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Dieser Beitrag ist in tschechischer Übersetzung in der Festschrift für František Šmahel erschienen: «… sed recessit non facta concordia». Karel IV. v Curychu neboli hranice královské mírotvorby (1353), in: Středověký kaleidoskop pro muže s hůlkou. Věnováno Františku Šmahelovi k životnímu jubileu, hg. von Eva DOLEŽALOVÁ und Petr SOMMER (Prag 2016), S. 596-612.

‘… sed recessit non facta concordia’. Karl IV. in Zürich oder die Grenzen königlicher Friedensstiftung (1353)

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Dieser Beitrag ist in tschechischer Übersetzung in der Festschrift für František Šmahel erschienen: «… sed recessit non facta concordia». Karel IV. v Curychu neboli hranice královské mírotvorby (1353), in: Středověký kaleidoskop pro muže s hůlkou. Věnováno Františku Šmahelovi k životnímu jubileu, hg. von Eva DOLEŽALOVÁ und Petr SOMMER (Prag 2016), S. 596-612.

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... sed recessit non facta concordia Karl IV. in Zürich oder die Grenzen königlicher

Friedensstiftung (1353)

Georg Modestin Der Kreis der historisch Interessierten verdankt František Šmahel nebst manch Anderem auch die minutiös nachgezeichnete Schilderung der Fahrt, die der alternde Kaiser Karl IV. in den Jahren 1377-1378 nach Frankreich unternahm und die ihren Niederschlag in den «Grandes Chroniques de France» gefunden hat1. Beim vorliegenden Beitrag, mit dem wir dem verehrten Jubilaren unsere herzlichsten Grüße und Wünsche entbieten möchten, geht es ebenfalls um Karls Reisetätigkeit, doch hat unser Aufsatz ungleich geringere Ambitionen. Im Zentrum steht ein in der einschlägigen Literatur zwar immer wieder erwähnter, jedoch unseres Wissens noch nie monographisch thematisierter Aufenthalt des damaligen römischen Königs Karl in Zürich im Oktober 1353.

Als Titel dient uns ein Zitat aus der zeitgenössischen Chronik des Konstanzer Domherrn Heinrich Truchsess von Diessenhofen, mit dem wir uns im Rahmen eines vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Projektes befassen. Diessenhofens Worte künden auf schnörkellose Art und Weise vom (vorübergehenden) Scheitern von Karls diplomatischen Bemühungen um die Aussöhnung Herzog Albrechts II. von Österreich mit den nachmals schweizerischen Waldstätten Uri, Schwyz und Unterwalden sowie mit der Stadt Zürich, in die sich der König zum Zwecke der Friedensstiftung eigens bemüht hatte. Darüber hinaus stehen Diessenhofens Worte für einen altbekannten Umstand, nämlich für den Mangel an Mitteln bei der Durchsetzung des königlichen bzw. kaiserlichen Willens. Peter Moraw hat im gegebenen Zusammenhang das Wort vom «überforderten König» verwendet: Die «Machtmittel [der Monarchie] waren bescheiden im Vergleich zu den Leistungen, die schon die Zeitgenossen von ihr gefordert haben». Zu diesen Leistungen gehörte nicht zuletzt die Friedenswahrung: «Der König war der erste Schirmherr des Friedens im Reich»2 – eine Aufgabe, der Karl im vorgestellten Fall erst nach wiederholtem Anlauf gerecht werden konnte. Die Reise des Jahres 1353 in den süddeutschen Raum Von Prag her kommend, bereiste König Karl vom September 1353 bis zum Mai 1354 Schwaben, das Bodenseegebiet und das Elsass. Wie immer waren die

1 František ŠMAHEL, Cesta Karla IV. do Francie, Prag 2006. 2 Peter MORAW, Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250 bis 1490, Berlin 1985 (Propyläen Geschichte Deutschlands, Bd. III), S. 155-169 (Kap. «Der überforderte König: Wahl und Krönung, Rechte und Pflichten»), hier: S. 155, 166 (Zitate).

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königlichen Besuche kein Selbstzweck: Sie waren dazu ausersehen, sieben Jahre nach Karls Wahl zum römischen König «in einer wichtigen königsnahen Landschaft Präsenz zu zeigen, eine Reihe von Konflikten […] zu schlichten sowie seine Romfahrt und seine Kaiserkrönung vorzubereiten». Besser bekannt geworden ist diese Reise aber aus einem anderen Grund: Der fromme Herrscher nutzte sie nämlich zur Ausweitung seiner Reliquiensammlung – ein Thema, das schon wiederholt das Interesse auf sich gezogen hat3.

In seiner Chronik über die Jahre 1316-1361, in welcher der Konstanzer Domherr Heinrich von Diessenhofen Papst-, Reichs- und Konstanzer Bistumsgeschichte zeitnah miteinander verschränkte, sprach der Verfasser auch die herrschaftspolitische Dimension von Karls Reisetätigkeit an, wenn er über seinen Einzug in Konstanz am 15. September 1353 schrieb, der von Klerus und Volk festlich empfangene König sei noch nie zuvor dorthin gekommen, obwohl er bereits im achten Jahr seiner Krönung stehe (Et receptus fuit die predicta sollempniter a clero et populo, quia nunquam antea illuc venerat, quamvis VIIIus

annus esset sue electionis)4. Der Zeitgenosse Heinrich von Diessenhofen war ein privilegierter Zeuge der

Ereignisse, der in seinen Aufzeichnungen den auf Betreiben des Königs vorgenommenen Reliquienhebungen und -entnahmen in der Region besonderes Interesse schenkte5. Von Konstanz aus, wo sich Karl laut Diessenhofen am 17. September 13536 ein ganzes Schulterblatt des hl. Pelagius hatte aushändigen lassen, machte der König einen kurzen Abstecher in die Reichenau, wo er – das Tagesdatum verdanken wir demselben Autor – am 20. September nebst anderen Reliquien einen Teil des Hauptes des hl. Markus erhielt. Nach einem weiteren mehrtägigen Aufenthalt in Konstanz begab sich der Monarch am 24. September (die Angabe des Tages geht wiederum auf Heinrich von Diessenhofen zurück) nach St. Gallen, wo er Tags darauf die Gräber der hl. Gallus und Othmar öffnen ließ, um Reliquien daraus zu entnehmen. Am 26. September reiste Karl von 3 Die angesprochene Sammelkampagne ist zuletzt von Wolfgang SCHMID, Reliquienjagd am Oberrhein. Karl IV. erwirbt Heiltum für den Prager Dom, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 159 [N.F. 120] (2011), S. 131-209 (Zitat S. 134), detailreich behandelt worden. Bei der allgemeinen Literatur zu Karl IV. als Reliquiensammler möchten wir uns auf zwei klassische Studie beschränken, nämlich: Franz MACHILEK, Privatfrömmigkeit und Staatsfrömmigkeit, in: F. Seibt (Hg.), Kaiser Karl IV. Staatsmann und Mäzen aus Anlass der Ausstellungen Nürnberg und Köln 1978/79, München 1978, S. 87–101, sowie Jiří SPĚVÁČEK, Frömmigkeit und Kirchentreue als Instrumente der politischen Ideologie Karls IV., in: E. Engel (Hg.), Karl IV. Politik und Ideologie im 14. Jahrhundert, Weimar 1982, S. 158-170. 4 Wir bereiten für die MGH eine Neuedition der Chronik Heinrich von Diessenhofens vor. Bis zu deren Erscheinen verweisen wir neben unserer eigenen Kapitelnumerierung auch auf die bisherige Standardausgabe Heinricus de Diessenhofen und andere Geschichtsquellen Deutschlands im späteren Mittelalter, hg. aus dem Nachlasse Joh. Friedrich Boehmer’s von Alfons HUBER, Stuttgart 1868 (Fontes Rerum Germanicarum, Bd. IV), S. 16–126. Hier: Heinrich von Diessenhofen, Chronik, Kap. 100 (= HUBER, S. 88-89). 5 Zu diesem Aspekt von Heinrich von Diessenhofens Chronik vgl. Georg MODESTIN, «… ivit ad Sanctum Gallum et crastina fecit aperire sarchofaga». Karl IV. und die St. Galler Reliquien (1353) unter besonderer Berücksichtigung der Schilderung Heinrich von Diessenhofens, Referat am Internationalen Kongress zum Gallusjubiläum 612|2012 in St. Gallen (5.-8. September 2012). Im Druck. 6 Falls nicht anders ausgewiesen, stammen die angeführten Tagesdaten aus Heinrich von Diessenhofen, Chronik, Kap. 100 (= HUBER, S. 88-89).

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St. Gallen zurück in seine temporäre Basis Konstanz. Dort ist bis zum 3. Oktober belegt7. Über Winterthur begab er sich schließlich nach Zürich, wo er Heinrich von Diessenhofen zufolge – dessen Angabe von der Chronik der Stadt Zürich gestützt wird8 – am 5. Oktober eintraf. Die chronikalischen Zeugnisse zu Karls Aufenthalt in Zürich Über den Einzug Karls in Zürich wusste Heinrich von Diessenhofen zu berichten, der König sei von einer mit Laub- und Blumengewinden gekrönten Menge empfangen worden (ibi receptus est omnibus frondibus ac sertis choronatis)9. Die Chronik der Stadt Zürich schweigt sich über den dem König zuteil gewordenen Empfang aus, fügt jedoch an, dass zeitgleich mit Karl auch die Räte Herzog Albrechts II. von Österreich in die Stadt gekommen seien10. Damit ist auch einer der Gründe für Karls Aufenthalt in Zürich angesprochen, nämlich die Verhandlungen zwischen Albrecht und den Waldstätten.

