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614 KLINISCHE WOCHENSCH beriicksichtigen, dab eine prothetische Versorgung der Htift- exartikulierten nut sehr unvollkommen m6gIich ist. Es ge- h6rt darum in gewissem Sinne zur konservativ-chirurgischen Behandlung der hfiftgelenksnahen Temursarkome ein Ver- fahren, das SAUERBR~CH erdacht und Ms ,,Umkipplastik" bezeichnet hat. Dabei wird der ganze Oberschenkelknochen geopfert und durch die gestielt transplantierte Tibia ersetzt. Die Operation vollzieht sich so, dab man den erkrankten Femur zun~ichst in der Hiifte, dann im Knie- gelenk ausl6st. Es bleibt ein Hautschlauch zuriick, der neben der Muskulatur noch die groBen Gef~Be und den N. ischiadicus enth~ilt und an dessen un- terem Ende der gesunde Unterschenkel h~ingt. Jetzt sch~lt man yon der Vorderfl~iche des Unter- schenkels die Haut ab, 16st den TuB im Talocru- ralgelenk aus und dreht den Unterschenkel -- mit dem Kniegelenk als Fix- punkt -- um 18o ~ der- art, dab das untere Ende des Schienbeins in die Hfiftpfanne zu liegen kommt. Auf diese Weise ge- lingt es trotz Exstirpation des ganzen erkrankten Oberschenkels, anato- Abb. 7. Spiitzustand nach ,,UmMpplastik" mische Verh~iltnisse zu (SAUERBRUCH). Der FuSgelenktefl des schaffen, die im funk- Schienbeines ist beweglich im Bereich der Hffft- tionellen Ergebnis einer pfanne zur Einheilung gekommen. Kniegelenksamputation gleichkommen. Das neue, gestielt transplantierte Glied wird vollkommen funktions- tiichtig. Die Operierten erlangen eine fiberraschende Beweg- liehkeit im Hiiftgelenk; sie k6nnen mit ihrer Kniegelenks- prothese frei nnd ohne Stock gehen. Besonders bemerkenswert ist die Anpassungsf~higkeit des Knochens an die ver~inderte Funktion. Im Laufe einiger Jahre gewinnt der in die Hfifte eingeffigte Ful3gelenksteil des Schienbeins eine dem normalen Oberschenkelkopf ~hnliche Gestalt (Abb. 7). ZUR DIFFERENTIALDIAGNOSTIK ABDOMI- NELLER BESCHWERDEN BEI GRIPPE. Von W. WAC~SMUTm Aus der Chirurgischen Universlt~itsklinik Bonn (Direktor : Prof. E, Frhr. v. REDWITZ). Das Auftreten yon lokalen Krankheitserscheinungen im Unterbauch, die weitgehend dem 13ilde der akuten Appen- dicitis entsprechen und zu Beginn oder im weiteren Verlaufe yon Grippeerkrankungen auftreten, ist aus frfiheren Grippe- epidemien wohlbekannt. In einer frfiheren Arbeit 1 konnte ich anliiBlich der Epidemie des Jahres 1929 eine Anzahl yon FAllen mitteilen, bei denen wir uns auf Grund der Vor- geschichte und der genauen klinischen Untersuchung nicht zum operativen Eingriff entschlossen, obwohl die unter der Diagnose Appendicitis eingelieferten Patienten ein dieser Erkrankung sehr ~ihnliches Bild boten. Wit lehnten diese Diagnose ab, operierten nicht, und der weitere Verlauf hat uns recht gegeben. Nut in einem gleichgelagerten Talle wurde der Wurmfortsatz entfernt und nnver~indert gefunden. Dif- ferentialdiagnostisch verwertbar gegentiber der Appendicitis waren Vorgeschichte, kurzer Verlauf mit baldigem i]lber- gehen in manifeste Grippe, relative Leukopenie oder fehlende Leukocytose, auBer bei den T~illen, wo eine anderweitige RIFT. 12. J A H R G A N G . Nr. 16 22. APRIL ~933 schwere Entziindung im Vordergrund stand, und Iehlende Muskelspannung bei ausgesprochener Druckempfindlichkeit in der Appendixgegend. fl~hnliche Erscheinungen sind schon bei friiheren Epidemien gefunden worden. Die Literatur ist in obiger Arbeit an- gefiihrt. Meine Beobachtungen sind yon t~RECKE 2 sp~ter best~tigt worden. Auch er weist darauf hin, dab diese Kranken durch einen Eingriff leicht geschXdigt werden k6nnen, da man durch die Narkose die