ÖDG Pressekonferenz 2.6.2010
Thema:
Steiler Anstieg der Kinder-Diabeteserkrankungen erfordert
neue Betreuungsstrukturen
Teilnehmer• Univ. Doz. Dr. Raimund Weitgasser
– Präsident der ÖDG, Univ.-Klinik für Innere Medizin I LKH Salzburg, Universitätsklinikum der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität
• Univ. Prof. Dr. Birgit Rami– Vorstandsmitglied der ÖDG, Leiterin der österr. AG für
pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie, Universitätsklinik für Kinder und Jugendheilkunde Med. Univ. Wien
• DKKS Elsa Perneczky, – Stv. Bundesvorsitzende der Österreichischen
Diabetikervereinigung (ÖDV)
• Martina Stacher und Tochter Sophie (9 Jahre, Diabetes mellitus Typ 1 seit dem 1. Lj.)
Themenüberblick• Zunahme der Diabeteserkrankungen im
Kindesalter• Diagnose oft spät gestellt (Ketoazidose-Gefahr)• Was brauchen Kinder/Familien mit Diabetes?
(strukturelle Voraussetzungen)• Vorstellung der aktuellen Kinder-Diabetes-
Leitlinien• Diabetes-Camps• Versorgung in Schule und Kindergarten
Aktuelle Diabetesinzidenzzahlen für Österreich < 15 Jahre
Inzidenz Diabetes mellitus T1 und T2 < 15 Jahren in Österreich
18,69
16,63
17,01
15,38
16,12
12,7612,25
12,89
11,98
17,45
17,98
0,14 0,28 0,42 0,55 0,23 0,07 0,21 0,14 0,34 0,4 0,42
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009
Jahre
Inzi
den
z/10
0.00
0/Ja
hr
T1
T2
95% der Kinder und Jugendlichen <15 Jahren haben einen DMT1
Steiler Anstieg der Inzidenz < 5 Jahre
Schober E, Rami B, Waldhoer T, et al.
Eur J Pediatr. 2008
(p<0,001)
Fig. 1 Age-specific incidence rates (per 100,000 person-years) in children <15 years of age at diabetes manifestation in Austria between 1979 and 2005. Black 0–<5 years; green predicted incidence rate 0–<5 years; red 5–<10 years; blue 10–<15 years
Diagnose wird oft sehr spät gestellt
• Bei Erstmanifestation typische Symptome:– Durst, Harndrang, Bettnässen, Müdigkeit, Gewichtsverlust,
u.a. bei langer Symptomdauer→
• Diabetische Ketoazidose (DKA = schwere Stoffwechselentgleisung, Übersäuerung des Körpers)
• DKA-Ursachen: – immer Insulinmangel– Jüngere Kinder, niedriger Sozialstatus– Gehen zu spät zum Arzt, bzw. Fehldiagnosen
Häufigkeit der DKA über 20 JahreTemporal trend of DKA rates of diabetic children < 15 years of age at
manifestation in Austria between 1989 -2008
65,1 65,759,3 63,1 62,6 62
21,325,4
29,1 26,7 26,1 25,6
13,6 8,9 11,6 10,2 11,3 12,4
62,9
25,7
11,4
0%
20%
40%
60%
80%
100%
1989-1992
1993-1995
1996-1998
1999-2001
2002-2004
2005-2008
1989-2008
Year
pe
rce
nta
ge
severe DKA
mild DKA
no DKA
37,2% DKA
Schober et al Diabetologia 2010
DKA-Komplikationen
• Hirnödem
• Thrombosen
• Akutes Nierenversagen
• Akutes Lungenversagen, u.v.m.
• Es droht Lebensgefahr
• Meist Betreuung ad Intensivstation notwendig (höhere Kosten)
DKA-Posterkampagne in Österreich
Was brauchen Kinder/Familien mit Diabetes mellitus?
Strukturierte Diabetesschulung• Essentiell bei der Betreuung von Diabetespatienten
– Wissensvermittlung an Patient und Familie– Erklärung aller relevanten Themen (Insulin/-wirkung;
Berrechnung der Nahrung, BZ-Messung, theoretische und praktische Beispiele für den Alltag, u.v.m.)
