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o. SEPTEMBER x98o krankungen vernachl~ssigt oder auBer acht gelassen werden kann. Der erste Fall war bereits 6 Monate krank, als wit mit der Diathermie begannen. Die anf~nglich auI die unteren Extremi- t~ten beschr~nkten in ihrer Intensit~t schwankende Parese ergriff nach einem interkurrenten fieberhaften TrozeB auch die oberen Extremit~ten nnd in geringem MaBe die Bauch- und Rfickenmusku- latur. Trotz aller therapentischen Mal3nahmen blieb dieser Zustand bis zum Beginne der Diatherlniebehandlung stationer. ]~rst darauf setzte pl6tzlich die tlesserung ein. Im zweiten Falle war die Erkrankung noch in roller progressiver Entwicklung, als unsere Behandlung begann : in 14 Tagen hatte sich ohne Fieber eine yon Par~sthesien begleitete Parese zuerst der unteren ExtremitY.ten und dann der oberen Extremit~ten entwickelt, die yon ataktischen St6rungen, zeitweise auftretendem einseitigem Babinski und FeMen der Sehnenreflexe begleitet war. Auch bier tiel der Zeitpunkt der Besserung pr~tzis mit dem Einsatz der Diathermie- behandlung zusammen, ja es zeigte sogar das Yerhalten der Par- Xsthesien eine deiittiche Abh~iigigkeit yon der Lagerung der Elek- troden*. Ursprfiliglich wurden n~mlich nut die Brustwirbels~ule und obere Lendenwirbels~ule der Diathermie unterzogen. Erst als die ParXsthesien, besonders in den Fingern I--4, IIicht wichen, w~hrend sie im 5. Finger schon geschwunden waren, setzten wir auch die HalswirbelsXule der Diathermie aus. DarauI besserten sich auch diese sensiblen St6rungeI1. Im dritten Falle haiidelte es sich um einen ProzeB im Conus und Epiconus mit den charakteristischen Symptomen : Blasen-Mastdarm- st6rungen, Reithosenan~sthesie, fehlenden Achillesreflexen bei ge- steigerten Patellarreflexen. Der Zustand war seit 5 Wochen statio- ner, als uns die Pat. eingeliefert wurde, t3ereits 8 Tage naeh Beginn der I)iathermiebehandlung besserten sich die Inkolitinenzerschei- nungen, 3 V%rochen sp~ter kam es IIur mehr selten zu unwillkfir- lichen Entleerungen, nach IO Wdchen bestand noch ab und zu eine leichte Incontinentia alvi, w~hrend die Incolitinentia urinae v611ig geschwunden war. In diesem Falle bestand eine besonders hoch- gradige Eiweigvermehrung (2,2~ daneben eine Zellvermehrung (46/3, 33 Lympho-, 13 Leukocyten) im Liquor. Auch diese Er- scheinungen haben sich zurfiekgebildet und einem normalen Befund Tlatz gemacht. Diese wenigen aber deutlichen Erfolge haben uns zu unserer Mitteilung veranlaBt, um zur Nachprfifung an einem gr6Beren Material anzuregen. Literatur: FRITZ IKRAUS, Eine IIeue Methode der Hyper- ~miebehandlung chronischer Gehirn- und Rbckenmarkserkran- kungen durch Diathermie. Med. Klinik ~5, 1929 (1929). -- I-Ig~o TICARn, l)ber diatherm. Behandlung d. ak. Kinderl~hmung. Mschr. Kiiiderheilk. 28, It. 35, S. 242--58 (1924). ZUR FRAGE DER ZWECKMASSIGKEIT DER TYPHUSSCHUTZIMPFUNG AUF DER HOHE EINER EPIDEMIE. Von E. FRIEDBERGER. Aus dem Forschungsinstitut tfir Hygiene trod Immunit~tslehre Berlin-Dahlem. In einem am 2. Mai I9i 7 in der Berliner Medizinisehen Gesellschaft gehaltenen Vortrag, fiber den auf Veranlassung der Zensur nicht berichtet werden durfte und der infolge Zensur- verbots erst ]~nde x919 im Druck erscheinen konnte 1, habe ich gezeigt, dab der Heeresstatistik fiber den vermeintlichen guten Erfolg der Typhus- und Choleraschutzimpfung im Krieg, die im Auftrag des Herrn Feldsanit/itschef yon Ge- neralarzt HOFFMANN und Oberstabsarzt HI~NERMANN ver- 6ffentlicht worden ist ~, keinerlei Beweiskraft ffir den Nutzen der Typhusschutzimpfung zukommt. Zu einer ~hnlichen kritischen Stellungnahme waren andere Autoren gekommen, wie v. ~BAUNGARTEN, WEIL, GALAMBOS, SCRAP, MIASHITA nSW. Da man ira Krieg infolge unzweckm~Biger Organisation der Impfung zu einem entscheidenden Urteil nicht kommen konnte und auch sp~iterhin diese Frage offenbar nicht naeh wohltiberlegtem Plan weiterhin untersucht wurde, so ist sie auch in den folgenden Jahren offengeblieben. tiber lokale Reaktionen bei Diathermie des GehirnsberichtenHOFF und SCHILDER (Kiln. Wschr. 1929, Nr 4o, S. I856/58. KLINISCHE WOCHENSCttRIFT. 