Spitex-Strategie 2022 der Stadt Zürich
Umsetzungskonzept
Am 1. Dezember 2014 vom Steuerungsausschuss verabschiedet
Verfasserinnen Spitex & Alter Städtische Gesundheitsdienste Stadt Zürich Martina Gebhardt & Janine Keller
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 2 2
Inhaltsübersicht
1 Einleitung 2
2 Übersicht Strategische Handlungsfelder, Ziele und Massnahmen 4
3 Übersicht Teilprojekte und Meilensteinplanung 5
4 Projektorganisation 7
4.1 Organigramm der Projektorganisation 7
4.2 Aufgaben der einzelnen Mitglieder und Gremien 7
4.3 Ressourcen 9
4.4 Information und Kommunikation 9
4.5 Evaluation 10
5 Die Teilprojekte im Detail 11
5.1 Hauswirtschaft und Betreuung 11
5.2 Demenz 12
5.3 Chronische Krankheiten und Multimorbidität 15
5.4 Psychosoziale Pflege und Betreuung 18
5.5 Migration/ Transkulturelle Pflege und Betreuung 22
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 3 3
1 Einleitung Am 8. Januar 2014 verabschiedete der Stadtrat die Spitex-Strategie 2022.
Diese beschreibt die grundsätzliche Ausrichtung der Spitex-Versorgung der
Stadt Zürich bis ins Jahr 2022. Die Grundlagen für die Spitex-Strategie 2022
bilden die Spitex-Strategie 2014, die Altersstrategie der Stadt Zürich, die ver-
änderte Spitexlandschaft in der Stadt Zürich, sowie die zunehmende Konkur-
renz durch private Spitexorganisationen und freiberuflichen Pflegefachfrauen
und -männer.
Die Spitex-Strategie 2022 setzt zwei unterschiedliche strategische Schwer-
punkte. Einen Qualitativen, der das Ziel verfolgt, die bestehenden Angebote zu
schärfen und auf die Herausforderungen der Zukunft zu fokussieren und einen
Strukturellen, der sich mit der sich verändernden ambulanten Grundversor-
gung, die zu neuen Rollen und Aufgabengebieten der Spitex Zürich führen
kann und soll, befasst. Von diesen zwei Schwerpunkten leiten sich acht stra-
tegische Handlungsfelder ab.
Das vorliegende Konzept zeigt auf, wie die Spitex-Strategie 2022 umgesetzt
werden soll. Nach einem Überblick über die einzelnen strategischen Hand-
lungsfelder und deren Ziele beschreibt das Konzept wichtige Phasen und Mei-
lensteine in der Umsetzung. Weiter definiert das Konzept die Aufgaben der
verschiedenen Gremien und Personen, sowie die Vorgehensweise bezüglich
Kommunikation und Evaluation. Zum Abschluss folgt die detaillierte Beschrei-
bung der Teilprojekte.
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 4 4
2 Übersicht Strategische Handlungsfelder und Ziel-
setzungen
Die folgende Tabelle vermittelt eine Übersicht über die strategischen Hand-
lungsfelder und Zielsetzungen. Die Reihenfolge der strategischen Handlungs-
felder ist analog zur Spitex-Strategie 2022.
Strategische Handlungsfelder Strategische Ziele
Hauswirtschaft und Betreuung Definition der Leistungen mit klar formulierten Zielen und davon abgeleiteten Massnahmen
Früherkennung von Veränderungen und Vermei-dung von Krisen bei hauswirtschaftlichen Einsät-zen
Demenz Gemeinsame konzeptionelle Grundlagen erstellen
Kompetenzweiterentwicklung
Chronische Krankheiten/
Multimorbidität
Gemeinsame konzeptionelle Grundlagen erstellen
Kompetenzweiterentwicklung auch in Bezug auf -evidenzbasierte Pflege und Advanced Practice Nursing (APN)
Psychosoziale Pflege und Betreuung Gemeinsame konzeptionelle Grundlagen erstellen
Kompetenzweiterentwicklung
Migration/ Transkulturelle Pflege und Betreuung
Zugang zu den Spitexleistungen für Migrantinnen und Migranten gewährleisten
Berücksichtigung transkultureller Besonderheiten bei der Pflege und Betreuung
Personal Attraktive Arbeitsbedingungen zum Erhalt und zur Gewinnung von qualifiziertem Personal
Aktive Rolle von Spitex Zürich und den Städti-schen Gesundheitsdiensten (SGD) in den ent-sprechenden Gremien und Netzwerken
Nahtstellenmanagement Optimierung der Zusammenarbeit mit den ver-schiedenen Leistungserbringern
Innovative Versorgungsmodelle Prüfung und wenn sinnvoll, Durchführung innova-tiver Projekte
Im Gegensatz zu den ersten fünf strategischen Handlungsfeldern werden die
Handlungsfelder Personal, Nahtstellenmanagement und innovative Versor-
gungsmodelle nicht in eigenen Teilprojekten bearbeitet. Sie sollen vielmehr in die
fünf anderen Handlungsfelder einfliessen.
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 5 5
3 Übersicht Teilprojekte und Meilensteinplanung Aus den strategischen Handlungsfeldern resultieren insgesamt fünf Teilprojekte
(TP), die in der untenstehenden Tabelle inkl. der geplanten Startpunkten aufge-
führt sind. Die Planung der Dauer der Grob- und Detailkonzeptphase obliegt den
Teilprojektleitungen. Detailliertere Angaben zu den Teilprojekten finden sich in
den einzelnen Strategiepapieren in Kapitel 6.