katarrhalischen Erscheinungen versehlim- mert. Daher mfisse der Chirurg unbedingt auf strenger Ope- rationsanzeige bestehen. SBIFERT~ hat kfirzlich 16 FAlle yon Angina und Grippe mitgeteilt, bei denen meist unter der Annahme einer Begleit- appendicitis operiert und jedesmal ein gesunder Wurm- fortsatz entfernt wurde. Er glaubt, dab an der Wfirzburger Klinik ein grol3er Tell der von mir mitgeteilten I~ranken mit Recht doch operiert worden w~re, da fehlende Bauchdecken- spannung nicht verl~131ich gegen Appendicitis spreche, was selbstverst~ndlich auch nicht behauptet worden war. Natiir- lich steht auch die Bonner Klinik auf dem Standpunkt, dab in ZweifelsfMlen die Laparotomie die Diagnose sichern muB, weft eine unn6tige Operation noch immer ein Meineres Obel ist als eine iibersehene Appendicitis. Wie ich aber schon damals an unseremMaterial zeigen konnte, gelingt es eben, durch genaue Untersuchung die Indikationsstellung so ein- zuschr~nken, dab nur ein verschwindend kleiner Tell iMsch- licherweise zur Operation kommt. Unser Bestreben mul3 also darauf gerichtet sein, die Differentialdiagnostik in diesen F~llen welter auszubauen, um den fiir Grippekranke nicht gleichgfiltigen t~ingriff vermeiden zu k6nnen. Hierzu gab uns eine Anzahl ktirzlich beobachteter F~lle Gelegenheit. Es handelt sich nm vier yore Hausarzt wegen akuter Appendicitis eingewiesene Patienten, die iibereinstimmend fiber Schmerzen im rechten Unterleib klagten. Zwei yon ihnen waren akut an diesen Schmerzen erkrankt, yon ihnen hatte einer erbrochen. Sie hatten beide bei der Aufnahme eine deutliche Bronchitis und Zeichen einer Allgemein- infektion. Sehr ausgesprochen war bei beiden die nmschriebene starke Druekschmerzhaftigkeit im rechten Unterbanch, bei dem einen fehlte die Muskelspannnng, bei dem anderen war sie ge- ringgradig vorhanden. Temperaturen lagen zwischen 38 und 4 ~ ~ Die 2 anderen Patienten waren im AnschluB an eine schon mehrere Tage bestehende Grippe an Schmerzen im rechten Unterbauch erkrankt. Sie verspfirten vor allen Dingen beim Hnsten starke Schmerzen. Auch hier bestand deutlicher Druckschmerz in dieser Gegend, bei dem einen vorzugsweise auf den ~ui3eren Rectusrand beschr~nkt. 13ei letzterem bestand sehr starke Muskelspannung, bei dem ersteren war der Leib ganz welch. Bei beiden war das Fieber zur Zeit der Aufnahme bereits abgeMungen. l)bereinstimmend zeigten die 4 Patienten ein sehr typisches t31utbild. Leukocytose war in keinem Tall vorhanden. Die Leukocytenwerte lagen zwischen 4ooo und 89oo. Die Anzahl der PolynucleXren betrug zwischen 37 nnd 61%, die Lympho- cyten waren in jedem Fall ganz wesentlich erh6ht. Sie mach- ten zwischen 34 und 62 % aus. Mehrfache IZontrollen an aufeinanderfolgenden Tagen ergaben stets das gleiche Bild. Unter klinischer Beobachtung gingen die Beschwerden in kurzem zurtick, und naeh Abklingen der Allgemein- und Lungenerscheinungen konnten die Patienten entlassen werden. Einige in der Klinik beobachtete Fiille yon interkurrenter Grippe, yon denen zur Kontrolle gleichfalls fortlanfend ein Blntbild angefertigt wurde, zeigten dieselben Ver~nderungen: relative Leukopenie und ausgesprochene Lymphocytose (zwischen 41 und 65 %). Die zum Vergleich angefertigten Blutbilder yon akuten Appendicitiden, die w~ihrend dieser Tage in die Klinik kamen und operativ best~itigt wurden, ergaben v611ig andere u h~iltnisse. Es bestand hier deutlich eine ausgesprochene Leukocytose (zwischen 124oo und 15 ooo), Polynucleose (zwisehen 76 und 83 %) nnd keine Vermehrung der Lympho- eyten (io--2i %), so wie es ffir die Appendicitis im allgemeinen typisch ist.