Da die Waldstätte seit 1351 mit Zürich im Bund standen, mochte die Stadt als geeigneter Verhandlungsort erscheinen, zumal es von habsburgischer Seite auch einiges mit Zürich zu klären galt. Noch von Konstanz aus, so berichtet es die wahrscheinlich auf Mathias von Neuenburg selbst zurückgehende Fortsetzung von dessen Chronik, schickte man nach Zürcher Gesandten, um die Verhandlungen vorzubereiten oder, in Mathias’ Worten, «um den Zwist mit dem Herzog von Österreich beizulegen» (missum est pro Thuricensibus pro discordia cum duce Austrie sedanda)11. Den Zürchern hatte Karl bereits am 28. August 1353 von dem nördlich von Ulm gelegenen Giengen an der Brenz (Regierungsbezirk Stuttgart) aus sicheres Geleit zu ihm und wieder zurück zugesagt12. Am 18. September, zu einem Zeitpunkt, als der König bereits in Konstanz angekommen war, ermächtigte Herzog Albrecht II. Karl von Wien aus, zwischen ihm und denen von Zürich, Luzern, den drei Waldstätten und ihren Eidgenossen zu vermitteln, und gelobte, das Ergebnis anzuerkennen13.

Nachdem Karl – in dessen Gefolge sich auch Herzog Albrechts Sohn Rudolf, seit der im April 1353 erfolgten Heirat mit Karls Tochter Katharina dessen Schwiegersohn, befand – und die erwähnten habsburgischen Räte in Zürich eingetroffen waren, fehlten nur noch die Gesandten der Waldstätte. Heinrich von Diessenhofen berichtet über ihre (zeitlich nicht datierte) Ankunft, die «Talleute» (Vallenses) hätten Karl «viel Vieh» dargebracht (multa pecora propinabant), was Emil Werunsky, der sich bei seiner Darstellung von Karls Aufenthalt in Zürich

7 Regesta Imperii, Bd. VIII: Die Regesten des Kaiserreichs unter Kaiser Karl IV. 1346–1378. Aus dem Nachlasse Johann Friedrich Böhmer’s herausgegeben und ergänzt durch Alfons HUBER, Innsbruck 1877 (in der Folge RI VIII [Karl IV.), S. 129, Nr. 1620. 8 Chronik der Stadt Zürich. Mit Fortsetzungen, hg. von Johannes DIERAUER, Basel 1900 (Quellen zur Schweizer Geschichte, Bd. XVIII), S. 68, 5. 9 Sofern nicht anders ausgewiesen, stammen sämtliche Diessenhofen-Zitate aus Heinrich von Diessenhofen, Chronik, Kap. 100 (= HUBER, S. 88-89). 10 Chronik der Stadt Zürich, S. 68, 6. 11 Die Chronik des Mathias von Neuenburg, hg. von Adolf HOFMEISTER, Berlin 1924-1940 (MGH SS rer. Germ. N.S. 4), S. 467, 15-17. 12 RI VIII (Karl IV.), S. 126, Nr. 1583. 13 RI VIII (Reichssachen), S. 548, Nr. 179.

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auf den Chronisten stützt, von «einer Herde Alpenkühe» sprechen lässt14. Die Vallenses hätten Karl «gewisse Privilegien vorgelegt» (quedam sibi privilegia ostenderunt), von denen er Kopien empfangen und dem Herzog von Österreich weitergeleitet habe, mit dem die Waldstätte und die Zürcher im Streit gelegen seien. Über den Fortgang der Ereignisse äußert sich Diessenhofen nur noch summarisch: Man habe gehofft, dass der König den Streit beilegen würde (sperabatur, quod dissensionem rex esset sedaturus), doch sei er unverrichteter Dinge rheinabwärts abgezogen (sed recessit non facta concordia ad partes inferiores).

Was die Chronologie der Ereignisse betrifft, so lässt die Chronik der Stadt Zürich Karls Aufenthalt bis zum 16. Oktober andauern15 – ein Datum, das durch von Karl ausgestellte Urkunden bestätigt wird16. Eingedenk seiner Ankunft am 5. Oktober verbrachte der König also elf Tage in Zürich, worauf er nach Basel weiterreiste, wo er am 18. Oktober urkundlich fassbar wird17. In die Zeit von Karls Zürcher Aufenthalt fallen eine Reihe von Privilegienbestätigungen zugunsten lokaler geistlicher Einrichtungen und der Bürgerschaft18, die nicht zuletzt für ein günstiges Verhandlungsklima sorgen mochten. Bezüglich der Schlichtungsbemühungen lässt die Zürcher Chronik den Inhalt der von Diessenhofen angesprochenen privilegia erkennen, welche die Waldstätte Karl vorlegten: Der König habe brief der Urner, Schwyzer und Unterwaldner verhört (in der Bedeutung von «angehört», auch «geprüft»), wobei die Waldstätte «ausdrücklich» vorgebracht hätten (die das aigenlich vorbrachtent), dass sie reichsfrei seien (das si nieman ander zuegehorten, denn dem hailgen rich)19. Die erstrebte richtung («Versöhnung») blieb aber aus, worauf der König am 16. Oktober Zürich verließ und rheinabwärts ritt20.

Eine dritte Version der Ereignisse gibt uns Mathias von Neuenburg: Wie bereits erwähnt, ging er auf die Vorbereitungen der Zürcher Verhandlungen ein und berichtete von der aus Konstanz ausgehenden Ladung Zürcher Gesandter. Die Zürcher hätten sich aber zusammen mit den Waldstätten (illi [Thuricenses] cum vallibus Swizie) geweigert, sich dem Herzog zu unterwerfen (nolentes duci subici); statt dessen hätten sie sich anerboten, König und Reich zu dienen (se ad serviendum regi et imperio obtulerunt)21. Damit werden hier die Interessen der Waldstätte mit jenen der Zürcher verbunden: Beide hätten sich der Herrschaft des Herzogs von Österreich entziehen wollen. In diese Richtung weist auch die Bemerkung Heinrich von Diessenhofens, wonach sowohl die Waldstätte als auch die Zürcher mit Herzog Albrecht im Streit gelegen seien (domino Alberto duci Austrie […], cum quo predicti Vallenses ‹et› Thurecenses discordabant). In der Chronik der Stadt Zürich ist in Zusammenhang mit Karls Aufenthalt in der Stadt

14 Emil WERUNSKY, Geschichte Kaiser Karls IV. und seiner Zeit, Bd. II/2, Innsbruck 1886, S. 358. 15 Chronik der Stadt Zürich, S. 68, 6-9. 16 RI VIII (Karl IV.), S. 129-130, Nr. 1621-1633. 17 Ebenda, S. 130, Nr. 1635-1636. 18 Ebenda, S. 129, Nr. 1622 (1353, Okt. 8), Nr. 1625-1626 (1353, Okt. 13); S. 130, Nr. 1627-1628 (1353, Okt. 14). 19 Chronik der Stadt Zürich, S. 68, 2-4. 20 Ebenda, S. 68, 7-9. 21 Die Chronik des Mathias von Neuenburg, S. 467, 17-18.

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nur von Uri, Schwyz und Unterwalden die Rede; in Bezug auf das Vorfeld der Verhandlungen heißt es aber auch, das der herzog dem kúng klegte, wir [die Zürcher] hettin im unrecht getan22. Diese Klage wird wohl anlässlich eines Treffens geäußert worden sein, welches das Kalendarium Zwetlense auf den Mai 1353 datiert hat. Am Pfingsttag jenes Jahres, d. h. am 12. Mai, sei Herzog Albrecht vom Stift Zwettl, wo er genächtigt habe, zu König Karl nach Weitra (Niederösterreich) aufgebrochen, wo er sieben Tage propter consilia et auxilia contra Zurcenses [Thuricenes] geblieben sei23.

Was den Fortgang von Karls Aufenthalt in Zürich angeht, so erwähnt auch Mathias von Neuenburg die privilegia imperatorum pro vallibus antiqua, welche dem König vorgelegt worden seien. Auf die Frage der herzoglichen Gesandten (ministri), weshalb sie besagte Privilegien denn nicht früher gezeigt hätten, antworteten die Waldstätte Mathias von Neuenburg zufolge, sie hätten sie keinem anderen als ihrem Herrn, dem römischen princeps, vorlegen wollen. Und so hätten sich die Waldstätte dem König unterworfen, wiewohl sie in sechsunddreißig Jahren niemandem gehorsam gewesen seien, eine Aussage, die auf die Zeit um die Schlacht am Morgarten (1315) zurückweist. Das Scheitern der Verhandlungen mit Herzog Albrecht wird von Mathias von Neuenburg zwar nicht ausdrücklich erwähnt, ergibt sich aber daraus, dass der Chronist unvermittelt zu Karls Weiterfahrt nach Basel, Breisach und Straßburg übergeht24.

Der Konflikt Habsburgs mit den Waldstätten Die erzählenden Quellen, die näher auf Karls Aufenthalt in Zürich eingehen, erwähnen zwei Konfliktherde, denen dieser Aufenthalt geschuldet war: Beim ersten ging es um das belastete Verhältnis zwischen dem habsburgischen Herzog Albrecht und den Waldstätten. Den zitierten chronikalischen Zeugnissen zufolge waren Letztere bemüht, sich habsburgischen Ansprüchen unter Verweis auf brief bzw. privilegia antiqua zu entziehen, wobei sie erklärten, nur noch König und Reich dienen zu wollen. Der zweite Konflikt schwelte zwischen den Habsburgern und der Stadt Zürich selbst, welche Herzog Albrecht unrecht getan haben soll. Die beiden Konfliktlinien laufen in einem Punkt zusammen, nämlich in den Interessen, welche die Herzöge in den habsburgischen Vorlanden hatten. Dabei bildeten diese aus habsburgischer Perspektive um die Mitte des 14. Jahrhunderts bloß einen Nebenschauplatz. Das Hauptinteresse hatte sich spätestens mit der Erwerbung des Herzogtums Kärnten, das 1335 habsburgisches Lehen wurde, nach Osten verlagert: «Vom habsburgischen Gesichtspunkte aus», schrieb Hektor Ammann zu dieser Konstellation, «spielten alle vorderösterreichischen Fragen schon eine zweite Rolle, und hier waren die schweizerischen Angelegenheiten auch wieder bloß ein Teilstück. Was sich also hier zutrug, war für die Habsburger ein Ereignis, wie sie es in ihren weiten Besitzungen alle Augenblicke erlebten25.»