9. JAHRGAlqG. Nr. 38 I77I Trotz der Kritik yon verschiedenen Seiten haben die Medizinalbeh6rden den Nutzen der Schutzimpfung ohne weiteres als erwiesen angesehen und die Schutzimpfung fiberall in ausgedehntem MaBe empfohlen und durchgeffihrt, obwohl bei uns ein verl~Bliches Material, das im Krieg nicht mehr gesammelt werden konnte, auch nachher nicht ge- wonnen, zum mindesten nicht ver6ffentlicht worden ist. ]?;in solches Vorgehen ist immerhin noch begreiflich, wenn man yon der absoluten Unschddlichkeit der Typhus- schutzimpfung fiberzeugt sein k6nnte. Nfitzt die Typhus- schutzimpfung auch vielleicht nicht sicher, so schadet sie doch nicht, folgerten wohl die Anh~tnger dieses ,,prophylak- tischen Verfahrens". Nun haben aber SPXT 8 und icha vor mehreren Jahren schon auf die Tatsache aufmerksam gemacht, daBiSchutz- impfungen, auf der H6he einer Epidemie durchgeffihrt, wie es bei uns immer geschehen ist, auBerordentlich bedenkliche Wirkungen haben k6nnen. Solche Impfungen verm6gen latente Erkrankungen, die vielleicht hie tiber die Schwelle des klinisch Wahrnehmbaren hinausgekommen w~iren, mani- fest zu machen. Im Kriege (HONERMANN, a. a. O. S. 14) wurde das direkt als ein Vorteil der Impfung angesehen, da auf diesem Wege schnell die Truppenteile yon allen ansteckungsf~higen Individuen ,,gereinigt" werden konnten. Dieser Antor weist auch schon darauf lain, dal3 Typhusf~lle im Anschlui3 an die Impfung besonders heftig und in besonders hohem Grade t6dlich verlaufen k6nnen. ~hnliche Beobachtungen liegen vor yon BouRG~s, P, ATI~ERY, MATHIt~U, VAUGHAN, HAWN, LI~HMANN, ]~ASTEN, I~[EY~ER nsw. (Literatur bei FRIEDBERGER4). Man hat diese ja lgngst bekannte Tatsaehe frtiher darauf zurfick- gdflhrt, dab durch den Impfstoff im ]3lute kreisende ,,Schutz- stoffe" gebunden wtirden und so eine ,,negative Phase" schaffen sollten, in der in den Organismus eindringende Erreger dort Iesten TuB Iassen k6nnen ~. Ich habe schon an anderer Stelle und bezflglich anderer Infek- tionen darauf hingewiesen, wie gewunden und unwahrscheinlich diese Erkl~rung ist. Wir wissen aber, dab zu Zeiten einer Epidemie viele Mensehen die Erreger in ihrem K6rper beherbergen und nur wenige yon diesen klinisch krank werden. Zweck und Ziel der Prophylaxe muff es in diesen Zeiten 8ein, die Menschen vor allen erdenklichen SchOxllgungen, auvh vor der SchutzimpJung, zu bewahren, damit nicht im K6rper bereits vorhandene ]~rreger die Oberhand gewlnnen und die klinisch mani/este Krankheit bedingen. Welche Erkl~rung man auch annehmen mag, jedenfalls hat man bei uns bis dahin auf diese Einwendungen keinerlei Rficksicht genommen, sondern man hat bei uns seitens der Medizinalbeh6rden gerade die Typhusschutzimpfung ant der HShe der Epidemie empfohlen und hier ausschlieBlich durchgefiihrt, vielleicht weil man yon der Meinung ausging, dab diese zweifellose Gefahrquote durch den allgemeinen Nutzen der Impfung fiberkompensiert wfirde. So sind in AnNam yon 13oooEinwohnern der Stadt nach Ausbruch der dortigen schweren Typhusepidemie, 1o0oo geimpft worden und 75% davon sogar 3mah In Hannover, wo die Impfung zwar eine freiwillige war, abet doch unter erheblichem moralischen Zwange durchgeffihrt wurde, sind yon den 45 ~ ooo Einwohnern nach amtlicher Mitteilung I 17 ooo geimpft worden, davon 83ooo 2real, und 4oooo 3real. Ich habe schon vor 3 Jahren (Mtinch. reed. Wschr. x927, I8o) auf die in der Literatur niedergelegten Bedenken gegen die Schutzimpiung auf der H6he einer Epidemie aufmerksam gemacht, davor gewarnt und eine Statistik darfiber verlangt, ,,wie sich die Typhusinfektionen, die bei ,,Schutzgeimpften" in tIannover vorgekommen sind, zahlenmM3ig und in ihrem Verlauf zu den F~llen verhalten, die unl die gleiche Zeit noch bei Nichtgeimpften aufgetreten sind. Es ist zu hoffen uiid zu wtinschen, dab hier end- lich statistische UnterlageI1 gewonnen werden, oh und iliwieweit die Typhus-,,Schutzimpfung" r elnerEpidemle Erfolg hat oder ob sie vielmehr geeignet ist, wie das auf Grund der Erfahrungeii im Kriege yon der MilitXrsanit~tsbeh6rde behauptet worden ist und aueh yon SP/4T u. a. betont wird, latente F~lle zu manifesten zu machen." Ich schrieb sp~terhin (ebenda S. I28o): ,,Es ist ja zu erwarten, daB, zumal noch nach der meine Aus- ffihrungen stfitzenden eindrucksvollen Ver6ffentlichung yon ]DR~NK- I13"

