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Zur H ydr ologie und Eydrobiologie des Schwarmn nnd des Asowsohen Meeres. Vorlaufige Mitteilungen der Asowschen Expedition. Von Prof. N. M. Knipowitsoh. Mi t 1 Textfigur. 4. Arbeiten der Expedition im Jahre 1926. Die Tatigkeit der Asowschen Expedition (oder, genauer, der Wissenschaftlichen Fischerei-Expedition im Asowschen und Schwar- Zen Meer) wird im Jahre 1925 und im Jahre 1926 fortgesetzt. Die vorliegende Mitteilung enthalt eine kurze Ubersicht der allgemeinen hydrobiologischen Ergebnisse im Jahre 1925. Die Arbeiten der Expedition haben im Jahre 1925 eine sehr wesent- liche Veranderung erlitten. Der Zustand des Dampfers ,,Besstras- schnyi" war uberhaupt wenig befriedigend, besonders war dies mit dem Kessel desselben der Fall und die Arbeiten wurden mehrmals, zuweilen fur langere Zeit, wegen notwendiger Reparaturen unter- brochen. Warend einer Fahrt im Asowschen Meer im Dezember 1924 wurde schlieBlich festgestellt, daB keine weitere Arbeiten mtig- lich waren. Die Expedition war daher genotigt die Untersuchungen im offenen Meer sehr stark zu beschranken. Ich konnte nur einen Dampfer fur 2% Monate mieten. Auf diesem Dampfer (,,Suchurn") wurden im Sommer 5 Fahrten gemacht und zwar 2 im Asowschen Meer (21. VI. bis 1. VII. und 16. bis 22. VIII.) und 3 im Schwarzen (6. bis 18. VII., 25. VII. bis 12. VIII. und 26. bis 30. VIII.). Die Arbeiten auf dem ,,Suchurn" waren sehr erfolgreich, aber sehr wich- tige Untersuchungen im offenen Meer im Winter, Friihling und Herbst waren ausgeschlossen. Abgesehen von .4rbeiten auf dem Dampfer wurden fast im Laufe des ganzen Jahres wichtige Fischerei-Untersuchungen im Gebiet des Don und des Golfs von Taganrog von A. J. Nedoschiwin und Int. Rome d. ges. Hydrob. u. Hydroq. XVI. 6

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Zur H ydr ologie und Eydrobiologie des Schwarmn nnd des Asowsohen Meeres.

Vorlaufige Mitteilungen der Asowschen Expedition. Von

Prof. N. M. Knipowitsoh. Mi t 1 Textfigur.

4. Arbeiten der Expedition im Jahre 1926. Die Tatigkeit der Asowschen Expedition (oder, genauer, der

Wissenschaftlichen Fischerei-Expedition im Asowschen und Schwar- Zen Meer) wird im Jahre 1925 und im Jahre 1926 fortgesetzt. Die vorliegende Mitteilung enthalt eine kurze Ubersicht der allgemeinen hydrobiologischen Ergebnisse im Jahre 1925.

Die Arbeiten der Expedition haben im Jahre 1925 eine sehr wesent- liche Veranderung erlitten. Der Zustand des Dampfers ,,Besstras- schnyi" war uberhaupt wenig befriedigend, besonders war dies mit dem Kessel desselben der Fall und die Arbeiten wurden mehrmals, zuweilen fur langere Zeit, wegen notwendiger Reparaturen unter- brochen. W a r e n d einer Fahrt im Asowschen Meer im Dezember 1924 wurde schlieBlich festgestellt, daB keine weitere Arbeiten mtig- lich waren. Die Expedition war daher genotigt die Untersuchungen im offenen Meer sehr stark zu beschranken. Ich konnte nur einen Dampfer fur 2% Monate mieten. Auf diesem Dampfer (,,Suchurn") wurden im Sommer 5 Fahrten gemacht und zwar 2 im Asowschen Meer (21. VI. bis 1. VII. und 16. bis 22. VIII.) und 3 im Schwarzen (6. bis 18. VII., 25. VII. bis 12. VIII. und 26. bis 30. VIII.). Die Arbeiten auf dem ,,Suchurn" waren sehr erfolgreich, aber sehr wich- tige Untersuchungen im offenen Meer im Winter, Friihling und Herbst waren ausgeschlossen.

Abgesehen von .4rbeiten auf dem Dampfer wurden fast im Laufe des ganzen Jahres wichtige Fischerei-Untersuchungen im Gebiet des Don und des Golfs von Taganrog von A. J. Nedoschiwin und

Int. Rome d. ges. Hydrob. u. Hydroq. XVI. 6

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Assistenten K. F. Telegin und J. P. Sawatimskij ausgefiihrt. Wert- volle Angaben und Materiale lieferten ebenfalls Untersuchungen im nordwestlichen Teil des Asowschen Meeres und im nordlichen Teil von Siwasch (N. J. Tarassow) und ichthyologische Arbeiten in Ba- laklawa und Sewastopol (Assistent N. A. Dmitriew) und in Batum (Assistent W. N. Tichonow).

Die wichtigsten speziellen Aufgaben des Dampfers ,,Suchurn" im Asowschen Meer waren : 1. eine nahere, eingehendb Untersuchung der eigentiimlichen hydrobiologischen Verhliltnisse in tiefsten Schich- ten des Meeresl), 2. Serien maglichst synchronistischer hydrologischer Schnitte in verschiedenen Teilen des Meeres zum Zweck einer ge- nauen Feststellung der Strtimungen, 3. naheres Studium der Ver- teilung und der Veranderungen des Salzgehalts und 4. erganzende Bestimmungen der Produktivitat des Benthos.

In der Mitteilung uber die hydrohiologischen Verhdtnisse des Asowschen Meeresl) habe ich gezeigt, daB in Sommermonaten, wenn dils Wetter langere Zeit still bleibt, die oberen Schichten stark er- wiirmt werden und die vertikale Zirkulation beinahe aufhort, der Sauerstoff in tiefsten Schichten durch die Atmung der Tiere und die Zersetzung der Massen von organischen Stoffen sehr stark verbraucht wird und der Sauerstoffgehalt hier zuweilen bis auf sehr geringe Quantitaten sinkt, was einen verderblichen EinfluB auf das Benthos haben muB. Dabei entwickelt sich gut ausgepriigte Stratifikation.

Fangt dann ein starker Wind mit groBem Seegang an, so werden alle Wasserschichten vermischt, die Stratifikation verschwindet mehr oder weniger vollstiindig und in tiefen Wasserschichten wird wieder hoher Sauerstoffgehalt beobachtet.

Die Beobachtungen im Laufe der ersten Fahrt im AsowschenMeer im Jahre 1925 haben uns wesentliche Erganzungen zu diesem Hild gebracht. Das Wetter war keineswegs ganz still : es war meist maBiger, zuweilen auch ziemlich starker Wind. DemgemaB wurde fast auf allen Stationen bis zur Tiefe von 10m, auf einigen Stationen bis zu geringerer Tiefe ziemlich hoher Sauerstoffgehalt, so wie ziemlich einfihmige Temperatur und meist geringe Unterschiede des Chlor- gehalts beobachtet ; aber ganz verschieden waren die Verhaltnisse in tiefsten Schichten: der. Sauerstoffgehalt war am Boden relativ

1) Vgl. ,,Hydrobiologische Verhiiltnisse des Asowschen Meeres''. Intern. Revue. Bd. XIII , Heft 1-2, S. 11.

