und für und - dw-ol.de file10. Mai 2018 3 Psychische Gesundheit Die WHO definiert psychische...

Preview:

Citation preview

Sucht und Familie – Resilienz für Kinder und Jugendliche trotz dysfunktionaler Ausgangsbedingungen

Michael Klein, Köln

6

2

Gesundheit als Wohlbefinden (WHO, 1946) 

Fokussiert auf die subjektive Komponente, Gesundheit als individuelles Wohlbefinden

Beschreibt einen anzustrebenden Idealzustand

„Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen  Wohlbefindens und nicht bloß das Freisein von Krankheit und Gebrechen“. 

10. Mai 2018 3

Psychische Gesundheit

Die WHO definiert psychische Gesundheit folgendermaßen: „Zustand des Wohlbefindens, in dem der Einzelne seine Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv und fruchtbar arbeiten kann und imstande ist, etwas zu seiner Gemeinschaft beizutragen“. (WHO, 2008)

Vielzahl von Modellen zur psychischen Gesundheit

• Wohlbefinden und Selbstregulation• Salutogenese• Resilienz• Konsistenz• Flow

Keine einheitliche Definition psychischer Gesundheit, aber ‐> Modelle, die Entstehen und Bedingungen beschreiben:

10. Mai 2018

Trierer Integriertes Persönlichkeitsinventar (TIPI):Hierarchisches Strukturmodell der seelischen Gesundheit (Becker, 2001, 2002)

Seelisch‐körperlichesWohlbefinden Selbstaktualisierung

Selbst‐ /fremdbezogene Wertschätzung

• Sinnerfülltheit• Selbstvergessenheit• Beschwerdefreiheit

• Expansivität• Autonomie

• Selbstwertgefühl• Liebesfähigkeit

Seelische Gesundheit

Vorbemerkung 1:Suchtstörungen gehören zu den wichtigsten und häufigsten psychischen Störungen. Bei Männern sind Suchtstörungen mit bis zu 24% Lebenszeitprävalenz (Zucker, 1995) die häufigste einzelne psychische Störung. Insofern sind Jungen deutlich stärker betroffen als Mädchen. Sie zeigen öfter einen problematischen Substanzkonsum und entwickeln häufiger eine Suchterkrankung. 

Männliche Jugendliche und Väter sind deutlich häufiger betroffen als Frauen und Mütter. Die Frage nach den männerspezifischen Ursachen und Auswirklungen der Suchtstörungen sollte Regel und nicht Ausnahme sein. 

Relevante Prävalenzen

18% der Männer (>18 Jahren) erfüllen im letzten Jahr das Kriterium einer Alkoholdiagnose nach DSM‐IV (DEGS‐1) , 0.4% einer Drogenstörung (2012).  Das Jugendalter und die Adoleszenz sind die „Risikoepochen“ für Suchtstörungen.

Vorbemerkung 2: Die Entstehung und Aufrechterhaltung von Gesundheit ist ein dynamisches Geschehen zwischen den Polen krank und gesund. Die gesundheitsförderlichen inneren und äußeren Faktoren müssen dabei die gesundheitsschädigenden Faktoren mindestens überwiegen. Um die Gesamtdynamik zu verstehen, ist ein genauer Blick in Familien, Bildungssystem, Arbeitswelt, Medien und Gesellschaft nötig.

Diathese‐Stress‐Modell 

Die Balance zwischen Stressfaktoren sollte zugunsten der gesundheitserhaltenden Faktoren ausfallen, d.h. bei hohen biologischen Risikofaktoren weniger Stressfaktoren, bei hohen und vielen Stressfaktoren geringe biologischen Risikofaktoren. 

10. Mai 2018

Diathese‐Stress‐Modell

Waddington: Epigenetische Landschaft. Anlage und Umwelt ergänzen und beeinflussen sich 

Welche Rolle spielt Salutogene in der Suchtentstehung und –behandlung?

Eine vorliegende Suchterkrankung ist ein Indikator für einen nicht gelungenen salutogenetischen Prozess? 

