Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 1
Univ.-Prof. Dr. Georg Wydra
Vorlesung Allgemeine Sportdidaktik
Modul Didaktik/Methodik
Baustein 4: Ziele
Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes
WS 2018/2019
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Übersicht über die Vorlesung 1. Sportwissenschaft, Sportpädagogik und Sportdidaktik 2. Didaktische Modelle des Sportunterrichts -
Historische Modelle 3. Der erziehende Sportunterricht 4. Ziele 5. Fertigkeiten vermitteln 6. Motivation 7. Entwicklungsförderung
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Didaktische Entscheidungen
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Gliederung Traditionelle Strukturierung von Lernzielen
o Horizontale und vertikale Strukturierung o Motorische, kognitive, affektive und soziale Ziele
Kompetenzorientierung in der Bildungsdiskussion ICF-Orientierung im Gesundheitswesen
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Lernziele Definition: Lernziele sind sprachliche Formulierungen, die Aussa-gen über beabsichtigte Ergebnisse von Unterricht oder vergleich-baren Situationen machen. Sie beschreiben Kenntnisse, Fähigkei-ten, Kompetenzen, Einstellungen etc., die Schüler im Verlauf des Unterrichts entwickeln oder sich aneignen sollen. Lernziele sollten operationalisierbar und überprüfbar sein. Konkurrierende und parallel gebrauchte Begriffe: Lehrziele, Bil-dungsziele, Unterrichtsziele
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Traditionelle Strukturierung von Lernzielen Horizontale Differenzierung motorisch kognitiv affektiv sozial
Vert
ikal
e D
iffe-
renz
ieru
ng Richtziele
Grobziele
Feinziele
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Vertikale Differenzierung Richtziele: übergeordnete, ständige Perspektiven, die mit
dem Unterricht verfolgt werden sollen. z. B.: Gesundheitsbewusstsein entwickeln
Grobziele: strukturieren Stunden oder kleine Unterrichtsein-heiten. z. B.: Lernen, sich richtig zu belasten
Feinziele: beziehen sich auf einzelne Lernschritte. z. B.: Lernen, den Puls zu messen
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Horizontale Differenzierung Lernzielbereiche (nach Bloom und Krathwohl)*
Motorisch Kognitiv Affektiv Sozial Motorische
Fähigkeiten &
Fertigkeiten;
Wissen
Verstehen
Anwenden
Analyse/Syn-these
Evaluation
Kreativität
Aufmerksamwer-den,
Reagieren
Werten
Aufbau eines Wer-tesystems
Bestimmtsein durch Werte
Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit
Fairness
Einfühlsamkeit
Rücksichtnahme
Toleranz
Verantwortungsbe-wusstsein
Anderson, L. W. & Krathwohl, D. R. (2001). A taxonomy for learning, teaching and assessing. A revision of Bloom´s taxonomy of educational objectives. New York: Longman.
Krathwohl, D. R., Bloom, B. S. & Masia, B. B. (1978). Taxonomie von Lernzielen im affektiven Bereich. Wein-heim: Beltz.
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Kognitiver Lernzielbereich Kognitionen:
Alle Prozesse der Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung mit deren Hilfe Probleme erkannt, analysiert und gelöst werden können. „Sammelnahme für alle Vorgänge oder Strukturen, die mit dem Gewahrwerden und Erkennen zusammenhängen, wie Wahr-nehmung, Erinnerung (Wiedererkennung), Vorstellung, Begriff, Gedanke, aber auch Vermutung, Erwartung, Plan und Prob-lemlösen.“ (Dorsch, 1994: Psychologisches Wörterbuch)
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Kognitiver Lernzielbereich Wissen Wissen von konkreten Einzelheiten Wissen der Wege und Mittel, mit konkreten Einzelheiten zu ar-
beiten Wissen von Verallgemeinerungen und Abstraktionen eines
Fachgebietes Intellektuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten Verstehen Anwenden Analyse Evaluation Kreativität Anderson, L. W. & Krathwohl, D. R. (2001). A taxonomy for learning, teaching and assessing. A revision of Bloom´s taxonomy of educational objectives. New York: Longman.