Vor diesem Hintergrund könnten die Anstrengungen Herzog Albrechts bei flüchtiger Betrachtung als eine Art habsburgisches Rückzugsgefecht erscheinen. 22 Chronik der Stadt Zürich, S. 67, 9-10. 23 MGH SS in folio, Bd. IX, hg. von Georg Heinrich PERTZ, Hannover 1851, S. 693, 23-25. 24 Die Chronik des Mathias von Neuenburg, S. 467, 15-468, 3. 25 Hektor AMMANN, Die Habsburger und die Schweiz, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 43 (1931), S. 125-153, hier: S. 145 (Zitat).

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Dagegen sprechen zwei Umstände: Zum einen zeugen gerade die angeführten Konfliktfelder, d. h. die Auseinandersetzungen mit den Waldstätten sowie mit der mit den Waldstätten im Bund stehenden Stadt Zürich, davon, dass Habsburg, trotz vorherrschender Ostorientierung, seine Interessen in den Vorlanden im Allgemeinen und in den habsburgischen Besitzungen in der nachmaligen Schweiz im Besondern keineswegs vorschnell abgeschrieben hatte. Zum anderen waren «die Führungsschichten [noch in den 1360er Jahren] bis hinein in die Innerschweiz in ein personales Beziehungsgefüge integriert […], in welchem die Ausscheidung in einen habsburgischen und einen eidgenössischen Bereich noch keineswegs vollzogen war». Erst im letzten Drittels des 14. Jahrhunderts setzte ein Wandel ein, der dazu führte, dass «für die neue [eidgenössische] Führungsschicht Lehensbindungen gegenüber Habsburg keine Rolle mehr [spielten]»26.

Dass Herzog Albrecht König Karl als Vermittler anrief, belegt das habsburgische Interesse an der betroffenen Region. Karls temporäres Scheitern wiederum illustriert die fehlenden Machtmittel des «überforderten Königs» (um das eingangs angeführte Wort von Peter Moraw aufzugreifen), wobei die Analyse der beiden Konfliktherde zeigen wird, dass die Zerwürfnisse sehr tief waren und lange Vorgeschichten hatten. Entsprechend schwierig, wenn nicht unmöglich erscheint denn auch die Aufgabe des Friedensstifters.

Was den ersten Konfliktherd betrifft, die Spannungen zwischen den habsburgischen Herzögen und den Waldstätten, so müssen wir etwas länger ausholen. Am präzisesten formulierte die Chronik der Stadt Zürich den Kern des Problems: Es ging um die Beteuerung der Urner, Schwyzer und Unterwaldner, dass sie nieman ander zuegehorten, denn dem hailgen rich. Was auf dem Spiel stand, war der reichsfreie bzw. reichsunmittelbare Status27 der drei Länder. In der schweizerischen Historiographie wird der Blick bei diesem Thema gern auf die drei Waldstätte verengt; in Tat und Wahrheit traten derartige – reichsfreie – Talgenossenschaften «im 12. und 13. Jahrhundert an den verschiedensten Stellen der Alpen auf»28. Der springende Punkt bestand aber darin, dass die Habsburger in der Innerschweiz über ausgedehnte Rechte verfügten und – zumindest zeitweilig – «das einflussreichste Dynastengeschlecht in Uri, Schwyz und Unterwalden [waren]»29. Aus eigenem Interesse wirkten sie der erstrebten Reichsfreiheit entgegen. Diese wurde Uri 1231 durch Heinrich (VII.) in seiner Funktion als Statthalter Friedrichs II. verliehen. Friedrichs Interesse an diesem «weltverlassenen Tal» lässt sich nur durch die politische und wirtschaftliche Bedeutung des Gotthardpasses erklären30. 1240 nahm Friedrich auch die Leute von Schwyz ans Reich, eine Maßnahme, die im Kontext des Kampfes zwischen

26 Bernhard STETTLER, Habsburg und die Eidgenossenschaft um die Mitte des 14. Jahrhunderts, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 23 (1973), S. 750-764, hier: S. 761-762 (Zitate). 27 Zu diesem Status vgl. Hans Conrad PEYER, Verfassungsgeschichte der alten Schweiz, Zürich 1978, S. 46-48. 28 Hans Conrad PEYER, Die Entstehung der Eidgenossenschaft, in: Handbuch der Schweizer Geschichte, Bd. I, Zürich 19802, S. 161-238, hier: S. 174. 29 Ebenda, S. 175. 30 Ebenda, S. 175-176.

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Kaiser und Papst zu sehen ist31. Grundsätzlich war die verfassungsrechtliche Stellung der Waldstätte von der politischen Großwetterlage im Reich abhängig.

Nach dem Tod Friedrichs II. mussten sich die Reichsfreien neue Schirmherrn suchen, wodurch Graf Rudolf IV. von Habsburg bereits vor seiner Königswahl im Jahr 1273 der «faktische Alleinherrscher in der Innerschweiz [wurde]»32. Bald nach seiner Wahl, im Jahr 1274, bestätigte König Rudolf den Urnern ihre Reichsfreiheit, während die Schwyzer offenbar leer ausgingen. Nur wenige Tage nach König Rudolfs Tod am 15. Juli 1291 schlossen die Länder Uri, Schwyz und Unterwalden anfangs August den Bund, «der gemeinhin als die Gründungsurkunde der Eidgenossenschaft gilt», bei dem es sich aber um eines der «weitverbreiteten Landfriedensbündnisse» handelt. Zweck dieses Bundes, der einen älteren, nicht erhaltenen Bund erneuerte, war die Sicherung des Friedens in einer Zeit, «in der aller Voraussicht nach die Reichsgewalt umstritten und damit […] vor allem die Reichsunmittelbaren gefährdet sein würden»33.

Adolf von Nassau anerkannte die Reichsfreiheit der Schwyzer und wohl auch diejenige der Urner – ein Schritt, der vor dem Hintergrund des Thronkampfes mit Rudolfs Sohn Albrecht von Habsburg zu sehen ist. Mit seinem Sieg bei Göllheim am 2. Juli 1298, der Adolf das Leben kostete, sicherte sich Albrecht die Herrschaft. Die Privilegien der Waldstätte bestätigte er nicht, doch «verkehrte er direkt ohne Zwischenbeamte mit den Landammännern von Uri und Schwyz»34.

Wie sehr die Frage nach der Reichsfreiheit der Waldstätte mit allgemeinen Tendenzen in der Reichspolitik zusammenhing, zeigte sich ein weiteres Mal nach der Ermordung König Albrechts am 1. Mai 1308, als sein Nachfolger, der Luxemburger Heinrich VII., nach seiner Krönung am 6. Januar 1309 zwar versprach, die Rechte der Söhne König Albrechts zu wahren, doch bereits im Juni selben Jahres die Reichsfreiheit von Uri, Schwyz und – neu – auch Unterwalden bestätigte. Zudem befreite er alle drei Länder «ausdrücklich von jedem auswärtigen Gerichte außer seinem eigenen und demjenigen eines Reichspflegers oder Reichsvogtes»35.

Vor Ort kam es im Rahmen des jahrelang schwelenden sogenannten Marchenstreits immer wieder zu Übergriffen von Seiten der Schwyzer auf Besitzungen des Klosters Einsiedeln, die schließlich am 6. Januar 1314 im Schwyzer Überfall auf das Kloster selbst kulminierten. Diese Ereignisse verstärkten die latenten Spannungen mit den habsburgischen Herzögen, welche die Schirmvogtei über das Kloster innehatten. Die habsburgische Strafexpedition endete am 15. November 1315 mit der Niederlage Herzog Leopolds gegen die Schwyzer und ihre Verbündeten am Morgarten, wobei auch dieses Ereignis in einem reichsgeschichtlichen Rahmen zu sehen ist: Es geht um den neuerlichen Thronkampf zwischen dem am 19. Oktober 1314 zum König gewählten habsburgischen Herzog Friedrich, einem Sohn König Albrechts und Bruder Herzog Leopolds, und seinem anderntags gewählten Konkurrenten, dem oberbayerischen Herzog Ludwig aus dem Hause Wittelsbach, die beide den am 31 Ebenda, S. 177. 32 Ebenda, S. 178. 33 Ebenda, S. 179-180. 34 Ebenda, S. 186. 35 Ebenda, S. 187.

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24. August 1313 verstorbenen Heinrich VII. beerben wollten. Währenddem König Friedrich in Schwaben große Akzeptanz fand, stieß er bei den Waldstätten, welche Friedrichs Gegner, Ludwig den Bayern, favorisierten, auf Widerstand. Dadurch gerieten die lokalen Ereignisse in der Innerschweiz zu einem Nebenschauplatz der Auseinandersetzung um das Reich36.

Nach dem Überfall auf das Kloster Einsiedeln waren die Schwyzer exkommuniziert und auf Betreiben des Einsiedler Abtes von König Friedrich in Reichsacht versetzt worden. In einem auf den 25. Mai 1315 datierten Schreiben Ludwigs des Bayern an die Waldstätte bedauerte der Wittelsbacher deren Ungemach und rief sie zur Standhaftigkeit auf. Die Acht (proscripcionis sententie) hob er selbst auf und versetzte die Innerschweizer in ihre «alten Freiheiten» (in statum pristine libertatis) zurück. Was die Exkommunikation angeht, so wandte sich Ludwig an den Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt, seinen Parteigänger, der ihn auch zu König krönte, um sie ebenfalls aufheben zu lassen37. Bei der pristina libertas wird es um die zuletzt von Heinrich VII. bestätigte Reichsfreiheit der Waldstätte gehandelt haben, die – wie anzunehmen ist – von König Friedrich abgelehnt wurde. In diesem Zusammenhang ist sicherlich auch eine nicht mehr erhaltene und daher auch nicht genau zu datierende Urkunde zu sehen, in welcher Friedrich die Rechte seines Hauses in den Waldstätten wiederherstellte und alle dazu in Widerspruch stehenden Freiheiten widerrief38. Hans Conrad Peyer zufolge ging es Herzog Leopold bei seinem Zug gegen die Schwyzer, der am 15. November 1315 am Morgarten enden sollte, um die «gewaltsame Durchsetzung der Reichsacht und die Anerkennung des habsburgischen Königtums in den Waldstätten»39, also nicht «nur» um eine Strafe für die Plünderung Einsiedelns.

