Urologe 2010 · 49:812–821DOI 10.1007/s00120-010-2333-5Online publiziert: 19. Juni 2010© Springer-Verlag 2010
A.S. Brandt · F.-C. von Rundstedt · D.A. Lazica · S. RothKlinik für Urologie und Kinderurologie, HELIOS-Klinikum Wuppertal, Lehrstuhl der Universität Witten/Herdecke, Wuppertal
Harnleiterrekonstruktion nach ureteroreno-skopischen Verletzungen
Leitthema
Iatrogene Verletzungen des Harnlei-ters im Rahmen einer Ureteroreno-skopie sind eine seltene Komplika-tion. Das Ausmaß der Verletzungen umfasst neben kleinen oberfläch-lichen Schleimhautverletzungen mit leichten Blutungen jedoch auch schwerwiegende Komplikationen bis hin zu einem kompletten Ureterab-riss. Die Therapie der Harnleiterver-letzung ist abhängig von der Lokali-sation und dem Ausmaß der Verlet-zung und reicht von der einfachen Harnleiterschienung bis zum kom-pletten Ureterersatz durch Darm.
Harnleiterverletzungen
Harnleiterverletzungen sind mit <5% der Verletzungen des Harntrakts insgesamt selten, sie können jedoch schwerwiegende ipsilaterale Nierenfunktionsstörungen zur Folge haben [9, 34]. Zirka 75% der Harnleiterverletzungen wer
den iatrogen verursacht. Dobrowolski et al. [10] konnten zeigen, dass von den iatrogenen Verletzungen 73% im Rahmen gynäkologischer, 14% nach allgemeinchirurgischen und 14% durch urologische Operationen verursacht wurden. Von den urologischen Ursachen sind Verletzungen des Harnleiters im Rahmen eines ureterorenoskopischen Verfahrens am häufigsten beschrieben.
Seit Beginn der Ureterorenoskopie (URS) als regelmäßig eingesetztes endourologisches Verfahren konnte die Komplikationsrate stetig reduziert werden. In den ersten Veröffentlichungen lagen die Komplikations bzw. Perforationsraten des Ureters noch zwischen 17 und 21% [19]. Aktuell wird die Rate an Komplikationen bei der URS insgesamt mit etwa 9–11% angegeben, wobei die Perforationsrate bei ca. 1% liegt [17]. Das häufigste Verletzungsmuster stellt die Avulsion der Harnleiterschleimhaut, bedingt durch ein Missverhältnis zwischen Ureterweite und Instrumentendicke, dar [17].
Schon früh konnte gezeigt werden, dass die Inzidenz von Harnleiterverletzungen während der Ureterorenoskopie stark von der Erfahrung des Operateurs und vom verwendeten Instrumentarium abhängt [39]. Durch die Verwendung von semirigiden oder flexiblen Instrumenten kann die Komplikationsrate weiter gesenkt werden [12].
Die Komplikationsraten bei URS im Rahmen von Steinextraktionen liegen deutlich höher als bei der diagnostischen URS [12, 39]. Bei Steinbehandlung ist ins
besondere die Steinextraktion mit Körbchensystemen (z. B. Dormiakörbchen) im oberen Harnleiterdrittel komplikationsanfällig [33].
Die häufigste Lokalisation von Verletzungen bei endourologischen Eingriffen ist mit 51–91% der distale Anteil. Seltener sind der mittlere (7–19%) und der proximale Ureter (2–30%) betroffen [10, 30].
Als Spätfolge nach Ureterverletzungen können in erster Linie Fisteln (3%) und Strikturen (7%) mit konsekutiver Hydronephrose auftreten. Nach URS ohne Verletzung des Harnleiters liegt die Strikturrate bei unter 1% [17]. Je ausgeprägter die Harnleiterverletzung ist desto höher ist das Risiko einer Harnleiterstriktur.
Klassifikation der Verletzungen
Die Klassifikation der Ureterverletzungen erfolgt nach der AAST ([24]; . Tab. 1). Nach ihr richten sich die allgemeinen Empfehlungen zur Therapie der Ureterverletzung nach den EAUGuidelines von 2009 [9].
