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127 | Andreas Putzer, Günther Kaufmann Das St.-Valentin-Kirchlein bei Schlaneid in der Gemeinde Mölten Einen halben Kilometer Luftlinie westlich des Dorfes Schlaneid in der Gemeinde Mölten erstreckt sich eine tiefer gelegene Terrasse. Auf dieser unteren Terrasse liegen die im Maria- eresianischen Kataster von 1777 als Valentins-Acker bezeichneten heutigen Wiesenflä- chen (Gp. 1518, 1519) 1 und der heute noch sogenannte Valteswald (Gp. 1515, 1516). Das Waldgelände ist vom anstehenden Porphyrfelsen geprägt, der nach Westen hin steil abfällt. Dort, an der Abbruchkante zum Etschtal, liegt die Ruine der ehemaligen St.-Valentin-Kir- che [Abb. 1] auf ca. 1110 m. ü. M. Der Standort ist gut gewählt, denn er bietet einen her- vorragenden Ausblick vom Mittelgebirge des Tschögglberges übers mittlere Etschtal und auf die gegenüberliegenden Mittelgebirgsterrassen von Prissian und Tisens. 1 Südtiroler Landesarchiv: Rustikalsteuer-Kataster (1777), Gericht Mölten, KN 290. Abb. 1: Lage der St.-Valentin-Kirche auf dem Tschögglberg bei Schlaneid, Gem. Mölten. Aufnahme: Karl Gruber.

Das St.-Valentin-Kirchlein bei Schlaneid

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Das St.-Valentin-Kirchlein bei Schlaneid in der Gemeinde Mölten

Einen halben Kilometer Luftlinie westlich des Dorfes Schlaneid in der Gemeinde Mölten erstreckt sich eine tiefer gelegene Terrasse. Auf dieser unteren Terrasse liegen die im Maria-Theresianischen Kataster von 1777 als Valentins-Acker bezeichneten heutigen Wiesenflä-chen (Gp. 1518, 1519)1und der heute noch sogenannte Valteswald (Gp. 1515, 1516). Das Waldgelände ist vom anstehenden Porphyrfelsen geprägt, der nach Westen hin steil abfällt. Dort, an der Abbruchkante zum Etschtal, liegt die Ruine der ehemaligen St.-Valentin-Kir-che [Abb. 1] auf ca. 1110 m. ü. M. Der Standort ist gut gewählt, denn er bietet einen her-vorragenden Ausblick vom Mittelgebirge des Tschögglberges übers mittlere Etschtal und auf die gegenüberliegenden Mittelgebirgsterrassen von Prissian und Tisens.

1 Südtiroler Landesarchiv: Rustikalsteuer-Kataster (1777), Gericht Mölten, KN 290.

Abb. 1: Lage der St.-Valentin-Kirche auf dem Tschögglberg bei Schlaneid, Gem. Mölten. Aufnahme: Karl Gruber.

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Die Kirchenruine ist Vorgängerbau der heutigen St.-Valentin-Kirche im Ortskern von Schlaneid, welche 1770 neu erbaut und 1771 eingeweiht wurde. Die Ruine der alten St.-Valentin-Kirche besteht aus einem rechteckigen Saal mit ostseitiger Rundbogenapsis [Abb. 2] und wurde aufgrund des Grundrisses als romanischer Bau aus dem 12./13. Jahrhundert interpretiert, der im 15. Jahrhundert eine Erneuerung erfuhr.2

Bis 1964 gehörte das Etschtal südlich von Meran zur Diözese Trient, wurde dann aber der Diözese Bozen-Brixen zugewiesen.3 Die alte St.-Valentin-Kirche von Schlaneid stand also auf Trienter Bistumsgebiet.

2 Karl Atz/Adelgott Schatz, Der deutsche Antheil des Bisthums Trient, Bd. 1, Bozen 1903, 323; Josef Weingartner, Die Kunstdenkmäler des Etschlandes, Bd. 3/1, Wien-Augsburg 1929, 81f.; Josef Wein-gartner, Die Kunstdenkmäler Südtirols, Bd. 2, 7. Auflage, Bozen-Innsbruck-Wien 1991, 186; Josef Schwarz, Notizen zur Geschichte des Tschögglberges, in: Der Schlern 47 (1973) 367–378, bes. 369; Ders., Chronik von Mölten, Mölten 1990, 108–110.

3 Fridolin Dörrer, Der Wandel der Diözesaneinteilung Tirols und Vorarlbergs seit dem Frühmittelalter, in: Tiroler Heimat 17 (1953) 41–74; ders., Bistümer und Bistumsgrenzen im Umkreis des Reschen, in: Der obere Weg, Jahrbuch des Südtiroler Kulturinstitutes 5–7 (1965–1967) 251–274; ders., Der Wandel der Diözesaneinteilung Tirols und Vorarlbergs, in: Beiträge zur Geschichte Tirols, Festgabe des Landes Tirol zum Elften Österreichischen Historikertag in Innsbruck vom 5. bis 8. Oktober 1971, 141–170; ders., Bis-thümer und politische Landeswerdung im alttirolischen Raum, in: Bericht über den elften österreichischen Historikertag in Innsbruck, 4.–8. Oktober 1971 (Veröffentlichungen des Verbandes Österreichischer Ge-schichtsvereine 19), Wien 1972, 134–150; Günther Kaufmann, Römische Grenzen im Raum Meran, in: Tiroler Heimat 73 (2009) 5–44, bes. 31ff.

Abb. 2: St. Valentin bei Schlaneid, erhaltene Bausubstanz 1990. Aufnahme: Alois Stuppner/Hans Nothdurfter.

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In den Jahren 1990 und 1991 führte das Amt für Bodendenkmäler unter der Leitung von Hans Nothdurfter und Alois Stuppner archäologische Untersuchungen an der Kirchen-ruine durch.4 Die Grabung wurde bisher nur im Karteikartenformat in einem Kirchenkata-log veröffentlicht.5

Mit dieser Neubearbeitung der Grabungsbefunde soll nun versucht werden, die diversen Bauphasen herauszuarbeiten, in eine chronologische Abfolge zu stellen und nach Möglich-keit zu datieren.

1. Die Holzkirchen

Im Laufe der Ausgrabungen konnten innerhalb, aber vor allem außerhalb der Kirchen-ruine zahlreiche Pfostenlöcher freigelegt werden. Die unterschiedliche Typologie der Pfos-tenlöcher, deren stratigraphische Verteilung und das Vorkommen von Mörtel in der Verfül-lung einiger Pfostenlöcher lassen in Bezug auf die bisherige Rekonstruktion der Holzkirche Zweifel aufkommen.6 Stratigraphisch wie typologisch kann zwischen drei Pfostengruppen unterschieden werden: die zwei älteren, weil stratigraphisch tiefer gelegenen Gruppen gehö-ren zu zwei Vorgängerkirchen in Holzbauweise.

1.1. Holzkirche Bau I1.1.1. Grabungsbefund der Holzkirche IDie zwei tiefer gelegenen Gruppen von Pfostenlöchern liegen allerdings auf einer Ebene,

sodass eine Trennung der Befunde der beiden Holzkirchen nur auf horizontalstratigraphi-schem Wege gelingen kann. Zur ältesten Holzkirche gehören die Pfostenlöcher V2, V3,V6, V14, V19 und vielleicht auch V16 und V29; deren Durchmesser variiert zwischen 40 und 60 cm. Die Verfüllung besteht meist aus sandig-braunem Erdreich, das mit Holzkohle- stücken durchsetzt ist. Eine Ausnahme bildet das Pfostenloch V16, in dem nur sandig-braune Erde und Mörtel gefunden wurde. Die Größe des Pfostenlochs (ca. 80 cm) und der darin befindliche Mörtel lassen zwar Zweifel sowohl an der Nutzung als Pfostenloch als auch an der frühen Datierung aufkommen, allerdings liegt an der Sohle eine Steinplatte, die durchaus als Unterlage einer frühen Holzkirche gedient haben könnte.

Die Holzkirche lässt sich nur in ihrem Ostteil überzeugend rekonstruieren, sie hat aus einer trapezförmigen Apsis mit Rechtecksaal [Abb. 3] bestanden. Den westlichen Abschluss der Kirche bildet wohl das Pfostenloch V16. Der Saal hat somit eine Länge von ca. 11 m, bei einer Breite von 6,5 m. Ein Vergleichsbau, der der Kirche in Schlaneid am nächsten steht, stammt aus Westheim im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen in Mittelfranken (später

4 Hans Nothdurfter, Mölten: Schlaneid, St. Valentin, in: Denkmalpflege in Südtirol 1991–1995. Tutela dei beni culturali in Alto Adige 1991–1995, Bozen 1997, 18: „Diesem Bau gingen mindestens zwei schwer in Phasen zu gliedernde Holzbauten voraus, die wohl in frühbairische Zeit zurückreichen.“

5 Hans Nothdurfter, Frühchristliche und frühmittelalterliche Kirchenbauten in Südtirol, in: Frühe Kir-chen im östlichen Alpengebiet (Bayerische Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Kl. Abhandlungen NF 123), hg. von Hans Rudolf Sennhauser, Bd. 1, München 2003, 273–355, bes. 332.

