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Agrar- und Ernährungspolitik III
Vorlesung 4. März 2009
Einstieg in die Vorlesung – Übersicht
Martin Kniepert
2
Übersicht
Was ist eigentlich die Kernfrage des Wirtschaftens?Welche Aufgabe kommt dabei der Politik zu? Wie kann man sich diesen Fragen wissenschaftlich nähern?
Politikwissenschaftlich Wirtschaftswissenschaftlich
Theoretisch (Beispiel)Empirisch/quantitativ (Beispiel)
Anforderungen an diese Lehrveranstaltung im Einzelnen
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Ziele von Agrar- und Ernährungspolitik
Zunächst: Sicherstellung der Ernährung. Dieses Ziel bleibt im Weltmaßstab von größter Bedeutung (food security) Absicherung der Einkommen der LandwirteSpäter: Erhalt der Lebensgrundlagen (Umwelt, genetische Vielfalt)Später: Nahrungssicherheit (food safety)
Mit der wirtschaftlichen Entwicklung wird der Zielkatalog komplexer
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Thomas Robert Malthus (1766-1834)
Essay on Population (erstmals publiziert 1798, bekanntere Version: 1803)Problem: Überlastung der RessourcenHungersnöte, Dezimierung der Bevölkerung durch Kriege und dergl. dienen als RegelungsmechanismenAber auch: Kulturell entwickelte Mechanismen wie späte Heirat (bzw. späte Geburten; Verringerung der Zahl der Kinder)Damit ist Malthus der Stammvater bspw. der Argumentation des Club of Rome und zahlreicher bevölkerungspolitischer Programmehttp://cepa.newschool.edu/het/index.htm => alphabetical Index => Malthus
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Primäres Ziel der Ökonomie bleibt: Konsum
In den sogenannt entwickelten Ländern sind derzeit prinzipiell ausreichend Nahrungsmittel verfügbarDie Produktionsentwicklung war teilweise sogar überschießendÜbergewicht ist in EU/Nordamerika das drängendere ProblemMitte der 80er bis 90er Jahre Überschüsse auf den WeltmärktenProduktionsbremsende Maßnahmen wurden ergriffen (Flächenstilllegungen, Milchquoten etc.) Umverteilung durch Nahrungsmittellieferungen?
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Juristische/politische Setzung der Ziele
Bspw.: Das österreichische LandwirtschaftsgesetzBspw.: Teil der römischen Verträge der EUBspw.: Erklärung des regelmäßigen World Food Summit (FAO)Bspw.: Global Marshall-Plan (u.a. ökosoziales Forum)Bspw.: Ein-Kind-Familie als offizielles Ziel Chinas
Lässt sich Welternährung verordnen?
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Politikwissenschaftliche Herangehensweisen
Institutionen in diesem Bereich (Polity-Studies)?Ist den Institutionen bereits eine Interessensgewichtung inhärent (Bürokratisierungstendenzen, Elitenbildung etc.)Welche Interessensgruppen (Lobbies, Parteien etc.) gibt es
Organisation der Entscheidungsabläufe (politics)Legt bereits ein bestimmter Entscheidungsablauf ein bestimmtes Ergebnis nahe?
Problemzentrierte Betrachtung (Politikfeld-, policy-studies)
Am ehesten interdisziplinär
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Ökonomische HerangehensweiseAnalyse des wirtschaftlichen Geschehens mit dem Ziel der Ableitung abstrakter, ökonomischer Gesetzmäßigkeiten aufAbstraktion
Haushalte, Unternehmen und Staat als AgentenProduktionsfaktoren: Arbeit, Boden, KapitalGüter
Haushalte maximieren ihren Nutzen, Unternehmen ihren ProfitPreise dienen als Signale zum Ausgleich von InteressenMöglich sind ebenso rein theoretische Analysen wie auch empirische Arbeiten.
