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Bild und Fall

S. Bestelmeyer · D. Holland · Universitäts-Augenklinik Kiel

Visusstörung und Kopf-schmerzen im Kindesalter

Ophthalmologe 2003 · 100:648–650DOI 10.1007/s00347-002-0678-xOnline publiziert: 25. Juni 2003© Springer-Verlag 2003

Vorgeschichte

Eine 14-jährige Patientin stellte sich mitseit ca. 3 Wochen bestehender beidseiti-ger Sehstörung mit Verschwommensehenvor. Außerdem habe sie gehäuft Kopf-schmerzen und fühle sich seit einigen Wo-chen abgeschlagen. Die ophthalmologi-sche Anamnese war unauffällig.In der All-gemeinanamnese war eine vor 2 Jahrendurchgemachte Pyelonephritis, die anti-biotisch behandelt worden war, auffällig.Anschließend durchgeführte urologischesowie internistische Kontrollen waren un-auffällig gewesen.

Befunde

Die bestkorrigierte Sehschärfe betrug inder Ferne am rechten Auge 1,0 und amlinken Auge 0,8.Die Spaltlampenuntersu-chung zeigte beidseits reizfreie vordereAugenabschnitte, die Tensiowerte lagenbeidseits im Normbereich. Im Rahmender Fundusuntersuchung fielen beidseits

eine Schwellung der Papille mit Randun-schärfe und Hyperämie auf (⊡ Abb.1,2,3).Parapapillär und in der Peripherie zeigtensich einzelne intraretinale Blutungen.Zahlreiche Cotton-wool-Herde waren imBereich der Gefäßbögen und in der mitt-leren Peripherie sichtbar. Zusätzlich fieleine Tortuositas der Venen und eine Eng-stellung der Arterien auf.

Weitere Untersuchungen

Bei einer Routineblutuntersuchung fielenerhöhte Kreatinin- und Harnstoffwerteauf.Die periphere Blutdruckmessung er-gab Werte von 230/180 mmHg.In der Kli-nik für Allgemeine Pädiatrie wurden wei-tere wegweisende Befunde erhoben:Ver-minderung der Kreatinin-Clearance, Er-höhung der Plamareninkonzentrationund eine nichtselektive Proteinurie. DieNierensonographie zeigte beidseits ver-kleinerte Nieren. In der Echokardiogra-phie stellte sich eine konzentrische Myo-kardhypertrophie dar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen

Hier kann auch Ihr Fall dargestellt werden!

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Prof. Dr. F. G. HolzUniversitäts-AugenklinikIm Neuenheimer Feld 40069120 Heidelberg

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Ihre Diagnose?

Abb. 1 � Fundusfotorechtes Auge

Abb. 2 � Fundusfotolinkes Auge

Abb. 3 � Vergröße-rung Papille linkesAuge

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Bild und Fall

Verlauf

Nach 3-monatiger medikamentöser Blut-drucksenkung (Adalat 5 mg 1-mal 1,Pidi-lat 10 mg 2-mal 1,Captopril 12,5 mg 3-mal1) auf Werte unter 140/90 mmHg warenFundusveränderungen nicht mehr nach-weisbar, der Visus betrug beidseits 1,0.Kopfschmerzen traten nicht mehr auf.

Diskussion

Im Gegensatz zum Erwachsenenalter istein arterieller Hypertonus im Kindesal-ter eine Seltenheit. Zumeist liegt eine se-kundäre Form aufgrund einer zugrundeliegenden Erkrankung vor, während inder Adoleszenz der essenzielle Hyperto-nus mit bis zu 90% überwiegt.

Die klinische Manifestation äußert sichin Kopfschmerzen mit Visusstörungen,Benommenheit, Epistaxis bis zur hyper-tensiven Enzephalopathie mit Krampfan-fällen.Die Blutdruckmessung sollte an al-len 4 Extremitäten durchgeführt werden.Dabei ist die Größe der Manschette vonentscheidender Bedeutung, da eine zugroße Manschette zu falsch niedrigenWerten bei Kindern führt. Im Kindesal-ter stellen Nierenalterationen wie Glome-rulo- und Pyelonephritiden, Fehlbildun-gen (z. B. Zystennieren), Tumoren (z. B.Wilms-Tumor) und die Nierenarterien-stenose mögliche Ursachen dar.In 25–50%sind postentzündliche Nierenparenchym-erkrankungen ursächlich für den rena-len Hypertonus. Abzugrenzen sind zu-sätzlich vaskuläre Ursachen wie die Aor-tenisthmusstenose oder endokrinologi-sche Erkrankungen (z.B.Cushing-,Conn-Syndrom, adrenogenitales Syndrom,Phäochromozytom).Auch zentrale Ursa-chen wie intrazerebrale Raumforderun-gen und Blutungen müssen als Ursacheausgeschlossen werden.

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Aus ophthalmologischer Sicht ergibtsich für die funduskopischen Veränderun-gen ebenfalls eine Vielzahl von Differen-zialdiagnosen.Die diabetische Retinopa-thie, die auch vereinzelt in der frühen Ju-gend auftreten kann,zeigt ähnliche Verän-derungen. Bluterkrankungen wie Leukä-mien und Lymphome, Polyzythämie, Si-chelzellanämie und Sphärozytose bildenebenfalls wichtige Differenzialdiagnosen.Retinale Vaskulitiden im Rahmen von Kol-lagenosen wie Wegner-Granulomatose,Lupus erythematodes,Morbus Behçet undMorbus Reiter können ebenfalls wie einFundus hypertonicus imponieren. Auchim Rahmen von Infektionen sowie post-und parainfektiös (hämolytisch-urämi-sches Syndrom,akutes rheumatisches Fie-ber, Purpura Schoenlein-Hennoch) kön-nen entsprechende Fundusalterationenentstehen.

Der Fall zeigt wie im Kindesalter Vi-susstörungen mit entsprechenden fun-duskopischen Veränderungen wegweisen-der Hinweis auf eine systemische Erkran-kung sein können. Nicht nur im Erwach-senenalter sollte hierbei an einen Fundushypertonicus als Zeichen einer arteriel-len Hypertonie gedacht werden. Eineschnelle pädiatrische Therapieeinleitungist essenziell, um weitere Schädigungenanderer Organsysteme zu verhindern.

Korrespondierender AutorDr. D. Holland

Universitäts-Augenklinik Kiel,Hegewischstraße 2, 24105 KielE-Mail: [email protected]

Literatur

1. Bernstein D (2000) Systemic hypertension. In: Behrmann RE, Kliegman RM, Jenson HB (eds) Textbookof pediatrics. Saunders, Philadelphia, pp 2450–1455

2. Hayreh SS (1989) Hypertensive retinopathy.Ophthalmologica 198:173–177

3. Hayreh SS (1999) Hypertensive fundus changes. In:Guyer DR,Yannuzzi LA, Chang S et al. (eds) Retina-vitreous-macula. Saunders, Philadelphia, pp 345–371

4. Hayreh SS,Virdi PS (1989) Retinal arteriolar changes in malignant arterial hypertension. Ophthalmologica198:178–196

Diagnose: Fundus hypertonicus IV. Gradesbei maligner Hypertonie renaler Genese bei postinfektiöser kompensierter Nieren-insuffizienz mit konsekutiver Myokard-hypertrophie


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