Die untenstehende tabellarische Meilensteinplanung beschreibt wichtige Phasen
und Meilensteine in der Umsetzung der Spitex-Strategie 2022
Wichtige Phasen / Meilensteine Datum
1 Projektdefinition(en) und Projektorganisation Gesamt- und
Teilprojekte, Teilprojektleitungen
Juni-Dezember
14
Kick-off Umsetzungsteam September
2014
Kick-off Teilprojekte Hauswirtschaft & Betreuung, Demenz
und Migration/Transkulturelle Pflege und Betreuung
September /
Oktober 14
2
Grob- und Detailkonzeptphase
Hauswirtschaft und Betreuung, Demenz, Migration/
Transkulturelle Pflege und Betreuung
September 14
– Mitte 15
Kick-off Teilprojekte Psychosoziale Pflege und Betreuung,
chronische Krankheiten/ Multimorbidität
3
Grob und Detailkonzeptphase
Psychosoziale Pflege und Betreuung, chronische Krank-
heiten/ Multimorbidität
1. Quartal –
Ende 15
Abnahme der Grob- und Detailkonzepte laufend
4 Pilotphase (teilweise Umsetzung) ab April 2015
Teilprojekt Kick-Off
Hauswirtschaft und Betreuung 3.Quartal 2014
Demenz 3.Quartal 2014
Psychosoziale Betreuung 1.Quartal 2015
Chronische Krankheiten/ Multimorbidität 1.Quartal 2015
Migration/ Transkulturelle Pflege 4.Quartal 2014
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 6 6
Wichtige Phasen / Meilensteine Datum
Auswertungen Pilotphase / Abschlüsse Teilprojekte laufend
5 Weiterführung / Stadtweite Einführung laufend
6 Evaluation der Teilprojekte ab 2018
Projektende 2022
Meilensteine
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 7 7
4 Projektorganisation
4.1 Organigramm Für die Umsetzung der Spitex-Strategie 2022 wurde die folgende Projektorgani-
sation gewählt.
Die Hauptverantwortung für die Umsetzung der Spitex-Strategie 2022 tragen der
Steuerungsausschuss sowie das Umsetzungsteam, das sich in regelmässigen
Abständen trifft, um die Koordination zwischen den einzelnen Teilprojekten si-
cherzustellen. Die Teilprojektteams sind für die Umsetzung des jeweiligen Teilpro-
jekts verantwortlich. Der Beirat unterstützt die Gesamtprojektleiterin und überprüft
die betriebliche Umsetzbarkeit der Teilprojekte. Der Steuerungsausschuss tagt
nach Bedarf und bei anstehenden Entscheidungen.
4.2 Aufgaben der einzelnen Mitglieder und Gremien
AuftraggeberIn
Informiert die Vorsteherin des Gesundheits- und Umweltdepartements laufend
über den Stand der Umsetzung
Vertritt das Projekt im Stadtrat
BetriebsbeiratCEO Spitex Zürich LimmatGeschäftsleitung Spitex Zürich SihlBereichsleitung Spitex, Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich
Teilprojekt 3: Psychosoziale Pflege
und Betreuung
Teilprojekt 4: Chronische Krankheiten /
Multimorbidität
Teilprojekt 5:
Migration
Teilprojekt 2:
Demenz
Teilprojekt 1: Hauswirtschaft und
Betreuung
UmsetzungsteamGesamtprojektleiterin Teilprojektleitungen
SteuerungsausschussProjektteam
Spitex-Strategie 2022
AuftraggeberinDirektorin Städtische Gesundheitsdienste
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 8 8
Steuerungsausschuss
Prüft und genehmigt Meilensteinanträge des Gesamtprojekts (Grob- und De-
tailkonzepte) inklusive Teilprojektvereinbarungen und -abschlüsse
Entscheidet über Änderungen der Teilprojektaufträge und -ziele
Stellt die Umsetzung des Gesamtprojektes entsprechend den vereinbarten
Zielen sicher
Entscheidet über die flächendeckende Einführung von Neuerungen und regelt
die Finanzierung
Gibt weitere Projektphasen (inhaltlich und zeitlich) frei
Ist für die interne und externe Kommunikation verantwortlich
Gesamtprojektleitung
Plant und überwacht das Gesamtprojekt zielorientiert
Leitet das Umsetzungsteam, koordiniert und klärt Schnittstellen, stellt Syner-
gien zwischen den einzelnen Teilprojekten sicher und unterstützt die Teilpro-
jektleitungen bei Bedarf
Tauscht sich regelmässig mit dem Beirat aus, um die Umsetzbarkeit zu über-
prüfen und um fachlichen und betrieblichen Input abzuholen
Führt das Projektcontrolling der Teilprojekte zu einem Gesamtcontrolling zu-
sammen
Stellt die notwendigen Unterlagen für den Steuerungsausschuss zusammen
Beirat
Unterstützt die Gesamtprojektleitung
Reflektiert die Umsetzbarkeit der Massnahmen der Teilprojekte
Überprüft die Meilensteinplanung und die Teilprojektanträge, bevor sie an den
Steuerungsausschuss weitergeleitet werden
Umsetzungsteam
Ist für die geplante Umsetzung und Zusammenarbeit zwischen den Teilpro-
jekten und weiteren Gremien verantwortlich
Koordiniert und klärt Schnittstellen und stellt Synergien zwischen den einzel-
nen Teilprojekten sicher
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 9 9
Teilprojektteams
Stellen die Umsetzung gemäss Teilprojektauftrag sicher
Nutzen Synergien und integrieren Schnittstellen anderer Projekte in das eige-
ne Projekt
Erarbeiten die notwendigen Kommunikationsmittel und -instrumente
Erarbeiten ein Evaluationskonzept
Stellen sicher, dass sowohl externe als auch interne Fachpersonen und
-stellen rechtzeitig integriert werden (zum Beispiel Fachstelle Bildung, SiL,
Präventive Beratung etc.)