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niedrig, auch die Temperatur und der Chlorgehalt zeigten zum Teil groBere Unterschiede.

Auf der Tabelle I werden die Angaben uber die Temperatur, den Chlorgehalt Oleo und den Sauerstoffgehalt in ccm in Liter auf 5 Sta- tionen eines Schnittes von dem Sund von Kertsch nach d e n Ein- gang in den Golf von Taganrog angefuhrt.

1 Station 456 29.VI. 1925 45O56’50” N 35O36’00” 0

Tiefe 11.50 m

I.

Station 455 Station 464 Station 465 Station 466 29.VI. ’1925 30.VI. 1925 30 .W. 1925 3 0 . W . 1925 46°00’00’’ N 46°00’00’’ N 46°00’00’’ N 4b000’00’’ N 35°50’00” 0 36°30’00’’ 0 37°00’00’’ 0 37O29’00’’ 0

Tiefe 12.50 m Tiefe 12.50 m Tiefe 12.75 m Tiefe 10.57 m

Die Abnahme des Sauerstoffgehalts in tiefsten Schichten ist hier schon relativ FOB. 8 Tage splter war dies schlrfer ausgeprilgt, wie man aus der Tabelle I1 ersehen kann. Die funf Stationen gehoren einem Schnitt 46ON entlang an.

Tiefe

- m 0 5

10 10.2: 11 12 12 2:

- - _ _

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Station 472 1.VII. 1925 45°30’00’’ N 36’56’00” 0

Tiefe 11.50 m

Noch deutlicber treten dieselben Verhliltnisse auf der Tabelle I1 I, in welcher Beobachtungen auf 4 Stationen im Golf von Temrjuk (sudiistlicher Teil des Meeres) angefiihrt werden.

111. - - Station 471 1.VII. 1925 45O33’30” N 37°04’00’’ 0

Tiefe 11.25 m

Tiefe

~-

m 0 5 10 10.75 11 12

~ __ 0 I t C I

18.53 6.06

1 0 ~ ___ 6.38 6.53 6.16 1.09 -

-

Station 470 1.VII. 1925 45O42’30’’ N 37°20’00’’ 0

Tiefe 12.50 m

- 1 - 1 -

18.14 6.08 0.42 - I i -

Station 469 1.VII. 1925 45O50’50’’ N 37035’45” 0

Tiefe 11.50 m

Resonders bemerkenswert ist die Verteilung des Sauerstoffs auf Stationen 455, 465, 471 und 470; in der Tiefe von 10 m betragt. hier der Sauerstoffgehalt 6.03, 6.46, 6.16 und 5.20 ccm und 2, 2?4, ?,$ und 2 m tiefer 1.58, 0.92, 1.09 und 0.43 ccm, d. h. um 4.45, 5.53, 5.07 iind 4.77 ccm weniger.

Die meisten Wasserproben mit niedrigem Sauerstoffgehalt wurden m uber dem Boden genommen, einige y4 oder 1 m. Unmittelbar

uber dem Boden ist der Sauerstoffgehalt ohne Zweifel noch niedriger. Die Bewohner des Meeresbodens in tiefsten Teilen des Asowschen Meeres mussen daher zuweilen noch mehr ungunstige Existenz- bedingungen ertragen.

Auf Grund der Beobachtungen im Sommer 1925 konnen wir fest- stellen, daB aul3erst ungunstige Existenzbedingungen in groBten Tiefen des Asowschen Meeres nicht nur bei dauerndem stillen Wetter, sondern auch bei mliBigen Winden entstehen konnen. Die groBe Be- deutung dieser Verhtiltnisse sowohl fur die allgemeine Hydrobiologie des Asowschen Meeres wie fur die Fischerei liegt auf der Hand: in meiner Mit teilung uber die hydrobiologischen Verhdtnisse des Asow- schen Meeres habe ich schon erwlihnt, daB ungefahr s,/!6 des Bodens dieses Meeres geringe Produktivitilt zeigen.

Als Regel geschieht die starke Abnahme des Sauerstoffgehalts nur in tieferen Schichten, ungefahr von 10 m an, seltencr verbreiten sich

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diese Veranderungen weiter nach oben. Dabei ktinnen zuweilen groI3e Massen von verschiedenen Tieren absterben, darunter auch ver- schiedene Fische. Dies wird jahrlich an der Sudkuste des Golfes von Temrjuk beobachtet, und zwar bei Peressypj, wo einige Arme des Flusses Kubanj miinden. An der Kuste erscheinen massenhaft ver- schiedene Fische, zum Teil in so schwachem Zustand, daB man sie leicht einfach mit Handen nehmen kann, viele sterben und werden auf den Strand ausgeworfen, wo sie zuweilen auf groBer Strecke eine einige Dezimeter dicke Schicht bilden, wahrend andere sich allmah- lig erholen und sich von dem Strand entfernen. Ein Mitarbeiter des Ichthyologischen Laboratoriums in Kertsch, Herr Probatow hatte die Gelegenheit, diese interessante Erscheinung am 24. VIII. 1924 zu beobachten. Ungefahr um 3 Uhr p. m. hat er bemerkt, daB viele kleine Fische sich an der Kuste sammeln, dann sind Massen von See- nadeln erschienen und viele davon wurden auf den Strand tot aus- geworfen. Ungefahr um 4 Uhr fangen Gobius-Arten, Solea, junge Zander an, sich der Kuste zu niihern und um 5 Uhr war die Masse der Fische ungeheuer. Der groBte Teil wurde tot auf den Strand aus- geworfen oder hlieb unmittelbar an dem Strand in Wasser. Am Abend sind viele Fische in die Tiefe zuruckgekehrt.

Warum wird diese Erscheinung, welche auch sonst im Asowschen Meer vorkommt, besonders oft gerade hier bei Peressypj beobachtet ? Die Ursache soheint mir darin zu liegen, daB hier das relativ salz- reiche Meereswasser von einer Schicht des SuBwasseru bedeckt wird.

Es bleibt mir noch iibrig einige Worte uber zwei Stationen in den Tabellen I und 111 zu sagen, namlich die Stationen 431 und 472. In beiden hydrologischen Serien finden wir am Boden eine Schicht mit relativ hohem Salzgehalt (Chlorgehalt uber 8O/Oo), aber auf der ersteren Station enthalt diese Schicht sehr wenig Sauerstoff (1.23 ccm), auf der zweiten vie1 (4.83 ccm), sogar mehr als die dariiber liegende Schicht. Der Unterschied wird folgendermaaen erklart : das Wasser mit Chlorgehalt iiher 8'/,30 ist ohne Zweifel Wasser aus dem Sund von Kertsch; auf der Station 472 haben es wir mit Wasser zu tun, welches neulich in das Asowsche Meer eingedrungen ist und relativ hohen Sauerstoffgehalt noch nicht verloren hat, auf der Station 431 da- gegen mit Wasser, welches schon ltingere Zeit am Boden lie@ und dessen Sauerstoff stark verbraucht ist.

