1
DEUTSCHLANDFUNK Redaktion Hintergrund Kultur / Hörspiel Redaktion: Ulrike Bajohr Fünf Frauen in Odessa Ein Feature von Elke Bredereck Sprecherinnen: Tanja: Anke Zillich Liana: Meriam Abbas Oxana: Sigrid Burkholder Inna: Lucie Heinze Jana: Runa Schäfer Erzählerin: Christine Jensen, URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © DeutschlandRadio Sendung: 12.8. 2011 (Bahnhofslärm von Ferne/Musik Ach Odessa)
2
01 Oxana: (O-Ton) Tri, 4etyre raza ja byla v italii, ja tam rabotala, polu4ila delovuju vizu i
o4en obratila vnimanie 4toby menja ne deportirovali. Kogda ja vernulas domoj, mne za
Drei, vier Mal war ich in Italien, habe dort gearbe itet, diese Geschäftsvisa
bekommen und immer darauf geachtet, dass ich nicht ausgewiesen werde.
Als ich dann wieder nach Hause kam, konnte ich zwei Jahre lang kein Visum
bekommen, keine Botschaft hat mir ein Visum gegeben . Ich habe verschiedene
Agenturen ausprobiert. Ich hab da 1000 Dollar verlo ren, die haben zu gemacht
und sind verschwunden.
02 Liana (O-Ton)
Pojti na takoj shag, na kakoj poshla moja sestra, zaklju4iv brak na zapade, ja ne gotova.
Po krajnej mere, es4o ne gotova. Esli 4eres nekotoroe vremja moi sily polnostju
issjaknut, mozhet byt mne pridetsja sdelat 4to to podobnee.
So einen Schritt wie meine Schwester getan hat mit ihrer Heirat in den Westen,
dazu bin ich nicht bereit. Zumindest noch nicht. We nn sich in einiger Zeit meine
Kräfte völlig erschöpft haben, vielleicht muss ich dann auch so was machen.
Ich kann mir schwer vorstellen, dass ich mit so ein em Schritt glücklich werde.
03 Jana (O-Ton) My samyj horoshij podarok na novyj god: ja utrom prosypajus i pod
podushkoj lezhat 500 dollarov. predstav sebe; eto bylo prosto super!
Mein tollstes Geschenk zu Neujahr war: ich wache mo rgens auf und unter meinem
Kissen liegen 500 Dollar. Stell dir vor (lacht); da s war Wahnsinn! (3)
3
04 Inna (O-Ton):
Navernoe eto smeshno, no ja patriotka. 4ego i ne bylo, ja o4en ljublju svoju rodinu. Ja
ne smogla by uehat na vsegda. Moi druzja uedut za granicu, oni govorjat: tam
prekrassno, tam civilizovanno.
Es ist vielleicht lächerlich, aber ich bin patrioti sch. Was es auch alles gibt, ich
liebe meine Heimat und würde nie weggehen. Meine Fr eunde gehen ins Ausland
und sagen, dort ist es schön, zivilisiert. Aber ich kann nicht weggehen. Das hier
ist meins. 05 Ich hänge sehr an meiner Familie, meinen Eltern, me inen
Großmüttern, meinem Onkel. Ich kann mir nicht vorst ellen wegzugehen. Sie in ein
anderes Land umzutopfen, nein. Es gibt da was in de r Luft, im Wasser, in der
Erde. Etwas, ohne das du nicht leben kannst.
06 Tanja: (O-Ton)
Ja znaju 4to ljudi otsjuda uedut. Ja rada za nih. Kto etogo ne smozhet tot dolzhen zdes
sidet.
Ich weiß, dass Leute auswandern und ich freue mich für sie. Wer es nicht kann,
der muss eben hier sitzen.
Ansage
Liana:
Fünf Frauen in Odessa
Jana:
Ein Feature von Elke Bredereck
(Schiffe, Marschrutka)
4
Erzählerin:
Da drüben, irgendwo auf der anderen Seite, liegt I stanbul.
Hier in Odessa führen bucklige Straßen zum Meer hin unter. Auf ihnen rumpeln
Marschrutkas: kleine, meist prall gefüllte Linienta xis.
Darin hocken ein paar Jungs in Muskelshirts und vie le geschminkte Frauen. In
weit ausgeschnittenen Dekolletés hebt und senkt sic h das orthodoxe Kreuz im
Takt mit den kaum durch Stoßdämpfer abgefederten Sc hlaglöchern. Der Fahrer
flucht, er fährt Slalom um große Löcher, die Fahrgä ste werden hin- und
hergeschüttelt. Es scheint ihnen nichts auszumachen . Gleichmütig wird das
Fahrgeld von Hand zu Hand zum Fahrer gereicht.
Draußen zieht die Stadt vorbei. Die alten Alleen, d ie Kirchen, das Konservatorium.
Arme Alte mit ausgestreckter Hand. Einfache Frauen mit Kopftuch. Elegante junge
Frauen, bittere mittelalte.
Oxana
Oxana auf Heimatbesuch.
Liana:
Liana mit dem Hund Rex.
Inna und Jana (gemeinsam):
Inna und Jana.
Tanja
Tanja kommt vom Markt.
Oxana
Die Frauen bummeln.
Liana und Jana (gemeinsam):
Oder schleppen Einkäufe nach Hause. Die Männer fahr en Auto.
5
07 Inna: (O-Ton)
Est anekdot, mozhno ja rasskazhu. Zhena govorit muzhu: Davaj vot odin raz za odin
den ty na moem meste. I ja na tvoem. Muzh4ina utrom rano vstal, prigotovil zavtrak,
otvel detej v shkolu, vernuslja, ubiral kvartiru, gladel, 4istil.
Es gibt einen Witz, darf ich den erzählen? Die Frau sagt zum Mann: Los, einen Tag
lang bist du an meiner Stelle. Und ich an deiner. D er Mann stand also früh auf,
machte den Kindern was zu essen, brachte sie zur Sc hule, kam zurück, machte
sauber, bügelte, räumte auf, machte Essen, holte di e Kinder ab, wusch das
Geschirr. So ging das den ganzen Tag. Und dann - En tschuldigung - ging er aufs
Klo, setzte sich hin und sagte: Oh Gott, und dann muss ich heute noch Liebe
machen.
Erzählerin:
Inna, 26 Jahre alt, glattes halblanges Haar, dunkel blond, kaum geschminkt,
stammt aus einer Kleinstadt 300 km nördlich von hie r. Nach Odessa kam sie zum
Studium.
08 Inna: (O-Ton) Moj papa ranshe o4en redko byval doma, no ja pomnju, 4to kogda on
priezhal my hodili vmeste v detskoe kafe i eli tam morozhenoe s shokoladnymi
struzhkami. V etot moment ja 4uvstvovala sebja bezumno 4astliva. Kogda my sideli v
4etverom v kafe: sestra, mama, papa i ja.
Mein Vater war früher oft unterwegs, ich erinnere m ich, wenn er da war, gingen
wir in ein Kindercafe und aßen Eis mit Schokoraspel n. In diesem Moment fühlte
ich mich wahnsinnig glücklich. Wenn wir zu viert im Cafe waren: meine
Schwester, meine Mutter, mein Vater und ich - und w ir dieses Eis aßen. Ich
denke, ich war ein behütetes Kind, ich war meistens froh. Ich erinnere mich noch
an einen ganz klaren Moment: als mein Vater mir ein en Schmetterling fing. Diesen
Schmetterling sehe ich manchmal jetzt noch, ich war vielleicht drei Jahre alt.
