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Vorlesung Medizin-SoziologieVorlesung Medizin-Soziologie
Sozialstrukturelle Determinanten Sozialstrukturelle Determinanten des Lebenslaufsdes Lebenslaufs
Prof. Dr. Olaf v.d. KnesebeckProf. Dr. Olaf v.d. Knesebeck
28.10.200528.10.2005
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„Wenn Du arm bist, musst Du früher sterben.“
Gilt das auch heute noch?
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1. Was ist soziale Ungleichheit?
2. Soziale Ungleichheit in Deutschland
3. Soziale Ungleichheit und Gesundheit(11.11.2005)
GliederungGliederung
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Verortung im Gegenstandskatalog
„Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie“
1.2.5 Soziologische Modelle von Gesundheit und Krankheit
1.4.10 Sozialstrukturelle Determinanten des Lebenslaufs
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durch “naturgegebene” Merkmale (z.B. aufgrund der genetischen Ausstattung)
oder individuell erworbene Merkmale (z.B. bestimmte Fertigkeiten).
Soziale Ungleichheit bedeutet, dass Menschen aufgrund ihrer Stellung im gesellschaftlichen
Beziehungsgefüge von begehrten materiellen und/oder immateriellen Gütern regelmäßig mehr oder weniger erhalten als andere.
1. Was ist soziale Ungleichheit?
Der Begriff der ‘individuellen Ungleichheit’ hingegen bezieht sich auf Differenzierungen
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Soziale Ungleichheit ist eine Erscheinung, die in allen bekannten Gesellschaften zu beobachten ist und bestimmte gesellschaftliche Funktionen erfüllt.
1. Was ist soziale Ungleichheit?
Ziele der Beschäftigung mit sozialer Ungleichheit sind u.a.
die Identifikation der Merkmale, die soziale Ungleichheit zum Ausdruck bringen,
die Erforschung der Folgen sozialer Ungleichheit für Gesellschaft und Individuum (hier vor allem Gesundheit, Krankheit, Lebenserwartung).
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Sozialer Status: Personen nehmen einen bestimmten, gesellschaftlich
bewerteten Ort ein, über den sie an zentralen gesellschaftlichen Verteilungsprozessen teilnehmen.
Sozialer Status wird „zugeschrieben“ (vererbt) in traditionellen Gesellschaften oder „erworben“ in modernen Gesellschaften
beschreibende (nicht unmittelbar sichtbare) Kennzeichen eines sozialen Ranges: Statusmerkmale (z.B. Bildung, Beruf, Einkommen)
präsentierte (unmittelbar sichtbare) Kennzeichen eines sozialen Ranges: Statussymbole (z.B. Kleidung, Wohnungsausstattung)
1. Was ist soziale Ungleichheit?
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Konzepte sozialer Differenzierung:
Stände
Klassen
Schichten
1. Was ist soziale Ungleichheit?
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Stände gesellschaftliche Stellung
wurde in vorindustriellen Gesellschaften durch familiäre Herkunft festgelegt
zentral: Zuweisung von Rechten, Pflichten, Lebensweisen durch Recht, Gesetz, nicht hinterfragbare Tradition
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Klassen allgemein: gesellschaftliche Gruppe, deren Angehörige sich durch
ein Statusmerkmal von Angehörigen einer anderen Gruppe unterscheiden (dichotomer Gesellschaftsaufbau)
bei Karl Marx: in industrialisierten Gesellschaften entscheidet die Verfügungsgewalt über Produktionsmittel über
- Klassenzugehörigkeit, - Position im politischen
Herrschaftsgefüge,- objektive Lebens-
bedingungen - und subjektives
Bewusstsein („das Sein bestimmt das Bewusstsein“).
zentral: ökonomisch orientiert, Bezug zu Herrschaft
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Soziale Schichten:Bevölkerungsgruppen, deren Angehörige sich hinsichtlich prägnanter sozio-ökonomischer Merkmale
in einer vergleichbaren Lage befinden, die auf einem Kontinuum von „oben“ und „unten“
(vertikal) innerhalb des Gesellschaftsaufbaus verortet werden kann,
und die ähnliche Lebenschancen und -risiken aufweisen(hier vor allem Gesundheitschancen und Krankheitsrisiken).
Abgrenzung zu den Konzepten ‚Stand‘ und ‚Klasse‘: Stand: Normierung der Standeszugehörigkeit und der damit
verbundenen Lebensweise (nicht der Fall bei Schicht) Klasse nach Marx: eindimensional (Verfügungsgewalt über
Produktionsmittel), Fokus auf Erklärung von Herrschaftsverhältnissen und gesellschaftlichen Konflikten (nicht der Fall bei Schicht: eher deskriptive Ausrichtung)
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Moderne westliche Gesellschaften: keine Standesgesellschaften; Klassenkonzept von Karl Marx nicht sinnvoll anwendbar
(Herrschaftsverhältnisse sind zu einem großen Teil unabhängig von der Verfügungsgewalt über Produktionsmittel)
Soziale Schichten als wesentliches Konzept der Analyse sozialer Ungleichheit
1. Was ist soziale Ungleichheit?
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Zentrale Statusmerkmale in modernen westlichen Gesellschaften nach Auffassung der Schichtungs-forschung:
• Bildung,
• Berufliche Stellung, Berufsprestige,
• Einkommen, Vermögen, Besitz
(‚meritokratische Triade‘)
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Zusammenhänge zwischen den Zusammenhänge zwischen den Hauptdimensionen des sozialen StatusHauptdimensionen des sozialen Status
soziale Herkunfts-
schicht Bildung
Berufs-position
Einkommen
sozialer Status der Eltern
eigener sozialer Status
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Kritikpunkte am herkömmlichen Modell sozialer Schichtung zunehmende Statusinkonsistenz (unterschiedliche
Ausprägungen bzgl. der einzelnen Statusmerkmale, z.B. der promovierte Taxifahrer)
einseitige Ausrichtung auf Berufstätigkeit (eingeschränkter Geltungsbereich der Indikatoren)
These: Wachsender Wohlstand und Individualisierung von Lebenslagen führen dazu, dass vertikale soziale Ungleichheiten an Bedeutung verlieren.
