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Page 1: 55-jährige Patientin mit Husten, Fieber, Gelenkschwellungen und Exanthem nach einem Urlaub in Ecuador; A 55-year-old woman with cough, fever, swelling of joints, and exanthema after

I. Müller-Stöver1 · K. Tintelnot2 · J. Richter1 · D. Häussinger1

1 Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf2 Konsiliarlabor für Erreger importierter Systemmykosen, FG16, Robert Koch-Institut, Berlin

55-jährige Patientin mit Husten, Fieber, Gelenkschwellungen und Exanthem nach einem Urlaub in Ecuador

Anamnese

Erstvorstellung im Frühling 2011

Die 55-jährige Patientin stellte sich im Frühling 2011 wegen Husten und leichtem Fieber bei ihrem Hausarzt vor. Drei Wo-chen zuvor hatte sie sich während eines Urlaubs in Ecuador auch im Urwald auf-gehalten. Alle notwendigen Impfungen (Gelbfieber, Hepatits A/B, Typhus, Teta-nus/Diphterie) waren durchgeführt wor-den. Während der Reise hatte sie keinerlei Beschwerden. Eine Therapie mit Amoxi-cillin erbrachte keine Besserung. Stattdes-sen verschlechterte sich das Krankheits-bild, es kamen thorakale Schmerzen, ge-neralisierte Gelenkschwellungen und ein generalisiertes papulöses Exanthem hin-zu. Therapiert wurde mit Analgetika und Antiphlogistika.

Eine Laborkontrolle ergab einen C-re-aktives-Protein(CRP)-Wert von 189 mg/ml (Normbereich: <5 mg/ml) und eine Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) von 90/120 mm nach Westergren (Normwert: 4/12 mm), eine Leukozytose bestand nicht. Routinelaborwerte, Rheumaserologie und Borrelienserologie waren normal.

Ein Röntgenbild des Thorax zeigte einen fokalen Herdbefund rechts apikal. In der Computertomographie (CT) wur-de er als 14 mm großer, unregelmäßiger Rundherd mit fraglichem Pleurakontakt beschrieben, weiterhin zeigten sich mini-male Lymphknotenvergrößerungen me-diastinal und zervikal (. Abb. 1a,b). Ne-ben den bekannten Beschwerden klag-

te die Patientin zusätzlich über extremen Nachtschweiß.

Im Sommer 2011 erfolgte eine statio-näre Aufnahme zur Bronchiallavage (BL). Die Histologie der BL konnte ein kleinzel-liges Bronchialkarzinom nicht sicher aus-schließen.

Verdachtsdiagnose 1

F  Maligner Lungentumor

Verlauf bis Herbst 2011

Zwei CT-Kontrollen zeigten einen status idem. Eine Positronenemissionstomogra-phie(PET)-CT (. Abb. 2) ergab einen er-höhten Glukosestoffwechsel in den pa-ratrachealen, mediastinalen und Hals-lymphknoten. Im Rundherd fand sich kei-ne erhöhte Aktivität. Eine Differenzierung zwischen Entzündung und Karzinom war nicht möglich, sodass die Empfehlung zur Biopsie ausgesprochen wurde.

Bei der erneuten stationären Aufnah-me Ende 2011 war die Magnetresonanzto-mographie des Schädels unauffällig, der γ-Interferon-Test negativ. Nach Mediastinos-kopie und Biopsie paratracheal rechts kam es zu einem postoperativen Spannungs-pneumothorax. Histologisch wurden gro-ße, z. T. verkäsende Epitheloidzellgranu-lome mit Verdacht auf eine Tuberkulo-se beschrieben; die Ziehl-Neelsen-Fär-bung und die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) waren jedoch negativ.

Verdachtsdiagnose 2

F  Lungentuberkulose

Eine Vierfachtherapie der Tuberkulose wurde nach Entlassung durch den Haus-arzt begonnen, nach Durchsicht aller Be-funde (negativer γ-Interferon-Test, nega-tive PCR, negative Färbung) auf Anraten der Klinik im Februar 2012 jedoch wieder abgebrochen. In den folgenden 8 Mona-

Abb. 1 8 Computertomographie. a, b 14 mm großer apikaler unregelmäßiger Rundherd rechts. (Mit freundl. Genehmigung von RADPRAX Wuppertal)

Internist 2014 DOI 10.1007/s00108-014-3517-7© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

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ten erfolgte keine weitere Diagnostik oder Therapie.