4.3 Ressourcen
Die für die Umsetzung notwendigen Ressourcen werden von den beteiligten Or-
ganisationen (SPO und SGD) gemeinsam gestellt. Sowohl die SPO wie auch die
SGD finanzieren die notwendigen und für sie möglichen personellen Ressourcen
der eigenen Mitarbeitenden. Die Erfassung der Arbeitsstunden erfolgt nur zur
Darstellung der geleisteten Arbeit und nicht zur gegenseitigen Verrechnung von
Kosten. Mögliche externe Kosten in den Teilprojekten müssen vom Steuerungs-
ausschuss vorgängig genehmigt werden.
4.4 Information und Kommunikation
Die verschiedenen Anspruchsgruppen werden transparent, proaktiv und zielgrup-
pengerecht informiert. Für das Gesamtprojekt wie für jedes Teilprojekt, werden im
Rahmen der Projektplanung die einzelnen Massnahmen bezüglich Information
und Kommunikation definiert. Die Kommunikation erfolgt je nach Anspruchsgrup-
pe in unterschiedlicher Form und Periodizität. Die Kommunikationsbeauftragten
der SPO sind an der Kommunikation beteiligt.
Geplante Kommunikationsmittel
Heutige und zukünftige Mitarbeitende von Spitex Zürich erhalten einen Flyer, der
die Spitex-Strategie 2022 vorstellt.
Regelmässig erscheinende, auf die Adressaten abgestimmte Newsletter sollen
Zuweisende, Partner, Mitarbeitende sowie weitere Interessierte informieren.
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 10 10
4.5 Evaluation
Die Teilprojekte werden nach der Pilotphase und gegebenenfalls nach stadtweiter
Einführung evaluiert. Die Ausgestaltung der Evaluation ist abhängig von den je-
weiligen Teilprojekten, liegt in der Verantwortung der Teilprojektteams und wird
vom Steuerungsausschuss verabschiedet.
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 11 11
5 Die Teilprojekte im Detail Die folgenden Abschnitte bilden die Grundlage der Teilprojekte. Sie definieren die
Ausgangslage, Ziele und Erfolgsfaktoren und enthalten Aufträge für die Teilpro-
jekte.
5.1 Hauswirtschaft und Betreuung
Analyse, Fokus der Strategie
Hauswirtschaftliche Leistungen werden im Gegensatz zu pflegerischen Leistun-
gen in keiner gesetzlichen Grundlage präzise definiert. Entsprechend ist unklar
welche Dienstleistungen angeboten werden und welchen Zweck sie erfüllen. Die
Kosten hauswirtschaftlicher und betreuerischer Leistungen sind hoch. Deswegen
muss erörtert werden, wie diese Kosten entstehen, welche Dienstleistungen un-
ter diesem Begriff subsummiert werden und wie weit die öffentliche Hand dafür
aufkommen soll oder muss.
Zur Eruierung der verschiedenen hauswirtschaftlichen und betreuerischen Leis-
tungen und zu deren Steuerung wurde in Zusammenarbeit mit Spitex Luzern,
Kriens und Winterthur die Hochschule Luzern beauftragt, die Wirkung der Dienst-
leistungen sowie die Kosten der verschiedenen Leistungen zu analysieren, die
Kostentreiber zu identifizieren und aufgrund einer fundierten Kostenanalyse diese
differenziert auszuweisen. Die Studie zeigt das Spannungsfeld zwischen der ei-
gentlichen hauswirtschaftlichen Leistung und der damit einhergehenden indirek-
ten Wirkung auf. Unter der indirekten Wirkung der hauswirtschaftlichen Leistung
werden die Wiedererlangung und/oder der Erhalt der Selbständigkeit, Steigerung
des Sicherheitsgefühls, Entlastung der Angehörigen, Aktivierung und/oder Tages-
strukturierung etc. verstanden.
Durch den niederschwelligen Zugang und die meist mehrstündigen Einsätze, die
den Aufbau einer Vertrauensbasis erleichtern, werden hauswirtschaftlichen und
betreuerischen Leistungen ein grosses Potential im Bereich der Gesundheitser-
haltung und Früherkennung attestiert.
Strategische Zielsetzungen
Aufzeigen des Nutzens und der Wirksamkeit der Hauswirtschaft
Berücksichtigung der unterschiedlichen Erwartungshaltungen
Ausschöpfung des Potentials der Früherkennung durch die Hauswirtschaft
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 12 12
Kompetenzsteigerung durch Aktivierung der Ressourcen der KundInnen und
dadurch klare Abgrenzung zu anderen Reinigungsfachpersonen (vgl. dazu
Spitex Verband Schweiz)
Aufwertung der kurzfristigen Übernahme der Haushaltsführung im Rahmen
einer Krisenintervention
Erfolgsfaktoren
Hauswirtschaftliche und betreuerische Leistungen werden bedarfsgerecht und
mit Fokus auf die Wiedererlangung und Erhaltung von Ressourcen erbracht.
Die Standards sind definiert und eingeführt und die Prozesse formalisiert. Sie
zeigen die Risikofaktoren auf und ermöglichen die zielführende Umsetzung
der Früherkennung.
