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PULVERBESCHICHTEN

Pulverbeschichtung von MDF -Ein Blick über den großen Teich

Pulverbeschichtete Schreibtischplalle - kein Top-Finish, aber eine guteOberfläche, mit ausgezeichneter mechanischer und chemischer Resistenz

In Kanada und den USA laufen bereits über 20 Anlagen fürdiePulver­beschichtung von MDF. Dabei kommen auch thermisch härtendePulverlacke zum Einsatz. Wir haben uns informiert, wiederProzessfunktioniert und welche Praxiserfahrungen bisher vorliegen.

Wichtiges Zusammenspiel­Platte, Prozess und Pulver

härtende Pulverlacke sind dagegen in

Schichtdicken bis zu 250 pm möglich

und auch praxisgerechter in der An­

wendung, so die Argumentation bei

Morton. Ein weiteres Plus für ther­

misch härtende Pulverlacke ist das

große Spektrum von glänzend bis sei­

denmatt.

Nach Angaben von Morton ist das

Interesse an UV-Pulverlacken in den

USA und Kanada gering. 14 Anlagen

laufen inzwischen mit Lamineer,

einem für die MDF-Industrie ent­

wickelten Pulverlacksystem. Davon

arbeiten zwölf mit thermisch härten­

den Pulvern und nur zwei mit UV-Pul­

verlacken.

Nach den positiven Erfahrungen in

den USA und in Kanada will Morton

nun diese Technologie weltweit ver­markten. In Deutschland erfolgt die

Vermarktung über die Grimm Pulver­

lack GmbH. Zielgruppe sind MDF­

Möbel- und -systemehersteller. die im

mittleren und unteren Preissegment

anbieten.•In diesem Segment sehen

wir klare Vorteile für die Pulverbe­

schichtung ", sagt Heike Grimm­

Bareiß. Geschäftsführerin der Grimm

Pulverlack GmbH.•Ein Top-Finish ist

dagegen heute mit einem I-Schicht­

system nicht möglich. "

Im Vergleich zur Metallbeschich­

tung steckt die Pulverbeschichtung

von MDF gerade erst einmal in den

Kinderschuhen. Umso wichtiger ist ein

optimales Zusammenspiel zwischen

MDF-Platte, Prozess-Know-how und

Beschichtungspulver.

Längst nicht jede MDF-Platte ist

für die Beschichtung geeignet. Abzu­

stimmen ist zum Beispiel ist die Wahl

der Rohstoffe sowie die Dichte und der

Aufbau der Platten. Um Empfehlun­

gen geben zu können, welche MDF-

beschichtung größere Gestaltungsfrei­

heit gewährt. Vor allem aber verfügt

man jenseits des großes Teichs über

bis zu zweijährige Praxiserfahrungen.

Mittlerweile laufen dort mehr als 20

Anlagen.

Anders als in Europa, wo bislang

eindeutig UV-basiserende Pulverlack­

systeme und -prozesse favorisiert wer­

den, setzt der US-Pulverlackhersteller

Morton Powder Coatings auf die

MDF-Beschichtung mit thermisch

härtenden Pulvern. Aus Sicht von Mor­

ton hat die thermische Härtung

gegenüber der Strahlenhärtung ent­

scheidende Vorteile: Zum einen ist diekonventionelle Pulverlackaushärtungauf kompliziert geformten Teilen

wesentlich einfacher, und zweitens

umgeht man die Probleme mit pig­

mentierten UV-Pulverlacksystemen,

deren Schichtdicken auf 75 bis maxi­

mal 80 um begrenzt sind. Thermisch

Mehrals20 Anlagen

In den USA und in Kanada hat die

MDF-Industrie die Vorteile der Pul­

verbeschichtung längst erkannt, die

gegenüber der gängigen Melaminharz-

Um das Thema Pulverbeschich­

tung von MDF ist es ruhig

geworden in letzter Zeit. Da verwun­

dert es kaum, wenn, wie zuletzt auf der

Pulvertagung von JOT im Februar

2002 die Frage aufkommt, ob das The­

ma überhaupt noch aktuell sei. Doch

die Ruhe trügt. Mit Hochdruck arbei­

ten Anwender, Pulverlack und Anla­

genhersteller weltweit an Konzepten

und konkreten Projekten für MDF­

Beschichtungslinien. In zwei bis drei

Jahren, so ein Branchenkenner, wer­

den 10 bis 20 MDF-Pulverbeschich­

tungsanlagen in Europa laufen.

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Platten für die Beschichtung verwen­

det werden können, prüft Morton

daher zur Zeit die Materialien von ver­

schiedenen MDF-Herstellern. Beson­

deres Augenmerk gilt der Feuchtigkeit

des MDF-Materials. Sowohl zu niedri­

ge als auch zu hohe Feuchtigkeitswer­

te wirken sich bei der Beschichtung

negativ aus. Daher sollte das MDF­

Material idealerweise zwei Tage in kli­

matisiert gelagert werden.

