Transcript

(Aus der Lungenheilst~tte Buchwald i. R., der Landesversicherungsanstalt Schlesien [Chefarzt Dr. WCthelm May].)

Uber die prognostische Bedeutung des Blutbildes bei der Lungen- tuberkulose im Verlauf einer Heilst~ittenkurl).

Von Dr. Otto Eicke.

(Eingegangen am 5. Mal 1923.)

Von den chronischen Erkrankungen ist es vor allem die Lungentuberkulose, die in den letzten 10 Jahren immer wieder Gegenstand klinisch-hamatologischer Untersuchungen gewesen ist. ~5erbl icken wir die Ergebnisse dieser zahlreichen Arbeiten, so fallen uns die bei den einzelnen Untersuchern oft sehr voneinander abweichenden Resultate hauptsachlich des weil]en Blutbildes auf, die sich nicht durch die verschiedene Art der Gesichtspunkte, yon denen die einzelnen Autoren ausgegangen sind, erkli~ren lassen. Auch kahn man nicht, wie Ste//en sagt (1910) eine Erklarung hierfiir finden in den wechselnden Erscheinungen und mannig- fachen Phasen und Verlaufsforrnen der Tuberkulose. ]st schon die Beurteilung des weiBen Blutbildes bei gesunden Personen von vielen Faktoren a bhangig, so kommen bei der Tuberkulose noch verschiedene andere Momente hinzu, die zu beriicksichtigen sind, wenn Untersuchungsergebnisse verglichen werden sollen. Es is~ ohne weiteres klar, dab schon durch die Nichtbeachtung von Neben- umstiinden (Tageszeit, therapeutische Eingriffe, k6rperliche Anstrengung, Nah- rungsaufnahme usw.) die Resultate beeinflui3t werden. Aber abgesehen davon liegt es vor allem an der verschiedenartigen Gruppierung ihres Materials, dab die iflteren Autoren nicht zu einer einheitlichen Auffassung in der Beurteilung ihrer Befunde gekommcn sind. Es lassen sich Veri~nderungen des weiBen Blur. bildes nicht vergleichen, wenn yon dem einen Untersucher zur Einteilung der Falle da~ Turban-Gerhardtsche Schema zugrunde gelcgt worden ist, der andere nach akuten und chronischen Fallen einteilt, und der drit te nach einem einzigen Symptom, der K6rper temperatur , klassifiziert oder nach der , ,Aktivitat und Passivi ta t" der Falle. So bequem die Stadieneinteilung nach Turban-Gerhardt erscheinen mag, fiir d ie Vergleichung hamatologischer Untersuchungen ist sie jedoch als alleinige Gruppierungsmethode abzulehnen, dazu ist sie zu grob- schematisch. Auch in dieser Hinsicht ist ein wesentlicher Fortschri t t der Tuber- kuloseforschung die Einteilung der mannigfachen Erscheinungsformen der

1) Wegen Raummangels war es nicht m6glich, die Arbeit in der beabsichtigten Form wiederzugeben. Es muBte auf die Darstellung mehrerer Kurven leider verzichtet werden. Im Archiv der Heilst~tte werden s~mtliche Kurven und Tabellen aufbewahrt und sind auf Wunsch zur Einsicht zu erhalten.

96 Otto Eicke: l~ber die prognostische Bedeutung des Blutbildes

Lungentuberkulose nach der Art des pathologiseh-anatomischen Prozesses, wie es uns Albrecht, Frgnkel, Ascho]], Nicol, Bacmeister, GrS]] und Ki~p/erle gezeigt haben, und die wir der Einteilung unserer Fi~lle zugrunde gelegt haben, in Ver- bindung mit dem Stadienschema, um dadurch gleichzeitig die Ausdehnung der Erkrankung zum Ausdruck zu bringen.

Je gr6Ber die Erfahrung ist, um so zuriickhaltender wird man bei der pro- gnostischen Bem~eilung selbst typischer Krankheitsbilder. Durch noch so genaue Differenzierung des pathologisch~anatomischen Charakters des Lungenherdes ist es allein nicht immer mSglich, den voraussichtlichen Verlauf einer Lungen- tuberkulose zu bestimmen, die AblaufsmSglichkeit der lokalen Erkrankung ist zu mannigfaltig, das klinische Bild zu wechselreich und vielgestaltig. Neben dem immunbiologischen Verhalten ist die allgemeine Reaktionsfi~higkeit des Oganis- mus yon gr6i~ter Bcdeutung, und da ist es das weiBe Blutbild, das uns in pro: gnostischer Hinsicht wiehtige Fingerzeige zu geben vermag, da es ein ungemein feiner Indicator ist fiir das Verhi~ltnis zwischen der Sti~rke der Infektion einer- seits, und der spezifischen Reaktionsfiihigkeit des leukopoetisohen Apparates andrerseits. , ,Immer gibt das weiBe Blutbild zusammen mit dem iibrigen Zu- stande und dem Lungenbefunde einen wertvollen Anhalt fiir die Beurteilung des einzelnen Kranken. (Romberg)." :Die Bedeutung des Leukocytenbildes liegt nieht in der Einzeluntersuchung, aus der die meisten friiheren Autoren ihre SchluBfolgerungea gezogen haben, sondern in der Reihenuntersuchung, worauf neuei<]ings Romberg mit Recht hingewiesen hat, aus dessen Klinik die letzte gr6Bere Arbeit auf diesem Gebiete s tammt (Romberg, Kleemann).

An unserer Heilsti~tte ziehen wir seit langem das weiBe Blutbild zur Be- tu'teilung prognostisch unsicherer Fi l le heran. Zweck der vorliegenden Arbeit war, an einem grSBeren Material (107 F i l l e ) d i e ~nderung des wei[~en Blut- befundes im Verlauf einer Hei ls t i t tenkur festzusteUen (Oktober 1921 bis Okt. 1922). Ich habe dabei vornehmlich solche Fil le beriicksichtigt, bei denen auf Grund der physikalischen und r6ntgenologischen Untersuchung die Piognose hinsichtlich des Erfolges eines Heilverfahrens zweifelhaft war. Soweit es mSg- lich, wurden 4 Blutbilder bestimmt und zwar in der ersten und zweiten W o c h e , in der Mittc und am Ende der Kur. In den gleichen Zeitabstinden wurde ein Pirquet gemacht. (Abgestufter Pirquet, Alttuberkulin Koch, 1: 100, 1 :10 und konz.) Es erschien uns weiterhin wissenswert, ob der Pirquet einen unmittel- baren EinfluB auf das Leukocytenbild hat. Diescm Zweck sollte die Unter- suchung der weiBen BlutkSrperchen in der zweiten Woche dienen, die 48 Stunden nach Anstellung der zweiten Tuberkulinprobe vorgenommen wurde, yon der Annahme ausgehend, dab eine Wirkung auf den Leukocytenbefund sich auf der H6he eines evtl. sensibilisierten Pirquets am sichersten zeigen mtiBte, falls tiber- haupt eine solche mSglich war, eine Annahme, die durch Voruntersuchungen sich bestatigte. Die Technik war die tibliche. Zihlung der Ery throcyten er- folgte in der Thoma-Zeissschen, die der Leukocyten in der Bi~rkerschen Kammer. Zur Differenzierung der Leukocyten wurden 3 nach Pappenheim gefiirbte Deckglas- ausstriche benutzt, 2--400 Zellen ausgezi~hlt und der Durchschnittswert notiert.

Als Normalzahlen sehe ich die yon Erich Meyer (Lenhartz-Meyer, Mikro- skopie und Chemie am Krankenbett , 1919) angegebenen Werte an, Leukocyten

bei der Lungentuberkulose im Verlauf einer Heilst~ttenkur. 97

6--8000, davon 70--72% Neutrophile, 22--25% Lymphocyten, 0,5--3% Eosino. phile, 3--5% Manonuklei~re ~- ~bergangsformen, 0,5% l~astzellen. Ieh be- zeichne als Leukocytose: Werte fiber 10 000, erhShte Gesamtleukoeyten: 8 bis 10 000, Lymphocytose: Werte fiber 30% Lymphoeyten, erhShte Lymphoeyten- zahl 25--30%, herabgesetzte Lymphocytenzahl 16--20%, Lymphopenie: Werte unter 16%, Eosinophilie: Werte yon 6% ab, erhShte Eosinophilenzahlen 3--6%, Monoeytose: Werte yon 12% ab, erhShte Monocytenzahlen: 5--12~/o .