Die zweite spezielle Aufgabe der Arbeiten des Damplers im Asow- schen Meer war, wie oben erwahnt, Serien von moglichst synchro-

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nistischen hydrologischen Schnitten zu bekommen, um die Lage der Strilmungen festzustellen. Synchronistische B'eobachtungen. welche bei hydrologischen Untersuchungen immer sehr wertvoll sind, haben besonders groBe Bedeutung gerade im Asowschen Meer, wo die hydro- logischen Verhliltnisse auBerordentlich veranderlich sind. Reide Fahrten im Asowschen Meer des Dampfers ,,Suchurn" lieferten uns Senen von fast synchroniatiwhen Schnitten. Wir kdnnen besttitigen, daB im Asowschen Meer (sensu stricto, d. h. ohne Golf von Taganrog) wirklich eine Striimung in zyklonischer Richtung die Kiisten entlang existiert, also in der Richtung nach Westen an ndrdlichen Kusten, nach Sud an den westlichen, nach Ost an den sudlichen und nach Nord an den dstlichen. Der Salzgehalt ist in dieser Strilmung nied- riger, a l s im mittleren Teil des Meeres. Die MBchtigkeit der Stromung unterliegt betrtichtlichen Schwankungen ; zum Teil scheint dies auch mit der Richtung derselben der Fall zu sein, da die Richtung von Winden abhhngig ist, aber im groBen ganzen bewegt sich das Wasser in der angegebenen Richtung. Aus ihrer gewiihnlichen Lage kann die Striimung zuweilen verdriingt werden; dies kann zum Beispiel geschehen, wenn groBe Massen relativ salzreichen Wassers sich aus dem Siwasch in den nordwestlichen Teil des Meeres ergieaen. An der Westkuste, d. h. an der Kuste der Landzunge Arabatskaja Strelka (welche Siwasch von dem Asowschen Meer trennt), kann man dann einen hilheren Salzgehalt, als weiter nach Oaten, beobachten, wah- rend man als Regel das entgegengesetzte findet.

Die dritte spezielle Aufgabe der Arbeiten im Asowschen Meer bildeten eingehende Untersuchungen uber den Salzgehalt.

In der Mitteilung uber die hydrobiologischen Verh&ltnisse des Asowschen Meeres habe ich erwtihnt, daB der Salzgehalt hier nicht nur in verschiedenen Toilen des Meeres sehr verschieden ist, sondern auch groI3en Schwankungen verschiedener Art unterliegt. Abgesehen von denjenigen Veranderungen, welche im Laufe des Jahres und in verschiedenen Jahren beobachtet werden, finden wir starke und rasche Vertinderungen, welche durch meteorologische Verhiiltnisse hervorgerufen werden. Die Arbeiten der Expedition im Jahre 1925 sowohl auf dem Dampfer ,,Suchurn", wie im Gebiet von Genitschesk und im Golfe von Taganrog, sowie einige Beobachtungen auf dem Motoi-Boot des Ichthyologischen Laboratoriums in Kertsch, haben zms viele neue Angaben ubor den Salzgehalt des Asowschen Meeres geliefert .

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Die salzreicheren zentralen Teile des eigentlichen Asowschen Meeres sind von der salzarmercn zirkularen Stromung umgeben. In peripherische Teile des Meeres ergiel3en sich das Brackwasser aus dem Golfe von Taganrog, SiiBwasser aus Kubanj und verschiedenen kleinen Flussen, Bachen usw. und salzreicheres Wasser aus dem Sund von Kertsch und aus dem Golf Siwasch (durch den Sund von Geni- tschesk).

Da der reichlichste ZufluB des SiiBwassers (bez. des Brackwassers) im Friihling und Anfang Sommer vor sich geht, finden wir urn diese Zeit den niedrigsten Salzgehalt auch in zentralen Teilen des Meeres; in einigen Jahren beobachtet man hier fast ausschlieBlich Chlor- gehalte unter 6 O / O o . Spater, als der ZufluB des SiiBwassers und des Brackwassers allmahlich abnimmt, kann man eine allmahliche Zu- nahme des Chlorgehalts feststellen, welcher im Herbst und Winter sein Maximum erreicht. Auf groBen Strecken ist dann der Chlor- gehalt vom Boden bis zur Oberflache iiber 6O/,, ungefahr bis 6.4O/,, (abgesehen von denjenigen Stellen, wo das salzreichere Wasser aus dem Sund von Kcrtsch in zentrale Teile des Meeres eindringt). Zu dieser Zeit konnen die Wassermassen mit Chlorgehalt uber 6O/oo sich sehr betrachtlich den Kusten nahern und an der Nordkuste kann man solche Wassermassen schon etwa 3 Seemeilen von den Landzungen dieser Kiiste beobachten.

Das relativ salzreiche Wasser aus dem Sund von Kertsch ist eine Mischung von Wasscr der obersten Schichten des Schwarzen Meeres mit dein asowschen Wasser. Am Eingang in das Asowsche Meer kann der Chlorgehalt dieses Wassers mehr als 80/00, ungefahr bis go/,,,, be- tragen. Der ZufluB dieses Wassers ist sehr unregelmaiBig und hangt vollstandig von Winden ab. Sehr veranderlich ist auch die Verteilung dieses Wassers am Boden des Asowschen Meeres. Bald kann man feststellen, daB das salzreichere Wasser in nordwestlicher Richtung auf groBe Strecke verbreitet ist (im Ende Juni 1925 erstreckte sich das Wasser mit Cblorgehalt uber 70/,, ungefahr auf 32 Seemeilen vom Eingang in den Sund und das Wasser mit Chlorgehalt iiber 8O/’,o auf 24 Seemeilen), bald findet man dieses Wasser nur unweit von dem Sunde oder findet dasselbe gar nicht. Im Laufe von wenigen Tagen kann die Verteilung dieses Wassers im Asowschen Meer voll- standig verandert werden.

Die zweite Quelle des Wassers mit hohem Salzgehalt ist der Golf Siwasch an der Westkuste des Asowschen Meeres. Von demselben

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durch eine lange und enge Landzunge, ,,Arabatskaja Strelka", ab- getrennt steht Siwasch mit dem Meer nur durch den engen Sund von Genitschesk in Verbindung. Wie in meiner oben mehrmals zitierten Mitteilung erwlihnt, ist der Salzgehalt in innersten Teilen von Siwasch sehr hoch. In einer im sudlichen Teil dieses Golfes bei dem Dorf Tochtaba am 30. VIII. 1923 genommenen Wasserprobe betrug der Chlorgehalt 86.83O:, (was ungeflihr einem Salzgehalt von 148 his 150°/, entspricht ; genaue Chlorkoeffiziente besitzen wir nicht). Die nordlichen Teile von Siwasch zeigen viel geringere Salzgehalte und hier wird auch bedeutende Fischerei betrieben. Im Fruhling wird das Niveau des Golfes durch das Schmelzwasser gehoben, groBe Massen von salzreichem Wasser erfiillen die nordlichen Teile, wo sonst der' Salzgehalt als Regel nur wenig haher als in angrenzenden Teilen des Meeres oder ebenso hoch ist, und ergieBen sich durch den Sund von Genitschesk in die nordwestliche Ecke des Meeres. In einer von N. J. Tarassow am 11. 111. 1925 im Sund von Genitschesk ge- nommenen Probe betrug der Chlorgehalt fast 21 o/oo (20.95), in einer Probe am 30. 111. 1925 19.110/,. Auch spater kann man zuweilen sowohl in ntirdlichen Teilen von Siwasch, wie auch in angrenzenden Teilen des Asowschen Meeres relativ hohen Salzgehalt beobachten ; so wurde zum Beispiel am 6. VI. 1925 bei dem Leuchtturm Birjutschij ungeftihr 10 Seemeilen von Genitschesk Chlorgehalt 8.05O/, beobach- tet. Wenn starke Westwinde vorherrschen, kann man auch viel sptiter, sogar im Ende September, weit von dem Sund xiemlich hohen Salzgehalt beobachten.