Die Stärke der MDF-Platten sollte

zwischen 15 mm und 50 mm liegen.

Bei der Bearbeitung der Platten muss

auf die Verwendung einwandfreier

Werkzeuge geachtet werden. Stumpfe

Sägen erhöhen im weiteren Ablauf das

Risiko für eine schlechte Beschich­

tungsqualität. •Generell", so Heike

Crtrnrn-Baretß, .müssen wir uns von

dem Gedanken frei machen, mit dem

Beschichtungspulver kaschieren zu

können."

Die Qualität der Beschichtung steht

und fällt mit der Vorbereitung der

MDF-Oberfläche, sprich dem Schlei­

fen. Gefordert ist eine einwandfreie

Oberfläche. Der letzte Schliff sollte

mit einer 360er Körnung erfolgen.

Beim Aufhängen für die Pulverbe­

schichtung werden die Platten durch

Abblasen von anhaftendem Schleif­

staub befreit. Aufgrund der Staubent­

wicklung beim Schleifen empfiehlt

sich generell eine räumliche Trennung

von mechanischer Vorbehandlung und

Beschichtung.

Der erste Prozessschritt im Be­

schichtungsablauf ist das Vorwärmen

des MDF-Materials. Ideal ist am Ende

des Ofens eine Objekttemperatur von

etwa ISO °C und eine Restfeuchte von

6 bis 9 %. Um den durch das Vorwär­

men erreichten Ansinterungseffekt

optimal zu nutzen, sollte die Beschich­

tung unmittelbar folgen. Mehr als zwei

Minuten sollten nicht vergehen, und

die Objekttemperatur sollte nicht

unter 110°C absinken.

Die Pulverbeschichtung erfolgt im

Einschichtaufbau. Um einen langsa­

men und gleichmäßigen Schichtaufbau

zu erreichen, empfiehlt sich eine hori­

zontale Pistolenanordnung. Als Be­

schichtungspulver kommen häufig

Epoxysysteme zum Einsatz, die che­

misch wie mechanisch sehr belastbar

sind. Das Einbrennen der Pulverlacke

erfolgt im Konvektionsofen, wobei

Objekttemperaturen von etwa ISO°C

über 2 bis 5 Minuten gehalten werden

müssen.

PraxisbeispieleausderNähe betrachtet

Der beschriebene Prozessablauf hat

sich bei zahlreichen Serienanwendun­

gen bewährt, von denen einige nach­

stehend geschildert werden.

Praxisbeispiel 1:Riverstone Technologies

In den USA und in Kanada haben

sich einige Lohnbeschichter in eigens

dafür gebauten Betriebsstätten auf die

MDF- Beschichtung speztalisiert. Teil-

Beschichten ohne sichtbare Fugen

und Konten - die Pulverbeschich­tung eröffnet neue Gestollungsfrei­

heiten bei der Produktenlwicklung

weise wird dort auch die eigentliche

Holzbearbeitung vorgenommen, so

dass die Betriebe in den kompletten

Fertigungsprozess involviert sind. In

diesem Fall werden fertige Teile an

den Abnehmer geliefert, eventuell

werden auch Montagearbeiten über­

nommen.

Ein Beispiel hierfür ist Riverstone

Technologies. Das Unternehmen eröff­

nete im Januar 2001 eine neu gebaute

und ausgerüstete Fertigungsstätte.

Es fertigt vor allem MDF-Möbelteile

für Büromöbel-Hersteller, die mit

Lamineer Pulverlacken beschichtet

werden.

In früheren Planungen gingen die

beiden Inhaber davon aus, zunächst

kleinere Kunden und Projekte bedie­

nen zu können; tatsächlich waren dann

von Anfang an Großkunden wie zum

Beispiel Hon, Haworth, Trendway und

Steelcase mit von der Partie, die auch

heute noch die Hauptabnehmer sind.

Die Gründe dafür liegen unter ande­

rem in der fast völligen Gestaltungs­

freiheit bei freigeformten Teilen, die

sich mit Pulverlack ohne sichtbare

Kanten und Fugen beschichten lassen.

Dies ist insbesondere für die aktuellen

freistehenden Möbelkonzepte der

Büromöbelhersteller ein wichtiges Kri­

terium.

Durch die Applikatkion nur einer

Pulverschicht und den Wegfall von

ZWischenschliffen wird die Anzahl der

im Umlauf befindlichen Teile deutlich

reduziert, womit auch das Risiko von

Beschädigungen sinkt. Ein weiterer

Vorteil ist die kurze Durchlaufzeit, die

völlig neue Möglichkeiten bei der

Bearbeitung von kurzfristigen und eili­

gen Aufträgen eröffnet. Die hohe

Automation, die Riverstone Technolo­

gies bei der Planung und Realisation

seiner Fertigung erreicht hat, ermög­

licht es, um 6 Uhr morgens eintreffen­

de Aufträge am Nachmittag des selben

Tages zur Auslieferung bereit zu stel­

len. Heute können bis zu 2500 Teile

pro Tag beschichtet werden.

