und Unterstützung in
unterschiedlichem Ausmaß kompatibel sind.
Unterschiede in den Gerechtigkeitsvorstellun-
gen von Frauen und Männern können als Re-
sultat geschlechtsspezifischer Sozialisation ge-
deutet werden. Während die traditionelle weib-
liche Rolle die Sorge um das Wohlergehen an-
derer Menschen beinhaltet, ist die männliche
Rolle auf die Erwerbsarbeit gerichtet: „Wo-
men’s behaviors are maximally tailored to the
world of love, men’s to the world of work“
(KIDDER et al. 1981: 246; vgl. ARZHEI-
MER/KLEIN 1997, HOEL/KNUTSEN 1989, MAU
1997). Bei Unterstellung einer Ausdehnung des
Aspektes der Fürsorge und der Pflege auf ge-
sellschaftliche Belange im Zuge eines wachsen-
den politischen Bewußtseins von Frauen (vgl.
KLEEBAUR 1991) liegt die Vermutung nahe, daß
Frauen tendenziell etatistisch-egalitäre Gerech-
tigkeitsideologien stärker befürworten als Män-
ner, individualistische Gerechtigkeitsvorstellun-
gen, die in starkem Maße leistungsorientiert
sind, dagegen im Vergleich zu den Männern
eher ablehnen.36
Im Hinblick auf den Einfluß der Bildung sind
zwei Argumentationsmuster denkbar: Erstens
die Berücksichtigung der Dauer, die man der
dominanten Ideologie einer Gesellschaft im
Rahmen von Bildungsinstitutionen „ausgesetzt“
ist, wobei eine längere Ausbildungszeit mit
einer stärkeren Befürwortung der jeweiligen
dominanten Ideologie einhergehen müßte
(LEE/STOLTE 1994). Dies setzt allerdings eine
unverfälschte und kritiklose Vermittlung dieser
Ideologie durch die im Bildungswesen Beschäf-
tigten voraus, von der nicht unbedingt auszuge-
hen ist (ARZHEIMER/KLEIN 1997). Zweitens ein
genereller Aufklärungseffekt durch Bildung
(„enlightenment“ -Phänomen), der eine größere
Vertrautheit mit bestimmten zivilisatorischen
Werten, vor allem dem der Gleichheit, mit sich
bringt und sich in entsprechenden Gerechtig-
keitsvorstellungen manifestiert (HASENFELD/
RAFFERTY 1989, KLEEBAUR 1991).
Die Beschäftigung im öffentlichen Sektor, ins-
besondere die in den bereits angesprochenen
„Wohlfahrtsbürokratien“ , geht schließlich eben-
so mit einschlägigen Sozialisationserfahrungen
einher (HOEL/KNUTSEN 1989). Angesichts der
36 Ein Problem im Hinblick auf einen Vergleich zwischenalten und neuen Bundesländern ist in diesem Zusammen-hang die große Bedeutung der kontinuierlichen, außer-häuslichen Vollzeitbeschäftigung der Frauen in der DDR(GEIßLER 1992). Da die trotz staatlicher Entlastung resultie-rende Doppelbelastung durch Berufs- und Hausarbeit vonden Betroffenen offenbar als normal empfunden wurde, isteine Angleichung der Gerechtigkeitsvorstellungen derostdeutschen Frauen an die der Männer zu erwarten (vgl.WEGENER/LIEBIG 1995b).
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 29
regelmäßigen Konfrontation mit sozialen Pro-
blemen ist eine Sensibilisierung der Beschäf-
tigten nicht unwahrscheinlich, so daß es durch-
aus zu „bonds of sympathy and solidarity bet-
ween public sector employees and their clients,
patients and other ‚welfare dependents‘ “
(SVALL-FORS 1995: 55) kommen kann, die mit
entsprechenden Gerechtigkeitsvorstellungen
einhergehen dürften.
Nach der Diskussion der Konzeptualisierungen
von Gerechtigkeitsvorschlägen, der Differenzie-
rung der kulturtheoretischen Erklärung in die
Varianten der Kulturellen Integration und der
Differentiellen Sozialisation sowie der Erörte-
rung der Operationalisierungsmöglichkeiten
lezterer bedarf das eingangs von Kapitel 3.1
präsentierte Kausalmodell für den kulturtheore-
tischen Erklärungsansatz (vgl. Schaubild 7)
einer entsprechenden Überarbeitung, was in
Schaubild 9 realisiert ist. Dargestellt sind so-
wohl die Operationalisierungsvorschläge des
WME-Projektes als auch die angenommenen
Zusammenhänge zwischen den einzelnen Kon-
strukten. Im Hinblick auf letztere Zusammen-
hänge sind im übrigen auch weiterhin direkte,
nicht über Gerechtigkeitsvorstellungen vermit-
telte Effekte auf wohlfahrtsstaatliche Einstel-
lungen aufgeführt. Diese Effekte sind zwar be-
kanntlich weniger plausibel als die hier aus-
führlich diskutierten indirekten Effekte, weshalb
sie lediglich gestrichelt dargestellt sind, ihre
Berücksichtigung erscheint jedoch im Interesse
eines vollständigen Kausalmodells angemessen.
Gemäß den Ausführungen im Rahmen dieses
Kapitels findet für die Operationalisierung der
Variante der Kulturellen Integration die Regi-
onszugehörigkeit (Ost-West-Variable) Verwen-
dung, während für die Variante der Differenti-
ellen Sozialisation mit dem Alter, dem Ge-
schlecht, der Bildung sowie dem Beschäfti-
gungssektor insgesamt vier Variablen zum Tra-
gen kommen. Als Gerechtigkeitsvorstellungen
werden schließlich die Konstrukte Egalitarismus
und Individualismus berücksichtigt.
Die vom WME-Projekt praktizierte, in der sozi-
alwissenschaftlichen Forschung keineswegs
unübliche Verwendung der Regionszugehörig-
keit als Indikator für Effekte im Sinne des An-
Schaubild 9: Operationalisierung der kulturtheoretischen Erklärung wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen im Rahmen desWME-Projektes
KulturelleIntegration
- Regionszugehörigkeit (West/Ost)
DifferentielleSozialisation
- Alter - Geschlecht - Bildung - Beschäftigungs- sektor
Einstellungenzum
Wohlfahrtsstaat
Gerechtigkeits-vorstellungen
- Egalitarismus - Individualismus
Quelle: Eigene Darstellung
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 30
satzes der Kulturellen Integration (vgl. z.B.
WEGENER/LIEBIG 1995b) ist nicht unproblema-
tisch, da dieses Vorgehen äußerst vorausset-
zungsvoll ist. Die Ost-West-Variable fungiert
hierbei nämlich als Platzhalter für sämtliche
Einflußfaktoren, die im Rahmen des Untersu-
chungsmodells nicht spezifiziert worden sind
(vgl. ROLLER 1996b: 28). Der Gefahr, daß mit
der Ost-West-Variable zugleich Effekte unter-
schiedlicher sozialer und ökonomischer Le-
bensbedingungen gemessen werden, kann nur
durch die Berücksichtigung einer ausreichenden
Anzahl von Indikatoren eben dieser Lebensbe-
dingungen entgegengewirkt werden. Zur Be-
antwortung der Frage, ob dies im Rahmen des
WME-Projektes möglich ist, bleibt die endgülti-
ge Liste unabhängiger Variablen abzuwarten
(vgl. Kapitel 3.4).
3.2. Strukturtheoretische Ansätze
Sozialstrukturelle Erklärungen betrachten die
Unterstützung des Wohlfahrtsstaats aus einer
Rational-Choice-Perspektive und beziehen sich
damit primär auf das egoistische Selbstinteresse
des einzelnen, weshalb sie eben auch als „self-
interest“ -Ansatz bezeichnet werden. Sie gehen
davon aus, daß sich Personen vor dem Hinter-
grund rationaler Kosten-Nutzen-Überlegungen
zu einem gegebenen Zeitpunkt - sowohl mit
Blick auf ihre Haltung zum Wohlfahrtsstaat wie
auch hinsichtlich der Befürwortung bzw. Ab-
lehnung bestimmter Gerechtigkeitsvorstellun-
gen - genau die Einstellungen und Bewer-
tungsmuster zu eigen machen, die ihnen in ihrer
Lebenssituation die größten ökonomischen
Vorteile einbringen bzw. sichern, d.h., ihren
Nutzen maximieren. Wohlfahrtsstaatliche Ein-
stellungen werden dabei vor allem als Produkt
der sozio-ökonomischen Lage des einzelnen und
den mit dieser Lage gegebenen Interessen kon-
zeptualisiert. In der sozialwissenschaftlichen
Literatur werden in diesem Zusammenhang im
wesentlichen drei Gruppen von Personen mit
spezifischen Interessen gegenüber dem Wohl-
fahrtsstaat diskutiert.
Erstens, Bezieher oder „Konsumenten“ von
Dienstleistungen und Transfers, die in ihren
Einkommensbezügen in hohem Maße auf wohl-
fahrtsstaatliche Leistungen angewiesen sind,
werden letztere tendenziell eher unterstützen
und versuchen, ihre Haltung mit etatistischen,
die staatliche Verteilungsverantwortung akzen-
tuierenden Gerechtigkeitsideologien zu legiti-
mieren (CNAAN et al. 1993, PÖNTINEN/
UUSITALO 1988, SIHVO/UUSITALO 1995b). Zu
dieser unter den Bezeichnungen „Transferklas-
se“ (PAPADAKIS 1989), „Versorgungsklasse“
(LEPSIUS 1979) oder „underdogs“ (ROBIN-
SON/BELL 1978) diskutierten Gruppe dürften
vor allem Rentner und Pensionäre, Frauen37,
Arbeitslose, junge Familien mit Kindern, Bezie-
her niedriger Einkommen, Personen mit gerin-
ger Bildung und ethnische Minoritäten gehören
(FORMA 1997, HASENFELD/RAFFERTY 1989,
PAPADAKIS/BEAN 1993, SVALLFORS 1991).38
Ein wichtiger Aspekt ist in diesem Zusammen-
37 Zu unterscheiden sind hier Interessen, die sich aus derBefreiung von unterbewerteten informellen Pflegediensteninnerhalb der Familie, der zunehmenden Unabhängigkeitvon männlichen Versorgern sowie der Beschäftigung imwohlfahrtsstaatlichen Bereich ergeben (FORMA 1997,SVALLFORS 1991, 1995). Letzterem Aspekt ist im folgendenein eigener, allerdings nicht geschlechtsspezifischer Absatzgewidmet.38 Einige Autoren (vgl. z.B. GOUL ANDERSEN 1992) diffe-renzieren in diesem Zusammenhang noch einmal zwischenvom Wohlfahrtsstaat im engeren Sinn Abhängigen („statedependents“) und anderen Konsumenten wohlfahrtsstaatli-cher Leistungen („other consumers“), wobei sich allerdingsdie Frage nach der Unterscheidung zwischen den „anderenKonsumenten“ und Nicht-Konsumenten stellt.
