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472 XLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 17. JAHRGANG. Nr. 13 26. MARZ 1938. sich allerdings nicht immer nachweisen, well die Fetts~nren auBerordentlich schnell wieder beseitigt werden. Wenn die Beseitigung derselben aber dutch Adrenalin gehemmt wird, kommt es bei allen Kranken mit Kreatinurie zu einer deut- lichen Steigerung der Ketone, die bei Stoffwechselgesunden unter den gleichen Bedingungen ausbleibt. BRENTANOnimmt an, dab die Fetts~uren nnter Umst~nden zur Glykogen- neubildung mit herangezogen werden k6nnen. Nach unseren Untersuchungen mfissen wir diese Vorstellung tiir sehr wahr- scheinlich halten. Wit sahen beim Stoffwechselgesunden, bei dem der Blutzucker nach 3 g Kreatin intraven6s nicht ab- sank und bei dem keine Spontankreatinurie bestand, nur eine geringfiigige Vermehrung der Ketonk6rper im Blur auftreten, w~hrend helm Diabetiker nit Spontankreatinurie unter den gleichen Bedingungen ein recht erheblicher Anstieg und gleichzeitig eine Ketonurie zu beobachten war (Tabelle 3 und 4). Der Blutzucker sank bei dem Diabetiker w~hrend dieser Zeit erheblich ab; deshalb kann eine st~rkere Umwand- lung yon Leberglykogen in Zucker nicht gut angenommen werden. Es mul3 wohl eher an einen gesteigerten Fettumsatz gedacht werden, der yon BRENTANO bei jeder Kreatinurie vermutet ~drd und der dutch die Untersuchungen yon LOI~- MANI;. die einen niedrigen respiratorischen Quotienten bei der Kreatinurie auch nach Znckerzufuhr land, wahrscheino lich gemacht werden konnte, Die Ausscheidung der Ketone im Urin spricht abet dafiir, dab der Muskel mit den vermehrt angebotenen Fetts~uren nicht fertig geworden ist. Es kann sich hier nicht mehr um eine zweckm/iBige Ausgleichvorrich- tung im Stoffwechsel halldeln, sondern um eine krankhaite Abweiehung, da die werivollen Ketonk6rper zum TeiI dem Organismus verlorengehen. Tabelle 3. 3~ 16o [ 9o 112o X5O 18o ~fin~ten Blutzucker in mg% Ketonk6rper (Blur) . Ketonk6rper (Urin) . Kreatinausseheidung Kreatinin (Urin) . . 289 2651210 8 :~2 8,I 60 iio 18o I15 980 22o 6oo 56o Tabelle 4. 198 ~85 9 I2 z3o ~5 o 7o0 47~ 300 24~ ~8o 177 13 18 73~ 980 44~ 35~ 160 24~ 3o 6o l 9o i x2o 15o i8o Minnfen Blutzucker in rag% 90 91 89 9I 9I 90 9I Ketonk rper <Biut . II 3 3,2 3 3,3 5;7 ~ 6,9 7,5 Kreatin (Urin) . . " il o 35 t7~ 220 io 25 Xreatinin (Urin) " li 12o I17 56 7~ 55 20 45 Wenn wir die bisher mitgeteilten Ergebnisse noch einmal zusammenfassen, so ergibt sich ]olgendes Bild: Die Kreatin- urie ist ein Zeichen Itir Glykogenschwund und ftir mangelhafte Glykogensynthese im Muskel. Sie ist nicht durch Zucker zu beeinflussen, obwohl der Zucker in gr6Beren Mengen beim Normalen bewirkt, dab ,con dem zugeffihrten Kreatin mehr im K6rper znriickgehalten wird. Das Kreatin wiederum scheint dem Glykogenansatz im Muskel zu begfinstigen, denn es ruff unter bestimmten Umst~nden eine Blutzuckersenkung hervor, die h~nfig mit Keton~mie und Ketonurie einhergeht. Es besteht demnach eine gegenseitige Beeinfiussung des Kohlehydrat- und des Kreatinstoffwechsels. Es ist deshalb der Gedanke ge~uBert worden, dab im Muskel eine chemische Verbindung zwischen dem Glykogen und dem Kreatin ent- steht. CAt~N und HOUOZT nahmen eine solche Komplex- verbindung zwischen dem Kohlehydrat und Phosphokreatin an. Zur Stfitze ihrer ]3ehauptung ziehen sie die Beobachtung von 2VIASAYAMAnnd I~IESSER heran, die in verschiedenen Skeletmnskeln des Kaninchens stets dasselbe VerhMtnis Phosphagen : Glykogen feststetlten, wenn anch die absolnten ~Verte sehr verschieden grofl waren. Die Untersuchungen yon MASAYA~A und 1RIESS~R haben aber gezeigt, dab nicht der gesamte Kreatinbestand an das!VZuskelglykogen gebnnden sein kann, denn nach Vergiftungen mit Coffein sahen sie einen starken Glykogenverlust bei geringer Phosphagen- einbuBe. Auch BRENTANOland bei experimentellem Glykogen- schwund keine Verminderung, sondern eher eine Vermehrung des Muskelkreatins. JOKL hat Untersnchungen an stark ersch6pfteI1 Tieren vorgenommen und bei erheblichem Glykogenverlust einen unverminderten oder erh6hten Phos- phagengehalt des Muskels gefnnden. Nach iA~IosctitNi kommt es im Froschmuskel gegen Ende des I-Ierbstes zu einem Ab- sinken der Phosphagenwerte, w~hrend das Glykogen gerade im Winter die h6ehsten Werte aufweist. Durch Dextrose last sieh leicht ein Glykogenansatz im Niuskel herbeifiihren, ohne dab sich der Phosphagengehalt ~ndert. Phosphokreatin- und Glykogengehalt des Muskels ver~ndern sich also nicht gteich- sinnig. Deshalb kann mit Sicherheit gesagt werden, dab Glykogen und Kreatin nicht unbedingt eine chemische Ver- bindung eingehen mfissen, um im NIuskeI gestapelt zu werden,. nnd es darI a]s v611ig unbewiesen gelten, dab eine derartige. Verbindung iiberhaupt vorkommt, Die Annahme einer unmittelbaren chemischen Verbin-. dung darf nach den Untersuchungen yon PARNAS nnd LOH- 5~ANN fiber die Koppelung der chemischen Vorggnge bei der Muskeltgtigkeit als sehr unwahrscheintich gelten. Danach stelIen sich die Zusammenhgnge etwa folgendermaBen dar : Beim Zerfall yon Adenosintriphosphorsgure entsteht Adenyl- sgure, und dutch ~bertragung des freiwerdenden Phos- phatrestes auf das Glykogen wird Fructosediphosphors~iure gebildet. Beim Zerfall dieses Stoffes wird die Adenylsaure erneut zu Adenosintriphosphorsgure aufgebant. Damit in der Zeit bis zum Wiederaufbau die Adenylsaure nicht welter in Ammoniak und Inosinsaure zerf~llt, wie dies z. ]3. bei kfinstlicher Verhinderung der Glykogenolyse dutch Mono- jodessigsaure erfolgt, wird ix der Zwischenzeit Phospho- kreatin in Kreatin und Phosphat gespalten und das Phosphat an die Adenyls~ure gekettet. Das Kreatin ist ein indifferenter Stoff, der so lange im Gewebe tiegen bteibt, his es erneut seinen Phosphatrest zur Verffigung gestellt bekommt, nrr~ dann vollstgndig ohne Yerlust in Phosphokreatin verwandelt zu werden. Wieweit diese Zusammenhgnge, die im wesentlichen am isolierten Muskel studiert wurden, tiir den Stoffwechset im: lebenden Organismus von ]3edeutung sind, l~f3t sich noch nicht genfigend fibersehen. Es ist aber denkbar, dab bei krankhaften St6rungen im menschIichen KSrper diese ver- wickelten Vorg~nge nicht in der normalen \Veise ineinander- greifen und dab dann Ver~nderungen im Stoffwechsel ent- stehen k6nnen. Es erscheint auch fraglich, ob das Kreatin wirIdich als ,,indifferenter" Stoff bezeichnet werden kann oder ob ihm nicht vielmehr eine Rolte bei der Glykogen- bildung, so wie es JAHN schon vermutet hatte, zukommt. Literatur: Bis 1934 bei A. REUT~R, Erg. inn. Ivied. 49, 188, (1935). -- D. JAnN, Dtsch. Arch. klin. 2tied. I77, I2I (1935). -- E. JoxL, Klin. Wschr. i935, ii39. --, ]~, LEHNARTZ, Chem. Physiol. Berlin: Julius Springer 1937. -- R. LOH~ANN, Klin. Wsehr. I937, I682. -- A. MoscxlNI, Bull. Soc. Chim. biol. Paris I8, 16o (1936). -- I. K. PARNAS, Klin. VVschr. i935, ior 7. -- O. IRIESSER,Klin. Wschr.. 1936, I257 u. 1937, 449- ZUR PHYSIOLOGIE DER BORGERSCHEN PRESSDRUCKPROBE. Von KARL MATTItES. Aus der MedizinischenUniversitatsklinik Leipzig (Direktor: Prof. M. BURGER). Das Verhalten yon Kreislauf und Atmung beim Valsalva- schen Versuch beansprucht unser Interesse hauptsachlich des- halb, weil die dem Valsalvaschen Versuch entsprechende in- spiratorische Pressung bei einer groBen Anzahl yon Arbeiten und sportlichen Leistungen, wie Oewichteheben, Gerateturnem Tauchen usw., ferner bei physiologischen Vorg~ngen, wie Def$ikation, PreBwehen, vorkommt. Der in Inspirations- stellung fixierte Thorax bietet den Muskeln der oberen Extremitaten den zum Ausfiihren maximaler Xraftleistungen