Praxisbeispiel 2: Commercial WoocIEin anderes Beispiel ist die Firma

Commercial Wood Products in Adelanto, California. Dort werden mit 320

Mitarbeitern Küchen- und Badezim-

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PULVERBESCHICHTEN

Mit der Einführung der Pulverbeschichtung konnte der US-amerikanische Her­

steller von Küchen- und Badezimmerschränken, Commercial Wood, die Aus­

schussquote deutlich verringern

merschränke hergestellt. Im Zuge

einer Erweiterungsinvestitton stellte

sich die Frage, ob die Türen für die

Schränke auch in Zukunft mit Vinyl

beschichten werden sollten oder mit

Pulver. Die Vinylbeschichtung war ein

vertrautes Verfahren, bei dem man

wenig Probleme gesehen hätte, sowohl

bei der Planung, wie auch später in der

Praxis.

Allerdings gab es auch klar Vorteile,

die für die Pulverbeschichtung spra­

chen. Zum Beispiel eine höhere Resis­

tenz gegenüber lösemittelbasierten

Reinigern, die perfekte Haftung und

natürlich die sehr viel höhere gestalte­

rische Freiheit in Bezug auf die Teile­

geometrie. So war es zum Beispiel mit

Vinyl nicht möglich, Türen mit einer

Cnffleistc. also ohne Knöpfe, zu ferti­

gen, da das Vinyl bei der Verarbeitung

Falten wirft.

Zu Beginn der Gespräche mit ver­

schiedenen Pulverlackherstellern äu­

ßerte Commercial Wood große Beden­

ken hinsichtlich der für Pulverlacke

erforderlichen Einbrenntemperatur

sowie der Gefahr von Ausgasungen.

Diese Sorgen konnten vollkommen

ausgeräumt werden. Die von Morton

1998 auf den Markt gebrachten

Lamineer-Pulverlacke sind speziell für

diesen Anwendungsbereich konzi­

piert. Sie werden bei etwa 150°C aus­

gehärtet und haften hervorragend auf

MDF-Untergründen ohne Blasen zu

bilden. Der Beweis dafür wurde in

einer Versuchsanlage erbracht, die da­

bei erzielten Ergebnisse überzeugten

das Unternehmen. Im September 1999

wurde die Pulverbeschichtungs-Anla­

ge bei Commercial Wood Products

installiert. Die Frage der Rentabilität

dieser Investition war angesichts von

60000 Türen, die jeden Monat bei

Commercial Wood hergestellt werden,

schnell beantwortet.

Die MDF-Teile werden nach dem

Zuschnitt automatisch geschliffen. An­

schließend werden sie in einen ande­

ren Teil der Produktion gebracht, um

Einschlüsse von Schleifstaub zu ver­

meiden. Nach der Aufgabe an einenKettenförderer erfolgt das Vorwärmen(10 Minuten), um eine gleichmäßige

Kerntemperatur sicherzustellen - die

Außentemperatur bei Commercial

Wood Products schwankt zwischen17°C morgens und 40 °C am Nachmit­

tag. Der Pulverlack wird klassisch mit

elektrostatischen Pistolen aufgebracht,

der Overspray wird zurückgewonnen.

Im Anschluss an die Beschichtung fah­

ren die Teile für etwa 10 Minuten

durch den Einbrennofen. Nach demVerlassen des Ofens kühlen sie etwa 10

Minuten ab, anschließend werden sie

sofort fertig montiert und verpackt.

Ausschussquotemit Pulver verringert

Mit Einführung der Pulverbe­

schichtung konnte Commercial Wood

die Ausschussquote verringern, da zum

einen bei einem noch nicht einge­

brannten, beschichteten MDF-Teile

der fehlerhafte Pulverfilm einfach wie­

der abgeblasen werden kann, und zum

anderen fehlerhafte, fertig beschichte­te Teile einfach noch einmal überbc

schichtet werden können. Im Gegen­

satz dazu ist eine fehlerhaft beschich­

tete Vinyltüre nicht mehr zu retten.

Die Erfahrungen mit dem neuen

Verfahren sind durchwegs gut, aller­

dings möchte Commercial Wood Pro­

ducts demnächst eine Klimatisierung

der Beschichtung installieren, um

unabhängig von den jeweils herrschen­

den Wetterbedingungen eine höhere

Prozesssicherheit zu erhalten. (Ke)

Kontakt : Heike Grimm-Bareiß,

Grimm Pulverlac Vertriebs GmbH;

Tel. 07171 /9801 -0;e-mail : [email protected]

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