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 31
hang die Heterogenität der Mitglieder der
Transferklasse, die trotz gemeinsamer Interes-
sen eine Formierung und Mobilisierung zur
Durchsetzung derselben verhindert (ALBER
1984).
Zweitens, Personen, die nur in geringem Maße
direkt von wohlfahrtsstaatlichen Maßnahmen
profitieren, gleichzeitig aber hohe Steuerabga-
ben und Sozialversicherungsbeiträge zu leisten
haben, werden dem Wohlfahrtsstaat eher kri-
tisch gegenüberstehen (PAPADAKIS/BEAN 1993,
SIHVO/UUSITALO 1995b). Zur Legitimation
dieser Haltung werden sie sich dabei wahr-
scheinlich auf eine funktionalistische, die Ei-
genverantwortung des Individuums betonende
Gerechtigkeitsideologie berufen. Probleme be-
reitet in diesem Zusammenhang die Relation
von Kosten und Nutzen der Financiers des
Wohlfahrtsstaates. Einige Autoren verweisen
auf den überproportionalen Nutzen der Mittel-
klasse als Konsumenten von Gesundheits- und
Bildungsleistungen des Wohlfahrtsstaates, der
sich durch ihre im Vergleich zu den eigentlichen
Adressaten dieser Leistungen höhere Bildung
und (finanzielle wie zeitliche) Flexibilität sowie
der daraus resultierenden größeren politischen
Konfliktfähigkeit erklären läßt (z.B. GOODIN/
LEGRAND 1987, PÖNTINEN/UUSITALO 1988).
Andere Autoren wiederum - darunter die Ver-
fechter der „welfare backlash“- (WILENSKY
1975) und der „working-class anger“ -Hypothese
(TAYLOR-GOOBY 1983) - gehen davon aus, daß
Angehörige der Mittel- wie der Arbeiterklasse
trotz ihres partiellen Profitierens dem Wohl-
fahrtsstaat aufgrund der von ihnen als zu hoch
empfundenen Steuerbelastung eher skeptisch
gegenüberstehen und diese Skepsis auf die ver-
meintlichen Profitierenden übertragen (CNAAN
et al. 1993, KLUEGEL/SMITH 1986).
Drittens, Personen, die im öffentlichen Sektor
beschäftigt sind, haben ein Interesse am Wohl-
fahrtsstaat als dessen „Produzenten“ . Besonders
die in den „Wohlfahrtsbürokratien“ des Ge-
sundheits- und Bildungswesens sowie der so-
zialen Dienste als Ärzte, Krankenschwestern,
Lehrer, Sozialarbeiter oder Verwalter Beschäf-
tigte werden den Wohlfahrtsstaat - im Gegen-
satz zu den „klassischen Bürokratien“ der Justiz,
der Finanzen oder der Verteidigung (HOFF
1985, PAPADAKIS 1993) - tendenziell befür-
worten. Nicht nur die Existenz des Arbeitsplat-
zes sondern auch Arbeitsbedingungen, Entloh-
nung und berufliche Perspektiven hängen für
diese Gruppe maßgeblich von der Prosperität
des Wohlfahrtsstaates ab (HOEL/KNUTSEN
1989, PÖNTINEN/UUSITALO 1988, SVALLFORS,
1995).
Aus der Diskussion der verschiedenen Interes-
sengruppen resultiert eine umfangreiche Liste
von Indikatoren der sozio-ökonomischen Lage,
die im Rahmen einer Überprüfung des Erklä-
rungspotentials des Self-interest-Ansatzes be-
rücksichtigt werden müssen: Alter, Geschlecht,
Bildung, (Haushalts-)Einkommen, Erwerbssta-
tus, Haushaltsstruktur und Beschäftigungssek-
tor.39 Neben der dadurch beschriebenen objekti-
ven sozio-ökonomischen Lage spielt allerdings
die subjektiv wahrgenommene sozio-ökonomi-
sche Lage eine nicht minder bedeutsame Rolle
für die Erklärung des Self-interest-Ansatzes, da
die von letzterem unterstellte rationale Kosten-
39 Der Verzicht auf die ebenfalls erörterte ethnische Zuge-hörigkeit erfolgte wegen der gängigen, z.B. im Rahmen desALLBUS praktizierten Praxis der Beschränkung bundes-deutscher Bevölkerungsumfragen auf deutschsprechendePersonen.
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 32
Nutzen-Abwägung in hohem Maße auf der Ein-
schätzung der aktuellen wie zukünftigen per-
sönlichen sozio-ökonomischen Lage basiert.40
Da diese Einschätzung sich allerdings nicht
immer mit der objektiven sozio-ökonomischen
Lage deckt, sind die entsprechenden Indikatoren
ebenfalls zu berücksichtigen (FORMA 1997,
WEGENER 1987).
Sämtliche hier diskutierten Indikatoren sind in
Schaubild 10 dargestellt, dem darüber hinaus
auch noch einmal die vom Self-interest-Ansatz
unterstellten kausalen Zusammenhänge zwi-
schen den einzelnen Konstrukten zu entnehmen
sind. Demnach beeinflußt die sozio-
ökonomische Interessenlage sowohl die wohl-
fahrtsstaatlichen Einstellungen als auch die
Gerechtigkeitsvorstellungen. Letztere besitzen,
zumindest der Argumenattion des Self-interest-
Ansatzes zufolge, keinen eigenständigen Ein-
fluß auf die wohlfahrtsstaatlichen Einstellungen,
was in Schaubild 10 durch eine gestrichelte
Line verdeutlicht ist.
40 Dies wird auch in dem aus den Rational-Choice-Theorien bekannten Begriff der „subjective expected utili-ty“ (SEU) zum Ausdruck gebracht (ESSER 1991).
3.3. Wahrnehmung und Bewertung fakti-scher sozialer Ungleichheit
Wesentlich seltener als die in den beiden letzten
Kapiteln beschriebenen Ansätze wird in der
Forschung zu wohlfahrtsstaatlichen Einstellun-
gen die Wahrnehmung und Bewertung fakti-
scher sozialer Ungleichheit41 als Erklärungs-
faktor thematisiert. Dabei steht diese Erklärung
in einem engen Zusammenhang mit den im
Rahmen des kulturtheoretischen Ansatz aus-
führlich diskutierten Gerechtigkeitsvorstellun-
gen: Während Gerechtigkeitsvorstellungen - im
Fall des WME-Projektes also die Konstrukte
Egalitarismus und Individualismus - ein Ver-
teilungsideal (das „Sollen“ ) repräsentieren,
nimmt die Wahrnehmung faktischer sozialer
Ungleichheit auf die Verteilungsrealität (das
„Sein“ ) bezug (vgl. HEIEN 1997, KLUE-
GEL/SMITH 1986). Aus dem subjektiven Ver-
gleich von wahrgenommener Realität und Ge-
rechtigkeitsvorstellungen resultiert schließlich
die Bewertung der faktischen sozialen Un-
41 KLEEBAUR spricht in diesem Zusammenhang auch vonder empirischen und der evaluativen Komponente sozialerUngleichheit (KLEEBAUR 1991: 55).
Schaubild 10: Operationalisierung der strukturtheoretischen Erklärung wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen im Rahmendes WME-Projektes
Einstellungenzum
Wohlfahrtsstaat
Gerechtigkeits-vorstellungen
Sozio-ökonomischeInteressenlage
(objektiv:)
- Alter - Geschlecht - Bildung - (Haushalts-)Einkommen - Erwerbsstatus - Haushaltsstruktur - Beschäftigungssektor
(subjektiv:)
- Einschätzung der eige- nen sozio-ökonomischen Situation und Perspektive
Quelle: Eigene Darstellung
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 33
gleichheit (KLEEBAUR 1991), die insofern auch
als Wahrnehmung (der Realisierung) sozialer
Gerechtigkeit aufgefaßt werden kann (HEADEY
1991).
In welcher Beziehung stehen nun aber die sub-
jektiv wahrgenommene und bewertete Realität
(sozialer Ungleichheit) und Einstellungen zum
Wohlfahrtsstaat? Im Falle eines Abweichens
von den eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen
wird die wahrgenommene soziale Ungleichheit
als ungerecht beurteilt werden. Dies wird dann
je nach präferierten Gerechtigkeitsvorstellungen
entweder zu Forderungen nach einem (stärke-
ren) wohlfahrtsstaatlichen Eingreifen oder nach
einem Nichteingreifen oder Rückzug des Wohl-
fahrtsstaates führen. Ist die wahrgenommene
soziale Ungleichheit mit den eigenen Gerech-
tigkeitsvorstellungen vereinbar, wird sie ent-
sprechend als gerecht beurteilt werden und kei-
ne Forderungen hinsichtlich des Wohlfahrts-
staates mit sich bringen.
Im Rahmen dieses Erklärungsansatzes wird in
der Regel nicht nur das konkrete Ausmaß so-
zialer Ungleichheit als Objekt der Wahrneh-
mung diskutiert. Ebenso Berücksichtigung fin-
den in diesem Zusammenhang Statuszuwei-
sungsprozesse, was sich mit deren Rolle als
„Produzenten“ sozialer Ungleichheit begründen
läßt (vgl. z.B. KLEEBAUR 1991, KLUE-
GEL/SMITH 1986).42 Dementsprechend wurden
beide Aspekte in Schaubild 11 berücksichtigt,
das die beiden diskutierten Konstrukte und ihre
Beziehungen untereinander wie zu Gerechtig-
keitsvorstellungen und wohlfahrtsstaatlichen
Einstellungen zusammenfassend darstellt. Hin-
sichtlich der Beziehungsstruktur sind zwei An-
merkungen zu machen.
Die Bewertung faktischer sozialer Ungleichheit
wird hier bekanntlich als Resultat eines Verglei-
ches von wahrgenommener Realität und Ge-
rechtigkeitsvorstellungen aufgefaßt. Für das
abgebildete Kausalmodell bleibt die Frage nach
dem konkreten Zusammenhang zwischen den
42 Anders formuliert spiegelt das Ausmaß sozialerUngleichheit ein Verteilungsergebnis wieder, wäh-rend die Statuszuweisungen einen Verteilungsprozessrepräsentieren.
Schaubild 11: Operationalisierung der Erklärung wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen durch die Wahrnehmung und Be-wertung faktischer sozialer Ungleichheit im Rahmen des WME-Projektes
Einstellungenzum
Wohlfahrtsstaat
Bewertungfaktischer sozialer
Ungleichheit
Wahrnehmungfaktischer sozialer
Ungleichheit
- Ausmaß sozialer Ungleichheit - Statuszuweisungs- prozesse
Gerechtigkeits-vorstellungen
- Egalitarismus - Individualismus
Quelle: Eigene Darstellung
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 34
beiden letztgenannten Aspekten. Die sozialwis-
senschaftliche Forschung präsentiert sich in
diesem Punkt uneinig. Ein Teil geht davon aus,
daß Gerechtigkeitsvorstellungen die Wahrneh-
mung determinieren, da letztere durch persön-
lich vertretene normative Standards systema-
tisch verzerrt wird (KLUEGEL/SMITH 1986,
ZWICKY 1991). Der andere Teil der Forschung
behauptet in diesem Kontext einen umgekehrten
Wirkungszusammenhang: „What is determines
what ought to be“ (HEADEY 1991: 582). Hier
wird die wahrgenommene Realität wird im
Rahmen der sogenannten „Wahrnehmungshy-
pothese“ (ZWICKY 1991: 305) zum Ideal erklärt.