Sie kann aber auch als Lösung unter ungünstigen psychosozialen Umständen bzw. Ausgangsbedingungen verstanden werden, als das Beste unter gegebenen Bedingungen… 

Welche Bedingungen sind dies?z.B. Traumatisierung, suchtkranke Eltern, eigene psychische Erkrankung…

Salutogenese als zentraler gesundheitserhaltender Prozess

„generalisierenden Widerstandressourcen“: 

• individuelle, persönliche Ressourcen: physische Verfassung, Ich‐Stärke, Fähigkeit zur Innenschau und Reflektion

• Soziale & kulturelle Ressourcen: ergeben sich aus Interaktion mit Umwelt, bieten Unterstützung von außen 

„Sense of Coherence (SOC)“

Vertrauen darauf, dass…

• Phänomene und Reize, die von außen auf inneres Erleben einwirken, erklärbar sind (Verstehbarkeit: comprehensibility)

• Mensch über Fähigkeiten (Ressourcen) verfügt, Lebensanforderungen zu bewältigen (Handhabbarkeit: manageability)

• Lebensanforderungen Herausforderung darstellen & Bewältigung lohnenswert ist (Sinnhaftigkeit, Bedeutsamkeit: meaningfulness)

Entwicklung der Vorstellung von…

Sense of Coherence – „Kohärenzgefühl“

Der SOC bezeichnet die Gesamtheit psychischer Dispositionen zu den Anforderungen des Lebens und nicht bloß ein „Gefühl“. Er lässt sich –grob – als eine gesundheitsförderliche Gesamorientieung gegenüber dem Leben, der eigenen Person und der Umwelt gegenüber auffassen. SOC umfasst somit vor allem Kognitionen, persönliche Dispositionen, Selbstkonstrukte, Copings und damit zusammenhängende (resultierende) Emotionen. 

Sense of Coherence – „Kohärenzgefühl“: 3 Dimensionen – Therapiestrategien 

Die Dimension „Verstehbarkeit“ betont die kognitive, einsichtsfördernde Komponente. In der Therapie am besten mit „reflexiver Psychoedukation“ übersetzbar. 

Die Dimension „Handhabbarkeit“ fördert die konkrete Handlungs‐ und Bewältigungskompetenz. In der Therapie mit Einübung und Training von Stressbewältigungskompetenzen zu vergleichen.

Die Dimension „Bedeutsamkeit“ fokussier auf die affektiv‐emotionale Komponente und kann neue Zugangsmöglichkeiten und motivationale Perspektiven eröffnen. In der Therapie entspricht dies dem Ansatz des Motivierens, vertieften Reflektierens und Umbewertens. 

Sense of Coherence – Wie wirkt sich SOC konkret aus?

SOC wirkt als Filter bei der Informationsverarbeitung („rosarote Brille in Anbetracht tiefschwarzer Wolken?“)

Bei hohem SOC nehmen Menschen Reize nicht als Stressoren wahr. Potentiell chronisch belastetendeStressoren bleiben unterhalb der Gefährlichkeitsschwellt – bisweilen sogar der Wahrnehmungsschwelle

SOC bewirkt Spannungsreduktion und –bewältigung (ist wie ein internes Beruhigungsmittel)

Menschen mit hohem SOC können eher spannungsreduzierende Ressourcen im richtigen Moment mobilisieren. Die verhindert chronische Stresszustände.

(vgl. Grabert, 2011, 32)

Von der Salutogenese zur Resilienz

(1) … nur ein kurzer Weg(2) leicht verschiedenartige Perspektiven(3) Nahezu zeitgleich, aber unabhängig voneinander, entstandenResilienz betont stärker die sozialen Aspekte gelingender gesunder Entwicklung(4) Resilienz braucht zur Entwicklung starken, chronischen Stress, wie ein Turbo, der sich erst ab höheren Belastungen zuschaltet(5) SOC betont den „gelassenen“ inneren Umgang mit Stress(6) Beide Ansätze sehen und stärken die Bewältigungspotentiale 

Resilienz (Werner, 1981; Wolin & Wolin, 1995)„resilience“ (engl.): Spannkraft, Widerstandsfähigkeit

‐> Fähigkeit, in belastenden Lebensereignissen trotz ungünstiger Umstände wieder in psychischen Normalzustand zurückzukehren bzw. diesen zu bewahren und positiv weiterzuentwickeln

Resilienz – Vulnerabilität – Stress ‐ Coping

... in Problemsituationen standhaft bleiben, Bewältigungsstrategien entwickeln und daran wachsen („Challenge‐Modell“).

