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Gegenwartige Situation der Andrologie in der Dermatologie

Die gegenwartige Situation der Andrologie in der Dermatologie laat sich am besten in einer tabellarischen Ubersicht deutlich machen (Tabelle 3). Hier sind alle andrologi- schen Abteilungen bzw. Funktionseinheiten der verschiedenen Kliniken aufgefuhrt unter Beriicksichtigung der andrologischen Aktivitaten.

Die Institutionalisierung der Andrologie an den Universitatskliniken der Bundesrepu- blik Deutschland ist 1988 schlechter als vor 5 Jahren. Tabelle 3 macht das deutlich.

Tabelle 3 : Ubersicht der andrologischen Abteilungen bzw. andrologischen Funk- tionseinheiten an dermatologischen Universitatskliniken der Bundesrepublik. (Stand 1988)

Aachen Bonn Berlin FU Berlin RVK Dusseldorf Essen Erlangen Frankfurt/Main Freiburg

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0 + + + + + + 0

GieBen Gottingen Hamburg Hannover Heidelberg Homburg Kiel Lubeck

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Mainz Marburg Munchen LMU Munchen TU Miinster Tubingen Wurzburg Ulm

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Lediglich in Berlin, Diisseldorf, Erlangen, Frankfixt, GieBen, Hamburg, Mainz, Mar- burg, Munchen, Munster, Tubingen und Ulm existieren Abteilungen fur Andrologie bzw. Funktionsbereiche fur Andrologie, an denen eine wissenschaftliche Forschung praktiziert werden kann. Wir konnen also davon ausgehen, daB in 56 O/o der in der Bun- desrepublik Deutschland vorhandenen dermatologischen Universitatskliniken die Wei- terbildung in Andrologie moglich ist und in 36 Yo eine Forschung erfolgt. Damit sol1 nicht etwa ausgeschlossen werden, daB an den mit ,,O" gekennzeichneten Kliniken nicht auch gelegentlich Spermiogramme angefertigt werden. Die geringe Anzahl an Spermiogram- men, die z. T. kaum eine einzige Untersuchung pro Woche beinhaltet, kann aber nicht als andrologischer Funktionsbereich angesehen werden, in dem die von der Weiterbil- dung vorgeschriebenen Funktionen wahrgenommen werden konnen. Der Vorstand der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft hat in seiner Sitzung vom 19. November 1983 ,,Richtlinien zur Weiterbildung in Andrologie im Rahmen der Weiterbildung zum Haut- arzt" beschlossen. Diese Vorlage ist von Hornstein und Schirren gemeinsam erarbeitet worden und hat folgenden Inhalt:

,,Die im Weiterbildungskatalog der Bundesarztekammer fur das Fachgebiet Dermatolo- gie und Venerologie enthaltene Weiterbildung in Andrologie umfal3t folgende Weiter- bildungsziele :

Eingehende Kenntnisse und Erfahrungen in: 1. Klinische Untersuchung einschlieBlich allgemeiner und Sexual-Anamnese, Bestim-

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mung der Hodengrorje, Palpation der Prostata, Varikozelen-Diagnostik (moglichst Doppler-Sonographie). 2. Spermatologische Untersuchung des Ejakulats. 2.1. Physikalische Ejakulat-Untersuchung (Volumen, Konsistenz, Verflussigungszeit). 2.2. Mikroskopische Ejakulat-Untersuchung (Zahl, Motilitat und Morphologie der Sper- matozoon einschlierjlich Differentialspermiogramm). 2.3. Biochemische Untersuchungen (fakultativ).