6
09 Jana O-Ton
Novyj god ja o4en ljubila v detstve. Mne mama klala podarki pod podushku. Mama mne
podarki polozhila pod podushku. Kogda mne bylo 15 i pod podushkoj ne bylo podarka,
to u menja byl shok. Ja do sih por prosypajus utrom s nadezhdoj, 4to pod podushkoj
Neujahr habe ich geliebt, als Kind. Meine Mutter ha t mir Geschenke unters
Kopfkissen gelegt. Als ich 15 war und kein Geschenk mehr unterm Kissen lag,
das war ein Schock. Ich wache heute noch auf, in de r Hoffnung, dass unter
meinem Kissen ein Geschenk liegt.
Erzählerin:
Jana ist 35, wirkt energisch und sanft zugleich, ih r dunkles Haar trägt sie kurz, die
Augen sind tiefbraun.
10 Jana:
U nas doma prekrasnye otnoshenija. Do sih por. Moja mama nikogda mne ni4ego ne
zapretila. Ja odna v seme. Kodga ona 4ego-to trebovala, pojavilis konflikty, no eto ne
bylo globalno.
Wir haben ein super Verhältnis, zu Hause. Bis jetzt . Meine Mutter hat mir nie was
verboten. Ich bin Einzelkind. Wenn sie was verlangt hat, dann gab es schon mal
Streit, aber der hielt nie an.
Erzählerin:
Jana hat Archäologie studiert und arbeitet an der K iewer Universität im Bereich
Unterwasserarchäologie. Ihr Fachbereich kooperier t eng mit Kollegen in Lyon,
deshalb war sie schon mehrfach in Frankreich.
Aufgewachsen ist Jana in Cherson, nicht weit von Od essa entfernt.
11 Jana: (O-Ton)
Ja zhila tak, 4to nashi okna prjamo vyshli na archeologi4eskij musej. V chersone est
krasivaja usadba, tam nahodjatsja dva museja, za nimi te4et dnepr. Ja odnazhdy
prohodila mimo, zagljanula i sprosila gde archelologi4eskoe otdelenie.
7
Ich wohnte dort so, dass unsere Fenster direkt zum archäologischen Museum
hinausgingen. Ich bin da mal reingegangen, hab nach der archäologischen
Abteilung gefragt. Ich war 16 und fragte ob ich hie r was mit Archäologie machen
könnte, auf eine Expedition fahren. Sie fragten: Ju nge Dame, wo kommen Sie
denn her? Ich komme aus der Musikschule. (lacht) M eine Chefin, die damals eine
Expedition leitete, fühlt sich bis heute vor meiner Mutter schuldig, denn meine
Eltern träumten davon, dass ich aufs Konservatorium gehe. Ich fuhr auf die
Expedition und mir war klar, dass was anderes für m ich nicht in Frage kommt. Nur
die Uni und nur Archäologie.
(Musik)
Erzählerin:
Am schönsten ist Odessa im Herbst, wenn schwere Wei ntrauben an den Balkons
hängen und sich auf den Märkten das Saisongemüse hä uft. Die Hafenstadt am
Schwarzen Meer scheint den eigenen Mythos hinter si ch gelassen zu haben. Hier
kennt kaum noch jemand die Geschichten des Schrifts tellers Isaak Babel. Von der
viel gerühmten kulturellen Vielfalt, von der jüdisc hen Geschichte, ist im Stadtbild
wenig zu spüren.
12 Jana: (O-Ton) Ukraina eto odna iz samyh bogatyh stran, 4to kasaetsja kulturnoe
nasledstvie. Itih arheologi4eskih sokrovis4 ukradut. Zoloto. Eto banalno, eto
elementarno. Odna iz samyh bogatyh stran evropy. Dve problemy: ukrastvo i 4to vsem
plevat.
Die Ukraine ist eines der reichsten Länder, was das kulturelle Erbe betrifft.
Aber die archäologischen Schätze werden geklaut. Es geht ums Gold. So einfach
ist das. Da kommen zwei Probleme zusammen: Diebstah l und - dass allen alles
egal ist. Und der Staat tut nichts, um das kostbare Erbe zu schützen. Es gibt
Gesetze, aber keiner hält sich dran. Ich war in Eng land und habe gesehen, dass
Leute mit Tränen in den Augen über ihre eigene Kult ur reden. - Wir sind Briten,
eine totale Begeisterung. Sie haben eine rührende, zärtliche Beziehung zu ihrer
8
eigenen Geschichte. Wir nicht. Uns ist das alles sc heißegal.
13 Liana: (O-Ton). V sovetskoe vremja mnogo govorilos v massmedijah o vojne, o tom,
4to mogut na nas napast. Pri etom bylo ogromnoe koli4estvo voennyh filmov, nekotorye
o4en silnye.
In der Sowjetzeit wurde in den Massenmedien viel üb er Krieg gesprochen,
darüber, dass man uns überfallen könnte. Dazu kam d ie große Menge an
Kriegsfilmen, zum Teil sehr gute Filme. Das hat sic h im Unterbewusstsein
festgesetzt, ich hatte als Kind immer diese Angst, dass jederzeit ein Krieg
ausbrechen kann. U menja s detstva o4en silnyj strah, nevrozy. Mne kazhetsja, 4to
mnogie u nas eto ispytyvajut.
14 Ich habe seit meiner Kindheit Angstattacken, Neuro sen. Wenn ich abends ins
Bett ging, kamen die Bilder. Ich hatte gerade die A ugen geschlossen, da tauchten
vor mir diese Bilder vom Krieg auf.
Erzählerin :
Liana hat ein fein geschnittenes, sorgfältig gesch minktes Gesicht, sie ist 37 ,
Musikwissenschaftlerin, ihren Sohn erzieht sie alle in.
15 Liana: (O-Ton ) My doma govorili po ukrainskij. Ja ne o4en ljubila hodit v shkolu.
Mnogo detjej, parami kuda-nibud hodit, eto ne dlja menja. Ja byla psihi4eskoj slaba i
tolpa ljudmi, esli nado bylo 4to-to sdelat, sportom zanimatsja.
Wir haben nur Ukrainisch gesprochen zu Hause. Ich b in nicht so wahnsinnig gern
in die Schule gegangen. Die vielen Kinder, immer pa arweise irgendwohin gehen,
das war nichts für mich. Ich war psychisch nicht be sonders stark und
Menschenansammlungen, besonders beim Sport...war ni chts für mich.
Bei uns zu Hause gab es ziemliche Kräche, meine Elt ern haben sich irgendwie
nicht besonders geliebt.
Zäsur: Ach, Odessa
9
17Jana:
Moj otec nikogda na 4to to nastaival. Kogda ja postupila v universitet, on voobs4e
perestal mnoj interessovatsja.
Mein Vater hat nie auf etwas bestanden. Als ich an die Uni kam, hat er überhaupt
aufgehört sich für mich zu interessieren. Er war ni cht mehr auf Empfang für meine
Wellen. Natürlich macht er sich Sorgen. Er ist Musi klehrer, Musiker, spielt
Waldhorn im Symphonieorchester. Meine Mutter ist Ha uptbuchhalterin, sie hatte
viel Verantwortung in einem großen Betrieb. Sie hat te immer Verständnis.
18 Liana: (O-Ton )
Moj papa 4asto guljal, kak let4ik, mnogo deneg imel, vodki, vsegda bylo vodki. Ve4erom
posle poleta, 4toby raslabitsja. Mnogo let4ikov pjut.