• Dauer einer altersgerechten Erstschulung: ca. 20-30h/Familie (bei Migrationshintergrund oft länger)
• Nur in einem multidisziplinärem Team möglich, dies ist in den meisten Diabeteszentren nur rudimentär vorhanden
• Positiver Effekt der Schulung auf die Diabeteseinstellung ist wissenschaftlich belegt (Diab Care 2010)
Ziele der Schulung
• Möglichst beste Stoffwechseleinstellung• Vermeidung von Akutkomplikationen
(Schwere Unterzucker und DKA)• Problemlose Alltagsbewältigung
(Schule/Kindergarten)• Vermeidung von Spätkomplikation
(Erblindung, Nierenversagen, Neuropathie, Herzinfarkt, Schlaganfall, u.v.m.)
Diabetes-Leitlinien der österr. AG für pädiatr. Endokrinologie und Diabetologie Österreich
(Pädiatrie und Pädologie 2010 in press)
Kapitelübersicht:• Diagnose, Klassifikation, Epidemiologie• Struktur der Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit
Diabetes mellitus• Diabetes-Schulung bei Kindern und Jugendlichen• Ernährung bei Diabetes• Diabetesmonitoring• Therapie: Ziele und Insuline• Psychosoziale Aspekte in der Betreuung von Kindern und
Jugendlichen mit Diabetes mellitus Typ 1• Akutkomplikationen• Modifikation der Diabetestherapie im Krankheitsfall und
Perioperatives Management • Assoziierte Erkrankungen und andere Komplikationen• Spätkomplikationen Pädiatrie und Pädologie 2010 in press
Struktur in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes mellitus
Personelle Stellen-Forderungen pro 100 Patienten mit Diabetes
KinderärztIn/Diabetologe/in 1
Diabetesberater/in 1
Psychologe/in 0,3
Kinderkrankenschwester/-pfleger 0,3
Fachkraft für Ernährung 0,2
Sozialarbeiter/in 0,2
Schreibkraft (z.B. QS, Briefe) 0,25
Empfehlungen sowohl der deutschen Diabetesgesellschaft (Ag für päd. Diabetologie, als auch der Österr. Gesellschaft für Kinderärzte (ÖGKJ)-AG für päd. Endokrinologie und Diabetologie Österreich (APEDÖ)
Diabetescamps• Einzige altersgerechte Möglichkeit einer
strukturierten Diabetesschulung abseits eines Diabeteszentrums
• Peer-group-Erfahrung• Selbstständigkeit erlernen• Aber
– Ungeklärte Finanzierung– Viel zu wenige Plätze– Viele Ärzte opfern dafür ehrenamtlich ihre
Urlaubstage und können diese dienstrechtlich nicht geltend machen
Spendenaufruf Diabetescamps• Kur- oder Reha-Möglichkeiten gibt es in
Österreich NICHT für Kinder.
• Viele Eltern können sich eine Teilnahme ihrer Kinder nicht leisten.
• Die ÖDG startet daher einen Spendenaufruf, um betroffenen Kindern eine Campteilnahme zu ermöglichen. Jede Spende kommt zu 100% den Teilnehmern zugute.
• Spendenkonto: 280 602 242 00 , BLZ 20111
Betreuung in Schule u. Kindergarten
• Höherer Betreuungsaufwand für ein Kind mit Diabetes mellitus
• Pädagogen: oft nicht geschult und daher ängstlich• Kinder mit Diabetes finden oft keinen KiGa-Platz• Kinder mit Diabetes dürfen oft an (außer-)
schulischen Veranstaltungen nicht teilnehmen• In Österreich sind Schulärzte oft nur wenige Std/Wo
anwesend• gibt es keine (mobilen) Krankenschwestern in der
Schule, diese werden von der ÖDG gefordet.
Forderungen der ÖDG und APEDÖ aufgrund der deutlich gestiegenen
Patientenzahlen im Kindesalter
• Verbesserung der Betreuungsstruktur (personell und räumlich)
• Verbesserung der Diabetesschulung • Verbesserung der Betreuung in Schule/KiGa• Änderung der Finanzierung/Zuschüsse für
Diabetescamp• 1. Schritt: Spendenaufruf für Diabetescamps
Danke für die Aufmerksamkeit
Sophie Stacher