Die Weiterbildung umfarjt die Erlernung der Technik und Auswertung der mikrosko- pischen und makroskopisch-physikalischen Untersuchungen des Ejakulats einschliel3- lich Zahlung der Spermiendichte, der qualitativen und quantitativen Motilitat und der Mal-Formationsrate der Spermatozoonen. 3. Diagnostische Zuordnung Diagnostische Interpretation der klinischen und spermatologischen Befunde einschliea- lich Indikation und Interpretation relevanter Zusatzuntersuchungen (besonders Hormonanalyse, Hodenbiopsie). 4. Therapie andrologischer Erkrankungen Indikation konservative und operative Behandlungsmethoden, Dauer und Wirkungs- weise der medikamentosen Therapie. Kenntnisse sind erforderlich in der Technik der Hodenbiopsie.

Die Besonderheiten der Andrologie rechtfertigen eine enge, wechselseitige Kooperation mit Gynakologen, Urologen, Endokrinologen sowie Psychiatern und Psychotherapeu- ten. Diese Kooperation gehort zu den Weiterbildungszielen in Andrologie.

Als Mindestdauer der andrologischen Weiterbildung sind 3 Monate anzusehen."

Wenn man bedenkt, daI3 diese Empfehlungen im Jahre 1983 beschlossen wurden, dann sind sie als Tatsache per se sicher ein Erfolg besonderer Art und die Frucht jahrzehnte- langer Bemuhungen und Kampfe auf den verschiedenen Ebenen. Aber es besteht kein Zweifel daruber, daI3 derartige Empfehlungen nur dann ihren Zweck erfullen, wenn ihre praktische Durchfiuhrung auch in irgendeiner Weise ubenvacht wird oder wie man die- sen Vorgang beschreiben will. Tabelle 3 gibt eine Ubersicht, wobei durchaus anerkannt werden soll, dal3 hinsichtlich der Auslegung dessen, was unter andrologischer Weiterbil- dung qualitativ verstanden wird, unterschiedliche Auffassungen bestehen konnen. Es geht hierbei auch weniger um eine absolut sichere Feststellung, als vielmehr darum, die tagliche Praxis der Weiterbildung zu beschreiben. Entscheidend bleibt, darj ein Zeugnis uber die Weiterbildung in Andrologie den tatsachlichen Gegebenheiten des Leistungs- standes in den einzelnen Kliniken entsprechen murj. Wenn z. B. eine Weiterbildung in Andrologie entsprechend den Empfehlungen der DDG an einer Klinik nicht moglich ist, so ist daraus niemandem ein Vonvurf zu machen. Nicht jede Klinik oder dermatolo- gische Abteilung kann alles machen und anbieten. Es mu13 aber sichergestellt sein, dal3 unter derartigen Praemissen der fur die Weiterbildung Verantwortliche in einer solchen Situation dafur Sorge tragt, daI3 der jeweilige Assistent seine Weiterbildung in Androlo- gie an einer anderen Klinik erfahrt, die uber diese Moglichkeiten verfugt. Es geht nicht an, dal3 die Weiterbildung in Andrologie bescheinigt wird, ohne darj die dafur notwen- digen Voraussetzungen vorhanden sind; Beispiele hierfur liegen vor und haben teilweise bereits Arztekammern beschaftigt, ohne daI3 sich allerdings etwas anderte. Auch diese Gesichtspunkte gehoren in die Geschichte der Andrologie in der Dermatologie; sie dokumentieren namlich, in welchem Umfange die Andrologie seitens der Dermatologie als integraler Bestandteil des Faches anerkannt wird.

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Zusatzbezeichnung Andrologie

Eine ,,Zusatzbezeichnung Andrologie", welche dem einzelnen an Fragen der Andrologie interessierten Arzt eine hohe Qualifikation bestatigen wiirde, gibt es bisher nicht. Vom Tage der Griindung der Deutschen Gesellschaft fur Andrologie sind immer wieder ent- sprechende VorstoBe sowohl mundlich/personlich als auch schriflich unternommen worden. Dabei war rein strategisch unser Bemuhen, eine Lobby in des Wortes wahrster Bedeutung zu gewinnen, die uns d. h. den Andrologen den notigen Ruckhalt geben wiirde. Folglich waren die Kontakte ausgerichtet auf folgende Organisationen: a) Deutsche Dermatologische Gesellschaft, b) Berufsverband der Deutschen Dermatologen, c) Deutsche Gesellschaft fur Urologie und d) Berufsverband der Deutschen Urologen.