Die Mitarbeitenden der Hauswirtschaft und Betreuung erkennen Risikofakto-
ren und handeln entsprechend den definierten Standards und Prozessen.
Die KundInnen sind in die Zielformulierung und Massnahmenplanung einbe-
zogen.
Die Politik erkennt die zentrale Bedeutung der Hauswirtschaft und Betreuung
für hilfe- und pflegebedürftige Menschen zu Hause.
Für die Umsetzung zu berücksichtigende Aspekte
Die Schlussfolgerungen der Ergebnisse der Studie der Hochschule Luzern
werden für Spitex Zürich festgehalten / adaptiert.
Die verschiedenen Instrumente zur Früherkennung durch Hauswirt-
schaftsmitarbeitende werden in einen Gesamtkontext gestellt, geprüft und
als Standard in einem Pilot getestet.
Es wird ein Konzept zum Angebot "Hauswirtschaft und Betreuung“ erstellt.
Die Standards werden überprüft und weiterentwickelt.
Der Nutzen und die Kosten der hauswirtschaftlichen und betreuerischen
Leistungen aus der Sicht der öffentlichen Hand werden aufgezeigt.
Die Finanzierung allfälliger Massnahmen und zusätzlich anfallender
unverrechenbarer Zeit muss geklärt werden.
Die im Rahmen der Umsetzung getätigten Massnahmen und Schulungen
werden auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und gegebenenfalls angepasst,
bevor sie flächendeckend eingeführt werden.
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 13 13
5.2 Demenz Analyse, Fokus der Strategie
„Demenzerkrankungen, darunter vornehmlich die Alzheimer-Krankheit, haben
ernsthafte Folgen für die Lebensqualität der betroffenen Personen, deren Be-
treuungs- und Pflegepersonen sowie für die öffentliche Gesundheit und die Struk-
turen unseres Gesundheitssystems.
Es wird davon ausgegangen, dass1:
rund 110'000 Personen in der Schweiz an einer Demenz erkrankt sind (Stand
2012), wobei nur ein Drittel tatsächlich eine Demenzdiagnose aufweist. Bei
einem Drittel besteht ein Verdacht auf Demenz und ein Drittel ist nicht erfasst.
die durchschnittliche Lebenserwartung mit einer Demenz bei 8 bis 10 Jahren
liegt, ohne dass der Verlauf der Krankheit gestoppt oder sie gar geheilt wer-
den kann.
im Durchschnitt 60% der erkrankten Personen zu Hause leben. Damit ver-
bunden sind oft finanzielle, soziale und psychologische Belastungen für die
Angehörigen.
in der Stadt Zürich rund 1‘300 Personen mit einer dementiellen Erkrankung
(2012) mit Betreuungsbedarf leben und es in Analogie zu den Prognosen des
Bundesamtes für Statistik (BFS) im Jahr 2030 resp. 2050 2‘350 resp. 3‘550
Personen sein werden2.
Durch die nationale Demenzstrategie 2014-2017 gewinnt die Thematik zusätzlich
an Bedeutung. Die nationale Demenzstrategie liefert wertvolle Hinweise für die
Pflege und Betreuung dementiell erkrankter Personen.
Spitex Zürich Limmat mit den Social Care Teams und Spitex Zürich Sihl mit ihren
spezialisierten Mitarbeitenden haben sich dem Thema bereits angenommen und
werden 2014 in allen Zentren spezialisierte Teams zur Pflege und Betreuung von
dementiell erkrankter Personen einführen.
1 Siehe Alzheimervereinigung Schweiz http://www.alz.ch/index.php/forschung.html 2 Eigene Berechnung.
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 14 14
Strategische Zielsetzungen
Kompetenzentwicklung und Professionalisierung der Spitex in der gesamten
Behandlungskette von dementiellen Personen. Insbesondere:
o Stabile Beziehungen und flexible Anpassungen an momentane
Situationen,
o Einbezug der Angehörigen als Ressource,
o Entlastung der Angehörigen,
o Sensibilisierung des Umfeldes.
Formalisierte Zusammenarbeit mit externen Partnern (z.B. SiL)
Früherkennung durch Mitarbeitende der Hauswirtschaft und Betreuung
Finanzierung allfälligen Mehraufwandes sicherstellen
Klärung zusätzlicher Betreuungsangebote
Erfolgsfaktoren
Aufbau von spezialisiertem Wissen für die Pflege und Betreuung von Personen
mit einer dementiellen Erkrankung:
Durch gezielte Sensibilisierung der Mitarbeitenden wird eine Demenz er-
kannt
Spezialisiertes Wissen ist in den Zentren vorhanden und allen zugänglich
Ansprechpersonen für Angehörige und externe Stellen sind klar und vorhan-
den
Der stadtweite Austausch der spezialisierten Teams ist etabliert
Die Kommunikation ist nach innen und aussen definiert.
Für die Umsetzung zu berücksichtigende Aspekte
Gemeinsames Pflege- und Betreuungskonzept erstellen, insbesondere: Ab-
stimmen der Konzepte von Limmat, Sihl und SAW hinsichtlich Prozesse, An-
sprechpersonen, Schulung etc.
Die Finanzierung allfälliger Massnahmen und zusätzlich anfallender
unverrechenbarer Zeit muss geklärt werden.
Die im Rahmen der Umsetzung getätigten Massnahmen und Schulungen
werden auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und gegebenenfalls angepasst, be-
vor sie flächendeckend eingeführt werden.