Rund vier Monate nach der habsburgischen Niederlage am Morgarten, die auch als «erster bedeutender Erfolg [Ludwigs des Bayern] im Streit um die Krone» angesehen werden kann40, erklärte der Wittelsbacher am 26. März 1316, dass alle Höfe, Rechte und Güter der Herzöge von Österreich in den Tälern von Schwyz, Uri und Unterwalden wegen Majestätsverbrechen an ihn und das Reich heimfallen würden. Alle Abgaben sollten ihm und dem Reich entrichtet werden; eine Entfremdung von Gütern wurde für immer ausgeschlossen41. Drei Tage später, am 29. März, doppelte Ludwig nach und bestätigte die Privilegien der Waldstätte42. Vor Ort ist Ludwigs Politik insofern nachweisbar, als er am 1. März

36 Eine ausführliche Darstellung des reichspolitischen Rahmens, in dem sich die eidgenössische Geschichte entfaltet hat, findet sich bei Karl MOMMSEN, Eidgenossen, Kaiser und Reich. Studien zur Stellung der Eidgenossenschaft innerhalb des heiligen römischen Reiches, Basel/Stuttgart 1958 (Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft, Bd. LXXII), S. 105-166. 37 MGH Constitutiones, Bd. V (1313-1324), hg. von Jakob SCHWALM, Hannover/Leipzig 1909-1913, S. 246, Nr. 287. 38 Regesta Habsburgica. Regesten der Grafen von Habsburg und der Herzoge von Österreich aus dem Hause Habsburg. III. Abteilung: Die Regesten der Herzoge von Österreich sowie Friedrichs des Schönen als Deutschen Königs von 1314-1330, bearb. von Lothar GROSS, Innsbruck 1924, S. 32-33, Nr. 245. 39 H. C. PEYER, Die Entstehung der Eidgenossenschaft, S. 189. 40 K. MOMMSEN, Eidgenossen, Kaiser und Reich, S. 110. 41 Regesta Habsburgica III, S. 52, Nr. 408; MGH Const. V, S. 298, Nr. 355. 42 Regesta Habsburgica III, S. 52, Nr. 408.

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1317 dem habsburgischen Lehensmann Heinrich von Hospental das Ammannamt im Urserntal (officum districtus in Ursere) entzog und damit Konrad von Moos als «treuen Vasallen des Reiches» (tamquam fidelem vasallum imperii) belehnte43. Das Interesse des Bayern am Urserntal lag darin begründet, dass Letzteres am Fuße des Gotthards liegt, wodurch es die Begehrlichkeiten «nicht nur Uris, sondern auch der Habsburger und des Reichsoberhauptes» weckte44.

Mit Alphons Lhotsky lässt sich festhalten, dass die Waldstätte «seit dem Tode König Rudolfs […] ihren berühmten 1291 geschlossenen Bund im Sinne einer Erneuerung ihrer durch Kaiser Friedrich II. gewährten Reichsunmittelbarkeit sehr klug durch Anlehnung an die jeweils nichthabsburgischen Herrscher Adolf, Heinrich VII. und nun auch Ludwig genützt [hatten]»45. Dabei «rettete», so Peter Moraw, die Doppelwahl des Jahres 1314 «vermutlich [die] politische Selbständigkeit [der Waldstätte], die man gegenüber einem konkurrenzlosen Habsburgerherrscher kaum hätte behaupten können. Statt dessen trat ein Werben beider Könige um Anerkennung ein, das ‹Getreue› und Untertanen nahezu zu Partnern aufwertete»46. Allerdings sollte sich Ludwig als ausgesprochen prekäre Stütze erweisen. Da er sich im Südwesten zunächst nicht durchsetzen konnte, schlossen die Innerschweizer mit den habsburgischen Herzögen 1318 einen Waffenstillstand, der immer nur kurzfristig erneuert wurde, wobei die «Vorbereitungen und Bemühungen Habsburgs um eine Rückgewinnung der Waldstätte nie ganz ab[brachen]»47.

Die Niederlage, welche König Friedrich am 28. September 1322 gegen seinen bayerischen Rivalen vor Mühldorf erlitt, brachte eine Entspannung der Lage mit sich, die aber nur vorläufig war, da Ludwigs Gunst von der tagespolitischen Konjunktur des bayerisch-österreichischen Verhältnisses abhing: Im Frühjahr 1324 forderte der Wittelsbacher die Waldstätte auf, den 1318 eingegangenen und mit dahin verlängerten Waffenstillstand mit den Herzögen aufzulösen; zwei Jahre später – nach der anfangs September 1325 erfolgten Aussöhnung mit Friedrich, die das Doppelkönigtum der beiden etablierte48 – ließ er hingegen zu, dass sein habsburgischer «Mitkönig» Uri seinem Bruder Leopold verpfändete49. Mehr noch: In zwei verlorenen Urkunden, deren Inhalt durch ein Archivregister bekannt ist und die vermutlich in den gegebenen Zusammenhang gehören, anerkannten die beiden Könige die habsburgischen Rechte in Schwyz, Unterwalden und Uri;

43 MGH Const. V, S. 337, Nr. 397. Vgl. dazu Peter HUBLER, Adel und führende Familien Uris im 13./14. Jahrhundert. Genealogische, gütergeschichtliche und politische Aspekte, Bern/Frankfurt am M. 1973 (Europäische Hochschulschriften, Reihe III/Bd. 26), S. 183-185. – P. HUBLER zufolge ist die nur kopial überlieferte Urkunde, mit der Ludwig am selben 1. März 1317 Konrad von Moos auch die Vogtei (advocacia) in dem unter mailändischer Kapitelsherrschaft stehenden Livinental (Valle Leventina) übertragen haben soll (MGH Const. V, S. 336-337, Nr. 396), eine Fälschung. 44 P. HUBLER, Adel und führende Familien Uris, S. 184. 45 Alphons LHOTSKY, Geschichte Österreichs 1281-1358, Wien 1967 (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichte Österreichs 1; Geschichte Österreichs, Neubearbeitung der Geschichte Österreichs von Alfons Huber, Bd. II, Teil 1), S. 237. 46 Peter MORAW, König, Reich und Eidgenossenschaft im späten Mittelalter, in: Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Luzern 4 (1986), S. 15-33, hier: S. 25 (Zitat). 47 H. C. PEYER, Die Entstehung der Eidgenossenschaft, S. 191. 48 Vgl. A. LHOTSKY, Geschichte Österreichs, S. 288-293. 49 H. C. PEYER, Die Entstehung der Eidgenossenschaft, S. 191.

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gleichzeitig widerrief Ludwig die erteilten Privilegien, die «der herschaft schedlich weren»50. Eine neuerliche Kehrtwendung erfolgte anlässlich Ludwigs Romzug, als er im Frühjahr 1327 von Como aus, wo er deutsche Hilfstruppen erwartete, die Freiheiten der Waldstätte bestätigte, um den Übergang über den Gotthard zu sichern51. Eine weiter Bestätigung erfolgte nach Abschluss des Romzugs52.

Am 13. Januar 1330 verstarb König Friedrich, wodurch Ludwig der Bayer als alleiniger Herrscher im Reich zurückblieb: «Kaiser Ludwig war […] eine Tatsache; ihn nochmals bekämpfen zu wollen, würde», so Alphons Lhotsky, «Wahnsinn gewesen sein»53. Entsprechend schlossen die Herzöge Albrecht und Otto, auf die nach dem Tod Friedrichs die Leitung des habsburgischen Hauses übergegangen war, mit dem Wittelsbacher am 6. August 1330 den Vertrag von Hagenau, der ein gegenseitiges Hilfeversprechen enthielt54. Die Anerkennung durch Albrecht und Otto war für Ludwig «ein großer Erfolg, weil er nun sowohl die Habsburger als auch die Luxemburger für Unterhandlungen mit dem Papste einsetzen konnte»55. Diese Annäherung geschah zum Nachteil der Waldstätte: Zwar bestätigte Ludwig deren Freiheiten 1331 noch einmal, doch drei Jahre später, 1334, sprach er Schwyz und Unterwalden den Herzögen von Österreich zu: «Das neue Zusammengehen von Kaiser und Österreich stellte die Reichsfreiheit der Waldstätte in Frage, die weitgehend auf dem Gegensatz dieser beiden Mächte beruht hatte»56. Die verfassungsrechtliche Stellung der Waldstätte ist nicht ganz klar, da sie Ludwig im Sommer 1337 in einem Brief mit «Unser und des Richs lieben getrüven» anspricht – eine Anrede, die für Reichsfreie verwendet wurde57. Näher kamen sich die Waldstätte und Ludwig allerdings erst wieder 1342, als der Wittelsbacher durch die Heirat seines ältesten Sohnes Ludwig des Brandenburgers mit der Tiroler Erbtochter Margarete in einen Interessenkonflikt mit den Habsburgern geriet58.