Es wurde so vorgegangen, daB anfangs vornehmlich Einzelgesprache rnit den maage- benden Vorstandsmitgliedern gefuhrt wurden; hierbei erfolgte ein Austausch von Argu- menten. Das auf diese Weise sondierte Terrain war freundlich, allerdings unverbindlich in der Aussage, insgesamt erfolgte jedoch keine direkte Ablehnung, so daB davon aus- gegangen werden muBte, wir befanden uns in einer positiven Phase rnit den Gesprachs- partnern. Ein Antrag bei der Bundesarztekammer wurde solange zuruckgestellt, bis eine Unterstutzung des Antrages durch die 0. a. Organisationen sichergestellt war. Das sollte sich am 13. Juli 1985 iindern, wie allerdings erst 1989 in Einzelheiten bekannt wurde. An diesem Tage trafsich der Vorstand der DDG zu einer turnusmal3igen Sitzung im Shera- ton-Hotel auf dem Frankfurter Flughafen; im Protokoll dieser Sitzung (Geschaftsbericht der DDG XXXV. Tagung 1988, S. 11) heifit es hierzu: ,,Herr Walther berichtet uber ein soeben erfolgtes kurzes Gesprach mit den Vertretern des Berufsverbandes der Deut- schen Urologen, die zur gleichen Zeit im Sheraton-Hotel tagen. In einem darauf folgen- den Informationsgesprach (Vertreter der DDG: Steigleder, Walther, Rassner) legt der Berufsverband der Urologen (u. a. Herr Heck) Briefe von Herrn Prof. Schirren, Ham- burg, vor, in denen dieser die Beantragung der ,Zusatzbezeichnung Andrologie' vor- schlagt und begrundet. Der AusschuB ist einhellig der Meinung, daB entsprechende Aktivitaten in den Aufgabenbereich der DDG fallen (Weiterbildungsordnung), halt in Ubereinstimmung mit dem Berufsverband der Deutschen Urologen die Einfiuhrung einer solchen Zusatzbezeichnung fur nicht zweckmaoig und beschlieot, daB der Prasi- dent sich schriftlich mit Herrn Prof. Schirren in Verbindung setzen soll." Der Berufsver- band der Deutschen Dermatologen hat sich diesem BeschluB insofern angeschlossen, als Vorstandsmitglieder desselben auch Mitglieder im Vorstand der DDG sind.

Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft fur Urologie hat diesen BeschluB ebenfalls akzeptiert, so daB die groteske Situation entstanden ist, daB man sich ,,rein zufallig" am gleichen Ort zur gleichen Zeit traf, um einen so weitreichenden BeschluB zu fassen, ohne daB man ein Mitglied der federfuhrenden Deutschen Gesellschaft fur Andrologie oder des Arbeitskreises Andrologie der DDG hierzu mundlich anhorte. Wenn dazu erst im Jahr 1989 Stellung genommen werden kann, so beruht das darauf, daB die Geschiifts- berichte der DDG ausschliefllich zu den Jahrestagungen erscheinen, die in dreijahrigen Abstanden stattfinden.

Die Deutsche Gesellschaft fur Andrologie hat aufgrund der ihr lediglich mundlich von einem Teilnehmer der ,,gemeinsamen" Sitzung der vier Organisationen zugeleiteten Informationen eine Stellungnahme mit nachfolgendem Wortlaut in ihrem offiziellen Mitteilungsorgan abgegeben:

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Deutsche Gesellschaft fur Andrologie Zum Thema ,,Zusatzbezeichnung Andrologie" hat die Deutsche Gesellschaft fur Urologie mitgeteilt, dalj der Vorstand dieser Gesellschaft eine derartige Zusatzbe- zeichnung ablehnt. Auch auf Nachfrage waren keine Informationen uber die Beweg- griinde fur diesen Schritt zu erfahren.