Mein Vater hat sich gern amüsiert: Er war Flieger, viel Geld, Schnaps, in der
Truppe gab es immer Schnaps. Abends nach dem Flug, um diese Anspannung
abzubauen; viele Flieger trinken. Mein Vater war in dieser Beziehung sehr
schwach. Als er dann pensioniert war, hat er besond ers viel getrunken. Er ging
sogar eher in den Ruhestand, weil er so viel trank und das nicht in den Griff
bekam. Obwohl er verschiedene Chancen hatte zur Hei lung. Meine Mutter hat
mehrmals versucht, ihn trocken zu kriegen. Die erst e Phase hat er geschafft, aber
nie den entscheidenden letzten Schritt. Ich glaube, in seinem Unterbewusstsein
saß der Wunsch, sich aus dem Leben zu verabschieden , Alkoholismus ist ja eine
Form des passiven Suizid.
19 Jana: (O-Ton)
V 25 let ja vyshla zamuzh, eto ne tak rano. On byl moim pervym muzh4inoj, my rano
poznokomilis, v obs4ezhitie. Mne uzhe ranshe skazali, 4to u nego est sklonnost k
algogolju. Ja etogo ne zametela.togda my snimali kvartiru, prezhde tem 4to my mogli
kupit kvartiru.
Ich habe mit 25 Jahren geheiratet, das ist nicht so früh. Es war mein erster Mann,
wir haben uns früh kennen gelernt, im Wohnheim. Man hatte mir gesagt, dass er
10
eine Neigung zum Alkohol hat. Hab ich nicht bemerkt . Damals, bevor wir eine
Wohnung kaufen konnten, hatten wir eine gemietet. U nd das Geld hat gerade so
gereicht. Wir sind wie hungrige Wölfe herumgelaufen , auf der Suche nach Essen,
nach Geld für die Wohnung. Kolja wollte immer unbed ingt in Odessa leben, mir
war das nicht so wichtig. Aber er hat dann eben Arb eit gesucht, wir haben beide
etwas verdient. Als wir dann die Wohnung gekauft ha tten, hat er sich hängen
lassen, er brauchte auf einmal nichts mehr. Ich war nicht da, habe im Ausland
gearbeitet. (seufzt)
20 Tanja: (O-Ton)
Mozhet byt u vas v germanii sto raz lu4se zhivut 4em u nas, i vashe posobie dva raza
bolshe nashej pensii. A u nas: Iwan pojdet vypit i na diwan. Na etom zakon4itsja ego
rabota.
Wahrscheinlich leben die bei euch in Deutschland vi el besser und eure Sozialhilfe
ist doppelt so hoch wie unsere Rente. Und bei uns: Iwan geht einen trinken - und
ab auf den Diwan. Damit ist seine Arbeit beendet.
Erzählerin:
Tanja ist Mitte 50. Sie hat wasserstoffblond gefärb te kurze Haare und trägt eine
dicke Brille, hinter der ihre Augen noch größer aus sehen. Ihre Schneidezähne
sind golden, die Schuhe klobig. Eine energische Fra u mit schweren, rissigen
Händen.
(Musik)
Tanja lebt in der Innenstadt von Odessa, in der Ul iza Stschepkina: zweistöckige
Häuser in Pastellfarben, überall bröckelt der Putz und große Risse ziehen die
Fassaden entlang. Auf Tanjas Hof wuchert wild ein Nussbaum, Tauben, Katzen
und Hunde sind hier zu Hause, Katzen lagern auf Fen sterbrettern. Der
Treppenaufgang riecht nach Raubtierhöhle.
21 Tanja:
Odessa ranshe byl grjaznym i dazhe ne osoboj, more sej4as 4i4se 4em ranshe. Vse
11
dvorniki akuratno podmetajut, ranshe oni bolee poverhno eto sdelali.sej4as emu ne
ola4ivajut, esli on tolko vyidit i meshaet svoim venikom.
Odessa war früher schmutzig und nicht so besonders, das Meer ist jetzt sauberer
als früher. Jetzt fegen die Straßenkehrer ziemlich gründlich, früher waren die ganz
oberflächlich. Jetzt kriegt er nichts mehr nur dafü r, dass er rausgeht und mit
seinem Besen rumwedelt, jetzt muss er es schon orde ntlich machen. Deshalb ist
es jetzt sauberer.
22 Jana : Nam na vso plevat. Samoidentifikacija – eto nascha glavnaja problema. Eto voobs4e
tragedija.
Uns ist das allen scheißegal. Das Selbstwertgefühl, das ist eines unserer
Hauptprobleme. Das ist ein großes Dilemma. Ein sowj etisches Relikt. Vielleicht ist
es auch nur Faulheit, wenn ich meinen eigenen Balko n anschaue. Vielleicht sind
wir nicht zur Arbeitsliebe erzogen worden.
Musik/Straßenlärm
Erzählerin:
Die Deribasowskaja, die breite Flanierstraße in der Innenstadt, mit neuen
Supermärkten, Cafes, Attraktionen.
Hier kann man sich mit Affen fotografieren lassen, Odessitinnen schlendern
elegant neben Touristen. Ein Musiker setzt sich auf den Bordstein nieder, packt
sein Akkordeon aus. Er beginnt zu spielen, wiegt si ch hin und her, mit
geschlossenen Augen. Manche Frauen wirken in ihren kurzen Röcken und
hochhackigen Schuhen zweideutig aufreizend, schon z u Sowjetzeiten kleideten
sich die Damen hier besonders freizügig. Am Abend l euchten die Wasserspiele im
benachbarten Stadtgarten, zur Musik wandeln herausg eputzte Familien mit
Kindern, junge Liebespaare...Wer sagt, das Bier sei schlecht hier? Zu Schaschlyk
schmeckt es wunderbar. Man schaut sich die Leute an , und der Wind weht die
Rechnung vom Tisch.
Straßenkinder betteln, Matrosen ziehen durch die Kn eipen, in der Hafengegend
12
blüht die Prostitution. Partnervermittlungsagenture n gibt es wie Sand am Meer,
aus Amerika kommen Männer auf Brautschau.
23 Oxana: (O-Ton)
Ja s etim na4ala potomu, 4to u nas voobs4e ne bylo deneg. Togda moja mama e4so
rabotala, no ona o4en malo zarabotala. Ja zakon4ila tehni4eskij institut, legkaja
promyshlennost, rabotala tehnologom na fabrike. Tam my o4en malo zarabatyvali,
rabotali v dvuh smennah.
Ich habe damit angefangn, weil wir überhaupt kein Ge ld hatten. Meine Mutter hat
damals noch gearbeitet, sie hat sehr wenig verdient . Ich selbst hatte eine
Fachschule absolviert, war Technologin in der Leich tindustrie. Da gab es ganz
wenig Geld, und wir mussten in zwei Schichten arbei ten. Und als das Kind größer
wurde, brauchte es mehr. Ich konnte ihm das nicht g eben. Ich erinnere mich an
einen Moment, als ich wirklich losheulen musste. Ic h war auf dem Markt, wollte
ein Kilo Fleisch kaufen. Mein Sohn wollte Schokolad e, dafür reichte das Geld
nicht. Das war so ein schlimmer Moment, dass ich me inem Kind so was nicht
kaufen kann. So was Elementares. Das war der Knackp unkt, ich habe sofort was
unternommen. Die erste Erwerbsmöglichkeit ist Sex. Und ich bin mir selbst egal,
absolut. Wichtig ist: dem Kind etwas zu geben. Dafü r hat er jetzt alles.