Das rote Blutbild. Aus den Untersuchungen des roten Blutbildes geht hervor, dab bei den

leichteren und unkomplizierten Formen der Lungentuberkulose das Hi~mo- globin und die Erythrocyten fast normal oder nur wenig reduziert sind. Mit der Sehwere und Ausdehnung des Lungenprozesses gcht ein Sinken ihrer Wcrte einher, wobei das H/~moglobin am meisten den toxisehen Einflfissen unterliegt. Bei den schwersten F/~llen finden wir mitunter Aniimien, die an das Bild der perniziSsen Aniimie erinnern. Bei manehen vorgesehrittenen, aber mit nicht allzustarken Intoxikationserscheinungen einhergehenden Tuberkuloseformen steht die ~iuflere Bldsse und der schlechte Allgemeinzustand des Patienten oft in ganz auffallendem Gegensatze zu den Erythrocytenwerten, die fast normal, ja teilweise iibernormal sein kSnnen, Befunde, wie sie auch Ngigeli, Ste//en, Gull- bring, Schwermann und andere erhoben haben. Ffir diese merkwfirdige Er- scheinung sind die versehiedensten Ursaehen angegeben worden: Na'geli und Ste//en fiihren Sauerstoffmangel infolge vcrminderter Atemoberfli~che an, nach G ullbring finden sich die hohen Werte fiir rote BlutkSrperchen ,,innerhalb einer besonderen Gruppe", die Anzeichen einer Amyloiddegeneration der inneren Organe aufweisen. Andere Autoren sehen die Ursache in einem dutch Fieber, DiarrhSe oder massenhaften Auswurf bedingten Flfissigkeitsverlust. Schmalz (zit. Schwermann) sagt, daB die durch Lungeninfiltration und Herzschw~ehe bedingten ZirkulationsstSrungen zu einer Anh~ufung der BlutkSrpcrchen in der Peripherie ffihren und somit der normale Blutbefund nur vorget/~uscht wird.

Bei diesen hohen Erythrocytenzahlen handelt es sich sieherlich nieht um eine durch Dyspnoe bedingte wirkliche Zunahme der roten BlutkSrperchen, womit natfirlich nieht "gesagt sein soll, dab ein erhShtes Sauerstoffbedfirfnis gegebenenfalls auf das rote Blutbild yon EinfluB sein kann. Bei unseren Patienten kam eine Dyspnoe gar nicht in Be~racht. Cz~prlna.Czerlcassy sag~ sogar: ,,S~mtliehe Erkrankungen der Atmungsorgane, die mit einer Erschwerung und Bebinderung der Respiration und des Gasaustausches einhergehen, haben akuten oder chronischen Sauerstoffhullger zur Folge, der einerseits zu einer Verarmung des Blutes an Erythrocyten, andererseits zu einem Ansteigen des Gehaltes an Eosinophilen ffihrt."

Die in Frage stehenden Befunde sind viehnehr durch eine Bluteindickung bedingt, die nicht hervorger~ffen ist dutch einen Fliissigkeitsverlust infolge profuser Sekretionen. Auch diese Momente spielen i~tiologiseh keine Rolle. Bei keinem unserer Patienten fanden wit NachtschweiBe, noch iibermi~Big groBe Auswurfmengen, noch Durchf~lle -- Symptome, die allerschwerste Falle cha- rakterisieren, und bei denen wir stets eine starke Reduktion der Erythrooyten-

Beitr~lge zt~r Klinik der Tuberkulose, Bd. 56. 7

98 Otto Eicke: ~ber die prognostische Bedeutung des Blutbfldes

und Hamoglobinwerte antrafen. Die pathologische B!uteindickung bei gewissen vorgeschrittenen Tuberkulosen ist Folge der Autotuberkulinwirkung, wie das schon Gdrtuer, Rgmer, Grawitz erkannt hat ten, und worauf in neuerer Zeit Erich Meyer und Meyer-Bisch hingewiesen haben, indem letzterer den gestSrten Wasser- hat~shalt an dem verschiedenartigen Verhalten einzelner Krankhei tsformen bei probatorisehen Tuberkulininjektionen zeigte {positive und negative Wasser- reaktion).

Die hSebsten Zahlen fth. rote BlutkSrperehen fanden wir bei Fall 87, einem Patienten, der durch zeitweise hoehrote Gesichtsfarbe auffie], das allerdings das einzige Symptom ware, das auf eine Art Polycythamie hat te hinweisen kfnnen, im Gegensatz zu den oben erwahnten Fallen, die trotz ihrer hohen Erythrocytenwer te durch ihre auBerliche Blasse auffielen. Man mug also an- nehmen, dab es sich in dem Fall 87 ebenfalls um eine Bluteindickung handelt . Weiter unten muB ich auf diesen Fall noehmals zuriiekkommen, da er auch hin- sichtlich der Gesamtleukoeytenzahl ein durchaus abweichendes Verhalten zeigte.

Waren zu Beginn die Erythrocyten- und Hamoglobinwerte herabgesetzt, so sahen wir dieselben im Laufe der Kur ansteigen und beim AbschluB des Heft- verfahrens in fast s~mtliehen Fallen, we nieht besondere Komplikat ionen vor- lagen, Normalwerte erreieht. Eine Ausnahme yon diesem Verhalten zeigen je- doch 6 F~lle, bei denen es zu einem Abfall der roten Blutk6rperehen kam. Diese 6 Falle geh6ren zu den beobachteten 11 Fi~llen mit patho]ogischer Blut- eindiekung. Bei den iibrigen 5 F~llen dieser Art blieben 4 mal die Werte gleieh und einmal zeigte sieh eine Zunahme im Laufe der Kur. Die bei Kurbeginn gestellte Prognose bei den 11 Pat ienten war folgende:

in 2 Ffillen Vielleicht ausreichend ,, 4 ,, zweifelhaft ,, 2 ,, sehr zweifelhaft ,, 3 infaust.

yon den Patienten mit Sinken 'der Werte: in 2 ~l len zweifelhaft | bei 5 Pat.lenten ,, 1 Fall sehr zweifelhaft / Kurabbruch ,, 3 Fanen infaust 1 Patient ad exitum

Bei den 11 Fi~lten muBte 6mat die Kur als aussichtslos abgebroehen werden (davon 1 l~bernahme in Invalidenhauspflege), 1 Fall karh ad exitum, in 4 Fallen wurde die Kur durchgefiihrt mi t dem Erfolge: 2 Pat ienten I/~ arbeitsfahig und je einer 1/2 und ~/a arbeits~ahig.

Hieraus geht hervor, dab bei jenen Tuberkulosefallen, bei denen es zu einer Bluteindickung gekommen ist, es sich bereits um Patienten mit einem welt ge- schadigten Organismus handelt, bei denen die Prognose mit aller Vorsicht zu stel!en ist. Hohe Erythrocytenwer te sind jeweils mit groBer Kri t ik zu verwerten (Bestimmung des SerumeiweiBwertes!) Wie aus den Tabellen (siehe Diagnose) hcrvorgeht; handelt es sich aussehlieBlich um schwere Falle, kavernSse Phthisen mit teilweise schweren Komplikationen. Niemals land ich die auffallende Er- scheinung i~.uBerlicher Blasse mi t hohen Erythrocytenwer ten bei leichteren Fal- len, hier zeigten sieh eher ausgesproehene Anamien, welehe unter Besserung des subjektiven and objektiven Befundes am Schlul] der Kur immer geschwunden waren.

bei der Lungentuberkulose im Verlauf einer Heilstattenkur. 99

Ein Sinken der Erythrocytenwerte ware natiirlich als ein ungfinstiges Zeichen anzusehen. Das war sogar auch bei jenen Patienten so, deren unver- haltnismallig hohe Erythrocytenzahlen als pathologiseh anzusehen waren. Hier fiihrt die Schwere des Krankheitsprozesses fiber das Stadium der Bluteindickung in das kachektische Stadium der Tuberkulose, we man enorm niedrige Werte des Serumalbumens antreffen kann, wie sich dam bei Gelegenheit yon Unter- suchungen zcigte, die wir yon anderen Gesichtspunkten aus anstellen.