Resilienz (E. Werner, ab 1955)

• beinhaltet personale (positives Selbstwertgefühl, Problembewältigungsstrategien) und soziale Ressourcen („continuously loving and caring person“ , Familie, Bildungsinstitutionen, soziales Umfeld)

• Ging ursprünglich aus Entwicklungspsychopathologie hervor (Studien zur Untersuchung von Kindern und Jugendlichen, die trotz schwieriger Lebensumstände gesunde Entwicklung durchliefen: Bsp Kauai Studie (Hawaii) von Emmy Werner, ab 1955)

• Ist ein variabler, flexibler, dynamischer Prozess der kontinuierlichen Anpassung an individuelle Lebensumstände (nicht konstant, wächst nicht proportional mit Alter heran)

Geschichte des Resilienzbegriffs

(1) Zunächst betrachtet als individuelle Eigenschaft, die Kinder widerstandsfähig oder gar unverwundbar gegenüber Stressoren macht

(2) Späterhin wurde Resilienz zunehmend als prozesshaftes Zusammenspiel von Schutz- und Risikofaktoren konzeptionalisiert

(3) Heute wird versucht, die Ergebnisse der Resilienzforschung auf soziale Gefüge (z.B. Familie, Gemeinde) zu übertragen

(4) Resilienz in Bezug auf Kinder Suchtkranker spielt spätestens seit 1969 (Cork, Black, Wegscheider) eine Rolle in Prävention und Hilfe

Resilienz (dt. für Spannkraft, Elastizität, Strapazierfähigkeit von lat. „resilere“ = abprallen)

bezeichnet heute allgemein die psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber Stressoren und negativen Umwelten und damit die Fähigkeiten, mit widrigen Umständen (Settings und Situationen) langfristig erfolgreich umzugehen.

Resilienz setzt voraus/führt zu: 

EntwicklungsplastizitätAnpassungsfähigkeitAutonomieAdaptive KompetenzFlexibilität („sich anpassen ohne sich zu verlieren, sondern sich entwickeln“)

Im Angesicht von hohem oder chronischem Stress

Resilienz (Basics) … 

(1) entsteht nur in  Anbetracht von Stressfaktoren(2) ist gelingende, wachstumsorientierte Stressbewältigungskompetenz („successful coping“)(3) kann zu‐ oder abnehmen (lebenslang)(4) beruht auf personalen und sozialen Kompetenzen und Ressourcen(5) kann (partiell) gefördert und aufgebaut werden

Resilienz ist … (deshalb)

(1) ein dynamischer Anpassungs‐ und Entwicklungsprozess (2) eine variable, diagnostizierbare  Größe(3) förderbar und entwicklungsfähig(4) situationsspezifisch und multidimensional

aus: Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2009

aus: Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2009, S. 42

Resilienzförderung als Grundlage der Unterstützung junger Suchtkranker

Zentrale Konzepte der Resilienzförderung

Intrapsychische protektive Faktoren für Kinder und Jugendliche (Werner, 1986):Ein Temperament des Kindes,

das positive Aufmerksamkeit hervorruft.Durchschnittliche Intelligenz und ausreichende

Kommunikationsfähigkeit, auch im Schreiben.Stärkere allgemeine LeistungsorientierungEine verantwortliche, sorgende EinstellungPositives SelbstwertgefühlInternale Kontrollüberzeugung (internal locus of control)Glaube an Selbsthilfemöglichkeiten.Soziale protektive Faktoren:Viel Aufmerksamkeit und keine längeren

Trennungen während des KleinkindaltersKontinuierliche Begleitperson (caring and loving person)Keine weiteren Geburten in den beiden ersten LebensjahrenKeine schweren elterlichen Konflikte bis zum zweiten Lebensjahr.