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 15 15
5.3 Chronische Krankheiten und Multimorbidität Analyse, Fokus der Strategie
Es ist mit einer Zunahme chronisch erkrankter Personen zu rechnen, analog der
Zunahme älterer Menschen (insbesondere Herzinsuffizienz, Arthrose und Diabe-
tes). So geben von den 3‘721 Personen im Pensionsalter, deren Daten im Zu-
sammenhang mit Projekten des Gesundheits-Profil-Verfahrens erhoben worden
sind, 66% mehr als zwei chronische Erkrankungen an und 19 % nehmen mehr als
fünf verschreibungspflichtige Medikamente ein (Blozik et al., 2007). Laut Experten
kann davon ausgegangen werden, dass 80% der Beratungen in der hausärztli-
chen Praxis chronische Erkrankungen betreffen (Consano Symposium, Olten
2008).
Die heutige, vor allem auf Akutmedizin ausgerichtete Versorgung weist für chro-
nisch erkrankte Personen qualitative Mängel auf (www.improvingchroniccare.com,
Lewis & Dixon, 2004). Belegt ist dass:
Compliance-Probleme, also das Nichtbefolgen der vorgeschlagenen Thera-
pien, oder Medikamenteneinnahmefehler zu unnötigen Ein- oder Wiederein-
tritten ins Spital führen (vgl. für die Schweiz und Herzinsuffiziente: Wadgi et
al., 1992).
das grosse Potenzial eines gesundheitsförderlichen Umgangs mit den Erkran-
kungen zu wenig genutzt wird (Bodenheimer et al., 2002).
Menschen mit chronischen Erkrankungen die Gesundheitsversorgung oft als
Hemmnis und nicht als Hilfe erleben (Thorne & Patterson, 2002).
die Übergänge zwischen Spital und ambulanter Versorgung verbesserungs-
bedürftig sind und fehlende Absprachen unnötige Kosten verursachen.
Wirkungsvoll sind demgegenüber Angebote, bei denen die Grundversorgung mit
spezialisierten Kenntnissen aus mehreren Fachrichtungen ergänzt wird. Die er-
krankten Personen und deren Angehörige werden gezielt begleitet, im Umgang
mit den Erkrankungen geschult und bei der Umsetzung der Therapien im Alltag
unterstützt. Statt erst dann zu reagieren, wenn Probleme auftreten, lernen sowohl
die Fachteams als auch die PatientInnen und ihre Angehörigen vorausschauend
den Verlauf der Erkrankung mit guter Therapie und Gesundheitshandeln zu be-
einflussen (Wagner, 2000).
In diesen Angeboten nehmen Pflegefachpersonen eine wichtige Rolle ein. (Bo-
denheimer et al., 2005). Sie sind meist ergänzend in Beratung und Schulung der
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 16 16
erkrankten Personen und ihrer Angehörigen im Einsatz, aber auch als speziali-
sierte BeraterInnen der GrundversorgerInnen tätig (nurse consultant in England).
Zum Teil ersetzen diese Pflegenden auch Hausarzttätigkeiten. Dabei handelt es
sich meist um akademisch gebildete, in einem klinischen Feld spezialisierte Pfle-
geexpertInnen.
Strategische Zielsetzungen
Kompetenzentwicklung und Professionalisierung der Spitex in der Behandlungs-
kette von mehrfach erkrankten PatientInnen. Insbesondere:
Gezielte Unterstützung, Beratung und Schulung von mehrfach erkrankten
Personen und ihrem Umfeld im Umgang mit ihren Beschwerden im Alltag (Er-
höhung Selbstmanagementfähigkeiten der PatientInnen)
Kompetenzentwicklung im Symptommanagement und bei der Vermittlung von
alltagstauglichem Wissen
Erkennen der Auswirkungen der Multimorbidität im häuslichen Umfeld (körper-
lich, psychisch, sozial, finanziell)
Beratung und Unterstützung im Bereich der Kompetenzentwicklung beim Me-
dikamentenmanagement und der nachhaltigen Therapieumsetzung mit dem
Ziel, die Compliance aufrecht zu erhalten und die Adhärenz zu fördern
Erfolgsfaktoren
Aufbau von spezialisiertem Wissen im Umgang mit Multimorbidität im häuslichen
Umfeld.
Durch gezielte Sensibilisierung der Mitarbeitenden werden Probleme bei
chronisch und mehrfach erkrankten PatientInnen erkannt und können behan-
delt werden (Schulung, Fallbesprechungen)
Das spezialisierte Wissen ist in den Zentren vorhanden und allen zugänglich :
Einsatz von akademisch ausgebildeten APN in den Zentren
Stadtweit evidenzbasiertes Arbeiten wird ermöglicht (Etablierung APN Board)
Quartierapotheken (Medikamentenmanagement) und Hausärzte/Fachärzte
(Therapieumsetzung) werden durch die Spitex eingebunden und deren Fach-
wissen genutzt: Entwicklung eines strukturierten Informations-Instruments
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 17 17
Für die Umsetzung zu berücksichtigende Aspekte
Grobkonzept, Vorgehensvorschlag erarbeiten zur Zielerreichung,
insbesondere:
o Aufbau Know-how innerhalb der Zentren und Überbau stadtweit, Vernet-
zung APN Netzwerk schweizweit
o Organisationsvarianten: Vernetzung Zentren, evidenzbasierte Pflege si-
cherstellen
o Profil APN und Rollenbeschreibung
o benötigte Instrumente nach innen und aussen
o Kommunikationsschwerpunkte nach innen und aussen
Zusammenarbeit mit Helsana im Bereich der Medikationssicherheit prüfen
Die Finanzierung allfälliger Massnahmen und zusätzlich anfallender
unverrechenbarer Zeit muss geklärt werden
Die im Rahmen der Umsetzung getätigten Massnahmen und Schulungen
werden auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und gegebenenfalls angepasst, be-
vor sie flächendeckend eingeführt werden.