6 Nothdurfter, Kirchenbauten Südtirol (wie Anm. 5) 332, Abb. 1.

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Bistum Eichstätt).7 Diese Kirche hat einen weitaus kleineren Grundriss, sie datiert um 600 bis in die erste Hälfte des 7. Jahrhunderts. Vom Bautyp her ist dies der beste Vergleich. Holz-kirchen mit langgezogener trapezförmiger Apsis finden sich auch in der ehemaligen Pfarrkir-che St. Martin in Sonvico (Bistum Como) im Tessin aus der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts8 sowie in St. Georg in Völlan (Bistum Trient) aus dem – historisch ermittelten – späten 8. Jahrhundert.9

Nicht auszuschließen ist das Vorhandensein weiterer Pfostenlöcher unterhalb der ge-mauerten Apsis der Kirchenruine, damit ergäbe sich eine hypothetische Rekonstruktion einer Saalkirche mit Chornische vom Typ Murrhardt10 oder mit Rechteckchor vom Typ Staubing.11 Frühmittelalterliche Saalkirchen mit Rechteckchor sind im mitteleuropäischen Raum zahlreich vertreten, so z. B. in der Schweiz und in Bayern.12 Vergleichbare Grundrisse haben die Holzkirchen von Staubing (Lkr. Kehlheim, später Bistum Regensburg) und Bar-bing-Kreuzhof (Lkr. Regensburg und später Bistum) aus der ersten Hälfte des 7. Jahrhun-derts.13 Die Ausmaße der Holzkirche von Schlaneid liegen in etwa im Bereich der zitierten mitteleuropäischen Holzkirchen mit Rechteckchor.

Die erste Holzkirche war also ein Stabwandbau. Ein Fußboden konnte dem ersten Bau nicht zugeordnet werden. Zur Innenausstattung (Chorschranke, Altar) lässt sich keine Aus-sage machen.

Folgendes ist zum Ende der ersten Holzkirche festzuhalten: In den Erdfüllschichten der Pfostenlöcher wurden Holzkohlestücke gefunden. Holzpfosten werden angesengt, damit sie sich im feuchten Erdreich länger und besser konservieren. Da keine Brandschicht diesem Bau zugewiesen werden kann, ist es am wahrscheinlichsten, dass die erste Holzkirche abge-baut wurde oder infolge Vernachlässigung verrottete. Einem Brand jedenfalls ist sie nicht zum Opfer gefallen.

1.1.2. Datierung der Holzkirche IEin chronologischer Anhaltspunkt für die Holzkirche I ist durch Grab 6 gegeben, das

mittlerweile einer 14C-Datierung unterzogen wurde und 640–730 n. Chr. (2-sigma, LTL 12277A, 1328±30 BP) datiert. Es handelt sich um eine beigabenlose Bestattung eines er-wachsenen Mannes. Der Tote lag in gestreckter Rückenlage mit über dem Becken gefalteten

7 Claus Ahrens, Die frühen Holzkirchen Europas (Schriften des Archäologischen Landesmuseum 7), Bd. 2, Stuttgart 2011, 403.

8 Hans Rudolf Sennhauser, Frühchristliche und frühmittelalterliche kirchliche Bauten in der Diözese Chur und in den nördlich und südlich angrenzenden Landschaften, in: Sennhauser, Frühe Kirchen (wie Anm. 5) 9–221, bes. 178, Abb. 1.

9 Nothdurfter, Kirchenbauten Südtirol (wie Anm. 5) 317, Abb. 1.10 Ahrens, Die frühen Holzkirchen Europas (wie Anm. 7) 437, 441, Taf. 1.10.11 Ahrens, Die frühen Holzkirchen Europas (wie Anm. 7) 437, 441, Taf. 1.11.12 Peter Eggenberger, Typologie und Datierung der frühmittelalterlichen Holzkirchen des Kantons Bern,

in: Archäologie der Schweiz 16 (1993) 93–96; Ahrens, Die frühen Holzkirchen Europas (wie Anm. 7) 437, 441.

13 Silvia Codreanu-Windauer, Vorromanische Kirchenbauten in Altbayern. Ein Forschungsüberblick, in: Sennhauser, Frühe Kirchen (wie Anm. 5) 457–485, bes. 461, Abb. 3.1,3.

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Abb. 3: Rekonstruktion der Holzkirche I, M. 1:100. Plan: Günther Kaufmann/Andreas Putzer.

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Händen14 in einer Felsrinne, eine Grabgrube wurde nicht beobachtet. Eine Aussage, von welchem Niveau aus der Tote begraben worden ist, ist also nicht möglich. Grab 6 steht chronologisch allein da, die anderen Gräber datieren stratigraphisch und absolutchronolo-gisch jünger. Da nur dieses eine frühe Grab vorhanden ist, scheint ein nachträglicher Bau der Holzkirche in einem bereits von Romanen genutzten Gräberfeld unwahrscheinlich. Pro-blematisch ist die Zuordnung des Toten zur ersten Phase der Holzkirche aber dennoch, da er nur zum Teil im Innern der Apsis liegt, seine Unterschenkel befinden sich außerhalb des Umrisses der Holzapsis [Abb. 3]. Bestattungen in Holzkirchen finden sich üblicherweise im Kirchenschiff wie in der Pfarrkirche St. Johannes der Täufer in Stams in Nordtirol aus dem 8. Jahrhundert (Bistum Säben/Brixen)15 oder in der Pfarrkirche St. Georg und St. Maria in Kleinlangheim in Unterfranken aus der Mitte des 8. Jahrhunderts (Bistum Würzburg).16 In Schlaneid liegt der Tote entlang bzw. unterhalb des nördlichen Trapezschenkels der Apsis. Die Bestattung ermöglicht eine zeitliche Einordnung der Holzkirche I – die zeitgleich oder post quem zum Toten errichtet wurde – in die zweite Hälfte des 7. Jahrhunderts bzw. spätes-tens in die 1. Hälfte des 8. Jahrhunderts.

1.1.3. Historische Einordnung der Holzkirche IIm Valteswald beginnt laut Grabungsergebnis die Geschichte erst im 7. oder 8. Jahrhun-

dert. Eine Hügelkuppe mit steinernem Ringwall liegt 120 m Luftlinie südlich/südöstlich der Kirche, hierbei handelt es sich aber um eine urgeschichtliche Höhensiedlung, eine soge-nannte Wallburg, von der außer einer kleinen Feuersteinklinge bisher keine Funde bekannt sind.

Der Name Schlaneid, der 1288 erstmals in einem Urbar Meinhards II. schriftlich er-wähnt ist17, weist allerdings auf eine lange Kontinuität hin. Schon Karl Finsterwalder dachte hier an einen römischen Prädialnamen, den er von Aesculanus oder Osculanus ableitete und als „Grundbesitz des Aesculanus“ deutete.18 Doch leider gibt es in den erhaltenen römischen Schriftquellen weder den einen noch den anderen Personennamen.19 Vielmehr ist festzuhal-ten, dass Toponyme mit Endung auf -īcum/-īca nicht zwangsläufig lateinischen Ursprungs gewesen sein müssen, sie könnten auch aus einer anderen indogermanischen Sprache (ostal-penindogermanisch?) stammen und später ins regionale Lateinische entlehnt worden sein. Der Name Schlaneid sollte also späteisenzeitlich oder frühkaiserzeitlich sein. Dieser frühe Ursprung des Namens und vor allem seine Überlieferung weisen auf eine lange Kontinuität

14 Diese Körperhaltung konnte mannigfach in Säben beobachtet werden: Karl Kromer, Das frühgeschicht-liche Gräberfeld von Säben bei Klausen in Südtirol, in: Archaeologia Austriaca 64 (1980) 1–49, bes. 7f., Abb. 5.

15 Wilhelm Sydow, Kirchenarchäologie in Tirol und Vorarlberg (Fundberichte aus Österreich, Materialheft A9), Wien 2001, 68.

16 Karl Schwarz, Der frühmittelalterliche Landesausbau in Nordost-Bayern archäologisch gesehen, in: Aus-grabungen in Deutschland (Monographien RGZM 1/2), T. 2, Mainz 1975, 338–410, bes. 374, Abb. 34.2.