Da,, weifle Blutbild. Man hat te frfiher wiederholt versucht, ffir dieses oder jenes Stadium der

Lungentuberkulose, ganz einerlei nach welchcm Schema klassifiziert wurde, ein charakteristisches Leukocytenbild zu finden. Man kam nicht zu einheit- lichen Gesichtspunkten, die Differenzen der einzelnen Autoren waren zu groll. Nach meinen Untersuchungsergebnissen ist es auch nieht mSglich, fiir die ein- zelnen Grundtypen des pathologisch-anatomischen Prozesses -- exsudativ, produktiv, cirrhotisch -- ein allgemein giiltiges weiBes Blutbild aufzustellen. ,,Ein fester Zusammenhang mit der Art der Lungenerkrankung ist abzulehnen" ( Romberg, Kleemann ).

Allein die Gesomtleukocytenzahl bietet schon grol~e Abweichungen, z .B . finden wit bei leichten und ganz schweren Fallen niedrige, zum Teil subnormale Werte, die, wie wir welter unten sehen werden, prognostisch ganz verschieden zu beurteilen sind, Bei den citThotischen, gut indurierenden, bzw. zur Induration neigenden produktiven Formen, Fallen 1. und 2. Stadiums, haben wir kaum Zahlen, die 7000 fiberschreiten, grSBtenteils sind sie sogar niedriger. Mit der Ausbreitung und "der Schwere des Krankheitsprozesses steigen die Werte, wobei die Ausdehnung weniger ins Gewieht fallt als die Art und Aktivitat der Erkran- kung. ErhShte Zahlen (8--10 000) mahnen bei der Prognosestellung zur Vor- sicht, bei Leukocytosen ist die th'ognose zum mindesten sehr zweifelhaft. Leuko- cytoscn durch irgendwelche Komplikationen bedingt, sind selbstverstandlieh anders zu bewerten. Nattirlich mull jeder Einzclfall individuell beurteilt werden, jedes Sehematisieren ist hier zu verweffen. Das sehen wit' z. B. an Fall 87, dem wir auf Gr~md des physikalisehen und rSntgenologischen Befundes keine un- giinstige Prognose stellten und der trotzdem bei der ersten Untersuehung eine Leukocytose yon 14 000 aufwies, die nach dem Lungenbefunde nicht zu erwarten war. Wohl handclt es sich um einen bereits fortgeschrittenen Fall, das zeigt ja auch die Lettkoeytendifferenzierung (Lymphopenie). Daz Heilverfahren wurde dlzrchgeffihrt mit dem Erfolge, datl Patient als yell arbeitsfahig in seinen Beruf entlassen werden konnte. Dieser Erfolg kommt auch in der zuletzt bestehenden Lymphoeytose zum Ausdruck. Wie im ganzen Verlaufe, so bestand auch noch am Schlusse der Kur, obwohl der Lungenprozell inaktiv geworden war, eine Leukocytose yon 12 500, die nicht zu erklaren war; eine Komplikation kam nicht in Betracht.

Ein abweichendes Verhalten hinsichtlich der Gesamtleukocytenzahl als aueh, wie wir welter unten sehen werden, im Differentialbilde zeigen die sekun- daren Tuberkulosen im Slime tlanies, die Lymphdriisentuberkulosen mit dem typischen Hilusbefunde. Hier fanden sich fast in der Mehrzahl der FiiUe Leuko-

7*

100 Otto Eicke: ~ber die prognostische Bedeutung des Blatbildes

cytosen, die mit der klinischen Besserung sofort verschwanden. Prognostisch ist diesen Leukocytosen nicht die ungiinstige Bedeutung beizulegen wie den r Lungent,uberkulosen. Diese Tat sache ist besonders auch zu beriick- sichtigen bei jenen Tuberkuloseformen, die wir dem ~rbergangsstadium von der sekundaren zur terti~ren Tuberkulose zurechnen mfissen, wo die noch nicht v611ig abgeklungenen Driisenprozesse das Blut,bfld beeinflussen.

Sicherlich kann aus einer Leukoey~ose nieht ohne wei~eres der Sehlul3 ge- zogen werden, wie Stein und Erbmann es tuen. Sie behaupten namlich: ,,Wenn bei einem tuberkulSsen Individuum -- bei welchem keine chronische Eiterung oder kein exsudativer EntzfindungsprozeB besteht N eine Vermehrung der Leukocyten gefunden wird, so kann das Vorhandensein eines u]zerSsen Zerfalls in der Lunge, d .h . eine Ka~ernenbildung, als erwiesen betrachtet werden." Danaeh wiirden also normale LeukocYtenzahlen eine Kavernenbildung aus sehlieBen. ])as ist, naeh meinen UntersuehungsergebnL~sen sicherlich nicht der Fall, denn bei 29 Patienten mit, sicheren Kavernen bei aktivem LungenprozeB war keine Leukocytose anzut,reffen. Sehen wir unsere mit einer Leukocytose einhergehenden F~lle (35) dureh, so sind in der Tat. mit, wenigen Ausnahmer~ :Kavernen vorhanden. Hier sind es aber nicht, die Kavernen, welche die Leuko- eytosen bedingen, sondern das ausschlaggebende Moment ist hier allein die Art und Aktivitdt des pathologisch-anatomisehen Prozesses. K]er Petersen kommt auf Grund seiner ausgedehnten Untersuehungen tiber die Gesamtleukocytenzahl zu dem Sehlul3, dab kein bestimmtes Verhaltnis besteht, zwischen der Ausdeh- nung der Erkrankung und der Leukocytenzahl, und dab bei ]constant erhShten Zatfien die Prognose im allgemeinen schlecht ist,. Ste//en finder bei seinen Fal- len im wesentliehen eine Vermehrung (Normalzahl mit 5500 angenommen) der :Leukoeyten, die niedrigsten Werte bei den ent,fieberten fieberlosen Fallen, und zwar der Norm um so naher, je geringer die Einwirkung der Infekt,ion, mit, der Schwere .der Erscheinungen steigen im allgemeinen die Werte. Schwermann sagt, dab die Lungentuberkulose an sich in ihrem Beginn kaum oder nu t einen geringen Einflul3 au~ die Gesamtzahl der weil3en Blutk5rperehen ausfibt, bei vorgeschrittenen .Fallen kommen alle Werte vor, bei schweren ausgesprochene Leukoeyt,ose. v. LimbecIc (zit,. Schwermann) kommt zu demselben Ergebnis wie Stein und Erbmann, bei Kavernenbildung nie fehlende Leukocytose. Naeh Blumen/eldt ist die Gesamtzahl in allen Stadien der Tuberkulose erhSht, und zwar um so mehr, je vorgeschrittener der Proze~ (Normalzahl 8000). Gloel (Normalzahl be~ Morgenz~hlungen 4--6000, fiber 8000 Leukoeytose) kommt bei seinen genauen Untersuchungen zu dem l~esultat, dab die Leukoeytenzahlen bei Tuberkulose fast durchwegs erh6ht sind, aueh schon in leiehten !~iillen. Nor- male Zahlen kommen abet zuweilen vor, und zwar gerade auch in Endstadien und bei Kavernenbildung.

])ie Beobacht,ung der Gesamtleukoeytenzahl im Verlaufe der Kur ergab, dab fast ausnahmslos in allen Fallen, in denen das Heilverfahren mit Erfolg durehgefiihrt wurde, mit der Besserung des klinischen Befundes eine Abnahme der Werte einherging, NormaIzahlen erreicht, wurden, wo anfangs Leukocyt,osen bestanden. DaB es hier Ausnahmen gibt, zeigt Fall 33. Bleiben bereit,s anfangs erhShte Zahlen bestehen, so handelt,e es sieh meist urn sehr aktive Prozesse, der

bei iter Lungentuberkulose im Verlauf einer Heflstattenkur. 101

Kurerfolg war bier meist sehr zweifelhaft. Kam es jedoch zu Leukocytosen, oder gingen diese nieht zuriiek, so war. das ein absolut ungtinstiges Zeiehen; in samtliehen Fallen ~ r d e die Kur als aussiehtslos abgebroehen, nut bei 2 Pa- tienten durehgefiihrt, aber kein Erfolg erzielt.