Die vierte spezielle Aufgabe des Dampfers im Asowschen Meer bildeten im Jahre 1925 erganzende Beobachtungen uber die Produk- tivitiit des Bodens. Die Arbeiten mit Petersens Bodenschopfer sind auf vielen Stationen ausgefuhrt worden und die Expedition besitzt jetzt ein reiches Material fur eine endgultige Karte der Produktivittit des Bodensz).

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2) Eine vorlaufige Karte ist neulich in der Arbeit von N. L. Tschugunow: ,,Vorlaufige Ergebnisse der Untersuchungen uber die Produktivitat des Asow- when Meeres" in der Lieferung I der &handlungen der wissenschaftlichen Fischerei-Expedition im Asowschen und Schwarzen Meer" (Kertsch 1926) ver- offentlicht worden, und zwar auf Grund der Arbeiten in den Jahren 1922-24. Die genannt.e Lieferung enthalt auBerdem zwei Arbeiten: N . M. Knipowitsch ,,Arbeiten d. Asowschen wiss. Fischerei-Expedition in d. J . 1922-24 (vorlaufiger Bericbt)" und A. J . Nedoschiwin : ,,Der gegenwartige Zustand der Asowschen Fi,scherei (vorliiufiger Bericht)". Alle Arbeiten russisch mit deutschen Resumees

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Im Schwarzen Meer waren die Aufgaben des Dampfers ,,Suchurn" (abgesehen vom weiteren Ansammeln des hydrologischen und des biologischen Materials) sehr mannigfaltig. Wie aus meinen fruheren Mitteilungen zu ersehen ist, waren die in den Jahren 1922-1924 ge- wonnenen Angaben uber die Verteilung und die obere Grenze dea Schwefelwasserstoffs weder genugend genau, noch genugend zuver- laBlich. Es war daher notwendig, zunachst diese Lucke moglichst zu fullen. Die zweite Hauptaufgabe war festzustellen, in welchen Be- ziehungen die untere Grenze des lebenden Zooplanktons mit der Ver- teilung des Schwefelwasserstoffs, sowie mit anderen hydrologischen Faktoren steht. Eine weitere Aufgabe war die Verteilung des pela- gischen Tierlebens eingehend zu untersuchen und das von mir ent- worfene allgemeine Schema zu prufen. Als weitere Aufgaben sind Untersuchungen uber die Lage der Stromungen und uber die Bak- teriologie des Meeres, sowie Erweiterung der Untersuchungen auf noch nicht erforschte Gebiete zu nennen.

Die obere Grenze des Schwefelwasserstoff-Gebiets wurde kolori- metrisch mit Dimethylparaphenilendiamin bestimmt. Selbstverstand- lich kann man auf diese Weise keineswegs die Grenze der letzten Spuren von Schwefelwasserstoff ganz genau feststellen, was ubrigens keine besondere Bedeutung hat. Im Ganzen konnten wir eine schwache Farben-Reaktion (sowie meist einen sehr schwachen H,S-Geruch, der nicht von jedem Beobachter bemerkt wird) ungefahr 15-25, im Mittel 20 m uber derjenigen Schicht bemerken, wo der Schwefel- wavserstoffgehalt nach der Analyse 0.25 ccm per Liter betrug. Die obere Grenze des Schwefelwasserstoffs wurde in Tiefen von 100 bis 162% und 167l/, m beobachtet, der Schwefelwasserstoffgehalt von 0.25 ccm in Tiefen von 122 bis 208 m, von 0.5 ccm in Tiefen von 152 bis 227 m.

Die untere Grenze des lebenden Zooplanktons wurde mit Ge- nauigkeit von 1254 m festgestellt. Als Regel nahmen wir niimlich Planktonproben mit Nansens Schiehetzen so, daB Wassersaulen von je 25 m befischt wurden, aber in der Nahe von der unteren Crenze des Zooplanktons (sowie in anderen speziellen Fallen) wurden Wasser- saulen von nur je 12% m bofischt. Wenn wir z. B. die letzten Spuren des Tierlebens in einer Probe voii 162% bis 150m bemerken, so konnen wir nur sagen, daB die gefangenen einzelnen Tiere zwischen 1621/2m und 150m genommen wurden und daS zwischen diesen Tiefen die Grenze liegt.

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Wenn wir nun die untersten Plankton-Proben, in welchen nocli Spuren des Tierlebens beobachtet wurden, mit der Lage der oberen Grenze des Schwefelwasserstoff-Gebiets zusammenstellen, so konnen wir uns uberzeugen, da13 in den meisten Fallen die untere Grenze des Tierlebens oberhalb der oberen Grenze des Schwefelwasserstoff- Gebiets liegt, viel seltener rnit derselben ungefahr zusammenfallt oder unter derselben liegt. Unter 30 Serien, wo diese Grenzen im Sommer 1925 bestimmt wurden, lag die Grenze des Tierlebens in 24 oberhalb der Grenze des Schwefelwasserstoff-Gebiets, in 3 fielen die Grenzen ungefahr zusammen, in 3 lag die Grenze des Tierlebens unter der oberen Grenze des Schwefelwasserstoffs. In 2 von den 3 letzten Serien finden wir die letzten lebenden Tiere jedenfalls uber den Schichten rnit 0.25 ccm H,S, nur in einor Serie (Station 476) - etwas tiofer. Es kann ltaum die Rede sein, daB die Tiere in denjenigen Tiefen lebten, wo das Wasser mehr, als geringe Quantitaten des Schwefelwasserstoffs enthalt. Es scheint vielmehr wahrscheinlich zu sein, daB die Tiere erst vor kurzem in diese Schichten gesunken warens). DaB wir es hier mit einem zufalligen Fehler zu tun haben, ist wegen der groBen Sorgfaltigkeit in diesen Arbeiten wenig wahr- scheinlich. Dagegen ist es aber wohl moglich, daB die Bestimmung der oberen Grenze des Schwefelwasserstoffs nicht genau war.

Im groBen ganzen konnen wir jedenfalls annehmen, daB die untere Grenze des lebenden Zooplanktons im Schwarzen Meer als Regel oberhalb der obersten Grenze des Schwefelwasserstoffs liegt.

Was die Lage der unteren Grenze des Tierlebens in bezug auf Sauerstoffgehalt anbetrifft, so liegt diese Grenze fast immer unter- halb der Schichten, wo der Sauerstoffgehalt ungefahr 0.5 ccm betragt, zuweilen unter den Schichten rnit 0.4, 0.3, 0.2, sogar 0.1 ccm Sauer- stoff. In relativ seltenen Ausnahmefallen bringt das SchlieBnetz (wie schon oben erwahnt) lebende Tiere aus tieferen Schichten, wo nur Spuren des Sauerstoffs (oder gar kein Sauerstoff 3) zu finden ist.

Welche Temperaturen zeigen die Schichten, in welchen wir letzte Spuren des lebenden Zooplanktons finden ?