Nachdem bereits der Bemfsverband der Deutschen Urologen, der Bemfsverband der Deutschen Dermatologen und die Deutsche Dermatologische Gesellschaft gleichlautende Beschlusse gefal3t haben, laat sich nicht ubersehen, daI3 hinter dieser Entscheidung eine gleichgerichtete, berufspolitische Haltung stehen durfte.

Die Deutsche Gesellschaft fur Andrologie hat in dieser Sache (vgl. andrologia 17, 209-210, 1985) mehrfach entsprechende VorstoBe unternommen, sieht sich jetzt allerdings von allen Gesprachspartnern allein gelassen bzw. getauscht. Es steht auI3er Frage, daI3 damit die Frage der Qualifikation fur die Ausubung des Faches Androlo- gie eine neue Dimension erreicht hat. Das besondere Bemuhen der Deutschen Gesellschaft fur Andrologie wird jetzt darin gesehen, Fragen der Fortbildung noch starker zu betonen, als es bisher bereits geschehen ist. Es steht aul3erhalb jeder Dis- kussion, da13 das Gros derjenigen Arzte, die in ihrer Praxis oder in der Klinik Andro- logie betreiben, nicht uber die hiefir notwendigen Voraussetzungen (Qualifikation) verfiigt. Diese Entwicklung bemht ausschlieI3lich darauf, daI3 die fur die Weiterbil- dung zum Arzt fur Dermatologie bzw. zum Arzt fur Urologie verantwortlichen Klinikchefs nach wie vor entgegen den in der Weiterbildungsordnung festgelegten Vorschriften den Assistenten Bescheinigungen ausstellen, wonach ,,eingehende Kenntnisse und Erfahrungen in klinischer Untersuchung, spermatologischer Unter- suchung des Ejakulates, diagnostische Zuordnung in der Therapie andrologischer Erkrankungen und Kenntnisse in der Technik der Hodenbiopsie" vorhanden seien.

Die Deutsche Gesellschaft fur Andrologie vertritt die Auffassung, daI3 fur ihre Mitglieder Qualifikationsmerkmale notwendig sind, die eine sachgerechte Handha- bung andrologischer Belange durch den Arzt gewahrleisten konnen. Der Vorstand wird in Anlehnung an die bereits veroffentlichten ,,Empfehlungen zur Weiterbildung in Andrologie" spezielle Angebote machen, welche im Zusammenhang mit einem seitens der Gesellschaft erstellten Diplom der Deutschen Gesellschaft fur Androlo- gie dem Inhaber seine Kenntnisse bestatigen. Weiterhin kann dieses Zertifikat auch gegenuber der K. V. und den Krankenkassen als Nachweis qualifizierter andrologi- scher Fortbildung dienen.

Dieses Zertifikat wird jedoch nur fur die Fortbildungsveranstaltungen zur Anwen- dung gebracht, welche durch die Deutsche Gesellschaft fur Andrologie hinsichtlich Programm, Referenten, Dauer und ausreichendem Anteil an praktischen Ubungen anerkannt wurden. Wir meinen, daI3 auf diese Weise alle an den Fragen der Androlo- gie Interessierten am besten in die Lage versetzt werden konnen, qualifiziert und effektiv ihre andrologische Praxis auszuuben.