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Prüfungsfragen in der Sportpädagogik Anforderungen Frageformulierung
3 Pu
nkte
In diesen Fragen wird gefordert, dass Stu-dierende die fachlichen Inhalte kennen und verstehen.
nennen, definieren, beschreiben, wie-dergeben, erklären, angeben, zusam-menfassen, in eigenen Worten wie-dergeben, auswerten
5 Pu
nkte
Kenntnisse und Verständnis auf konkrete Probleme, Situationen und Sachverhalte beziehen und Zusammenhänge herstellen.
gliedern, vergleichen, strukturieren, analysieren, Zusammenhänge erken-nen, ordnen, zerlegen, aufteilen, durchführen, übertragen, erläutern
10 P
unkt
e in neuen Situationen, Fragestellungen, Problemen und Sachverhalten, eigene Ideen entwickeln; aus Teilen etwas Ganzes erstellen; Pläne entwerfen; Problemlösun-gen erarbeiten und unter qualitativen Ge-sichtspunkten bewerten (evaluieren)
planen, organisieren, Gemeinsamkei-ten erkennen, Anwendungsmöglich-keiten erkennen und entwickeln, Problemlösungen finden, Kriterien er-arbeiten, beurteilen, schlussfolgern, Konsequenzen ableiten
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Affektiver Lernzielbereich Affekte:
lat. affectus: Stimmung, Leidenschaft, Begierde
intensives, relativ kurz andauerndes Gefühl
jede emotionale Regung
System, das parallel zum kognitiven System aber mit ande-ren Regeln arbeitet (Dorsch, 1994: Psychologisches Wör-terbuch)
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Affektiver Lernzielbereich1 Aufmerksamwerden, Beachten, Interessieren
Reagieren
Werten
Strukturierter Aufbau eines Wertesystems
Bestimmtsein durch Werte oder eine Wertstruktur
1 Krathwohl, D. R., Bloom, B. S. & Masia, B. B. (1978). Taxonomie von Lernzielen im affektiven Bereich.
Weinheim: Beltz.
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Sozialer Lernzielbereich „Unter sozialer Kompetenz … verstehen wir die Fähigkeit einer Person, sich in sozialen Situationen richtig zu verhalten. be-sondern wenn es um Interaktionen mit Partnern, Gruppenmit-gliedern, Lehrern, Eltern usw. geht“ (Kösel, 1975, S. 11, vgl. Petermann et al. 1997). "Alles was ich im Leben über Moral oder Verpflichtungen des Menschen gelernt habe, verdanke ich dem Fußball." (Albert Camus, Literaturnobelpreisträger und begeisterter Torhüter) www.dradio.de/dlf/sendungen/sport/2315805/
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Tugenden nach Helmers 2005 Kommunikationsfähigkeit
Einfühlsamkeit
Kooperationsfähigkeit
Rücksichtnahme
Hilfsbereitschaft
Toleranz
Konfliktfähigkeit
Fairness
Verantwortungsbewusstsein
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Miteinander und Gegeneinander im Geiste des Fairplays
Fairplay als die soziale Zielstellung des Sports:
Anerkennung und Einhaltung der Regeln partnerschaftlicher bzw. respektvoller Umgang mit dem Geg-
ner Gewährleistung gleicher Chancen und Bedingungen Begrenzung des Gewinnmotivs (kein Sieg um jeden Preis) Bewahrung von Haltung im Sieg wie in der Niederlage
Siehe: Gebauer (2017)
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Vor- und Nachteile der klassischen Strukturierung
Vorteile Nachteile • klare Strukturierung • gewohntes System • übersichtlicher Darstellung
der verschiedenen Lernzielbe-reiche
• Parzellierung • additive Darstellung • Verbindungen und Schnitt-
mengen werden nicht sichtbar • kein Integrationswert
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Gliederung Traditionelle Strukturierung von Lernzielen
o Horizontale und vertikale Strukturierung o Motorische, kognitive, affektive und soziale Ziele
Kompetenzorientierung in der Bildungsdiskussion o Bildungsstandards und Kompetenzorientierung o Motorische Kompetenzen
ICF-Orientierung im Gesundheitswesen
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Bildungsstandards und Kompetenzorientierung PISA (Programme for International Student Assessment) von
der OECD (Organisation for economic co-operation and deve-lopment) durchgeführt seit 2000 in dreijährigem Rhythmus
PISA-Schock 2001 (vgl. Sputnik-Schock 1957)
Klieme-Gutachten: Bildungsstandards zur effektiveren Steue-rung von Bildungsprozessen: http://www.bmbf.de/pub/zur_ent-wicklung_nationaler_bildungsstandards.pdf
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Nationale Bildungsstandards „Nationale Bildungsstandards formulieren verbindliche Anforde-rungen an das Lehren und Lernen in der Schule. Sie stellen damit innerhalb der Gesamtheit der Anstrengungen zur Siche-rung und Steigerung der Qualität schulischer Arbeit ein zent-rales Gelenkstück dar. Bildungsstandards benennen präzise, ver-ständlich und fokussiert die wesentlichen Ziele der pädagogi-schen Arbeit, ausgedrückt als erwünschte Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler. Damit konkretisieren sie den Bildungs-auftrag, den Schulen zu erfüllen haben.“
(Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2007, S. 9).
