Heimatkundliche Blätter
Nr.4/2017
Mit der Selbstbau-Zille „Herzog Ludwig“
auf den Spuren der Ulmer Schachteln
Kurzer geschichtlicher Ausflug in die frühere Schifffahrt
Jahrhundertelang war die heimatliche obere Donau eine bedeutende Was-
serstraße auf welcher Holz, allerlei Waren und Personen mit Flößen, Zillen
und Plätten ab Ulm donauabwärts bis Wien oder sogar bis zum Schwarzen
Meer transportiert wurden.
Das Einwegschiff „Ulmer Schachtel“ ist der bekannteste Schiffstyp. Aber auch
stromaufwärts brachten schwerbeladene Schiffszüge, die mit bis zu fünfzig
Pferden gezogen wurden, begehrte Handelsartikel zu den Donaustädten Neu-
burg, Donauwörth und Ulm.
Blick vom Schopperplatz auf Ulm, Johannes Hans 1803
Dampfschiff Ludwig I.
Von 1839 bis 1874 verkehrten fahrplanmäßige Dampfschiffe zwischen Regens-
burg und Donauwörth auf dem nach und nach begradigten Fluss. Mit dem Bau
der Donautalbahn verlor die Schifffahrt an unserer Donau ihre wirtschaftliche
Bedeutung und wurde schließlich um 1900 gänzlich eingestellt.
Heutzutage ist die Donau ein gezähmter und kanalisierter Fluss mit einer Kette
von Stauanlagen zur Energiegewinnung. In unserem Bereich weisen nur noch
die Altwässer bei Vohburg, Pförring, Marching und Irnsing auf den einst wilden
und für Schiffleute nicht ungefährlich zu befahrenden Fluss hin.
Das Wissen um die einstige Bedeutung der Donauschifffahrt in unserer Heimat
ist leider gänzlich verloren gegangen. Ziel des Stadtheimatpflegers ist es des-
halb, diese Facette unserer Neustädter Heimatgeschichte nicht nur durch Vorträ-
ge und Aktionen, sondern auch durch interaktive Informationsgewinnung im
derzeitig entstehenden Heimatmuseum im Storchenwirt breiteren Bevölkerungs-
schichten zugängig zu machen.
Das Projekt „Mit der selbstgebauten Zille von Ulm nach
Neustadt“
Der Zillenbau
Die Zillenbauer früherer Zeit, Schopper genannt, gaben ihr Wissen mündlich
weiter, sodass es eigentlich keine Zillen-Baupläne gibt. Eine wissenschaftliche
Untersuchung der 1990er Jahre ergab, dass jeder Schopper individuelle Wasser-
fahrzeuge herstellte, die mehr oder weniger je nach Einsatzzweck am Boden
bzw. an den Seiten gebogen wurden.
In heutiger Zeit bauen die letzten Donau-Zillenhersteller, an der oberösterreichi-
schen Schlögener Schlinge beheimatet, ihre Zillen ausschließlich unter Verwen-
dung moderner Materialien wie Dreischichtplatten aus Fichte oder Lärche, gut-
dichtenden Klebern und Spax- oder Torxschrauben.
So entstand ein Entwurf einer Zille, die auch für einen handwerklichen Laien
machbar war.
Das Schiff (den Begriff Boot kennen die alten Schopper nicht) entstand zwi-
schen Allerheiligen 2016 und Pfingsten 2017 und war schließlich im Juli ein-
satzbereit.
Entwurf der „Neustädter Zille“
Bilder aus der Werft
Die Schifftaufe mit Römergold
Drei Männer und ein Schiff bei der Eininger Fähre
Taufe und erste Probeläufe
Im Bundeswehrhafen bei
Wackerstein erfolgte die
Taufe sowie die erste Dich-
tigkeits- und Fahrtaug-
lichkeitsprüfung. Die mit
Neustädter Römergold ge-
taufte „Herzog Ludwig“
erwies sich als dicht und
gut zu steuern. Auch der
kleine E-Motor brachte un-
sere Zille gut voran.
Um das Verhalten im
Fließgewässer beurteilen
zu können, ging es mit Schiff und Hänger zur Donaulände nach Vohburg. Die
anschließende Fahrt nach Neustadt verlief wie erwartet. Das lange Steuerruder
zeigte sich als sehr hilfreich.