(Musik)
24 Oxana: (O-Ton)
U nas grandioznye plany. Ja ho4u, 4toby moj syn u4ilsja v anglii. Bolshe vsego ho4u:
mezhdunorodnye otnoshenija. Eto serjoznoe delo. On umnyj, horosho u4itsja, on eto
ponimaet. Ja emu postavila etu cel pered glazami. Objaznila emu principy. Vidish, mam
Wir haben grandiose Pläne, ich möchte dass mein Sohn in England studiert. Am
liebsten: Internationale Beziehungen.(lacht) Im Ern st. Er ist klug. Er lernt gut. Er
versteht das. Ich habe ihm so ein Ziel vor Augen ge stellt. Habe ihm die Prinzipien
erklärt: Siehst du, Mama fährt oft ins Ausland, um Geld zu verdienen. Damit du
etwas hast. Damit du später nicht weggehst und dein e Kinder allein lässt, musst
13
du gutes Geld verdienen. Dafür musst du fleißig ler nen und gut studieren. Ich
gebe dir alles, damit du lernen kannst. Koste es, w as es wolle. Aber deinen Grips
brauchen wir zu meinem Geld. Ja. (seufzt und lacht) . Schlimm oder?
Erzählerin:
Oxana, Ende 30. Lange blond gefärbte Haare. Ihr Ges icht ist angespannt,
verhärtet. Sie lacht selten, und wenn, dann sehr la ut. Oxana absolviert ein
Fernstudium, drei Mal im Jahr kommt sie aus Italien hierher. Sie studiert
Italienisch, Englisch und Deutsch. Sie hat Mühe, de n Anschluss zu halten.
25 Oxana: (O-Ton)
My o4en blizkie, moj syn i ja. My o4en 4asto razgovorivaem po telefonu, pishem emaily.
On dlja menja risuet kartiny. My vsgeda imeem svjaz, on menja 4uvstvuet i ja ego Wir
haben ein enges Verhältnis, mein Sohn und ich, tele fonieren ganz oft, schreiben
uns Emails. Er malt mir Bilder. Er spürt mich und i ch ihn. Ich weiß gar nicht, wie
wir das bewahrt haben, so ein enges Verhältnis. Wen n er Probleme hat, ruft er
mich sofort an. Ich habe ihm nie gesagt, ruf nicht an, das ist zu teuer. Wir sind die
besten Kunden von allen Telefonfirmen (lacht). Ich komme ziemlich oft nach
Hause, drei Mal im Jahr bin ich so für zwei Monat e zu Hause. Das geht schon.
26 Liana:( O-Ton)
My zhivem v kommunalke. Eto takoj ostatok sovetskogo vremeni. Komnata, gde my
zhivem, eto moja. Moja nedvizhimost, moja norja. Ja pridu domij, nikto ne mozhet menja
vygnjat. Kone4no bylo by idealno imet kvartiru, no na eto deneg ne hvatalo.
Wir wohnen in einer Gemeinschaftswohnung. Die Kommu nalka ist so ein Relikt
aus der Sowjetzeit. Das Zimmer, was ich habe, ist m eins. Meine Immobilie, meine
Höhle. Ich komme nach Hause, mich kann da niemand v ertreiben. Klar wäre es
ideal, eine eigene Wohnung zu haben, aber dafür rei chte mein Geld nicht. Damit
muss ich mich abfinden. Ich bin ganz zufrieden. Imm obilien sind bei uns sehr
teuer. Ich habe dieses Zimmer vor 5 Jahren für 13.5 00 Dollar gekauft, das ist jetzt
25.000 Dollar wert. Besser in einer Kommunalka als im Wohnheim, im Wohnheim
14
zu leben ist fast wie auf der Straße sitzen. Was so ll ich sonst sagen? Da kann man
nur mit Humor klarkommen. Humor ist das einzige Asy l, wenn man alles ernst
nimmt, verbrennt man schnell und ist mit 40 tot.
Erzählerin:
Liana muss permanent finanzielle Engpässe bewältige n, es reicht kaum für das
Nötigste. Die teure Fechtkleidung des Sohnes muss z usammengespart werden.
Sie ist gezwungen, an mehreren Hochschulen zu unter richten, nebenbei schreibt
sie ihre Doktorarbeit.
Ein paar Monate war sie mit einem Forschungsstipend ium in Deutschland. Liana
vergräbt sich gern in Büchern, die Bibliothek ist i hr liebster Ort. Natürlich neben
dem lang ersehnten eigenen Zimmer, das sie mit ihr em Sohn und einem Hund
namens Rex teilt.
27 Liana: (O-Ton) Situacia v kommunalke eto kak pautiny v banke. Oni drug na druga
napadajut i kushajut drug druga. Eto dazhe tipi4no. Mne es4o povezlo, moi sosedki
spokojnye i vedut sebja otnositelno prili4no.
In den Kommunalkas lebt man wie Spinnen im Glas. Di e fallen übereinander her
und fressen sich gegenseitig. Das ist wirklich so. Ich habe noch Glück, dass
meine Nachbarn ruhig sind und sich relativ gut bene hmen. Ich weiß nicht, ob das
typisch sowjetisch oder typisch Odessa ist: seine N ase in fremde Leben stecken.
Eine Frau, die bei uns wohnt, alle wissen über ihr Intim-Leben Bescheid. Alle
regen sich auf, wie sie lebt: der erste Mann, dann ein neuer. Denn alle diese
Männer waschen sich in unserem Badezimmer. In der G emeinschaftswanne, wo
ich mich wasche und mein Kind. Diese alte Frau, die mir gegenüber wohnt, sie ist
eben alt, ich soll sie natürlich respektieren, ihr den Vorrang lassen. Sie will mir in
der Küche Rezepte erklären, fragt mich, warum ich s oviel Rote Beete in die Suppe
schneide. Was geht dich das an, verdammt noch mal? Schau in deinen Topf.
(Küchengeräusche, Schlurfen auf dem Gang)
15
28 Liana: (O-Ton)
Ich kann hier mit meinem Sohn nicht in Würde leben . Obwohl ich sehr gut
ausgebildet bin, ist es mein Schicksal bis zur Pens ionierung zwischen drei
Arbeiten hin und her zu rennen, Bücher zu wälzen, s ehr viel Material
durchzuarbeiten. Meine ganze Kraft aufzuwenden…Dafü r bekomme ich Kopeken.
Es ist sehr schwer, in so einer Situation nicht die Selbstachtung zu verlieren.
29 Oxana : (O-Ton)
Pervyj raz dlja menja bylo o4en slozhno. Ja rabotala 2 mesjaca. Eto bylo...voobs4e.
Svoboda pojavilas pozshe, sej4as mne na svo plavat. Mne sovershenno plevat, odeta li
ja ili golaja. Ja etogo dazhe ne zame4aju.
Das erste Mal war sehr schwer für mich. Ich arbeite te 2 Monate. Das war
(prustet).... und überhaupt. Die Freiheit kam späte r, jetzt ist mir das alles egal. Das
ist mir völlig egal. Ich traf dann einen Mann, er b ezahlte meine Schulden und holte
mich raus, ich lebte dann mit ihm zusammen. Ein Gri eche, russischer
Abstammung. Er hatte eine komische Familie. Was wil lst du mit einer
Prostituierten? Mit Kind? (lacht) Dann hatte ich no ch einen Griechen, das war
ziemlich ernst, wir dachten sogar ans Heiraten. Er kam aus einer elitären Familie,
sein Vater war in Athen Politiker. Ich habe dann ve rstanden, sie wollten keine
fremden Kinder erziehen. Also mein Kind. Da hat die Liebe nicht geholfen. Wir
haben uns getrennt. Er kam noch drei, vier Mal in d ie Ukraine, konnte sich nicht
von mir lösen. Seine Eltern waren stärker als er, e r war schwach, ein toller Mann,
groß, gut aussehend, er konnte sich sehen lassen. E r war von seinem Vater
abhängig, der war Rechtsanwalt, hatte eine Kanzlei, wo auch der Sohn arbeitete.
Ohne Familie war er ein Niemand. Na ja, ich möchte sowieso keinen Mann haben,
der keinen Arsch in der Hose hat.