Prof. Dr. C. Schirren (Prasident) Prof. Dr. N. Hofmann (Vizeprasident) Prof. Dr. L. v. Wagenknecht (Schriftfuhrer)

Prof. Dr. W. B. Schill (Beirat) Prof. Dr. W. Krause (Beirat)

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Fur eine Betrachtung der Geschichte der Andrologie mul3ten auch diese Fakten doku- mentiert werden, um eine Beurteilung der Stellung der Andrologie in der Dermatologie zu ermoglichen. Es 1a13t sich nicht iibersehen, da13 auch in dieser Frage seitens der DDG eine Einstellung zur Andrologie zum Ausdruck kommt, die absolut unverstandlich ist und im ubrigen unvereinbar ist mit einer Protokollnotiz vom 23.11.1985 (Bl. 22 Geschiiftsbericht XMN. Tagung 1988), in welcher es heifit: ,,Die Andrologie ist wesent- licher Bestandteil des Fachgebiets" (Dermatologie und Venerologie).

Die 0. a. Stellungnahme hat den Vorstand der DDG dam angeregt, sich rnit ihr in sei- ner Sitzung vom 18.10.1986 zu beschaftigen (S. 33, Geschaftsbericht XXXV. Tagung 1988); es heil3t dort: ,,a) Andrologie. Der Generalsekretar berichtet in Vertretung von Herrn Homstein uber eine publizierte Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft fur Andrologie (unterzeichnet von: Prof. Schirren, Prof. Hofmann, Prof. Wagenknecht, Prof. Schill, Prof. Krause) sowie damit in Zusammenhang stehende Briefe. In der Stel- lungnahme werden sowohl die ,Zusatzbezeichnung Andrologie' als auch Fragen der Weiter- und Fortbildung angesprochen. Nach Diskussion stellt der Ausschu13 fest, da13 - abgesehen von den sehr unterschiedlichen Erfahrungen mit der ,Zusatzbezeichnung Allergologie' - die Bundesarztekammer nicht bereit ist, weitere Zusatzbezeichnungen einzufuhren. Hinsichtlich der Weiter- und Fortbildung in Andrologie wird sich der Prasi- dent mit der Deutschen Gesellschaft fur Andrologie in Verbindung setzen".

Die angekundigte Kontaktaufnahme ist bisher nicht erfolgt, wiewohl auch innerhalb des Vorstandes der DDG angcrcgt wurde, einen Vertreter der Andrologie zu einem mundlichen Gesprach anlaBlich einer Vorstandssitzung einzuladen. Offenbar ist der Vorstand der DDG auch weiterhin der Auffassung, diese Dinge aus eigener (dermato- venerologischer) Sachkenntnis beurteilen zu konnen. Daruber hinaus sollte nicht verges- sen werden, darj von den funf Personen, welche die Erklarung zur Zusatzbezeichnung Andrologie unterzeichnet haben, vier der Dermatologie angehoren und einer aus der Urologie stammt.

Unter derartigen Praemissen mu13 die Stellung der Andrologie in der Dermatologie immer schwieriger werden; es ist daher kein Wunder, wenn sich der Nachwuchs im Fach Dermatologie anders orientiert und sich schwerpunktmaflig Spezialgebieten inner- halb der Dermatologie zuwendet, in denen er mehr Chancen fur sein eigenes Fort- kommen sieht als ausgerechnet der Andrologie, zu welcher sich die Fachgesellschaft verbal bekennt, materialiter jedoch entweder nichts unternimmt oder Aktivitaten be- hindert.

Auf die 0. a. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft fur Andrologie zur ,,Zusatz- bezeichnung Andrologie" sind von den Lesern der andrologia eine game Reihe aus- schlieglich zustimmender Reaktionen erfolgt rnit dem Tenor, diesen Weg weiterzuver- folgen. Das war in der Zwischenzeit jedoch insofern nicht moglich, als der Geschaftsbe- richt der DDG rnit den oben zitierten Protokollnotizen in schriftlicher Form nicht vor- lag. Die Bemuhungen fur eine solche Zusatzbezeichnung sind emeut angelaufen, auch wenn als Begriindung fur die ablehnende Haltung der Bundesarztekammer angegeben wurde, diese sei dazu nicht bereit. Es steht jedenfalls aul3er Frage, dafl die Basis der Andrologen - niedergelassene Arzte - fur eine ablehnende Beschluflfassung kein Ver- standnis aufbringt. Es war im ubrigen nicht moglich, eine Begriindung fur die Ableh- nung der Unterstutzung des Antrages auf ,,Zusatzbezeichnung Andrologie" zu erhalten. Nach mundlichen Informationen befurchten vor allem die Vertreter der Berufsver- bande, da13 rnit der Einfiuhrung einer ,,Zusatzbezeichnung Andrologie" das finanzielle Polster der niedergelassenen Facharzte zu klein wi.irde; denn ,,dann gehen alle andrologi- schen Patienten nur noch zu denen mit der Zusatzbezeichnung Andrologie."