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Malthus mikroökonomisch
Vereinfachende, mikroökonomische Darstellung von Malthus‘ Problem
Es gibt nur ein Land (Welt)Es gibt nur zwei GüterDie Ressourcensituation bleibt weltweit gleichDie verfügbare Produktionstechnologie bleibt gleichDie Bevölkerung wächst um 10%
Frage: Kommt es zu (mehr) Hunger? Wofür brauchen wir die Politik? Etwa Lebensmittelmarken?Im Zuge weiterer Analysen können die Annahmen schrittweise gelockert werden.
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Einkommensabhängigkeit der Nachfrage
Q1, Q2Q1
Q2Y
Q2 Q1
YCL
Vgl. auch: P-Gebirge.xls , MarketExample.xls, und Angaben zur Lern-Empfehlungen auf der letzten Folie
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Preisabhängigkeit der Nachfrage (?)
Q1Q2
P1 P2S1 S2
D2
D1D1?
D2?
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Preisabhängigkeit der Nachfrage – Renten / Wohlfahrtsmaximierung
Q1Q2
P1 P2S1 S2
D2
D1
Vgl. zur Wohlfahrtsökonomik auch: http://www.econ.rochester.edu/eco108/ch9/micro09/sld092.htm
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Preisabhängigkeit der Nachfrage (!)
Q1Q2
P1 P2S1 S2
D2
D1D1‘
D2‘
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Angepasste Nachfrage
Q1, Q2Q1
Q2Y
Q2 Q1
15
Slutsky: Dekomposition
Q1
Q2
Vgl. bspw. Varian 1981; S. 98ff
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Wichtige Stichworte bis hier
Preis- und KreuzpreiselastizitätenEinkommenselastizitätenEngelkurve (Einkommens-Konsumfunktion)Nutzenfunktion, IndifferenzkurveBudgetgeradeSuperior, inferiore und Giffen-GüterSubstitutive und komplementäre GüterKonsumenten- und Produzentenrente (Wohlfahrtsökonomik)Politikfeldanalyse (Policy-Studies)
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Maßgebliche PrognoseZahlreiche Institutionen befassen sich mit Prognosen
FAO (Food & Agricultural Organisation der UNO, Rom)OECD (Organisation of Economic Cooperation and Development, Paris)FAPRI (Food and Agricultural Policy Research Institute, Iowa State University and University of Missouri)UNCTAT (United Nations Conference on Trade and Development)
Zum Teil gemeinsame Publikationen; teilweise informelle Abstimmung der Arbeiten, teilweise auch Rivalitäten
Zahlreiche andere Institutionen greifen für Eckdaten (insbesondere Weltmarktpreise) auf diese Quellen zurück
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Methodisches VorgehenVorschätzungen auf Basis bisheriger Erfahrungen
Zeitreihen nach Ländern, Produkten, Aufkommen & Verwendungen (vgl. bspw. Outlook Database bei FAPRI oder FAO-STAT => SUA/FBS => Crops PrimaryErfassung von Wechselwirkungen zwischen Preisen, Mengen, Einkommen, Politik (Funktionale Zusammenhänge) Berücksichtigung von Trends, insbesondere für technologische und strukturelle Entwicklungen
Methodische Ansprüche Bandbreite zwischen CS-(common sense)-Modellen, Kalibrierung und ökonometrischen SystemschätzungenTrade-Off zwischen methodischen Anspruch <=>Aktualität und Relevanz
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Aufkommen Weichweizen in Österreich 1964 - 2006
-400
-200
0
200
400
600
800
1,000
1,200
1,400
1,600
1,800
'000
MT
Produktion Lagerveränderung EinfuhrenAusfuhren Inländ. Verw.
Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnungen und Darstellung
20
Verwendung Weichweizen in Österreich 1964 - 2006
Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnungen und Darstellung
0
200
400
600
800
1,000
1,200
'000
MT
Saatgut Schwund FutterIndustrielle Verwendung Verarbeitung Verzehr (Brutto)
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Theorie und DatenZusammenhänge zwischen einzelnen Daten in Form von Gleichungen spezifiziert
Verhaltensgleichungen bspw. kann die Nachfrage nach Weizen als abhängig vom Preis und vom Einkommen spezifiziert werden: Demand = f(Price, Income)Elastizitäten als Parameter können ökonometrisch – aus dem bestehenden Datensatz heraus – geschätzt werden Elastizitäten können anderen Arbeiten entnommen werden, bestehenden Datenbanken oder auch einfach einer ExpertInneneinschätzung folgen => Gleichungen werden kalibriert
Identitätsgleichungen
Trade-Off: Empirischer Gehalt vs. theoretische Stringenz
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ModellumfangAuch ein Einzelgleichungsmodel ist ein Modell und kann Aufschluss bietenAndere Modell können ein große Zahl von Gleichungen verknüpfen bzw. simultan lösen
Wechselwirkungen zwischen Preisen und Mengen können so berücksichtigt werdenSimultaneität der Lösungen setzt im Prinzip auch eine Simultaneität der Schätzung vorausTheoretisch hergeleitete Restriktionen können Schätzungen bzw. Kalibrierungen erleichtern.
Die hier ins Auge gefassten Modelle stellen nur einen Typ von Modellansätzen dar! (vgl. spätere Vorlesung)
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Modellstruktur: Beispiel AGMEMODAGMEMOD ist ein Modell, dass eng an das von FAPRI verwendeten Modell angelehnt ist.
Vgl. www.agmemod.org => public website => the modelsAGMEMOD existiert auch für Österreich, ebenso wie für allen anderen EU-Länder, Russland, Ukraine und einzelne frühere jugoslawische Länder
AGMEMOD baut in der Spezifikation der Gleichungen in der Regel auf einfachen mikroökonomischen Standards auf.
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Vereinfachtes Beispiel für einen MarktDie Nachfrage in Abhängigkeit des Eigen- und Kreuzpreisen und der Einkommen
D = f(Pi=1..n, Y)
Das Angebot in Abhängigkeit vom Eigen- und Kreuzpreis der vorangegangenen (lagged) Periode
S = f(P(-1)i=1..n)
Der Eigenpreis in Abhängigkeit von SelbstversorgungsgradP = S/D
Die Gleichungen werden simultan gelöst Das Modell kann geschätzt oder Kalibriert werden.
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Weichweizen NachfragenD = f(P, Y);Gewählt wird eine sehr einfache funktionale Form
D = c + a * Preis + b * EinkommenDie hier eingesetzten Koeffizienten lassen sich leicht aus Elastizitäten* ableiten. Elastizitäten stehen durch die Literatur oder entsprechende Datenbanken (bspw. FAPRI) zur Verfügung. Sie sind auch intuitiv leichter zugänglich als Koeffizienten.
εD/P = (ΔD/D) / (ΔP/P) = (ΔD/ΔP) * (P/D)
* n.b.: Die Elastizität gibt die relative Änderung einer Größe in Abhängigkeit der relativen Änderung einer anderen Größen an. Dieses Konzept ist fundamental für die Wirtschaftswissenschaft und gehört zum Stoff der Einführungsvorlesungen. Vgl. Bofinger (2007), Grundzüge, S. 157 oder (fast) jedes beliebige andere Lehrbuch, Wikipedia …
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Weichweizen NachfrageReaktionen auf Preis und EinkommensveränderungGewählt wird eine sehr einfache funktionale Form: Nachfrage = c + a * Preis + b * Einkommen
D2D1
0
5
10
15
20
25
0 20 40 60
Pric
e (E
UR/
t)
Quantity (kg/head)
Preiselasitizität der Nachfrage: -0.2Eink‘elastizität der Nachfrage: +0.1Einkommen2 = 2 * Einkommen1
D2D1
0
5
10
15
20
25
0 50 100Pr
ice
(EU
R/t)
Quantity (kg/head)
Preiselasitizität der Nachfrage: -0.8Eink‘elastizität der Nachfrage: +0.4Einkommen2 = 2 * Einkommen1
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Ex-Post-Fit? Weichweizen in ATDer Ex-Post-Fit zeigt, wie genau eine Schätzfunktion historisch gegebene Daten nachvollzieht
Preiselasitizität der Nachfrage: -0.2Eink‘elastizität der Nachfrage: +0.1
Preiselasitizität der Nachfrage: -0.8Eink‘elastizität der Nachfrage: +0.4
0102030405060708090
1997
1999
2001
2003
2005
2007
2009
2011
2013
2015
2017
2019
kg/K
opf
hist/fixiert sim
0
10
20
30
40
50
60
70
80
1997
1999
2001
2003
2005
2007
2009
2011
2013
2015
2017
2019
kg/K
opf
hist/fixiert sim
Die Grafiken wurden in MarketExample.xls erstellt. Das Einsetzen von Elastizitäten bzw. die Anwendung für Zeitreihen kann dort nachvollzogen werden!