Vorstellung in der tropenmedizinischen Ambulanz im Sommer 2012

Da eine importierte Parasitose in einem der Arztbriefe differenzialdiagnostisch diskutiert worden war, stellte sich die Pa-tientin 16 Monate nach der ersten Sym-ptomatik erstmals in unserer tropenme-

dizinischen Ambulanz vor. Die wesentli-chen Beschwerden waren zu diesem Zeit-punkt massiver Nachtschweiß und all-gemeine Schwäche. Es bestanden weder Husten noch Fieber oder Gewichtsverlust.

Körperlicher Untersuchungsbefund

Die Patientin wog bei einer Größe von 168 cm 72 kg (Body-Mass-Index: 25,5 kg/m2). Bei einer Pulsfrequenz von 68/min lag der Blutdruck bei 130/80 mmHg und

die Atemfrequenz bei 16/min. Über der Lunge fanden sich ein sonorer Klopf-schall, ein vesikuläres Atemgeräusch, rei-ne, regelmäßige Herztöne, ein weiches Abdomen, keine tastbaren Resistenzen, keine Lymphknotenschwellungen und kein Exanthem.

Klinisch-chemische Untersuchungen

Im Routinelabor waren CRP und BSG normal. Beide Werte waren im Verlauf schon rückläufig gewesen und seit Febru-ar 2012 im Normbereich, da – retrospektiv – die akute Phase des Krankheitsbilds be-reits in die chronische Phase übergegan-gen war.

Mykoserologisch konnten Antikör-per gegen Histoplasma capsulatum in der Komplementbindungsreaktion (KBR; Ti-ter 1:16) und im qualitativen Immunglo-bulin-G-Western-Blot nachgewiesen wer-den. Ein Antikörperscreening auf Kokzi-dioidomykose und Parakokzidioidomy-kose fiel negativ aus.

In der retrospektiven Untersuchung der paraffinisierten Lungenbiopsie konn-ten in den Grocott-gefärbten Nachschnit-ten mikroskopisch vereinzelt 2,5–3,5 µm große, rundovale Hefen im Randbereich eines Granuloms dargestellt werden, ver-einbar mit H. capsulatum (. Abb. 3a,b). Mithilfe einer DNA-Extraktion, „nested PCR“ aus dem 18S-Bereich der rDNA [1] und Sequenzierung ließ sich H. capsula-tum nachweisen.

Diagnose

F  Pulmonale Histoplasmose

Therapie und Verlauf

Eine Therapie mit Itraconazol 400 mg/Tag wurde im Sommer 2012 eingeleitet. Die Patientin war nach 3 Monaten be-schwerdefrei. Die Therapie wurde über die empfohlenen 8 Monate hinaus fortge-führt, da zu diesem Zeitpunkt trotz eines ausreichenden Itraconazol-Spiegels (Bio-assay: 2,9 mg/l; therapeutischer Bereich: 0,5–2,5 mg/l) noch keine Befundände-rung in der CT und kein signifikanter Ti-terabfall in der KBR zu verzeichnen wa-

Abb. 2 9 Positronen-emissionstomogra-phie-Computertomo-graphie. Kein erhöh-ter Glukosestoffwech-sel im Rundherd. (Mit freundl. Genehmigung von RADPRAX Wup-pertal)

Abb. 3 8 Biopsat der Lunge. a Granulomatöses Bild mit mehrkerniger Riesenzelle (Stern), ohne er-kennbare Erreger (HE-Färbung; Vergr. 10:1). b Ganz vereinzelt spitz-ovale, teils sprossende Hefezellen (Pfeil), vereinbar mit Histoplasma capsulatum (Grocott-Färbung; 100:1)

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ren. Im Januar 2014 wurde die Therapie bei jetzt negativer KBR beendet.

Diskussion

Histoplasmose

Die Histoplasmose ist eine Mykose, die in weiten Teilen der Welt endemisch ist. Die Sporen finden sich im Erdreich, in Hüh-nerställen, Fledermaushöhlen, auf verrot-tenden Bäumen und Feldern. Die Infekti-on erfolgt üblicherweise durch Inhalation. Einen effektiven Schutz gibt es nicht.