1. Was ist soziale Ungleichheit?
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2. Soziale Ungleichheit in Deutschland:2. Soziale Ungleichheit in Deutschland:
- Bildung - Bildung - Beruf- Beruf - Einkommen- Einkommen
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Schülerinnen und Schüler der 7. Klasse im Schuljahr 2002/2003
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Entwicklung der Gymnasialquote 1950 bis 2000
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0
10
20
30
40
50
60
Hauptschule/ BerufsschuleGymnasium
obere Dienst-klasse
untere Dienst-klasse
Routine- dienst-
leistungen
Fach-arbeiter
un-/angelernte
Arbeiter
Besuch der Bildungsgänge Haupt-/Berufsschule und Gymnasiumbei 15-Jährigen nach sozialem Status der Eltern (in %)
Soziale Ungleichheit und Bildung: PISA 2000 (Deutschland)
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Lesekompetenz und soziale Herkunft in der PISA-Studie:
Differenz zwischen Kindern aus oberen (25%) und unteren (25%) sozialen Schichten
Soziale Ungleichheit und Bildung (Forts.): PISA 2000 (OECD)
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alle Gruppen Arbeiter Selbständige Angestellte Beamte1969 10 3 11 15 271980 13 4 21 22 331985 13 4 18 19 331990 22 7 27 28 491995 22 7 25 32 442000 24 7 26 41 53
Studienanfängerquote an Universitäten nach dem Beruf des Vaters (Westdeutschland)
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Die Arbeitslosenquote ist unter Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung etwa dreimal höher als unter allen Qualifizierten, und mehr als siebenmal höher als unter Hoch- und Fachhochschulabsolventen.
Bildung und Arbeitslosigkeit
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Erwerbstätige nach Wirtschaftsbereichen
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1950 2003
Arbeiter 48,8 29,4
Angestellte 16,5 52,3
Beamte 4,1 6,5
Selbständige 15,6 10,6
Mithelfende Angehörige
14,9 1,2
Erwerbstätige nach Stellung im Beruf Erwerbstätige nach Stellung im Beruf im früheren Bundesgebiet (%)im früheren Bundesgebiet (%)
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Einkommensverteilung im April 2002: Monatliches Haushaltsnettoeinkommen in Euro
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Schichtspezifische Einkommensunterschiede 2000
170
146
127
109105
9286 85
7773
115
162
130
99105
9589
96
79
63
50
70
90
110
130
150
170
190
1
West Ost
Durchschnitt = 100
Selbst. ab 10 Mitarb.
Freie Berufe
Höhere Dienst-leister
Selbst. bis 9 Mitarb.
mittlereDienst-leister
Arbeiter-elite
Fach-arbeiter
Ausführ-ende Dienstl.
Un-,Ange-lernte
Landwirte
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1. Fünftel 2. Fünftel 3. Fünftel 4. Fünftel 5. Fünftel
1962
West
39,1 21,4 16,7 13,4 9,4
1998
West
36,5 22,5 17,6 13,9 9,5
1998
Ost
33,0 22,2 18,4 15,2 11,2
Die Anteile der Bevölkerungsfünftel am Gesamteinkommen (%)
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Relative Einkommensarmut 1962-1998 in %
10,6
7,1 6,5 6,57,7
8,810,1
10,9
3,14,4
16 1616,9 17,1
19,6 20
9,3
11,9
0
5
10
15
20
25
1962 1969 1973 1978 1983 1988 1993 1998 1993 1998
50% Grenze 60% Grenze
OstWest
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Armutsraten in Prozent nach der 50 %-Grenze (Nettoäquivalenzeinkommen)
31
28
27
22
16
14
9
7
5
4
3
2
Einelternfamilien
Familien mit mind. 3 Kindern
Arbeitslose
Migranten
junge Menschen (bis 20 Jahre)
ohne Hauptschulabschluss
Wohnbevölkerung insgesamt
deutsche Wohnbevölkerung
ältere Menschen (über 65 Jahre)
Paarhaushalte ohne Kinder
Vollzeiterwerbstätige
Hochschulabschluss (FH, Uni)
Schutz vor Armut
Durchschnitt
Risikogruppen
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Klassenzugehörigkeit und Mortalität auf der Titanic (%)
3
20
67
49
63
87
0
20
40
60
80
100
Frauen Kinder Männer
1. Klasse3. Klasse
Ausblick auf 3.: Soziale Ungleichheit und GesundheitAusblick auf 3.: Soziale Ungleichheit und Gesundheit
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Nächste Vorlesungstermine:Nächste Vorlesungstermine:
04.11.05 Gespräch und Anamnese (Trojan)
11.11.05. Soziologische Modelle der Krankheits- entstehung (Fortsetzung der heutigen Vorlesung)