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Getreidepreise in Österreich
19721976
19801984
19881992
19962000
2004---
---
M03J2006
M07J2006
M11J2006
M03J2007
M07J2007
M11J2007
M03J2008
M07J2008
0
50
100
150
200
250
300
Weichweizen Futtergerste Körnermais
EUR_
ATS
/t
19801983
19861989
19921995
19982001
20042007
20102013
20160
50
100
150
200
250
300
350
200020012002200320042005200620072008
US$
/t
Quelle: FAPRI (Weizen U.S.Fob GULF) , versch. Jg, eigene Darstellung
Preisprojektionen Weizen
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Die Situation - Zusammenfassend
Die Frage der Welternährung ist nach wie vor ein akutes ProblemDie Wirtschaftswissenschaften haben einen umfangreichen Fundus an theoretischem Rüstzeug entwickeltEs werden in großem Maß relevante Daten gesammelt und zur Verfügung gestellt.Vielfach bleiben aber Ergebnisse der Prognose und Entwicklungspläne hinter den Erwartungen zurück
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Was folgt für diese Vorlesung?Bessere Kenntnis der Datengrundlagen
Testbetriebsnetz (INLB bzw. FADN)Marktdaten (Versorgungsbilanzen, Preise etc.)Synthesestatistiken (bspw. LGR, Modelldatensätze)
Verbessertes Verständnis theoretischer GrundlagenMikroökonomisch fundierte statt ad-hoc- SpezifikationenEntwicklung von Datensätzen anhand theoretischer Anforderungen
Verbesserung statistischer Schätzmethoden In diesem Sinne ist die weitere Vorlesung aufgebaut!
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Lern- und Lese-EmpfehlungenDiese Vorlesung sollte in erster Linie einen Überblick bieten bzw. Fragestellungen einordnen. Die Vorlesung steht damit als Powerpoint-Präsentation weitgehend für sich selbst. In Bezug auf mikroökonomische Theorie wurde Stoff von Einführungsvorlesungen wiederholt. Um Ihr Vorwissen in diesem Sinn zu ergänzen oder zu festigen, können Sie auf praktisch jedes beliebige Mikroökonomik-Lehrbuch zurückgreifen. (Begriffe, die Ihnen geläufig sein sollten sind auf Folie 16 zusammengestellt; Folien 10 bis 14 – nicht notwendig 15 – sollten sie eigenständig interpretieren können)Falls Sie entsprechende Veranstaltungen auf der BOKU besucht haben oder derzeit besuchen bietet sich auch ein Rückgriff hierauf an:
Auf der BOKU wird zurzeit als Lehrbuch Bofinger (2006, 2. Aufl. 2007), Grundzüge der Volkswirtschaft verwendet. Vorlesungen werden hierzu von Prof. Hofreither, Mag. Morawetz und Mag. Schwarzbauer gehalten. (Grundzüge der Ökonomie/Volkswirtschaftslehre)Grundlegend ist weiterhin die Vorlesung „Agrar- und Ernährungspolitik“ von Dr. Erwin Schmid (VO 731 117, insbesondere die Kapitel 2 und 3) .
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