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 18 18
5.4 Psychosoziale Pflege und Betreuung Analyse, Fokus der Strategie
In der Leistungsvereinbarung zwischen den Spitexorganisationen und der Stadt
Zürich sind unter den Zielgruppen auch psychisch kranke Menschen (akut, chro-
nisch) und Menschen mit einer psychosozialen Problematik genannt. Spitex Zü-
rich leistet bereits heute einen wichtigen Beitrag in der Erbringung ambulanter
psychiatrischer Pflegeleistungen. Im Konzept der Pflegeversorgung der Stadt
Zürich vom 27.3.13 ist folgendes festgehalten:
„Gemäss den gesetzlichen Grundlagen (Gesundheitsgesetz, Spitalplanungs-
und Finanzierungsgesetz, Pflegegesetz) gehört die stationäre Versorgung in
der Psychiatrie und in der Gerontopsychiatrie in den Zuständigkeitsbereich
des Kantons, während die Gemeinde für die Versorgung von Langzeitpatien-
tInnen zuständig ist, bei denen die Pflege im Vordergrund steht. Zu letzterer
Patientengruppe gehören auch pflegebedürftige Personen, die lediglich eine
punktuelle medizinisch-psychiatrische Behandlung benötigen. Im Einzelfall
kann die Zuteilung einer PatientIn entweder zu einer psychiatrischen Klinik
oder zu einem Pflegeheim schwierig sein. Die strikte Unterteilung dieser bei-
den Bereiche ist künstlich und entspricht oft nicht den tatsächlichen Bedürf-
nissen der PatientInnen.“
„Das GUD beobachtet die seit längerem wahrnehmbare Tendenz des Kan-
tons, Angebote der stationären psychiatrischen Versorgung abzubauen.
Menschen mit langjährigen, jedoch komplexen psychiatrischen Erkrankungen
und Behinderungen werden so der kommunalen Versorgung zugewiesen,
ohne dass die notwendigen psychiatrischen Strukturen (Personal, räumliche
Voraussetzungen, etc.) bereitstehen. Insbesondere können gegenüber Mit-
bewohnerInnen aggressive PatientInnen häufig nur in spezialisierten psychi-
atrischen Langzeiteinrichtungen betreut werden. Die Stadt reagiert darauf mit
entsprechenden Angeboten. Beispiele sind die Spitex Wohnassistenz der
SAW, die Altersheime Waldfrieden und Selnau oder das von den Pflegezent-
ren geplante Projekt Psychosoziale Pflege“.
„Ein Problemfeld bildet der Bereich der psychiatrischen Versorgung. Hier be-
stehen Abgrenzungsprobleme zwischen der Akut- und der Langzeitversor-
gung, was zu Unklarheiten über die Zuständigkeit von Kanton und Gemeinde
führt. Aus Sicht der Stadt/Gemeinde zeigt sich dies umso mehr, als die psy-
chiatrische Akutversorgung eine kantonale Aufgabe ist.“
Diese Abgrenzungsproblematik erschwerte bisher eine weiterführende, konzepti-
onelle Auseinandersetzung mit der psychosozialen Versorgung innerhalb Spitex
Zürich und ihren ZuweiserInnen. Für die öffentlichen Spitexorganisationen der
Stadt Zürich besteht eine Leistungspflicht, welcher die Organisationen auch
nachkommen. Allerdings verursachen die Abklärungen mit den Krankenversiche-
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 19 19
rungen bezüglich dem Bedarf oft einen hohen administrativen Aufwand, der nicht
in jedem Fall zu einer vollständigen finanziellen Abgeltung führt.
Strategische Zielsetzungen
Ziel ist, die Leistungen für diese Zielgruppen zu definieren, zu professionalisieren,
von bestehenden Angeboten abzugrenzen und finanziell abzusichern.
Bei der Zielgruppe gehen wir von Menschen aus, welche infolge einer / eines
(geronto)psychiatrischen Erkrankung
akuten psychischen oder sozialen Belastung / Krise
traumatischen Ereignisses
Suchtproblematik oder
Verwahrlosung
den eigenständigen Umgang mit ihrer Beeinträchtigung zu Hause nicht mehr
wahrnehmen können.
Weiter sollen folgende Gruppen, möglichst in Zusammenarbeit mit anderen Be-
reichen und Anbietern, vermehrt Unterstützung erhalten:
Somatisch erkrankte Personen mit einer psychosozialen Auffälligkeit
Sozial isolierte Spitex KundInnen
Sogenannte High User sowie KundInnen mit einer niedrigen Compliance
Angehörige und Familien mit einem Mitglied der oben genannten Zielgruppe
Das Angebot psychosozialer Pflege und Betreuung wird weiter professionalisiert
und besser genutzt. Es ist ZuweiserInnen, stationären und ambulanten Einrich-
tungen bekannt, wird genutzt und geschätzt.
Dabei werden folgende Schwerpunkte gesetzt:
Die optimale Nutzung ambulanter Pflege- und Betreuungsleistungen sowie
stationärer Angebote verhelfen Betroffenen zu einem möglichst eigenständi-
gen Umgang mit ihrer Beeinträchtigung.