Zur Frage der Zweckmässigkeit der Typhusschutzimpfung auf der Höhe einer Epidemie

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Page 1: Zur Frage der Zweckmässigkeit der Typhusschutzimpfung auf der Höhe einer Epidemie

�9 o. SEPTEMBER x98o

k r a n k u n g e n v e r n a c h l ~ s s i g t oder auBer a c h t gelassen w e r d e n k a n n .

Der erste Fall war bereits 6 Monate krank, als wit mi t der Diathermie begannen. Die anf~nglich auI die unteren Extremi- t~ten beschr~nkten in ihrer In tensi t~t schwankende Parese ergriff nach einem in terkurrenten f ieberhaften TrozeB auch die oberen Ext remi t~ ten nnd in geringem MaBe die Bauch- und Rfickenmusku- latur. Trotz aller therapent ischen Mal3nahmen blieb dieser Zustand bis zum Beginne der Diather lniebehandlung stationer. ]~rst darauf setzte pl6tzlich die t lesserung ein.

Im zweiten Falle war die Erk rankung noch in rol ler progressiver Entwicklung, als unsere Behandlung begann : in 14 Tagen ha t te sich ohne Fieber eine yon Par~sthesien begleitete Parese zuerst der unteren ExtremitY.ten und dann der oberen Extremit~ten entwickelt, die yon atakt ischen St6rungen, zeitweise auf t re tendem einseitigem Babinski und FeMen der Sehnenreflexe begleitet war. Auch bier tiel der Zei tpunkt der Besserung pr~tzis mit dem Einsatz der Diathermie- behandlung zusammen, ja es zeigte sogar das Yerhalten der Par- Xsthesien eine deiittiche Abh~iigigkeit yon der Lagerung der Elek- troden*. Ursprfiliglich wurden n~mlich nut die Brustwirbels~ule und obere Lendenwirbels~ule der Diathermie unterzogen. Ers t als die ParXsthesien, besonders in den Fingern I - -4 , IIicht wichen, w~hrend sie im 5. Finger schon geschwunden waren, setzten wir auch die HalswirbelsXule der Diathermie aus. DarauI besserten sich auch diese sensiblen St6rungeI1.