Als Herzog Otto 1339 verstarb, übernahm sein älterer Bruder, der an sich «friedliebende»59 und an einer Lähmung leidende Albrecht, ab diesem Zeitpunkt 50 K. MOMMSEN, Eidgenossen, Kaiser und Reich, S. 117. 51 K. MOMMSEN, Eidgenossen, Kaiser und Reich, S. 118; H. C. PEYER, Die Entstehung der Eidgenossenschaft, S. 191-192; zu Ludwigs Romzug vgl. zuletzt Frank GODTHARDT, Marsilius von Padua und der Romzug Ludwigs des Bayern. Politische Theorie und politisches Handeln, Göttingen 2011 (Nova Mediaevalia, Quellen und Studien zum europäischen Mittelalter, Bd. VI), Kap. 5-6. 52 K. MOMMSEN, Eidgenossen, Kaiser und Reich, S. 118. 53 A. LHOTSKY, Geschichte Österreichs, S. 317. 54 Zum reichspolitischen Hintergrund das habsburgisch-wittelsbachischen Ausgleichs, der vom böhmischen König Johann von Luxemburg vermittelt wurde, um nach Friedrichs Tod eine neuerliche habsburgische Königskandidatur zu verhindern, vgl. K. MOMMSEN, Eidgenossen, Kaiser und Reich, S. 119-120. 55 K. MOMMSEN, Eidgenossen, Kaiser und Reich, S. 120. 56 So, stark zusammenfassend, H. C. PEYER, Die Entstehung der Eidgenossenschaft, S. 192. Allerdings sind die Hintergründe der Ereignisse sehr komplex, was sicher mit der schwierigen Quellenlage zu tun hat, da eine Reihe relevanter Urkunden für jene Jahre nicht mehr erhalten sind und ihr Inhalt aus summarischen Registereinträgen erschlossen werden muss; vgl. K. MOMMSEN, Eidgenossen, Kaiser und Reich, S. 122-129. 57 K. MOMMSEN, Eidgenossen, Kaiser und Reich, S. 131. 58 H. C. PEYER, Die Entstehung der Eidgenossenschaft, S. 200. 59 So A. LHOTSKY, Geschichte Österreichs, S. 364.

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letzter überlebender Sohn König Albrechts, die alleinige Herrschaft in den habsburgischen Besitzungen. Mit dem Luxemburger Karl, dem Nachfolger des am 11. Oktober 1347 verstorbenen Bayern, stand der Habsburger Albrecht in einem vergleichsweise guten Einverständnis, wovon auch die doppelte Eheverbindung zwischen den beiden Häusern zeugt: Herzog Albrechts ältester Sohn Rudolf heiratete Karls Tochter Katharina, Rudolfs jüngerer Bruder Albrecht wurde mit Katharinas Schwester Elisabeth verlobt. Für die Eidgenossen entstand dadurch eine potentiell gefährliche Situation, war doch die Reichsgewalt, auf die sie sich im Hinblick auf ihre Reichsunmittelbarkeit beriefen, um Bruno Meyer zu paraphrasieren, nun mit dem Gegner derselben verbündet60. In Bezug auf die «Waldstätter Frage» nahm Karl nichtsdestoweniger, als sie 1353 in Zürich wieder auf die Tagesordnung kam, eine «vorsichtig vermittelnde» Haltung ein61. Die Waldstätte verhielten sich ihrerseits dem Luxemburger gegenüber auch «vorsichtig zurückhaltend», zumindest zu Lebzeiten Albrechts II. († 1358), der sich eines verhältnismäßig guten Verhältnisses zu Karl erfreute. Erst nachdem sich dieses Verhältnis unter Albrechts Sohn Rudolf IV. verschlechtert hatte, näherten sich die Waldstätte Karl 1360 an62. Sie hatten mit der Anerkennung des Luxemburgers zugewartet, bis klar geworden war, dass sich Karl im Reich durchsetzen würde. Nach erfolgter Anerkennung wurden sie zwischen November 1349 und März 1350 von dem über den Anhängern Ludwig des Bayern lastenden Interdikt absolviert63.

Dieses tastende Vorgehen seitens der Waldstätte führte dazu, dass ihnen Herzog Albrecht bei der Anerkennung Karls zuvorkam und vom König am 31. Juli 1348 die allgemein formulierte Aufhebung sämtlicher gnad und vreyung erwirkte, welche Ludwig der Bayer zum Nachteil der habsburgischen Herrschaft ausgesprochen hatte64. Dieser Gunstbeweis konnte für die Waldstätte gefährlich werden, falls er tatsächlich angewandt werden sollte, wozu es aber keine konkreten Anzeichen gibt65.

Nachdem die Waldstätte Karls Königtum in einem ersten Schritt anerkannt hatten und dafür vom Interdikt absolviert worden waren, warteten sie mit der Huldigung und der Bitte um die Bestätigung ihrer Privilegien zu, bis sich der König persönlich den Ländern nähern würde, was im Oktober 1353 der Fall war66. Als Karl in Zürich einzog, versuchten sie ihn mittels des von Heinrich von Diessenhofen erwähnten Viehgeschenks gnädig zu stimmen und legten ihm ihre Privilegien vor.

60 Bruno MEYER, Die Bildung der Eidgenossenschaft im 14. Jahrhundert. Vom Zugerbund zum Pfaffenbrief, Zürich 1972, S. 141 («… denn die Reichsgewalt, auf der rechtlich ihre eigene Unabhängigkeit beruhte, war nun mit dem Gegner ihrer Freiheit verbündet»). 61 H. C. PEYER, Die Entstehung der Eidgenossenschaft, S. 199. 62 Ebenda, S. 200. Zum Verhältnis Rudolfs IV. zu Karl vgl. auch Georg MODESTIN, Eine coniuratio gegen Kaiser Karl IV. und das Schweigen des Chronisten. Heinrich von Diessenhofen als Historiograph Herzog Rudolfs IV. von Österreich (1357-1361), in: Studia Mediaevalia Bohemica 2/1 (2010), S. 7-24. 63 K. MOMMSEN, Eidgenossen, Kaiser und Reich, S. 150-151 mit Anm. 208. 64 MGH Constitutiones, Bd. VIII (1345-1348), hg. von Karl ZEUMER – Richard SALOMON, Hannover,1910-1926, S. 639, Nr. 628. 65 K. MOMMSEN, Eidgenossen, Kaiser und Reich, S. 150. 66 Ebenda, S. 152.

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Dass Karls Vermittlungsbemühungen im Jahr 1353 scheiterten, erscheint vor dem Hintergrund des hier skizzierten tief verwurzelten habsburgisch-eidgenössischen Gegensatzes unvermeidbar. Die jeweiligen Positionen – auf der einen Seite die Waldstätte, die, in den Worten der Chronik aus Zürich, nieman ander zuegehoren [wollten] denn dem hailgen rich; auf der anderen Seite Herzog Albrecht II., der auf die habsburgischen Herrschaftsrechte in der Innerschweiz pochte – waren faktisch unvereinbar. Dass Karl den Urnern in Zürich am 16. Oktober 1353 tatsächlich die von Heinrich (VII.), Rudolf, Adolf und Heinrich VII. verbriefte Reichsfreiheit bestätigte67, nicht aber den Schwyzern und den Nidwaldnern, deren Länder 1334 von Ludwig dem Bayern den habsburgischen Herzögen zugesprochen worden waren, erscheint dabei weniger dem Bestreben nach einem Kompromiss geschuldet als der Tendenz, bestehende Verhältnisse zu wahren68. Im Fall von Uri erfolgte die Bestätigung wohl auch im Hinblick auf den sich abzeichnendem Romzug Karls, der denn auch zwölf Monate später, im September-Oktober 1354, einsetzte69. Die Offenhaltung des Gotthards hatte den Vorrang gegenüber der Rücksichtnahme auf Herzog Albrecht, dem die Bestätigung der Urner Reichsunmittelbarkeit missfallen musste.

Am selben 16. Oktober 1352, an dem Karl den Urnern ihre Reichsfreiheit bestätigte, versetzte er dem langjährigen Urner Landammann Johann von Attinghausen, der zu den führenden Innerschweizer Persönlichkeiten jener Zeit gehörte70, den Reichszoll in Flüelen71. Der am Vierwaldstädtersee liegende Ort diente als wichtiger Umschlagplatz auf der Gotthardroute, da dort die Waren vom Schiff auf Saumtiere verladen wurden. Die Verpfändung des Zolls wirkte sich zweifellos günstig auf die Beziehung des Urner Landammanns zum König aus, doch darf sie nicht überbewertet werden: Johann von Attinghausen war schon seit 1337 im (Teil-)Besitz des besagten Zolles, der ihm von Ludwig dem Bayern in der Folge wiederholt übertragen wurde72. Damit bekräftigte Karl auch in diesem Fall seit längerem bestehende Verhältnisse73. Der Konflikt Habsburgs mit der Stadt Zürich Aus den eingangs angesprochenen chronikalischen Zeugnissen geht hervor, dass die Stadt Zürich mehr als «nur» der Verhandlungsort in den Innerschweizer Angelegenheiten war, sondern dass die Zürcher selbst einen Anteil an der Konfliktlage hatten. Am deutlichsten ist in dieser Hinsicht die Chronik der Stadt

67 RI VIII (Karl IV.), S. 130 Nr. 1633. 68 B. MEYER, Die Bildung der Eidgenossenschaft, S. 149-150, zufolge habe Karl die Reichsfreiheit von Schwyz und Unterwalden deshalb nicht bestätigt, weil die habsburgischen Gesandten die Echtheit der entsprechenden Urkunden bestritten hätten. 69 Vgl. Emil WERUNSKY, Der erste Römerzug Kaiser Karl IV. (1354-1355), Innsbruck 1878. 70 Zu Johann von Attinghausen vgl. P. HUBLER, Adel und führende Familien Uris, S. 52-53. 71 RI VIII (Karl IV.), S. 130 Nr. 1632 72 P. HUBLER, Adel und führende Familien Uris, S. 78-79. 73 Die am 15. bzw. 16. Oktober 1353 von Karl vorgenommene Verleihung der Reichsvogtei sowie weiterer Rechte in der Leventina an den Urner Johann von Moos (RI VIII [Karl IV.], S. 130 Nr. 1630-1631) wird von von P. HUBLER, Adel und führende Familien Uris, S. 183-184, als Fälschung eingestuft – so wie bereits auch die Verleihung derselben Rechte an Johanns Vater Konrad durch Ludwig den Bayern im Jahr 1317 (siehe oben).