17 Oswald von Zingerle, Meinhards II. Urbare der Grafschaft Tirol (Fontes rerum Austriacarum. 2. Abt. Diplomataria et acta 45), T. 1, Wien 1890, 139 „Der hof Chvnratz von Slaneik“.

18 Karl Finsterwalder, Sprache und Geschichte in den Ortsnamen am Tschögglberg, in: Der Schlern 47 (1973) 379–386, bes. 382f.

19 http://www.manfredclauss.de/.

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vor Ort hin. Die Gegend muss also weiterhin wirtschaftlich genutzt, wenn nicht gar der Ort besiedelt gewesen sein, als die erste Holzkirche erbaut wurde.

Nach ihrer Einwanderung in Norditalien im Jahr 568 übernahmen die Langobarden jenes Territorium, welches im untergegangenen weströmischen Reich das Kernland Italien war, und damit das Etschtal bis zur Meraner Gegend und das untere Eisacktal. Die nörd-lich anschließenden Gebiete des Vinschgaus und des Eisack-/Wipptals – also die ehemalige Provinz Raetien – unterstanden damals den Franken. Von Anfang an gab es – hauptsächlich vom oströmischen Reich geschürte – Bestrebungen, die Langobarden wieder aus Italien zu vertreiben. Heerzüge der Franken 575, 584, 585, 588 waren mit Ostrom abgesprochen oder von Kaiser Maurikios finanziert, so auch der gemeinsame Angriff von 590. Das auf der Zenoburg bei Meran zu lokalisierende castrum Maiensis wird ex silentio als fränkische Burg angesehen, südlich davon lagen die ersten langobardischen Burgen Tesana (Tisens, St. Hip-polyt) und Maletum (Mölten, Gschleier oder St. Georg?). Diese wurden beim Heerzug der Franken 590 zerstört.20 Dieser Heerzug der Franken war nicht nachhaltig, sie mussten sich im selben Jahr wieder aufs eigene Gebiet zurückziehen. Es folgten mehrere Friedensschlüsse 591, 596, 604, 617/8, die alle den vorherigen Zustand wiederherstellten bzw. bestätigten.21 Erst 617/8, als der Frankenkönig Chlotar II. den Langobarden gegen einen einmaligen Be-trag die jährlichen Tributzahlungen erließ, wurden die Spannungen zwischen Franken und Langobarden für längere Zeit beigelegt. Denn von da an hört man vorläufig nichts mehr von fränkisch-langobardischen Konflikten. Bis zum Jahr 662 und bis zum Frieden von 670.22

Der große Frieden von 591 wird auch als Versuch interpretiert, die Herrschaftsräume zwischen den Kontrahenten definitiv abzustecken und ein – für das oströmische Reich – ausgeglichenes Kräfteverhältnis zwischen Norditalien und Alpenraum zu schaffen. Dabei verblieb das langobardische Königreich in den Grenzen des Kernlandes Italien, die Fran-ken behielten unter anderem die beiden ehemaligen Provinzen Raetien und den zwischen Ufernorikum und voralpiner Raetia angesiedelten Baiern könnte die ehemalige Provinz Binnennorikum mit dem Pustertal übertragen worden sein.23 Wenn nicht schon 591, so

20 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum (MGH SS rer. Germ. 48), hg. von Georg Waitz, Berlin 1878 (ND Hannover 2005), 137 (III,31) „Nomina autem castrorum quae diruerunt in territorio Tridentino ista sunt: Tesana, Maletum, Sermiana, Appianum …“ Kaufmann, Römische Grenzen (wie Anm. 3) 20ff.; ders., Das castrum Maiensis auf Zenoberg bei Meran, in: Tiroler Heimat 75 (2011) 5–90, bes. 49ff.

21 Günther Kaufmann, Wo lag das castrum Appianum? Überlegungen zum fränkischen Italienfeldzug von 590 und zum frühmittelalterlichen Eppan, in: Der Schlern 86/3 (2012) 4–53, bes. 4–16.

22 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum (wie Anm. 20) 117f. (III,9) (a. 575), 123 (III,17) (a. 584), 127 (III,22) (a. 585), 133 (III,29) (a. 588), 138 (III,31) (a. 590), 144 (IV,1) (a. 591),150 (IV,13) (a. 598/99), 159 (IV,30) (a. 604), 168 (IV,40) (a. 611), 185 (V,5) (a. 662), 198 (V,32) (a. 670); Fredegar, Chronicae (MGH SS rer. Merov. 2), hg. von Bruno Krusch, Hannover 1888 (ND Stuttgart 1984), 143f. (IV,45) (a. 617/18); Georg Löhlein, Die Alpen- und Italienpolitik der Merowinger im VI. Jahrhundert (Erlanger Abhand- lungen zur mittleren und neueren Geschichte 17), Erlangen 1932, 53–74; Paolo Delogu/André Guillou/Gherardo Ortalli, Longobardi e Bizantini, Turin 1980, 23ff.; Reinhard Schneider, Fränkische Alpen-politik, in: Die transalpinen Verbindungen der Bayern, Alemannen und Franken bis zum 10. Jahrhundert (Nationes 6), hg. von Helmut Beumann/Werner Schröder, Sigmaringen 1987, 23–49, bes. 31.

23 Irmtraut Heitmeier, Die spätantiken Wurzeln der bairischen Noricum-Tradition: Überlegungen zur Ge-nese des Herzogtums, in: Die Anfänge Bayerns: Von Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baio-varia (Bayerische Landesgeschichte und europäische Regionalgeschichte 1), hg. von Hubert Fehr/Irmtraut Heitmeier, St. Ottilien 2012, 463–550, bes. 500ff., 507f., 513ff.; Paul Gleirscher, Der Vinschgau im

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spätestens in den frühen 660er-Jahren griffen die Baiern ausgehend vom Pustertal auch auf das untere Eisacktal und den Bozner Raum aus.24

Das Jahr 662/3 war ein ganz besonderes, die Ereignisse überhäuften sich damals ähnlich wie 590. Im Langobardenreich stürzte der Herzog von Benevent Grimoald nach dem Tod von König Aripert im Jahre 661 dessen jugendliche Söhne Godepert und Perctarit und machte sich selbst – legitimiert durch die Hochzeit mit Ariperts Tochter – 662 zum Kö-nig.25 Diese Wirren nutzten Ostrom und die Franken, um wieder gegen die Langobarden vorzugehen. Eine militärische Intervention der Franken von der Provence aus, zugunsten der gestürzten langobardischen Agilolfinger, scheiterte in der verlustreichen Schlacht von Rifrancore bei Asti.26 Unter dem Druck der Sarazenen verlagerte Kaiser Konstans II. seinen Hof in den Westen. Er landete mit einem Heer in Tarent, mit der Absicht, Italien aus den Händen der Langobarden zu entreißen. Dort verwüstete er das Herzogtum Benevent. Nach mehreren Niederlagen zog er als letzter oströmischer Kaiser 663 nach Rom und letztendlich nach Sizilien, wo er 668 von seinen eigenen Leuten umgebracht wurde.27 Nachdem Gri-moald 663 Herr der Situation im Süden Italiens geworden war und auf der Rückkehr nach Pavia war, rebellierte der Herzog von Friaul, Lupus, und die darauf verheerend in Friaul eingefallenen Awaren wollten sich auch nicht mehr zurückziehen. Erst Grimoald konnte sie mit List zum Abzug bewegen, und, nachdem auch der Sohn des Lupus, Arnefrit, mit seinen einrückenden Slawen niedergemacht worden war, für eine geregelte Nachfolge im Herzogtum Friaul sorgen, indem er den Wechtari zum Herzog bestellte, der die Slawen in einer weiteren Schlacht am Natisone besiegte.28 Diese bewegte Zeit war also äußerst günstig, um auch im mittleren Alpenraum gegen die Langobarden vorzugehen und die langobardi-sche Herrschaft über den Bozner Raum und das nördlich anschließende westliche Etschtal (569–662/3) zu beenden. Dafür kommen die Baiern (übers Eisacktal) oder die Franken (über den Vinschgau) in Frage.

Die Baiern waren offenbar im Zeitraum von 662/3–680 Herren über das untere Ei-sacktal, den Bozner Raum und wohl auch über das westliche Etschtal nördlich von Bozen. Jedenfalls ist im Jahre 680 in Bozen ein bairischer Graf belegt, der auch „die übrigen Bur-gen der Gegend“ kontrollierte. Damit konnte auch das Mittelgebirge oberhalb von Bozen, der Salten und der Tschögglberg mit Mölten, gemeint sein. Dieser bairische Graf wurde aber 680 vom langobardischen Herzog von Trient, Alahis, besiegt. Der Bozner Raum mit dem westlichen Etschtal und dem unteren Eisacktal ging damit wieder an die Langobarden

Frühmittelalter: Archäologisches, in: Wandel und Konstanz zwischen Bodensee und Lombardei zur Zeit Karls des Grossen: Kloster St. Johann in Müstair und Churrätien (Acta Müstair, Kloster St. Johann 3), Zürich 2013, 19–42, bes. 36f.