Im dr i t ten Falle haiidelte es sich um einen ProzeB im Conus und Epiconus mit den charakteris t ischen Symptomen : Blasen-Mastdarm- st6rungen, Reithosenan~sthesie, fehlenden Achillesreflexen bei ge- steigerten Patellarreflexen. Der Zustand war seit 5 Wochen statio- ner, als uns die Pat. eingeliefert wurde, t3ereits 8 Tage naeh Beginn der I ) ia thermiebehandlung besserten sich die Inkolitinenzerschei- nungen, 3 V%rochen sp~ter kam es IIur mehr selten zu unwillkfir- lichen Entleerungen, nach IO Wdchen bes tand noch ab und zu eine leichte Incont inent ia alvi, w~hrend die Incoli t inentia urinae v611ig geschwunden war. In diesem Falle bes tand eine besonders hoch- gradige Eiweigvermehrung (2,2~ daneben eine Zellvermehrung (46/3, 33 Lympho-, 13 Leukocyten) im Liquor. Auch diese Er- scheinungen haben sich zurfiekgebildet und einem normalen Befund Tlatz gemacht.

Diese wen igen a b e r d e u t l i c h e n Erfo lge h a b e n uns zu unse r e r M i t t e i l u n g ve ran laBt , u m zur N a c h p r f i f u n g a n e inem gr6Beren M a t e r i a l anzuregen .

L i t e r a t u r : FRITZ IKRAUS, Eine IIeue Methode der Hyper- ~miebehandlung chronischer Gehirn- und Rbckenmarkserkran- kungen durch Diathermie. Med. Klinik ~5, 1929 (1929). -- I-Ig~o TICARn, l )ber diatherm. Behandlung d. ak. Kinderl~hmung. Mschr. Kiiiderheilk. 28, It . 35, S. 242--58 (1924) .

ZUR FRAGE DER ZWECKMASSIGKEIT DER TYPHUSSCHUTZIMPFUNG AUF DER

HOHE EINER EPIDEMIE. Von

E . FRIEDBERGER. Aus dem Forschungsinstitut tfir Hygiene trod Immunit~tslehre Berlin-Dahlem.

I n e inem a m 2. Mai I 9 i 7 in der Ber l ine r Mediz in i sehen Gese l l schaf t g e h a l t e n e n Vor t rag , f iber den au f V e r a n l a s s u n g der Z e n s u r n i c h t b e r i c h t e t w e r d e n d u r f t e u n d der infolge Zensu r - v e r b o t s e r s t ]~nde x919 i m D r u c k e r sche inen k o n n t e 1, h a b e ich gezeigt , d a b der H e e r e s s t a t i s t i k f iber den v e r m e i n t l i c h e n g u t e n Er fo lg de r T y p h u s - u n d C h o l e r a s c h u t z i m p f u n g im Krieg, die i m A u f t r a g des H e r r n Fe ldsan i t / i t s che f yon Ge- n e r a l a r z t HOFFMANN u n d O b e r s t a b s a r z t HI~NERMANN ver- 6 f f en t l i ch t w o r d e n is t ~, ke iner le i B e w e i s k r a f t ffir den N u t z e n der T y p h u s s c h u t z i m p f u n g z u k o m m t .

Zu e iner ~hn l i chen k r i t i s c h e n S t e l l u n g n a h m e w a r e n a n d e r e A u t o r e n g e k o m m e n , wie v. ~BAUNGARTEN, WEIL, GALAMBOS, SCRAP, MIASHITA nSW.

D a m a n ira Kr i eg infolge unzweckm~Bige r O r g a n i s a t i o n der I m p f u n g zu e inem e n t s c h e i d e n d e n Ur te i l n i c h t k o m m e n k o n n t e u n d a u c h sp~iterhin diese F r a g e o f f enba r n i c h t n a e h woh l t i be r l eg t em P l a n w e i t e r h i n u n t e r s u c h t wurde , so i s t sie a u c h in den fo lgenden J a h r e n of fengebl ieben .

tiber lokale Reaktionen bei Diathermie des Gehirns berichten HOFF und SCHILDER (Kiln. Wschr. 1929, Nr 4o, S. I856/58.

K L I N I S C H E W O C H E N S C t t R I F T . 9. J A H R G A l q G . N r . 38 I77I

T r o t z der K r i t i k yon v e r s c h i e d e n e n Se i ten h a b e n die M e d i z i n a l b e h 6 r d e n den N u t z e n der S c h u t z i m p f u n g ohne wei teres als erwiesen a n g e s e h e n u n d die S c h u t z i m p f u n g fiberal l in a u s g e d e h n t e m MaBe e m p f o h l e n u n d durchgef f ih r t , obwoh l bei uns ein ver l~Bliches Mater ia l , das im Kr ieg n i c h t m e h r g e s a m m e l t werden konn te , a u c h n a c h h e r n i c h t ge- wonnen , z u m m i n d e s t e n n i c h t ve r6 f f en t l i ch t w o r d e n ist .