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Zürich, der zufolge Albrecht II. sich Karl gegenüber beklagt hatte, dass die Zürcher ihm unrecht getan hätten. Worin bestand dieses angebliche Unrecht?

Die reichsfreie Stadt war ursprünglich durchaus habsburgerfreundlich gesonnen; nach der Doppelwahl des Jahres 1314 anerkannte sie denn auch Friedrich den Schönen, was zu Verstimmungen mit den Waldstätten führte, die für Ludwig den Bayern optiert hatten74. Die guten Beziehungen zu Habsburg änderten sich erst 1336, als Rudolf Brun, ein Mitglied der politisch und wirtschaftlich gegenüber den ratsbestimmenden Kaufleuten ins Hintertreffen geratenen Ritterschaft, mit seinen Anhängern das Rathaus stürmte und den Rat auseinanderjagte. Die versammelte Bürgerschaft erhob Brun zum Bürgermeister auf Lebenszeit mit ausgedehnten Rechten; die gestürzten Räte wurden physisch verbannt oder aus dem öffentlichen Leben entfernt, was dem Bürgermeister aber «nicht die erhoffte Sicherung seiner Stellung, sondern eine erbitterte Feindschaft [eintrug]»75.

Von den sechsundzwanzig Ratsherren im neuen Rat sollten nunmehr sieben der Ritterschaft entstammen, sechs den bislang dominierenden Großkaufleuten und – neu – dreizehn den Zünften: Jede der dreizehn Handwerkerzünfte delegierte ihren Zunftmeister in das Gremium. Die Verlierer des Jahres 1336 zogen nach Rapperswil zum Grafen Johann von Habsburg-Rapperswil, einem entfernten Verwandten der habsburgischen Herzöge, der von ihnen aber abhängig (und auch Zürich gegenüber schwer verschuldet) war. Rudolf Brun ging gegen die Verbannten und ihren Rapperswiler Förderer militärisch vor, wobei Letzterer den Tod fand. Dies wiederum rief Herzog Albrecht II. auf den Plan, der die Vormundschaft über Graf Johanns Söhne übernahm und im November 1337 mit Ludwig dem Bayern einen Frieden zwischen Zürich und den jungen Grafen vermittelte.

Trotz allmählicher Konsolidierung und Absicherung der Brunschen Verfassung gaben sich Bruns Gegner innerhalb und außerhalb der Stadt nicht geschlagen und vermochten einen der jungen Grafen, Johann II. von Habsburg-Rapperswil, mit der in Aussicht gestellten Tilgung seiner Schulden für sich zu gewinnen. Allerdings schlug ihr Gegenputsch in der Nacht vom 23. auf den 24. Februar 1350, auch bekannt als «Mordnacht von Zürich», fehl, und Graf Johann II. wurde mit zahlreichen Mitverschwörern gefangen genommen. Im Gegenzug machten sich die Zürcher daran, den Besitz der Rapperswiler Grafen einzunehmen76, was wiederum deren Lehensherrn Albrecht II. mobilisierte: «Eine so schwere Verletzung seiner Rechte […] musste fast mit Sicherheit zum Kriege führen. In diesem Augenblick galt es für Zürich, rasch einen […] starken Bundesgenossen zu finden. Dafür kamen nun mehr die seit Jahrzehnten österreichfeindlichen

74 In der Folge, sofern nicht eigens ausgewiesen, Hans NABHOLZ, Der Zürcher Bundesbrief vom 1. Mai 1351. Seine Vorgeschichte und seine Auswirkung, Zürich 1951; H. C. PEYER, Die Entstehung der Eidgenossenschaft, S. 206-216. 75 H. NABHOLZ, Der Zürcher Bundesbrief, S. 36-37. 76 Zur strategischen Bedeutung von Rapperswil, an dem sowohl Zürich als auch Albrecht II. «in entgegengesetzter Weise aufs stärkste interessiert [waren]», vgl. Hans Erich FEINE, Die Territorialbildung der Habsburger im deutschen Südwesten vornehmlich im späten Mittelalter, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 67 (1950), S. 176-308, hier S. 239-240.

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Waldstätte in Frage»77, so dass es am 1. Mai 1351 zu dem von Brun vorangetriebenen Bündnisschluss kam78.

Der Bund vom 1. Mai 1351 reizte Herzog Albrecht, der sich im Sommer jenes Jahres in die Vorlande begab und – erfolglos – die Herausgabe der von Zürich besetzten Herrschaften verlangte. Im September 1351 erfolgte ein österreichischer Truppenaufmarsch vor Zürich, der zu einem Vermittlungsversuch durch Bern, Basel und die im Kloster Königsfelden residierende Agnes von Habsburg, Schwester Albrechts II. und Witwe König Andreas’ III. von Ungarn, führte. Die Schiedsbemühungen scheiterten, da «die Verknüpfung der durchaus rechtmäßigen Ansprüche Österreichs an Zürich und Luzern [auf welches wir hier nicht eingehen] mit den seit mehr als vierzig Jahren umstrittenen, faktisch längst verlorenen Rechtsansprüchen auf die Innerschweiz […] diesen Entscheid für die drei Länder [Uri, Schwyz und Unterwalden] von vornherein unannehmbar machen [musste]»79. Als darauf der Krieg gegen Zürich in Form von «greulichen Verheerungen beiderseits, die mit der rohen Kriegsführung von damals verbunden waren»80 aufflammte, verstarb am 15. November 1351 Johanna von Pfirt, die Gattin Herzog Albrechts II. Während sich dieser nach Wien begab, nutzten Zürich und die Waldstätten die gegnerische Führungsschwäche aus und besetzten die habsburgischen Besitzungen Glarus und Zug, wobei den Eroberungen bald Bundesschlüsse folgten.

Der gescheiterte Umsturzversuch durch die Zürcher Exilanten hatte zu einer Kettenreaktion geführt, die in dieser Form nicht vorgesehen gewesen war. Anfang August 1350, ein knappes halben Jahr nach der «Zürcher Mordnacht», hatte noch ein sechsjähriges Bündnis zwischen der Stadt Zürich und den vorländischen Amtleuten der Herrschaft Österreich zwecks Friedenssicherung zur Diskussion gestanden81. In der älteren Literatur ist die Frage erörtert worden, von wem die Initiative zu diesem Bündnis ausgegangen war. Hans Georg Wirz stellte dabei die «herrschend gewordene Anschauung» in Frage, wonach «das von Zürich entworfene und in aller Form der Herrschaft Österreich angebotene Bündnis von dieser zurückgewiesen worden sei». Er argumentierte vielmehr, dass das erhaltene Pergamentblatt mit dem Bündnistext, das «die Merkmale einer zur Besiegelung vorbereiteten Urkunde» trägt, «aus der Kanzlei des höchsten österreichischen Statthalters im Aargau und Thurgau stammt», der es «ins Reine schreiben und siegelfertig ins Rathaus nach Zürich senden ließ»82. Wer auch immer der Initiant 77 H. C. PEYER, Die Entstehung der Eidgenossenschaft, S. 211. 78 Zum Inhalt des Bundes zwischen Zürich und den Waldstätten vgl. H. NABHOLZ, Der Zürcher Bundesbrief, S. 56-63. 79 H. C. PEYER, Die Entstehung der Eidgenossenschaft, S. 213. 80 A. LHOTSKY, Geschichte Österreichs, S. 360. 81 Die Eidgenössischen Abschiede [nachfolgend EA] aus dem Zeitraume von 1245 bis 1420. In zweiter Auflage bearb. von Anton Philipp SEGESSER. Der amtlichen Abschiedesammlung Bd. I, Luzern 1874, S. 29-32, Nr. 82 (1350, August 4). 82 Hans Georg WIRZ, Zürichs Bündnispolitik im Rahmen der Zeitgeschichte 1291-1353, Zürich 1955 (Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. XXXVI/Heft 3 [119. Neujahrsblatt]), S. 33-38, wo die Ansicht vertreten wird, dass das Bündnis die Stadt Zürich zugunsten der habsburgischen Seite benachteiligt hätte (S. 38). Für B. MEYER, Die Bildung der Eidgenossenschaft, S. 15-16 Anm. 8, weist die zur Diskussion stehend Urkunde «alle Merkmale eines rechtskräftigen Originales» auf, weshalb er denn auch – im Gegensatz zur übrigen Forschung – von einem «sogenannten Bündnisprojekt» spricht, das umgesetzt worden sei.

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des geplanten Bündnisses gewesen war, die Existenz des Projekts spricht dafür, dass es durchaus Kräfte gab, die der zu erwartenden Eskalation entgegenzuwirken versuchten.

Im Juni 1352 kehrte Albrecht II. in die Vorlande zurück und setzte die Vorbereitungen zum Krieg gegen Zürich und seine Verbündeten fort83. Er zog vor Zürich eine große, aber aus unterschiedlichen Kontingenten zusammengesetzte Streitmacht zusammen, was sich verhängnisvoll auswirken sollte: «Streitigkeiten zwischen den Anführern hatten die allmähliche Auflösung des Heeres zur Folge, ohne dass […] Herzog Albrecht etwas dagegen hätte tun können»84.