Resilienz: Kraft und Ausdauer unter Stress

1. Beziehungen: bedeutsame Beziehung zu psych. stabiler Person innerhalb oder außerhalb der Familie, soziales Netzwerk

2. Einsicht: Wissen und Wahrhaben der Krankheit Sucht in der Familie

3. Unabhängigkeit: gefühlsmäßiges + räumliches Abstandnehmen

4. Initiative: Leistungsorientierung, zielgerichtetes Verhalten

5. Kreativität: als Möglichkeit, innere Konflikte auszudrücken

6. Humor: als Fähigkeit, sich zu distanzieren

7. Moral: ein von Eltern unabhängiges Wertesystem

Merkmale resilienter Kinder aus suchtbelasten Familien

Wolin & Wolin 1995

Resilienzen für Kinder von Suchtkranken I (nach Wolin & Wolin, 1995)

• Ahnung, Wissen, Einsicht, z.B. dass mit der drogenabhängigen Mutter etwas nicht stimmt• Unabhängigkeit, z.B. sich von den Stimmungen in der Familie nicht mehrbeeinflussen zu lassen• Beziehungsfähigkeit, z.B. in eigener Initiative Bindungen zu psychisch gesundenund stabilen Menschen aufzubauen• Initiative, z.B. in Form von sportlichen und sozialen Aktivitäten

Resilienzen für Kinder von Suchtkranken II

• Kreativität, z.B. in Form von künstlerischem Ausdruck•Humor, z.B. in Form von Ironie und selbstbezogenem Witz als Methode derDistanzierung•Moral, z.B. in Form eines von den Eltern unabhängigen stabilen Wertesystems.

Merke: Neben der Individualresilienz (z.B. von Kindern) ist die Familienresilienz (Walsh, 2006) zu fördern. Diese betrifft die Stressresistenz des ganzen Lebenssystems (z.B. durch Förderung gesunder und heilsamer Rituale) oder relevanter Subsysteme.

Parentifzierung: Kinder werden zu Eltern

Resiliente Verhaltensweisen können gefördert werden, indem man ...

• ermutigt, Gefühle zu benennen und auszudrücken                     (Entwicklung von Gefühlsregulation/Impulskontrolle).

• konstruktives Feedback gibt – aufbauend lobt und kritisiert (Entwicklung einer positiven Selbsteinschätzung/Selbstwertgefühl).

• keine vorgefertigten Lösungen anbietet – vorschnelle Hilfeleistungen vermeidet (Entwicklung von Problemlösefähigkeit/ Verantwortungsübernahme / Selbstwirksamkeitsüberzeugungen).

• bedingungslos wertschätzt und akzeptiert                                    (Entwicklung von Selbstwertgefühl/Geborgenheit).

Bundesverband der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe 2007: 29

• hilft, Interessen/Hobbys zu sehen (Entwicklung von Selbstwertgefühl). 

• hilft, erreichbare Ziele zu setzen (Entwicklung von Kontrollüberzeugung/Zielorientierung/Durchhaltevermögen).

• realistische, altersgemäße Erwartungen stellt (Entwicklung von Selbstwirksamkeitsüberzeugung/Kontrollüberzeugung). 

• Routine in den Lebensalltag bringt (Entwicklung von Selbstmanagement/Selbstsicherheit).

• Anforderungssituationen nicht meidet (Entwicklung von Problemlösefähigkeit/ Mobilisierung sozialer Unterstützung).

• ermutigt, positiv und konstruktiv zu denken                                 (Entwicklung von Optimismus/Zuversicht).

Bundesverband der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe 2007: 29

Resiliente Verhaltensweisen können gefördert werden, indem man ...