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Bildungsstandards und Kompetenzen „Bildungsstandards greifen allgemeine Bildungsziele auf. Sie le-gen fest, welche Kompetenzen die Kinder oder Jugendlichen bis zu einer bestimmten Jahrgangsstufe mindestens erworben haben sollen. Die Kompetenzen werden so konkret beschrieben, dass sie in Aufgabenstellungen umgesetzt und prinzipiell mit Hilfe von Test-verfahren erfasst werden können.“
(Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2007, S. 9).
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Kompetenzen Nach Weinert (2001, S. 27f.) versteht man Kompetenzen als „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und so-zialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“.
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Kompetenzen im Lehrplan Sport des Saarlandes Handlungskompetenz im Sport
Sachkompetenz
Methodenkompetenz
Selbstkompetenz
Sozialkompetenz
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Sachkompetenz Verbesserung der körperlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten
sowie des sportlichen Könnens
Kenntnisse über Funktionen des Körper
Kenntnisse von Möglichkeiten und Grenzen der körperlichen Bewegung
grundlegende Kenntnisse über sportliche Zusammenhänge (z. B. Sport und Bewegung, Sport und Gesundheit, Sport und Training, Sport und Natur, Sport und Wirtschaft)
Sportspezifische Theorie- und Regelkenntnisse Saarland. Ministerium für Bildung (2010)
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Methodenkompetenz selbständiges Gestalten von Unterrichtsphasen und selbstän-
diges Planen sportlicher Aktivitäten
Erkennen und Korrigieren von Fehlern in der Bewegungsaus-führung bei sich und anderen
selbständiges Anwenden von Trainingsformen zur Verbesse-rung bzw. Erhaltung motorischer Fertigkeiten und Fähigkeiten
Saarland. Ministerium für Bildung (2010)
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Selbstkompetenz Verbesserung der individuellen Leistungsbereitschaft und Leis-
tungsfähigkeit Steigerung des Selbstwertgefühls korrektes Einschätzen von Zielen, Risiken, eigenen Leistungen
und eigenem Lernfortschritt angemessenes Verhalten bei Sieg und Niederlage kreativer Einsatz von Bewegungs- und Spielformen als Aus-
drucks- und Gestaltungsmittel realistische Wahrnehmung körperlicher Phänomene (z. B. At-
mung, Puls, Schwitzen, Erschöpfung, Anstrengung, Wohlbefin-den)
Saarland. Ministerium für Bildung (2010)
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Sozialkompetenz partnerschaftliches, faires, friedfertiges, kommunikatives und
teamorientiertes Verhalten
Einhalten von Regeln und Vereinbarungen
Übernahme von Verantwortung
Gruppenbildung Saarland. Ministerium für Bildung (2010)
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Kritik am Lehrplan es handelt sich nicht um Kompetenzen, im Sinne von Vo-
raussetzungen zur Lösung von komplexen Problemen, son-dern lediglich um die Auflistung von Kognitionen auf der ersten Stufe der Taxonomie von Bloom (Wissen) die Methodenkompetenzen gehören inhaltlich zur Sach-
kompetenz die Selbstkompetenz befähigt zur bewussten Auseinander-
setzung mit den eigenen Möglichkeiten und Ansprüchen, auch in Form gezielter Selbstevaluation und spiegelt grundsätzlich die inneren Anlagen des Individuums wider als Leitziel wird Handlungsfähigkeit im Sport formuliert
(≠ Doppelauftrag)
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Anwendung im Hochschulbereich
http://fakultaetentag-sportwissenschaft.de/wp-content/uploads/2017/09/Kerncurriculum-Sportwissenschaft-
31.08.2017_Vorlage_MV2017.pdf
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Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR)
2006: Bundesministerium für Bildung und Forschung und Kul-tusministerkonferenz
Rahmen, der bildungsbereichsübergreifend alle Qualifikatio-nen des deutschen Bildungssystems erfasst.
Nationale Umsetzung des Europäischen Qualifikationsrah-mens (EQR) dar.
Ziel: Gleichwertigkeiten und Unterschiede von Qualifikationen transparenter machen und Durchlässigkeit unterstützen (Ar-beitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen, 2011, S. 3).