Diagnostik
Die frühe Diagnostik einer Harnleiterverletzung ist in jedem Fall anzustreben, da eine verspätete Diagnostik zu einer deutlichen Steigerung der Komplikationsrate von ca. 5% auf 40% führt [13]. Das Spektrum der Komplikationen reicht dabei bis hin zur Sepsis und Verlust der Niere, wobei derart schwerwiegende Komplikatio
Tab. 1 Klassifikation der Ureterverlet-zungen nach der AAST [24] und EAU- Guidelines von 2009 [9]
Grad Art der Verletzung
I Hämatombildung
II Durchtrennung <50% des Harnleiter-durchmessers
III Durchtrennung >50% des Harnleiter-durchmessers
IV Kompletter Abriss mit Devaskularisation <2 cm
V Kompletter Abriss mit Devaskularisation >2 cm
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nen bei rechtzeitiger Versorgung der Verletzung grundsätzlich selten sind.
Insgesamt werden bis zu 66% aller iatrogen verursachter Harnleiterverletzungen nicht unmittelbar erkannt [33]. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Harnleiterverletzung intraoperativ diagnostiziert wird, liegt bei urologischen Eingriffen mit 77% jedoch deutlich höher als bei nichturologischen Eingriffen (25–67%; [34]).
Bei Verletzung des Harnleiters während einer URS sollte diese unmittelbar bemerkt und eine entsprechende Therapie eingeleitet werden. Durch eine retrograde Pyelographie kann die Lokalisation und der Grad der Verletzung radiographisch festgehalten werden ([13]; . Abb. 1).
Symptomatik
Sollte eine Harnleiterverletzung dennoch übersehen werden, so verläuft die frühe postoperative Phase meist symptomarm. Die ersten Anzeichen treten erst nach mehreren Tagen auf und sind zudem oft unspezifisch. Zunehmender Druckschmerz, Ileussymptomatik, Peritonismus sowie persistierend erhöhte Entzün
dungs und Retentionsparameter sind Symptome, die nach einer URS Hinweise für eine unbemerkte Harnleiterverletzung darstellen können. Klassische Flankenschmerzen, die auf eine Urinombildung zurückzuführen sind, treten ebenfalls meist erst nach Tagen auf. Durch postoperative Ultraschalluntersuchungen sollten große Urinome und Hämatome bereits frühzeitig erkannt werden, so dass tastbare Raumforderungen nach URS selten sind [33].
Bildgebung
Die postoperative Ultraschalldiagnostik ist meist zu wenig sensitiv, um in der frühen Phase Ureterverletzungen nachweisen zu können. Erst zu einem späteren Zeitpunkt können Urinome und Hydronephrosen dargestellt werden. Bei persistierenden Beschwerden nach URS sollte eine erneute Kontrastmitteldarstellung des Harnleiters erfolgen. Das Ausscheidungsurogramm (AUG) ist eine weit eingesetzte Methode zur Darstellung von Harnleiterverletzungen, zeigt jedoch in 33–50% der Fälle falschnegative Ergebnisse [34]. Ein unauffälliges Urogramm schließt daher eine Ureterverletzung nicht aus. Eine Computertomographie (CT) des Abdomens ist sinnvoll, um neben einer Harnleiterläsion ebenfalls mögliche Verletzungen benachbarter Organe sowie Hämatome und Urinome beurteilen zu können. Zur sicheren Beurteilung des Harnleitertraumas sollte die späte renale Ausscheidungsphase (20 min nach Kontrastmittelgabe) abgewartet werden. Als bestmögliche Darstellung der Ureterverletzung gilt die retrograde Pyelographie. Mit ihr lassen sich Lokalisation und Grad der Verletzung meist genau bestimmen.
Management bei partiellen Harnleiterverletzungen
Bei partiellen Ureterverletzungen (AASTKlassifikation Grad I und II) sollte zunächst versucht werden, den Defekt durch die Anlage einer Harnleiterschiene zu schützen. Ist eine retrograde Anlage der Harnleiterschiene nicht möglich, so kann alternativ, insbesondere bei verzögerter Diagnosestellung, eine perkutane Nephrostomie (PCN) eingelegt werden.
Eine alleinige Harnableitung mittels Nephrostomie kann zur primären Versorgung der Harnleiterverletzung ausreichend sein, jedoch favorisieren die meisten Autoren die Anlage einer Harnleiterschiene gegenüber der perkutanen Ableitung. Als Vorteil der Ureterschienung wird insbesondere eine Stabilisierung der Verletzung beschrieben. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass durch die alleinige Einlage einer Nephrostomie der Urinaustritt aus dem verletzten Uretersegment nicht vollständig verhindert wird, und ein bestehendes Urinom weiter unterhalten werden kann [9].
Über eine Nephrostomie kann entweder im gleichen Eingriff oder im zeitlichen Intervall von 2–7 Tagen eine antegrade Schienenanlage erfolgen. Die antegrade Versorgung wird oftmals als leichter durchführbar beschrieben und ermöglicht in vielen Fällen eine Harnleiterschienenanlage, in denen der retrograde Ansatz versagt hat. Dies gilt insbesondere für höhergradige Verletzungen [33].