Aus der Uneinigkeit der Forschung in dieser
Frage und der Tatsache, daß beide Meinungen
eine gewisse Plausibilität beanspruchen können
wie auch empirisch untermauert wurden, haben
wir für das in Schaubild 11 wiedergegebene
WME-Kausalmodell die pragmatische Konse-
quenz eines Tests beider Annahmen gezogen,
wie er im Rahmen von Strukturgleichungsmo-
dellen möglich ist.
Eine zweite Anmerkung betrifft den in Schau-
bild 11 aufgenommenen direkten Effekt von der
Wahrnehmung sozialer Ungleichheit auf wohl-
fahrtsstaatliche Einstellungen, da bisher eine
Vermittlung des Einflusses der Wahrnehmung
über die Bewertung sozialer Ungleichheit be-
hauptet wurde. Obwohl letztgenannte Variante
vor dem Hintergrund der Argumentation dieses
Kapitels plausibler erscheint, kann ein direkter
Effekt, wie er im übrigen in einigen empirischen
Arbeiten unterstellt wird (vgl. z.B. GANGL
1997, ROLLER 1997), nicht ausgeschlossen wer-
den, wenn er auch bei Berücksichtigung eines
expliziten Bewertungsindikators minimal aus-
fallen dürfte.
3.4. Synthese des WME-Projektes
Gemäß dem Anspruch des WME-Projektes, eine
möglichst vollständige, sämtliche relevanten
Faktoren berücksichtigende Erklärung wohl-
fahrtsstaatlicher Einstellungen zu geben, sind
die in Kapitel 3 diskutierten Determinanten zu
einem Gesamtmodell zusammengefügt worden
(vgl. Schaubild 12). Aufgrund seiner offen-
sichtlichen Komplexität sowie bisher nicht the-
matisierter Aspekte und Probleme bedarf das
WME-Kausalmodell einer eingehenden Erläute-
rung.
Zunächst einmal birgt der vom WME-Projekt
angestrebte Vergleich des kulturtheoretischen
und des strukturtheoretischen Erklärungsansat-
zes gemäß Schaubild 12 ein methodisches Pro-
blem. Sämtliche hier angesprochenen Indikato-
ren differentieller Sozialisationsmuster - Alter,
Geschlecht, Bildung, Beschäftigungssektor -
sind zugleich Indikatoren unterschiedlicher so-
zio-ökonomischer Interessenlagen. So haben
ältere Personen nicht nur (generationsbedingt)
andere Wertvorstellungen als jüngere, sie profi-
tieren auch (lebenslaufbedingt) in unterschiedli-
chem Maße von Einrichtungen des Wohlfahrts-
staates. Für unser Kausalmodell haben wir mit
der Einführung eines soziodemographischen
Variablenblocks (vgl. Schaubild 12) daraus
zunächst die pragmatische Konsequenz gezo-
gen, daß Einflüsse im Sinne des Self-interest-
Ansatzes empirisch nicht von Einflüssen im
Sinne des kulturell-normativen Ansatzes zu
trennen sind. Dies gilt allerdings nur einge-
schränkt für die Sozialisations- und Interes-
seneffekte der Altersvariable, deren Trennung
für den Fall des Vorliegens von Paneldaten
durchaus möglich ist (KLEIN 1991).
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 35
Mit der Verwendung der Regionszugehörigkeit
als Indikator für den Erklärungsansatz der Kul-
turellen Integration ist ein weiteres methodi-
sches Problem bereits in Kapitel 3.1 angespro-
chen worden. Angesichts der in Schaubild 12
wiedergegebenen umfangreichen Variablenliste
zu den sozialen und ökonomischen Lebensbe-
dingungen (abzulesen an den Variablenblöcken
„Soziodemographie“ und „Sozio-ökonomische
Interessenlage“) erscheint allerdings die Gefahr
minimiert, daß mit der Regionszugehörigkeit
andere Effekte als die im Rahmen der Erklärung
der Kulturellen Integration angenommenen
"mitgemessen" werden.
Neben den im Rahmen dieses Arbeitspapieres
thematisierten kausalen Zusammenhängen, die
durch durchgezogene Pfeile dargestellt werden,
finden in Schaubild 12 auch Zusammenhänge
zwischen den kultur- bzw. strukturtheoretischen
Variablen (bzw. den Variablenblöcken „Kultu-
relle Integration“ , „Soziodemographie“ und
„Sozio-ökonomische Interessenlage“) und der
Wahrnehmung und Bewertung faktischer so-
zialer Ungleichheit Berücksichtigung. Diese zur
Unterscheidung durch gestrichelte Pfeile darge-
stellten Zusammenhänge sind bisher nicht the-
matisiert worden, da sie kein konstitutives Ele-
ment der betrachteten Erklärungsansätze sind.
Bis zur ihrer endgültigen inhaltlichen Klärung,
die allerdings nicht im Rahmen dieses Ar-
beitspapieres erfolgen kann, sind diese Zusam-
menhänge mit Vorsicht zu betrachten.
Die in Kapitel 2 erarbeitete Differenzierung
wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen nach Zielen,
Mitteln, Folgen und Finanzierung hat nach
Schaubild 12 auch Konsequenzen für das
WME-Kausalmodell. Angesichts der Tatsache,
daß für jede Einstellungsdimension ein eigenes
Modell zu berechnen ist, der analytischen Tren-
nung zum Trotz zwischen einigen Dimensionen
aber starke Beziehungen zu erwarten sind, er-
höht sich die Zahl der erklärenden Variablen
Schaubild 12: Kausalmodell des WME-Projektes
Gerechtigkeits-vorstellungen
- Egalitarismus - Individualismus
Kulturelle Integration
- Ländervariable (West/Ost)
Soziodemographie
- Alter - Geschlecht - Bildung - Beschäftigungs- sektor
Sozio-ökonomischeInteressenlage
- (Haushalts-) Einkommen - Erwerbsstatus - Haushaltsstruktur - Einschätzung der eigenen sozio-öko- nomischen Situation und Perspektive
"Struktur"
"Kultur"
ZieleExtensität/Intensität
MittelInstitutionen/
Programme/Akteure
Folgenintendiert/nicht-
intendiertFinanzierung
? ?
?
?
?
Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat
Bewertung sozialerUngleichheit
Wahrnehmungfaktischer sozialer
Ungleichheit
- Ausmaß - Statuszuweisungs- prozesse
Quelle: Eigene Darstellung
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 36
noch einmal. Inhaltlich läßt sich beispielsweise
argumentieren, daß die Wahrnehmung nicht-
intendierter Folgen des Wohlfahrtsstaates die
Zustimmung zu den Fragen der Extensität und
Intensität (negativ) beeinflussen dürfte. Darüber
hinaus sind selbstverständlich noch komplexere
Beziehungsstrukturen denkbar, innerhalb derer
mehrere Aspekte wohlfahrtsstaatlicher Einstel-
lungen miteinander verknüpft sind. Empirisch
bestätigt werden diese Annahmen durch die
Ergebnisse diverser internationaler Untersu-
chungen, die mit anderen Konzeptualisierungen
arbeiten und insofern Aspekte, die vom WME-
Projekt als (zu erklärende) Einstellungsdimen-
sionen klassifiziert wurden, als erklärende Va-
riablen verwenden können (vgl. z.B. CNAAN et
al. 1993, HASENFELD/RAFFERTY 1989). Für das
vorliegende Arbeitspapier haben wir uns auch in
diesem Punkt zu einer pragmatischen Lösung
entschieden und die Beziehungen zwischen den
einzelnen Dimensionen wohlfahrtsstaatlicher
Einstellungen zunächst offengelassen (vgl.
Schaubild 12).
4. Die Entwicklung wohlfahrtsstaat-licher Einstellungen und ihrer De-terminanten in den 1990er Jahren
Nach der Entwicklung eines umfassenden Mo-
dells zur Erklärung wohlfahrtsstaatlicher Ein-
stellungen gilt das Interesse im folgenden den
empirischen Dimensionen der Thematik. Der
Überblick über die Entwicklung der Einstellun-
gen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat in
den 90er Jahren im Rahmen dieses Kapitels ist
gemäß der in der Einleitung skizzierten Frage-
stellung des WME-Projekts unterteilt in einen
rein deskriptiven Teil (Kapitel 4.1) und einen
Teil zu den Determinanten wohlfahrtsstaatlicher
Einstellungen (Kapitel 4.2).
4.1. Deskription wohlfahrtsstaatlicherEinstellungen
Für die Deskription der Einstellungen zum bun-
desdeutschen Wohlfahrtsstaat empfiehlt sich
eine Orientierung an den konkreten Dimensio-
nen des in Kapitel 2 erarbeiteten WME-
Konzeptes, so daß die Oberkategorien Ziele,
Mittel, Folgen und Finanzierung die Gliede-
rungspunkte vorgeben. Auf die heterogene Da-
tenlage für die einzelnen Aspekte ist bereits in
Kapitel 2.2 (vgl. Tabelle 1) hingewiesen wor-
den. Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen,
daß die Anzahl relevanter Daten wegen der
nicht seltenen Auswertung einer Umfrage durch
mehrere Autoren „schrumpft“ (Vgl. z.B. FUCHS
et al. 1997 und ROLLER 1996). Allerdings darf
in diesem Zusammenhang nicht außer Acht
gelassen werden, daß das vorliegende Ar-
beitspapier von der Indikatoren-Auswahl der
Autoren der betrachteten Studien abhängig ist.
Insofern ist im Falle eines Fehlens empirischer
Daten zu einem konkreten Aspekt nicht
zwangsläufig gesagt, daß keine Indikatoren vor-
liegen. Vielmehr ist es durchaus möglich, daß
bisweilen einfach deshalb keine (publizierten)
Daten vorliegen, weil sie für das Forschungsin-
teresse der jeweiligen Autoren irrelevant waren.
Ein grundsätzliches Problem ist allerdings der
Vergleich unterschiedlicher Datensätze, der,
von wenigen Ausnahmen abgesehen, auch un-
terschiedliche Fragen bzw. Frageformulierungen
mit sich bringt. Eine systematische Analyse der
Unterstützungsbereitschaft und ihrer Entwick-
lung, etwa in Form einer in Tabellen oder Gra-
phiken aufbereiteten Zeitreihe, ist deshalb auf
der Grundlage dieser Quellen nicht möglich.