Eine genaue Untersuchung von 38 Beobachtungs-Serien im Jahre

*) Im Kaspischen Meer habe ich mehrmals in den Jahren 1914-1915 lebendes Zooplankton in viel tieferen Schichten als sonst beobachtet. Oft fand ich darunter viele schon tote Tiere, und man bekam oft den Eindruck, d& die Tiere nicht in normaleni, sondern in abgeschwachtem Zustand sich befanden. Es lag der Gedanke nahe. daB wir es hier mit absterbendem Zooplankton zu tun haberi.

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1925 zeigt, daB die Temperatur hier immer ungefghr + 8.5O betragt; die groaten Abweichungen von dieser Temperatur betrugen - 0.12 und + 0.140, gewohnlich sind die Abweichungen von + 8.5O vie1 geringer. Wenn wir fur jede der erwahnten Serien die mittlere Tempe- ratur der Schicht mit letzten Spuren des Tierlebens bestimrnen, finden wir, daB dieselben zwischen 8.420 und 8.585O schwanken; nur in einem einzigen Fall betrug die mittlere Temperatur der Schicht 8.6150. Die mittlere Temperatur fur die betreffenden Schichten in allen 38 Beobachtungs-Serien betragt + 8.515O. In denjenigen tiefen Schichten deu Schwarzen Meeres, wo die Temperatur ungefahr bis + 8.50 (+ 8.4 - + 8.6O) steigt, erlischt also das Tierleben.

Eine sehr wichtige Aufgabe der Arbeiten im Schwarzen Meer im Sommer 1925 war, wie erwahnt, das von mir schon vor dem Anfang meiner Arbeiten in diesem Meer auf dem Dampfer ,,Besstraschnyi" im Jahre 1923 entworfene allgemeine Schema der Verteilung des Zooplanktons und der hydrologischen Faktoren im Zusammenhang mit der Verteilung der Stromungen weiter zu priifed). Aus meinen fruheren vorlaufigen Mitteilungen in dieser Zeitschrifts) kann man ersehen, da13 schon die Untersuchungen im Jahre 1923 und noch mehr im Jahre 1924 eine Bestatigung der Richtigkeit dieses Schemas im groBen ganzen gebracht haben; wir fanden keine Tatsachen, die dem Schema und dem Zusammenhang desselben mit der Verteilung der Strtimungen widersprechen konnten. Selbstverstandlich war es nicht moglich, sich damit zu begnugen ; weitere, mehr eingehende, mehr genaue Beobachtungen waren notwendig, um die Richtigkeit und die Bestandigkeit des Bildes zu bestatigen. Die Ergebnisse der Ar- beiten im Sommer 1925 konnen wir als weitere Bestatigungen des entworfenen allgemeinen Bildes ansehen. Leider ist es uns wegen stiirmischen Wetters nicht gelungen, im westlichen Teil des Meeres die geplanten Arbeiten durchzufuhren. Die hydrobiologischen Ver- haltnisse dieses Teils des Schwarzen Meeres, welche hier besonders kompliziert sind, mussen eingehenden dauernden Untersuchungen unterworfen werden. Es bleiben uhrigens noch sehr viele Fragen in der Hydrobiologie dieses so eigentiimlichen Meeres ubrig, die neuer, gr6Berer und besser ausgerusteter Untersuchungen harren.

4) N. M. Knipowitsch: Zur Hydrologie und Hydrobiologie des Schwarzen und des Asowschen Meeres. Diese Zeitschrift, Bd. X I I , Heft 5/6, S. 345-346

6 ) Bd. XII, Heft 5/6, Bd. XlII, Heft 1!2

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Page 13: Zur Hydrologie und Hydrobiologie des Schwarzen und des Asowschen Meeres. Vorläufige Mitteilungen der Asowschen Expedition

Hydro]. u. Hydrobiol. d. Schwarzen u. Asowschen Meeres 93

Die Ergebnisse der Arbeiten der Expedition im Sommer 1925 in dieser Richtung ausfiihrlich mitzuteilen, wurde mich zu weit fuhren

Grenzscbicbt des fierlebens ==== Obere Gmnze yon H2S xxxxx

und ich werde mich mit einigen Beispielen und Bemerkungen be- gniigen.

Ich will zunachst die Angaben eines ungefahr 75 Seemeilen langen hydrobiologischen Schnitts in der Richtung von dem siidlichen Ein-

Page 14: Zur Hydrologie und Hydrobiologie des Schwarzen und des Asowschen Meeres. Vorläufige Mitteilungen der Asowschen Expedition

94 N. M. Knipowitsch

gang in den Sund von Kertsch ungefiihr nach SW anfuhren (vgl. die beiliegenden Tabellen und Abbildung).

Leider wurden die Arbeiten auf zwei von diesen Stationen um 12 Tage friiher a h auf den drei ubrigen ausgefuhrt (die ersteren im Anfang, die letzteren im Ende einer Reise). Darum sind die Angaben uber die obersten Schichten (0, 10 und 25 m) untereinander nicht direkt vergleichbar), auf die tieferen Schichten (von 50 m an) konnte dies wohl keinen merklichen EinfluB ausiiben. AuBerdem mull ich erwiihnen, da13 gerade zu diesem hydrobiologischen Schnitt die- jenige Station (Nr. 476) angehort, auf welcher die letzten Spuren des Tierlebens, wie oben erwiihnt, in Schichten mit bedeutendem Schwe- felwasserstoffgehalt beobachtet wurden.

Im iibrigen gibt uns dieser Schnitt ein typisches Bild der Vertei- lung von Sauerstof f, Schwef elwasserstoff, Temperatur, Salzgehal t und Tierleben in verschiedener Entfernung von der Kuste. Station 500 liegt unweit von dem Rande des Flachseegebiets, Station 476 im Maximum der Strlimung, Station 498 im ausgesprochenen hali- statischen Gebiet, wo die untere Grenze des lebenden Zooplanktons und die obere Grenze des Schwefelwasserstoff-Gebiets in relativ sehr geringen Tiefen zu finden 'sind, Station 499 nimmt eine Mittelstellung zwischen den zwei letztgenannten Stationen ein.

Auf der graphischen Darstellung dieses Schnitts ist der Deutlich- keit halber bloll ein Teil der Isothermen (+ 8.5 und + 8.0°), Isoxy- genen (5 , 4, 3, 2, 1 und 0.5 ccm per Liter), Linien des gleichen Chlor- gehalts (lOo/oo, l l o /m und i1.5°/m, was ungefahr dem Salzgehalt von 18.8, 19.89 und 20.790/,, entspricht) und Linien des gleichen Schwefel- wasserstoffgehalts (0.25, 0.5 und 1 ccm per Liter), sowie die obere Grenze des Schwefelwasserstoff-Gebiets und die untere Grenze dee Tierlebens in der Form von einer 12% machtigen Grenzschicht ein- getragen.

Es. ist kaum natig, weitere Erklarungen iiber diesen Schnitt zu geben; ich will nur die Aufmerksamkeit des Lesers auf die relativ kalten Zwischenschichten mit der Temperatur unter 8O (bis + 7,12O auf der Station 476) lenken, welche auf der Station 476 besonders stark entwickelt sind. Das sind diejenigen Zwischenschichten, welche mehr oder weniger deutliche Spuren der Wintertemperatur behalten').

') Knipowitsch, 1. c. Bd. XII, Heft 5/6, S. 348 und Bd. XIII, Heft 1/2, s. 10.