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Niveaustufe 6 DQR = Bachelorniveau „Über Kompetenzen zur Planung, Bearbeitung und Auswertung von umfassenden fachlichen Aufgaben- und Problemstellungen sowie zur eigenverantwortlichen Steuerung von Prozesses in Teil-bereichen eines wissenschaftlichen Faches oder in einem berufli-chen Tätigkeitsfeld verfügen. Die Anforderungsstruktur ist durch Komplexität und häufige Veränderungen gekennzeichnet“ (Ar-beitskreis Deut-scher Qualifikationsrahmen, 2011, S. 7).
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Differenzierung der Kompetenzen im DQR Fachkompetenz Wissen Fertigkeiten
Personale Kompetenz Sozialkompetenz Selbständigkeit
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Gliederung Traditionelle Strukturierung von Lernzielen
o Horizontale und vertikale Strukturierung o Motorische, kognitive, affektive und soziale Ziele
Kompetenzorientierung in der Bildungsdiskussion o Bildungsstandards und Kompetenzorientierung o Motorische Kompetenzen
ICF-Orientierung im Gesundheitswesen
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Motorische Kompetenzen und -qualifikationen
siehe Herrmann, & Gerlach (2014).
http://edoc.unibas.ch/34376/1/20140902110639_5405889f09965.pdf
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Motorische Kompetenzen und -qualifikationen
Motorische Basiskompetenzen: Nachhaltig erlernbare und funk-tionale Leistungsdispositionen. ═ Grundlage für die qualifizierte Teilnahme an der Sport- und Be-wegungskultur Nicht das Leistungsverhalten selbst, sondern die dahinter stehen-den, übergreifenden und nicht direkt beobachtbaren Leistungsdis-positionen werden als motorische Basiskompetenzen verstanden. ≠ Motorische Fähigkeiten arbeiten in Bewegungsfeldern
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Motorische Kompetenzen und -qualifikationen Motorische Basisqualifikationen: Beobachtbare Performanzen von sportlichen Handlungsvollzügen. ═ Can-Do-Statements (z. B. kann werfen, kann fangen) Siehe hierzu auch: Hummel, A., & Borchert, T. (2014). Entwicklung motorischer Kom-petenzen schließt Förderung motorischer Fähigkeiten ein. sport-unterricht, 64(5), 140
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Kritik an Kompetenzorientierung Wiederholung einer zu Beginn der 1970-er Jahre geführten
Diskussion zur Operationalisierung von Lernzielen im Rahmen der sog. Curriculumdiskussion (vgl. Willimczik, 1971; Grupe et al., 2004; Volkamer, 2005; ausführlich Kettenis, 2014)
Fehlen eines einheitlichen Kompetenzmodells: Stibbe, G. (2011). Kompetenzorientierung – Vom Nutzen einer neuen Leitidee. sportunterricht, 60(11), 337 http://www.hofmann-verlag.de/project/zs_archiv/archiv/sport-unterricht/2011/Sportunterricht-Ausgabe-November-2011.pdf
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Curriculumtheorie in der Sportpädagogik Sputnick-Schock: Lehr/Lernziele sollten die zukünftigen
gesellschaftlichen Anforderungen an das Individuum (= Qualifikationen) auf der Basis einer Gesellschaftsana-lyse berücksichtigen.
Neue Lernziele (alter Wein in neuen Schläuchen): Le-benstechnik, autonomes Verhalten, Kreativität, Emanzi-pation, Kommunikation, Sozialisation.
Lehr/Lernziele sollten auf eine wissenschaftliche, d. h. empirische Basis gestellt werden (Operationalisierbar-keit).
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Beispiele für Lernzielkataloge der 1970-er Jahre Start und Sprint Fertigkeitsniveau Lernerfolgskontrollen Der Schüler soll schnell reagie-ren können
Kontrolle der Reaktionsfähigkeit bei Starts aus verschiedenen Stellungen
Die Schüler sollen den Tiefstart ausführen können.
Kontrolle der Kauerstellung beim Kom-mando „auf die Plätze“ (mittlere Blockstel-lung, Hände unmittelbar hinter der Startlinie, abgespreizter Daumen und Zeigefinger, Schulter senkrecht über den gestreckten Ar-men, Blick im voraus)
Lehrplan Sport - Gymnasiale Oberstufe Saarland 1975
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Kritik an Curriculumtheorie Siehe Heft Nr. 1 der Zeitschrift Sportwissenschaft 1971! Wissenschaftliche (empirische) Begründbarkeit der
neuen Lehr/Lernziele war nicht möglich Problem der Operationalisierbarkeit Komplexität gesellschaftlicher Prozesse Lehr/Lernziele = alter Wein in neuen Schläuchen (z. B.
Emanzipation) Rationale, naturwissenschaftlich und technisch geprägte
(Arbeits-)Welt braucht geisteswissenschaftlich begründe-ten Gegenpol.