Zum Schutz vor einer refluxiven Paravasation neben der inneren Schiene sollte eine Niederdruckableitung mittels Blasenverweilkatheter (BVK) oder suprapubischem Dauerkatheter (SPK) erfolgen. Diese sollte je nach Ausmaß der Verletzung für 2–7 Tage belassen werden. Bei größeren Verletzungen sollte gegebenenfalls vor Entfernung eine Kontrolle der Verletzung durch eine Kontrastmitteldarstellung entweder per Fistelfüllung über eine einliegende Nephrostomie oder per Refluxzystogramm über den einliegenden Katheter erfolgen.
Die einliegende Harnleiterschiene sollte je nach Ausmaß der Verletzung für mindestens 14 [17] bzw. 21 Tage [33] belassen werden. Zur Dokumentation des Heilungsverlaufs sollte die DJHarnleiterschienenentfernung entweder mit einer retrograden Pyelographie verbunden oder nach Entfernung ein Ausscheidungsurogramm angefertigt werden [34].
Endoskopische Rekonstruktion von komplexen Ureterverletzungen
Sollte bei einer partiellen Harnleiterverletzung eine rein retrograde oder antegrade Anlage einer Harnleiterschiene nicht
Abb. 1 8 Grad-III-Verletzung nach AAST bei einer URS
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Leitthema
möglich sein oder liegt eine komplexere Harnleiterverletzung vor, so kann eine endoskopische Ureteroureterostomie mit einer kombiniert antegradretrograden Rekanalisierung des Ureters in ausgewählten Fällen noch die Anlage einer Ureterschiene als temporäre oder endgültige Therapieoption ermöglichen. Bei dieser als RendezvousVerfahren beschriebenen Technik muss ein perkutaner Zugang zur Niere z. B. in Form einer Nephrostomie vorhanden sein. Über diesen Zugang wird ein hydrophiler Gleitdraht in den proximalen Harnleiteranteil bis zur Verletzung vorgeschoben und simultan erfolgt eine URS. Mit dem Uretero renoskop wird dann der proximal eingeführte Gleitdraht gefasst und über die Verletzung geführt. Im Anschluss erfolgt dann die Anlage eine Harnleiterschiene über den vorgelegten Draht. Nach erfolgreicher Anlage sollten die Grundsätze der Therapie der partiellen Harnleiterverletzungen bezüglich Niederdruckableitung beachtet werden.
Diese Technik ist in der Literatur ausführlich beschrieben und führt in 75–100% der Fälle zu einer erfolgreichen Anlage einer Ureterschiene [25, 35, 38]. Eine Anwendung der Technik sollte hauptsächlich bei kurzen Defekten <2 cm Länge erfolgen, obwohl auch erfolgreiche Versuche bei Defekten bis zu einer Länge von 10 cm beschrieben wurden [25].
Ein Auslass der DJHarnleiterschiene sollte frühestens nach 3 Monaten versucht werden. Eine Entfernung der Harnleiter
Zusammenfassung · Abstract
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Harnleiterrekonstruktion nach ureterorenoskopischen Verletzungen
ZusammenfassungHarnleiterverletzungen werden in ca. 75% der Fälle iatrogen verursacht. Von den uro-logischen Verletzungsmustern wird am häu-figsten die Ureterorenoskopie (URS) beschrie-ben, wobei die Komplikationsrate der URS insgesamt gering ist. Nach der „American As-sociation for the Surgery of Trauma“ (AAST) werden Ureterverletzungen in 5 Schwere-grade eingeteilt. Grad I–II werden als partielle und Grad III–V als komplexe Verletzungen be-zeichnet. Zur Vermeidung von höheren Kom-plikationsraten sollte eine möglichst schnel-le Diagnosestellung und Therapieeinleitung erfolgen. Die Therapie richtet sich dabei nach Schweregrad der Verletzung.
Partielle Harnleiterverletzungen werden endoskopisch durch Harnleiterschienung für 14–21 Tage behandelt. Bei komplexen Harn-
leiterverletzungen kann eine endoskopische Ureteroureterostomie versucht werden. Die-se zeigt jedoch abhängig von der Länge der Diskontinuitätsverletzung schlechte Langzeit-ergebnisse.