Beide Konfliktparteien willigten daraufhin in Verhandlungen ein, die am 1. September 1352 im sogenannten Brandenburger Frieden ihren Abschluss fanden, benannt nach dem Vermittler, dem Markgrafen Ludwig von Brandenburg, dem ältesten Sohn Ludwig des Bayern, der dank seiner «unabhängigen Stellung» beiden Seiten genehm war85: Alle Parteien verpflichteten sich darin, im Krieg erobertes Gut zu restituieren und für Schäden aufzukommen. Habsburg ließ seine Ansprüche auf gräfliche Rechte in Schwyz und Unterwalden – zumindest dem Anschein nach86 – fallen, wogegen die beiden Waldstätte die grundherrlichen Rechte Habsburgs in ihrem Gebiet anerkannten. Glarus und Zug wurden zwar nicht erwähnt, doch scheint man davon ausgegangen zu sein, dass die zuletzt gemachten eidgenössischen Eroberungen unter habsburgische Herrschaft zurückkehrten. Allerdings war das neue Einvernehmen nur von kurzer Dauer: Herzog Albrecht II. «fand, dass man [den Brandenburger Frieden] auf eidgenössischer Seite nicht ehrlich einhalte; und die Eidgenossen, denen die Ausschaltung der habsburgischen Landesherrlichkeit gelungen war, hegten den Wunsch, auch die übrigen grundherrlichen Rechte ihres Gegners zu beseitigen»87. Im Einzelnen «mochten [auch] Unklarheiten und Meinungsverschiedenheiten darüber, was als österreichischer Besitz und wer als österreichischer Untertan zu gelte habe, [an den Spannungen] Schuld tragen»; eine weiterer Stolperstein scheint die Aufhebung der mit Glarus und Zug eingegangenen Bünde gewesen zu sein88.

In diesem Moment trat König Karl auf den Plan, um «seiner Wesensart entsprechend […] zwischen den Eidgenossen und Österreich zu vermitteln»89 bzw. um mit der Stadt Zürich und den Waldstätten – letztlich erfolglos – «über ihre Rechtslage zu verhandeln»90. Er anerkannte, wie wir gesehen haben, die Reichsfreiheit Uris, während die anderen Fragen offen blieben. Über die konkreten Verhandlungsabläufe sind wir nicht informiert, außer dass die

83 So erklärte Graf Amadeus VI. von Savoyen als Verbündeter Herzog Albrechts den Zürchern und ihren «Komplizen» am 3. Juni 1352 die Fehde; EA I, S. 33, Nr. 88. 84 H. C. PEYER, Die Entstehung der Eidgenossenschaft, S. 215. 85 B. MEYER, Die Bildung der Eidgenossenschaft, S. 131-132. 86 Zur Subtilität, welche die beidseitige Argumentation in dieser Frage annahm, vgl. B. MEYER, Die Bildung der Eidgenossenschaft, S. 135, 138, wo auch deutlich wird, dass «über die habsburgischen Hoheitsrechte in Schwyz und Unterwalden […] kein klarer Entscheid getroffen, sondern eine zweideutige Formulierung gefunden worden [war]». 87 A. LHOTSKY, Geschichte Österreichs, S. 364. 88 K. MOMMSEN, Eidgenossen, Kaiser und Reich, S. 157. 89 Ebenda, S. 158. 90 H. C. PEYER, Die Entstehung der Eidgenossenschaft, S. 215.

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Waldstätte auf ihre Privilegien pochten. Alphons Lhotsky ist in dem Zusammenhang davon ausgegangen, dass «die Verhandlungen […] am hartnäckigen Widerstand der Schwyzer und Unterwaldner [scheiterten], die sich auf ihre Reichsunmittelbarkeit beriefen und auch dann nicht nachgaben, als ihnen Karl die Bestätigung zu verweigern drohte»91, wobei alles andere als sicher ist, ob er eine solche Bestätigung überhaupt ins Auge gefasst hatte.

Ein Echo der Gespräche findet sich in einem an Herzog Albrecht gerichteten Schreiben von Bürgermeister Rudolf Brun, Räten und Bürger von Zürich, die für sich und ihre Verbündeten sprachen. In diesem auf den 16. Oktober 1353 datierten Brief heißt es, sie seinen von König Karl ernsthaft getadelt worden, weil sie der vom Markgrafen von Brandenburg vermittelten «Richtung» (Versöhnung) nicht Folge geleistet hätten. Sie hätten aber dem König zugesagt, Herzog Albrecht für die künftige Einhaltung der «Richtung» ihrerseits dieselben Sicherheiten zu geben, die jener ihnen für die Einhaltung von seiner Seite her geben würde92. Karls zweiter Aufenthalt in Zürich (1354) Nach Karls Abreise aus Zürich im Oktober 1353 blieben die grundlegenden Konflikte zwischen dem Habsburger Albrecht und den Waldstätten sowie Albrecht und der Stadt Zürich ungelöst. Im Frühjahr 1354 begab sich der König deshalb noch einmal nach Zürich, um, so Heinrich von Diessenhofen unter dem Datum des 19. Aprils, «jene [Zürcher] und die Talleute (Vallenses) mit dem vorgenannten Herrn Albrecht, Herzog von Österreich, zu versöhnen». Diesem Versuch war ein auf den 6. Januar 1354 datierter Brief Karls an Albrecht vorausgegangen, in dem der König dem Herzog zwar seine Unterstützung zusagte, jedoch auch zu verstehen gab, dass er in dieser Sache keinen Krieg wünsche93. Die neuerlichen Verhandlungen scheinen allerdings nicht ergiebiger verlaufen zu sein als jene im Vorjahr, so dass der Chronist auch dieses Mal lapidar anmerkte, Karl sei ohne Ergebnis aus Zürich abgereist (Recessit autem de Thurego nulla facta concordia)94.

In der Chronik der Stadt Zürich wird der neuerliche Einzug des Königs, der von österreichischen Räten begleitet gewesen sei – ein Umstand, der Alphons Lhotsky zufolge die Eidgenossen an Karls Unbefangenheit zweifeln ließ95 –, in Übereinstimmung mit Heinrich von Diessenhofens Zeugnis auf die Osterwoche 1354 datiert. Der erhoffte Ausgleich zwischen den gegnerischen Parteien sei – aus Sicht der Zürcher – daran gescheitert, dass sie auf ihren Bündnissen, ihren Eiden, ihrer rechtung (hier wohl im Sinn von «rechtlicher Anspruch»), ihren Freiheiten und auf ihrer guoten gewonhait beharrten. Angesichts der Pattsituation habe Karl die Stadt verlassen, nicht ohne einen frid festzusetzen, der für beide Seiten verbindlich war96. Der am 25. April 1354 in Zürich verkündete Waffenstillstand

91 A. LHOTSKY, Geschichte Österreichs, S. 365. 92 MGH Constitutiones, Bd. X (1350-1353), bearb. von Margarete KÜHN, Weimar 1979-1991, S. 492-493, Nr. 651. 93 MGH Constitutiones, Bd. XI (1354-1356), bearb. von Wolfgang D. FRITZ, Weimar 1978-1992, S. 14-15, Nr. 14. 94 Heinrich von Diessenhofen, Chronik, Kap. 104 (= HUBER, S. 91). 95 A. LHOTSKY, Geschichte Österreichs, S. 365. 96 Chronik der Stadt Zürich, S. 73, 1-13.

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sollte es dem König erlauben, eine Einigung zwischen den gegnerischen Parteien herbeizuführen97, indem der Konflikt für die Zeit des frides «eingefroren» wurde.

Anhand der Fortsetzung des Mathias von Neuenburg lässt sich darüber mutmaßen, worum es sich bei den in der Chronik der Stadt Zürich angesprochenen Eiden gehandelt haben mochte: Demnach habe Albrecht II. von den Eidgenossen die Rückgabe des seit 1332 mit den Waldstätten verbündeten Luzern sowie von Zug und Glarus, beide erst kürzlich von den Eidgenossen besetzt, verlangt. Letztere hätten sich entgegenkommend gezeigt, jedoch darauf gedrängt, dass Albrecht und die Seinen keine festen Plätze in sua potestate (gemeint sind wahrscheinlich die umstrittenen Orte) unterhalten dürften, und zwar mit dem Argument, dass sie sich mit den Leuten in den fraglichen Orten per Eid verbunden hätten (pretendentes se coniurasse cum illis). Karl habe darauf geantwortet, dass sie als Untertanen des Reichs (tanquam homines imperii) ohne Zustimmung des Königs keine solchen Eide schwören könnten, worauf sich die Eidgenossen unwissend gegeben hätten (illi vero dicentes se simplices et talia non intelligere)98.

Karls halbherziger Krieg gegen Zürich (1354) und der Regensburger Friede (1355) Angesichts des neuerlichen Stillstandes wurde Herzog Albrecht diplomatisch aktiv. Bei einem Treffens in Regensburg «zwang» er den König, so die Formulierung Karl Mommsens, «sein Versprechen einzulösen und Österreich gegen Zürich zu unterstützen»99, so dass Karl am 20. Juni 1354 den Waffenstillstand Zürichs mit Albrecht aufhob und der Stadt und ihren Verbündeten mit dem Argument, dass er dem Herzog zu Hilfe verpflichtet sei, eine Fehde ankündigte: So meinen und wollen wir ouch dem obgenanten unserm Oheim [Albrecht II.] beholfen sein seinez Rechten wider [«gegen»] euch und alle ewer Eytgenozzen und helfer und meinen ouch ewer veynd [«Feind»] zu seyn und wöllend uns mit diser rede gen euch bewaret haben [«und wollen euch mit dieser Rede die Fehde ankündigen»]100.