Modular aufgebautes ambulantes Gruppenangebot

• Alter der Kinder von 8 bis 12 Jahren

• Eine Person als Kursleiter/‐in

• Angestrebte Gruppengröße: 6‐8 Kinder

• Wöchentliche Treffen für eine Zeitdauer von etwa 9 Wochen

• Umfasst 10 Module á 90 Minuten:• 9 Gruppentreffen für die Kinder• 1 Elternmodul, aufgeteilt auf zwei Abende

Konzeption

Trampolin: Modulinhalte10. Eltern sensibi-

lisieren und stärken (Teil 1)

1. Vertrauensvolle Gruppenatmosphäre schaffen

2. Selbstwert/positives Selbstkonzept stärken

3. Über Sucht in der Familie reden

4. Wissen über Sucht und Süchtige vergrößern

5. Mit schwierigen Emotionen umgehen

6. Probleme lösen und Selbstwirksamkeit erhöhen

7. Verhaltensstrategien in der Familie erlernen

8. Hilfe und Unterstützung einholen

9. Positives Abschiednehmen

10. Eltern sensibi-lisieren und

stärken (Teil 2)

Ziele der InterventionKinder und Jugendliche:

• Erlernen effektiver Stressbewältigungsstrategien (Umgang mit Emotionen, Problemlösestrategien in der Familie, Hilfesuchverhalten)

• Erlernen systematischer Problemlösekompetenz für Alltagskonflikte• Reduzierung der psychischen Belastung durch Auflösung von Tabuthemen, wie vor allem Sucht, Trauma, Gewalt

• Erhöhung des Kenntnisstandes der Kinder und Jugendlichen zur Wirkung von Alkohol/Drogen und dem Effekt von Sucht auf die betroffene Person und deren Familie

• Erhöhung des Selbstwerts/Aufbau eines positiven Selbstkonzepts• Erhöhung der Selbstwirksamkeitserwartung

Definition Familienresilienz

Charakteristiken, Dimensionen und Eigenschaften von Familien, welche den Mitgliedern und den Familien insgesamt helfen, widerstandsfähig gegenüber Störungen und Krankheiten in Anbetracht von Wandel und anpassungsfähig in Anbetracht von Krisensituationen zu sein (modifiziert und erweitert nach McCubbin & McCubbin, 1988).

Zentrale Familienresilienzen (Walsh, 2003, 2006)

Dimensionen der Familienresilienz (Froma Walsh, 2006)

(1) Glaubenssysteme („belief systems“)

Den Widrigkeiten einen  Sinn oder eine Erklärung gebenPositiver Zukunftsausblick („alles wird gut“)Transzendentaler, spiritueller Bezug

Dimensionen der Familienresilienz (Walsh, 2006)

(2) Organisationsmuster der Familie

FlexibilitätBezogenheit, VerbundenheitSoziale und ökonomische Ressourcen

Dimensionen der Familienresilienz (Walsh, 2006)

(3) Familiale Kommunikationsprozesse und Problemlöseverhalten

Klarheit Offene emotionale Mitteilung („sharing“) Gemeinschaftliches Problemlösen

Grundprozesse für Familienresilienz

Familienzyklen

Wiederholung von Mustern in vertikaler Richtung in Familien

Wiederholung von Mustern in horizontaler Richtung in Familien

Gültig sowohl für pathologische als auch für resilienteMerkmale

Mangel  … an psychischer Gesundheit… Widerstandskraft und SOC…  Mangel an (Zugang zu) Lösungen… Wissen, Bildung, Kompetenz… Akzeptanz, soziale Unterstützung… Identifikationsmodellen… Motivation zur Selbstkontrolle

Dabei Überfluss an      …  verfügbaren Substanzen… Scheinlösungen, Verdrängung, Tabuisierung

Resileinzförderung heißt in der Suchttherapie, die Balancen zugunsten der Stressbewältigungskomeptenzen die erhöhen, z.B. im Umgang mit negativen Emotionen, Spannungen, Craving, Frustrationen im Angesicht des Zugewinns an Selbstwert und Bewältigungskompetenz.