Die dritte vorgesehene Testfahrt durch den stark strömenden und wirbelnden
Donaudurchbruch konnte nicht erfolgen, da die Slipstelle am alten Kelheimer
Hafen ein paar Tage zuvor mit einer Sperre versehen wurde. Unverrichteter
Dinge zogen wir unseren Hänger dann zurück bis zur Panzerfurt bei Eining, wo
wir nach Abfahrt von Neustadt und ausgiebiger Einkehr an der Fähre schließlich
wieder auswasserten.
Startvorbereitungen an der kiesigen
Slipstelle auf der Neu-Ulmer Seite
Ulmer Schachteln
vor der Staustufe
Böfinger Halde
Die große Fahrt
Zur Durchführung der Fahrt von Ulm nach Neustadt bedurfte es einer Anzahl von
Vorbereitungen. Da, wie wir bereits wissen, die heutige Donau mit einer Kette
von Staustufen zur Stromgewinnung ausgebaut wurde, bedarf es wegen fehlender
Strömung der Unterstützung durch einen Motor. Die notwendige Genehmigung
des Landratsamtes Neu-Ulm, welches nach Beteiligung aller unterliegenden
Landratsämter, der Regierungen von Schwaben und Oberbayern sowie der Fi-
scherei- und Naturschutzbehörden, wurde schließlich mit etlichen Auflagen ver-
sehen erteilt.
So starten Heimatpfleger Eduard
Albrecht, Dr. Martin Kramel, der
Abensberger Karl-Heinz Hauser
sowie Vater und Tochter Silber-
horn aus Oberstimm am Sonntag,
06. August 2017 mit Schiff und
Hänger nach Ulm.
Nach Nächtigung auf dem Zelt-
platz der Ulmer Kanufahrer setzten
wir dort gegen 11.00 Uhr unsere
„Herzog Ludwig in die Donau und
konnten bei kurzer zügiger Strö-
mung die Stadtansicht vom Wasser
aus genießen. Bei der Staustufe Böfinger Halde, welche nach zwei Stunden er-
reicht wurde, ankerten mehrere Ulmer Schachteln. Die erste Schleusung erwies
sich als sehr spannend. Es folgten die Staustufen Oberelchingen,
Leipheim und Günzburg, welche im Abstand von etwa sechs Kilometer vonei-
nander entfernt lie-
gen.
Oben:
Nach der der ersten
Schleusung
Mitte:
Fahrt über die
angestaute Donau
Unten:
Warten vor einer
Schleuse
Zwischen den Staustu-
fen waren keine Strö-
mung und permanenter
Gegenwind zu verzeich-
nen, so dass wir auf
Motorunterstützung an-
gewiesen waren. Die
120-Ah-Batterie tat auch
nach siebenstündiger
Motorfahrt immer noch
ihre Dienste.
Gegen 20.00 Uhr konn-
ten wir schließlich beim
Zeltplatz der Kanuten
in Günzburg anlegen.
Dort nächtigten wir im
Fitnessraum des Kanu-
clubs.
Neuburg: Slipstelle an der Ringmeierbucht
Begegnung mit anderen Donaufahrern bei der
Schleuse Bergheim
In der Schleusenkammer
Da die Schleusen in Fai-
mingen und Bertholds-
heim unpassierbar waren,
transportierten wir am
Dienstag die „Herzog
Ludwig“ bis Neuburg
und campierten auf dem
Zeltplatz neben der Do-
nau.
Am Mittwoch setzten
wir nach einem ausgie-
bigen Frühstück in der
Stadt unser Schiff auf
der nördlichen Donau-
seite wieder ins Wasser
und wurden von einem
zufällig vorbeikommen-
den Team der Neubur-
ger Rundschau inter-
viewt. Ein älterer Rad-
fahrer, der vor lauter
Interesse an unserer
„Herzog Ludwig“ vom
Radweg abkam, stürzte
dabei derartig schwer,
dass er vom Rettungs-
wagen betreut werden
musste.
Nach kürzerer Strömung
benötigten wir wieder
Motorunterstützung und
erreichten gegen 12.15
Uhr die Staustufe Berg-
heim. Martin Kramel,
mittlerweile zum Schleu-
ser avanciert, bediente
routiniert die Schleuse.