Zur Physiologie der Bürgerschen pressdruckprobe

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472 XLINISCHE W O C H E N S C H R I F T . 17 . J A H R G A N G . Nr. 13 26. MARZ 1938.

sich allerdings nicht immer nachweisen, well die Fetts~nren auBerordentlich schnell wieder beseitigt werden. Wenn die Beseitigung derselben aber dutch Adrenalin gehemmt wird, kommt es bei allen Kranken mit Kreatinurie zu einer deut- lichen Steigerung der Ketone, die bei Stoffwechselgesunden unter den gleichen Bedingungen ausbleibt. BRENTANO nimmt an, dab die Fetts~uren nnter Umst~nden zur Glykogen- neubildung mit herangezogen werden k6nnen. Nach unseren Untersuchungen mfissen wir diese Vorstellung tiir sehr wahr- scheinlich halten. Wit sahen beim Stoffwechselgesunden, bei dem der Blutzucker nach 3 g Kreatin intraven6s nicht ab- sank und bei dem keine Spontankreatinurie bestand, nur eine geringfiigige Vermehrung der Ketonk6rper im Blur auftreten, w~hrend helm Diabetiker n i t Spontankreatinurie unter den gleichen Bedingungen ein recht erheblicher Anstieg und gleichzeitig eine Ketonurie zu beobachten war (Tabelle 3 und 4). Der Blutzucker sank bei dem Diabetiker w~hrend dieser Zeit erheblich ab; deshalb kann eine st~rkere Umwand- lung yon Leberglykogen in Zucker nicht gut angenommen werden. Es mul3 wohl eher an einen gesteigerten Fet tumsatz gedacht werden, der yon BRENTANO bei jeder Kreatinurie vermute t ~drd und der dutch die Untersuchungen yon LOI~- MANI;. die einen niedrigen respiratorischen Quotienten bei der Kreatinurie auch nach Znckerzufuhr land, wahrscheino lich gemacht werden konnte, Die Ausscheidung der Ketone im Urin spricht abet dafiir, dab der Muskel mit den vermehrt angebotenen Fetts~uren nicht fertig geworden ist. Es kann sich hier nicht mehr um eine zweckm/iBige Ausgleichvorrich- tung im Stoffwechsel halldeln, sondern um eine krankhaite Abweiehung, da die werivollen Ketonk6rper zum TeiI dem Organismus verlorengehen.

Tabe l l e 3.

3 ~ 16o [ 9 o 112o X5O 18o

~fin~ten

Blutzucker in mg% Ketonk6rper (Blur) . Ketonk6rper (Urin) . Kreatinausseheidung Kreatinin (Urin) . .

289 2651210 8 :~2 8,I

60 i io 18o I15 980 22o 6oo 56o

Tabe l l e 4.

198 ~85 9 I2

z3o ~5 o 7o0 47 ~ 300 24 ~

~8o 177 13 18

73 ~ 980 44 ~ 35 ~ 160 24 ~

3o 6o l 9o i x2o 15o i8o

Minnfen

Blutzucker in rag% 90 91 89 9I 9I 90 9I Ketonk rper <Biut . II 3 3,2 3 3,3 5;7 ~ 6,9 7,5 Kreatin (Urin) . . " il o 35 t7~ 220 io 25 Xreatinin (Urin) �9 " li 12o I17 56 7 ~ 55 20 45