Zur operativen Rekonstruktion des Harn-leiters werden Techniken mit und ohne Ver-wendung von Darmsegmenten beschrieben. Die Art der operativen Technik ist dabei ab-hängig von Lage und Ausmaß der Verletzung. Neben der Harnleiterrekonstruktion kann in Einzelfällen eine Autotransplantation der Nie-re notwendig sei.
SchlüsselwörterHarnleiter · Harnleiterverletzungen · Ureterorenoskopie · Komplikationen · Harn-leiterrekonstruktion
Ureteral reconstruction after ureterorenoscopic injuries
AbstractUreteral injuries are caused by iatrogenic rea-sons in about 75% of cases. Among urolog-ical procedures ureterorenoscopy (URS) is mainly described as the reason for ureter-al injury, although complication rates of URS are generally low. Injuries of the ureter are di-vided into five grades by the AAST. Grades I–II are referred to as partial and grades III–V as complex ureteral injuries. To avoid high-er complication rates there should be no de-lay in confirmation of diagnosis and initia-tion of therapy. Correct therapy depends on grade of injury.
Partial ureteral injuries are treated by en-doscopic inlay of a ureteral stent for approx-imately 14–21 days. In complex injuries en-
doscopic ureteroureterostomy could be at-tempted but leads to rather poor long-term results depending on the length of devascu-larization of the injured ureter.
Procedures with and without use of bow-el for ureteral reconstruction and replace-ment have been described. The type of oper-ative procedure should be selected based on location and degree of ureteral injury. Besides ureteral reconstruction, autotransplantation of the affected kidney can be required in in-dividual cases.
KeywordsUreter · Ureteral injuries · Ureterorenoscopy · Complications · Ureteral reconstruction
Tab. 2 Therapieoptionen nach Art und Lokalisation von komplexen Harnleiter-verletzungen. (Mod. aus den EAU-Guide-lines von 2009 [9])
Art der Verletzung
Therapieoption
Proximaler Ureter
UreteroureterostomieTransureteroureterostomieUreterokalikostomie
Mittlerer Ureter UreteroureterostomieTransureteroureterostomieBoari-flap-Rekonstruktion
Distaler Ureter Direkte ReimplantationUreterozystoneostomie mit Boari-flap oder nach Psoas-hitch
Komplette Ureter- verletzung
DarminterponatAutotransplantationNephrektomie
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schiene ist jedoch oftmals nicht erfolgreich, da nach unterschiedlichen Zeitabständen Harnleiterstenosen auftreten. Die Erfolgsrate (0–75%) ist dabei in erster Linie abhängig von der Länge der Diskontinuitätsverletzung [25, 35, 38]. Bei frustranem Auslassversuch kann in einem Zweiteingriff eine offen operative oder laparoskopische Rekonstruktion erfolgen.
Operative Rekonstruktion von komplexen Ureterverletzungen
Bei komplexen Harnleiterverletzungen der AASTKlassifikation Grad III–V, bei denen eine Harnleiterschienenanlage endoskopisch nicht möglich ist, muss eine unmittelbare operative Therapie oder bis zur endgültigen operativen Therapie eine Nephrostomieanlage erfolgen. Die Art der operativen Therapiemaßnahme ist dabei abhängig von der Lage und Länge der Ureterverletzung. . Tab. 2 gibt eine Übersicht über Therapieoptionen nach Art der Harnleiterverletzung [9].
Rekonstruktion komplexer Ureterverletzungen ohne Darminterposition
Für die operative Versorgung von Ureterverletzungen sollten folgende Grundsätze bei allen Formen der Rekonstruktion beachtet werden [9]:F Débridement der Ureterenden,F Spatulation der Ureterenden,F Harnleiterschienung,F Wasserdichte und spannungsfreie
Anastomose mit resorbierbarem Nahtmaterial,
F Einlage einer RobinsonDrainage,F Schutz der Anastomose durch Perito
neum oder Omentum.
Ureterokalikostomie
Die Ureterokalikostomie findet Anwendung bei Verletzungen des pyeloureteralen Übergangs, bei denen eine Anastomose des proximalen Harnleiters und des Nierenbeckens nicht möglich ist. Hierzu muss der untere Nierenpol reseziert werden, um den unteren Nierenkelch freizulegen. Im Anschluss erfolgt nach Spatulation des Harnleiterendes die Anastomosierung des Harnleiters mit dem unteren Nierenkelch über eine eingelegte Harnleiterschiene mittels einer 4/0 oder 5/0Vicrylnaht (. Abb. 2). Wichtig ist eine ausreichende Resektion, da es andernfalls zu einer Kompression der Anastomose durch die nichtresezierten Unterpolanteile kommen kann. Die Anlage einer Niederdruckableitung mittels Katheter für 2 Tage und einer Wunddrainage für 4 Tage wird empfohlen. Die einliegende Harnleiterschiene sollte mindestens für 6 Wochen belassen werden. Nach 3 Monaten sollte eine Kontrolle der Anastomose mittels AUG erfolgen.