Ich sagte oben, da[3 bei einer anfangliehen Leukoeytose die X)rognose zum mindesten sehr zweifelhaft ist. Sehen wir jedoeh die Leukoeytenvermehrung als MaBstab fiir die Reaktionsfi~higkeit tier blutbildenden Apparate an, so ist sie in dieser Beziehung immerhin ein gutes Zeiehen. Durch rege Neubildung weiBer Blutk6rperchen, als Ersatz fiir die im Kampfe als Phagoeyten und Anti- toxintrager untergehenden Leukoeyten, kommt es zur Leukooytose (Naegeli). Prognos~isch anders sind daher die normalen und niedrigen Leukocytenzahlen bei den ganz sehweren Tuberkulosen [Full Nr. 23, 27, 69, 71, 1071)] zu bewerten. Hier sind sie tier Ausdruck einer mangelnden Reaktionsfi~higkeit infolge iiber- groBer Toxinwirkung, ein Erseh6pfungsw der blutbildenden Apparate, wie es sieh im Differenzialbilde mitunter viel friiher zeigt, als in der Gesamt- leukocytenzahl (Fall 71, 107). ,,Naeh zahlreiehen klinisehen Beobachtungen und Tierversuchen ist nunmehr kein Zweifel dariiber, dab wie durch mi~gige und grol3e Toxinmengen Leukocytosen entstehen, es dutch allzu g]'ofle Dosen gar nicht zur Leukoeytenvermehrung kommt. So finder das fin" alle Organe geltende Gesetz yon Reizung und Li~hmung der Funktion such bier seine Be- st~tigung. Wit mtissen demnach bei den fieberhaften Krankheiten, die mit Leukopenien eizlhergehen, naeh anfi~nglicher Reizung eine baldige Li~hmung der Knochenmarksfunktion (lurch allzu hohe Toxindosen annehmen, die zuni~ehst dutch fehlende Neubildung yon Blutzellen, normale Werte im peripheren Blut- bilde, spi~ter, wenn die Leukoeyten physiologiseherweise und vermehrt im Kampfe mit der Krankheit zugrunde gegangen sind, unternormale Werte, Leukopenie herbeifiihrt." (Jiilich.)

Hinsichtlich der Toxinwirkung wird yon den meisten Autoren die Leuko- cytose als Ausdruck einer Misehinfektion angesehen (Kjer Petersen, Ste//en, ~tein und Erbmann, Schwermann, Weiss, Glod u.a.). .Romberg sagt, das liil3t sieh ohne entsprechende Untersuehungen weder behaupten noeh ablehnen. _Kleemann halt eine nennenswerte Wirkung yon Eitererregern fiir unwahrsehein- lieh infolge v611igen Fehlens durch Eiterkokken bedingter Veri~nderungen an Milz, Herz und Nieren.

:DaB die Misehinfektion gegebenenfalls yon Einflug ist, kann kaum yon der Hand gewiesen werden. Andererseits ist es aber sicher, dub Leukocytosen aus- schlieBlich yon der toxisehen Wirkung des Tuberkulosebacillus ausgehen k6nnen. Wie w~ren sons$ jene Leukocytenvermehrungen zu erkl~ren, wie wir sie bei Lymphdriisen-, gesehlossenen Knochen-, chronisehen (weniger akuten) Miliar- tuberkulosen, tuberkul6sen Pleuritiden sehen, we der tuberkul6se Herd nie mit der Aul3enwelt in Berfihrung gestanden hat, oder jene Lenkocytosen, die wit naeh probatorischen Tuberkulininjektionen beobaehten?

Prognostisch bessere Anhaltspunkte als in der Gesamtleukoeytenzahl fin- den wir in dem di]]erenzierten Leukocytenbilde, das ein weir feineres Reagens ist

z) Fall 71 und 107 sind im Text unter Eosinophilen angefiihrt.

102 Otto Eicke: Ober die prognostische Bedeutung des Blutbildes

zwischen der Reaktionsf~higkeit des erkrankten 0rganismus einerseits und der Art und St~,rke der tuberkulSsen Infektion andererseits. Da w~.re zun~chst dab Verhdltnis zwischen den Neutrophilen und LymThocyten bedeutungsvoll. Auch hier ist man noch nicht zu einheitlichen Gesichtspunkten gelangt. Blumen/eldt sagt (1919), ,,dab die Lymphocytenfrage bisher noch keineswegs vSllig bei der Lungentuberkulose gekli~rt ist, weder was Diagnose noch was Prognose anbe- trifft," und ffihrt SchenitzIcy an, der keine konstante Lymphocytose weder bei behandelten noch bei unbehandelten F~llen feststellen konnte, und Br6samlen und Zeeb, die den Lymphocyten jede Bedeutung bei der Tuberkulose absprechen, .vor allem in prognostischer Hinsicht, da sie niemals eine Lymphocytose im Blur beobachteten, ,,selbst nicht bei ganz offensichtlichen Besserungen des Krank- -heitsbildes". Auch Straufl und Rohnstein (zit. Ste/]en) stellen sie vSllig in Ab. rede. M6ves und andere sehen in der Vermehrung der Lymphocyten nut ein Zeichen einer allgemeinen konstitutionellen Minderwertigkeit, das bei den ver- schiedensten Krankheiten vorkommen kann, gibt allerdings zu, dab bei ge- wissen Tuberkuloseformen 6fters eine Vermehrung nachweisbar ist. Gloel sagt am SchluB seiner Arbeit: ,,Bei Tuberkulose kommt Lymphocytose nicht vor." ])as ist daraus erkl~rlich, wenn man bedenkt, dab Gloel als Normalzahl 36,2% Lymphocyten land bei Untersuchung yon 12 gesunden Personen wi~h~end des Krieges -- eine dutch den Fettmangel in der Kriegskost bedingte Lympho- (~y~os(L

Bei meinen Untersuchungen fund ich bei den komp|ikationslosen gut- artigen Tuberkuloseformen (indurierende, cirrhotische Formen 1. und 2. Sta- diums) mit Ausnahmr yon 2 F~llen, in denen die Werte normal waren (Fall 20 und 65) in 10 F~llen ausgesprochene Lymphocytosen, darunter 4real Zahlen yon 50~/o un4 dariiber. DaB die hohen Lymphocytenwerte jedoch nicht aus- schliel31ich bei jenen leichten Fallen zu finden sind, das zeigen 2 Fi~lle (7 und 15), Patienten mit schon ausgedehnteren und in der Art fortgeschrittenem Lungen- prozel] (bei einem mit Kavernenbildung), deren Prognose auf Grund des kli- nischen Befundes bei Beginn der Kin" als wahrscheinlich ausreichend gestellt .wurde. Bei beiden Patienten wurde das Heilverfahren durchgef/ihrt, sie wurden als s/a arbeitsf~hig entlassen, ein Erfolg, auf den auch die schon aufangs fest- gestellte Lymphocytose h~tte hinweisen k6nnen. Je hSher die L,~-mphocyten-, desto niedriger waren die Neutrophilenwerte, ein reziprokes Verh~Itnis dieser beiden Zella1~en, das sich framer wieder land, also Neutropenie bei Lympho- cytose. Ein mehr oder weniger yon der Norm abweichendes Blutbild war bei alien vorgeschrittenen Tuberkulosen festzustellen, auch bei solchen bezfiglich des Lungenprozesses gutartigen Formen, die mit Komplikationen wie Larynx,, -]:)arm-, Urogenitaltuberkulosen, Lues usw., einhergingen. Gerade in derartigen Fallen, wo zu Beginn der Kur normale oder last normale Zahlen keine progno: stischen Schliisse zulassen, zeigt sich der Wert der Verfolgung des wei~en Blut- bildes, woraus dann wertvolle Anhaltspunkte fiir die Beurteilung des einzelnen Kranken zu gewinnen sind. In 13 F~llen zeigte sich ein Ansteigen der Lympho- cyten und ein Abfallen der Neutrophilen als ein absolut giinstiges Zeichen, si~mtliche Patienten wurden als arbeitsfahig entlassen, 8 davon waren vor dem tteilveffahren monatelang arbcitsunf~hig. Das Ansteigcn der Lymphocyten