Zur Differentialdiagnostik Abdomineller Beschwerden bei Grippe

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Page 1: Zur Differentialdiagnostik Abdomineller Beschwerden bei Grippe

614 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

beriicksichtigen, dab eine prothetische Versorgung der Htift- exartikulierten nut sehr unvollkommen m6gIich ist. Es ge- h6rt darum in gewissem Sinne zur konservativ-chirurgischen Behandlung der hfiftgelenksnahen Temursarkome ein Ver- fahren, das SAUERBR~CH erdacht und Ms ,,Umkipplastik" bezeichnet hat. Dabei wird der ganze Oberschenkelknochen geopfert und durch die gestielt transplantierte Tibia ersetzt. Die Operation vollzieht sich so, dab man den erkrankten

Femur zun~ichst in der Hiifte, dann im K n i e - gelenk ausl6st. Es bleibt ein Hautschlauch zuriick, der neben der Muskulatur noch die groBen Gef~Be und den N. ischiadicus enth~ilt und an dessen un- terem Ende der gesunde Unterschenkel h~ingt. Jetzt sch~lt man yon der Vorderfl~iche des Unter- schenkels die Haut ab, 16st den TuB im Talocru- ralgelenk aus und dreht den Unterschenkel - - mit dem Kniegelenk als Fix- punkt - - um 18o ~ der- art, dab das untere Ende des Schienbeins in die Hfiftpfanne zu liegen kommt.

Auf diese Weise ge- lingt es trotz Exstirpation des ganzen erkrankten Oberschenkels, anato-

Abb. 7. Spiitzustand nach ,,UmMpplastik" mische Verh~iltnisse zu (SAUERBRUCH). Der FuSgelenktefl des schaffen, die im funk- Schienbeines ist beweglich im Bereich der Hffft- tionellen Ergebnis einer

pfanne zur Einheilung gekommen. Kniegelenksamputation

gleichkommen. Das neue, gestielt transplantierte Glied wird vollkommen funktions- tiichtig. Die Operierten erlangen eine fiberraschende Beweg- liehkeit im Hiiftgelenk; sie k6nnen mit ihrer Kniegelenks- prothese frei nnd ohne Stock gehen.

Besonders bemerkenswert ist die Anpassungsf~higkeit des Knochens an die ver~inderte Funktion. Im Laufe einiger Jahre gewinnt der in die Hfifte eingeffigte Ful3gelenksteil des Schienbeins eine dem normalen Oberschenkelkopf ~hnliche Gestalt (Abb. 7).

ZUR DIFFERENTIALDIAGNOSTIK ABDOMI- NELLER BESCHWERDEN BEI GRIPPE.