Ureteroureterostomie
Bei kurzstreckigen Harnleiterverletzungen kann eine EndzuEndAnastomose nach Spatulation der Ureterenden durchgeführt werden. Diese wird insbesondere bei Verletzungen oberhalb der Iliakalkreuzung empfohlen, kann jedoch auch bei distalen Defekten sicher angewendet werden [27]. Entscheidend ist, dass die Anastomose spannungsfrei geknüpft werden kann.
Zum Schutz der Anastomose sollte versucht werden, diese mit Omentum zu decken. Die Anastomosierung erfolgt auch hier mit resorbierbarem Nahtmaterial der Stärke 4/0 oder 5/0 nach Einlage einer Harnleiterschiene. Postoperativ gilt das gleiche Vorgehen wie bei der Ureterokalikostomie. Die Ureteroureterostomie ist heute bei ausgewählten Patienten sowohl laparoskopisch als auch roboterassistiert mit ähnlichen Erfolgs und Komplikationsraten möglich [20].
Transureteroureterostomie
Bei dieser Technik wird das distale Ende des verletzten Ureters ligiert und der proximale Anteil durch ein Fenster im Mesokolon oberhalb des Abgangs der A. mesenterica inferior über die Mittellinie verlagert (. Abb. 3b). Dort erfolgt eine EndzuSeitAnastomose mit dem gesunden Ureter der Gegenseite über eine eingelegte Harnleiterschiene, die mit dem proximalen Ende im Nierenbecken des verletzten Ureters liegt.
Diese Technik ist hilfreich bei Patienten mit Voroperationen im kleinen Becken, nach Bestrahlung oder wenn pathologische Strukturen eine Mobilisation der Blase verhindern. Die Langzeitergebnisse zeigen eine Erfolgsrate von >95% [18], obwohl durch diese Technik auch eine potentielle Gefahr besteht, die gesunde Niere zu schädigen.
Kontraindiziert ist dieses Verfahren falls der Ureter der verletzten Seite zu kurz ist, um eine spannungsfreie Anastomose zu gewährleisten. Weitere Kontraindikationen sind rezidivierende Steinbildner und Patienten mit bekannten Urothelkarzinomen, da ein späterer ureterorenoskopischer Zugang zu der verletzten Seite nur sehr schwer möglich ist. Weitere Erkrankungen der gesunden Seite wie rezidivierende Pyelonephritiden oder eine externe Kompression durch einen Tumor oder eine retroperitoneale Fibrose sollten ebenfalls ausgeschlossen sein [18].
Ureterozystoneostomie in der Technik nach Psoas-hitch oder mit Boari-flap
Bei distalen Harnleiterverletzungen gilt das Operationsverfahren in der Psoas
Abb. 2 8 Ureterokalikostomie rechts
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Leitthema
hitchTechnik als klassisches Verfahren zur distalen Ureterrekonstruktion. Mit diesem Verfahren können Ureterdefekte von 5–6 cm überbrückt werden. Präoperativ sollte mittels Zystogramm eine kleinkapazitäre Blase ausgeschlossen werden, da eine ausreichende Mobilität und Kapazität erforderlich ist. Die operative Rekonstruktion des distalen Harnleiters in der PsoashitchTechnik sollte angewendet werden, wenn intraoperativ die Harnleiterverletzung unmittelbar bemerkt wird. Besteht eine verspätete Diagnosestellung, so sollte mit der Rekonstruktion mindestens 6–8 Wochen gewartet werden [29].
Die operative Technik ist in der Literatur oftmals beschrieben worden [16] und soll hier nur kurz vorgestellt werden. Nach Mobilisation der Blase wird diese durch eine Querinzision eröffnet, durch eine Längsvernähung nach kranial ausgezogen und am Psoasmuskel fixiert. Zu beachten ist, dass bei der Fixation der N. genitofemoralis verletzt werden kann. Im Anschluss kann die Anastomose in der Technik nach LeadbetterPolitano oder LichGregoir spannungsfrei nach Einlage einer Harnleiterschiene genäht werden. Durch eine kurzstreckige intramurale Tunnelung kann dabei ein Refluxschutz erreicht wer
den. Beim Verschluss der Blase sollte ein suprapubischer Katheter eingelegt werden. Drainage und transurethraler Dauerkatheter können nach 2 Tagen, der suprapubische Katheter nach Kontrolle mittels Zystogramm nach 2 Wochen entfernt werden. Die DJHarnleiterschiene sollte mindestens 6 Wochen belassen werden. Eine Kontrolle der Ureterozystoneostomie sollte 3 Monate nach Operation mittels AUG erfolgen.