Wenn wir die bisher mitgeteilten Ergebnisse noch einmal zusammenfassen, so ergibt sich ]olgendes Bild: Die Kreatin- urie ist ein Zeichen Itir Glykogenschwund und ftir mangelhafte Glykogensynthese im Muskel. Sie ist nicht durch Zucker zu beeinflussen, obwohl der Zucker in gr6Beren Mengen beim Normalen bewirkt, dab ,con dem zugeffihrten Kreatin mehr im K6rper znriickgehalten wird. Das Kreatin wiederum scheint dem Glykogenansatz im Muskel zu begfinstigen, denn es ruff unter bestimmten Umst~nden eine Blutzuckersenkung hervor, die h~nfig mit Keton~mie und Ketonurie einhergeht. Es besteht demnach eine gegenseitige Beeinfiussung des Kohlehydrat- und des Kreatinstoffwechsels. Es ist deshalb der Gedanke ge~uBert worden, dab im Muskel eine chemische Verbindung zwischen dem Glykogen und dem Kreatin ent- steht. CAt~N und HOUOZT nahmen eine solche Komplex- verbindung zwischen dem Kohlehydrat und Phosphokreatin an. Zur Stfitze ihrer ]3ehauptung ziehen sie die Beobachtung von 2VIASAYAMA nnd I~IESSER heran, die in verschiedenen Skeletmnskeln des Kaninchens stets dasselbe VerhMtnis Phosphagen : Glykogen feststetlten, wenn anch die absolnten ~Verte sehr verschieden grofl waren. Die Untersuchungen yon MASAYA~A und 1RIESS~R haben aber gezeigt, dab nicht der gesamte Kreatinbestand an das!VZuskelglykogen gebnnden sein kann, denn nach Vergiftungen mit Coffein sahen sie

einen starken Glykogenverlust bei geringer Phosphagen- einbuBe. Auch BRENTANO land bei experimentellem Glykogen- schwund keine Verminderung, sondern eher eine Vermehrung des Muskelkreatins. JOKL hat Untersnchungen an stark ersch6pfteI1 Tieren vorgenommen und bei erheblichem Glykogenverlust einen unverminderten oder erh6hten Phos- phagengehalt des Muskels gefnnden. Nach iA~IosctitNi kommt es im Froschmuskel gegen Ende des I-Ierbstes zu einem Ab- sinken der Phosphagenwerte, w~hrend das Glykogen gerade im Winter die h6ehsten Werte aufweist. Durch Dextrose las t sieh leicht ein Glykogenansatz im Niuskel herbeifiihren, ohne dab sich der Phosphagengehalt ~ndert. Phosphokreatin- und Glykogengehalt des Muskels ver~ndern sich also nicht gteich- sinnig. Deshalb kann mit Sicherheit gesagt werden, dab Glykogen und Kreatin nicht unbedingt eine chemische Ver- bindung eingehen mfissen, um im NIuskeI gestapelt zu werden,. nnd es darI a]s v611ig unbewiesen gelten, dab eine derartige. Verbindung iiberhaupt vorkommt,

Die Annahme einer unmittelbaren chemischen Verbin-. dung darf nach den Untersuchungen yon PARNAS nnd LOH- 5~ANN fiber die Koppelung der chemischen Vorggnge bei der Muskeltgtigkeit als sehr unwahrscheintich gelten. Danach stelIen sich die Zusammenhgnge etwa folgendermaBen dar : Beim Zerfall yon Adenosintriphosphorsgure entsteht Adenyl- sgure, und dutch ~ber t ragung des freiwerdenden Phos- phatrestes auf das Glykogen wird Fructosediphosphors~iure gebildet. Beim Zerfall dieses Stoffes wird die Adenylsaure erneut zu Adenosintriphosphorsgure aufgebant. Damit in der Zeit bis zum Wiederaufbau die Adenylsaure nicht welter in Ammoniak und Inosinsaure zerf~llt, wie dies z. ]3. bei kfinstlicher Verhinderung der Glykogenolyse dutch Mono- jodessigsaure erfolgt, wird ix der Zwischenzeit Phospho- kreatin in Kreatin und Phosphat gespalten und das Phosphat an die Adenyls~ure gekettet. Das Kreatin ist ein indifferenter Stoff, der so lange im Gewebe tiegen bteibt, his es erneut seinen Phosphatrest zur Verffigung gestellt bekommt, nrr~ dann vollstgndig ohne Yerlust in Phosphokreatin verwandelt zu werden.

Wieweit diese Zusammenhgnge, die im wesentlichen am isolierten Muskel studiert wurden, tiir den Stoffwechset im: lebenden Organismus von ]3edeutung sind, l~f3t sich noch nicht genfigend fibersehen. Es ist aber denkbar, dab bei krankhaften St6rungen im menschIichen KSrper diese ver- wickelten Vorg~nge nicht in der normalen \Veise ineinander- greifen und dab dann Ver~nderungen im Stoffwechsel ent- stehen k6nnen. Es erscheint auch fraglich, ob das Kreatin wirIdich als ,,indifferenter" Stoff bezeichnet werden kann oder ob ihm nicht vielmehr eine Rolte bei der Glykogen- bildung, so wie es J A H N schon vermute t hatte, zukommt.

L i t e r a t u r : Bis 1934 bei A. REUT~R, Erg. inn. Ivied. 49, 188, (1935). -- D. JAnN, Dtsch. Arch. klin. 2tied. I77, I2I (1935). -- E. JoxL, Klin. Wschr. i935, ii39. --, ]~, LEHNARTZ, Chem. Physiol. Berlin: Julius Springer 1937. -- R. LOH~ANN, Klin. Wsehr. I937, I682. -- A. MoscxlNI, Bull. Soc. Chim. biol. Paris I8, 16o (1936). -- I. K. PARNAS, Klin. VVschr. i935, ior 7. -- O. IRIESSER, Klin. Wschr.. 1936, I257 u. 1937, 449-

ZUR PHYSIOLOGIE DER BORGERSCHEN PRESSDRUCKPROBE.

Von

KARL MATTItES. Aus der Medizinischen Universitatsklinik Leipzig

(Direktor: Prof. M. BURGER).

Das Verhalten yon Kreislauf und Atmung beim Valsalva- schen Versuch beansprucht unser Interesse hauptsachlich des- halb, weil die dem Valsalvaschen Versuch entsprechende in- spiratorische Pressung bei einer groBen Anzahl yon Arbeiten und sportlichen Leistungen, wie Oewichteheben, Gerateturnem Tauchen usw., ferner bei physiologischen Vorg~ngen, wie Def$ikation, PreBwehen, vorkommt. Der in Inspirations- stellung fixierte Thorax bietet den Muskeln der oberen Extremita ten den zum Ausfiihren maximaler Xraftleistungen