Importierte Histoplasmosen bei Im-munkompetenz werden am häufigsten nach Besuchen von Fledermaushöhlen in Endemiegebieten beobachtet [2, 3, 6]; dies traf auf unsere Patientin allerdings nicht zu. Vermutlich infizierte sie sich bei ihren Wanderungen durch den Urwald Ecua-dors. Mensch-zu-Mensch-Übertragungen sind nicht beschrieben.

Verlauf

Bei Immunkompetenz verläuft die Er-krankung oft inapparent, extrem selten je-doch auch letal. Eine disseminierte Infek-tion entwickelt sich überwiegend bei Im-muninkompetenz [4, 5].

Klassische Symptome einer akuten pulmonalen Histoplasmose, die auch un-sere Patientin entwickelte, sindF  Fieber,F  allgemeines Krankheitsgefühl,F  Husten,F  thorakale Schmerzen,F  hohe Entzündungswerte,F  generalisierte Gelenkbeschwerden

undF  ein Erythema nodosum.

Die chronische pulmonale Infektion, die unsere Patientin im Verlauf zeigte, ist kli-nisch und radiologisch einer pulmonalen Tuberkulose oder einem Karzinom sehr ähnlich.

»  Eine frühere tropenmedizinische Konsultation hätte den Krankheitsverlauf deutlich verkürzt

Obwohl unsere Patientin immer wieder betonte, dass die Symptomatik im An-schluss an ihren Urlaub in Ecuador be-gonnen hatte, wurde eine tropenspezifi-sche Lungenerkrankung nicht diskutiert. Eine frühere Einbeziehung tropenmedi-zinischer Kompetenz hätte nach Ansicht der Autoren den Krankheitsverlauf deut-lich verkürzt. Auch die stationären Auf-enthalte, die durch den Pneumothorax kompliziert verliefen, wären dann über-flüssig gewesen.

Diagnostik

Der direkte Erregernachweis erfolgt mik-roskopisch oder mithilfe von Kulturen aus Sputum, bronchoalveolärer Lavage, Blut, Knochenmark oder diversen Biopsaten. Weiterhin kommen Gensonden, PCR und Sequenzierungen zur Anwendung [1]. Ein

Antikörpernachweis kann mittels West-ern-Blot, der KBR und im Immundiffu-sionstest erfolgen.

Histologisch sieht man intrazellulär et-wa 2–4,5 µm große hefeähnliche Erreger [6]. In der HE-Färbung ist H. capsulatum nicht oder nur bei extrem hoher Erreger-dichte zu vermuten. Entsprechend wurde der Erreger auch im Präparat unserer Pa-tientin nicht erkannt. Sensitiver ist die Sil-berfärbung nach Grocott.

Differenzialdiagnose

Differenzialdiagnostisch kommen die Lungentuberkulose, die Pneumocystis-ji-rovecii-Pneumonie, eine Blastomykose, Aspergillose und eine Kokzidioidomy-kose in Betracht, je nach Endemiegebiet auch die Leishmaniose.

Zusammenfassung · Abstract

Internist 2014 · [jvn]:[afp]–[alp]   DOI 10.1007/s00108-014-3517-7© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

I. Müller-Stöver · K. Tintelnot · J. Richter · D. Häussinger55-jährige Patientin mit Husten, Fieber, Gelenkschwellungen und Exanthem nach einem Urlaub in Ecuador

ZusammenfassungEine 55-jährige Patientin stellte sich 16 Mo-nate nach Aufenthalt in Ecuador mit einem unklaren Lungenbefund vor. Es bestanden Nachtschweiß und allgemeine Schwäche. In der Computertomographie zeigte sich ein 14 mm großer Rundherd. Serologisch konn-ten Antikörper gegen Histoplasma capsula-tum in der Komplementbindungsreaktion (KBR) und im Immunglobulin-G-Western-Blot nachgewiesen werden. Die Nachunter-suchung einer paraffinisierten Lungenbiopsie zeigte Hefen in der Silberfärbung, vereinbar mit H. capsulatum. Die Diagnose einer Histo-

plasmose wurde molekularbiologisch bestä-tigt. Nach Einleitung einer Therapie mit Itra-conazol 400 mg/Tag kam es prompt zur klini-schen Besserung ohne wesentliche Größen-veränderung des Lungenrundherds. Eine se-rologische Verlaufskontrolle nach 17 Mona-ten ergab eine unauffällige KBR.