bei der Lungentuberkulose im Verlauf einer Heilstattenkur. 103

als prognostiseh giinstiges Zeichen wurde noeh an mehreren anderen. Fallen beobachtet, die in anderem Zusammenhang :Erwi~hnung linden sollen; abge- sehen wird in dieser Hinsieht aueh von dem weiteren Ansteigen der oben er* wi~hnten Lymphoeytosen. DaB eine giinstige Prognose nieht unbedingt mit einem Lymphocytenanstieg einherzugehen braucht, war aus 6 Beobaehtungen zu ersehen, wo die Werte im I~ufe der Kur sich immer auf normaler H6he hiel- ten, die Besserung des Blutbefundes sieh aber in anderer Weise auBerte. Ein Sinken der lymphoiden und eine Zunahme der neutrophilen Zellen war in 12 Fal- len (Abnahme der Lymph. bei bereits alffangs bestehender Lymphopenie ist hier nieht beriicksichtigt) ein ungiinstiges Omen. Bei allen Patienten muBte die Kur als aussiehtslos abgebrochen werden, Entlassung als arbeitsunfi~hig mit Ausnahme yon 2 Patienten, die zur Zeit des Kurabbruches allerdings noeh teilweise arbeitsfi~hig waren, deren Arbeitsmffahigkeit jedoch im Laufe der Zeit zu erwarten war. Jede wi~hrend der Behandlung auftretende neue Erkrankung oder voriibergehende Versehlimmerung des tuberkul6sen Prozesses (H~moptoe usw.) maehte sieh in dem Blutbilde dureh eine Versehiebung bemerkbar, und zwar sanken stets die Lymphoeyten zugunsten der neutrophilen Zellen bei Zu- nahme der Gesamtleukoeytenzahl. Die Beobachtung yon Kleemann, da~ unter diesen Umst~nden auch eine Lymphocytose mit Leukoeytose auftreten kann, habe ieh hie gemaeht.

Die aus dem klinischen Befunde sich ergebende ungiinstige Prognose bei den dicht-produktiven, keine Induration zeigenden, sehwer kavern6sen Formen und den florid verlaufenden exsudativen Phthisen kam auch im Blutbilde zum Ausdruck. Hier land sieh in 22 :Fi~llen dieser Art eine ausgesproehene Lympho- penie und Neutrophilie bei Leukocytose. Nur bei einem Patienten (37)wurde das Heilverfahren aufgenommen, da hier die Indikation ftir einen kiinstliehen Pneumothorax gegeben war. Es wurde ein befriedigender kliniseher Erfolg er- Zielt, die Werte fiir die einzelnen Zellarten waren zum SchluB der Kur normal geworden, allerdings bestand auch zuletzt noeh eine Vermehrung der Gesamt- leukoeytenzahl.

Eine anfangs festgestellte Lyrnphopenie ist naeh dem Gesagten ein pro- gnostiseh ernstzunehmendes Symptom, und zwar ist sie um so ungfinstiger zu beurteflen, je hSher die GesamtleukocytenzaM ist. Sie gibt aber, wie ich weiter unten noeh zeigen werde (Eosinophile, Mononukleare, Pirquet), nicht yon vorn- herein eine infauste Prognose. Hier sind auch die als prognostiseh giinstig zu beurteilenden Lymphdriisentuberkulosen zu erw~hnen, bei denen wir sowohl Lymphocytosen oder normMe Lymphocytenzahlen linden, als auch ausge- sprochene Lymphopenien vielfaeh mit Lcukocytosen einhergehend, also die verschiedenartigsten Blutbilder, aus denen hinsiehtlich einer Lymphopenie -nieht die oben genam~ten prognostischen Schliisse zu ziehen sind.

Zu den gleiehen oder ahnlichen Ergebnissen wie den obigen kommen auch Bte/len, Schwermann, Weifi, Baer, Baer und En~elsmann, Weill, Naegeli, Rom- berg, Kleemann, Knoll. Wie verhalten sich die polymorphkernigen eosinophiler~ -Zeukocyten? Die .Befunde sind hier sehr mannigfaltig, sie stehen im grol3en und ganzen in keiner Beziehung zur Ausdehnung oder Art des Lungenprozesses. Eine Eosinophilie linden wir wohl. mehr bei den leiehten F~llen, aber das ist

104 Otto Eicke: tiber die prognostisehe Bedeutung des Blutbildes

durchaus nicht die Regel, denn wir begegnen ihr aueh bei schon fortgeschrittenen, kavernSsen Phthisen. Sehen wit hier yon den 2 Fallen mi t Bronchialasthma auf tuberkulSser Basis ab, so zeigte sieh die Eosinophilie als prognostiseh ab- solut giinstiges Zeichen bei 7 Pat ienten bereits bei Beginn der Beobaehtung oder wie in 5 Fallen im Verlaufe der Kur. Andererseits muB jedoeh beton~ werden, dal~ normale Eosiniphilenzahlen - - bei entspreehendem Verhalten der iibrigen Zellformen - - eine gute Prognose nieht ausschlieBen, und dab weiterhin nicht auf eine Versehleehterung der Prognose geschlossen werden kann, wenn im Verlaufe des Heilverfahrens erh6hte Werte zur Norm abfallen, selbst dann nicht, wenn zuvor eine Eosinophilie bestand,, wie z. B. in den Fallen 15, 72, 74, 86. Kons tan t herabgesetzte Werte yon 1% und darunter mahnen zur Vor- sieht. E in prognostisch absolut ungiinstiges Zeichen ist es jedoch, wenn die eosinophilen Leukocy ten bei wiederholter Untersuchung stets fehlen oder erst im Verlauf der Behandlung versehwinden. ErwAhnt zu werde~ verdie~en hier 2 Falle (71, 107), bei denen nAmlieh die ErsehSpfung der blutbildenden Organs auch in der Gesamtleukoeytenzahl zum Ausdruek kommt.

Fall 71. Tbc. pulm. III . Stad. (RI I I . L III) -t- Tb., exaudativ kavern6ser Prozel~ bei einem 33jiihrigen Pat.

LI Louko~.on I ~o t , . I Lymph. ~o,. ~o,,o. ~ , t . J

]6. I i i . 1922 9 500 77,0 I 11,5 1,5 9,5 0,5 22. III . nach Pirquet 10 800 84,4 / 8 , 3 0 7,3 0 20. IV. 7 Tage ante exitum 7 900 90,7 5,2 13 4,1 13

Fall 107. :Pat. l~m mit~ einem enorm iiberdehnten kiinstlichen Pneumothorax der rechten Seite in unsere Behandlung. (Pat. hatta in dem Krankenhause, in dem derPneumo- thorax angelegt wurde 30 Morphiuminjektionen erhalten wegen ,,Atemnot"!) -Es trat bier ein Pneumothorax-Exsudat auf, das in ein Empyem iiberging. Trotz ausgiebiger t~glicher Spiilung (3 Wochen lang) mit NormosallSsung, der prophylaktisch Vuzin zugegeben wurde, war das Empyem nicht zu beeinflussen. Pat. kam ad axitum.

28.viii. 19 000 91,0 5,0 0 4,0 0 12. x. 1922 4 Tage ante exitum 4 500 89,0 7,0 O 4,0 o

Ste]/en land bei seinen Untersuchungen in den leichten Fallen deutlich er, h6hte, mi t zunehmender Schwere des Prozesses deutlich sinkende Werte fiir die Eosinophilen. Nach Czuprina-Czerkwssy ist eine Eosinophilie Sin giinstiges, ein Verschwinden der Eosinophilen ein schlechtes prognostisches Zeichen. Schwer- mann sagt, dab das Verhalten der eosinophilen ZeUen fiir die Lungentuberkulose nichts Charakteristisches bietet, bei den schwersten Fallen scheinen sie aus dem Blur zu verschwinden. Nach WeiU zeigen sie im ganzen normale Verhaltnisse. Blumen]eldt sah nur bei Tuberkulose im 3. Stadium ein ~ypisches Verhalten, wo sie absolut und relativ, in der Mehrzahl der FMle deutlich verminder t waren, bzw. gafizlich fehlten. Gloel kommt zu dem Resul ta t ; ,,Yon einer Eosinophilie ist nichts zu merken, eher scheint das Gegenteil riehtig zu sein. DaB die Eosino- philen prognostisch oder gar diagnostisch verwertbar waren, erscheint mir daher auch ffir das Anfangsstadium nich~ so sicher. Ihre Abnahme bei schweren Fallen

bei der Lungentuberkulose im Verlauf einer Heilstattenkur. 105

ist prognostisch nicht wertvoller als die Diazoreaktion. Bei hoher Aktivi tat der Erkrankung verschwinden die Eosinophilen rasch, in einem Drittel der Gruppe allersehwerst fehlen sie schon ganzlich." Jiilich land Abnahme bei prognostisch ungiinstigen, Zunahme bei prognostisch gfinstigen FMlen. .Romberg und Klee- mann fassen mit Br6samlen eine Eosinophilie als eutschicdcn gfinstiges Zei. chen auf. In den leichten Fallen fast stets erh6hte Zahl der Eosinophilen, in den leichtestcn FMlen bei Lymphocytose normale Zahlen; Herabsetzung, oft auch v611igcs Fehlen in fast allen schweren Fallen, sowie regelmM3ig vor dem Tode (Kleemann).