]?;in solches V o r g e h e n i s t i m m e r h i n n o c h begreif l ich, w e n n m a n yon de r a b s o l u t e n Unschddlichkei t der T y p h u s - s c h u t z i m p f u n g f ibe rzeug t sein k 6 n n t e . Nf i t z t die T y p h u s - s c h u t z i m p f u n g a u c h v ie l le ich t n i c h t sicher, so s c h a d e t sie doch n ich t , fo lge r ten wohl die Anh~tnger dieses , , p rophy lak - t i s chen V e r f a h r e n s " .

N u n h a b e n abe r SPXT 8 u n d icha v o r m e h r e r e n J a h r e n schon au f die T a t s a c h e a u f m e r k s a m g e m a c h t , d a B i S c h u t z - i m p f u n g e n , au f der H 6 h e e iner E p i d e m i e durchgef f ih r t , w i e es bei uns i m m e r geschehen ist, auBe ro rden t l i ch b e d e n k l i c h e W i r k u n g e n h a b e n k6nnen . Solche I m p f u n g e n v e r m 6 g e n l a t e n t e E r k r a n k u n g e n , die v ie l l e ich t h ie t iber die Schwel le des k l in i sch W a h r n e h m b a r e n h i n a u s g e k o m m e n w~iren, m a n i - fes t zu m a c h e n .

Im Kriege (HONERMANN, a. a. O. S. 14) wurde das direkt als ein Vorteil der Impfung angesehen, da auf diesem Wege schnell die Truppenteile yon allen ansteckungsf~higen Individuen ,,gereinigt" werden konnten.

Dieser Antor weist auch schon darauf lain, dal3 Typhusf~lle im Anschlui3 an die Impfung besonders heftig und in besonders hohem Grade t6dlich verlaufen k6nnen.

~hnl iche Beobachtungen liegen vor yon BouRG~s, P, ATI~ERY, MATHIt~U, VAUGHAN, HAWN, LI~HMANN, ]~ASTEN, I~[EY~ER nsw. (Literatur bei FRIEDBERGER4).

Man ha t diese ja lgngst bekannte Tatsaehe frtiher darauf zurfick- gdf lhr t , dab durch den Impfstoff im ]3lute kreisende ,,Schutz- stoffe" gebunden wtirden und so eine ,,negative Phase" schaffen sollten, in der in den Organismus eindringende Erreger dort Iesten TuB Iassen k6nnen ~.

Ich habe schon an anderer Stelle und bezflglich anderer Infek- t ionen darauf hingewiesen, wie gewunden und unwahrscheinlich diese Erkl~rung ist.

Wir wissen aber, dab zu Zeiten einer Epidemie viele Mensehen die Erreger in ihrem K6rper beherbergen und nur wenige yon diesen klinisch krank werden. Zweck und Ziel der Prophylaxe muff es in diesen Zeiten 8ein, die Menschen vor allen erdenklichen SchOxllgungen, auvh vor der SchutzimpJung, zu bewahren, damit nicht im K6rper bereits vorhandene ]~rreger die Oberhand gewlnnen und die klinisch mani/este Krankheit bedingen.

W e l c h e E r k l ~ r u n g m a n a u c h a n n e h m e n mag, j edenfa l l s h a t m a n bei uns bis d a h i n au f diese E i n w e n d u n g e n keiner le i Rf i cks i ch t g e n o m m e n , s o n d e r n m a n h a t bei uns se i tens der M e d i z i n a l b e h 6 r d e n gerade die T y p h u s s c h u t z i m p f u n g a n t der HShe der E p i d e m i e empfoh len u n d h ie r ausschl ieBl ich durchgef i ih r t , v ie l le ich t weil m a n yon der M e i n u n g ausging, d a b diese zweifellose G e f a h r q u o t e d u r c h den a l l geme inen N u t z e n de r I m p f u n g f i b e r k o m p e n s i e r t wfirde.

So sind in A n N a m yon 13oooEinwohnern der Stadt nach Ausbruch der dortigen schweren Typhusepidemie, 1o0oo geimpft worden und 75% davon sogar 3mah

In Hannover, wo die Impfung zwar eine freiwillige war, abet doch unter erheblichem moralischen Zwange durchgeffihrt wurde, sind yon den 45 ~ ooo Einwohnern nach amtl icher Mitteilung I 17 ooo geimpft worden, davon 83ooo 2real, und 4oooo 3real.