Page 15: Zur Hydrologie und Hydrobiologie des Schwarzen und des Asowschen Meeres. Vorläufige Mitteilungen der Asowschen Expedition

Hydrol. u. Hydrobiol. d. Schwarzen u. Asowschen Meeres 96

Je nach dem Grad der Abkuhlung im vorigen Winter konnen die Temperaturen in solchen Zwischenschichten im Sommer mehr oder weniger niedrig sein (nach alten Beobachtungen bis + 6 O und + 5.9O).

Im Sommer 1925 habe ich einen neuen Versuch gemacht, die kom- plizierten hydrobiologischen Verhaltnisse im mittleren und west- lichen Teil des Schwarzen Meeres zu erforschen. Wir haben einen 131y4 Seemeilen langen hydrobiologischen Schnitt von 43O48'50" N, 35043' 0 (Station 498) bis 43O27' N , 32O45' 0 (Station 488) gemacht; leider war es wegen ungunstigen Wetters nicht moglich, den Schnitt weiter nach Westen zu fuhren. Abgesehen von der ostlichen Station, wo die Beobachtungen am 18. Juli gemacht wurden, wurden die- selben vom 9, bis 11. Juli ausgefuhrt.

Auf der ostlichen Station (Station 498) finden wir die untere Grenze des Tierlebens, wie oben erwahnt, in der Tiefe von 100-871/2 m, auf zwei folgenden 24.5 und 39.6 Seemeilen weiter nach West (Station 481, 43O42' N, 35O11' 0 und Station 482, 43O39' N, 34O50' 0) in der Tiefe von 150-1371/, m, 15 Seemeilen weiter (Station 483, 43O37' N, 34O30' 0) in der Tiefe von 1371/,-125 m und noch 15 Meilen weiter (Station 484, 43O35' N, 34O09' 0) in der Tiefe von 100-871/im, dann folgen mit Zwischenraumen von 15-151/2 Seemeilen Station 485 (43O32' N, 33O48' 0) und Station 486 (43030' N, 33027' 0), wo die Tiefe der unteren Grenze des Tierlebens 1121/2-100 m betragt, Station 487 (43O27'N, 33O06'0) mit der Tiefe der Grenze wieder 100-871/, m und schlieBlich Station 488 (43O27' N, 32O45' 0) mit der Tiefe der Grenze 1371/,-125 m.

In meiner ersten Mitteilung uber die Hydrobiologie des Schwarzen Meeres in dieser Zeitschrift*) erwaihnte ich, daI3 nach dem von mir entworfenen Schema hier zwischen zwei halistatischen Gebieten, im ijstlichen und im westlichen Teil des Meeres, wo die untere Grenze des Tierlebens im Plankton sehr hoch liegt, von den Kusten der Krim nach den Kusten von Kleinasien ein Gebiet sich erstreckt, wo diese Grenze in groBeren Tiefen zu finden ist, da13 also zwischen zwei kuppelformigen Erhebungen der Grenze, im Osten und im Westen, ein ,,Tal" liegt, und daB meine Vermutungen durch die Er- gebnisse der Untersuchungen bestatigt werden.

M'ie uir aus den Ergebnissen des im Juli 1925 ausgefuhrten hydro- biologischen Schnitts ersehen, ist das ,,Tal" zwischen Stationen 498

8) K n i p o w i t s c h , 1. c. Bd. XII, Heft 5/6, S. 345-347

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96 N. M. Knipowitsch

und 487 in zwei Abschnitte geteilt, den ostlichen mit der Tiefe der unteren Grenze des Tierlebens 150-137% und 137%-125 m und den westlichen mit der Tiefe der Grenze 137%-125m; zwischen denselben erhebt sich auf den Stationen 484 und 487 die Grenze bis 100-871/, m.

Dieser Verteilung der unteren Grenze des Tierlebens entvpricht im Ganzen, besonders im dstlichen Teil des Schnitts auch die Ver- teilung der Isoxygenen und der Linien gleichen Schwefelwasserstoff- gehal ts.

Erwahneswert ist, daB auf einem im Juni 1924 ausgefuhrten, nur etwas sudlicher liegenden hydrobiologischen Schnitt (mit kleinerer Anzahl der Stationen und weniger genauen Bestimmung der unteren Grenze des Tierlebens) wir eigentlich dieselbe Einteilung des ,,Tals“ finden. Es scheint, daB wir es hier keineswegs mit ,,zufalligen“, vor- ubergehenden Erscheinungen zu tun haben ; das Beobachtete scheint etwas Konstantes zu sein. Ich glaube, daB die ostliche Abteilung des ,,Tals“ jedenfalls der Stromung von der Kuste der Krim nach der Kuste von Klein-Asien entspricht ; die westliche Stromung von der Kuste von Klein-Asien nach der Kuste der Krim scheint nach Westen von unserer Station 487 zu liegen.

Eine weitere Aufgabe der Arbeiten im Schwarzen Meer im Sommer 1925 war die Verteilung der Stromung an der.Ostkuste des Meeres naher zu untersuchen. Wir haben daher von 25. Juli bis 8. August einen ungefahr 250 Seemeilen langen hydrobiologischen Schnitt von Station 501 (44O13’10” N, 36O59’30’’ 0) bis Station 520 (47O35’50” N, 41023‘ 0) in der Nahe von Batum gemacht und drei Schnitte (37?4, 56% und 55 Seemeilen lang) von der Linie nach Batum zur kau- kasischen Kuste, und zwar von Station 501 (44°13’10’’ N, 36°59‘30”0) bis Station 506 (44033’45’’ N, 37042’12’’ 0) bei Noworossijsk, von Station 512 (43O19’32” N, 38°12’10‘’ 0) bis Station 508 (43°50’30” N, 39009’20’’ 0) zwischen Tuapse und Sotschig) und von Station 515 (42019’10‘’ N, 40OOO‘ 0 ) bis 525 (42049‘30’’ N, 41001’30’’ 0) bei dem Vo rgebi rge Kod or.

Die Schnit,te zeigen, daB die Stromung am starksten an der Kuste bei Noworossijsk angepreBt ist, so da13 das beobachtete Maximum der Stromung etwa 5% Seemeilen von der Kuste zu finden is t ; zwischen Tuapse und Sotschi liegt das Maximum 7Yz2.Meilen von der

0) Wird Ssotschi gelesen.

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Hydrol. u. Hydrobiol. d. Schwarzen u. Asowschen Meeres 97

Kiiste, bei dem Vorgebirge Kodor - 10 Meilen; bei Batum finden wir dagegen schwach ausgepragtes Maximum in der Entfernung von ungefahr 37-61 Meilen. Bei Noworossijsk ist die StrBmung relativ eng, wird in der Richtung nach Siiden die kaukasische Kiiste entlang breiter und ist sehr breit im Gebiet vor Batum.