24 Irmtraut Heitmeier, Baiern im Inn-, Eisack- und Pustertal? Frühmittelalterliche Machtpolitik und die Frage der Siedlungsentwicklung im Tiroler Alpenraum, in: Romanen und Germanen im Herzen der Alpen zwischen 5. und 8. Jahrhundert. Beiträge, red. von Walter Landi, Bozen 2005, 45–67, bes. 59, Abb. 13.

25 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum (wie Anm. 20) 174ff. (IV,51).26 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum (wie Anm. 20) 185f. (V,5).27 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum (wie Anm. 20) 186ff. (V,6–12).28 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum (wie Anm. 20) 192ff. (V,17–23).

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über.29 Zumindest für die nächsten vier Jahrzehnte muss er in langobardischer Hand geblie-ben sein, denn Korbinian überschritt auf der Rückkehr von seiner zweiten Romreise 717/8 die langobardisch-bayerische Grenze erst unmittelbar südlich der Burg Mais, der heutigen Zenoburg, und wurde dann von den bairischen Grenzwächtern dort festgehalten.30 Korbi-nian war sicher auf der ehemaligen Via Claudia Augusta von Bozen Richtung Meran auf der westlichen Etschtalseite unterwegs und wurde wahrscheinlich im Hagen in Untermais auf-gehalten.31 Die Baiern kontrollierten die Burg Mais damals – wie früher die Franken – vom Vinschgau aus, nicht über das Eisacktal.32

Die Franken wiederum besaßen nach dem Frieden von 591 den Vinschgau bis Meran. Danach fehlen jegliche Zeugnisse für diesen Raum bis zum Jahr 717/8, als er bereits bairisch war.33 Dass die Baiern den Vinschgau erst von Pippin II. dem Mittleren (680–714) oder nach dessen Tod († 714) erhalten hätten, ist Hypothese.34 Dass die Franken demnach den Vinschgau und den Meraner Raum das gesamte 7. Jahrhundert innehatten, ebenso. Dem-nach könnte man annehmen, dass 662/3 – parallel zu den von der Provence aus agierenden neustrischen Franken – auch die austrasischen Franken vom Vinschgau aus gegen die Lango-barden aktiv geworden wären; selbst wenn die Regenten des austrasischen Teilreichs 662 mit eigenen Problemen beschäftigt waren.35 Während im neustrischen Reichsteil König Chlotar III. unter Einflussnahme seiner Mutter Balthild und des Hausmeiers Ebroin herrschte, war auch im austrasischen Reichsteil nach dem Tod des Pippiniden Childebert des Adoptierten 662 zuerst Chlotar III., dann Chlotars Bruder Childerich II. mit dem Hausmeier Wulfoald an der Macht. Beide Reichsteile waren damit agilolfingerfreundlich, also auch baiernfreund-lich eingestellt. Im diesem Falle wäre die Aktion gegen das langobardische Herzogtum Trient wohl eine mit den Baiern abgekartete Sache gewesen. Im Jahr 670 schlossen die Franken – Chlotar III. oder Childerich II. – mit dem Langobardenkönig Grimoald „einen festen Friedensbund“, danach ist eine fränkische Kriegshandlung unwahrscheinlich.36 Allerdings

29 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum (wie Anm. 20) 200 (V,36): „Hic dum dux esset in Tredentina civitate, cum comite Baioariorum, quem illi gravionem dicunt, qui Bauzanum et reliqua castella regebat, conflixit eumque mirifice superavit.“ Jörg Jarnut, Bozen zwischen Langobarden, Bayern und Franken, in: Bozen: Von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauern, red. von Reimo Lunz/Lorenzo Dal Ri, Bozen 1991, 135–141, bes. 137.

30 Hubert Glaser/Franz Brunhölzl/Sigmund Benker, Vita Corbiniani. Bischof Arbeo von Freising und die Lebensgeschichte des hl. Korbinian, München-Zürich 1983, 128ff. (c. 23): „Finem iam Baiuvariorum ingressus, ad Maiensem usque dum veniret castrum, de prepositis captus custodibus.“

31 Günther Kaufmann, Der Etschübergang in Algund/Steinach-Forst: Überlegungen zur vermeintlichen „Römerbrücke“ und der Via Claudia Augusta, in: Der Schlern 88 (2014) 22–68, bes. 46f.

32 Glaser/Brunhölzl/Benker, Vita Corbiniani (wie Anm. 30) 110 (c. 15). Grimoalds ministri wiesen heimlich die „auctoribus montanis tam Venusticae vallis quam Innetinis“ an, Korbinian, sollte er zurückkeh-ren, nicht mehr „a finibus Baiuvariorum“ wegziehen zu lassen, bevor er nicht den Herzog aufgesucht hätte.

33 Irmtraut Heitmeier, Die Zeit des heiligen Florinus: Der Vinschgau im politischen Kontext des 7. Jahr-hunderts, in: Der Schlern 81 (2007) 6–19, bes. 9, 12.

34 Heitmeier, Florinus (wie Anm. 33) 15f.; Kaufmann, Das castrum Maiensis (wie Anm. 20) 58, 60ff.35 Eugen Ewig, Die Merowinger und das Frankenreich, 6. Auflage, Stuttgart 2012, 156.36 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum (wie Anm. 20) 198 (V,32) (a. 670): „Hac tempestate Fran-

corum regnum aput Gallias Dagipertus regebat, cum quo rex Grimuald pacis firmissimae foedus inierat.“ Ewig, Die Merowinger (wie Anm. 35) 156, 162.

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gibt es keinen Hinweis, dass die Langobarden später den Franken Gebiete abgenommen und so wieder die Grenze nach Norden Richtung Meran verschoben hätten, wo sie 717/8 erwiesenermaßen lag.

Daher ist es wahrscheinlicher, dass die Baiern die erste Holzkirche von Schlaneid gebaut haben. Sie ist sicher nicht von Romanen oder Langobarden errichtet worden, denn es gibt im Südalpenraum keine Holzkirchen der romanischen Bevölkerung und auch keine im Lan-gobardenreich. Ein Holzkirchenbau durch Germanen von nördlich der Alpen – wie eben die Baiern oder die Franken – hingegen ist durch gute Bauvergleiche das Plausibelste.

Es ist davon auszugehen, dass die Kirche von Anbeginn dem heiligen Valentin geweiht war. Das Grab des seligen Bekenners Valentin ist für das Jahr 717/8 in der Burg Mais be-legt.37 Hierbei handelt es sich um das Grab des einstigen Bischofs beider Raetien Valentin aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts;38 dieses Grab lag in einer nach ihm benannten, um 575 erstmals schriftlich erwähnten St.-Valentin-Kirche.39 Das Patrozinium des Erstbaus von Schlaneid ist also nur in Zusammenhang mit der Burg Mais zu erklären. Diese war zur damaligen Zeit aber vermutlich noch nicht in Besitz der Baiern, sondern der Franken. Eine eventuelle Überführung von Valentin-Reliquien bei der Schlaneider Kirchengründung muss also aus dem fränkischen Gebiet erfolgt sein; unter Chlotar III. und dessen Bruder Chil-derich II. waren beide Reichsteile des Frankenreichs antipippinisch und proagilulfingisch ausgerichtet, also den Baiern freundlich gesinnt.

Der Tote in/unter der Apsis datiert 640–730 n. Chr., die Kirche ist zeitgleich oder jün-ger; am ehesten ist mit einem Bau noch in den 660er-Jahren zu rechnen. Die Kirchengrün-dung bei einem Herrenhof erfolgte bald nach Inbesitznahme des neuen Herrschaftsraumes durch einen abgesandten Adligen. Dieser wurde zur Kontrolle über jenes Territorium ein-gesetzt, wo kaum ein Jahrhundert früher die von Norden einfallenden Franken die erste Langobardenburg (Mölten) zerstört hatten. Zu einer solchen bairischen Eigenkirche würde man sich natürlich ein Stiftergrab wünschen, es wurde aber kein (eindeutiges) Stiftergrab gefunden. Der Tote an der Nordinnenseite der Apsis gibt sich nicht als germanischer Adli-ger zu erkennen, er ist beigabenlos bestattet. Zwar ist der rechte Unterschenkel verschoben und damit gestört, dennoch ist eine Beraubung des Grabes mit Entnahme von Spatha, Sax und Gürtelgarnitur unwahrscheinlich. Vielmehr ist daran zu denken, dass der Kirchenstif-ter gar nicht in Schlaneid gestorben und begraben ist, denn 680 war ja schon wieder der langobardische Herzog von Trient Herr über Mölten. Das bairische Intermezzo auf Mölten (662/3–680) war von kurzer Dauer.