I ch h a b e schon vo r 3 J a h r e n (Mtinch. reed. Wschr . x927, I8o) au f die in de r L i t e r a t u r n iede rge leg ten B e d e n k e n gegen die S c h u t z i m p i u n g auf der H 6 h e e iner E p i d e m i e a u f m e r k s a m gemach t , d a v o r g e w a r n t u n d eine S t a t i s t i k dar f ibe r ve r l ang t , ,,wie sich die Typhusinfektionen, die bei , ,Schutzgeimpften" in t I annover vorgekommen sind, zahlenmM3ig und in ihrem Verlauf zu den F~llen verhalten, die unl die gleiche Zeit noch bei Nichtgeimpften aufgetreten sind. Es ist zu hoffen uiid zu wtinschen, dab hier end- lich statist ische UnterlageI1 gewonnen werden, oh und iliwieweit die Typhus- , ,Schutzimpfung" r elnerEpidemle Erfolg ha t oder ob sie vielmehr geeignet ist, wie das auf Grund der Erfahrungeii im Kriege yon der MilitXrsanit~tsbeh6rde behaupte t worden ist und aueh yon SP/4T u. a. be tont wird, la tente F~lle zu manifesten zu machen."

I ch schr ieb s p ~ t e r h i n (ebenda S. I28o) : ,,Es ist ja zu erwarten, daB, zumal noch nach der meine Aus-

ffihrungen stfitzenden eindrucksvollen Ver6ffentlichung yon ]DR~NK-

I13"

Page 2: Zur Frage der Zweckmässigkeit der Typhusschutzimpfung auf der Höhe einer Epidemie

I772 IiLINISCHE WOCHENSCH

HAHN nun LEI~TZ (die Medizinalbeh6rde) endlich auf Grund der Impflisten yon Anklam, Hannover und anderen Orten das Material beibringt, aus dem sich einwaudfrei ergibt, ob die bisherigen Be- obachtungen fiber Sch~dlichkelt der Imp~ung auf der H6he ether Epidemie stimmen oder nicht ."

Leider h a t die Mediz inalverwMtung, die allein das gesamte einschl~igige Mater ia l besitzt , den yon mAr gestel l ten An- regungen n ich t entsprochen. In dam bereits v e t z J ah ren erschienenen ,,endgfiltigen" Ber ich t fiber die Hannove r sche Typhusep idemie ~ bef indet sich darfiber kein Wor t . Auch spS~ter ist darf iber nichts ver6ffent l ich t worden.

Es heiBt in d e m erw~hnten Ber i ch t f iberhaupt n u t be- zfiglich der Schu tz impfung (S. I3I)~:

, ,~ber die Erfolge der Typhussehutzimpfung in bezug auf die Verhiitung der Erkrankung oder des Todes ein Urteil abzugeben, halten wAr uns auI Grund des vorliegenden Materials fiir nicht be- rechtigt. Die Typhusschutzimpfungen haben in gewissem Umfange erst verhNtnismXl3ig spXt eingesetzt, also schon im absteigenden Asfl der Epidemie, und eine fakultative Schutzimpfung ist iiber- haupt wegen der unvermeidlichen Selektion der Geimpften ffir die Beurteilung der Erfolge viel weniger geeignet als eine obligatorische."

I n solcher, in dieser Frage bis dahin niemals geiibten, Zurf ickhal tung erbl icke ich schon eine erfreul iche An- e rkennung meiner frfiheren kr i t ischen Ausff ihrungen fiber die Typhussehu tz impfungen ; aber die yon mar gestellte, hier allein wesent l iche Frage laute te , wie sich aus vors tehenden Zi ta ten yon mAr ergibt, nieht, ob die Typhusschu tz impfungen die E r k r a n k u n g e n und den Ted verhf i te t haben, sondern kl ipp und klar dah in , ob naeh der Typhusschutzimp/ung, aueh mit abgetSteten Balcterien au/ der H6he einer Epidemie relativ mehr Typhusf5lle unter dan Geimp/ten als unter den Nichtgeimp/ten vorgekommen sind, und ob die Schwere der F~lle bei den Ge- imp]ten und die Letalitf~t eine hShere wa~ als unter den Niel~t- geimp/ten in der gleichen Zeitperiode, wie das die vore rw~hnten Autoren berei ts vor Jah ren gefunden ha t ten .

Die Mediz ina lverwal tungen, die auf Grund ihrer , ,besseren E ins i ch t " eine so unbedingte Gefolgschaft seitens der prak- t ischen 24_rzte und des Pub l ikums ver langen, haben meines Erach tens die Verpf l ichtung, doch such die Beweise ffir ihre Maflnahmen, im Interesse der A_rzteschaft und des Publ i - kums, im wei tes ten U m f a u g zur Kenntn i s zu geben u n d d e r Kr i t ik zugS, nglich zu machen.