Psychosoziale und psychiatrische Spitex-Leistungen werden während sieben
Tagen in der Woche in einer hohen Professionalität gewährleistet.
Durch ein definiertes Krisen- und Nahtstellenmanagement werden
Hospitalisationen vermieden bzw. verkürzt. Ein besonderes Augenmerk gilt
dabei dem Nahtstellenmanagement mit den bestehenden ambulanten und
stationären Einrichtungen.
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 20 20
Die Finanzierung von Leistungen im Nahtstellenbereich ist sichergestellt (z.B.
Abklärung in der Klinik, Gespräche und Beratungen von Angehörigen, Betreu-
ung während Probewohnen).
Der Erhalt und Ausbau der Fach- und Sozialkompetenz aller Mitarbeitenden, wel-
che bei der Zielgruppe Pflege oder Betreuung leisten, wird gezielt gefördert.
Die Kriterien und Vorgaben zur Anerkennung von Spitex Zürich als psychiatri-
sches Arbeitsfeld sind erfüllt (Vereinbarung SBK, santésuisse, Spitex Verband
Schweiz).
Mitarbeitende verfügen über aktuelle Kenntnisse der Angebote und Dienstleis-
tungen von ambulanten und stationären Partnerorganisationen für die Kun-
dInnen.
Die fachliche Weiterentwicklung wird unter Berücksichtigung von neuen Ent-
wicklungen (z.B. Empowerment, Recovery) gefördert.
Die Eignung als Praktikumsort für Pflegeberufe im psychiatrischen Bereich ist
geprüft.
Erfolgsfaktoren
Spitex Zürich verfügt für den psychosozialen Bereich über
ein gemeinsames Pflege- und Betreuungskonzept
evidenzbasierte Standards, welche die Qualität der Dienstleistungen si-
chern
ein gezieltes Kriseninterventionsmanagement
eine verstärkte, interdisziplinäre Zusammenarbeit (mit den Pflegefachper-
sonen Psychiatrie Spitin und Spitex, den PsychiaterInnen, HausärztInnen,
SozialarbeiterInnen und PsychologInnen )
ein professionelles Aus- und Übertrittsmanagement
genügend Ressourcen im Bereich der Fach- und Sozialkompetenz
die Anerkennung als psychiatrisches Arbeitsfeld gemäss paritätischer
Kommission und ist damit Ausbildungsort
eine Übersicht zu ergänzenden Angeboten für KundInnen und deren An-
gehörige (Wissensmanagement)
eine ausreichende Kostendeckung bezüglich des Nahtstellenmanage-
ments (Klärung heutiger Finanzierungslücken wie z.B. Abklärungen wäh-
rend Spitalaufenthalt)
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 21 21
Für die Umsetzung zu berücksichtigende Aspekte
Erstellen eines Pflege- und Betreuungskonzepts unter Berücksichtigung be-
reits vorhandener Konzepte, Standards und Strukturen und unter der Beach-
tung der Kriterien und Voraussetzungen, die von der paritätischen Kommissi-
on „Bestätigung der Befähigung der Bedarfsabklärung in der Psychiatrie“ auf-
grund einer Vereinbarung von Santésuisse, SBK sowie dem Spitex Verband
Schweiz definiert wurden.
Klären folgender Aspekte:
o bessere Vernetzung bestehender ambulanter Angebote in der Stadt Zü-
rich
o gemeinsame Guideline „Kriseninterventionsmanagement der Spitex Zü-
rich“
o Regelung Übertrittsmanagement ambulant ↔ stationär
o Interdisziplinärer Pikettdienst über 24h
o Guidelines der Zusammenarbeit mit ZuweiserInnen
Die Finanzierung allfälliger Massnahmen und zusätzlich anfallender
unverrechenbarer Zeit muss geklärt werden
Die im Rahmen der Umsetzung getätigten Massnahmen und Schulungen
werden auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und gegebenenfalls angepasst, be-
vor sie flächendeckend eingeführt werden.
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 22 22
5.5 Migration/ Transkulturelle Pflege und Betreuung Analyse, Fokus der Strategie
Der Bedarf an Spitexversorgung der älteren Migrationsbevölkerung nimmt zu. Die
Zahl der Menschen über 65 Jahre mit Migrationshintergrund wird in der Schweiz
bis ins Jahr 2020 voraussichtlich um etwa 60% steigen. Der Anteil AusländerIn-
nen in der pflegeintensiven Altersgruppe der über 80-jährigen wird von 6% auf
10% steigen (Hungerbühler und Bisegger 2012). Ältere MigrantInnen haben mehr ge-
sundheitliche Probleme wie gleich alte SchweizerInnen. Dies betrifft sowohl die
subjektive Gesundheitseinschätzung als auch die Wahrscheinlichkeit, wegen psy-
chischer oder körperlicher Beschwerden behandelt zu werden (BAG 2012, GMM II).
Der Anteil älterer MigrantInnen mit sozio-ökonomischer Benachteiligung ist höher
als bei den SchweizerInnen, was sich auf deren gesundheitliche Situation aus-
wirkt. Im Vergleich zu 11% der SchweizerInnen beziehen 24% der ausländischen
RentnerInnen Ergänzungsleistungen.
In Migrationsfamilien bestehen zudem oft die Vorstellung und der Wunsch, dass
Familienmitglieder ältere Angehörige pflegen. Allerdings ändern sich diese Erwar-
tungen auch, weil Angehörigenpflege zu Überforderung und Konflikten führen
kann. (Kobi 2008). Dies untermauert wiederum den Spitexbedarf für ältere Migran-
tInnen.