V o n

W. WAC~SMUTm Aus der Chirurgischen Universlt~itsklinik Bonn (Direktor : Prof. E, Frhr. v. REDWITZ).

Das Auftreten yon lokalen Krankheitserscheinungen im Unterbauch, die weitgehend dem 13ilde der akuten Appen- dicitis entsprechen und zu Beginn oder im weiteren Verlaufe yon Grippeerkrankungen auftreten, ist aus frfiheren Grippe- epidemien wohlbekannt. In einer frfiheren Arbeit 1 konnte ich anliiBlich der Epidemie des Jahres 1929 eine Anzahl yon FAllen mitteilen, bei denen wir uns auf Grund der Vor- geschichte und der genauen klinischen Untersuchung nicht zum operativen Eingriff entschlossen, obwohl die unter der Diagnose Appendicitis eingelieferten Patienten ein dieser Erkrankung sehr ~ihnliches Bild boten. Wit lehnten diese Diagnose ab, operierten nicht, und der weitere Verlauf hat uns recht gegeben. Nut in einem gleichgelagerten Talle wurde der Wurmfortsatz entfernt und nnver~indert gefunden. Dif- ferentialdiagnostisch verwertbar gegentiber der Appendicitis waren Vorgeschichte, kurzer Verlauf mit baldigem i]lber- gehen in manifeste Grippe, relative Leukopenie oder fehlende Leukocytose, auBer bei den T~illen, wo eine anderweitige

R I F T . 12. J A H R G A N G . Nr. 16 22. APRIL ~933

schwere Entzi indung im Vordergrund stand, und Iehlende Muskelspannung bei ausgesprochener Druckempfindlichkeit in der Appendixgegend.

fl~hnliche Erscheinungen sind schon bei friiheren Epidemien gefunden worden. Die Literatur ist in obiger Arbeit an- gefiihrt.

Meine Beobachtungen sind yon t~RECKE 2 sp~ter best~tigt worden. Auch er weist darauf hin, dab diese Kranken durch einen Eingriff leicht geschXdigt werden k6nnen, da man durch die Narkose die katarrhalischen Erscheinungen versehlim- mert. Daher mfisse der Chirurg unbedingt auf strenger Ope- rationsanzeige bestehen.

SBIFERT~ hat kfirzlich 16 FAlle yon Angina und Grippe mitgeteilt, bei denen meist unter der Annahme einer Begleit- appendicitis operiert und jedesmal ein gesunder Wurm- fortsatz entfernt wurde. Er glaubt, dab an der Wfirzburger Klinik ein grol3er Tell der von mir mitgeteilten I~ranken mit Recht doch operiert worden w~re, da fehlende Bauchdecken- spannung nicht verl~131ich gegen Appendicitis spreche, was selbstverst~ndlich auch nicht behauptet worden war. Natiir- lich steht auch die Bonner Klinik auf dem Standpunkt, dab in ZweifelsfMlen die Laparotomie die Diagnose sichern muB, weft eine unn6tige Operation noch immer ein Meineres Obel ist als eine iibersehene Appendicitis. Wie ich aber schon damals an unseremMaterial zeigen konnte, gelingt es eben, durch genaue Untersuchung die Indikationsstellung so ein- zuschr~nken, dab nur ein verschwindend kleiner Tell iMsch- licherweise zur Operation kommt. Unser Bestreben mul3 also darauf gerichtet sein, die Differentialdiagnostik in diesen F~llen welter auszubauen, um den fiir Grippekranke nicht gleichgfiltigen t~ingriff vermeiden zu k6nnen. Hierzu gab uns eine Anzahl ktirzlich beobachteter F~lle Gelegenheit.

Es handelt sich nm vier yore Hausarzt wegen akuter Appendicitis eingewiesene Patienten, die iibereinstimmend fiber Schmerzen im rechten Unterleib klagten. Zwei yon ihnen waren akut an diesen Schmerzen erkrankt, yon ihnen hatte einer erbrochen. Sie hat ten beide bei der Aufnahme eine deutliche Bronchitis und Zeichen einer Allgemein- infektion. Sehr ausgesprochen war bei beiden die nmschriebene starke Druekschmerzhaftigkeit im rechten Unterbanch, bei dem einen fehlte die Muskelspannnng, bei dem anderen war sie ge- ringgradig vorhanden. Temperaturen lagen zwischen 38 und 4 ~ ~