Wir erfahren aus dam Berieht , dab in H a n n o v e r ,,sofort nach Beginn der Epidemie" (d. h. natfirlieh, sofort nach

Bekanntwerden der Epidemie) ,,unter Beihilfe des Arztevereins 6 6Ifentliche Impfstellen ffir die Bev61kerung eingerichtet wurden,

R I F T . 9- J A H R G A N G . Nr . 3 S so. S E P T E M B E R i93o

in denen sich jedermann kostenlos der Typhusschutzimpfung unterziehen konnte. Diese Impfstellen waren besetzt mat je I b i s 2 Arzten, 1--2 Schwestern und 2 Listenschreibern' . Aul3erdem standen ,,far die Ermittlungsarbeiten auBer den beiden Kreis- Xrzten 2 weitere Medizinalbeamte (seAt dem 18. September) und 9 Schwesiern, denen f fir ihre Ermittlungen Kraftwagen bewilligt wurden, fiir die schriftlichen Arbeiten ferner 8 Schwestern und ein Schreiber zur Verfflgung." Die beamte ten Arzte batten noch die Erleichterung, dab sie sich fiber w 6 Abs. I des Seuchengesetzes ,,durch das flberragend h6here 6ffentliche Interesse" hinwegsetzen konnten und sich mAt dem jeweils behandelnden Arzt nicht ins Benehmen zu setzen brauchten (Bericbt S. lO5--1o6 ).

Es muB also auf Grund aller bekann te r Krankhei ts f~l le an Typhus (sAnd doch fast 9o % im Krankenhaus behande l t worden [Bericht S. 7], 2186 gegen 237 Hausf~l le [Bericht S. IO8;), das en tsprechende Mater ia l vo rhanden setH*.

Es dart wohl e rwar t e t werden, dab n u n m e h r im Interesse der ] i rz teschaf t die genauen Zahlen fiber folgende Fragen amt l i ch ver6ffert t l icht warden:

i . Wie viele Schutzge impf te sand bet den Ep idemien in H a n n o v e r (und Anklam) an Typhus e rkrank t?** Wie hoch war die ZahI der Nich tge impf ten un t e r den in der gleiehen Zeit E r k r a n k t e n ?

z. Wie verh ie l t sich die Schwere der F/tile in dieser Zei t zwischen Geimpf ten und Nich tge impf ten ?

3. Wie war die LetalitS.t in beiden Gruppen? I s t die Ta t sache r iehtig, dab die Schutz impfung auI der

H6he einer Ep idemie die Zahl der F~lle und viel le icht auch die Schwere der F~lle und die Le ta l i t~ t v e r m e h r t hat , wie es aus zahlre ichen ~tlteren Er fah rungen an ande re r Stelle in der L i t e ra tu r he rvo rgeh t (s. oben), so i s t e s wichtig, dab der Arzt , der ja in der Seuchenbek~mpfung n ich t nur ausffihren- des Organ der Medfzinalbeh6rde ist, sondern einen freier~ Beruf ausfibt nod seinem Xrztlichen Gewissen ve ran twor t l i ch ist, das Zah lenmate r ia l erf~ihrt, u m sich ffir sp~itere FMle ein Ur te i l fiber die Zweckm~t~3igkeit der beh6rdl ich emp- fohIenen nod durchgeff ihr ten, basher n ich t widerrufenen Schu tz impfung auf der H6he einer Ep idemie zu bilden.

L i t e r a t u r : ~ Z. Immun.forschg 28, 119 (1919). -- 2 Verh. Kongrel3 inn. Med., Warschau. -Wiesbaden: J. F. Bergmanns Ver~ lag 1917. -- 3 Z. Immun.forschg 46, 216 (1926). -- ~Nfinch. med, Wschr. i9s7, 18o. -- ~ Zbl. Bakter. I. Orig. 47, 5o3 (19o8). -- s Die Typhusepidemie in Hannover 1928. Endgfiltige Berichte und Sondergutaehten. -- ~ Bek~mpfung der Typhusepidemie. ]3earbeitet yon Regierungs- und Medizinalrat Dr. lX{OItR~IANN unter Mitwirkung der Kreis~irzte Medizinalrat Dr. DREWES und Medizinal- rat Dr. ~V[ANGELSDORF,

KURZE W I S S E N S C H A F T L I C H E M I T T E I L U N G E N .