Bci den Mononucledren und ~bergangs/ormen ist es nicht leicht, die aufler- ordentlich schwankenden und scheinbar widersprcchenden Befunde unter ein- hei~lichen Gesichtspunkten zusammenzufassen; aus ihrem Verhalten an sich lassen sich keine prognostischen Schlfisse ableiten, sondern nur unter gleich- zeitiger Berficksichtigung des iibrigen wei~en Blutbildes. Auch hier bestehen keine Beziehungen zu dcr Ausdehnung und dem Charakter des Lungenprozesses, wir finden z. B. normale und erh6hte Zahlen bei den allerleichtesten wie auch den ganz schweren FMlen. Bei den oben angefiihrten Fallen, bei denen zu Be- ginu des Heilverfahrens eine ausgesprochene Lymphocytose als prognostisch gfinstiges Zeichen zu konstatieren war, hielten sich die Monocytenzahlen aus- nahmslos in normalen Grenzen. Ein Parallelismus in der Zu- oder Abnahme der Lymphocyten und Mononucle~ren bestand nicht. Ich fand in 26 Fallen ein Steigen der Lymphocyten, damit war 8real auch ein Anstieg dcr Mono- nucle~ren verbunden, in 10 F~llen blieben die Werte gleich und in 8 FMlen fielen sie ab. Und umgekehrt bestand in 18 F~llen ein Abfall der Lymphocyten, wobei in 3 F~llen (70, 71, 90) die Monocytenzahlen ebenfalls fielcn, 7 mal war ein Ansteigen festzustellen und in 9 FMlen blieben die Werte unver~ndert. Wie verhalten sich die Monocyten zu den Eosinophilen ? Hier ist das Bild ein anderes. Bei den zu Beginn der Behandlung bereits vorhandenen Eosinophilen-Vermeh- rung land sich vielfaeh auch eine Erh6hung der ]YIonoeytenwerte (-- 12~) und mit einem Ans~eigen der Eosinophilen ging fast ausnahmslos auch ein Steigen der Monoeyten parallel. Daraus geht ohne weiteres hervor, dab hohe Werte ffir Mononucleare und ~bergangsformen sieherlieh nicht als prognostiseh ungiin- stiges Zeichen zu bewerten sind bei gleiehzeitig erhShten Zahlen der eosinophilen Zellen.

Welches sind nun die Befunde bei den prognostisch ungfinstigen FMlen mit Leukoeytosen, Neutrophilien, Lymphopenien, fehlenden Eosinophilen~. Die Werte waren bei 8 Patienten normal, 12 real erh6ht (2 mal Mononucleosen fiber 12~/o). Bei 2 Patienten, die ad exitum kamen (Tall 70, 71), fielen vor dem Tode vorher hohe Werte zur l~orm a b, bei dem 3. letal verlaufenden Fall, der oben erw~hnt wurde (Tall 107) waren die Zahlen ebenfalls niedrig; hier konnte ein Abfallen nicht beobachtet werden, da vor dem Auftreten des Empyems der Blutstatus fehlt. Zwar handelt es sich hier bei den mit hohen Werten einher- gehenden FMlen immer um schwere, hoch-aktive Prozesse mit ungfinstiger Prognose, bei denen ein Heilverfahren yon gewShnlieher Dauer keinen wirtschaft- lichen Erfolg erhoffen lie~, aber die Prognose war. sicher nieht in allen FMlen infaust. Und das kam im Blutbild durch die Monocytenvermehrung zum Aus-

106 Otto Eicke: Uber die prognostische Bedeutung des Blutbildes

druck, die ein Zeichen daffir war, dab die RegeneratioI~sfahigkeit des Blutes noch nicht erloschen war. Damit ware andrerseits bei den letal verlaufenen Fallen das Zuriickgehen der hohen Werte zur Norm in Einklang zu bringen.

Fassen wir das eben Gesagte kurz zusammen, so ist bei den mit einer Leuko- cytose, Lymphopenie (bzw. subnormalen Lymphocytenwerten) und hohen l~[ono- cytenzahlen (bzw. Monocytosen) einhergehenden Fallen ein gleichzeitiges Sinken yon Lymphoeyten und Monoeyten absolut ungiinstig zu bewerten, wie das ein. deutig in den genannten Fallen 70, 71 und 90 zu beobaehten ist, und wie wir das ferner im Fall 107 bestatigt linden. Betreffs der ante exitum normalen Gesamt- teukocytenzahl im Fall 71 und 107 verweise ich auf das bereits weiter oben Gesagte (Erseh6pfung).

Bei normalen oder nur wenig erh6hten Gesamtleukocyten und subnormalen Lymphocytenzahlen oder Lymphopenien bedeuten hohe Werte fiir Monocyten wohl eine sehr zweifelhafte aber noch keine direkt ungiinstige Prognose. Das sehen wir aus der Beobaehtung des Blutbildes bei 6 Patienten, wo zum SchluB der mit mehr oder weniger Erfolg durchgefiihrten Kur sieh diese Falle von ihren anfanglichen Lymphopenien oder subnormalen Lymphocytenwerten erholt, der Kampf des Organismus gegen die Infektion sich also erfolgreieh gestaltet hatte.

An dem Verhalten der Mononuelearen sind verschiedene Untersueher achtlos voriibergegangen. Naeh Lapschin war- bei den gutartig verlaufenden und wenig progredienten Fallen eine merkliehe Zunahme der Lymphocyten und l~bergangsformen zu verzeichnen. Czuprina-Czerkassy und IApp sahen in der Zunahme der mononuclearen und eosinophilen Zellen ein prognostisches giinstiges Zeichen. Schwermanns Befunde waren zu inkonstant, als dag sie sich in dieser oder jener tt insieht bewerten lieBen, ,,vielleicht sind bei den schweren Erkrankungen die Werte fiir die grol3en Mononuelearen etwas erh6ht". WeiU -reehnete naeh Weidenreich die Monoeyten zu den groBen Lymphocyten und land bei einer Normalzahl yon 1% eine Vermehrung in allen 3 Turban-Gerhardt. sehen Stadien. Weichsel, der auch naeh Turban-Gerhardt einteilte, berechnete den Durchschnittswert im 1. Stadium auf 5,4%, im 2. auf 6,1% und im 3. Stadium auf 6,9%, in letal verlaufenden Fallen stiegen die Werte auf 8--10%. Bei giinstig �9 verlaufenden Fallen, besonders bei latenten Spitzentuberkulosen, die meist mit einer- Vermehrung der Lymphoeyten einhergingen, war die Zahl der Mononuclea- ren immer niedrig. Auch Weichsel Iand, dab die Monoeyten v511ig unabh~ngig yon den Lymphocyten re~gieren. Gloel kommt zu dem Sehlng: ,,die Mono- nuclearen und l[~bergangszellen nehmen mit der Schwere dos Falles etwas zu, auch noch in der Gruppe der langsam fortsehreitenden Erkrankungen, wo ihr Prozentsatz etwas h6her ist als bei don stationaren; bei.raseher, unaufhaltsamer Progredienz nehmen sic wieder etwas ab. Ihre relativen Werte gehen also weder parallel mit denen der Neutrophilen, noeh mit denen der Lymphocyten, nament- lieh in don Endstadien nehmen sie, wenn iiberhaupt, langsamer ab als die letz- teren. Unter der Gruppe allerschwerst erreichen sie sogar in 3 Fallen eine hShere Prozentzahl als die Lymphocyten ." Jiilich sagt, dab die Monocyten und l~ber- -gangsformen sieh im grol]en und ganzen, wenn aueh nieht so konstant, wie die Lymphoeyten verhalten; in den giinstigen Fallen zunehmende Mononucleose, -in den ungiinstigen Verminderung, aber auch hier zeigten sich Schwankungen.

bei der Lungentuberkulose im Verlauf einer t{eilstiittenkur. 107

In der folgenden Tabelle habe ich versucht, einen Teil dessen, was fiber das weiBe Blutbild gesagt wurde, zusammenzufassen. In dieser Tabelle sind unsere si~mtlichen Fi~lle verarbeitet, und zwar unter Beriicksiehtigung des zu Beginn der Heilsti~ttenkur erhobenen Blutstatus.