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 37
4.1.1. Ziele des Wohlfahrtsstaates
Was die globale Extensität betrifft, ermitteln
RINNE/WAGNER auf der Grundlage von SOEP-
Daten für 1992 eine relativ hohe Zustimmung
der Bundesbürger zur staatlichen Zuständigkeit
für die soziale Sicherung von 69%, während die
Alternative der Eigenvorsorge lediglich von
20% präferiert wird (RINNE/WAGNER 1995a:
292). Auf die Diskussion der Ergebnisse von
Roller (1997) wird an dieser Stelle verzichtet,
da sie die Extensität anhand von Indikatoren zu
Verteilungsprinzipien (Leistungs- vs. Bedarfs-
prinzip) mißt, die im Rahmen des WME-
Projektes bekanntlich für Gerechtigkeitsvor-
stellungen „ reserviert“ sind.
Zur spezifischen Extensität liegen gemäß Ta-
belle 1 (vgl. Kapitel 2.2) sehr viele Daten vor,
so daß im Rahmen dieses Überblicks eine Aus-
wahl getroffen werden muß. Die staatliche Ein-
kommenssicherung bei Krankheit, Not, Ar-
beitslosigkeit und Alter als Kern des Wohl-
fahrtsstaates - hier stellt sich allerdings die Fra-
ge, ob damit nicht eher die globale Extensität
erfaßt wird - erfährt bei den Bundesbürgern eine
durchgehend hohe Zustimmung, wenn auch
ROLLER anhand von ALLBUS-Daten in alten
wie neuen Bundesländern zwischen 1991 (West:
90%; Ost: 98%) und 1994 (West: 87%; Ost:
96%) diesbezüglich einen leichten Rückgang
ermittelt (ROLLER 1997: 128 f.). Bei der Kon-
trastierung von staatlicher mit individueller
Vorsorge fällt nach einer anderen Datenquelle
(„Aktuelle Fragen zur Innenpolitik“ ) die Präfe-
renz für eine staatliche Zuständigkeit, allerdings
beschränkt auf die Einkommenssicherung bei
Alter und Krankheit, deutlich geringer aus:
Während in den alten Bundesländern die Zahl
der Befürworter von vergleichsweise niedrigen
64% im Jahr 1990 auf 58% im Jahr 1995 sinkt,
steigt sie bemerkenswerterweise in den neuen
Bundesländern von 70% im Jahr 1990 auf im-
merhin 83% im Jahr 1995 (ROLLER 1997: 128
f.). Bei Differenzierung der bisher gemeinsam
abgefragten Bereiche zeigen sich deutliche Un-
terschiede in der Zustimmung, wenn auch im-
mer noch mindestens zwei Drittel der Westdeut-
schen und sogar neun von zehn Ostdeutschen
eine staatliche Zuständigkeit wünschen. Am
umstrittensten sind in den alten Bundesländern
die staatliche Garantie des Arbeitsplatzes und
die Einführung eines Basiseinkommens, für die
1992 „nur“ jeweils 66% der Bürger stimmten
(MAU 1997: 66). Deutlich populärer sind die
Sicherung eines angemessenen Lebensstandards
für Arbeitslose und die Bereitstellung von
Wohnungen für Finanzschwache, die von vier
Fünftel der Westdeutschen befürwortet werden
(ROLLER 1997: 130). Die gesundheitliche Ver-
sorgung Kranker und die Sicherung eines ange-
messenen Lebensstandards für Alte schließlich
erreichen selbst in den alten Bundesländern
Zustimmungsraten von 95% und mehr (ROLLER
1997: 130).43 Während die bisherigen Bereiche
des Wohlfahrtsstaates eher dem allgemeinen
Ziel sozio-ökonomischer Sicherheit zuzuordnen
sind, gibt es auch welche, die die Zustimmung
zu einer staatlichen Zuständigkeit für die Reali-
sierung sozio-ökonomischer Gleichheit messen.
Am weitesten verbreitet ist in diesem Zusam-
menhang die Frage nach dem Abbau von Ein-
kommensdifferenzen, für den in den neuen
Bundesländern deutlich mehr Bürger stimmen, 43 Interessanterweise läßt die Differenzierung nach derZustimmung („auf jeden Fall verantwortlich sein“ vs.„verantwortlich sein“) die Unterschiede zwischen Ost- undWestdeutschland noch größer werden, bei der höchstenForm der Zustimmung wächst die durchschnittliche Ost-West-Differenz von 13 auf 29 Prozentpunkte (ROLLER
1997: 131).
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 38
in den Jahren 1990 bis 1992 zwischen 84% und
90%, als in den alten Bundesländern, wo im
selben Zeitraum die Zustimmung zwischen 58%
und 68% schwankt (MAU 1997, ROLLER
1997).44
Auch in der Frage der globalen Intensität sind
innerdeutsche Unterschiede zu registrieren.
Während die Ostdeutschen ALLBUS-Daten von
1994 zufolge mehrheitlich (71%) für eine
grundsätzliche Ausweitung des Wohlfahrts-
staates plädieren (ROLLER 1996: 7), können sich
die Westdeutschen mit dem Status quo offen-
sichtlich eher anfreunden, wie gleich mehrere
Umfragen zeigen, wenn auch im Fall einer
ISSP-Umfrage von 1990 noch eine knappe
Mehrheit pro Ausweitung zu registrieren ist
(HUSEBY 1995, KLEIN/SCHILLING 1994,
ROLLER 1996). Dementsprechend fällt die Zu-
stimmung zu allgemeinen Kürzungen von Sozi-
alleistungen in den alten Bundesländern we-
sentlich höher aus als in den neuen Bundeslän-
dern, wenn auch in keiner der Umfragen der
entsprechende Anteil ein Fünftel übersteigt.
Die Differenzierung der Fragen nach einem
globalen Zuviel oder Zuwenig im Rahmen der
spezifischen Intensität offenbart deutliche Un-
terschiede zwischen den einzelnen Bereichen
des Wohlfahrtsstaates. Für Renten und Pensio-
nen sollte die Regierung nach Meinung der
Mehrheit aller Bundesbürger - Grundlage sind
gleich drei Umfragen zwischen 1990 und 1995 -
mehr Geld ausgeben, wobei die Zustimmung in
den neuen Bundesländern mit etwa zwei Drit-
teln wesentlich höher ausfällt als in den alten
Bundesländern, wo die Zustimmung zu einer
Ausgabenerhöhung nur knapp höher ausfällt als
44 Für weitere Daten vgl. KLUEGEL/MIYANO 1995 undROLLER 1995a.
die Zustimmung zur Beibehaltung des Status
quo (ROLLER 1996: 8 f.).45 Durchgehend gering
fällt entsprechend in West wie Ost die Zustim-
mung zu Ausgabenkürzungen im Bereich der
Renten und Pensionen aus: 1995 liegt der ent-
sprechende Anteil in Gesamtdeutschland bei
9%. Etwas heterogener gestaltet sich die Mei-
nung zur Arbeitslosenunterstützung: Hier ist
1995 eine deutliche Mehrheit der Ostdeutschen
für eine Ausgabenerhöhung, während die West-
deutschen 1990 wie 1995 mehrheitlich am Sta-
tus quo festhalten wollen. In den alten Bundes-
ländern stimmt 1995 auch immerhin ein Fünftel
der Bevölkerung für Ausgabenkürzungen in
diesem Bereich, während dieser Meinung in den
neuen Bundesländern zum gleichen Zeitpunkt
nicht mal jeder Zehnte zustimmt (ROLLER 1996:
8 f.). Die Unterschiede in der Beurteilung der
beiden Maßnahmenbereiche werden noch deut-
licher bei Betrachtung einer offenen Frage nach
den Sozialleistungen, bei denen am ehesten
Einsparungen vorgenommen werden können.
Bei einer insgesamt relativ starken Streuung der
Antworten erreicht die Kürzung von Arbeitslo-
sengeld und -hilfe 1993 mit 37% in West-
deutschland den höchsten Zustimmungswert,
während Einsparungen bei den Renten weit
hinter anderen Sozialleistungen (Leistungen für
Asylbewerber, Gesundheitswesen, Kindergeld,
Sozialhilfe, Wohngeld) einen der letzten Plätze
einnehmen (ROLLER 1996: 7 ff.). In Ost-
deutschland konzentrieren sich die Nennungen
mit den Leistungen für Asylbewerber (53%),
Feiertagen (28%) und der 35-Stunden-Woche
(27%) auf drei konkrete Bereiche, die Arbeits-
45 Noch höher fällt im übrigen in den alten Bundesländern1990 mit fast drei Vierteln (73%) die Zustimmung zurAusweitung der Ausgaben für das Gesundheitswesen aus(PETTERSEN 1995: 214). Leider liegen für diesen Bereichkeine weiteren Daten vor.
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 39
losenunterstützung (2%) und die Renten (1%)
werden dagegen für mehr oder wenig unantast-
bar erklärt.
4.1.2. Mittel des Wohlfahrtsstaates
Die schlechte Datenlage für die Mittel des
Wohlfahrtsstaates ist mehrfach erwähnt worden.
Gemäß Tabelle 1 (vgl. Kapitel 2.2) liegen für
die Institutionen - global wie spezifisch - keine
Daten vor, für globale und spezifische Pro-
gramme existiert gerade einmal eine relevante
Studie (ALBER 1986), deren aktuellste Daten
aus dem Jahr 1983 datieren und insofern für
unseren Überblick zur Unterstützung des bun-
desdeutschen Wohlfahrtsstaates in den 1990er
Jahren ohne Bedeutung sind. In Tabelle 1 nicht
erfaßt, da erst im Rahmen des Entwurfes eines
eigenen WME-Konzeptes in Kapitel 2.4 der
Mittel-Ebene zugeordnet, sind die Akteure des
Wohlfahrtsstaates. Unter den vom WME-
Projekt recherchierten Studien findet sich aller-
dings auch für diese Ebene keine, die entspre-
chende Daten verwendet. Insofern bleibt die
Sichtung der konkreten Datensätze abzuwarten,
ehe die Möglichkeit von Aussagen über Ein-
stellungen zu den Mitteln des Wohlfahrtsstaates
im Rahmen des WME-Projektes beurteilt wer-
den kann.
� � ��� ��� Folgen des Wohlfahrtsstaates
Im Vergleich zur Datenlage für die Dimension
der Mittel fällt das Angebot bei den Folgen
deutlich besser aus. Die globalen intendierten
Folgen werden in den alten und neuen Bundes-
ländern dabei durchaus unterschiedlich beur-
teilt. Für die Frage nach der grundsätzlichen
Zufriedenheit mit dem Netz der sozialen Siche-
rung geht auf einer von 0 („ganz und gar unzu-
frieden“) bis 10 („ganz und gar zufrieden“) rei-
chenden und in diversen Umfragen (u.a. Wohl-
fahrtssurvey, SOEP) erhobenen Zufrieden-
heitsskala der Wert der Westdeutschen von
relativ hohen 6,7 im Jahr 1992 auf 5,5 im Jahr
1995 zurück, während der ohnehin niedrigere
Wert für die Ostdeutschen zwischen 1990 und
1995 von 4,9 auf 4,5 sinkt (BUHLMANN/MAU
1996, RINNE/WAGNER 1995a, 1995b). Im Hin-
blick auf die neuen Bundesländer ist in diesem
Zusammenhang vor allem die Frage nach dem
Vergleich mit der Situation vor der Wiederver-
einigung interessant. Auf Politbarometer-Daten
basierende Ergebnisse von ROLLER offenbaren,
daß zwischen 1992 und 1994 durchgehend mehr
als drei Fünftel aller Ostdeutschen ihre soziale
Sicherheit schlechter als vor der Wiedervereini-
gung beurteilten (ROLLER 1997: 133).