NEUE REAKTIONEN DES BILIRUBINS IM BLUTSERUM.

Vo~

GABRIEL MONASTERIO.

Viele Reakt ionen , welche zum Nachweis des B[lirubins in organischen Flfissigkeiten dienen, sand Oxydat ionsreakt ionen , durch welche das Bi l i rubin in Oxyder iva te yon verschiede- nan Fa rben umgewande l t ward.

E ine sch6ne Reak t ion zum Nachweis des Serumbi l i rubins ist die Sabatinisehe (Oxydat ion des Bil i rubins mat einer Mi- sehung yon N a t r i u m n i t r i t und Salzs~.ure - - 3 ~ ccm einer i2proz . Salzs~urel6sung q - o , 5 c c m einer ip roz . Na t r i um- ni t r i t l6sung).

I ch babe versucht , das Serumbi l i rubin in sehr e infacher Weise du tch E inwi rkung yon Wassers tof fsuperoxyd und Eis- essig zu oxydieren. F t ig t m a n zu 5 - - 6 Tropfen Serum i Trop- fen H20 ~ und i Tropfen Eisessig hinzu, so bi ldet sich bet Gegenwar t yon Bil i rubin eine sch6ne smaragdgr t ine Farbe, die schnell he rvor t r i t t . Sie erre ieht sofort den H 6 h e p u n k t ihrer In tens i t~t , wenn man das Reagensglas le icht erhi tzt . Die Empf ind l ichke i t dieser Probe ist e twas geringer als die der R e a k t i o n n a c h H I J M A N S V A N D E N B E R G H .

Bekann t l i ch untersche ide t man bet der H i jmans van den Berghschen Reak t ion eine di rekte und eine indirekte , je nach- dam m~n das Serum di rek t mi t d e m Diazoreagens mischt oder erst nach Behand lung mi t Alkohol das Diazoreagens hinzufi igt .

* Unzulaagliche Impfstoffe, mi t denen man sonar so oft seheinbare MiBerfolge bet der Typhusschutzimpfung zu erldaren versueht hat, ka;an man bier such kaum als Er- klarung heranziehen, denn ,,der zur Verwendnng gelangte ][mpfstoif wurde veto Koch- Inst i tut Berlin geliefert. Zum TeAl wurde auch Impfstoff der Privatindustrie (Behring- Werk, Marburg) benutzt" (Bericht S. I3o), ,,abet fast ausschlieBlich der Impfstoff aus dam Robert-Keeh-Inst i tut in Berl.in". Wi t haben hier also lediglich die Verwendm~g yon Impfstoffen aus den denkbar beaten Quellen. ** WAr erfahren diesbezfiglich nnr, dab ,das gesamte Personal der Krankenhauser geimpff war" (Berieht S. 13o) und wohI 3real (,,war sieh weigerte, wurde entlassen'*), dab aber andererseits (Berieht S. IeS) ,,verh~ltnismal3ig hohe Zahlen yon Typhus- infekfionen bet dam Personal der Krankenhauser vorkamen". Sonst linden sich nur yon 38 Fiillen (3real geimpft) flberhaupt Angaben im Berieht. Beziiglich dieser 38 F~lle des IKrankenhauses I, in denen Beginn und Impfdaten feststanden~ sehreibt der Be- rieht (S. i9o): ,,Es fNlt sofort die verh51tnism/iBig grol3eZahl der sehweren and mittel- schweren Erkrankungeu (2/3 alter Erkrankungen) auf. ~3ber die Halite (zz) aller sehweren bzw. mittelschweren Erkcankungen (aN (Bericbt S. I9z} ist iI~ tmmittelbarem Ansehlul3 an die erste oder besonders an die a. Einspritzung manifest geworden (~mal unter den 38 betreffenden Typhusf~iIIen erfolgte die t6dliehe Erkrankung erst 3 Woehen nacb der Impfung). Man kann sieh des Eindruekes angesiehts dieser Tatsaehen nieht erwehren, dab dem Ausbruch einer bestehenden Infektion Vorschub geleistet und die M/Sglichkeit ether ungi~nstigen Einwirktmg auf den sp~iteren Verlauf vorhanden ist ." Auch hier kommt der Kliniker (STROEBE) zu dam Ergebnis, ,,dab eine Typhussehutzimpfung eioige Zeit abgesehlossen sein soil, bayer sich die betreffenden Personen der Infektions- gefahr aussetzen" (Bericht S. ~92).