Wie Suchtstörungen entstehen und behandelt werden können …

(Masten et al., 2009, 11)

Macht‐Ohnmacht‐Dilemma und Alkohol‐/Drogenkonsum

Salutogenese meets …

Welche Verknüpfungen können salutogenetische Konzepte eingehen?

Salutogenese meets Psychotherapie

Für suchtkranke Väter sind spezielle Maßnahmen notwendig:(1) Was habe ich in meiner Suchtzeit getan und wieso? Wo liegen meine 

Defizite? (Problemaktualisierung)(2)  Was sind meine Ziele und Wünsche in Bezug auf meine Vaterschaft? Was 

kann ich davon schon gut? Was sind meine Qualitäten? (Ressourcenaktivierung)

(3) Was brauche ich? Welche Hilfe und Unterstützung benötige ich? (Aktive Hilfe)

(4) Was macht mein Leben für einen Sinn? Was gibt es zu verstehen? Welche Zusammenhänge habe ich bisher nicht verstanden (Klärungsperspektive). 

(5) Zu wem habe ich eine tragfähige, vertrauensvolle Beziehung? (Beziehungsperspektive)

Konsistenztheorie: Menschliche Grundbedürfnisse nach…(Grawe, 1998, 2000, 2004)

(1) Bindung/Zugehörigkeit(2) Lust/Unlustvermeidung(3) Selbstwerterhöhung und –schutz(4) Orientierung und Kontrolle

Die Erfüllung dieser Grundbedürfnisse ist lebenslanges Streben und fördert psychische Gesundheit.

Funktionalität von Substanzen: Drogen dienen der kurzfristigen Erfüllung der Grundbedürfnisse, ohne diese jemals grundsätzlich und dauerhaft erfüllen zu können. Deshalb auch Bedeutung des initialen und inzidentiellen Lernens in der Jugend beachten. 

Konsistenzmodell (Grawe, 2001, 2004)

Grundprinzip dieses Modells ist die Konsistenz, also die Übereinstimmung bzw. Vereinbarkeit gleichzeitig ablaufender neuronaler bzw. psychischer Prozesse.

• Das Bedürfnis nach Konsistenz stellt selbst kein Grundbedürfnis dar, sondern ist ein Grundprinzip des psychischen Funktionierens. Während Grundbedürfnisse biologischer Natur sind und sich auf Erfahrungen mit der Umwelt beziehen, ist Konsistenz ein Zustand des Organismus. Die Herstellung von Konsistenz entspricht also der Regulation bzw. Koordination neuronaler Prozesse, während die Bedürfnisbefriedigung auf die Angleichung von Umwelt und Innenleben zielt. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, dass Konsistenz die Grundbedürfnisse – quasi als „nicht bewusstes Meta‐Bedürfnis“ – überlagert.Besteht Konsistenz, sind die Grundbedürfnisse befriedigt.

Konsistenztheorie„consistence“ (engl.); Festigkeit, Übereinstimmung

=> Beschreibt mehrere Bereiche menschlicher Grundbedürfnisse und sowie das Bestreben nach Konsistenz 

4 psychologische Grundbedürfnisse:

• Orientierung und Kontrolle

• Lustgewinn und Unlustvermeidung

• Bindung

• Selbstwerterhöhung und –erhaltung

‐Wenn diese aufeinander abgestimmt sind, Konkordanz

‐ Wenn in Interaktion mit Umwelt realisierbar: Kongruenz

Konkordanz + Kongruenz = Konsistenz

Klaus Grawe:Deutscher psychologischer

Psychotherapeut (1943‐2005)

Konsistenztheorie (Grawe, 1998, 2001, 2004)

Motivationale Schemata (Ziele):  

zur Befriedigung der Grundbedürfnisse 

• Annäherungsschemata (zur aktiven Bedürfnisbefriedigung)

• Vermeidungsschemata (Schutz vor Bedürfnisverletzung)

• Gelangt Mensch trotz angewandter  Schemata nicht zur Bedürfnisbefriedigung, droht er in Zustand psychischen Unwohlseins zu verfallen: Inkongruenz 