Erzählerin:
In einem Hof in der Altstadt sind die Kellerfenste r vergittert. Kein Hinweisschild.
Eine unscheinbare Treppe führt hinab und zur Tür ei ner
Nichtregierungsorganisation. Zwei Räume mit Schreib tischen, Computern,
16
diversen Sitzmöbeln. An die 200 Freiwillige hat „Gl aube, Liebe, Hoffnung“ . Klingt
nach Religion, hat aber damit wenig zu tun. Die NGO arbeitet im Bereich der AIDS-
Prävention, hilft bei Verdacht auf Menschenhandel, bei der Reintegration von
Zwangsprostituierten.
Zwei mal in der Woche kommt ein Schiff aus der Türk ei, mit ausgewiesenen
Frauen aus den verschiedensten Ländern der ehemalig en Sowjetunion. Sehr viele
aus Moldawien. Die Organisation betreut sie, viele brauchen ärztliche Hilfe. Dann
werden sie in ihre Heimat zurückgeschickt.
Jedes Jahr veranstaltet „Glaube, Liebe, Hoffnung“ e inen Gedenktag für die AIDS-
Opfer und deren Angehörige. Dann hängen am Himmel ü ber Odessa viele bunte
Punkte. Luftballons tragen die Namen der Verstorben , Gedanken, Wünsche.
Schätzungen der WHO gehen davon aus, dass in Odessa 160.000 Infizierte leben.
Das ist die höchste Infektionsrate in Europa.
Musik
Erzählerin:
Die lutherische St. Pauls Kirche wurde nach lange n Jahren des Verfalls im April
2010 mitsamt Orgel wieder eingeweiht. Das imposante Gebäude im
neoromanischen Stil hat Platz für bis zu 1200 Mensc hen.
Der Glockenturm war früher der höchste Turm der Sta dt. Der Kantor der
Gemeinde, Theophil Richter, wurde 1941 mit 22 Gemei ndemitgliedern von den
Sowjets als vermeintlicher Spion erschossen.
Richters Sohn, Swjatoslaw, der Pianist, hat am Kon servatorium studiert.
Das schmale, inzwischen hellgelb gestrichene Haus, liegt der Kirche gegenüber.
Auch der Geiger David Oistrach war hier Student.
An mein Ohr dringen Streicher und Paukenschläge, Ba janklänge und eine
Sopranstimme. Im Keller übt jemand Kontrabass, auf dem Gang spielt ein
Mädchen Geige. Hier studiert Inna Bandura, ein ukra inisches Zupfinstrument.
30 Inna (von vorn)
17
Ja ne mogle by zhit bez musyki. Govorjat: Musikant eto ne professija a diagnos. Ja ne
o4en horoshaja banduristka.
Ohne Musik kann ich nicht leben. Musiker, das ist k ein Beruf, das ist eine
Krankheit. Ich bin keine besonders gute Bandura-Spi elerin. Ich habe Angst und
wenn ich etwas nicht kann, dann kriege ich Panik bi s zum
Nervenzusammenbruch.
31 Jana/ Atmo im hintergrund(KOnservatorium)
U menja est dva proizvedenija Bacha, strasti po matfeju i strasti po joannu. I ja o4en
ljublju Gesualdo. I madrigaly: italjanskie, angliskije. Eto takaja muzyka, 4to kogda ejo
uslyshish, to pojavljaetsja gusinaja kozha. Vremja Elizavety, 17 -yj vek. Moj drug
serjozha uslyshal etu muzyku kogda-to, perepisyvaja ejo dlja menja.
Ich habe die Matthäus- und die Johannes-Passion von Bach und ich mag
Gesualdo sehr. Das ist so eine Musik, die hörst du und kriegst eine Gänsehaut.
Und Madrigale: italienische, englische. Die Elisabe thanische Periode, das 17.
Jahrhundert. Mein Freund Sergej hat das gehört und meinte: Wenn du dann
zuhause solche Musik hörst - bitte nur, wenn ich n icht da bin. Das hat ihm
überhaupt nicht gefallen. Zu traurig. Und mich ents pannt es und ich kann dazu
gut arbeiten.
Etwas schreiben. Ich schreibe gar nicht schlecht. I ch habe einen guten Stil, sagen
die anderen. Aber ich bin sehr faul. Wenn ich eine Idee habe, dann kann ich was
schreiben. Was Literarisches. Das passiert aber sel ten. Als ich noch zur Schule
ging, habe ich die Hausaufgaben bei arabischer Musi k gemacht. Oder bei
griechischer.
32 Tanja Moi uvle4enija eto krosswordy i televizor, na vyhodnye ja vklju4aju televizor.
Krosswordy eto horosho dlja golovy, eto mne nravitsja. Ja umeju o4en vkussno gotovit.
Meine Vergnügungen sind Kreuzworträtsel und Fernseh en. Und ich kann gut
kochen.
(Atmo Markt)
18
Als ich bei Mohamed gekocht habe, hat es ihm immer geschmeckt, ich habe mit
Herz gekocht. Ich kann vieles gut zubereiten, wenn ich mich zusammenreiße:
Vareniki, alles. Buletten, Fisch, ich koste immer, der Rest ist für die anderen. Und
mit Kräutern. Backen klappt nicht so. Wenn Sie woll en, bitte, ich koche so, dass
alle mit den Ohren schlackern.
33 Tanja : (O-Ton) Ja vstaju o4en rano, okolo pjati. Ja moljus i utrom i ve4erom, eto mne
pomogaet. Ranshe mne bylo o4en tjazhelo, no ja uspela perstroitsja. Kone4no ja ranshe
tozhe verila v boga.
Ich stehe sehr früh auf, gegen fünf. Ich bete morge ns und abends, das hilft mir.
Früher hatte ich es sehr schwer, aber ich habe den Absprung geschafft. Natürlich
habe ich auch früher an Gott geglaubt, aber jetzt g laube ich stärker. Ich versuche,
niemandem etwas Böses zu tun und meine Arbeit zu ma chen.
34 Liana: (O-Ton)
Ja medlenno vstaju, gotovlju zavtrak. Inogda ja sna4ala guljaju s rexom. Eto zavisit i ot
rezhima andrjushej. Inogda ja speshu na rabotu. Inogda ja privedu andrjushu v shkolu,
eto zavisit ot moego rezhima.
Ich stehe langsam auf, mach Frühstück . Oder ich ge he ich zuerst mit Rex raus. Je
nach dem, wann Andrjuscha aufstehen muss. Oder ich muss schnell zur Arbeit.
Manchmal bringe ich Andrjuscha in die Schule, das h ängt von meinen Terminen
ab. Manchmal bin ich früher zu Hause, mache was zu essen. Oder ich muss eine
Vorlesung vorbereiten. Abends spielen wir zusammen oder ich bringe ihn zum
Sport. Er macht abends Hausaufgaben, es ist dann sc hon spät. Manchmal bis 23
Uhr. So geht es jeden Abend, manchmal lese ich ihm vor. Oder wir lesen beide,
jeder in seinem Buch. Oft wartet er, bis ich auch s chlafen gehe. Am Wochenende
kann ich dann mal ein paar Stunden an meiner Disser tation arbeiten, und dann
machen wir auch was zusammen. Manchmal malen wir wa s. Wenn es warm ist,
fahren wir ans Meer und gehen in den Park. Dann ren nen Andrjuscha und Rex um
19
die Wette.