Für die erneute langobardische Herrschaft im endenden 7. und 8. Jahrhundert (680–744/64) gibt es keine Hinweise auf irgendwelche Maßnahmen an der Holzkirche.

37 Glaser/Brunhölzl/Benker, Vita Corbiniani (wie Anm. 30) 128 (c. 23): „ad beati Christi confessoris Valentini sepulchrum orationi studio cum declinasset, prefato siti castro“.

38 Kaufmann, Das castrum Maiensis (wie Anm. 20) 31–49.39 Venantius Fortunatus, Vita s. Martini (MGH AA 4,1), hg. von Friedrich Leo, Berlin 1881, 293–370,

bes. 368 (IV,647): „inde Valentini benedicti templa require“; Kaufmann, Das castrum Maiensis (wie Anm. 20) 50–55.

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Das St.-Valentin-Kirchlein bei Schlaneid in der Gemeinde Mölten

Abb. 4: Rekonstruktion der Holzkirche II, M. 1:100. Plan: Günther Kaufmann/Andreas Putzer.

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Andreas Putzer, Günther Kaufmann

1.2. Holzkirche Bau II1.2.1. Grabungsbefund der Holzkirche IIDie zweite Gruppe von Pfostenlöchern liegt zwar stratigraphisch auf derselben Ebene

(Planum) jener der Holzkirche I. Diese Pfostenlöcher sind aber im Durchmesser kleiner (25–30 cm) und meist mit Steinen zum Verkeilen versehen. Die Verfüllung besteht aus dunkelbraunem Erdreich, das mit Holzkohlestücken durchsetzt ist. Die Tiefe der Pfosten-löcher liegt zwischen wenigen Zentimetern und maximal 30 cm und ist entweder durch die Hangneigung oder durch nachfolgende Planierungsmaßnahmen bedingt. Horizontalstrati-graphisch können der zweiten Holzkirche die Pfostenlöcher V4, V5, V7, V8, V9, V10, V23 und im Westen mit Vorbehalt V1 und V21 zugeordnet werden. V21 ist in der Grabungs-dokumentation niemals als Vertiefung angesprochen, taucht als solche erst in der nachfol-genden Bearbeitung der Ausgräber auf, sie verfügt zwar über eine Unterlagsplatte, aber über keine organische Verfüllung.

Der rekonstruierte Grundriss ergibt eine Saalkirche mit runder Apsis [Abb. 4] vom Typ Herrsching.40 Die zweite Holzkirche hatte einen Lehmfußboden, der von den Ausgräbern noch der ersten Bauphase der Steinkirche zugeordnet wurde.41 Der Lehmboden gehört aber zum Holzbau II, zum einen, da er an V21 ansteht, vor allem aber, weil er durch die Bau-gruben der Süd- und der Westmauer der Steinkirche der Phase A2 gestört wird [Abb. 5]. Eine Zugehörigkeit zur Steinkirche Phase A1 kann ebenso ausgeschlossen werden, da eine eingebrachte Planierschicht zum Bau der Südwestecke zur Entfernung des Bodens geführt hat. Der Abschluss der Holzkirche im Westen ist nur indirekt über den Lehmboden zu er-mitteln, der auch noch westlich der Verfärbungen V1 (Brandschicht) und V21 vorhanden ist. Lehmböden in frühmittelalterlichen Holzkirchen sind in St. Briccius in Radfeld bei Kufstein (Bistum Salzburg)42 und im Vorgängerbau aus dem 8.Jahrhundert der ehemali-gen Pfarrkirche St. Laurentius in Stans in Nordtirol (Bistum Säben/Brixen)43 nachgewiesen. Im näheren Verbreitungsgebiet findet sich noch die Klosterkirche St. Maria und Markus von Reichenau-Mittelzell (Bistum Konstanz), deren Erstbau durch gestampfte Lehmböden nachgewiesen ist und um 724 datiert.44

Der Holzkirche II kann ein Brandhorizont zugewiesen werden, der sich sowohl inner-halb wie außerhalb der Kirche teilweise erhalten hat. Die Brandschicht liegt außen östlich der Apsis direkt auf den zur Kirche gehörenden Pfostenlöchern. Sie wird ihrerseits von einer Mörtelsandschicht und dem ehemaligen Gehhorizont der Steinkirche Phase B überlagert. Die zweite Holzkirche ist also einem Brand zum Opfer gefallen.

1.2.2. Datierung der Holzkirche IIDatierend post quem für die zweite Phase der Holzkirche ist wiederum Grab 6 (640–730

n. Chr.). Die Pfostenlöcher V7 und V9 liegen über Grab 6, somit muss Bau II jünger sein

40 Ahrens, Die frühen Holzkirchen Europas (wie Anm. 7) 437, Typentafel 1.7.41 Nothdurfter, Kirchenbauten Südtirol (wie Anm. 5) 318.42 Gerard Kaltenhauser, Radfeld, in: Fundberichte aus Österreich 15 (1976) 335–336; Sydow, Kirchen-

archäologie in Tirol (wie Anm. 15) 73.43 Sydow, Kirchenarchäologie in Tirol (wie Anm. 15) 73–75.44 Ahrens, Die frühen Holzkirchen Europas (wie Anm. 7) 70.

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Das St.-Valentin-Kirchlein bei Schlaneid in der Gemeinde Mölten

als das Grab und der Vorgängerbau. Als Zeitansatz ante quem dient das 14C-Datum von Grab 2 (760–900 n. Chr.), das zur ersten Steinkirche gehört (s. unten). Damit ist die zweite Holzkirche noch ins 8. Jahrhundert zu setzen.

1.2.3. Historische Einordnung der Holzkirche IIDas Etschtal und der Raum Mölten blieben, wie oben geschildert, seit 680 und über

717/8 hinaus in langobardischer Hand. Und nicht nur dies, die Langobarden haben zwi-schen 722 und 725 auch die Burg Mais (und den Vinschgau) unter ihre Fittiche gebracht.45 So blieb es, wohl zumindest bis zum Tod des Langobardenkönigs Liutprand († 744).46 Auch die Errichtung der zweiten Holzkirche von Schlaneid kann nicht den Langobarden angela-stet werden, im Langobardenreich wurden nur Steinkirchen gebaut.

Nun vermuteten Aventin und Jarnut, dass bereits der bairische Herzog Odilo 744 in die langobardischen Thronfolgewirren eingriff und sich des westlichen Etschtales bemäch-tigte.47 Haider, Wolfram und Jahn hingegen plädierten für den Baiernherzog Tassilo III., der bei seiner Hochzeit mit der Tochter des Langobardenkönigs Desiderius 764 die Etsch-taler Befestigungen als Mitgift bekommen haben soll.48 Jedenfalls war 768 die Burg Mais wieder bairisch, denn Tassilo III. musste für die Überführung Korbinians nach Freising um Erlaubnis gefragt werden.49 Im Jahr 769 überschritt Tassilos III. auf der Rückreise aus dem Langobardenreich unmittelbar südlich von Bozen die langobardisch-bayerische Gren-ze und unterzeichnete in Bozen die Gründungsurkunde für das Kloster Innichen.50 784 kam es bei Bozen zu Kämpfen zwischen Baiern und Karolingern und 787 standen sie sich südlich von Bozen feindlich gegenüber.51 Das gesamte westliche Etschtal zwischen Meran

45 Korbinian floh vor Herzog Grimoald in die Burg Mais: Vita Corbiniani (wie Anm. 30) 140 (c. 30): „Ipse autem sumpto secum clero locum amisit, Maiensem castro se contulit“; Kaufmann, Römische Grenzen (wie Anm. 3) 25f., Abb. 4.

46 Kaufmann, Das castrum Maiensis (wie Anm. 20) 64ff.47 Johannes Turmair’s genannt Aventinus Annales ducum boiariae (Buch I–IV), hg. von Sigmund Riez-

ler, Bd. 1, München 1882, 404 (Lib. II, c. 9): „Utilo quoque regulus Boiorum vallem Athesinam (Venusticam vallem alii vocitant), Maias, Pisonium, colonias Boiorum, et reliqua castella, quae Litoprandus rex Longo-bardorum Boiis abstulerat, vi et armis recuperat. Tridentum insuper invadit ac occupat, quod posthac semper Noricorum principibus divulsum Italia paruit“; Jarnut, Bozen (wie Anm. 29) 138f.