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Kritik eine Metatheorie bzw. ein Kompetenzmodell der auf den
Sportunterricht bezogenen Kompetenzen eines Schülers oder Studierenden existiert nicht
die Notwendigkeit der Konkretisierung von Kompetenzen über Bildungsstandards führt insbesondere für ästhetische Fächer in die Sackgasse
Vernachlässigung sozialer und affektiver Aspekte (z. B. Fair-play)
Überbetonung oder fast ausschließliche Betrachtung motori-scher und kognitiver Aspekte
Bezeichnung von Kompetenzen ist beliebig und die Zahl der möglichen Kompetenzen unendlich (siehe Phrasendreschma-schine im Anhang)
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Gliederung Traditionelle Strukturierung von Lernzielen
o Horizontale und vertikale Strukturierung o Motorische, kognitive, affektive und soziale Ziele
Kompetenzorientierung in der Bildungsdiskussion ICF-Orientierung im Gesundheitswesen
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ICF-Orientierung
Kaczmarek, C., Schwarz, M. & Wydra, G. (2016). Mobilitätskonzept in Sporttherapie und -wissenschaft. Sport-wissenschaft, 45, (DOI: 10.1007/s12662-016-0424-1)
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Bewegungskompetenz als Ziel von Gesundheitssport Orientierungskompetenz Antriebskompetenz Ausführungskompetenz Positive kognitive Bewertung
des eigenen Sportreibens Bestimmtsein durch sportives
Lebenskonzept Mobilität
Wissen über und Verste-hen der Zusammenhänge zwischen Gesundheit, Be-wegung und Sport (Konse-quenzerwartungen)
Anwendung von gesund-heitsrelevanten Regeln (Kompetenzerwartungen)
Planung des eigenen Sporttreibens auf der Basis von Konsequenz- und Kompetenzerfahrungen
Sportbezogene Interessen Positive Einstellungen, Mo-
tive und Volitionen zum Sporttreiben
Positive affektive Bewer-tung des eigenen Sportrei-bens auf der Basis von Konsequenz- und Kompe-tenzerfahrungen
Integration des eigenen Sportreibens in ein Werte-system (Sporttreiben als Sinn-Dimension)
Physiologische und anato-mische Leistungsvorausset-zungen
Motorischen Fähigkeiten: Ausdauer, Kraft, Schnellig-keit, Koordination und Be-weglichkeit
Allgemeine und spezielle motorische Fertigkeiten
Wydra, & Kaczarek, 2017
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Zusammenfassung Menschliches Verhalten ist immer ein intentionales Verhal-
ten, d. h. auf ein Ziel ausgerichtet Art der Zielformulierung abhängig vom Kontext (Bildungs-
wissenschaften, Gesundheitssystem) Die Inhalte der Bloom‘schen Taxonomie (1956), 1972) sind
für die aktuelle Kompetenz orientierte Diskussion nach wie vor von höchster Relevanz!
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Anhang Reflektion Phrasendreschmaschine Kompetenz Von der In-Put- zur Out-Put-Orientierung Bildungsstandards
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Reflexion
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Phrasendreschmaschine Kompetenz reaktive Sach-
(In)-Kompetenz
Illusion
konstruktive Methoden- Überprüfung
reale Sozial- Überzeugung
reziproke Selbst- Erwartung
assimilative Gesundheits- Diskurs
integrative Leitungs- Semantik
molare Diskussions- Theorie
zellulare Interpretations- Technologie
emanzipative Evaluations- Flexibilität
illusionäre Integrations- Kreativität
assimilative Inklusions- Potenz
akkomodative Informations- Ressource
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Von der In-Put- zur Out-Put-Orientierung
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Bildungsstandards Bildungsstandards legen fest, welche Kompetenzen bis zu
einer bestimmten Jahrgangsstufe erreicht werden sollen
Kompetenzmodelle o Komponenten (z. B. Sprach- und, Lesekompetenz) o Stufen: Abstufung der Kompetenzen
Zielinhalte o Contentstandards: Festlegung der Lerninhalte o Performancestandards: Output o Opportunity-to-learn-standards: Input und Prozesse
schulischen Lernens
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Assessments o High-stakes assessments: Tests mit Konsequenzen für
Schule und Schüler o Low-stakes assessments: Tests ohne Konsequenzen für
Schule und Schüler
Effekte o Teaching-to-the-test-Effekt: Das System (Schule, Lehrer,
Schüler) passt sich an die zu erwartenden Testsituationen an. Es wird das gelernt, was getestet wird, und nicht das, was nicht getestet wird.
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Maag-Merki (2005)
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objectives. New York: Longman. Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen. (2011). Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR).
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