Aus der Tabelle geht hervor, dab wir in einer ganzen Reihe yon Blutbildern eine klare, eindeutige Prognose aus dem Blutzustandsbild bei der Aufnahme ablcsen kSnnen. Es sind die Blutbilder, bei denen ich an Hand unseres Materials das Urteil: absolut g/instig und giinstig einerseits, ungfinstig und absolut un. giinstig andrerseits ohne Bedenken f/~llen zu kSnnen glaubte.

Bei der weitaus gr6Bten Mehrzahl meiner Falle tr/~gt aber das Zustands- bild bei der Aufnahme nur einen orientierenden Charakter, die gefolgerten prognostisehen Schliisse haben nur einen bedingten Wert, denn es muB aus- driieklieh darauf hingewiesen werden, wie ich das ja sehon zu Anfang meiner Arbeit tat , und wie das aus dcm oben Gesagten hervorgeht, dab die prognostisehe Bedeutung des weiBen Blutbfldes in der Reihenuntersuchung liegt. Nur aus den Ver~nderungen im Differentialbilde, aus der Verschiebung der einzelnen Zellarten untereinander, ihrer Zunahme auf der einen und ihrer Abnahme auf der anderen Seite, stets, unter gleiehzeitiger Beriieksichtigung des Ver- haltens der Gesamtleukocytenzahl lassen sich sichere prognostische Sehlfisse ziehen. Die M6glichkeit der Veri~nderungen in der einen oder anderen Rich- tung ist jedoeh zu groB, als dab sie sich in einer Tabelle zum Ausdruck bringen lassen.

In welcher Beziehung steht nun der Pirquet zum weiflen Blutbilde? Schon seit Jahren bedienen wir uns in prognostischer Hinsicht der Pirquetschen Haut- probe als Ausdruck des immunbiologischen Kampfes zwischen Infektion und Abwehrbereitschaft des Organismus. Von diesem Gesichtspunkte aus wird bei jedem Patienten ein periodisch wiederholter (1. und 2. Wocbe, Mitte und Ende der Kur) abgestufter Pirquet ausgefiihrt. Es war nicht die Absicht, in dem Rah- men der vorliegenden Arbeit n~her einzugehen auf das Verh~ltnis des Leukocyten- bildes zu dem Grade und d e r verschiedenen Ablaufsm6glichkeit der Pirquet- schen Re~ktion bei den einzelnen Tuberkuloseformen. Nut soviel soll gesagt sein, dab ein durchgehender Parallelismus zwischen der Starke der Cutanprobe und seiner jeweiligen Zu- und Abnahme nicht besteht. Es interessierte uns die Frage, ob der Pirquet einen direkten Einflul] ~uf das weiBe Blutbild hat, wie das ja yon der subcutanen Tuberkulinprobe her bekannt ist dureh die Arbeiten yon Br6samlen, Br6samlen und Zeeb, Mi~ller und BrSsamlen und anderen. Diese Frage mag etwas gewagt erscheinen. Es ist jedoch Erfahrungstatsache, dab bei der Tuberkulintherapie die Injektion selbst allerkleinster Tuberkulinmengen, 1/10 000 mg und weniger fiir den Organismus nicht gleichgiiltig ist und es zu unerwiinsehten Reaktionserscheinungen kommen kann, die mit einer deutlichen Ver/inderung des weiBen Blutbildes einhergehen. Zwar ist die Resorptions- mSglichkeit bei der subcutanen Applikation eine weir bessere, aber dafiir kommen bei der eutanen Tuberkulinprobe unvergleichlich hShere Dosen zur Anwendung (in unseren F~llen Alttuberkulin, konzentr., 1: 10, 1:100 Hautschnitte). In der einschl~gigen Li teratur land ich nur bei Romberg und Kleemann einzelne An- gaben f iber Reaktion im Blutbilde naeh Pirquet (Eosinophilie, Lymphocyten-

108 Otto Eicke: ~ber die prognostische Bedeutung des Blutbildes

Tabelle I. a) Normale Gesamtleul~ocytenzahl.

Neutro. ILymph'I Eos. Mono. Prognose

0 0 0

0 0 0 +

0 +

+ + +

+ +

0

0 0 +

+ +

+ +

+

+

0

0

o

o

+

0 o

(o +) ++ +)

(+) + +

+

o

0

0 + 0 + 0 + 0 + + 0 +

+ + + +

absolut gttnstig

gilnstig relativ gUnstig

ganstig normales Blutbild~ Prognose richtet sich nach Art des Falles

I ausreichend, ad bonum vergens

gilnstig unentschieden -- zweife]haft unentschieden, ad bonum vergens

I meist noch ausrelchend

zweifelhaft, ad malum vergens / !

sehr zweifelhaft -- ungttnstig ~ bei schweren Fallen E r - ! schOpfung

} ungiinstig J

b) Erh6hte Gesamtleukocytenzahl.

II Unstig, retativ gUnstig

gttnstig~ relativ gilnstig

I} ausreichend, ad bonum vergens

ausreichend

/ unentsebieden~ meist ausreichend

sehr zweifelhaft -- ungttnstig

I ungtinstig

absolut ungtinstig

i 0 0 0 ! ( _ )

i 0 o _ [ ( _ )

( + ) ~ - [ o + i + + (g-)

+ + +

0 Normale Werte.

0

+ o/ 0 +} 0

c) Leukocytose.

unentschieden, ad malum vergens

ungiinstig

ungttnstig

+ + Neutrophilie, Lymphocytose, Eosinophille, Monocytose. - - Neutropenie, Lymphopenie, Fehlcn der EoMnophilem (+ ) ( - ) Wonig

verm. bzw. herabge~etzte Werte. Untereinandvr stehende Zeichen, m B. ~ bedeuten: 0 oder +~

/ + ~ absolut ungilnstig

+ + ) Zeivhenerkldrung.

- Herabgesetzte Werte. + ErhShte Werte.

bei der Lungentuberkulose im Verlauf einer tteilstattenkur. 109

anstieg). Kleernann sagt: ,,Von groBem EinfluB kann sehon die oft als viel zu indifferent angesehene Pirquetsche Hautimpfung s e i n . . . "

Bei den yon mir in dieser tt insicht angestellten Untersuehungen bin ich so vorgegangen, dab ich aus dem welter oben angefiihrten Grunde das Blutbild bestimmte nach dem Pirquet in der 2. Woche der innerhalb 8 Tagen nach dem 1. Pirquet gemacht wurde, hier also eine evtl. auftretende Sensibilisierung mit in Frage kam. Dieses Blutbild habe ich dann vergliehen mit dem unabh~ngig vom Pirquet erhobenen BefLmde anfangs der Kur.

Nach dem Pirquet fand ieh in 38 F~llen [Tab. I I und III1)] eine ausge- sprochene Besserung des Leukoeytenbildes, was meist ein giinstiges prognosti- sches Zeichen bedeutete, in 6 sehweren Fallen t ra t eine deutliche Verschlechte- rung auf, was ausnahmslos ein ungiinstiges Zeiehen war. In den iibrigen 64 Beob- aehtungen war das Blutbild unver~ndert, was prognostisch absolut nieht zu verwerten war. Daraus geht hervor, dab eine Veranderung des Blutbildes dutch den relativ sehwachen Reiz einer cutanen Tuberknlinprobe sicher mSglich ist und of tvorkommt, von einerGesetzm~l~igkeitjedochkeineEedeseinkann. Bestehtnun ein Zusammenhang zwischen der prognostisch giinstig zu beurteilenden Sensi- bilisierung und dem Blutbilde ? In 32 yon 98 Fallen war eine deutliche Sensibili- sierung der Hautreaktion nachweisbar, die im allgemeinen mit der zunehmenden Sehwere und Ausdehnung der Erkrankung an Intensivit~t abnahm. Die einzelnen Befunde habe ich der besseren r wegen ineiner Tabelle zusammengestellt.