48 Peter W. Haider, Antike und frühestes Mittelalter, in: Geschichte des Landes Tirol, hg. von Josef Fon-tana u. a., Bd. 1, Bozen, 2. Auflage 1990, 131–290, bes. 240; Herwig Wolfram, Grenzen und Räume. Geschichte Österreichs vor seiner Entstehung (Österreichische Geschichte 378–907), Wien 1995, 88, 90; Joachim Jahn, Ducatus Baiuvariorum: das bairische Herzogtum der Agilolfinger (Monographien zur Ge-schichte des Mittelalters 35), Stuttgart 1991, 391.

49 Glaser/Brunhölzl/Benker, Vita Corbiniani (wie Anm. 30) 152 (c. 42): „ad domnum et virum eminentie inlustrem summumque perrexi principem, cui cunctis cum quo qui erat satrapibus rei et summe cure gestam devulgavi“; Kaufmann, Das castrum Maiensis (wie Anm. 20) 74.

50 Tiroler Urkundenbuch. I. Abteilung: Die Urkunden zur Geschichte des deutschen Etschlandes und des Vintschgaus, Bd. 1: Bis zum Jahre 1200, bearb. von Franz Huter, Innsbruck 1937, Nr. 1: „rediente de Italia“.

51 Annales ex annalibus Iuvavensibus antiquis excerpti (MGH SS 30, 2), hg. von Harry Bresslau, Leipzig 1934, 727–744, bes. 734 (a. 784: „ad Pozanum pugna fuit“) und 735 (a. 785 recte 784: „Pugna Baiowariorum cum Hrodperto ad Pauzana“). Annales regni Francorum (MGH SS rer. Germ. 6), hg. von Friedrich Kurze, Hannover 1895, 78 (a. 787: „et tertium exercitum iussit fieri partibus Italiae, ut domnus Pippinus rex venisset usque ad Trianto cum exercitu suo et ipse ibi maneret et exercitum suum pleniter in ante

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Andreas Putzer, Günther Kaufmann

und Bozen war also in Baiernhand. Und blieb es bis zum Sturz Tassilos III. durch Karl den Großen im Jahr 788.

Auch der zweite Holzkirchenbau von Schlaneid muss wohl auf einen Adligen zurückgehen, der im Zeitraum der bairischen Herrschaft über den Tschögglberg (744/64–788) dort wieder-um die Funktion der Raumorganisation und -kontrolle ausübte. Die Baiern haben nach Wie-derinbesitznahme des neuen Raumes diesen sicher gleich verwaltungstechnisch strukturiert.

Der neu eingesetzte bairische Adelige dürfte sofort ein deutliches Zeichen gesetzt haben, indem er bei seinem Herrenhof eine neue Holzkirche als Eigenkirche errichten ließ. Dies müsste demnach entweder 744/5 oder 764/5 geschehen sein.

Nachdem in etwa 730er–744 die Langobarden die Gebeine des heiligen Valentin von der Burg Mais nach Trient gebracht hatten, ließ Tassilo III. diese Reliquien im Sommer 764 von Trient nach Passau überführen.52 Es ist gut möglich, dass bei dieser Translation entlang des Weges nach Passau mehrere Kirchen dem heiligen Valentin geweiht wurden.53 Nach der Überführung weihte auch Bischof Arbeo von Freising 768 eine St.-Valentin-Kirche zu Kron-acker/Ebersberg und eine St.-Valentin-Kirche zu Altenhausen/Freising wird 772 genannt.54

Daher ist die Vermutung naheliegend, dass auch in Schlaneid ein bairischer Adeliger Mitte der 760er-Jahre, also gut hundert Jahre nach dem Erstbau, eine neue St.-Valentin-Kirche errichtet hat.

Das Ende dieser zweiten Holzkirche erfolgte durch Brand und steht wohl in direktem Zusammenhang mit dem Bau der ersten Steinkirche.

2. Die Steinkirchen

2.1. Steinkirche – Phase A12.1.1. Grabungsbefund der Steinkirche – Phase A1Die älteste erhaltene Bausubstanz stellen im Fundamentbereich der westliche Teil der

Südmauer und der daran anschließende südliche Teil der Westmauer dar. Die Mauern be-stehen aus in Kalkmörtel gebundenen kleinen Lesesteinen aus Porphyr und Sandstein – den in unmittelbarer Nähe vorzufindenden Gesteinsarten. Die Breite der Mauern ist nicht mehr zu eruieren, da sich die Reste unter dem heutigen aufgehenden Mauerwerk befinden. Dies entspricht mehr oder weniger der Befundung durch die Ausgräber, die jedoch die gesamte Westmauer der ältesten Bauphase zuordnen. Im Grabungsprotokoll ist allerdings vermerkt55,

mitteret usque ad Bauzanum“); Wolfram, Grenzen und Räume (wie Anm. 48) 90.52 Glaser/Brunhölzl/Benker, Vita Corbiniani (wie Anm. 30) 150ff. (c. 41) „Et dum beate proantecessoris

nostri Iosepphi dignisque <memorie> meritis episcopi Christi confessoris corpus Valentini qui olim a Longobar-dorum genti a prenotato fuerat abstulum castro et in Trigentino sepulture traditus est urbe et exinde a venerabilie et Deo devoto inlustrissimo Tassiloni venerando duce fuerat deportatus et ad meliorem deputatus insolam, domui et ecclesie episcopo sepulturae traditus fuisset“; Kaufmann, Das castrum Maiensis (wie Anm. 20) 69f., 73.

53 Vgl. zu St. Valentin in Pfalzen: Günther Kaufmann, Römerzeit und Frühmittelalter im Raum Pfalzen, in: Pfalzen. Landschaft – Kultur – Geschichte, hg. von Stefan Lechner, Pfalzen 2010, 57–87, bes. 67f.

54 Die Traditionen des Hochstifts Freising (Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Ge-schichte NF 4), hg. von Theodor Bitterauf, Bd. 1, München 1905, Nr. 28, 47.

55 Grabungsprotokoll vom 29.10.1990: „Beim Entfernen des Erdmaterials im Bereich der Mauer, kam die Baugrube zum Vorschein, die mit Fresken, Mörtelbrocken und Holzkohle gefüllt war …“

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Das St.-Valentin-Kirchlein bei Schlaneid in der Gemeinde Mölten

dass die Baugrube des nördlichen Teils der Westmauer mit Holzkohle, Mörtelbrocken und Freskoresten (!) verfüllt war. Dies schließt den nördlichen Teil der Westmauer als älteste Bausubstanz eigentlich aus. Die südliche Westmauer ist offenbar in die Südmauer eingebun-den, diese Ecke bildet so die Grabgrube zu einer Kinderbestattung (Grab 2). Das Grab war laut Befundung durch die Ausgräber in situ, zumindest der nicht gestörte untere Bereich der Beine. Das Kind lag in gestreckter Rückenlage und war NW-SO orientiert. Erhalten haben sich ausschließlich die Langknochen und der Schädel. In unmittelbarer Umgebung fanden sich weitere Schädelknochen eines Kindes (Grab 3) und der Langknochen eines Er-wachsenen (Grab 4). Das Skelett des Kindes (Grab 2) lag in einer hellbraunen, mit Mörtel durchsetzten Schicht, die als Planier- und Füllschicht der Südwestecke zur ersten Phase A1 der Steinkirche gehört. Ein weiteres Kindergrab (Grab 5), dessen Grabgrube außen an der südöstlichen Apsis liegt, gehört ebenso zur ersten Phase A1, weil das Grab – vom Niveau der Holzkirchenpfostenlöcher aus – an die Apsis anlehnend eingetieft wurde, und weil das Pfostenloch V4 der Holzkirche II vom Grab gestört wurde. In der Verfüllung der Grabgrube fanden sich nämlich Holzkohlebrocken, die sich durch die Störung des Pfostenloches bzw. der dazugehörenden Brandschicht erklären lassen. Stratigraphisch dürfte auch das Kinder-grab an der äußeren Südostmauer (Grab 1) dieser Phase zuzuordnen sein, jedenfalls wurde auch dieses – vom Niveau der Holzkirchenpfostenlöcher aus – an die südliche Ostmauer anlehnend eingetieft. Die erste Rundapsis weist außen einen asymmetrischen Verlauf auf; der Rundbogen ist gedrückt und die nahezu geradlinigen Außenschenkel laufen schräg aus. Nahegelegt wird diese Behauptung durch die Tatsache, dass die Baugrube für die tiefsten Lagen dieser Apsis außen vom Niveau der Holzkirchenpfostenlöcher eingetieft wurde, und aufgrund der Lage der vorhin besprochenen Kindergräber. Ob der außen vorstehende, nord-östliche Teil des Apsisbogens auch zur ältesten Phase zu zählen ist, lässt sich nicht eindeutig klären, weil er nicht eingetieft ist, sondern auf hervorstehendem Felsen aufliegt; dennoch ist es sehr wahrscheinlich, dass auch er Teil der ältesten Bausubstanz ist.