Konkretisiert im Rahmen der Frage nach den
spezifischen intendierten Folgen zeigt sich er-
neut eine größere Zufriedenheit der Bevölke-
rung der alten Bundesländer: Zwei Drittel aller
Westdeutschen fühlen sich nach ALLBUS-
Daten von 1994 im Alter und vor Krankheit und
Invalidität ausreichend gesichert, während „nur“
ein Fünftel diesbezüglich Sorgen hegt. Unter
den Ostdeutschen halten sich dagegen der An-
teil der subjektiv Gesicherten (47%) und der
Anteil der subjektiv Ungesicherten (42%) nahe-
zu die Waage (ROLLER 1997: 133).
Für die Dimension der nicht-intendierten Ne-
benfolgen findet sich in der gesamten Literatur
der 90er Jahre leider nur eine einzige Frage.
Diese mit dem Ausmaß des Mißbrauches von
Sozialleistungen im Bereich des Arbeitslosen-
geldes und der Sozialhilfe einen spezifischen
Bezug aufweisende Frage stellt allerdings ein
zentrales Topoi der Diskussion über die Krise
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 40
des Wohlfahrtsstaates dar. Die Politbarometer-
Daten aus dem Jahr 1993 zeigen, daß 70% aller
Westdeutschen Sozialleistungen in großem oder
sogar sehr großem Umfang mißbraucht sehen,
während der entsprechende Anteil bei den Ost-
deutschen nur 45% beträgt (ROLLER 1997: 134).
4.1.4. Finanzierung des Wohlfahrtsstaates
Der Aspekt der Finanzierung des Wohlfahrts-
staates hat im Überblick über die empirischen
Forschung in Tabelle 1 keine Berücksichtigung
gefunden, da er wie die Akteure des Wohl-
fahrtsstaates nicht Bestandteil des Konzeptes
von ROLLER ist und erst durch die Betrachtung
internationaler Arbeiten in den Blickpunkt des
Interesses gerückt ist. Leider erweist sich die
Datenlage für diesen wichtigen Aspekt als sehr
dürftig, vergleichbar nur noch mit den Mitteln
des Wohlfahrtsstaates. Unter den vom WME-
Projekt recherchierten Arbeiten findet sich
überhaupt nur eine (DEHLINGER/BRENNECKE
1992), die entsprechende Indikatoren berück-
sichtigt. Mit der Einschätzung der Beitragsbela-
stung durch die Krankenversicherung und die
Alterssicherung handelt es sich genauer gesagt
um Indikatoren zur spezifischen Finanzierung.
Obwohl die von den Autoren verwendeten
(SOEP-)Daten bereits aus dem Jahr 1987 stam-
men und insofern für diesen Literaturüberblick
eigentlich irrelevant sind, sollen die Ergebnisse
angesichts der großen Bedeutung des Finanzie-
rungsaspektes für die aktuelle Krisendiskussion
kurz vorgestellt werden. DEHLIN-
GER/BRENNECKE ermitteln für beide Sozialver-
sicherungen eine Mehrheit der Westdeutschen,
die die Beiträge als angemessen einstuft, wobei
dieser Anteil für die Alterssicherung (61,4%)
etwas höher ausfällt als für die Krankenversi-
cherung (55,4%). Der Anteil derjenigen, die die
Beitragsbelastung als zu hoch beurteilen, fällt
für die Krankenversicherung mit exakt einem
Drittel der Befragten höher aus als für die Ren-
tenversicherung (24,2%), als zu niedrig werden
die Beiträge in beiden Fällen von weniger als
2% der Befragten eingestuft (DEHLIN-
GER/BRENNECKE 1992: 240).46
4.2. Determination wohlfahrtsstaatlicherEinstellungen
Das aus dem vorangegangenen Kapitel 4.1 be-
kannte Problem einer unzureichenden, dem
breiten Indikatoren-Spektrum des WME-
Projektes nicht gerecht werdenden Datenlage
trifft auf den hier angestrebten empirischen
Überblick zur Determination wohlfahrtsstaatli-
cher Einstellungen noch in stärkerem Maße zu,
da die entsprechenden Studien nun zusätzlich
auf Indikatoren für die interessierenden Erklä-
rungsansätze überprüft werden müssen. Bereits
die Beschränkung auf die Frage nach den von
der empirischen Forschung zu Einstellungen
zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat bisher
untersuchten Determinanten offenbart Proble-
me.
Aus Tabelle 2, die einen Überblick über in den
letzten 15 Jahren veröffentlichte Arbeiten gibt,
sind zunächst einmal die Arbeiten „auszusortie-
ren“ , die sich auf rein deskriptiver Ebene mit
dem Thema befassen, also überhaupt keine De-
terminanten der Unterstützungsbereitsschaft
berücksichtigen (z.B. BUHLMANN/MAU 1996,
KRÜGER 1993, ZAPF 1987).
46 Dieses angesichts der höheren Beitragssätze zur Renten-versicherung bemerkenswerte Ergebnis wird von den Auto-ren im übrigen mit dem Hinweis auf die empirisch bestä-tigte „unzureichende Kenntnis der Bürger über die tatsäch-lichen Beitragssätze“ erklärt (DEHLINGER/BRENNECKE
1992: 240).
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 41
Nur wenig interessanter für unsere Zwecke sind
Arbeiten, die eine unbegründete Indikatoren-
auswahl treffen und insofern nur einen implizi-
ten Theorietest durchführen (z.B. ALBER 1986,
KAASE et al. 1987, RINNE/WAGNER 1995a,
1995b). Unter den Arbeiten, die einen expliziten
Theorietest durchführen, also einen Anspruch
auf die Vollständigkeit der Indikatoren erhe-
ben47, sind vor allem die Arbeiten für das WME-
Projekt interessant, die ein ähnlich breites 47 Die Unterscheidung zwischen einem expliziten undeinem impliziten Theorietest ist bisweilen problematisch,da der Anspruch auf eine vollständige Indikatorenliste vonden Autoren nicht immer in aller Deutlichkeit formuliertwird. Darüber hinaus werden in einigen Arbeiten, die einen(expliziten oder impliziten) Test des Self-interest-Ansatzesdurchführen (z.B. DEHLINGER/BRENNECKE 1992,RINNE/WAGNER 1995a, 1995b), Sozialisations-Indikatorenals Kontrollvariablen verwendet. Als Konsequenz ausdiesen beiden Problemen werden die („ fließenden“) Gren-zen zwischen den verschiedenen Vorgehensweisen inTabelle 2 durch unterschiedliche Schattierungen darge-stellt.
Spektrum von Determinanten wohlfahrtsstaatli-
cher Einstellungen abdecken. Allerdings zeigt
Tabelle 2, daß sich die Forschung hierzulande
bisher primär auf den Self-interest-Ansatz kon-
zentriert hat, während den anderen Determi-
nanten eher wenig Beachtung geschenkt wur-
de.48 Für die Zwecke dieses Arbeitspapieres
erscheinen deshalb nur wenige Arbeiten aus
Tabelle 2 geeignet. Zwei davon (GANGL 1997,
ROLLER 1997) werden im folgenden im Hin-
blick auf das ihnen zugrundeliegende Kausal-
modell sowie ihre Ergebnisse vorgestellt.49 In
die Entscheidung für diese beiden Arbeiten
flossen gemäß der eingangs dieses Kapitels 48 Die Konzentration auf den Self-interest-Ansatz istROLLER zufolge ein grundsätzliches Kennzeichen dernationalen wie internationalen Forschung zu wohlfahrts-staatlichen Einstellungen (ROLLER 1992: 48).49 Eine vollständige Übersicht über die Operationalisierun-gen GANGLs wie ROLLERs findet sich im Anhang.
Tabelle 2: Untersuchte Determinanten in empirischen Studien zu Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat
Autoren
Untersuchte Determinanten: AL
BE
R (1
986)
BU
HL
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NN
/MA
U (1
996)
DE
HL
ING
ER/B
RE
NN
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(199
2)
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997)
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995)
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l. (1
987)
KL
EE
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(199
1)
KL
EIN
/SC
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994)
KL
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GE
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IYA
NO
(199
5)
KR
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(199
3)
MA
U (1
997)
PET
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RSO
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995)
RIN
NE/W
AG
NE
R (1
995
a,b)
RO
LL
ER
(199
2)
RO
LL
ER
(199
5b)
RO
LL
ER
(199
6a)
RO
LL
ER
(199
7)
RO
LL
ER/W
EST
LE
(198
7)
ZA
PF (1
988)
KulturelleIntegrationKultur-
theoretischerAnsatz Differentielle
Sozialisation
Strukturtheore-tischer Ansatz
Self-interest
WahrnehmungSozialeUngleichheit
Bewertung
Quelle: Eigene Darstellung Legende: Impliziter Theorietest Expliziter Theorietest
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 42
geschilderten Problematik auch das Spektrum
der berücksichtigten Dimensionen wohlfahrts-
staatlicher Einstellungen und - angesichts der
Konzentration des WME-Projektes auf das wie-
dervereinigte Deutschland - der Erhebungszeit-
punkt der Daten (vgl. Tabelle 1) ein.50
4.2.1. GANGL: „ Ansprüche an den Wohl-fahrtsstaat in den alten und neuenBundesländern“ (1997)
An GANGLs Arbeit „Ansprüche an den Wohl-
fahrtsstaat in den alten und neuen Bundeslän-
dern“ (GANGL 1997) ist neben der Vielzahl
berücksichtigter Determinanten wohlfahrts-
staatlicher Einstellungen (vgl. Schaubild 13) vor
allem der Rückgriff auf explizite Indikatoren für
Gerechtigkeitsvorstellungen bemerkenswert.51
Der Autor betrachtet Gerechtigkeitsvorstellun-
gen als im Hinblick auf den Wohlfahrtsstaat
zentralen Aspekt allgemeiner Überzeugungen
und Werthaltungen, die er unter dem Oberbe-
griff der Wertorientierungen zusammenfaßt.
GANGL unterscheidet zwischen dem Lei-
stungsprinzip bzw. der Vorstellung des „econo-
mic individualism“ auf der einen Seite und
Gleichheits- und Bedarfsprinzip, von ihm auch
als Gedanke der „social equality“ bezeichnet,
auf der anderen Seite (GANGL 1997: 172).