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Die organisatorischen Voraussetzungen fur die Ableistung der Grundbedingungen einer ,,Zusatzbezeichnung Andrologie" sind an einer Reihe von Univ. Hautkliniken ohne wei- teres gegeben, wenn man dabei die Frage der Etatisierung einer derartigen Arzt-Stelle aus den Uberlegungen ausklammert. Gemeint ist die klinisch-andrologische Tatigkeit, wie sie sich nur in einer Spezialeinheit anbietet. Nach meinen personlichen Uberlegun- gen mussen fur die Einteilung der ,,Zusatzbezeichnung Andrologie" nach abgeschlosse- ner Facharztausbildung folgende Leistungen erbracht werden:

I. Einjahrige Integration in eine Abt. f. Andrologie bzw. eine Funktionseinheit Androlo- gie einer Universitat, wobei der Leiter die Anerkennung zur Weiterbildung im Rahmen des Faches Dermatologie haben mu13.

2. Wahrend dieses einen Jahres Durchfiuhrung aller andrologischen Untersuchungen mit 1/2 Jahr Ambulanz, 1/4 Jahr Laboratorium und 1/4 Jahr Spezialdienste wie Semidunn- schnitthistologie, Hormonanalysen und Psychologie.

3 . Indikationsstellung und selbstandige Durchfiuhrung der Hodenbiopsie mit Auswer- tung der im Semidunnschnittverfahren hergestellten histologischen Praparate.

4. Indikationsstellung und Beurteilung der Basishormonuntersuchungen und der Hor- monbelastungstests. sowie der sich daraus ergebenden therapeutischen Konsequenzen.

5. Indikationsstellung fur alle MaBnahmen der operativen Andrologie.

6. Hinreichend Erfahrungen hinsichtlich der Kooperation bei Kmderlosigkeit.

7. Ein Wechsel von einer Einheit zu einer anderen ist maximal ein Ma1 fur die Dauer von 2 Monaten zulassig ; im Zeugnis ist das entsprechend auszufuhren mit einer Begfindung, aus welchen Gfinden der Wechsel erfolgte.

8. Das der Arztekammer vorzulegende Zeugnis mu13 alle unter 1.-7. genannten Tatig- keiten im einzelnen auffuhren.

Das sind einige der wichtigsten Kapitel. Fur eine begrenzte Zeit wird man eine obergangslosung fur diejenigen Arzte finden

mussen, die seit langerem schwerpunktmafiig auf dem Gebiete der Andrologie tatig sind und eine bestimmte Anzal von andrologischen Patienten pro Quartal nachweisen kon- nen. Denkbar ware fur diese Kollegen zusatzlich eine Uberprufung ihres Wissensstandes und ihrer Fahigkeiten durch eine Kommission der Arztekammer, wobei zu den Prufern sowohl Vertreter aus dem Kreis der Niedergelassenen als auch Fachvertreter der Univer- sitaten mit ausreichender Qualifikation fur Andrologie gehoren mussen. Ich bin mir daruber klar, da13 diese Vorstellungen diskutabel sein mussen und damit Modifikationen erlauben.