Ob eine antirefluxive Implantation notwendig ist, wird kontrovers diskutiert. Ahn u. Loughlin [2] fanden in ihrer retrospektiven Untersuchung an 24 Patienten, von denen lediglich in 3 Fällen eine antirefluxive Implantation stattfand, keine erhöhte Komplikationsrate oder vermehrte Langzeitschäden bei refluxiv implantierten Harnleitern. In weiteren Studien zeigen sich gute Langzeitergebnisse nach Rekonstruktion des distalen Harnleiters in antirefluxiver Technik [22]. In ausgewählten Zentren ist eine laparoskopische oder roboterassistierte Rekonstruktion in der PsoashitchTechnik ebenfalls möglich [28].
Bei längeren distalen Harnleiterverletzungen, bei denen die PsoashitchTechnik nicht ausreicht, um die Defektstrecke
zu überbrücken, kann eine Rekonstruktion mittels Boariflap erfolgen. Bei dieser Technik wird ein vaskularisierter Detrusorlappen aus der Blase mobilisiert, tubularisiert, nach kranial verlagert und mit dem Ureterende anastomosiert. Hierdurch können Ureterdefekte bis zu einer Länge von 15 cm rekonstruiert werden. Durch eine Mobilisation der Niere mit anschließender Nephropexie kann die Strecke noch weiter verlängert werden. Postoperativ sollte die Entfernung des Drainagematerials wie bei der Rekonstruktion nach Psoashitch gemäß den EAUGuidelines von 2009 erfolgen. Diese Technik ist ebenfalls laparoskopisch durchführbar [11]. Zur Rekonstruktion längerer Defektstrecken können bei ausreichender Blasenkapazität im Einzelfall die Techniken mit Psoashitch und Boariflap auch kombiniert eingesetzt und damit im Einzelfall sogar der gesamte Ureter ersetzt werden [26].
Direkte Harnleiterblasen-reimplantation
Nur bei sehr distalen Harnleiterverletzungen, bei denen zur spannungsfreien Anastomose auf eine Blasenmobilisation verzichtet werden kann, sollte eine direkte Harnleiterblasenreimplantation erfolgen. Mit der PsoashitchTechnik steht eine sichere und komplikationsarme Alternative zur Verfügung, so dass eine direkte Reimplantation nur im Einzelfall erfolgen sollte.
Die Verwendung von Darmsegmenten zur Harnleiterrekonstruktion
Seit den Veröffentlichungen von Goodwin et al. [15] aus den 1950er Jahren ist der Ureterersatz durch Darmsegmente eine akzeptiertes Verfahren zur operativen Harnleiterrekonstruktion, bei der oben genannte Techniken aufgrund der Größe des Defekts nicht eingesetzt werden können. Relative Kontraindikationen für die Verwendung von Darmsegmenten stellen chronische Darmerkrankungen wie z. B. Morbus Crohn oder eine eingeschränkte Nierenfunktion dar.
Traditionell ist die Verwendung eines Ileumsegments als totaler Harnleiterersatz
Abb. 3 8 a Postoperative Kontrolle bei einem kompletten linksseitigen Harnleiterersatz durch Ileum. b Rekonstruktion mit Ileuminterponat rechts mit Transureteroureterostomie links
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Leitthema
[4, 5, 7]. Hierfür wird ein Ileumsegment von 15–35 cm Länge mit einem Mindestabstand von 15–20 cm Länge von der Ileozäkalklappe ausgeschaltet.