Die letzte Ulmer Schachtel, Postkarte von Bootshaus des DRCI
Ingolstadt: Brücke mit Schloss
Fast wie im Fünf-Sterne-Hotel
Kurz vor 16.00 Uhr er-
reichten wir das
Bootshaus des Do-
nauruderclubs In-
golstadt. Auf der Ter-
rasse der zugehörigen
Pizzeria stärkten wir
uns im total unter-
hopften Zustand und
mit knurrendem Magen
und sahen dem Treiben
der Ruderer auf dem
Stausee zu.
Nach Lokalschluss roll-
ten wir im Fitnessraum
bzw. Nebenräumen un-
sere Isomatten aus
und krochen in unsere
Schlafsäcke.
Nach dem Frühstück
brachen wir zur letzten
Etappe auf und er-
reichten nach kurzer
Fahrt gegen 9.30 Uhr
die Staustufe In-
golstadt. Nach erfolg-
reicher Schleusung und
sehr flotter Fahrt tauch-
te vor uns die Glacis-
brücke auf. Unter dem
Brückenbogen auf den
Steinen liegend, er-
blickten wir eine leblos
scheinende Frau-
engestalt. Auch nach
lauten Zurufen, keiner-
lei Reaktion. Wegen der starken Strömung hatten wir auch keine Möglichkeit
zum Anlanden. So lösten wir um 10.10 Uhr einen Polizeieinsatz aus.
Staustufe Vohburg
Schloss Wackerstein
Ankunft im Neustädter
Hafen
Die weiteren fünf Brückendurchfahrten mit Querströmungen erforderten einige
Aufmerksamkeit. Auf Höhe des Auwaldsees ließ die Strömung nach und wir
griffen wieder auf unseren bewährten Elektromotor zurück. Auf der linken
Flussseite passierten wir die Kirchtürme von Großmehring und Menning, rechts
begleiteten uns die Türme des Irschinger Kraftwerks. Kurz vor der Staustufe
Vohburg erhielten wir von der Polizei den Rückruf, dass die weibliche Person
aus dem Wasser geborgen werden konnte und lebte. – Gott sei Dank! Weitere
Auskünfte erhielten wir nicht.
Bei der Schleuse hielten wir
Mittagsrast. Danach trat
Schleuser Martin Kramel ein
letztes Mal in Aktion. Zügig
und flott führte uns die „Her-
zog Ludwig“ auf heimatli-
chem Gewässer, vorbei an
Vohburg, Dünzing und Wa-
ckerstein, Richtung Neustadt.
Auf der linken Donauseite
tauchte der Kirchturm Mar-
ching auf, wir passierten die
alte Ilmhöhe und erblickten
schließlich vor uns die Neu-
städter Donaubrücke. Gegen
14.30 Uhr steuerten wir die
Neustädter Lände an: „Da-
heim!“
Fazit: Der schönste und inte-
ressanteste Flussabschnitt ist
die Strecke von Vohburg bis
Kelheim, wo unser Fluss
noch frei fließen kann und
mit seinen Kiesbänken und
dem Weltenburger Donau-
durchbruch an die frühere
ungezähmte Donau erinnert.
Ulm
o. l.:Denkmal der Donauschwaben
u. l.: Das Schöne Haus mit Zille
o. r.: Ulmer- Schachtel-Gemälde am Rathaus
m. r..: Wirtshaus zur Zill
u. r.: Wirtshausschild mit Schachtel
Spuren früherer Donauschifffahrt
In den Donaustädten Ulm, Donauwörth, Neuburg und auch Kelheim ist die
ehemals bedeutende Donauschifffahrt noch Teil der Heimatgeschichte und wird
durch Schachtel- und Zillenfahrten, Fischerstechen und anderen Festen lebendig
gehalten. Auf unserer Zillenfahrt entdeckten wir ebenfalls noch Zeugnisse dieser
früheren Schifffahrt.
Neuburg
o. l.: Wirtshausschild
o. r.: Bronzeskulptur mit Zillenfahrer
m.: Straßenschild der Fischergasse
unten:
Staustufe Ingolstadt
Info-Häuschen mit Zille
Neustadt, 17.08.2017
Eduard Albrecht,
Stadtheimatpfleger