35 Jana:
Was ich mag an meinem Alltag, das ist das Nach-Haus e-Kommen. Das finde ich
wunderbar. Ich ziehe mich langsam aus, mache Abendb rot, mache den Fernseher
an... jetzt mache ich den Computer an und sehe imme r ein und denselben Film. Du
kommst nicht drauf, was für ein Film das ist? Ich h abe ihn auf russisch und auf
englisch. - Herr der Ringe . (lacht)
37 Liana : (O-Ton)
Rabo4ij den projdet dovolno veselo i bystro. K sozhaleniju nikto mne ne prinosit kofe v
krovat, o4en redko eto delaet moja mama. Kone4no budni o4en tjazhelye, kak gruz,
kotoryj nado nesti. Kak na kartine repina: burlaki na volge.
So ein Arbeitstag verläuft recht lustig und zügig b ei mir. Leider bringt mir keiner
den Kaffee ans Bett. Klar ist so ein Tag ziemlich a nstrengend, wie eine Last, die
man tragen muss. Wie die Wolgatreidler bei Repin, v erstehst du?
36 /38 Tanja :
Ja me4taju o rabote, gde ja i ubiraju i smotrju za detmi.
Ich träume davon, eine Arbeit zu finden, wo ich pu tzen kann und Kinder betreuen.
Ich habe keine eigenen Kinder, leider hat es bei mi r nicht sollen sein.
Ja o4en ljublju svoju rabotu, eto vazhno. Ja dazhe ne ustaju. Eto 100 raz lu4se 4em
sidet doma. Kogda 4elovek bezdelni4it, emu plohie mysli prihodjat v golovu.
Ich arbeite sehr gern, das ist mir wichtig. Ich wer de auch nicht müde davon. Das
ist viel besser, als zu Hause zu sitzen und nichts zu tun und schlechte Laune zu
kriegen
(auf Atmo)
20
Erzählerin:
In Tanjas Straße gehen Frauen im Morgenmantel einka ufen oder stehen zum
Schwatz zusammen, Jungs in dunklen Anzügen marschie ren an ihnen vorbei zur
Schule.... Dicke Frauen mit riesengroßen Taschen sc hleppen vom Basar
Blumenkohl, Gurken, Rote Beete nach Hause, Fisch fü r Ucha, die Fischsuppe,
Weißkohl für Borschtsch. Von ihrer Rente könnte Ta nja wenig auf dem Basar
erstehen. Das Rentenalter beginnt für ukrainische F rauen mit 55 - aber die
meisten arbeiten ein Leben lang. Tanja macht Treppe naufgänge in Wohnhäusern
sauber, putzt in der Universität und bei besser Bet uchten.
39 Tanja : (O-Ton) Moja pensija prekrasnaja : 400 Griwen, s etimi dengami ja mogu tolko
chleb kupit i vodu, bolshe ni4ego.Moja mama bolna, jej nuzhn lekarstvo, za nej nuzhno
uhazhyvat. Ja postarajus u nejo ni4ebo ne zabrat , na oborot jej koe-4to otdat ot moih
deneg.
Meine Rente ist - fabelhaft , 400 Griwna...mit dies er Rente kann ich nur Brot und
Wasser kaufen, mehr nicht. Meine Mutter ist ziemlic h krank, sie braucht
Medikamente, muss gepflegt werden. Ich achte und un terstütze sie.
40 Tanja O-Ton vorziehen: Ja me4taju... kone4no ne stanesh molozhe, no es4o rano
dumat o starosti.No, kogda ja starenkaja, ja ho4u, 4toby kto-to...horoshij 4elovek... poka
ne znaju kto, zabotitsja obo mne.
Ich träume und natürlich wird man nicht jünger, es ist noch zu früh, ans Altwerden
zu denken. Aber, wenn ich alt bin, möchte ich dass jemand - ein guter Mensch -
ich weiß noch nicht wer, sich um mich kümmert. Nat ürlich ist es noch zu früh an
den Tod zu denken.
41 Inna: (O-Ton) Ja s4itaju, 4to ja s4astlivyj 4elovek: ja zdorova, u menja est horoshie
roditeli, horoshie druzja. Dolgoe vremja u menja ne byl ljubimogo 4eloveka, sej4as on
est.
Jetzt halte ich mich für einen glücklichen Menschen : ich bin gesund, habe gute
Eltern, gute Freunde. Lange Zeit hatte ich keinen L iebsten – aber jetzt habe ich
21
zum Glück einen....
(auf Musik und Atmo)
Erzählerin:
Eine deutsche Touristengruppe mit einheimischer Rei seleiterin bewegt sich
entlang dem "Primorskij Bulvar". Zwischen den Bäume n kann man einen Blick
aufs Meer erhaschen, es liegt still und riecht nac h Tang. Manchmal kreuzt ein
Schiff den Horizont. Der Boulevard führt zur Potemk inschen Treppe, dem
Wahrzeichen der Stadt. Hier tummeln sich Souvenirhä ndler, größere Kinder mit
Ponys sitzen auf der Bank und warten auf Reitkundsc haft.
Am Morgen liegt die Stadt wie das Meer am windstill en Tag, ruhig und
ausgestreckt. Alte Frauen in orangefarbenen Westen kehren die Fußwege mit
Reisigbesen. An einer Ecke wird die Straße asphalti ert. Ein Pulk von Männern, die
Arme verschränkt, rauchend, während die Frauen arbe iten. Mit den schweren
Schaufeln verteilen sie den Teer. Es gilt die viele n Schlaglöcher zu schließen. Auf
den wenigen Spielplätzen der Stadt hüten fast aussc hließlich Mütter oder
Großmütter den Nachwuchs.
42 Tanja: (O-Ton)
Bolshinstvo mus4in mne ne nravitsja. Nado zhdat, 4ego pridet. Ja zhdu. 4to pridet,
neizvestno. Esli net, togda net. Ja eto tozhe oerezhivu.
Die meisten Männer gefallen mir nicht. Man muss abw arten, ob etwas passiert. Ich
warte. Ob was kommt, weiß ich nicht. Wenn nicht, da nn eben nicht. Das überleb
ich auch.
43 Inna: (O-Ton) Zhens4ine nade to zdelat i to. Jej nado i ubrat, gotovit, rozhat, nesti
detej na rukah, nesti es4o i mus4inu. Nashi Zhens4iny nosjat mus4in. Kak eto mozhet
byt? Ja smotru za granicu, u menja tam druzja zhivut, zhens4ina tam kak cvetok.
Die Frau muss das und das machen. Sie soll putzen, kochen, Kinder kriegen, die
Kinder tragen, den Mann tragen. Unsere Frauen trage n die Männer! Wie kann das
22
sein?! Ich sehe ins Ausland hinüber, habe dort Freu nde, die Frau ist dort wie eine
Blume. Die Frau wird geschont, wie eine Puppe. Um m it ihr zu leben, mit ihr
zusammen zu sein. Bei uns muss die Frau alles: Sie muss 2 Taschen tragen, je 20
Kilo. Zwei Kinder hängen an ihr dran. Der Mann verd ient ja das Geld. Er ist müde,
wenn er von der Arbeit kommt und liest Zeitung. Ja, er ist müde, die Frau kann
sich das nicht leisten.
44 Jana: (O-Ton) Emancipacija? Ja eto ne s4itaju vazhnym. Vse ljudi svobodnye, oni
mogut delat, 4ego hotjat. Esli zhens4ina ho4et emancipirovatsja, togda vpered. Esli net,
togda net. Ljudi dolzhny zdelat kompromysy. Bez aggressii. Ne nado razdelit muzh4in i
zhen4sin.
Emanzipation? Davon halte ich nichts. Alle Leute si nd frei, sie können machen
was sie wollen. Wenn sich eine Frau eman-zi-pieren (dehnt die Silben) will,
vorwärts. Wenn nicht, dann nicht. Menschen müssen i mmer Kompromisse
machen. Ohne Aggression. Man muss da Männer und Fra uen auch nicht trennen.