_~6. MARZ I938 I ( L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 17. J A H R G A N G . N r . 13 473

n o t w e n d i g e n fes ten A n g r i f f s p u n k t . B e i m S p o r t u n d bet der A r b e i t wi rd wohl s t e t s der A t e m angeha l t en , w e n n die S i t u a t i o n eine b e s o n d e r e t ( o n z e n t r a t i o n de r A u f m e r k s a m k e i t u n d k6rpe r l i che B e r e i t s c h a f t e r forder t , so b e i m S ta r t , b e i m S tab - wechsel b e i m S ta fe t t en l au f , bet Ann~ihe rung des Batles usw. Das A t e m a n h a l t e n er fo lg t auch h i e rbe i s t e t s in In sp i r a t i ons - s t e l lung u n d is t me i s t m i t m e h r oder weniger s t a r k e r P r e s s u n g v e r b u n d e n . Ft i r die W i r k u n g de r P r e s s u n g auf den Kl eis lauf is t es yon e rheb l i che r B e d e u t u n g , ob in k6 ipe r l i c h e r R u h e ge- p r eB t wi rd (Defi ikat ion, Va l sa lva -Versuch) , ob w~ihrend de r P r e s s u n g eine e rheb l i che Arbe i t s l e i s t ung geforder t wird, f e rner auch , ob der I~6rper sich vo r Beg inn der P r e s s u n g in R u h e be fand , oder ob schon vo r der P l e s s u n g e rheb l i che v ie l le ich t m a x i m a l e k6rpe r l i che A r b e i t geleis te t wurde . Dagegen is t es yon ger inger B e d e u t u n g , wo b e i m Pressen der Abschlul3 des L u n g e n b r o n c h i a l b a u m s erfolgt , ob a n der Glot t i s oder i m M u n d u n d Gaumensege l oder a u B e r h a l b des K6rp e r s wie b e i m P r e s s e n gegen ein M a n o m e t e r .

l a n g s a m ab, in d en e r s t en 3 ~ S e k u n d e n e t w a Io S~ t t igungs - p r o z e n t (Abb. I). E b e n s o r e i c h t b e i m Pre l3druckver such (P reBdruck 6o mm) in der R u h e der S a u e r s t o f f v o r r a t in de r L u n g e aus, u m die ar ter ie l le Sauers to f f s i i t t igung 2 o - - 3 o Sekun- d en lang v611ig n o r m a l zu h a l t e n (Abb. I). W~ihrend s t a r k e r k6 rpe r l i che r A~bei t a m F a h r r a d e r g o m e t e r (Saue r s to f fve rb rauch de r Ve r suchspe r son 2 1 p ro Minute ) fiel die ar ter ie l le Sauer - s toffs~i t t igung b e i m i n s p i r a t o r i s c h e n A n h a l t e n des A t e m s in. 12 S e k u n d e n auf 7 n %. ab, n a c h 16 S e k u n d e n l a n g e m Pressen in gleicher A t e m s t e l l u n g (PreBdruck zwischen 6o u n d 8o m m Hg) war bet der gle ichen A r b e i t die ar ter ie l le Sauers to f f - s~itt igung ebenfa l l s au f 7 o % . abgefa l len . Der Abfa l l de r Sauers to f f s / i t t igung erfolgte b e i m Pressen w~ihrend k6 rpe r - l icher A r b e i t wohl e twas l a n g s a m e r als b e i m e in fachen A n - h a l t e n des A t e m s u n t e r den gle ichen ]3edingungen (ger ingerer S a u e r s t o f f a b t r a n s p o r t aus den L u n g e n infolge des b e i m Pres sen he~abgese tz t en K r e i s l a u f m i n u t e n v o l u m e n s ) abe r doch schnel l genug, u m if i .wenigen S e k u n d e n eine e rns t e Anox~imie

Abb. I. Verhalten der arteriellen Sauerstoff- s~ttigung beim Atemanhalten und beim PreB-

druckversuch, registriert am Menschen. a Arterielle Sauerstoffs~ittigmlg (Ohrdltrchleuch- {ungskurve), Eichung in Prozent Oxy-Hb. ; b Ohr- plethysmogramm (registriert zur Kontrolle der Volmnenschwankungen des Ohrs, die sich nebell den Anderungen der Sauerstoffs~ittigung ii1 der ()hrdurchleuchtungskurve darste]len; e Atlnung (Hochreinscher Pneumotachograph). 1 Einfacher inspiratorischer AtemstilIstaud in Ruhe; 2 PreB- druck in Ruhe (6o mm Hg); 3 Atemstillstand ~hrend kSrperlicher Arbeit auf dem Fahrrad- ergometer; 4 Prel3druckversuch unter den gleichen Bedingungen; 8 Prel3druckversuch bet statischer Arbeit (Einstemmen in einen Tfirrahlnen). Zeit

in Sekunden.

Bet p resso r i schen A n s t r e n g u n g e n in A r b e i t u n d Spor t k o m m t es n i c h t se l ten zu p l6 tz l i chem Kol laps de r b e t r e f f en d en Pe r sonen . Diese B e o b a c h t u n g v e r a n l a B t e ]3/3RGER 1, die , ,PreB- d r u c k p r o b e " zu e iner F u n k t i o n s p r o b e des I~2reislaufs auszu- b a u e n . Bet 2 o - - 3 o S e k u n d e n l a n g e m Pressen in k6rpe r i i che r R u h e gegen ein Q u e c k s i l b e r m a n o m e t e r , wobei P r e B d r u c k e y o n 4 o - - 8 o m m H g e r r e i ch t wurden , zeigte sich bet e inze lnen V e r s u c h s p e r s o n e n ein Kol laps , de r m i t e inem A b s i n k e n des a m A r m n a c h KOROTKOW gemessenen B l u t d r u c k s au f un- m e B b a r e W e r t e e inherg ing .

Als eine wei tere U r s a c h e des Kol lapses k o m m t besonders be im P r e B d r u c k w~ihrend de r A r b e i t a u c h die infolge de r Still- l egung de r A t m u n g a u f t r e t e n d e Anox~imie in Frage .

I ch h a b e d a h e r das V e r h a l t e n de r a r t e r i e l l en Sauers tof f - s~i t t igung b e i m Pre l3druck in de r R u h e u n d w~ihrend der A r b e i t m i t de r yon mi r b e s c h r i e b e n e n p h o t o e l e k t r i s c h e n M e t h o d e ~ fo r t l au fend reg is t r ie r t . Das V e r h a l t e n der a r te r ie l len Sauers tof fs~i t t igung b e i m P r e B d r u c k wi rd dabe i s te t s m i t d em b e i m e in fachen A n h a l t e n des A t e m s verg l ichen . GepreBt wi rd f a s t s t e t s in In sp i r a t i onss t e l l ung , es s t e h t d a n n in den L u n g e n eine gro2e L u f t m e n g e als S a u e r s t o f f v o r r a t zur Verf t igung. D e m e n t s p r e c h e n d fiillt b e i m e in fachen in sp i r a to r i s chen An- h a t t e n des A t e m s die ar ter ie l le Sauer s to f f s i i t t i gung n u r sehr