Was die untere Grenze des Tierlebens, d. h. die unterste 12% m hohe Schicht, in welcher noch Spuren des lebenden. Zooplanktons beobachtet wurden, so betrug die Tiefe derselben 175-162% m bei Noworossijsk, 167%-150 m zwischen Tuapse und Sotschi, 175- 162% bei Kodor und bloB 150-1371/, im Gebiet von Batum. Nicht weit von Noworossijsk beobachteten wir im Jahre 1924 bei Gelend- shik 212-200m. Zu diesen Angaben iiber die untere Grenze des Tierlebens im Plankton muB ich bemerken, daB auf denjenigen Stel- len, wo die Stromung, wie z. B. bei Noworossijsk, sehr stark an die Kiiste angepreot ist, das Maximum der Stromung in tiefen Schichten geringe Breite hat. Wenige Seemeilen davon finden wir schon wesent- lich andere hydrobiologische Verhaltnisse : andere Verteilung von Sauerstoff, Schwefelwasserstoff, Chlorgehalt, Temperatur und selbst- verstandlich auch andere Tiefe der Grenzschicht des Tierlebens. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daB auch im Ende Juli 1925 die wirk- liche maximale Tiefe der Grenzschicht einige Meilen von der Station 506 zu finden war und daB dieselbe nicht 175-1621/, m, sondern, wie im vorigen Jahr bei Gelendshik, etwas mehr (vielleicht ebenfalls ungeftihr 212l/,-200 m) betrug. Dasselbe bezieht sich auch auf zwei folgende Schnitte, aber nicht auf das Gebiet vor Batum.

Was die Erweiterung des Untersuchungs-Gebiets im Schwarzen Meer anbetrifft, so ist es uns nur gelungen auf wenigen Stationen im nordwestlichen Teil des Meeres zu arbeiten.

Ich gehe jetzt zu Ergebnissen der bakteriologischen Untersucbungen von Prof. B. L. Issatschenko und seiner Assistentin A. A. Jegorowa iiber.

Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchungen von Prof. Issat- schenko iiber die Schwefelwasserstoff produzierenden Bakterien sind schon in meiner 2. vorltiufigen Mitteilung in dieser ZeitschriftlO) mit- geteilt worden. biese Untersuchungen haben gezeigt, daB als die Hauptquelle dieses Gases die im Schlamm des Asowschen und des Schwarzen Meeres weit verbreiteten Bakterien bus der Gattung

lo). Knipowitsch: Internationale Revue, Bd. XIII , Heft 1/2, S. 7-8. Int. Revue d. gee. Hydrob. u. Hydrogr. XVI. 7

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98 N. &I. Knipowitsch

Microspira fungieren, die das Schwefelwasserstoff durch Reduzierung schwefelsaurer Verbindungen produzieren. Dagegen spielen diejenigen Organismen, die das Schwefelwasserstoff aus organischen Verbin- dungen bilden, eine ganz untergeordnete Rolle. Diese Microorganis- men sind in Wassermassen verbreitet und kommen sehr reichlich im Wasser des Asowschen Meeres vor; ihre Anzahl nimmt hier mit der Tiefe sehr stark zu. Im Wasser des Schwarzen Meeres sind diese For- men vie1 weniger zahlreich und verschwinden in Wasserproben aus den Tiefen von 125-150m an,

In ' Boden-Proben des Asowschen und des Schwarzen Meeres sind verschiedene Thiobakterien und Schwefelbakterien gefunden; Prof. W. L. Issatschenko erwahnt folgende Formen der Schwefelbakterien Beggiatoa minima, B. media, B. alba, B. mirabilis, B. arachnoidea, Thiothrix nivea, Amoebobacter granula, Lamprocystis roseo-per- sicina und Spirillum bipunctatum (unter denselben wurde massen- hafte Entwicklung von verschiedenen Spirillum und Spirochaete heobach te t).

Nach Untersuchungen im Jahre 1923 und im Jahre 1925 enthalten die Boden-Proben aus dem Asowschen Meer fast iiberall, die Boden- Proben aus dem Schwarzen Meer im Gebiet der Flachsee (oberhalb des Schwefelwasserstoff-Gebiets) nitrifizierende Bakterien, wahrend in Wasserproben diese Bakterien fehlen.

Sowohl im Wasser wie in Bodenproben beider Meere sind weiter verschiedene denitrifizierende Bakterien verbreitet. Sie sind relativ sptirlich im Wasser, dagegen im Boden sehr verbreitet. Die Unter- suchungen im Jahre 1925 haben gezeigt , daB diejenigen denitrifi- zierenden Bakterien, welche die Denitrifikation ohne organische Stoffe hervorrufen, weit verbreitet sind, aber nur im grauen, nicht im schwarzen Schlamm. Unter den von Prof. Issatschenko fest- pestellten denitrifizierenden Bakterien erweisen sehr viele die Fahig- keit phosphorsaueres und kohlensaueres Kalzium zu bilden.

Im Jahre 1925 an den Kiisten' der %rim, im Jahre 1924 an den Kusten vom Kaukasus wurde die Zersetzung der Zellulose 'durch Mikroorganismen konstatiert ; im Kustengebiet des Sundes yon Kertsch wurden im Jahre 1925 Mikroorganismen gefunden, die das Chitin der Crustaceen-Integumente zersetzen. Unter 17 Formen von Bakterien und Pilzen, welche im Wasser, besonders an der Grenze des Schwefelwasserstoff-Gebiets konstatiert wurden, besitzen zwei Formen der Bakterien und zwei Formen der Pilze die Fiihigkeit,

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Hydrol. u. Hydrobiol. d. Schwarzen u. Asowschen Meeres 99

tierische Fette (einer von diesen Pilzen auch pflanzliche Fette) zu zersetzen.

Im -4sowschen Meer und in Kusten-Lagunen in der Nahe von Kertsch sind Eisenbakterien gefunden worden.

SchlieBlich gehoren zu der Bakterien-Flora des Asowschen und des Schwarzen Meeres verschiedene Formen der leuchtenden Bak- terien.

Ohne in verschiedene andere Ergebnisse der Arbeiten im Jahre 1925 einzugehen, will ich zuletzt eine interessante Beobachtung Dber Nutzfische mitteilen.

In meiner dritten vorlaufigen Mitteilung uber die Hydrobiologie des Asowschen und des Schwarzen Meeres habe ich u. a. erwiihnt, daB das Asowsche Meer die Rolle eines groBen und reichen Weide. platzes nicht nur fur Nutzfische dieses Meeres, sondern auch fur viele Fische des Schwarzen Meeres spielt. Wahrscheinlich mussen wir durch sehr gunstige Ernahrungs-Bedingungen die von N. L. Tschugunow neulich festgestellte Tatsache erklaren, daB Acipenser stellatus (Ssewrjuga) im Asowschen Meer ein auBerordentlich schnelles Tempo des Wachstums und sehr fruh eintretende Fortpflanzungs-Flhigkeit zeigt. Bei dieser (im Asowschen Meer zahlreichsten und wichtigsten) Stor-Art, und zwar bei Exemplaren aus dem Gebiet von Atschujew (groBe Fischerei an der Ostkuste in einem FluBarm von Kubanj) hat Herr Tschugunow festgestellt, daB 117-123 cm lange Mannchen 6-7 Jahre alt sind, 173-176 cm lange Weibchen 15-18 Jahre, wahrend die Fische gleicher GroBe aus dem Gebiet des Flusses Kura vie1 alter sind : Mannchen 14-15 Jahre, Weibchen 26-27. Diesem schnellen Wachstum entspricht auch sehr frub cintretende Fortpflanzung. Die groBe okonomische Bedeutung solcher Tatsachen liegt auf der Hand.

Es bleibt mir noch ubrig, einige Zeilen einer allgemeinen Frage zu widmen, die keine direkte Beziehung zum Inhalt der vorliegenden Mitteilung uber die Arbeiten der Expedition im Jahre 1925 hat, und zwar der Frage uber die geologische Gescbichte des Schwefelwasser- stoff-Gehiets des Schwarzen Meeres.