Ich mag Leute, die clever sind, und Frauen sollten clever sein, ja. Bei uns sagt
man: Beschränktheit ist schlimmer als Stehlen. Manc hmal muss man eben schlau
sein. Ich habe in meinem Leben viele männliche Aufg aben übernommen und habe
es schon verlernt, vom Mann Geld für einen Lippenst ift zu verlangen. Klar kann
ich das selbst verdienen. Aber es ist ein besondere s Vergnügen, dem Mann Geld
für Schminkzeug abzunehmen. Das also nicht von der eigenen Kohle zu kaufen.
Männer und Frauen sind gleich. Was heißt das: eine schwache Frau, so was gibt
es nicht. Eine schwache Frau ist eine Person aus ei nem Hollywood-Film. So eine
Blondine, die in Ohnmacht fällt. Solche gibt `s nic ht in der Realität.
45 Oxana (O-Ton) S Mus4inami otsjuda: eto vse bylo poverhno. Odna, dve Nedeli, ja ne
mogu vosprinimat mentaliet etih mus4in. Prosto ne mogu.U nih otnoshenie k
zhens4inam kak k rabam.
Mit den Männern von hier: das waren alles nur oberf lächliche Geschichten.
Ein, zwei Wochen. Ich kann die Mentalität unserer M änner nicht akzeptieren.
Geht nicht. Sie haben ein Verhältnis zu Frauen wie zu Sklaven. Mir gefällt, wenn
23
ein Mann wie ein Diener ist, wenn ich dominieren ka nn. Nicht im konkreten
Wortsinn. Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll . Der Mann sollte immer
nachgeben, sich zurücknehmen. Das ist für mich die wichtigste Bedingung. Wenn
ich dann solche Kommandos höre: du sollst das mache n und das. Dann frage ich
mich, wer bist du eigentlich? - Warum hast du mich nicht angerufen? Was soll
das, Befehle? Hey, Jungs. So erlaubt sich meine Mut ter nicht mit mir zu reden.
Und so ein Typ! Nur weil ich mit ihm eine Nacht ver bracht habe, das heißt noch
gar nichts.
46 Liana: (O-Ton) My posnakomilis v konservatorii, on byl klarinetistom, krasivyj
instrument.U nego i byl o4en horoshij sluh. S na4ala bylo jasno 4to my vosvras4aemsja
v odessu, 4toby ja mogla dalshe u4itsja. Potom on zahotel, 4toby ja u4ilas zao4no.
Wir haben uns am Konservatorium kennen gelernt, er war Klarinettist, ein
schönes Instrument. Er hatte auch ein gutes Gehör. Zuerst war klar, dass wir
zurück nach Odessa gehen und ich weiter studiere. S päter wollte er, dass ich nur
als Fernstudentin weitermache, denn - das Kind brau cht seine Mutter und der
Mann braucht seine Fr au. Warum soll man mit dem Studium unnötig Zeit
verschwenden. Und dann hat ihn das eher erzürnt, d ass ich mich für Musik
interessiert habe, dass ich Bücher lese. Es gab so einen Moment, an den ich mich
noch sehr gut erinnere: ich hab Musik angemacht, es war Bizets -Carmen in einer
Fassung von Schtschedrin, da gab es so einen Moment in der Musik: erst leise
Töne, Geigen und dann BUMM, Schlaginstrumente. Andr juscha ist
zusammengezuckt, er war sehr klein in einem rosa St rampelanzug. - Was machst
du die Musik an, sogar das Kind hat sich erschreckt , keine Musik mehr! Du fährst
nicht ans Konservatorium! Das war wie eine Explosi on, ich habe nichts dazu
gesagt, ich erinnere mich sehr gut an diesen Moment . Das war das erste Signal
für mich. So ein Gefühl: zack, und die Jalousie gin g runter.
47 Inna: (O-Ton) 4to kasaetsja otnoshenie mezhdu roditeljami, to ja inogda uzuzhdaju
svoego otca. Ja hotel by, 4toby on ejo bolshe uvazhaet, no i kak zhenshinu, kotoraja
razhala i vospityvala emu dve do4eri. Ona vsju zhizn porobotala i imela detjej, on
24
vsegda byl v puti.
Was die Beziehung zwischen meinem Vater und meiner Mutter betrifft, da
verurteile ich ihn schon manchmal. Ich wünschte mir , dass er sie mehr achtet,
auch als Frau, die ihm zwei Töchter geboren und si e erzogen hat. Sie hat immer
gearbeitet und hatte die Kinder, unser Vater war im mer unterwegs. Er schätzt das
nicht, er versteht das nicht. Manchmal kränkt er si e. Das kränkt dann mich. Ich
rede dann mit ihm und er, das ist natürlich schön, er schätzt meine Meinung
immer. Er sagt immer: ich habe sehr kluge Töchter.
Aber woher sie kommen? Diese klugen Töchter? Sorry. Es ist deine kluge Frau,
die deine zwei Kinder aufgezogen hat, die dich lieb en. Du wird doch verwöhnt bei
uns, ein Mann und drei Frauen. Wir haben für dich g ebacken, gekocht, du warst
unser liebster Papotschka. Merkst du das nicht? Er sagt: Ich gehe weg. Wohin
willst du gehen, du bist bald 60?! Wer braucht dich ? Wir sind deine Töchter, die
dich erzogen haben und dich liebten, du sollst das schätzen. Ich gehe weg. Mir tut
es Leid für meine Mutter als Frau. Sie hat ihn dama ls nicht zusammengestaucht.
Ich liebe ihn, ich liebe ihn trotzdem, ich werde ih n immer lieben, er ist mein Vater.
Meine Eltern spielen für mich eine sehr große Rolle . Sie haben mich zur
Selbständigkeit erzogen. (seufzt) Ich bin ihnen se hr dankbar. Ich denke, alles was
ich jetzt habe, das habe ich von meinen Eltern. Wen n ich jetzt manchmal nach
Hause komme, ich bin 26, sie reißen sich für mich e in Bein aus.
48 Oxana :(O-Ton)Nekotorye Klienty mne 4asto zvonili domoj. govorili o ljubvi. Iz italii.
My muzh zvonil kazhdyj den. Kazhdyj den.
Manche Kunden haben mich oft zu Hause angerufen, vo n Liebe und so gefaselt.
Aus Italien. Und mein jetziger Mann hat mich jeden Tag angerufen. Jeden Tag.
Komm lass uns heiraten! Ich dachte: - Naja, sind sc hon zwei Jahre um, du musst
wieder arbeiten. Er hat mir schon geholfen. Als me in Geld alle war, hat er mir
monatlich 500 Dollar geschickt. Regelmäßig. Ja, dac hte ich, der kümmert sich.
Also heirate ich ihn. Wegen der Dokumente, ich habe nie etwas für ihn
empfunden. Obwohl er kein schlechter Typ ist.
25
(auf Atmo)
Erzählerin:
Es ist Oktober 2010, in der Ukraine finden Kommunal wahlen statt, eine
angespannte Atmosphäre herrscht in der Stadt, die L uft ist wie elektrisiert.
Morgens gegen 10 Uhr, in der Nähe von Lianas Wohnun g, an der Ecke
Uspenskaja/Preobrazhenskaja gibt es eine kleine Dem onstration, die ukrainische
Partei der Anarchisten. Ein Häuflein sympathischer junger Leute. Sie verhalten
sich freundlich, lächeln. Ihre Fahnen mit dem Anarc hiezeichen erregen
Aufmerksamkeit.