zu bewirken , die sehr wohl Ursache v o n BewuBtse in sve r lu s t u n d !Kollaps sein kann . Die B e d i n g u n g e n fli t e inen bed roh - l ichen Abfa l l de r a r te r ie l l en Sauerstoffs~i t f igung wXhrend de r P r e B a t m u n g s ind also gegeben, w e n n aus d e m Z u s t a n d m a x i - ma le r k6rpe r l i che r A r b e i t h e r a u s eine die P r e B a t m u n g be- d ingende Sonde r l e i s tung ge fo rde r t wird. (Beispiel : T a u c h e n b e i m Schwimmen , H i n d e r n i s l a u f e n usw.*) A n c h b e i m ein- f achen wil lkf ir l ichen A n h a l t e n des A t e m s bet m a x i m a l e r A r b e i t kann , wie ich reich se lbs t f iberzeugt habe , t3ewuBtse insver lus t e in t r e t en . Dieser BewuBtse in sve r lu s t i s t abe r n u r sehr kurz- daue rnd , d a m i t d e m Schwinden des Bewul3tseins die A t m u n g w i e d e r k e h r t u n d d a m i t auch das BewuBtse in w i e d e r k o m m t . Es k a n n so z. B. z u m Hinfa l l en be im L a u f e n kommen.. B e i m Tauchen , wo die r e f l ek to r i sch w i ed e rk eh ren d e A t m u n g kehae L u f t in die Lunge b r ing t , k a n n der Z u s t a n d gef~ihrlich werden . A b e t auch ohne ]3ewuBtse insver tns t k a n n die Anox~imie infolge des A t e m a n h a l t e n s oder P ressens bet de r A r b e i t zu e inem Zn- s t a n d v e r m i n d e r t e r Zurechnungsf~ ih igke i t ffihren, den wi t j a a u c h sonar bet anox~imischen Z u s t ~ n d e n b e o b a c h t e n . Es k 6 n n e n so in wich t igen M o m e n t e n Feh l ] e i s tungen z u s t a n d e k o m m e n . (Beispiel : Ver feh len des S t abes h e l m S ta fe t t en lauf . )

* Die Gefahr der Anox~mie ist besonders daml gegeben, wenn vor dem Anhalten des Atems ein Zustand von Hyperventilation bestand.

474 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R

Rein statische, wenn auch maximale k6rperliche Arbeit, die ja fast immer im Zustand des PreBdruckes geleistet wird, be- dingt nach meinen Erfahrungen bei nicht allzu langer Dauer keine Gefiihrdung des I46rpers durch Anox~imie. So sank bei 24 Sekunden langer, im Zustand des PreBdrucks ausgeftihrter maximaler statischer Arbeit (Einstemmen in einen Tfirrahmen) die arterielle Sauerstoffs~ittigung nicht nachweisbar ab (Abb. I). Erfolgt die Pressung start in Inspirationsstellung in Exspirationsstellung, so kommt es anch bei nur statischer

I F T . 17 . J A H R G A N G . Nr. 13 26. MARZ I938

weft (nach anf~inglichem Anstieg), da sich schon w~ihrend der langdauernden Oberdruckatmung das gestaute, stark redu- zierte Blut der Extremit~itenvenen den Eintr i t t in den Thorax erzwingt. Das Einstr6men yon relativ sauerstoffreichem Blur aus den 13auch0rganen zum Herzen kann unter Umst~inden ffir die Aufrechterhaltung des I(reislaufs bei der Uberdruck- atmung yon groger Bedeutung sein.

Das Absinken der arteriellen Sauerstoffs~ittigung beim Hunde w~ihrend der ~;berdrnekatmung ist eine Folge der

Abb. 2. Hund, 2I kg.

1 Druck Arteria fern.; 9 02-Siittigung des Blutes in der Arterie carotis, Eichung in Prozent Oxy-Hb.; 3 Q-S~t t igung des Blutes im rechten Vorhof, Eichung in Prozoltt Oxy-Hb. ; g Atmung. Von a - - b in Kurve I 0berdruckatmung (0berdruck i2 cm H~O), in Kurve 2 Unterdruckatmung (12 cm H~0).

Arbeit, ja sogar in der Ruhe, zu einem Absinken der arteriellen Sauerstoffs~ittigung, dies braucht aber nicht weiter berfick- sichtigt zu werden, da ein Pressen in Exspirationsstellung prak- tisch nicht vorkommt.

Im Tierversuch haben wir auch das Verhalten clef Sauer- stoffs~ittigung des ven6sen Mischblutes des rechten Vorhofs w/ihrend e iner Erh6hung des intrapulmonalen Druckes fort- laufend aufzeichnen k6nnen.

Bei Hunden erzeugten wir eine intrapulmonale Drucksteigerung durch Atmenlassen gegen einen Oberdruek yon lO--2o cm Wasser. Die DrucMlasche yon 2o 1 Inhalt befand sich unmittelbar an der Trachealkaniile des tlundes. Der Druck wurde dutch eine Olpumpe erzeugt und manometrisch kontrolliert. Eine derartige fJberdruck- atmung ist natfirlich kein Pregdruckversuch, da der intrapulmonale Druck nicht durch aktive Muskelkontraktion, sondern lOassiv er- zeugt wird. Die Wirkung auf den I~reislauf (Erschwerung des Ein- tritts des Venenblutes in Thorax und Abdomen) ist abet bei f3ber- druckatmung und Prel3druck eine sehr ~hnliche.

Beim Hunde bewirkt intrapulmonaler Oberdruck eine sehr erhebliche Verlangsamung der Atmung, entsprechend zeigt die Sauerstoffs~ittigung des arteriellen Blutes sehr starke respiratorische Schwankungen (Abb. 2). Im ganzen ist sie bei herabgesetztem Atemvolumen niedriger als vorher. Da- gegen n immt die Sauerstoffsiittigung des ven6sen Misch- blutes w~ihrend der Oberdruckatmung erheblich zu. An Stelle des Blutes aus den Extremit~tenvenen str6mt also sauerstoff- reieheres Blut wahrscheinlich aus dem Bauchraum zum Herzen. Jeder Atemzug bewirkt infolge der Verminderung des ~berdruckes im Thorax einen vorfibergehenden Einstrom stark reduzierten Blutes aus den Extremit/ i tenvenen zum Herzen und damit einen vorfibergehenden Abfall der Sauer- stoffs~ittigung des Blutes im rechten Vorhof. Am Ende der Oberdruckatmung kommt es infolge des Einstr6mens des ge- stauten Blutes der Extremit~itenvenen zu einem starken Ab- sinken der Sauerstoffs~ittigung im rechten Vorhof. Gleich- zeitig steigt die arterielle Sauerstoffs~ittigung an. Dieses gegens~ttzliche Verhalten der arteriellen und ven6sen Sauer- stoffs~ittigung haben wir in 6 verschiedenen Hundeversuchen in stets gleicher Weise beobachtet. 13ei l~inger dauernder Uber- druckatmung kommt es bei einigen u schon w~ihrend der i3berdruckatmung zu einem Abfall der Sauerstoff- s~ittigung des Blutes im rechten Vorhof unter den Ausgangs-

starken Verlangsamung der Atmung. Beim Menschen tr i t t unter den gleichen Bedingungen ff]berdruckatmung) eher eine Beschleunigung der Atmung mit gleichbleibender arterieller Sauerstoffs/ittignng ein.