Von dem Gesamtkonzept einer einjahrigen Tatigkeit in Andrologie sollte jedoch nicht abgewichen werden. Es darf weiterhin keine Abstriche daran geben, daB ein ,,Funk- tionsbereich Andrologie" etwa aus einem Laboratorium mit einer MTA und einem in der Weiterbildung befindlichen, alle 2-3 Monate wechselnden Assistenten besteht (so sieht namlich vielerorts die Praxis aus); es mu13 gewahrleistet sein, da13 ein vollver- antwortlicher Facharzt als Leiter dieses Funktionsbereiches fungiert, ganztagig in ihm arbeitet und dem fur die ,,Zusatzbezeichnung Andrologie" Integrierten als Aufsichts- person dient.

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W.-B. Schill C. Schirren

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P. Schramm

B. Schiitte H.-J. Vogt

Abbildungen S. 45-47: Vertreter der Andrologie in der Dermatologie von 1950-1988 in alphabetischer Reihenfolge

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Dieses eine Jahr mu13 kontinuierlich abgeleistet werden und kann nicht etwa durch Wochenendseminare - mogen sie noch so gut sein - ersetzt werden (es gibt z. B. Ein- richtungen, in denen die fur die Weiterbildung in Andrologie notwendigen Vorausset- zungen nicht vorhanden sind; hier kommt es vor, daI3 der Direktor der Klinik den Kandi- daten an Institutionen zweier anderer Bundeslander geschickt hat, um dort die Kennt- nisse uberprufen zu lassen, was prompt erledigt wurde . . . und der Mann erhielt darauf- hin seine Anerkennung als Arzt fur Hautkrankheiten, obwohl er die Voraussetzungen einer dreimonatigen Integration usw. nicht erfullt hatte. Eine Intervention bei der zu- standigen Arztekammer blieb erfolglos und wurde mit dem Hinweis bedacht: ,,Das Ver- fahren ist juristisch einwandfrei abgeschlossen").

Aufgrund der Erfahrung, da13 Antrage von Andrologen an Dermatologischen Kliniken an die Deutsche Forschungsgemeinschaft auf Forderung andrologischer Forschungsvor- haben in den 60er und 70er Jahren fast ausnahmslos abgelehnt wurden, habe ich nach Absprache mit einigen andrologischen Kollegen aus dem Bereich der Dermatologie den Versuch unternommen, bei der DFG eine Klarung dieser fur uns offenen Fragen herbei- zufuhren und um Verstandnis fur die Belange der Andrologie zu werben. Nach ent- sprechender Vorbereitung flog ich hierzu nach Bad Godesberg und hatte dort Gesprache mit dem Vizeprasidenten, Prof. Dr. Breuer und Dr. Fischer. Ich fand eine freundliche Aufnahme, die Gesprachssituation war harmonisch und aufgeschlossen, im Endeffekt ergab sich allerdings, da13 die DFG sich nicht in der Lage sahe, eine neue Disziplin wie die Andrologie in ihren organisatorischen Vorhaben zu unterstutzen; eine derartige Hilfestellung sei nur bei Antragen auf Forschungsvorhaben im Rahmen des ublichen Bewilligungsverfahrens moglich. Eine Auswahl spezieller andrologischer Gutachter sei nur bei den allfalligen Wahlen moglich und muI3te vorher im Senat besprochen und ent- schieden werden.

1983 ist ein erneuter VorstoB in dieser Sache unternommen worden, der im Jahre 1985 wieder aufgegriffen wurde, da in der Zwischenzeit zwar Beratungen stattgefunden hat- ten, jedoch keine Entscheidung mitgeteilt worden ist. Eine Antwort erfolgte jedoch nicht mehr.

Aus diesen Erfahrungen mul3te abgeleitet werden, da13 kein Interesse bestand, mit den Vertretern der Andrologie weiterhin im Gesprach zu bleiben. Einer Forderung der Andrologie standen offenbar einschlagige Vorschriften entgegen.

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