Passanten bleiben stehen, schauen zu, Journalisten mit Kameras rennen ihnen
entgegen. Plötzlich hält ein teures westliches Auto mitten auf der Straße, eine
Dame im Kostüm streckt sich bis zur Hüfte aus dem F enster und schreit mit sich
überschlagender Stimme: ihr Hunde, ihr Arschlöcher!
Die Stimmung ist gereizt und trotzdem: viele ignori eren die Wahlen. Oder man
witzelt über die Namen der Kandidaten: Wen wirst du wählen? Kaktusov oder
Kurvitz? Den Kaktus oder den Schlamper?
In der Innenstadt, an den großen Ausfallstraßen, üb erall hängt geschmacklose
aufdringliche Wahl-Reklame. Alles Männer.
49 Liana: (O-Ton) Ja sledila za oranzhevoj revolucijej s nadezhdoj i somneniem. Ja
4uvstvuju silnuju barrieriu, 4to kasaetsja politikoj, ja ho4u sebja zas4i4sat ot bolshinst
informacii. Vso 4to kasaetsja vnutrennuju politiku menja ne interesujet. Eto slishkom
bolno.
Ich habe die orangene Revolution mit Skepsis und Ho ffnung verfolgt, am Anfang
zumindest. Ich spüre eine starke Barriere, was Poli tik betrifft, alles was mit
Innenpolitik zusammenhängt, dafür interessiere ich mich nicht, weil das für mich
zu schmerzhaft ist. Ich hab mich da völlig abgescho ttet, habe keinen Fernseher,
höre keine Nachrichten. Lese keine Zeitungen.
26
50 Tanja: (O-Ton, verschoben) Ja do sih por zhivu na toj ulice, gde ja i rodilas, v centre
odessy. My zhivem vo dvore, u nas est balkon, kotoryj po4ti upadet. Odnazhdy u nas
stojal deputat vo dvore, ja emu govorila, budte dobry, uhodite v storonu, 4toby vam ne
upal na golovu.
Ich lebe immer noch in der Strasse in der ich auch geboren wurde, im Zentrum
Odessas. Wir wohnen auf dem Hinterhof, unser Balkon ist baufällig. Als ein
Abgeordneter auf unserem Hof stand, habe ich ihm ge sagt: Seien Sie so
freundlich, gehen Sie zur Seite, denn der kann auf ihren Kopf fallen. Die Hälfte ist
schon heruntergefallen. Er schaute so auf dieses Ba lkonchen. Sie müssen was
machen, sagte ich, aber Sie wählt sowieso keiner un d repariert wird hier auch
nichts.
51Liana: (O-Ton) Ja poshla na vybory i golosovala za samye radikalnye, partiju
timoschenko. 4Toby nemnozhko o4istit etu grjaz, nuzhno prinimat radikalnye mery.
Ich bin zur Wahl gegangen, habe die Radikalsten ge wählt, die Partei von Julia
Timoschenko. Denn um diesen Dreck auch nur ein biss chen aufzuweichen, muss
man radikale Veränderungen vornehmen. Sie ist im Pr inzip auch ein dunkles -
Pferd , aber ihre Positionen sind unumgänglich.
52 Oxana: (O-Ton) Ja ho4u zarabotat mnogo deneg, v budus4em. Esli ja sej4as ne
vernus domoj, ja mogu horoshuju summu zarabotat. 150.000 v godu. Eto realno. Ja
ho4u sebe kupit kvartiru, kotoraja mne prinodlezhit.
Ich möchte viel Geld verdienen, in Zukunft. Jetzt, wenn ich nicht nach Hause
fahre, kann ich ein gutes Sümmchen verdienen: 150.0 00 Dollar im Jahr. Das ist
real. Ich möchte mir eine Wohnung kaufen, die mir g ehört, wo kein Mann einen
Anspruch darauf hat. Ich weiß nicht wo. Abstottern vielleicht. Noch nichts
Genaues. Und ich muss ein Business haben, ich weiß noch nicht welches.
Vielleicht sogar als Übersetzerin Italienisch-Russi sch.
53 Jana: (O-Ton, erste Hälfte von oben) Ja ljublju dinamiku, mne nuzhno dvizhenie, ja
27
ljublju organizovat, govorit s ljudmi.
Ich mag Dynamik, ich brauche Bewegung, am liebsten organisiere ich was, rede
mit Leuten. Das kann ich gut, das macht mich froh. Ich musste hier viel
herumsitzen, es gab wenig Arbeit, es wird sich änd ern. Was ich mag an meinem
Alltag, das ist das Nach-Hause-Kommen. Das finde ic h wunderbar.
(Musik)/Gelächter
54 Oxana : (O-Ton) Ja hozhu v cerkov, v italii u menja ku4a ikon, doma, ja zazhegaju
sve4i, nashi svezi, u menja svoja cerkov doma, eto ja vosprinimaju o4en serjozno. Ja
kres4ennaja, moja babushka byla o4en religioznoj, ona menja otpravila po etoj doroge.
Ich gehe in die Kirche, in Italien habe ich viele I konen, habe dort meine Kirche zu
Hause, zünde Kerzen an, unsere Kerzen, denn dort gi bt es keine Wachskerzen.
Das nehme ich sehr ernst. Ich bin natürlich auch ge tauft, meine Großmutter war
sehr religiös, sie hat mich auf diesen Weg gebracht . Meine Mutter versteht das
überhaupt nicht, sie ist noch kommunistisch geprägt . Ich nicht. Ich habe immer
geglaubt, wollte immer in die Kirche gehen. Es geht auch nicht darum, in die
Kirche zu gehen oder nicht. Ich fühlte das immer. U nd ich fühle immer sehr stark
die Anwesenheit eines Schutzengels, so eine Art sie benten Sinn. Das hilft mir
sehr. Vielleicht habe ich auch irgendwie immer Glüc k...
55 Liana: (0-Ton) V principe ljudi vezde odinakovye. V svoih principialnyh vzgljadah. Ja
legko mogu sebe predstavit zhit na zapade. Ne vsegda v toj zhe strane. No v raznyh
stranah zhit i rabotat. Ja mogu skazat 4to ja privjazana k opredeljennomu mesto.
Eigentlich sind die Menschen überall gleich. In ihr en grundlegenden
Anschauungen. Ich kann mir leicht vorstellen, im We sten zu leben. Nicht immer im
selben Land. Aber in verschiedenen Ländern zu arbei ten und zu leben.
56 Inna: (O-Ton, Forts. von oben) Kogda ja priedu domoj, ja ho4u celovat dveri, porogu.
U menja v tot moment o4en intensivnoe 4uvsto.
Wenn ich nach Hause komme, NACH HAUSE, dann möchte ich die Türen küssen,
28
die Schwelle. Da habe ich immer so ein intensives G efühl. Und in meiner Kindheit,
wenn wir irgendwo unterwegs waren, wenn wir zurückk amen und ich sah das
Ortsschild meiner Heimatstadt - dann hätte ich jedes Mal weinen können.
auf Musik Erzählerin: Inna hat oft Sehnsucht nach Odessa. Sie hat ihr St udium beendet und zieht mit
ihrer Bandura in einer Folklore-Gruppe durch Europa .
Liana hat geheiratet, einen ukrainischen IT-Experte n, der in München arbeitet.
Von Jana, Oxana und Tanja gibt es keine Neuigkeiten . Absage Inna: Fünf Frauen in Odessa Sie hörten ein Feature von Elke Bredereck Jana: Es sprachen: Tanja..... Anke Zillich Liana .... Meriam Abbas Oxana.... Sigrid Burkholder Inna.... Lucie Heinze Jana..... Runa Schäfer und Christine Jensen Ton und Technik: Hanns Marin Renz und Beate Braun Redaktion und Regie: Ulrike Bajohr Eine Produktion des Deutschlandfunks 2011