Die 2 anderen Pat ienten waren im AnschluB an eine schon mehrere Tage bestehende Grippe an Schmerzen im rechten Unterbauch erkrankt. Sie verspfirten vor allen Dingen beim Hnsten starke Schmerzen. Auch hier bestand deutlicher Druckschmerz in dieser Gegend, bei dem einen vorzugsweise auf den ~ui3eren Rectusrand beschr~nkt. 13ei letzterem bestand sehr starke Muskelspannung, bei dem ersteren war der Leib ganz welch. Bei beiden war das Fieber zur Zeit der Aufnahme bereits abgeMungen.

l)bereinstimmend zeigten die 4 Patienten ein sehr typisches t31utbild. Leukocytose war in keinem Tall vorhanden. Die Leukocytenwerte lagen zwischen 4ooo und 89oo. Die Anzahl der PolynucleXren betrug zwischen 37 nnd 61%, die Lympho- cyten waren in jedem Fall ganz wesentlich erh6ht. Sie mach- ten zwischen 34 und 62 % aus. Mehrfache IZontrollen an aufeinanderfolgenden Tagen ergaben stets das gleiche Bild.

Unter klinischer Beobachtung gingen die Beschwerden in kurzem zurtick, und naeh Abklingen der Allgemein- und Lungenerscheinungen konnten die Pat ienten entlassen werden.

Einige in der Klinik beobachtete Fiille yon interkurrenter Grippe, yon denen zur Kontrolle gleichfalls fortlanfend ein Blntbild angefertigt wurde, zeigten dieselben Ver~nderungen: relative Leukopenie und ausgesprochene Lymphocytose (zwischen 41 und 65 %).

Die zum Vergleich angefertigten Blutbilder yon akuten Appendicitiden, die w~ihrend dieser Tage in die Klinik kamen und operativ best~itigt wurden, ergaben v611ig andere u h~iltnisse. Es bestand hier deutlich eine ausgesprochene Leukocytose (zwischen 124oo und 15 ooo), Polynucleose (zwisehen 76 und 83 %) nnd keine Vermehrung der Lympho- eyten ( i o - -2 i %), so wie es ffir die Appendicitis im allgemeinen typisch ist.

Page 2: Zur Differentialdiagnostik Abdomineller Beschwerden bei Grippe

22. APRIL 1933 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 12. J A H R G A N G . Nr. 16 615

Es kann also keinem Zweifel unterliegen, dab man aus dem Blutbild immerhin weitgehende Schltisse zu ziehen be- rechtigt ist.

Die Frage nach der Ursache der abdominellen Beschwerden bei entzfindlichen Lungenprozessen ist viel er6rtert worden. Ich kann an dieser Stelle nicht auf die zahlreichen Erkl~trungs- versuche eingehen und mug auf die einschl~gige Literatur verweisen. Ieh m6chte mich bier auf die beiden meines Erachtens wichtigsten beschr~nken, die zur Erkl~rung un- serer 4 F~lle ausreiehen, die Neuralgien im Gebiete des i i . und 12. Intercostalnerven nnd des Ileoinguinalis und Ileohypogastricus einerseits, Blutungen in die Bauchmusku- latur, insbesondere in den IV[. rectus infolge des starken Hustens andererseits. Die letzteren sind ja sehr hXufig autoptisch nachgewiesen worden. Ffir die 2 ersten unserer 4 erw~hnten F~lle, bei denen die abdominellen Beschwerden als Prodromalsymptome auftraten, m6chte ich Neuralgien, fir die beiden letzteren, bei denen erst im AnschluI3 an den Husten die Schmerzen anftraten, m6chte ich derartige Blutungen in die Muskulatur annehmen.

Es erhob sieh nun die Frage, ob man diese sich in der Bauchwand abspielenden Prozesse nicht einwandfrei von Prozessen innerhalb der Bauchh6hle trennen k6nne. Dies wfirde einerseits eine urs~tchliche Erkl~rung der Beschwerden erm6gliehen, andererseits uns in der Differentialdiagnostik wesentlich weiterbringen.