SchlüsselwörterUnklarer Lungenherd · Histoplasmose · Endemische Erkrankungen · Reisemedizin · Komplementbindungsreaktion

A 55-year-old woman with cough, fever, swelling of joints, and exanthema after a trip to Ecuador

AbstractA 55-year-old woman presented 18 months after a trip to Ecuador with night sweat, mal-aise, and an unclear lesion of the lung. Com-puted tomography of the lung showed a nodular lesion of 14 mm. Antibodies against Histoplasma capsulatum were detected in the complement fixation text (CFT) and IgG west-ern blot. Re-examination of a formalin fixed paraffin embedded (FFPE) lung-biopsy re-vealed yeasts after silver staining, compati-ble with H. capsulatum, which was verified by extraction and amplification of DNA from FF-

PE. After therapy with itraconazole 400 mg/day, the patient showed an uneventful clin-ical recovery without regression of the lung lesion. The serological follow-up examination after 17 months showed CFT without patho-logical findings.

KeywordsUnclear lung lesion · Histoplasmosis · Endemic diseases · Travel medicine · Complement fixation tests

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Therapie

Die verschiedenen Formen werden unter-schiedlich therapiert: Die akute pulmona-le Histoplasmose erfordert keine antimy-kotische Therapie, die chronische pulmo-nale Histoplasmose wird mit Itraconazol 400 mg/Tag über mindestens 8 Monate therapiert. In dieser Zeit bilden sich die Rundherde in der Regel zurück, hinterlas-sen aber Verkalkungen, die „coin lesions“.

Disseminierte Infektionen ohne Betei-ligung des Zentralnervensystems werden ebenfalls mit Itraconazol – oder mit Po-saconazol – therapiert, während bei foud-royanten disseminierten Infektionen Am-photericin B zum Einsatz kommt [5, 8].

Fazit für die Praxis

Bei zunehmender Reiseaktivität von Per-sonen aus Mitteleuropa muss bei unkla-ren Krankheitsbildern zwingend auch an Erkrankungen gedacht werden, die in den Urlaubsländern endemisch sind. Die Histoplasmose ist eine Mykose, die in weiten Teilen der Welt vorkommt. Ins-besondere bei unklaren Herdbefunden der Lunge und entsprechender Anamne-se ist eine mykologische Diagnostik un-abdingbar.

Korrespondenzadresse

Dr. I. Müller-StöverKlinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie, Universitätsklinikum DüsseldorfMoorenstr. 5, 40225 Dü[email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  I. Müller-Stöver, K. Tintelnot, J. Richter und D. Häussinger geben an, dass kein Inter-essenkonflikt besteht.   Der Beitrag enthält keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

1.  Bialek R, Fischer J, Feucht A et al (2001) Diagno-sis and monitoring of murine histoplasmosis by a nested PCR assay. J Clin Microbiol 39:1506–1509

2.  Ehrhardt J, Tintelnot K, Kremsner P, Frank M (2012) Progressive malaise and joint pain after travel to Costa Rica. Dtsch Med Wochenschr 137:2260

3.  Kajfasz P, Basiak W (2012) Outbreak of pulmona-ry histoplasmosis involving a group of four Polish travellers returning from Ecuador. Int Marit Health 63:59–62

4.  McLeod DS, Mortimer RH, Perry-Keene DA et al (2011) Histoplasmosis in Australia: report of 16 ca-ses and literature review. J Thorac Cardiovasc Surg 141:688–693

5.  McKinsey DS, McKinsey JP (2012) Pulmonary his-toplasmosis. Trop Doct 42:32–34

6.  Sénéchal A, Ferry T, Boibieux A et al (2011) Impor-ted pulmonary histoplasmosis in three French ca-vers after a trip to Cuba. Semin Respir Crit Care Med 32:735–744

7.  Tintelnot K (2013) Differenzialdiagnosen beim Nachweis von Hefen und hefeähnlichen Organis-men. Pathologe 34:519–527

8.  Wheat LJ, Freifeld AG, Kleiman MB et al (2007) Cli-nical practice guidelines for the management of patients with histoplasmosis. Clin Infect Dis 45:807–825

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