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Welche Wirkmechanismen sind gesichert bei der Behandlung radiogener Nebenwirkungen durch hyperbare Oxygenierung? Zu dem Beitrag von A. Hartmann, M. Almeling, U. M. Carl: Hyperbare Oxygenierung (HBO) zur Behandlung radiogener Nebenwirkungen: Strahlenther Onkol 1996;172:641-8 (Nr. 12)

I n dem zitierten Beitrag stellen Hartmann und Mitarbeiter in umfassender Form die bisherigen Ergebnisse bei der Behand-

lung radiogener Sp~itnebenwirkungen durch eine hyperbare Sauerstoffbehandlung zusammen. Sie erlfiutern zunfichst die physikalischen Grundlagen einer HBO-Therapie, beschreiben dann die physiologischen Wirkungen und streichen die besonde- re Bedeutung der durch HBO induzierten Revaskularisierung in strahlengeschfidigtem Gewebe heraus. Sie ziehen dazu eine Ar- belt yon Knighton et al. [1] heran, die eine Steuerung der Revas- kularisation durch den Sauerstoffgehalt des Gewebes belegt [2]. Es k6nnte der Eindruck entstehen, dab die pathophysiologi- schen Zusammenh~inge einer HBO-Therapie von radiogenen Nebenwirkungen weitgehend geklfirt seien. In der entsprechen- den Untersuchung inkubierten die Autoren Makrophagen, die sie aus dem Knochenmark von Ratten gewonnen hatten, bei unterschiedlichen Oz-Konzentrationen und injizierten eine deft- nierte Anzahl dieser Makrophagen in die Kornea. Die unter- suchte Mef3gr013e war der maximale Durchmesser der einspros- senden GeffiBe. Die maximale GeffiBinjektion wurde durch Makrophagen ausgel6st, die bei einem Sauerstoffanteil von 2% inkubiert wurden. Anoxisch inkubierte Makrophagen verur- sachten eine geringgradig verminderte, bei 5%, 10% und 20% inkubierte nahezu keine bzw. keine Geffiginjektion. Die Auto- ren schlossen daraus, dab die Steuerung der GeffiBinjektion in negativer Rfickkopplung fiber die Expression eines Angiogene- sefaktors erfolgt. Ein weiteres for die HBO-Therapie wichtiges Ergebnis war, dab die Inkubation in 20%igem Sauerstoffmilieu nach Inkubation in hypoxischen Milieu zu keiner GeffiBinjekti- on ffihrt, die Expression des Angiogenesefaktors also reversibel ist. Anhand dieser Arbeit wfire also zu vermuten, dab die Appli- kation von Sauerstoff kontraproduktiv auf die Angioneogenese wirkt. Dies wurde durch zahlreiche nachfolgende Untersuchun- gen best~itigt.

In ihrem Beitrag ffihren A. Hartmann et al. jedoch auch Arbei- ten an, die belegen, dab die Gabe von hyperbarem Sauerstoff sowohl im nichtbestrahlten hypoxischen Gewebe als auch im

bestrahlten Gewebe zu einer ErhOhung der Gef~il3dichte ffihrt [1, 3]. Diese Daten stehen jedoch in eindeutigem Widerspruch

zu den bisherigen Ergebnissen, dab Hypoxie die Angiogenese f6rdert. Diesen Widerspruch versuchen Marx et al. [3] in dem von A. Hartmann zitierten Beitrag zu erklfiren. Sie untersuchten am Tiermodell die Wirkung von normobarem und hyperbarem Sauerstoff (100% 02 bei 2,4 atm fiber 90 min in 20 Sitzungen) auf die Angiogenese in experimentell provozierten Osteoradione- krosen im Vergleich zu Raumluft unter normobaren Bedingun- gen. Sie erhielten in Abhfingigkeit von der untersuchten Region ffir die hyperbar behandelte Gruppe eine histologisch gesicherte zwei- bis siebenfach h6here GeffiBdichte als in der Kontroll- gruppe, w~ihrend eine normobare Applikation von 100% O2 nach dem gleichen Therapieschema keine Unterschiede zur Kontrollgruppe zeigte. Die Autoren ziehen daraus den Schlul3, da8 nicht die absolute Sauerstoffkonzentration, sondern der Sauerstoffgradient im Gewebe ffir die Expression des Angioge- nesefaktors verantwortlich ist. Die normobare Gabe von 100% 02 sei daher nicht in der Lage, den Sauerstoffgradienten wesent- lich zu beeinflussen, da die Sauerstoffversorgung des Gewebes nach wie vor fiber Hgmoglobin erfolgt, das auch bei Raumluft bereits zu 98% mit 02 gesfittigt ist. Mit dieser Untersuchung ist demzufolge auch zu belegen, daf3 eine effiziente Therapie von radiogenen Nebenwirkungen nut mit der hyperbaren Applikati- onsform m6glich ist. Der eigentliche Wirkmechanismus, mit dem die hyperbare Sauerstofftherapie die Revaskularisation von bestrahltem Gewebe induziert, bleibt jedoch weiterhin v01- lig unklar.

Literatur

1. Knighton DR, Hunt TK, Scheunenstuhl H, Halliday BJ. Oxygen tension regulates the expression of angiogenesis factor by macrophages. Sciences 1983;221:1283 5.

2. Manson PN, Im PJ, Myers RAM, Hoopes JE. Improved capillaries by hy- perbaric oxygen in skin flaps. Surg Forum 1982;31:564 6.

3. Marx RE, Ehler W J, Tayapongsak P, Pierce LW. Relationship of oxygen dose to angiogenesis induction in irradiated tissue. Am J Surg 1990;160: 519 24.

Verfasser: Dr. C. Thilmann, L A. Adamietz, H. D. BOttcher, Klinik fiir Strahlentherapie und Onkologie der Unikliniken Frankfurt, D-60590 Frankfurt~Main,

Stellungnahme Hyperbare Oxygenierung (HBO) zur Behandlung radiogener Nebenwirkungen: Klinische Erfahrungen sind entscheidend!

F fir das Interesse an unserer Obersichtsarbeit [5] m6chten wir uns bedanken. Weitere, nach Abschluf3 des Manuskripts er-

schienene Arbeiten belegen die Aktualit~it der Thematik [2, 4, 10, 12, 14]. Schwerpunktthema unseres Artikels waren klinische Behandlungsergebnisse mit HBO, wfihrend die zugrundeliegen- den Mechanismen leider nur kurz er6rtert werden konnten. Wir referierten in diesem Zusammenhang die Arbeit yon Knighton et al. [7], in der die Expression eines Angiogenesefaktors in Ab- hfingigkeit vom Sauerstoffgehalt dargestellt wird. Die verwende-

te Methodik wird von Thilmann et al. detailliert geschildert, wo- bei jedoch die experimentelle Ausgangssituation nicht gentigend Berficksichtigung finder. Makrophagen wuchsen zunfichst 14 Ta- ge unter ambienten Bedingungen und wurden erst danach ffir 24 Stunden bei verschiedenen Sauerstoffkonzentrationen kulti- viert. Das Medium dieser Kulturen wurde aufgearbeitet und ftir ein ,,corneal implant assay" [3] verwendet. Dieses Vorgehen ffihrte zu den im obigen Kommentar beschriebenen Ergebnis- sen. Es ist anhand dieser Arbeit also keinesfalls zu vermuten,

Strahlenther Onko11998;174:220-2 (Nr. 4) 221

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