Einen erschwerenden Einfluss auf die Inanspruchnahme von Spitexleistungen
haben sprachliche Verständigungsschwierigkeiten. Diese hemmen vor allem am
Anfang den Vertrauensaufbau und die Zusammenarbeit, da viele ältere Mig-
rantInnen nie richtig Deutsch gelernt haben oder die erworbenen Sprachkompe-
tenzen im Alter verloren gehen (Jenkins 2013). Als erschwerende Faktoren kommen
mangelnde Informationen zu den Dienstleistungen der Spitex, finanzielle Belas-
tung und administrativer Aufwand durch die Spitexeinsätze hinzu. Fehlendes
Wissen der Spitexmitarbeitenden zur Bedeutung des kulturellen Hintergrunds und
der Migrationsbiographie können das Pflegearrangement belasten (Jenkins 2013;
Kohn et al 2013).
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 23 23
Eine Untersuchung in der Stadt Zürich3 über die Spitexnutzung der 50-jährigen
und älteren EinwohnerInnen im Jahr 2011 hat gezeigt, dass Hürden hinsichtlich
dem Zugang und der Intensität von Spitexleistungen existieren. AusländerInnen
nehmen im Vergleich zu SchweizerInnen4 weniger Spitex in Anspruch (Zugang)
und die Einsatzstunden sind geringer (Intensität). Die Unterschiede zwischen den
SchweizerInnen und AusländerInnen sind ausgeprägter bei hauswirtschaftlichen
Leistungen und bei den Frauen.
Das nationale Programm des BAG zu Migration und Gesundheit 2014 – 2108
identifiziert ältere MigrantInnen als vulnerabel und sieht die Verbesserung der
Versorgung dieser Bevölkerungsgruppe durch ambulante Pflege vor (BAG 2013:
nationales Programm Migration und Gesundheit).
Aufgrund der hohen Diversität der älteren Migrationsbevölkerung ist eine transkul-
turelle Öffnung der regulären Spitexdienste sinnvoller als spezifische Angebote
für ethnische Gruppen zu schaffen (Hungerbühler und Bisegger 2012). Interviews zei-
gen den Bedarf der Verbesserung des Zugangs zu und der Nutzung von Spitex-
leistungen durch ältere MigrantInnen und ihre Familien (Jenkins 2013; Kohn et al 2013).
Der Focus liegt dabei auf:
Der Befähigung von Spitexteams in transkultureller Pflege und im Umgang mit
Diversität, inklusive Zusammenarbeit mit Familiensystemen
Verbesserung der sprachlichen Verständigungsmöglichkeiten
Anpassung von Informationsstrategien für die Migrationsbevölkerung
Strategische Zielsetzungen
Ältere MigrantInnen können ihren Bedürfnissen entsprechend Unterstützung
durch die Spitex in Anspruch nehmen, insbesondere
Informationen über und Zugang zu den Dienstleistungen
Spitexdienstleistungen sind den Bedürfnissen der MigrantInnen und ihrem
Familiensystem angepasst
Diversität und transkulturelle Kompetenzen sind in den Teams entsprechend
aufgebaut
Familiensysteme und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten werden er-
kannt und genutzt
3 Masterarbeit Public Health zur Spitex-Nutzung in der Stadt Zürich, Martina Gebhardt 2014
4 Kontrolliert nach Alter, Einkommen, Zusatzleistungen etc.
Umsetzungskonzept der Spitex-Strategie 2022 24 24
Adaption von Zielen des Nationalen Programmes Migration und Gesundheit,
Schwerpunkt 2014 – 2017 (BAG) insbesondere in Bezug auf interkulturelles
Übersetzen
Erfolgsfaktoren
Rahmenbedingungen und Kontinuität ermöglichen den Aufbau eines Vertrau-
ensverhältnisses.
Professionelle Fallführung ist basierend auf der Erfassung der Migrationsbio-
grafie im Assessment möglich. Die Fallführung integriert auch Beratung und
Schulung in Gesundheitsfragen und in der Situationsbewältigung.
Der Beizug von Übersetzern für wichtige Gespräche erfolgt unkompliziert,
gezielt und der Situation entsprechend.
Mitarbeitende wissen um die Wichtigkeit der Migrationsbiografie für die Le-
bensgestaltung im Alter und sind in transkultureller Pflege geschult.
Professionelle Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Familiensystemen ge-
lingt.
Administrative Abläufe, insbesondere Finanzierungsfragen, bilden keine Zu-
gangshürde.
Bewusste Nutzung der vorhandenen transkulturellen Ressourcen der Mitar-
beitenden.
Für die Umsetzung zu berücksichtigende Aspekte
Erstellen eines Informations- und Kommunikationskonzept für ältere Migran-
tInnen sowie für deren Familien zu den Dienstleistungen der Spitex.
Erarbeiten eines Standards zu den Spezifika von transkultureller Pflege und
Betreuung, insbesondere für die Bereiche Assessment und Fallführung (z.B.
Beizug von unterschiedlichen Übersetzern).
Konzeption der Einführungsmassnahmen.
Klärung von Übersetzungsmöglichkeiten und Finanzierungsmodi (unter ande-
rem Nutzung der vorhandenen Ressourcen der Mitarbeitenden).
Die Finanzierung allfälliger Massnahmen und zusätzlich anfallender
unverrechenbarer Zeit muss geklärt werden.
Die im Rahmen der Umsetzung getätigten Massnahmen und Schulungen
werden auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und gegebenenfalls angepasst, be-
vor sie flächendeckend eingeführt werden.