• Bei Inkongruenz: vorbewusst ablaufende Konsistenzsicherungsmechanismen (Emotionsregulation, Abwehrprozesse) bewahren vor Inkongruenz und stellen Balance wieder her

David Rock (2008): SCARF‐Modell

Salutogenese und Health Literacy

Mündigkeit in Bezug auf alle Gesundheitsfragen  heutzutage besonders in Bezug auf psychische Erkrankungen, Stressbewältigung und chronische Krankheiten wichtig

Alkohol‐ und Drogenwirkungen kennen und verstehen, bevor jemand selbst konsumiert  „der aufgeklärte Konsument“

Salutogenese und Geschlecht

Männer sind besonders von Suchterkrankungen bedroht und betroffenMänner weisen einen ungesünderen Lebensstil auf, sind risikobereiter und wagemutiger

Männer brauchen mehr Herausforderungen und zu überwindende Grenzen

Männer begehen häufiger SuizideMänner nehmen weniger und später gesundheitliche Hilfen in Anspruch

Salutogenese meets Humanistische Psychologie

Aufgaben des Suchttherapierenden:

Orientiere Dich am Positiven Respektiere die Kompetenzen und das LösungspotentialWahre und fördere die Autonomie, gehe in wertschätzende Bindung so viel wie möglich

Fördere Selbstexploration und Selbstaktualisierung 

Salutogenesis

Sense of coherence is"a global orientation that expresses the extent to which one has a pervasive, enduring though dynamic feeling of confidence that one’s internal and external environments are predictable and that there is a high probability that things will work out as well as can reasonably be expected." (Antonovsky, 1979, p. 123).

Having a strong sense of coherence helps us to mobilize our resources to cope with stressors and be healthy.

Salutogenese meets … the next generation

Der Prozess der Gesundheitserhaltung und –verbesserung. Ein lebenslanger Prozess, ein biopsychosozialer Prozess, ein epigenetischer Prozess… deshalb auch generationenübergreifend. Die jungen Suchtkranken von heute sind die Eltern von morgen. Daher sollte die Therapie generationenübergreifende, salutogene Spuren erzeugen und hinterlassen. 

Das epigenetische Modell

Suchtverhalten ist nicht einfach genetisch programmierbar, sondern resultiert aus einer Vielzahl von Risikofaktoren, die teilweise genetisch angelegt sind, aber in der Mehrzahl Umwelteinflüssen unterliegen. Insofern sind Verhaltensweisen, die zu Suchtstörungen führen, ein interessantes Feld für epigenetische „Betrachtungen“, also solche, die die Interaktion zwischen Anlage‐ und Umweltfaktoren untersuchen.

Das epigenetische Modell

Suchtverhalten hängt dabei vermutlich mit den Reaktionen auf Stress, Frustration und Affekte zusammen. Die Erfahrung der selbstbestimmten Regulation psychischer Prozesse ist wichtige Voraussetzung, um Suchtprozesse i.S. von Fremdregulation zu vermeiden. 

Salutogenese meets Epigenetik

Die konzeptionellen Vorstellungen der Salutogenese (Antonovsky, ???) entwickeln sich vor dem Hintergrund der Gehirnforschung und der epigenetischen Forschung weiter. 

Stress muss in seinen heutigen (modernen) Formen bewältigt werden. Dazu bedarf es Bewältigungserfolge genauso wie bewältigungserleichternder Kognitionen (Überzeugungen, Haltungen), die den jeweiligen Herausforderungen entsprechen. 

Menschen sollten um ihre Potentiale und „Grenzen“ wissen, um sich optimal entwickeln zu können. „You have to know your potentials“. 

Salutogenese meets Epigenetik

Genetische Potentiale durch optimale Stimulation (psychisch und physisch) entwickeln. Hyperstress vermeiden – Eustress fördern –Copingpotentiale entwickeln. 