In der Tab. I I sind 18 Falle angefiihrt, in denen die Sensibilisierung mit einer Besserung des Blutbefundes einherging. Wit sehen daraus, dab mit dem Grade d~r Sensibilisierung der Aussehlag im Blutbilde nieht parallel geht und sehr verschiedenartig ist; er tr ifft in der Mehrzahl der Falle die Eosinophilen, und das sind wiederum die F~lle, die prognostisch am giinstigsten zu beurteilen sind, was aueh in dem klinischen und wirtsehaftlichen Ei~olge zum Ausdruck kommt. Ein besonderes Interesse beansprucht in dieser Hinsicht Fall g6. Es handelt sieh um einen jugendliehen Patienten mit ausgedehntem, aber in seiner At~ noeh gutartigen Lungenprozell, eine terti~re Phthise mit positivem Baeillen- befunde im Sputum, bei dem sieh anfangs eine Leukoeytose mit Neutrophilie und Lymphopenie land, also ein schlechtes Blutbild. Hier t ra t naeh dem Pirquet eine Eosinophilie yon 9,5~o auf, die auf eine giinstige Prognose schlieBen lieB, was aueh dutch den weiteren Verlauf best~tigt wurde, indem das Blutbild zu- letzt eine Lymphocytose aufwies, die Gesamtleukocytenzahl zur Norm abgefallen war. Der Auswurf war bei wiederholter Untersuchung (Antiforminanreicherung) zuletzt abazillar, der Patient wurde als zwei Drittel arbeitsf/~hig entlassen. Aber einen solehen vollen ldinischen Erfolg sehen wit nicht nur allein naeh dem Auftreten einer Eosinophilie, sondern aueh nach Lymphocytenvermehrung, wie das Fall 72 und 53 zeigen. In der grSBteu ~ehrzahl der F~lle hat sieh der Blutbefund gegen SchluB der Kur weiterhin gebessert, 3 real war derselbe am Anfang und Ende der Kur der gleiche.

Es ist nun aber keineswegs gesagt, dab mi$ einer Sensibilisierung aueh stets eine Besserung des Blutbildes parallel gehen muB, wie das aus 14 Beobaehtungen

1) Die Tabellen !I und III sind den Kurven beigegeben.

110 Otto Eicke: t~ber die prognostische Bedeutung des Blutbildes usw.

hervorging, wo ein verwer tbarer Ausschlag n ieh t anzut ref fen war. Auch das war prognostisch in posi t ivem oder nega t ivem Sinne n ich t zu verwer ten . U n d andererseits zeigte sich in 9 :Fiillen {Tab. I I I ) , dab der P i rque t eine deut l iche Reak t ion im Blutb i lde auszul6scn vermag, wobci jedoch eine Sensibi l is ierung fehlt. Hier waren die Ver~nderungen im Blutb i lde u n d ihre wei teren Beziehun- gen ~hnlich wie in Tab. I I .

J~assen wir die Ergebnisse fiber die P i r q u e t - U n t e r s u c h u n g e n zusammen, so muB m a n sagen, dab die Ausbeu te an posi t iven Befunden n ich t groB ist. Sichere prognist ische Sehliisse lassen sich jedenfal ls n ich t daraus ziehen. N ur eine nach dem P i rque t auf t re tende Eosinophil ie oder auch L y m p h o c y t e n - ve rmehrung deute t auf e inen gfinstigen weiteren Krankhe i t sve r l au f h i n ; eine Verschlechterung des Blutbi ldes dagegen - - als Ausdlxlck einer Crberlastung durch die schwache Ant igenzufuhr eines Pi rquets - - ist ungfinst ig zu beur te i len .

Literaturverzeichnis. Baer, ]~ber die Einwirkung des Hochgebirges auf das Leukoeytenbild bei Gesunden

und Lungentuberkul6sen. Zeitschr. 1. Balneol., Klimatol. u. Kurorthyg. 8, lgr. 1. 1915. - - Baer und E, ngelmann, Das Leukoeytenbild bei Gesmlden und Lungentuberkul6sen im Hoch- gebirge. Dtsch. Arch. f. klin. Med. 112. - - Blumen[eld, Gibt es ein charakteristisches Blut- bild bei der Lungentuberkulose ? Zeitschr. f. exp. Pathol. u. Therapie ~0. - - Czusprina- Czerkassy, ~ber Eosinophilie mad ihm diagnostische undprognostische Bedeutung bei der Tuberkulose. Ref. Miinch. reed. Wvehensehr. 1913, Nr. 29. - - Gloel, Beobachtungen fiber die Leukocyten bei der Lungentuberkulose unter Lesonderer Bcriieksiehtigung yon Ver- dauung und Bewegung. Beitr. z. Klin. d. Tuberkul. 45. - - Gullbring, (~ber Erythroeyten bei vorgesehrittenen Formeu yon Lungentuberkulose, insbesondere mit Rficksicht a uf gleieh- zeitig vorkommende Amyloiddegeneration. Zeitschr. f. Tuberkul. 2~. - - Jiillch, Zur Diffe- rentialdiagnose hoehfieberhafter mit Leukopenie einhergehender Erkrankungen. Beitr. z. Klin. d. Tuberkul. 50. - - Kleernann, l]ber das weiDe Blutbild und seine u im Verlaufe der Lungentuberkulose. Beitr. z. Klin. d. Tuberkul. 49. - - Knoll, Das Blutbild der Tuberkulose im Hochgebirge. Beitr. z. Klin. d. Tuberkul. 49. - - La/pschin, t~ber morpholo- gische Ver~nderungen des Blutes bei einigen Erkrankungsformen der Lunge. Ref. Intemat. Zentralbl. 1. Tuberkul.-Forsch. 8. - - Lipp, Ham-, Blur- und Sputumuntersuchung als Hilfs- mittel bei der Diagnose und Plx)gnose der Tuberkulose. Med. Korresp.-Blatt f. Wiirtt. Ref. Internat. Zentralbl. f. Tuberkul.-Forsch. 9. - - Meyer-Erich, Verhandl. d. dtsch. Kongr. f. inn. IVied. 1921. - - Meyer-Bisch, ~J-ber die Wirkung des Tuberkulins auf den Wasserhaus- halt. Dtsch. Arch. 1. klin. IVied. 134. 1920. - - Wasserhaushalt und Blutvergnderung bei Tuberkulose. Klin. Wochenschr. 1932, l~r. 38. - - K]er-Petersen, t~ber die numerischen Ver- h/~ltnisse der Leukocyten bei der Lungentuberkulose. Beitr. z. Klin. d. Tuberkul. 1906, I. Supplementband. - - t~omberg, t~ber den 6rtlichen Befund und die Allgemeinreaktion, be- sonders fiber das weiBe Blutbild bei den verschiedenen Artender ehronischen Lungentuber- kulose. Zeitschr. f. Tuberkul. 34. - - Sehwermann, Blutuntersuchungen bei Lungentuberku- lose. Zeitschr. f. Tuberkul. 22, Heft 1 und 5. - - [5te]]en, ~ber Blutbefunde bei Lungentuber- kulose. Dtsch. Arch. f. klin. Med. 98. - - Stein und J~rbmann, Zur Frage der Leukoeytose bei tuberkul6sen Prozessen. Dtseh. Arch. f. klin. ~Ied. 56. - - Weiss, 0~ber das Blutbild und seine Beziehungen zur Prognose und Therapie der Lungentuberkulose. Wien. med. Wochen- schr. 1914, Heft 4. - - Weill, ~ber Leukocyten und Lungentuberkulose. Zeitschr. f. TuberkuL ~9, Heft 4 und 39, Heft 1, 2, 3. - - Weichsel, ~ber die groflen Mononuele/~mn und ~bergangs- formen Ehrlichs (Monoeyten) und ihr Verhalten bei Tuberkulose. Med. Klinik 1920, Nr. 51.


Recommended