Nach Wiederherstellung der Darmkontinuität wird das ausgeschaltete Segment, ggf. nach Verschmälerung (tailoring), isoperistaltisch nach Einlage einer Harnleiterschiene mit dem weit spatulierten Nierenbecken und der Blase jeweils EndzuEnd anastomosiert. Das distale Ende des Ileuminterponats kann sowohl refluxiv als auch antirefluxiv in die Blase implantiert werden [37]. Intraoperativ sollte neben einer Nephrostomie oder GilVernetDrainage zur Entlastung der proximalen Anastomose eine Niederdruckableitung mittels Blasenverweilkatheter angelegt werden. Nach Kontrolle der Anastomose mittels Fistelfüllung über die einliegende Nephrostomie nach 14–21 Tagen kann diese bei fehlender Extravasation entfernt werden (. Abb. 3). Am nächsten Tag erfolgt gegebenenfalls nach erneuter Kontrolle der distalen Anastomose mittels Zystogramm die Entfernung des Blasenverweilkatheters und der Harnleiterschiene. Nach 3 Monaten sollte ein AUG und ggf. eine Nierenfunktionsszintigraphie zur Kontrolle der Abflussverhältnisse durchgeführt werden. Die Sicherheit dieses Verfahrens konnte in mehreren Serien für die offen operative [4, 5, 7] und laparoskopische [32] Anwendung verifiziert werden. Alternativ kann der Harnleiterersatz auch durch ein Koloninterponat erfolgen (. Abb. 4), insbesondere bei beidseitigen Defekten, bei denen für eine Seite schon ein Ileuminterponat verwendet wurde [5].
Der Nachteil der Verwendung von langen Darminterponaten besteht in der Mukusproduktion und einer Tendenz zur Elongation. Bei präoperativ bestehen der Niereninsuffizienz mit Kreatininwerten >1,5 mg/dl ist postoperativ eine progrediente Niereninsuffizienz zu erwarten. Bei Kreatininwerterhöhungen >2 mg/dl steigt zudem die Gefahr einer hyperchlorämischen metabolischen Azidose mit Elektroytverschiebungen [31]. Aus diesem Grund muss postoperativ in regelmäßigen Abständen eine Kontrolle des Bikarbonats, des „base excess“ und des Chlorids erfolgen und ggf. eine Substitu
tionstherapie mit Natriumbikarbonat eingeleitet werden.
Um die Komplikationen, die durch die Länge des Darmsegments beim Harnleiterersatz entstehen, zu minimieren, kann ein partieller oder kompletter Harnleiterersatz ebenfalls durch rekonfigurierte Darminterponate in der Technik nach YangMonti erfolgen [31]. Bei dieser Ope
rationstechnik, die detailliert von Ghoneim u. AlielDein publiziert wurde [14], wird lediglich ein Darmsegment von 6–7 cm benötigt. Dieses wird ausgeschaltet und je nach benötigter Länge in 2–3 Teile weiter aufgeteilt. Die einzelnen Segmente werden longitudinal eröffnet und nach 90° Drehung mit 4/0Naht miteinander verbunden, so dass eine längliche Platte
Abb. 5 8 Bei der Technik nach Yang-Monti wird das ausgeschaltete Segment (hier modifiziert als Kolonsegment) erneut aufgeteilt, eröffnet und anastomosiert, so dass eine längere Platte durch ein kürzeres Segment entstehen kann
Abb. 4 8 Partielle Harnleiterrekonstruktion durch tubulär rekonfiguriertes Koloninterponat
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von 16–18 cm Länge entsteht. Durch Tubularisierung der Darmplatte entsteht der Ureterersatz, der proximal mit Harnleiter oder Nierenbecken EndzuEnd anastomosiert und distal refluxiv oder antirefluxiv in die Blase implantiert oder mit dem distalen Ureter verbunden werden kann (. Abb. 5). Durch Kombination mit dem PsoashitchVerfahren kann zusätzliche Länge gewonnen werden (. Abb. 6).
Der Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, dass die Darmoberfläche, die mit dem Urin in Verbindung kommt, möglichst klein gehalten wird und metabolische Entgleisungen aus diesem Grund vermieden werden können. Aus diesem Grund ist eine Anwendung auch bei präoperativ höheren Kreatininwerten möglich, ohne dass eine weitere Verschlechterung der Nierenfunktion zu erwarten ist. Durch die Verwendung eines rekonfigurierten Kolonsegments kann die Rückresorption ggf. noch weiter vermindert werden [36]. Die Anwendung ist sowohl als
partieller als auch kompletter Ureterersatz möglich [3, 6, 31].
Als Nachteil dieses Verfahrens werden das Risiko einer unzureichenden Vaskularisierung des Interponats, insbesondere im Bereich der proximalen und distalen Anastomose, sowie die höhere Anzahl an Anastomosen angesehen [31].
Als weitere Verwendung von Darmanteilen wird in der Literatur über Ureterrekonstruktionen durch MeckelDivertikel [1] oder (insbesondere bei Kindern) durch die Appendix vermiformis berichtet [8]. Ein routinemäßiger Einsatz beider Verfahren bei der Versorgung von Harnleiterverletzungen ist nicht möglich, da weder die Struktur eines MeckelDivertikels noch eine ausreichend lange oder mobile Appendix vermiformis permanent zur Verfügung stehen.