Wie und ob epigenetische Einflüsse vererbt werden, hängt davon ab, wann ein Stressor oder generell Umwelteinfluss auftritt. Mehrere Folgegenerationen können beeinflusst werden, wenn ein schwangeres Weibchen betroffen ist. In ihm wächst nicht nur der Nachwuchs der nächsten Generation heran, sondern ab einem bestimmten Zeitpunkt entwickeln sich auch die Keimbahnzellen, aus denen die Enkel entstehen. Dieser Einfluss wird als multigenerationale Vererbung bezeichnet. 

Umprammierung

Wichtig für die Suchttherapie ist die Umprogrammierungdysfunktionaler Lern“schleifen“ durch reales Handeln und Erleben. Dies bedeutet zB, dass ein suchtkranker Jugendlicher, der bislang auf emotionalen Stress (zB für ihn angst‐ oder depressionserzeugende Reize) mit Substanzkonsum reagiert hat, mindestens eine alternative Verhaltensweise ausführt und trainiert. Dies verändert längerfristig nicht nur Verhalten, sondern auch auslösende Kognitionen und Emotionen.

Salutogenese meets Resilienz

Es geht um psychische Widerstandsfähigkeit, 

im Sinne einer Konstellation aus Persönlichkeitseigenschaften, Kognitionen und Emotionen („Sense of coherence“) 

bzw. eines geeigenten und gelingenden Umgangs mit (chronischen oder akuten starken) Stresssituationen und Herausforderungen (Resilienz). 

Gemeinsame Eigenschaften: Belastbarkeit, Flexibilität, Positivität, Zuversicht, kognitive Selektivität …

Salutogenese meets Mindfulness

Neben allen impliziten, unbewussten Prozessen kann die psychische Gesundheit auch durch achtsame, bewusste Interventionen gefördert und gestaltet werden. Dies setzt Bewusstheit, Gerichtetheit der Wahrnehmung, Aufmerksamkeit voraus. Geeignet sind Stresssituationen und Entspannungsübungen.  

Psychische Gesundheit kann gelernt und geübt werden – aber sie muss es auch immer wiederFür den Erwerb psychisch gesunder Verhaltensweisen bedarf es geeigneter, förderlicher Umweltbedingungen genauso wie Interaktionen zwischen Subjekt und Umwelt. 

Gesundheit entsteht nicht von alleine. Sie muss in jeder Lebensphase (besonders in der frühen Kindheit) aktiv gefördert und begleitet werden. 

Salutogenese meets Komorbidität

Im Falle komorbider Suchtstörungen muss in der Therapie die zentrale Funktion des Substanzkonsums als Selbstmedikation berücksichtigt werden, um eine Motivation zur Substitution der Substanz durch selbstinitiierte Kontrolle und Verhaltensweisen aufzubauen. Neue, psychisch gesunde Verhaltensgewohnheiten müssen dann stabilisiert und trainiert werden. Dazu gehören vor allem der Aufbau von SOC und Resilienzen. 

Materialien, Support

Zieloffene Suchttherapie

Körkel, 2014, 168

Ziele der primären Suchtprävention

Hurrelmann et al., 2001

Literatur

Grabert, Andrea (2011, 3. Auflg.). Salutogene und Bewältigung psychischer Erkrankung. Einsatz des Kohärenzgefühls in der SozialenArbeit. Lage: Jacobs.

Mittelmark, Maurice B.,  Sagy, Shifra, Eriksson, Monica, Bauer, Georg      F., Pelikan, Jürgen M., Lindström, Bengt  & Espnes, Geir Arlid (Eds.) (2017). The Handbook of Salutogenesis. Berlin: Springer.

Websites

www.stars‐society.org (Society for Theory and Research on Salutogenesis)

www.dachverband‐salutogenese.de (Deutscher Dachverband)

Referent: 

Prof. Dr. Michael KleinKatholische Hochschule Nordrhein‐Westfalen (KatHO NRW)Deutsches Institut für Sucht‐ und Präventionsforschung (DISuP)Wörthstraße 10D‐50668 KölnEmail: Mikle@katho‐nrw.deURL: www.addiction.de; www.disup.de

Recommended