Der Steinbau der ursprünglichen St.-Valentin-Kirche bestand also aus einem rechtecki-gen Saal und einer Rundapsis mit Choreinzug. Der Choreinzug wird durch die Flucht der erhaltenen Südmauer plus Baugrube im südöstlichen Bereich der Südmauer vorgegeben. Ob auch der innere Verlauf der Apsis mit gedrücktem Rundbogen und geraden parallelen Innenschenkeln zum Erstbau gehörte, kann aufgrund fehlender Grabungsbefunde nicht be-stimmt werden, aber aufgrund von Bauvergleichen wahrscheinlich gemacht werden: Vom Bautyp her vergleichbare Kirchen mit innen gestelzter Apsis streuen über einen größeren Zeitraum vom 6./7. Jahrhundert – dies trifft auf die St.-Georg-Kirche in Rhäzüns (Bis-tum Chur)56 zu – bis ins 9./10. Jahrhundert, wie die St.-Vigilius-Kirche in Pinzolo (Bistum Trient).57 Die besten Vergleiche zur St.-Valentin-Kirche in Mölten finden sich in karolingi-scher Zeit, wie jene aus St. Peter und Paul in Zizers (Bistum Chur) (7./8. Jahrhundert), St. Jakobus in Steckborn (Bistum Konstanz) (8./9. Jahrhundert) und St. Regula in Chur (9. Jahrhundert).58

56 Sennhauser, Kirchliche Bauten in der Diözese Chur (wie Anm. 8) 149f.57 Gianni Ciurletti, Antiche chiese del Trentino, dalla prima affermazione del cristianesimo al X secolo, in:

Sennhauser, Frühe Kirchen (wie Anm. 5) 357–401, vgl. bes. 382–383.58 Sennhauser, Kirchliche Bauten in der Diözese Chur (wie Anm. 8) A25: 74–77, A121: 204–206, A104:

181–183.

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Andreas Putzer, Günther Kaufmann

Der Boden der Kirche bestand vermutlich von Anbeginn an aus Steinplatten, die sich vor und neben dem Hauptaltar erhalten haben, wo sie direkt auf dem Lehmboden der Holzkirche II aufliegen. Plattenböden in Kirchen treten bereits in vorkarolingischer Zeit in den Kirchen S. Lorenzo in Gudo (Bistum Mailand/Como) im 6./7. Jahrhundert und St. Cassian in Lantsch (Bistum Chur)59 auf und streuen bis ins frühe 13. Jahrhundert in der St.-Medardus-Kirche in Tarsch (Bistum Chur).60 Zeitlich näher stehen die Kirchen mit Plat-tenböden St. Pietro in Motto (Bistum Mailand) (7./8. Jahrhundert)61, St. Martino in Drena (Bistum Trient) (8./9. Jahrhundert), St. Stefano in Fornace (Bistum Trient) (9. Jahrhundert) und S. Martino in Tenno (Bistum Trient) (9. Jahrhundert).62

2.1.2. Datierung der Steinkirche – Phase A1Auch hierzu gibt es mittlerweile ein aufschlussreiches 14C-Datum, das an einem der

entlang der Südwand bestatteten Kinder festgestellt wurde. Datiert wurde Grab 2, das in die Zeit 760–900 n. Chr. (2-sigma, LTL 12278A, 1328±30 BP) gehört. Vergleichbare Be-stattungen von Neugeborenen und Kindern entlang der Mauern des Schiffes finden sich beispielsweise in der Kirche St. Johannes der Täufer in Stams (Bistum Säben/Brixen), ver-mutlich aus dem späten 8. Jahrhundert.63 Die Saalkirche mit innen gestelzter Rundapsis von Schlaneid müsste somit ins 8. bzw. 9. Jahrhundert datieren.

2.1.3. Historische Einordnung der Steinkirche – Phase A1Mit Karl dem Großen (768–814) fand eine stärkere fränkische Einflussnahme auf den

Alpenraum statt: In Churrätien erfolgte zuerst um 773 die Unterstreichung des Schutzver-hältnisses, dann wurde um 806 die Grafschaftsordnung eingeführt. Das südlich angren-zende Langobardenreich wurde 774 erobert. Letztendlich wurde in Baiern Tassilo III. 788 entmachtet.64 In der Folge dieser karolingischen Machtausdehnung kam es zu einer gründ-lichen Reorganisation jener Gebiete. Dort wurden zahlreiche fränkische, burgundische, ale-mannische und bairische Adelsgeschlechter eingesetzt und ihnen somit der Weg zu Besitz-, Macht- und Herrschaftsaufbau geebnet.65 Klar kommt diese karolingische Adelspolitik in Norditalien zum Ausdruck, wo drei Viertel der Grafen und Markgrafen von nördlich der Alpen kamen. Die adelige Führungsschicht Norditaliens bestand in diesen Jahrzehnten aus

59 Sennhauser, Kirchliche Bauten in der Diözese Chur (wie Anm. 8) A 45: 100f., A52: 108f.60 Hans Nothdurfter, Latsch, St. Medardus in Tarsch. Bauaufnahme des Fußbodens, in: Denkmalpflege

in Südtirol 1999. Tutela dei beni culturali in Alto Adige 1999, Bozen 2001, 223–225.61 Sennhauser, Kirchliche Bauten in der Diözese Chur (wie Anm. 8) A70: 132f.62 Ciurletti, Antiche chiese del Trentino (wie Anm. 57) D6: 375–377, D7: 377f., D15: 389f.63 Sydow, Kirchenarchäologie in Tirol (wie Anm. 15) 85f.64 Bündner Urkundenbuch, Bd. 1, bearb. von Elisabeth Meyer-Marthaler/Franz Perret, Chur 1955, Nr.

19, 46; Reinhold Kaiser, Churrätien im frühen Mittelalter, Basel 1998, 39, 50f., 53; Irmtraut Heitmeier, Das Inntal. Siedlungs- und Raumentwicklung eines Alpentales im Schnittpunkt der politischen Interessen von der römischen Okkupation bis in die Zeit Karls des Großen (Schlern-Schriften 324), Innsbruck 2005, 345–352.

65 Eduard Hlawitschka, Franken, Alemannen, Bayern und Burgunder in Oberitalien (774–962). Zum Ver-ständnis der fränkischen Königsherrschaft in Italien (Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte 8), Freiburg i. Br. 1960, 23–52.

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Das St.-Valentin-Kirchlein bei Schlaneid in der Gemeinde Mölten

Abb. 5: Phase A1 und A2 der Steinkirche, M. 1:100. Plan: Günther Kaufmann/Andreas Putzer.

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Andreas Putzer, Günther Kaufmann

etwa 360 Franken, 160 Alemannen und nur 15 Baiern.66 Auch im Alpeninnern kam es zu einer Beschränkung bzw. Beseitigung der lokalen Machtinhaber. Im Inntal wurde nach dem Sturz Herzog Tassilos III. die Adelsherrschaft der Scharnitzer Gründersippe, die zum großen Familienverband der Huosi gehörte, abgelöst. Als Nachfolger des bairisch ausgerichteten Adels wird der sagenhafte Haymo vom Rhein (oder/und aus Italien) angesehen.67

So ist es mehr als wahrscheinlich, dass auch in Schlaneid der bairische Optimat entmach-tet und durch einen „karolingischen“ Amtsträger ersetzt wurde. Der Tschögglberg wurde der Grafschaft Nurichtal zugewiesen, die sich über das Eisack- und Inntal erstreckte; dies ist durch eine noch zu besprechende Urkunde von 923 für Mölten und Terlan erwiesen. Der Zentralraum Bozen wurde also politisch nicht dem Herzogtum Trient zugewiesen, sondern behielt seine Nordausrichtung.68

Auch der neue karolingische Amtsträger in Schlaneid dürfte zu seinem Herrschaftsan-tritt ein Erneuerungszeichen gesetzt haben, indem er die kaum fünfundzwanzig Jahre alte Holzkirche niederbrennen und eine neue Steinkirche errichten ließ. Insofern könnte man die erste Phase der Steinkirche in die letzten 780er-Jahre datieren.