Unterdruckatmung bewirkt beim Hunde genau die gegen- s~itzlichen Ver~nderungen der Sauerstoffs~ttigung des Blutes im rechten Vorhof wie ~berdruckatmung (Abb. 2). Wiihrend der Unterdruckatmung nimmt die Sauerstoffs~ittigung des

x - - y l~berdruckatmung (l~berdruck = 8 cm Wasser).

Abb. 3. Hund. 20 kg. Registrierung der Durchstr6mung der Art. u. Ven. pulmonalJs mit der Reinschen Stromuhr bei l)berdruckatmung.

1 B lack Arteria fern.; 2 Dstr. Art. pulmonalis; 8 Dstr. Ven. pulmonalis; 4 Atmung.

Venenblutes ab, um nach der Unterdruckatmung anzusteigen. Das Verhalten der arteriellen Sauerstoffs~ittigung ist dabei verschieden. Sie kann bei beschleunigter Atmung gleich- bleiben, zu- oder abnehmen.

Wir haben in t tundeversuchen w~ihrend der ~lberdruck- atmung die Durchstr6mung der Arteria und Vena pulmonalis mit der Reinschen Stromuhr registriert (Abb. 3). Man sieht bei der f3berdruekatmung eine Abnahme der Durehstr6mung der Arteria pulmonalis, die besonders ill den ersten Sekunden der PreBatmung st/irker ist als die gleichzeitige Verminderung der Durchstr6mung der PulmonMvenen. Es kommt also zu einer Abnahme des Herzminutenvolumens sowie zu einer Ab- nahme des t31utgehaltes der Lunge. Entsprechend nimmt auch der Blutgehalt des Herzens ab, wie r6ntgenologisch beobachtet wurde (NOLTXS). Ob die geschilderten VerXnderungen im Lungenkreislauf zu einer Vermehrung des Widerstandes der

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Lungenstrombahn und damit zu einer ]3elastung des rechten Herzens fiihren, l~Bt sich ohne genaue Messung der Differenz des Druckes zwischen Pulmonalarterie und Thorax nicht sicher sagen. Die Druckmessungen yon R. YVAGNER * sprechen ffir ein Ansteigen des Pulmonalgef~Bwiderstandes bei der l)berdruckatmung. Der intrapulmonale Druck wirkt sich nicht in roller H6he als Kompressionsdruck ffir die Lungen- get,Be oder die intrathorakalen Abschnitte des groBen Kreis- laufs aus, da ja der Druck auch auf die Pumpe, das Herz, einwirkt. Die r6ntgenologischen ]3eobachtungen am mensch- lichen Herzen bei der Pregdruckprobe zeigen ein gleichm~Biges Kleinerwerden aller Herzabschnitte 3. Das Kleinerwerden des rechten Herzens entspricht der Abnahme des ven6sen Zu- stroms znm rechten Vorhof, es spricht gleichzeitig gegen eine erhebliche, die Herzentleerung behindernde ~Viderstands- vermehrung im Lungenkreislauf. Die VerMeinerung des tinken Iterzens (die schon bei den ersten HerzschlXgen und Beginn der Pressung nachweisbar ist) kann sowohl durch eine Erleichterung des Abstroms aus den Arterien als auch dutch eine Verminderung des Zustroms (infolge einer Vermehrung des Widerstandes im Lungenkreislauf) erkl~rt werden.

Unterdruckatmung bewirkt eine Zunahme des Blutgehattes der Lunge und eine geringe Zunahme des Herzlninuten- volumens.

Die Abnahme des Bfinutenvolumens des rechten Herzens bei der t )berdruckatmung wird leieht durch die Behinderung des Einstromes des Blutes der Extremitgtenvenen in den Thorax erklgrt. Die Stanung des Venenblutes im Kopf und in den Extremitaten ist das am einfachsten zu beobachtende und am leichtesten zu erkl~rende Symptom bei der ~berdruck- a tmung sowohl wie beim Prel3druckversuch. Registriert man fortlaufend den Venendruck in der Cubitalvene des Menschen, so sieht man den Venendruck w~hrend eines PreBdruck- versuches langsam und gleiehmgNg ansteigen, bei niedrigem Prel3druck erreicht der Venendruek nach 2o--3o Sekunden den Wert des intrathorakalen Druckes. :Bei hohem Pregdruek (fiber 6o mm) sail ich noch nach 35 Sekunden den Venendruck gleichmgi3ig welter ansteigen (er hat te am Ende des Ver- suches 5 ~ mm Hg erreicht). B:{an kann daraus schlieBen, dab bei hohen Prel3drueken eine langdauernde vollst~ndige Stase des Blutes in der Cubitalvene eintritt . Am Ende des Pressens fgllt der Venendruck sehr rasch wieder ab und erreicht nach i - - 2 Sekunden einen Weft, der durchschnittlich 5--IO cm H20 ~iber den Ausgangswert liegt. Der weitere Abfall erfolgt dann langsam in 1--2 2r (Abb. 4)-

Zur fortlaufenden Registrierung des Venendruckes ver- wende ich ein photoelektrisches Glasplattenmanometer, das an a.nderer Stelle ausfiihrlich beschrieben werden wird.

Die Stauung des Venenblntes in den Extremit~ten und im Kopf lagt sich such durch plethysmo~'aphische Registrie- rung nachweisen (Abb. t).

Entsprechend dem Venendruck steigt auch der Liquor- druck auf hohe Werte an (NORDENFSLDS, B O R G E R 1 ) .

An Stelle des Blutes aus Kopf und Extremitgtenvenen, dessen Rfickstrom zum Herzen behindert ist, t r i t t kompen- sierend Blur aus der t3auchh6hle. Wit haben beim Menschen wghrend des PreBdruckversuches die Differenz zwischen dem Druck im Magen (gemessen in einem in den Magen eingeffihrten Gummiballon) nnd dem Druck im Lungenbronchialbaum mit einem Differentialmanometer gemessen und fanden im Magen beim Pressen stets den h6heren Druck. Die Druckdifferenz zwischen Magen und I3rustraum ist ein MaB der Kraft des sich am Prel3druckversuch beteiligenden Zwerchfells. Der Ein- strom des Blutes aus dem Bauchraum und den sich dort be- findenden groBen Blutdepotorganen (Leber, Milz) in den Thorax wird also w~thrend des PreBdruckversuches sogar er- leichtert. Dieses Einstr6men von Blut aus dem Bauchraum zum Herzen (beim Hunde ist, wie wit gesehen haben, dieses Bhlt besser mit Sauerstoff ges~ttigt als das ven6se Mischblut) ist yon groBer Bedeutung ffir die Aufrechterhaltung des Kreis- laufs beim PreBdruck. Ftir die Blutversorgung des linken Herzens kommt dazu noch das J31ut, welches aus der Lunge w~hrend des PreBdruckes abgegeben werden kann. Das , ,Lungendepot" wirkt atso in diesem Falle synergisch mit den