Der parietale Teil des Bauchfelles, ebenso wie die Bauch- muskulatur, werden dutch die Nn. intercostales und ileo- inguinales bzw. ileohypogastrici versorg t Durch die in der Axillarlinie yon der 8. Rippe bis zum Darmbeinkamm aus- geffihrte Leitungsunterbrechung erh~lt man v611ige Bauch- deckenan~sthesie unterhalb des Nabels. Es mug also durch sie gelingen, derartige spontane Beschwerden ebenso wie den Druckschmerz zum Verschwinden zu bringen, wenn sie in den Bauchdecken lokalisiert sind, andererseits wird ein EinfluB auf die Druckschmerzhaffigkeit in der Tiefe nicht start- linden. Da der Schmerz bei der Appendicitis auf dem Wege fiber den Splanchnicus und die Rami communicantes ge- leitet wird, so ist eine An~tsthesierung bei der Appendicitis nur durch die paravertebrale Unterbrechung der Rami com- municantes m6glich, wie sie LAEWEN, KAPPIS u.a. teilweise auch aus diagnostischen Grtinden ausffihren.

Die Verwertbarkeit der Banchdeckenan~tsthesie ffir die Diagnostik lieB sich bei uns best~figen.

Eine unter der Diagnose Appendicitis eingelieferte Patien- tin, die fiber starke Schmerzen im Unterbauch klagte, welche vor allem beim Husten im AnschluB an eine Grippe auf- getreten seien nnd deren oben erw/ihnter 2Blutbefund ffir Grippe sprach, hat te einen deutlichen Druckschmerz, der vorwiegend auf den Rectus besehr~nkt war. Ich ffihrte die Leitungsan/~sthesie, wie beschrieben, aus und erzielte so- fortige Beseitigung des Spontan- und Druckschmerzes. Auch die ]3auchdeckenspannung war behoben. Dieser Zustand hielt den Nachmit tag fiber an, und die Patientin erkl/~rte, anch beim starken Husten v611ig beschwerdefrei zu sein. Am nAchsten Morgen war der Befund wieder wie vor der In- j ektion.

Dieses Untersuehungsergebnis gab ffir die Ablehnung der Operationsanzeige den Ausschlag. Die t3eschwerden bildeten sieh dann langsam zurtick, und die Patientin konnte be- schwerdefrei entlassen werden.

Zum Vergleich wurde bei mehreren F~tllen yon akuter Appendicitis vor der Operation die Leitungsan~sthesie in gleicher Weise ausgeffihrt. Die Bauchdeckenspannung war in diesen F/illen naeh Ausffihrung der Injektionen vielleicht etwas geringer. Ein deutlicher Unterschied lieI3 sich jeden- falls nicht nachweisen. Der Druckschmerz in der Tiefe war stets v611ig nnver/~ndert, und dies gibt ffir die erhaltene Muskelspannung wohl eine genfigende Erkl~Lrung.

DaB bei s/~mtlichen untersuchten FXllen die Wirksamkeit der Injektionen dutch den Nachweis der v611igen AnXsthesie bestXtigt wurde, ist selbstverst~tndlich.

Zusammen]assung: I. Auch bei der diesj/~hrigen Grippe- epidemie wurde wieder das Auftreten yon abdominellen Be-

schwerden beobachtet, die teils zu Beginn, teils im Verlaufe der Grippe auftraten. Das Krankheitsbild ~hnelt der Appen- dicitis.

2. lYbereinstimmend wurde bei diesen F&llen, ebenso wie bei anderen ohne abdominelle Erscheinungen verlaufenden GrippefXllen, ein typisches Blutbild gefunden. Es bestand keine Lenkocytose, dagegen sehr starke relative Lympho- cytose. Kontrolluntersuchungen an gleichzeitig eingelieferten FMlen von akuter Appendicitis ergaben stets das typische Bild mit Leukocytose und Polynucleose.