Weitere Verfahren zur Behandlung komplexer Harnleiterverletzungen
Autotransplantation
Bestehen Kontraindikationen gegen die Verwendung von Darmanteilen zur Ureterrekonstruktion, so stellt die Autotransplantation der Niere ins ipsilaterale kleine Becken eine Möglichkeit der Versorgung kompletter Harnleiterverletzungen dar. Die Entnahme der Niere kann dabei laparoskopisch erfolgen. Autotransplantationen sollten jedoch nur in Zentren mit genügend Erfahrung in der Transplantationschirurgie durchgeführt werden [23].
Künstlicher subkutaner pyelovesikaler Bypass
Bestehen Kontraindikationen gegen einen größeren operativen Eingriff, so kann im Einzelfall die Anlage eines subkutanen pyelovesikalen Bypasses indiziert sein, um dem Patienten eine ständige Harnableitung mittels Nephrostomie zu ersparen. Die Anwendung der subkutanen pyelovesikalen Bypässe aus alloplastischem Material ist bisher lediglich als palliative Therapiemaßnahme bei Patienten mit eingeschränkter Lebenserwartung beschrieben worden. Über Langzeitergebnisse wurde bisher nicht berichtet. Einige Autoren halten jedoch eine Anwendung des Systems
auch bei benignen Grunderkrankungen für möglich [21].
Nephrektomie
Eine Nephrektomie als Folge einer Harnleiterverletzung sollte nach EAUGuidelines heute nur noch in den seltenen Fällen durchgeführt werden, in denen die Ureterverletzung die simultane adäquate Versorgung eines Bauchaortenaneurysmas mittels Gefäßprothese verhindert [9].
Fazit für die Praxis
Zirka 75% aller Ureterverletzungen wer-den iatrogen verursacht. Von den uro-logischen Ursachen ist am häufigsten die Verletzung bei der Ureterorenosko-pie beschrieben. Nach der Einteilung der AAST in 5 Schweregrade werden partielle von komplexen Harnleiterverletzungen unterschieden. Die Diagnose einer Ure-terverletzung sollte zur Vermeidung von Komplikationen möglichst früh gestellt werden. Die Behandlung partieller Ver-letzungen erfolgt durch Anlage einer DJ-Harnleiterschiene. Bei komplexen Verlet-zungen kann eine endoskopische Urete-roureterostomie versucht werden. Die-se zeigt jedoch abhängig vom Ausmaß der Verletzung schlechte Langzeitergeb-nisse. Zur operativen Versorgung von komplexen Harnleiterverletzungen ste-hen Techniken mit oder ohne Verwen-dung von Darmsegmenten zur Verfü-gung. Die Art der operativen Versorgung ist dabei abhängig von der Lage und dem Ausmaß der Verletzung.
KorrespondenzadresseDr. A.S. BrandtKlinik für Urologie und Kinderurologie, HELIOS-Klinikum Wuppertal, Lehrstuhl der Universität Witten/Herdecke,Heusnerstraße 40, 42285 [email protected]
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Abb. 6 8 Distale Harnleiterrekonstruktion in der Technik nach Yang-Monti durch ein rekonfigu-riertes Koloninterponat in Kombination mit der Psoas-hitch-Technik
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Leitthema
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Klinisches Register „RaFTinG“ zur Optimierung der Flüssig-keits- und Volumentherapie auf deutschen Intensivstationen
Unter der Leitung von Prof. Hugo Van Aken
(Universitätsklinikum Münster) und Prof.
Bernhard Zwißler (Klinikum der Universität
München) wird bis zum 28.2.2011 das pros-
pektive klinische Register RaFTinG (Rational
Fluid Therapy in Germany, Trial Registration
Number NCT01122277) zur Dokumentation
der aktuellen infusionstherapeutischen Praxis
auf deutschen Intensivstationen durchge-
führt. 90 Tage nach Entlassung werden durch
ein Follow-up auch Daten in anonymisierter
Form zum Langzeit-Outcome erhoben,
welche von den teilnehmenden Kliniken zur
internen Qualitätskontrolle genutzt werden
können. Die Datenerfassung erfolgt internet-
basiert direkt auf Station. Zur Mitwirkung
sind alle deutschen Kliniken mit Intensivstati-
on eingeladen.
Weitere Informationen erhalten Sie unter
www.rafting-register.de.
Quelle: www.rafting-register.de
Fachnachrichten
821Der Urologe 7 · 2010 |