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abdominellen Blutdepots des KSrpers. Der arterielle Abstrom zu den Extremit~ten und zum Kopf wird durch d e n PreB- druck erleiehtert, da sich zu dem vom Herzen aufgebrachten Druck die VVirkung des ant Herz und intrathorakMen Arterien lastenden PreBdruckes addiert. Entsprechend steigt bei fast allen Versuchspersonen der am Arm gemessene Arteriendruck im Beginn der Pressung an. Diese Erh6hung des Arterien- druckes wfirde bei unver~ndertem arteriellem Widerstand zu einem beschleunigten Abstrom des ]3lutes zum Kopf und zu den Extremit~ten ftihren, da der Druckzuwachs nu t diesen Kreislaufgebieten zugute kommt, die nicht selbst wie der intrathorakale und intraabdominelle Tell des Kreislaufes im ganzen unter dem EinfluB des PreBdruckes stehen. Diese ftir die Regulation des Kreistaufs ungfinstige Tendenz wird beim Menschen kompensiert durch eine Sympathicuserregung mit Vasokonstriktion (vielleicht nu t in Kopf- und Extremit~ten ?) und Tachykardie. Gleichzeitig besteht wahrscheinlich eine Vaguserregung (erh6hter Hirndruck, Carotis sinus-Reflexe). Beim normal reagierenden Menschen fiberwiegt w~hrend der Pressung die Sympathicuserregung, nur bei einer Minderzahl yon Versuchspersonen mit Kollapsneigung sah I30RGER ~ schon w~hrend der Pressung Bradykardie. Diese reflektorische Ein- stetlnng vermehrt entsprechend dem angestiegenen Druck den arteriellen Widerstand und verhindert ein Versacken des

Abb. 4- Verhaltea des Venendrucks beim Menschen wihrend eines Prel3druckve~uehs. 1 Atmung; 2 Venendruck. Wahrend des Atemstillstands PreBdruck yon 6o m m Hg.

Blutes in der Peripherie. Eine solche Vasokonstriktion ist besonders such deswegen notwendig, weft das aus Bauch und Lunge zum Herzen str6mende ]glut meist nicht ausreicht, um die Erschwerung des ven6sen Rfickflusses aus der Peri- pherie zu kompensieren. Es kommt daher wohl such beim Menschen stets zu einer Abnahme des Herzminutenvolumens. Dies zeigt sieh z. B. in der geringeren Geschwindigkeit des Sauerstoffabtransportes aus der Lunge beim PreBdruck im Vergleich zum einfachen Atemstilistand (Abb. i). Die Ver- minderung des IvIinutenvolumens infolge mangelnden tR/ick- stromes yore Herzen macht eine Verengerung des arteriellen Strombettes zur Verlneidung des Verblutens in die Peripherie besonders notwendig.

Wir haben mit der yon MATTHZS und I~IALIKIOSlS 6 be- schriebenen Methode die Geschwindigkeit des 131utstromes yon der Lunge fiber das linke Herz bis zu verschiedenen Punkten der Peripherie (Finger, Ohr) gemessen und beim normalen Menschen keine Jinderung des Zeitbedarfs des Btutes ffir diese Kreislaufabschnitte im Beginn und unmittel- bar nach der Pressung gefunden. Dieser 13efund kann Ms ein Zeichen einer guten Kompensation der Kreislaufumstellung beim Pressen gewertet werden.

Die Regulation des Kreislaufs w~hrend des PreBdruckes h/~ngt daher in erster Linie yon der F~higkeit des K6rpers ab ]Nut aus dem Bauchraum, insbesondere aus der Leber, zum Tell auch Blur aus der Lunge zur Verffigung zu stellen, wenn durch die vorfibergehende Abdrosselung des t31utrtick- stromes ans Extremit~ten und Kopf infolge des erh6hten intrathorakalen Druckes die Ffillung des Herzens und des Arteriensystems gef~hrdet ist. Ferner mug dutch eine Vaso- konstruktion im arteriellen System verhindert werden, dab die noch zirkulierende verringerte Blutmenge ill der Peri-

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pherie versackt. Das Versagen einer dieser Regulationen kann zum Kollaps mit Absinken des arteriellen ]31utdruckes ffihren. Wird w~hrend erheblicher k6rperlicher Arbeit gepreBt, so kann auch die infolge Stillegung der Atmung schnell eintretende Anoxtimie zu BewuBtseinsverlust oder zu Fehlleistungen infolge yon ]3ewul3tseinstrtibung ffihren. Die PreBdruckprobe stellt also eine Beansptuchung einer kom- plexen Regulationsfunktion yon Kreislauf und Atmung dar.

Zusammen/assung: ]3eim Menschen wurde w~hrend eines PreBdruckversuches in Ruhe und bet maximaler k6rperlicher Arbeit die arterielle Sauerstoffs~ttigung registriert. W~hrend ill der Ruhe kein Abfall der Sauerstoffs~tttigung einlritt , kann beim Pressen w~ihrend der Arbeit die arterielle Sauerstoff- s~ttigung in wenigen Sekunden auf Werte abfallen, die die Gefahr ether hypox~imisehen BewuBtseinstrfibung oder Be- wuBtseinsverlust veranlassen k6nnen. Bet Hunden wurde in l[Yberdruckatmungsversuchen auch die Sauerstoffs~ttigung des ven6sen Mischblutes registriert. W~ihrend der Llberdruck- atmung str6mt sauerstoffreicheres ]31ut, wahrscheinlich aus den Bauehorganen zum Herzen an Stelle des Extremit~tten- venenblutes, dessen Eintr i t t in den Thorax durch die lJber- druckatmung erschwert ist. Der ]31utgehalt der Lunge nimmt w~Lhrend der ][Yberdruckatmung ab, ebenso wie das Herz- minutenvolumen. An Hand dieser Befunde wird die Um- stellung des Kreislaufes beim PreBdruckversuch eingehend besproehen.

L i t e r a t u r : 1 IV[. B?fIRGER, Klin. ~rschr. I926, i -- Arch. f. exper. Med. 52, 32o (1926). -- 2 K. MATrHES, Arch. f. exper. Path. x79, 698 (I935). -- a F. A. NOLTE, Fortschr. R6ntgenstr. 50 (I937). -- 4 R. WAGNER, Z. Biol. 96, 41o (1935)- -- ~ I%ORDENFELD, Acta reed. scand. (Stockh.) 82, 465 (1937). -- ~ K. MATTH~S U. X. M~LIKIOSlS, Dtsch. Arch. kliu. Med. I79, 50o (I936).

UBER ATMUNGSREGULATION UND GASSTOFFWECHSEL.

Versuch einer Theorie fiber die quantitative Regulation der Atmung.

Volt

Dr. G/JNTHER ZAEPER. Aus der Medizinischen Poliklinik der Medizinischen Akademie und der II. Medizinischen

Abteilung der St~idtischen Krankenanstalten zu D6sseldorf (Direktor: Prof. Dr. KNIPPING).