Sowohl Albrecht wie auch Karl, der die Reichsstädte und die Getreuen des Reichs aufrief, dem Herzog zu Hilfe zu eilen, fingen daraufhin an, Truppen zu sammeln101. Heinrich von Diessenhofen zufolge leisteten die Reichstädte von Frankfurt bis Augsburg, die Bischöfe von Speyer und Chur sowie mehrere süddeutsche Reichsfürsten dem königlichen Aufruf Folge102. Im Gefolge des Herzogs von Österreich befand sich dessen ehemaliger Kanzler, der Konstanzer Bischof Johannes Windlock, der nach einem Streit um rangmäßige Vorrechte bei

97 MGH Const. XI, S. 89, Nr. 145. 98 Die Chronik des Mathias von Neuenburg, S. 476, 6-17. 99 K. MOMMSEN, Eidgenossen, Kaiser und Reich, S. 159; vgl. Heinrich von Diessenhofen, Chronik, Kap. 105 (= HUBER, S. 91); Die Chronik des Mathias von Neuenburg, S. 477, 3-8; Die Chronik der Stadt Zürich, S. 73, 14-16. 100 MGH Const. XI, S. 119, Nr. 202 (Regest). Druck in: EA I, S. 38-39, Nr. 101. 101 Die Chronik des Mathias von Neuenburg, S. 477, 8-13; vgl. auch MGH Const. XI, S. 120, Nr. 203 (Gebot des Königs an die Stadt Straßburg, innerhalb von fünf Wochen Bewaffnete zum Krieg gegen Zürich zu stellen. Regest). 102 Heinrich von Diessenhofen, Chronik, Kap. 109 (= HUBER, S. 93).

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der Aufstellung des Heeres vom Herzog schied, ein Treubruch, der von den Zeitgenossen vermerkt worden ist103.

Den Krieg, in dem die Belagerung von Zürich von den üblichen Verwüstungen des Umlands begleitet wurde, «mit denen man den Gegner keineswegs einschüchterte, sondern zu noch größerer Wut entflammte»104, wurde von Karls Seite «auffallend lässig» geführt: Der strategisch gewandte König «konnte an einer Niederwerfung der Eidgenossen und entscheidenden Stärkung Österreichs im Grunde kein Interesse haben»105, um so mehr, als es ihm «seinem ganzen Wesen nach» schwer fallen mochte, «gegen die Reichsstadt Zürich zu kriegen, während ihn Italienpläne beschäftigten»106. Die selbe Unlust machte sich auch unter den Reichsstädten bemerkbar, die nicht gegen eine der ihren vorgehen wollten und deshalb eigene Vermittlungsbemühungen entfalteten, wie bei Mathias von Neuenburg zu erfahren ist107. Auf alle Fälle brach Karl die Belagerung Zürichs ab und reiste, wie Heinrich von Diessenhofen berichtet, nach Schwaben, während Herzog Albrecht von Ort verblieb.

Interessanterweise begründen die bis anhin herangezogenen Chronisten den königlichen Sinneswandel nicht108; möglicherweise hat sich Karl selbst darüber ausgeschwiegen. Dem König gegenüber kritisch eingestellte Stimmen äußerten sich wenig schmeichelhaft. So merkte der vierte Fortsetzer der Annales Zwetlenses unter dem Jahr 1354 an, Herzog Albrecht sei mit seinem Sohn Rudolf um die Weihnachtszeit nach Wien gereist, um vom Klerus zum dritten Mal eine Steuer zwecks Kriegsfinanzierung zu erheben, während sich der böhmische (!) König Karl mit seiner Frau «gleichsam wie ein Dieb» (quasi furtive) zwecks Krönung nach Rom begeben habe109. Erst in der sogenannten Klingenberger Chronik, einer in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstandenen Chronikkompilation zur Geschichte der Ostschweiz, wird berichtet, die Zürcher hätten als Zeichen ihrer Königstreue das Reichsbanner aufgezogen und den (anachronistisch) «Kaiser» daran erinnert, dass sie allein dem Reich angehörten (daß wir doch anders nieman zuogehortin den dem hailgen rich). Nachdem die Zürcher dem «moralisch entwaffneten» Karl110 ihren Gehorsam versichert hätten, sei dieser am 14. September 1354 abgezogen111. Ob den Tatschen entsprechend oder nicht, auf alle Fälle «symbolisiert diese Anekdote […] die Situation»,

103 Heinrich von Diessenhofen, Chronik, Kap. 110 (= HUBER, S. 93); Die Chronik des Mathias von Neuenburg, S. 478, 19-27. 104 A. LHOTSKY, Geschichte Österreichs, S. 366. 105 H. C. PEYER, Die Entstehung der Eidgenossenschaft, S. 215. 106 K. MOMMSEN, Eidgenossen, Kaiser und Reich, S. 159-160. 107 Die Chronik des Mathias von Neuenburg, S. 478, 1-13. 108 Heinrich von Diessenhofen, Chronik, Kap. 111 (= HUBER, S. 94); Die Chronik des Mathias von Neuenburg, S. 479, 1-2; Die Chronik der Stadt Zürich, S. 75, 11-12. 109 MGH SS in folio IX, S. 686, 13-18. 110 A. LHOTSKY, Geschichte Österreichs, S. 366. Der Autor geht an dieser Stelle soweit, dass er die Möglichkeit einer Konspiration zwischen dem König und Bürgermeister Brun in Betracht zieht: Die Aufziehung des Reichsbanners sei «vielleicht […] sogar auf [Karls] Wink [geschehen]». 111 Die sog. Klingenberger Chronik des Eberhard Wüst, Stadtschreiber von Rapperswil, bearb. von Bernhard STETTLER, St. Gallen 2007 (Mitteilungen zur vaterländischen Geschichte, Bd. 53), S. 123.

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nämlich den Umstand, dass «die Reichsglieder für Österreich gegen ein Glied des heiligen Reiches, die Reichsstadt Zürich, fochten»112.

Herzog Albrecht führte den (Klein-)Krieg gegen Zürich weiter, bis der zum Kaiser gekrönte Karl nach seinem Romzug im Frühsommer 1355 in Regensburg unter mutmaßlicher Beteiligung des Markgrafen von Brandenburg einen Frieden zwischen den kriegsmüde gewordenen Gegnern vermittelte: Als Handels- und Handwerkerstadt reagierte gerade Zürich besonders empfindlich auf die habsburgische Kriegsführung, die zu einer «längeren Störung des Geschäftsganges» führte113. Der Regensburger Friede nahm die Bestimmungen des Brandenburger Friedens auf, wobei sich Zürich verpflichtete, seine unwilligen Eidgenossen, die dem Frieden nur unter Druck zugestimmt hatten, zur Einhaltung zu zwingen. Grundsätzlich wurde im Regensburger Frieden zwar der beidseitige Besitzstand anerkannt, die Hoheitsrechte innerhalb der Eidgenossenschaft blieben aber ausgeklammert114, da sonst schwerlich eine Übereinkunft zustande gekommen wäre. Für Alphons Lhotsky kam der Regensburger Friede «einem zähe herbeigeführten stillen Sieg» der Eidgenossen gleich, den sie «ihrer klugen Taktik» verdankten, die darin bestand, «das Reich vorzuschieben, sobald es ihnen nützlich schien, und sich im übrigen nicht darum zu bekümmern»115.

Im Frühjahr 1356 kam es zu einem fünfjährigen Bündnis zwischen Zürich und Österreich. Das entsprechende Abkommen wurde am 29. April 1356 durch Rudolf Brun und Albrecht von Buchheim, Albrechts Hauptmann in den Vorlanden, abgeschlossen und am darauffolgenden 1. Juni vom Herzog ratifiziert116. In der Folge sollte Brun von Herzog Rudolf IV. sogar ein Jahrgeld von tausend Gulden beziehen, das die Habsburger aus ihren Glarner Einkünften beglichen: «Österreich verband […] geschickt das materielle Interesse [seiner ehemaligen Gegner] mit der Bewahrung der stets von den Eidgenossen bedrohten österreichischen Herrschaft in Glarus. Überhaupt war Österreich damals wieder eifrig und mit Erfolg bestrebt, seine Herrschaft allenthalben zu festigen»117.

Diese überraschende Wendung war ein unzweifelhafter Erfolg Habsburgs, das damit – zumindest vorübergehend – einen Konfliktherd einzudämmen vermochte. Karl IV. konnte sich 1355 in Regensburg zwar doch noch als Friedensstifter profilieren, die nachfolgende habsburgisch-zürcherische Annäherung gereichte ihm jedoch nicht unbedingt zum Vorteil, da sie eine Stärkung Habsburgs mit sich brachte. Diese Erstarkung machte sich insbesondere unter Herzog Albrechts selbstbewusstem Nachfolger Rudolf IV. bemerkbar, der seinen kaiserlichen Schwiegervater zu dessen Ärger wiederholt herausfordern sollte. Es war sicher kein Zufall, dass Karl angesichts der Aspirationen Rudolfs die eidgenössischen Orte unter seinen besonderen Schutz nahm und ihre Privilegien bestätigte: «Auch in der Folge blieben die Eidgenossen Reichsglieder, die auf ein gutes, ja freundschaftliches Verhältnis zu Karl IV. Wert legten, wenn auch Veränderungen der politischen Situation hier und da Schwankungen in der Haltung beider Teile

112 K. MOMMSEN, Eidgenossen, Kaiser und Reich, S. 160. 113 A. LHOTSKY, Geschichte Österreichs, S. 367. 114 K. MOMMSEN, Eidgenossen, Kaiser und Reich, S. 160-163. 115 A. LHOTSKY, Geschichte Österreichs, S. 367. 116 EA I, S. 41, Nr. 106. 117 H. C. PEYER, Die Entstehung der Eidgenossenschaft, S. 216.

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hervorriefen»118. Hans Conrad Peyer hat im 1362 geschlossenen Übereinkommen Karls mit Zürich, in dem die Bündnisse der Zürcher mit Bern, Luzern, Uri, Schwyz und Unterwalden anerkannt wurden und das 1376/79 von König Wenzel erneuert wurde, den Beginn einer neuen Entwicklung gesehen: «Nicht nur die Orte selbst als Territorien, sondern auch die Eidgenossenschaft als Ganzes […] erhielt so erst dank der Privilegien der Luxemburger seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts deutlichere verfassungsrechtliche Konturen im Rahmen des Reichsganzen»119.

118 K. MOMMSEN, Eidgenossen, Kaiser und Reich, S. 163-164. 119 H. C. PEYER, Verfassungsgeschichte, S. 16.