Man nimmt gewohnlich an, daB ,,das Reich des Todes", die groljte Eigentumlichkeit des Schwarzen Meeres, eine relativ neue Erschei- nung ist. Die fur die Bildung der Schwefelwasserstoff enthaltenden tiefen Schichten notwendigen Bedingungen sollen erst dann ein- getreten soin, als ein Zusammenhang, eine direkte Verbindung des

7*

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100 N. M. Knipowitsch

Pontischen Brackwasser-Meeres mit dem damaligen Mittelmeer sich gebildet hatte.

1st diese Auffassung richtig und vollstandig begriindet ? Die erste Frage, welche wir entscheiden miissen, besteht darin, ob

das Pontische Meer frei von Schichten mit bedeutendem Schwefel- wasserstoffgehalt war oder solche Schichten (abgesehen von der Machtigkeit derselben) in diesem Meer schon vorhanden waren. Ich glaube, daB ich berechtigt bin zu behaupten, daB im Pontischen Meer die tiefen Scbichten einen betrachtlichen Schwefelwasserstoff- gehalt hatten.

Die noch lebenden Relikte der Pontischen Fauna, welche heutzu- tage in gewissen Teilen des Asowschen Meeres und im niederen Laufe der groBen Fliisse des Schwarzen sich finden, sowie gewisse Reste des ausgestorbenen Teils der damaligen Mollusken-Fauna zeigen, daB die Pontische Fauna ungefiihr dieselbe war, welche wir jetzt im Kas- pischen Meer beobachten oder, richtiger, der kaspischen Fauna sehr ahnlich. Dieselbe Fauna beweist, daB auch die hydrologischen VerhlIltnisse im groaen ganzen ungefiihr dieselben waren ; der einzige wesentliche Un terschied (wenn die Tiefenverhiiltnisse mehr oder weniger dieselben, wie jetzt, waren) war die pilaere Tiefe des Pon- tischen Meeresll).

Die hydrobiologischen Verhiiltnisse des Kaspischen Meeres sind uns jetzt gewissermaBen hekanntfa). Uber den Schwefelwesserstoff im Kaspischen Meer besitzen wir leider nur wenige Angaben, aber wiihrend meiner ersten Kaspischen Expedition im Jahre 1904 hat der Chemiker dieser Expedition A. Lebedinzew einige Bestimmungen des Schwefelwasserstoffs gemacht, und wir kiinnen behaupten, daB im mittleren Kaspischen Meer die Grenze der Schichten mit Schwefel- wasserstoff ungefiihr in der Tiefe von 600 m liegt (die grilBte bekannte Tiefe betragt hier 768m) und daB im siidlichen Kaspischen Meer die obere Grenze des Schwefelwasserstoffs in der Tiefe von 736 m festgestellt wurde und die tiefsten Schicliten jedenfalls betxiicht- lichen Schwefelwasseratoffgehalt zeigen. Die Analysen Lebedinzews zeigen, dal3 der Schwefelwasserstoffgehalt in tiefsten Schichten des

'1) Jetzt betragt die,graBte bekannte Tiefe des Kaspischen Meeres 945,5 m, die des Schwarzen Meeres 2244 m.

U) N. Knipowi tsch: Hydrobiologische Untersuchungen im Kasphhen Meer in den Jahren 1914-1915 Intern. Revue, Bd. X, Heft 4/5, S. 394-440 und Heft 6 , S. 561-602 (ausftihrlich in meiner Arbeit in russischer Sprache).

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Hydro]. u. Hydrobiol. d. Schwarzen u. Asowschen Meeres 101

Kaspischen Meeres geniigend ist, um das Tierleben unmoglich zu machen13).

Die Verteilung des Lebens im Kaspischen Meer ist wesentlich von der Verteilung im Schwarzen Meer verschieden. Die untere Grenze des Tierlebens im Benthos liegt in der Regel ungefahr in der Tiefe von von 400m (selten kommen Bodentiere in etwas grooerer Tiefe vor), die Grenze des gewohnlichen Zooplanktons als Regel ebenfalls un- gefahr in der Tiefe von 400 m, seltener bis 500, 550, sogar zwischen 550 und 600 m, aber *das Nannoplankton wurde im siidlichen Kas. pischen Meer von N. A. Samsonow bis 800m verfolgt.

Welche hydrobiologische Verhhltnisse konnen wir nun im Pon- tischen Meer vor der Verbindung mit dem Mittelmeer vermuten 3

'Meiner Meinung nach ungefahr dieselben \vie im Kaspischen Meer ; nur war die Tiefe wahrscheinlich viel groaer, als jetzt im Kaspischen Meer; vielleicht sogar, wie jetzt, mehr als zweimal gr6Ber. Wahr- scheinlich waren daher auch die Schwefelwasserstoff enthaltenden Schichten viel machtiger, als im Kaspischen hleer.

Selbstverstandlich will ich keineswegs leugnen, daB die im Ende der tertiaren Periode oder im Anfang der quaternaren entstandene Verbindung mit dem Mittelmeer sehr groBe Bedeutung hatte und groBe Veranderungen im allgemeinen hydrobiologischen Verhalt- nissen des Meeres hervorrufen muBte, darunter auch in der Vertei- lung des Schwefelwasserstoffs und des Tierlebens. Die eindringenden Massen salzreichen Wassers riefen eine groBe Zunahme des Salz- gehalts in tiefen Schichten und dadurch auch eine groBe Zunahme des Unterschieds im Salzgehalt und im spezifischen Gewicht der oberen und der tiefen Schichten, was im hohen Grad die vertikale Zirkulation hinderte und die Bildung eines machtigen Schwefel- wasserstoffgebiets in tiefen Schichten forderte. Die obere Grenze dieses Gebiets muSte sich allmahlich heben, wobei die Fauna des Bodens in tieferen Schichten vertilgt wurde und die pelagische Fauna bloB in relativ diinnen oberen Schichten sich erhalten konnte. Gleich- zeitig gingen andere grol3e Veranderungen in der Biologie des Meeres vor sich. Ein groSer Teil der urspriinglichen Fauna starb aus und konnte sich teilweise nur in denjenigen Gebieten erhalten, wo dank dem reichlichen ZufluB des SiiBwassers die Existenzbedingungen den friiheren mehr oder weniger ahnlich waren. Die Immigranten aus

13) Ebendaselbst, Heft 6, 8. 575-576.

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102 N. M. Knipowitsch, Hydrol. u. Hydrobiol. d. Schwarxeri u. Asowsclien Meeres

dem Mittelmeer verbreiteten sich mehr und mehr im Schwarzen und im Asowschen Meer. In gewissen Perioden nahmen die Vertreter der eindringenden Mittelmeerfauna auch die Gebiete ein, wo sie jetzt wieder fehlen oder bloB ale Relikte sich erhaltenl*). Vertinderte Exi- atenzbedingungen riefen weiter Vertinderungen in vielen Formen, die von Immigranten oder von urspriinglichen Bewohnern des Pon- tischen Meeres stammen. So bildeten die jetzt vorhandenen Fauna und Flora des Schwarzen und dea Asowschen Meeres und die eigentum- lichen hydrologischen Verhiiltnisse dieser Meere, aber das Schwefel- wasserstoffgebiet des Schwarzen Meeres ist geologisch vie1 tiher, als man frtiher annahm.

la) N. M. Knipowitsch: Zur Hydrologie und Hydrobiologie usw. 3. Hydro- biologische Verhiiltnisse des Asowschen Meeres. S. 17.