Letztere räumen jedem Gesellschaftsmitglied
das Grundrecht eines akzeptablen, durch kol-
lektive Verantwortung und staatliches Handeln
zu sichernden Lebensstandards ein, während die
Leistungsgerechtigkeit allein die individuelle
Leistung jedes Einzelnen als ursächlich für per- 50 Vor allem letzterer Punkt sprach gegen die Diskusssionder hinsichtlich der berücksichtigten Determinanten gera-dezu vorbildlichen Arbeit von KLEEBAUR (1991), die aufISSP-Daten von 1987 basiert.51 Außer bei GANGL ist dies in der Forschung zu Einstel-lungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat unserenRecherchen zufolge nur noch bei KLEEBAUR (1991) undKLUEGEL/MIYANO (1995) der Fall.
sönliches Wohlergehen sehen möchte. Darüber
hinaus erwartet GANGL eine parteipolitische,
grundsätzlich nach linken und rechten Parteien
zu differenzierende Strukturierung der Unter-
stützung des Wohlfahrtsstaates.52
Als weiteren Einflußfaktor untersucht GANGL
Interessenorientierungen, die der hier als Self-
interest-Ansatz diskutierten Erklärung entspre-
chen, da sie den Gesellschaftsmitgliedern ein
materielles Eigeninteresse an wohlfahrtsstaatli-
chen Leistungen unterstellen (GANGL 1997:
171). Positiv hervorzuheben ist das breite Spek-
trum berücksichtigter Indikatoren, das sowohl
objektive Aspekte, wie den Erwerbsstatus, das
Haushaltseinkommen, die Klassenlage (nach
dem Klassenindex von GOLDTHORPE) und das
Humankapital (schulische und berufliche Bil-
dung), als auch subjektive Aspekte, wie die 52 Hierbei stellt sich selbstverständlich die Frage nach derEignung der Parteipräferenz als Indikator für Wertorientie-rungen, da gerade die beiden „Volksparteien“ CDU undSPD heterogene, sich zum Teil auch überschneidendeSpektren von Wertorientierungen repräsentieren.
Schaubild 13: Kausalmodell von GANGL (1997)
Einstellungen zumWohlfahrtsstaat
Wert-orientierungen
Interessen-orientierungen
Perzeptionen,Wahrnehmungen,Einschätzungen
Soziodemographie
SozialeInstitutionen
Quelle: Eigene Darstellung nach GANGL (1997: 171 f.)
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 43
Einschätzung der gegenwärtigen und zukünfti-
gen eigenen wirtschaftlichen Lage und die Be-
fürchtung eines Stellenverlustes, überzeugend
abdeckt. Zu kritisieren ist in diesem Zusammen-
hang allenfalls die ausschließliche Interpretation
der Bildungsvariable als Indikator für Interes-
seneffekte (vgl. Kapitel 2.2).
Sozialisationseffekte im Sinne der beiden vom
WME-Projekt diskutierten kulturtheoretischen
Ansätze werden von GANGL explizit wie impli-
zit getestet. Zum einen verweist er auf den an
der Regionszugehörigkeit abzulesenden Einfluß
sozialer Institutionen, wodurch der Ansatz der
Kulturellen Integration Berücksichtigung findet.
Lediglich implizit kommt zum anderen der An-
satz der Differentiellen Sozialisation zum Tra-
gen, nämlich durch die Verwendung des Alters
und des Geschlechts als soziodemographische
(Kontroll-)Variablen sowie der Bildung als
Interessenvariable.
Ein letzter von GANGL untersuchter Einfluß-
faktor sind „Perzeptionen, Wahrnehmungen und
Einschätzungen der Bürger zur sozialen Situati-
on innerhalb der Gesellschaft“ (GANGL 1997:
172), hinter denen sich zwei verschiedene Er-
klärungen verbergen. Zum einen die Wahrneh-
mung sozialer Ungleichheit, die der Autor an-
hand der Einschätzung gesellschaftlicher Sta-
tuszuweisungsprozesse untersucht. Die Wahr-
nehmung askriptiver, auf der sozialen Herkunft
oder der Klassenzugehörigkeit beruhender Zu-
weisungen („ascription“ ) führt GANGL zufolge
zu Forderungen nach einem (stärkeren) wohl-
fahrtsstaatlichen Eingreifen, während die Wahr-
nehmung leistungsorientierter, auf den Fähig-
keiten der betroffenen Gesellschaftsmitglieder
beruhender Zuweisungen („achievement“ ) eher
Forderungen nach einem Nichteingreifen oder
Rückzug des Wohlfahrtsstaates hervorruft
(GANGL 1997: 172 f.). Mit dieser Argumentati-
on unterstellt der Autor allerdings einen gesell-
schaftlichen Konsens im Sinne einer einmütigen
Befürwortung von Chancengleichheit und Lei-
stungsprinzip. Den Ausführungen in Kapitel 2
zu strukturellen und kulturellen Differenzierun-
gen von Gerechtigkeitsvorstellungen ist von
einem derartigen Konsens gerade nicht auszu-
gehen, weshalb der angenommene Zusammen-
hang zu hinterfragen ist.53 Zum anderen berück-
sichtigt GANGL die Wahrnehmung der gesamt-
wirtschaftlichen Lage als Determinante wohl-
fahrtsstaatlicher Einstellungen, wobei er zwei
gegensätzliche Mechanismen für denkbar hält.
Einerseits verbessert eine positive Wirtschafts-
lage aufgrund größerer finanzieller Ressourcen
des öffentlichen Sektors die „Realisierungsfä-
higkeit“ wohlfahrtsstaatlicher Maßnahmen, zum
anderen ist aus Sicht einer antizyklischen, key-
nesianisch orientierten Steuerung des Wirt-
schaftsgeschehens gerade in Rezessions- und
Depressionsphasen ein verstärktes wohlfahrts-
staatliches Engagement vonnöten (GANGL 1997:
173; vgl. SIHVO/UUSITALO 1995b). Dement-
sprechend kann die Wahrnehmung einer guten
(bzw. schlechten) gegenwärtigen wie zukünfti-
gen gesamtwirtschaftlichen Lage - beide Aspek-
te werden von Gangl berücksichtigt (vgl. An-
hang) - zu positiven oder negativen wohlfahrts-
staatlichen Einstellungen führen.
Kritisch anzumerken an dem Kausalmodell
GANGLs ist die Vernachlässigung der hier in
53 Beispielsweise würde die Wahrnehmung askriptiverStatuszuweisungsprozesse einen Befürworter eben solcher- auf welchen Merkmalen auch immer basierenden - Zu-schreibungen wohl kaum zu Forderungen nach einem(stärkeren) wohlfahrtsstaatlichen Engagement veranlassen,da in diesem Fall das „Sein“ und das „Sollen“ überein-stimmen.
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 44
Kapitel 3.4 thematisierten Interdependenzen
zwischen den verschiedenen Determinaten
wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen. Allerdings
steht der Autor mit diesem Manko keineswegs
alleine da, vielmehr existiert unseren Recher-
chen zufolge keine Arbeit zu Einstellungen zum
bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat, die ein den
Interdependenzen angemessenes Pfadmodell
verwendet. Positiv hervorzuheben ist, daß
GANGL zumindest auf dieses Problem aufmerk-
sam macht, indem er auf einschlägige interna-
tionale Arbeiten (z.B. HASENFELD/RAFFERTY
1989, KLUEGEL/SMITH 1986) verweist.
Aus Sicht der WME-Konzeptualisierung wohl-
fahrtsstaatlicher Einstellungen werden in der
Arbeit GANGLs mit der Extensität und der In-
tensität die beiden Subdimensionen der Ziele
des Wohlfahrtsstaates betrachtet. Als Extensi-
täts-Indikatoren verwendet der Autor - der sich
im übrigen explizit auf die in Kapitel 2.2 disku-
tierte Konzeptualisierung ROLLERs bezieht -
zwei Fragen nach der Zustimmung zu einer
staatlichen Sicherung des Existenzminimums
sowie einer staatlichen Verantwortung für Ar-
beitsplätze und Inflation. Als Intensitäts-
Indikator findet eine Frage nach der Präferenz
für eine Kürzung, Beibehaltung oder Auswei-
tung der gegenwärtigen Sozialleistungen Ver-
wendung (GANGL 1997: 203; vgl. Anhang).
Im Rahmen logistischer Regressionsanalysen
ermittelt GANGL für alle postulierten Determi-
nanten empirisch signifikante Einflüsse.54 Als
54 Die Anwendung des Verfahrens der logitischen Regres-sion dient der Konzentration auf die positiven und negati-ven Extreme wohlfahrtstaatlicher Einstellungen. GANGL
macht allerdings darauf aufmerksam, daß von ihm ebenfallsdurchgeführte, aber nicht dokumentierte OLS-Regressionsmodelle, die graduelle Einstellungsabstufungenberücksichtigen, zu inhaltlich entsprechenden Ergebnissengeführt haben (GANGL 1997: 184).
am bedeutsamsten für die Frage der Extensität,
also der Zuständigkeit des Staates für die Reali-
sierung sozio-ökonomischer Sicherheit und
sozio-ökonomischer Gleichheit als Ziele des
Wohlfahrtsstaates, erweisen sich nahezu
gleichauf Interessen- und Wertorientierungen,
denen mit deutlichem Abstand Wahrnehmungs-
und soziodemographische Variablen folgen.55
Anders die Ergebnisse zur Frage der Intensität,
also dem gewünschten Ausmaß der Realisierung
der genannten Ziele bei gegebener staatlicher
Zuständigkeit. Hier dominieren eindeutig die
soziodemographischen Variablen, gefolgt von
Wert- und Interessenorientierungen, während
die Wahrnehmungsvariablen noch einmal deut-
lich dahinterliegen (GANGL 1997: 186). Leider
umfaßt der Block der soziodemographischen
Variablen in GANGLs Analysen auch die Regi-
onszugehörigkeit, so daß der Einfluß einer do-
minanten Gerechtigkeitsideologie (Ansatz der
Kulturellen Integration) von Einflüssen diffe-
rentieller Sozialisationsmuster nicht auseinan-
derzuhalten ist. Allerdings weisen die geringen
Effekte der soziodemographischen Variablen in
nach Erhebungsgebieten getrennten Analysen,
die ebenfalls durchgeführt werden, auf eine
große Erklärungsleistung der Regionszugehö-
rigkeit und somit des Ansatzes der Kulturellen
Integration hin (GANGL 1997: 188).
Neben der Erklärungsleistung der verschiedenen
Variablenblöcke analysiert GANGL auch die
relative Bedeutung der konkreten Indikatoren.
Als besonders einflußreiche Variablen der In-
teressenorientierung erweisen sich - unabhängig
von der betrachteten Dimension wohlfahrts-
staatlicher Einstellungen - die Bildung, das 55 Quelle dieser Aussagen sind die Likelihood-Ratio-Testsund P2-Werte von Teilmodellen, die GANGL für jede Varia-blengruppe durchführt (GANGL 1997: 184 f.).