Im Wandel der Auffassungen fiber Wesen und Zweck der Atmung hat sich heute ein allgemein anerkannter Begriff durchgesetzt, den BETIDE folgendermaBen formuliert: ,,At- mung ist die Zuffihrung von Sauerstoff bis zu den Stellen des Verbrauches und die Abfuhr yon Kohlens~ture yon den Stellen ihrer Entstehung bis zur Entfernung aus dem Organismus."

An der Richtigkeit dieser Definition, welche die Gas- stoffwechselvorg~nge im Organismus summarisch zu erfassen sucht, ist nicht zu zweifeln. Allerdings wird heute der Be- griff , ,Atmung" fast ausschliel31ich auf die Lungenventilation und den Gasaustausch i n d e n Alveolen bezogen, wofiir auch der genauere Ausdruck ,,{~uBere Atmung" Verwendung Iindet. All dieser Stelle soll vorwiegend auf die Regulation der ~iuBeren Atmung eingegangen werden, wenn auch - - wie noch zu zeigen sein wird - - eine funktionelle Abtrennung yon der Gesamtatmung nicht gut m6glich ist.

In Hinblick auf die genannten Hauptaufgaben der Atmung liegt es nahe, anzunehmen, dab die Regulation der Ventilation (XuBere Atmung) entweder in der Weise erfolgt, dab den Bediirfnissen des Organismus an O2-Aufnahme und CO2-Ausscheidung gemeinsam nachgekommen wird, weil diese beiden Teilaufgaben in einem dem respiratorisehen Quotienten entsprechenden Verh~ltnis gleich wichtig stud, oder abet dab die Ventilation derjenigen Teilfunktion direkt nnd quanti• zugeordnet ist, die fiir den Organismus yon gr6f3erer t3edeu- tung ist.

"vVenn wir nun die umfangreiche Literatur tiber die At- mungsregulation durchsehen, so k6nnen wir besonders folgen- des feststellen :

I. /Es sind zahlreiche Theorien aufgestellt worden, bet denen ein direkter Zusammenhang der Atmung mit ihren eigentlichen Aufgaben fibelhaupt nicht erkennbar ist (An- nahme ether direkt zentralen Regulation der Atmung, Re- gulierung der Aimung nach der V~asserstoffionenkonzentra- tion im Blut usw.).

2. Bet der Mehrzahl der Theorien wird eine nur auf einc. Teilfunktion der Atmung eingestellte Regulation angenom- men, wobei der IKohlens~ure die wesentliche regulative Be- deutung zugemessen wird (Regulation der Atmung nach dem CO2-Ausscheidungsbedfirfnis nnd nach der CO_~-Spannung in den Alveolen).

3. Es werden fast nie Angaben fiber die quanti tat iven Beziehungen des angenommenen Regulationsmeehanismus. zum Atemminutenvolumen - - das ja das Ergebnis der je- weiligen Regulation sein mul3 - - gemacht. Vielmehr be- sehr~nkt man sich darauf, nur den quali tat iven EinfluB der bet der Steuerung der Atemtgtigkeit als mai3geblich an- gesehenen Faktoren herauszustellen.

4. Bet der Mehrzahl der bisher vorliegenden Untersuchungen fiber die Regulation der Atmung werden die Verhiiltnisse bei K6rperruhe zugrunde gelegt. Eine Atemtheorie muB abet vor allem dann ihre Richtigkeit beweisen,wenn gr6Bere Anforderun- gen als in Ruhe an die Ventilation gestellt werden, nSmlich bei k6rperlicher Arbeit. Wie noch zu zeigen sein wird, sind die wiehtigsten bisherigen Atemtheorien ant die Verh~ltnisse bet Muskelarbeit nicht ohne weiteres anwendbar.

Im allgemeinen wird heute angenommen, dab das Aus- scheidungsbedfirfnis des Organismus ffir KohlensSure bzw. die CO~-Spannung in den Alveolen mal3geblich ist ffir die Regulation der Ventilation und damit auch ftir die jeweilige Gr6Be des Atemumfanges. Aber auch der Wasserstoffionen- konzentration des Blutes wird eine ausschlaggebende Be- deutung beigemessen, wobei - - ebenso wie bet der Kohlen- sXure - - die direkte Beeinflussung des Atemzentrums dutch den Grad der BIuts~Luerung bzw. die Empfindlichkeit des Atemzentrums in Rechnung gestellt wird. (Die versehiedenen Anschauungen und Autoren k6nnen bier wegen der Kiirze des zur Verffigung stehenden Raumes nicht aufgeffihrt werden. Es set verwiesen auf die einschlXgigen Handbficher und auf die Darstellung yon BETHEl.)

Von einigen Autoren wird allerdings eine gewisse Be- teiligung des Sauerstoffbedarfes bet der Atmungsregulation verrr_utet, die abet erst in zweiter Linie und dann in Frage kommen soil, wenn aus irgendeinem Grunde Sauerstoff- mangel auftri t t .

Es kann nun kein Zweifel darfiber bestehen, dab der Gesamtstoffwechsel des Organismus letzten Endes nach den Bedfirfnissen der Zellen reguliert wird. Das gleiche muB logischerweise auch yon der Gesamtatmung (~uBere + innere Atmung) angenommen werden. Da weiterhin bet der Atmung mehrere Funktionssysteme - - vorwiegend Lunge, Kreislauf und Blut - - als Transportorgane beteiligt sind, die in Hin- sieht ant den Gasstoffwechsel gleichartige Aufgaben zu er- ffillen haben, sind auctl zwischen Ventilation und Kreislauf bestimmte Beziehungen zu vermuten, die einer gemeinsamen und den Forderungen der Zellen irgendwie angepaBten Regu- lation unterliegen.

-~_hnliche Vermutungen sind bereits friiher yon einigen Autoren ausgesl;rochen wcrden, ohne dab allerdings - - worauf schon hingewiesen wurde - - bestimmte quanti tat ive Angaben gemacht werden konnten. Im allgemeinen bestehen aber gerade in Hinsicht auf diese Beziehungen ganz verschiedene Anschauungen, die sich yon den eben kurz angedeuteten sehr wesentlich unterscheiden. So wird z. t3. angenommen, dab der ~!/J[eehanismus der Atmungsregulierung yon der des I<reislaufes unabMtngig sei, dab nur zu Beginn ether schweren Muskelarbeit ein gemeinsamer Steuerungmechanismus be- stehe, w~hrend sp~ter die Regulierung der Atmung mittels der CO2-Spannung erfolge. Andere Autoren vermuten, dab die Durehblutung und damit die Arbeitsleistung des I<reislaufes in erster Linie wegen der mehrproduzierten I4ohlensXure gesteigert wiirde, weniger wegen des Antransportes von Sauerstoff, nnd dab weiterhin das Herzminutenvolumen in starkerem MaBe