3. Durch Leitungsan~sthesie der Bauchdecken: lassen sich die Beschwerden beseitigen, soweit sie auf Neuralgien 0der Besch~digungen der Muskulatur beruhen, w i e sie bei ent- zfindlichen Lungenprozessen beschrieben sind. Bei der akuten Appendicitis werden die 13eschwerden hierdurch nicht ver- Xndert, da weder die Schmerzleitung des visceralen Per i - toneums, der Splanchnicus, noch d ie Rami c0mmunicantes beeintr~chtigt sind.

4. Jeder Eingriff ist bei Grippekranken mit der Gefahr yon Komplikationen verbunden. Vor einer Operation sind also alle diagnostischen Hilfsmittel zu ersch6pfen, da es er- fahrungsgem~B gelingt, die Anzahl der unn6tigen Eingriffe wesentlich einzuschr~nken.

L i t e r a t u r : 1 Mflnch. reed. Wschr. 76, 792 (1929). -- ~ Mfinch. reed. Wschr. 76, 1969 (1929). -- s Nitinch. reed. Wschr. 80, 2I 5 (1933)-

HYPOPHYSENVORDERLAPPEN UND SCHILD- DRUSE.

Die Wirkung der thyreotropen Substanz des Hypophysen- vorderlappens auf die Schilddrfise in vitro.

Von HERMANN EITEL, HANS ADOLF KREBS,

Chirurgische Universit/~tsklinik (Direktor: Medizin. Universit~tsklinik (Dir. : Prof. Prof. Dr. E. REHN). Dr. reed. et phil. S. J. THANNHAUSER).

ARNOLD LOESER, Pharmakolog. Institut der Universit~it (Direktor: Prof. Dr. S. JANSSEN) Freiburg i. B.

ES darf als bewiesen gelten, dab die Vorg~nge innerhalb der Schilddrfise in weitestem AusmaSe durch die sekretorische T~tigkeit des Hypophysenvorderlappens mitbest immt werden. Nach Arbeiten von LOEB 1, ARON 2, JANSSEN und LOESER a U. a. enth~lt der Vorderlappen der Hypophyse einen Stoff, der nach parenteraler Zufuhr in der Schilddrfise das morpho- logische Bild einer Hyperthyreose erzengt (vermehrte Durch- blutung, Erh6hung des Epithels, Schwinden des f~rbbaren Kolloids). 2r der anatomischen Umformung treten gleich- zeitig Erscheinungen auf, die nicht mehr direkt auf die thyreo- trope Substanz zu beziehen, sondern als Folge der durch die Hypophysenzufuhr bedingten Mehrproduktion yon Schild- drfiseninkret aufzufassen sind. Es sind dieselben Ver~nde- rungen4, die das bekannte Symptomenbild der Hyperthyreose ausmachen (Steigerung des Grundumsatzes, Glykogenver- armnng der Leber, Exophthalmns, Tremor, Vergr6Berung der Nebenniere~) und die wir auch dutch Schilddrfisenverffitte- rung oder Injekfion im Experiment jederzeit reproduzieren k6nnen. Sie sind daher an die Gegenwart der Thyreoidea ge- bunden und bleiben aus, wenn das Organ entfernt wird.

Der Angriffspunkt der thyreotropen Substanz liegt in der Schilddrfise. Es ist bisher aber noch nicht gekl~rt, ob ihre Wirkung auf die Thyreoidea eine direkte ist oder ob es sich nm einen komplizierteren Vorgang handelt, an dem viel- leicht das Nervensystem oder weitere endokrine Drfisen be- teiligt sind.

Zur Entscheidung dieser Frage haben wir fiberlebendes Schilddrfisengewebe in vitro direkt mit der thyreotropen Sub- stanz znsammengebracht und untersucht, ob die charakte- ristischen histologischen VerXnderungen, die im Gesamttier in der Schilddrfise auftreten, auch in vitro erscheinen. Um die Thyreoidea in vitro fiberlebend zu erhalten, wurden nach WARBURG O,2--O,3 mm dfinne Rasiermesserschnitte her- gestellt und die Schnitte in sauerstoffges'~tttigtem Serum be- wegt.