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
Seite 45
Haushaltseinkommen und die Klassenzugehö-
rigkeit: Ein hoher Ausbildungsstand, ein hohes
Einkommen und (berufliche) Selbständigkeit
führen zu einer generell geringeren Befürwor-
tung wohlfahrtsstaatlicher Ziele. Von geringerer
Bedeutung sind jeweils die Einschätzung der
gegenwärtigen und der zukünftigen persönli-
chen wirtschaftlichen Lage, während von der
Befürchtung des Stellen- oder Betriebsverlustes
überhaupt kein Effekt ausgeht. Bedarfs- und
Leistungsorientierung erweisen sich grundsätz-
lich als äußerst einflußreiche Variablen. Bei der
Parteipräferenz stellen sich CDU-, FDP- und
Republikaner-Anhänger als tendenzielle Gegner
des Wohlfahrtsstaates heraus. Von den Perzep-
tionsvariablen ist vor allem die subjektive Ein-
schätzung des sozialen Statuszuweisungsprozes-
ses von Bedeutung. Aus den etwas geringeren
Einflüssen der Einschätzung der gegenwärtigen
und zukünftigen wirtschaftlichen Lage der Bun-
desrepublik leitet GANGL eine antizyklische
Verbindung zwischen wohlfahrtsstaatlichem
Handeln und wirtschaftlicher Lage ab. Zwi-
schen West- und Ostdeutschen bestehen
schließlich deutliche Unterschiede in den Ein-
stellungen zum Wohlfahrtsstaat, die auch bei
Einbeziehung aller anderen erklärenden Varia-
blen nicht verschwinden. Darüber hinaus erwei-
sen sich Frauen und Jüngere als tendenzielle
Befürworter wohlfahrtsstaatlicher Maßnahmen.
Die Ergebnisse GANGLs zeigen, daß zumindest
im Hinblick auf die Aspekte der Extensität und
der Intensität die vom WME-Projekt postulier-
ten Determinanten eigenständige Einflüsse auf
wohlfahrtsstaatliche Einstellungen besitzen. Es
bleibt jedoch die Frage nach den Konsequenzen
der vom WME-Projekt angestrebten Verwen-
dung eines Kausalmodells mit weiteren Deter-
minanten und alternativen Operationalisierun-
gen für die Stabilität dieser Effekte.
4.2.2. ROLLER: „ Sozialpolitische Orientie-rungen nach der deutschen Vereini-gung“ (1997)
Im Mittelpunkt von ROLLERs Arbeit „Sozialpo-
litische Orientierungen nach der deutschen Ver-
einigung“ (ROLLER 1997) stehen die Ansätze
der „Sozialisation durch system-interne Struktu-
ren“ und der „Situationsspezifischen Reaktion“
(vgl. Schaubild 14).
Das ROLLERsche Modell der system-internen
Sozialisation entspricht dem kulturtheoretischen
Ansatz der Kulturellen Integration, da es auf die
Auswirkungen der Sozialisation in unterschied-
lichen Gesellschaftssystemen verweist (ROLLER
1997: 136).56 Allerdings berücksichtigt ROLLER
darüber hinaus mit dem Alter, dem Geschlecht
und der Bildung auch Indikatoren für den kul-
turtheoretischen Ansatz der Differentiellen So-
zialisation, wenn sie auch die zu erwartenden
Effekte auf wohlfahrtsstaatliche Einstellungen
nicht expliziert. Da alle drei Indikatoren zu-
gleich für Effekte im Sinne des Modells der
situationsspezifischen Reaktion57, also für sozio-
ökonomische Interessen, stehen, werden sie von
ROLLER - analog zum Vorgehen des WME-
Projektes - einem Block soziodemographischer
Variablen zugeordnet. Als genuine Interessen-
56 In einer unveröffentlichten Vorabversion ihres 1997er-Aufsatzes definiert ROLLER das Modell wie folgt: „Das [...]Modell der Sozialisation durch system-interne Strukturengeht davon aus, daß die grundlegenden institutionellenArrangements, in denen Individuen aufwachsen, die indi-viduellen Orientierungen bestimmen. Je länger die Indivi-duen mit bestimmten institutionellen Arrangements kon-frontiert sind, desto effektiver ist die Sozialisation in diedazu kongruente Kultur“ (ROLLER 1996b: 10).57 „Das [...] Modell der situationsspezifischen Reaktionunterstellt, daß [wohlfahrtsstaatliche, T.H.] Orientierungeneine unmittelbare Reaktion auf bestimmte Situationendarstellen, zum Beispiel auf soziale und ökonomischeUnsicherheit“ (ROLLER 1996b: 10).
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
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variablen, die nur Einflüsse im Sinne des Ansat-
zes der situationsspezifischen Reaktion messen,
betrachtet ROLLER die subjektiv wahrgenom-
mene gegenwärtige persönliche ökonomische
Lage, das Haushaltseinkommen sowie die Ab-
hängigkeit von Sozialleistungen. Letztere er-
mittelt sie über die Zugehörigkeit zur Gruppe
der Arbeitslosen, Kurzarbeiter und Rentner bzw.
Pensionäre. Als Indikator für den Ansatz der
Kulturellen Integration wird im Gegensatz zum
WME-Projekt nicht die Regionszugehörigkeit
(Ost-West-Variable) herangezogen, was auf
ROLLERs Stichprobenkonstruktion zurückzufüh-
ren ist. Aufgrund der im Rahmen dieses Ar-
beitspapieres bereits diskutierten Probleme bei
der Verwendung einer einzigen Stichprobe für
West- und Ostdeutsche und der Ermittlung von
Sozialisationseffekten anhand der Regionszuge-
hörigkeit (vgl. Kapitel 2.2), arbeitet ROLLER mit
zwei getrennten Stichproben (ROLLER 1996b:
28f.). Dadurch muß sie zwangsläufig eine alter-
native Spezifikation der Sozialisationsfaktoren
vornehmen. ROLLER löst dieses Problem, indem
sie mit den Sozialismus-Befürwortern und den
PDS-Anhängern zwei Gruppen identifiziert, für
die eine besonders erfolgreiche DDR-Sozia-
lisation unterstellt werden kann. Der entschei-
dende Nachteil der von ROLLER gewählten Vor-
gehensweise besteht darin, daß sie nur Unter-
schiede innerhalb der jeweiligen Stichprobe,
also innerhalb der West- oder der Ostdeutschen,
erklären kann, nicht jedoch Unterschiede zwi-
schen West- und Ostdeutschen (ROLLER 1996b:
28).
Ein grundsätzliches Manko der Arbeit ROLLERs
ist die knappe Indikatorenliste, die für die zu
testenden Erklärungsansätze vorgelegt wird.
Allerdings verweist die Autorin in diesem Zu-
sammenhang mehrmals auf die Restriktionen
des von ihr verwendeten Datensatzes, konkret
des ALLBUS 1994 (ROLLER 1997: 137 f.). Ein
zumindest aus Sicht des WME-Projektes weite-
res Manko, das sich jedoch durch ein abwei-
chendes Forschungsinteresse ROLLERs plausibel
erklären läßt und insofern nicht der Autorin
angelastet werden kann, ist der Verzicht auf
explizite Indikatoren für Gerechtigkeitsvorstel-
lungen im Rahmen des Kausalmodells ihrer
Arbeit.
Als zu erklärende Dimensionen wohlfahrts-
staatlicher Einstellungen werden von ROLLER
neben den Aspekten der Extensität und Intensi-
tät die intendierten Folgen, also das Ausmaß, in
dem die Ziele sozio-ökonomische Sicherheit
und sozio-ökonomische Gleichheit realisiert
worden sind, berücksichtigt. Da die ersten bei-
den Aspekte bereits in der Arbeit von GANGL
behandelt wurden und ROLLER diesbezüglich zu
weitestgehend vergleichbaren Ergebnissen ge-
langt58, beschränken sich die folgenden Ausfüh- 58 Als einzige Besonderheit der Ergebnisse ROLLERs ist zuerwähnen, daß die genuinen Interessenvariablen für dieStichprobe der Ostdeutschen keinerlei signifikante Effekteauf die Extensität des Wohlfahrtsstaates zeigen (ROLLER
1997: 139).
Schaubild 14: Kausalmodell von ROLLER (1997)
Einstellungen zumWohlfahrtsstaat
Sozialisation durchsystem-interne
Strukturen
Situations-spezifische
Reaktion
Soziodemographie
Quelle: Eigene Darstellung nach ROLLER (1997: 135 f.)
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
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rungen auf den letztgenannten Aspekt. Als Indi-
kator intendierter Folgen verwendet ROLLER
eine Frage nach der Zufriedenheit mit der per-
sönlichen Alterssicherung oder der Sicherung
vor Invalidität und im Krankheitsfall (ROLLER
1997: 133; vgl. Anhang).
Die von ROLLER durchgeführten Regressions-
analysen ergeben für sämtliche postulierte De-
terminanten signifikante Einflüsse auf die in-
tendierten Folgen des Wohlfahrtsstaates, aller-
dings beschränken sich diese teilweise auf die
West- oder Ost-Stichprobe, die ROLLER be-
kanntlich unterscheidet. In den neuen Bundes-
ländern erweist sich den Regressionskoeffizi-
enten zufolge das Modell der situationsspezifi-
schen Reaktion als am erklärungskräftigsten. Es
folgt mit deutlichem Abstand das Modell der
systeminternen Sozialisation, während von den
soziodemographischen Variablen überhaupt
keine Effekte ausgehen (ROLLER 1997: 139).
Bemerkenswerterweise sind für die signifikan-
ten Einflüsse jeweils einzelne Indikatoren ver-
antwortlich, zum einen die subjektiv wahrge-
nommene persönliche wirtschaftliche Lage und
zum anderen die PDS-Anhängerschaft. Ein ähn-
liches Phänomen ist in den alten Bundesländern
zu beobachten, wo allein von der (soziodemo-
graphischen) Altersvariable und, nur knapp
dahinter, der Interessenvariable der subjektiv
wahrgenommenen persönlichen wirtschaftlichen
Lage signifikante Effekte ausgehen. Sozialisati-
onsfaktoren erweisen sich dagegen hier als
gänzlich ohne Einfluß.
Die Ergebnisse ROLLERs zeigen auch für den
Aspekt der nicht-intendierten Folgen des Wohl-
fahrtsstaates die Relevanz der vom WME-
Projekt postulierten Determinanten. Allerdings
gilt wie im Falle der Arbeit GANGLs, daß der
Vergleichbarkeit des Kausalmodells mit dem
des WME-Projektes Grenzen gesetzt sind.
5. Schlußbetrachtung
Im Rahmen dieses Arbeitspapiers ist zum einen
ein umfassendes Modell zur Erklärung wohl-
fahrtsstaatlicher Einstellungen entwickelt wor-
den. Zum anderen wurde vor diesem Hinter-
grund der gegenwärtige Stand der Forschung
zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat beleuch-
tet, um einen ersten Eindruck von den empiri-
schen Dimensionen der Thematik zu bekom-
men.
Die im Anschluß an die Diskussion ausgewähl-
ter allgemeiner Definitionen des Wohlfahrts-
staates erfolgte Überprüfung von Konzeptuali-
sierungen wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen
durch die bisherige Forschung hat gezeigt, daß
hierzulande mit Ausnahme des Konzeptes von
ROLLER (1992, 1997) ein deutliches, angesichts
der großen allgemeinen Bedeutung der Thema-
tik aber umso überraschenderes Defizit an ana-
lytischen Konzepten existiert. Der hier entwik-
kelte Vorschlag greift das Konzept ROLLERs
auf, modifiziert es - als Resultat der Diskussion
verschiedener internationaler Arbeiten - aber
auch in einigen Punkten. Konkret werden vom
WME-Projekt mit den Zielen, den Mitteln, den
Folgen und der Finanzierung des Wohlfahrts-
staates vier Einstellungsdimensionen unter-
schieden, die wiederum in verschiedene Subdi-
mensionen zu unterteilen sind. Auf der Grund-
lage dieses Vorschlages scheint ein umfassende
Erhebung wohlfahrtsstaatlicher Einstelllungen
möglich.
Hinsichtlich der von der Forschung zu Einstel-
lungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
Seite 48
bisher getesteten Kausalmodelle haben sich
ebenfalls Probleme offenbart. So ist vor allem
eine Konzentration auf einige wenige Determi-
nanten wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen zu
konstatieren, darüber hinaus fehlt eine Diskus-
sion der fraglos existierenden Interdependenzen
zwischen einzelnen Determinanten hierzulande
völlig. Auch in diesem Punkt kann der Vor-
schlag des WME-Projektes einen kostruktiven
Beitrag leisten, da er zum einen mit Interessen-,
Sozialisations-, Wahrnehmungs- und Bewer-
tungsvariablen ein breites Determinantenspek-
trum berücksichtigt und zum anderen im Rah-
men eines Pfadmodells mögliche Interdepen-
denzen zwischen einzelnen Determinanten the-
matisiert.
Vor dem Hintergrund der beschriebenen kon-
zeptuellen Weiterentwicklungen überrascht es
nicht, daß die Ergebnisse der bisherigen For-
schung aus Sicht des WME-Projektes in einigen
Punkten lückenhaft sind. Inwieweit es gelingen
wird, diese Lücken zu schließen, ist angesichts
der Abhängigkeit des WME-Projektes von be-
reits existierendem Datenmaterial allerdings
fraglich.
Auf rein deskriptiver Ebene zeigen die vorlie-
genden Daten für das wiedervereinigte
Deutschland eine durchgehend hohe Zustim-
mung zu einer staatlichen Verantwortung für die
Realisierung der Ziele sozio-ökonomische Si-
cherheit und sozi-ökonomische Gleichheit, die
in den neuen Bundesländern sogar noch etwas
höher ausfällt als in den alten Bundesländern.
Auch im Hinblick auf das gewünschte Ausmaß
der Realisierung der beiden Ziele sind deutliche
Unterschiede zu registrieren. Während die
Westdeutschen tendenziell mit dem status quo
zufrieden sind, plädieren die Ostdeutschen eher
für eine Ausweitung des Wohlfahrtsstaates.
Mögliche Ursachen dieser Differenzen sind auf
der Ebene der Folgen des Wohlfahrtsstaates zu
finden, für die ebenfalls in ausreichendem Um-
fang Daten vorliegen. In den alten Bundeslän-
dern fällt die Zufriedenheit mit den beabsich-
tigten Folgen des Wohlfahrtsstaates wesentlich
höher aus als in den neuen Bundesländern, wäh-
rend sich die Situation für die unbeabsichtigten
Folgen genau umgekehrt darstellt. Für die Di-
mensionen der Mittel und der Finanzierung des
Wohlfahrtsstaates liegen dagegen kaum veröf-
fentlichte Zahlen vor, so daß für Aussagen zu
diesen Aspekten die Datenrecherchen und -ana-
lysen des WME-Projektes abzuwarten bleiben.
In der Frage der Erklärung wohlfahrtsstaatlicher
Einstellungen haben sich schließlich die vom
WME-Projekt postulierten Determinanten inso-
fern bewährt, als sie in den hier diskutierten
Arbeiten statistische Signifikanz erlangt haben,
wenn auch bisweilen beschränkt auf einzelne
Indikatoren. Für weitergehende Aussagen sind
allerdings auch in diesem Punkt die eigenen
Analysen des WME-Projektes abzuwarten, da
die zum Teil erheblichen Unterschiede zwischen
den Kausalmodellen nur sehr begrenzte Schlüs-
se zulassen.
Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
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WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
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Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2
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Anhang
a) GANGL (1997)
Abhängige Variablen:
Extensität (global)Staatliche Sicherung des Existenzminimums„Der Staat muß dafür sorgen, daß man bei Krankheit,Not, Arbeitslosigkeit und im Alter ein gutes Aus-kommen hat“
Staatliche Verantwortung für Arbeitsplätze und In-flation„Der Staat muß dafür sorgen, daß jeder Arbeit hatund die Preise stabil bleiben, auch wenn die Freihei-ten der Unternehmer eingeschränkt werden müssen“
Intensität (global)Ausweitung/Abbau des bestehenden Sozialsystems„Sollten die Sozialleistungen in Zukunft ausgeweitetwerden oder sollte es so bleiben, wie es ist, odersollte man die Sozialleistungen kürzen“
Unabhängige Variablen:
Interessenor ientierungenErwerbsstatus
Bildungsjahre (Zahl der Schuljahre + Regeldauer derweiteren Berufsausbildung bzw. des Studiums)
Klassenzugehörigkeit (GOLDTHORPE-Klassenschema)
Netto-Haushaltseinkommen
Einschätzung der gegenwärtige persönlichen wirt-schaftliche Lage
Einschätzung der zukünftige persönlichen wirt-schaftlichen Lage
Befürchtung des Stellen- oder Betriebsverlustes
Wertor ientierungenBedarfs- vs. Leistungsorientierung„Das Einkommen sollte sich nicht allein nach derLeistung jedes einzelnen richten. Vielmehr solltejeder das haben, was er mit seiner Familie für einanständiges Leben braucht“„Nur wenn die Unterschiede im Einkommen und imsozialen Ansehen groß genug sind, gibt es auch einenAnreiz für persönliche Leistungen“„Die Rangunterschiede zwischen den Menschen sindgerecht, weil sie im wesentlichen ausdrücken, wasman aus den Chancen, die man hatte, gemacht hat“
Parteipräferenz
(Fortsetzung siehe folgende Seite)
WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien
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Perzeptionen/Restr iktionenSozial selektive Statuszuweisung„ In Deutschland bestehen noch die alten Gegensätzezwischen Besitzenden und Arbeitenden. Die persön-liche Stellung hängt davon ab, ob man zu der oberenoder unteren Klasse gehört“„ In Deutschland gibt es noch große Unterschiedezwischen den sozialen Schichten, und was man imLeben erreichen kann, hängt im wesentlichen davonab, aus welchem Elternhaus man kommt“„Deutschland ist eine offene Gesellschaft. Was manim Leben erreicht, hängt nicht mehr vom Elternhausab, aus dem man kommt, sondern von den Fähigkei-ten, die man hat, und der Bildung, die man erwirbt“
Einschätzung der gegenwärtigen wirtschaftlichenLage der Bundesrepublik
Einschätzung der zukünftigen wirtschaftlichen Lageder Bundesrepublik
DemographieGeschlecht
Alter
Staatsangehörigkeit
Erhebungsgebiet (Wets/Ost)
Datensatz:
ALLBUS 1994
b) ROLLER (1997)
Abhängige Variablen:
Extensität (global)Leistungs- vs. Bedürfnisprinzip a, b, c
„Das Einkommen sollte sich nicht allein nach derLeistung jedes einzelnen richten. Vielmehr solltejeder das haben, was er mit seiner Familie für einanständiges Leben braucht“
„Gesellschaft, in der man leben möchte ...“„Eine Gesellschaft, in der der Lebensstandard deseinzelnen in erster Linie von seiner Leistung ab-hängt“ vs. „Eine Gesellschaft, die dem einzelneneinen gewissen Lebensstandard sichert, auch wenn erweniger leistet“
Extensität (bereichsspezifisch)Einkommenssicherung a, b, c
„Gesellschaft, in der man leben möchte ...“„Eine Gesellschaft, in der der einzelne Bürger eherselbst für Alter und Krankheit vorsorgt“vs. „Eine Gesellschaft, in der der Staat die Vorsorgefür Alter und Krankheit des einzelnen übernimmt“
„Der Staat muß dafür sorgen, daß man auch beiKrankheit, Not, Arbeitslosigkeit und im Alter ein
gutes Auskommen hat“
Zuständigkeit für verschiedene Aufgabenbereiche d, e
(1-5: Ziele sozio-ökonomischer Sicherheit; 6-7: Zielesozio-ökonomischer Gleichheit)
„Der Staat sollte verantwortlich sein für ...
1) die gesundheitliche Versorgung für Kranke,2) einen angemessenen Lebensstandard für alte
Menschen,3) einen angemessenen Lebensstandard für Arbeits-
lose,4) eine angemessene Wohnung für diejenigen, die es
sich finanziell nicht leisten können5) eine Arbeitsplatzgarantie,6) die finanzielle Unterstützung für Studenten aus
einkommensschwachen Familien,7) den Abbau der Einkommensunterschiede“
Intensität (global)Ausweitung vs. Kürzung der Sozialleistungen b
„Die Sozialleistungen sollten ausgeweitet werden/sobleiben wie bisher/in Zukunft gekürzt werden“
Intendier te FolgenBeurteilung der intendierten Folgen des Sozialstaa-tes b, f
„Wie ist es mit Ihrer persönlichen Alterssicherungoder Sicherung vor Invalidität und im Krankheitsfall?Fühlen Sie sich ausreichend oder nicht ausreichendgesichert?“„Wenn Sie an die Zeit in der DDR vor der Wendedenken. Geht es Ihnen dann heute in bezug auf ihresoziale Sicherheit besser als damals/kein Unter-schied/schlechter als damals?“
Nicht-intendier te NebenfolgenWahrgenommener Umfang des Mißbrauchs vonSozialleistungen f
„Es gibt bei uns einen Mißbrauch von Sozialleistun-gen wie z.B. Arbeitslosengeld und Sozialhilfe in sehrgroßem Umfang/in großem Umfang/in nicht so gro-ßem Umfang/fast überhaupt nicht“
Unabhängige Variablen:
SozialisationSozialismus-Befürwortung
Parteianhängerschaft
Stuationsspezifische ReaktionPersönliche wirtschaftliche Lage
Abhängigkeit von Sozialleistungen
Haushaltseinkommen
(Fortsetzung siehe folgende Seite)