Auf die karolingische Organisation des Territoriums von Schlaneid weist ein Flurname. Im Maria-Theresianischen Kataster ist zum Frankenhof gehörig eine Wiese Perdoni (Gp. 1385) eingetragen.69 Diese liegt auf der Terrasse unterhalb des heutigen Ortskerns, 650 m südöstlich der St.-Valentin-Kirche. Der Name Perdoni ist – gleich wie jener des auf der ge-genüberliegenden Etschtalseite befindlichen Ortes Perdonig – aus dem lateinischen pratum dominicum hervorgegangen und bedeutet „Herrenwiese“. Seit den Studien von Otto Clava-detscher ist bekannt, dass dieser Name für karolingisches Königsgut steht.70

In Mölten ist weiteres karolingisches Königsgut belegt. Der die karolingische Herrschafts- praxis fortführende letzte ostfränkische König Konrad I. (911–918) schenkte in etwa 916 dem Chorbischof von Kärnten Güter zu Mölten und Terlan in der Grafschaft Nurichtal. Chorbischof Gotabert wiederum übergab diese 923 der Kirche von Salzburg. Die umfang-reichen Güter auf dem Tschögglberg und im Etschtal mit Höfen und Häusern, Weingär-ten und Äckern, Wiesen und Weiden, Fisch- und Jagdrechten, Leibeigenen beiderlei Ge-schlechts lassen sich leider nicht mehr lokalisieren.71 Dennoch ist es sehr wahrscheinlich, dass sie nicht nur im Ortskern von Mölten selbst zu suchen sind.72

66 Hlawitschka, Franken, Alemannen, Bayern (wie Anm. 65) 23ff., bes. 40f.67 Heitmeier, Das Inntal (wie Anm. 64) 345f., 348f., 350.68 Josef Riedmann, Mittelalter, in: Fontana u. a., Geschichte des Landes Tirol (wie Anm. 48) 291–698, bes.

296; Kaufmann, Römische Grenzen (wie Anm. 3) 29.69 Südtiroler Landesarchiv: Rustikalsteuer-Kataster (1777), Gericht Mölten, KN 275.70 Otto P. Clavadetscher, Flurnamen als Zeugen ehemaligen Reichsgutes in Rätien, in: Die Alpen in der

europäischen Geschichte des Mittelalters (Vorträge und Forschungen 10), Konstanz-Stuttgart 1965, 111–139; Nachdruck in Otto P. Clavadetscher, Rätien im Mittelalter. Ausgewählte Aufsätze, Disentis-Sig-maringen 1994, 241–269.

71 Salzburger Urkundenbuch, bearb. von Willibald Hauthaler, Bd. 1, Salzburg 1910, 66ff., Nr. 1: „prop-rietatem, quam in locis Mellita et Torilan dictis in comitatu Nurihtale donante Chonrado rege acquisivit, cum curtilibus aedificiis vineis agris pratis pascuis piscationibus venationibus mancipiis utriusque sexus …“ TUB I/I (wie Anm. 50) Nr. 24.

72 Es könnte sein, dass die Möltner Güter vom Salzburger auf den Brixner Bischof und später teilweise auf

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Das St.-Valentin-Kirchlein bei Schlaneid in der Gemeinde Mölten

2.2. Steinkirche – Phase A22.2.1.Grabungsbefund der Steinkirche – Phase A2Dieser Phase sind die vollständige Erneuerung des nördlichen Teiles der Westmauer und

des östlichen Teiles der Südmauer zuzuordnen [Abb. 5]. Zur Neuerrichtung beider Mau-erteile hat man Baugruben ausgehoben, die in beiden Fällen mit Holzkohle, Mörtel- und Freskoresten (!) verfüllt wurden. Die Südmauer wurde dafür um ca. 20 cm nach Süden ver-setzt. Jedenfalls liegt der Verlauf der südöstlichen Südmauer (Phase A2) um so viel aus der Flucht der südwestlichen Südmauer (Phase A1). Die neu errichteten Mauern im Südosten und Nordwesten des Kirchenschiffes (Phase A2) bestehen aus regelmäßigem Bruchstein-mauerwerk mit Kalkmörtel. Die Apsismauer entspricht jener der Phase A1, es sind keine Veränderungen nachzuweisen. Mit Ausnahme der leichten Verbreiterung des Kirchenschif-fes im Südosten ändert sich an der Bauform der Kirche so gut wie nichts. Eigentlich hat sich die Notwendigkeit der Unterteilung in zwei Phasen (A1 und A2) nur aus dem Umstand ergeben, dass in den Baugruben der nördlichen Westmauer und der östlichen Südmauer Freskoreste gefunden worden sind, weshalb für diese Mauerteile ein Vorgängerbau postuliert werden muss. Auch sind die geringen Fundamentreste der östlichen Südmauer nicht mit kleinteiligen Bruchsteinen (wie Phase A1) gemauert. Es ist davon auszugehen, dass (min-destens) die gesamte Süd- und Westmauer im Aufgehenden neu errichtet wurden. Als Kir-chenboden hat nach wie vor der Steinplattenboden gedient.

2.2.2. Datierung der Steinkirche – Phase A2Als Datierungsanhalt post quem kann hier nur die erste Bauphase A1 – die ins 8./9. Jahr-

hundert (bzw. 788/9) datiert – herangezogen werden. Die Erneuerungen sind sicher nicht allzu lange nach der ersten Bauphase A1, sicher noch in karolingischer(-ottonischer) Zeit erfolgt. Sie sehen eben mehr nach einer statischen Ausbesserung aus – vielleicht infolge des Absackens der ursprünglichen Fundamente oder infolge eines Erdbebens – als nach einem neuen Baukonzept.

2.2.3. Historische Einordnung der Steinkirche – Phase A2Historische Anhaltspunkte für eine Datierung der baulichen Veränderung im 9.(/10.)

Jahrhundert lassen sich nicht beibringen. Es ist weiterhin von einer Eigenkirche bei einem Herrenhof auszugehen, auch wenn es keine Hinweise gibt, dass weiterhin vom Bestattungs-recht bei der Eigenkirche Gebrauch gemacht worden wäre. Vielleicht kann man daraus schließen, dass die Amts-/Lehensträger den Hof nur mehr von Bauleuten bebauen ließen. Seit der karolingischen Pfarrorganisation war die Marien-Kirche vom Hauptort Mölten als Pfarrkirche mit Pfarrfriedhof ausgestattet.

Meinhard II. übergegangen sind: Zingerle, Meinhards II. Urbare (wie Anm. 17) 139: „von vier hoeven, die der pischof von Brixen minen herren gab: 12 phvnt. […] Ein wise von Brihsen giltet: 6 phunt; wart geloest vmb 25 phunt.“ Es handelt sich auch hier um ansehnlichen Grundbesitz, der leider nicht zu lokalisieren ist.

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2.3. Steinkirche – Phase B2.3.1. Grabungsbefund der Steinkirche – Phase BIn dieser Phase erfährt die Kirche eine grundlegende Erneuerung [Abb. 6]. Es kommt

zur Neuerrichtung der Nordmauer, die heute noch mit Ausnahme der Nordwestecke – wo sie nur im Fundament nachzuweisen ist – erhalten ist. Das nur im Fundament erhalte-ne Nordwesteck besteht aus in Mörtel gebundenen Steinlagen, die an der rezenten westli-chen Nordmauer innen ca. 16 cm vorstehen. Das Fundament dieser Nordmauer (Phase B) setzt sich unterhalb der rezenten nördlichen Westmauer fort, wo es an die Außenschale der karolingischen(-ottonischen) Westmauer (Phase A2) anschließt. Die vorstehende unterste Steinlage der Nordmauer (Phase B) streicht also an der inneren Schale der karolingischen (-ottonischen) Westmauer vorbei, ist aber nicht eingebunden. Der im Aufgehenden erhaltene Teil der Nordmauer besteht aus gerundeten Bruchsteinen, die meist waagrecht verlegt wurden, dazwischen finden sich immer wieder aufgestellte Steinplatten. Die Mörtelbindung besteht aus porösem Feinsand. Auch die Apsis erfährt eine Erneuerung, indem auf die untersten Lagen der älteren karolingischen Apsismauer (Phase A1) ein regelmäßiges Bruchsteinmauerwerk mit noch fünf erhaltenen Quadersteinlagen aufgebaut wird. Die verwendeten Bausteine sind wür-felförmig zugehauene Porphyrsteine. Dieser Bauphase dürften auch die Pfostenlöcher V24, V25, V26, V27 und V28 östlich vor der Apsis angehören. Die als Verfärbungen erkannten Pfostenlöcher liegen stratigraphisch höher als die Pfostenlöcher der beiden Holzkirchen sowie die Kindergräber 5 und 1; sie sind in eine 10–16 cm dicke Mörtelsandschicht eingetieft. Man wird diese Verfärbungen wohl als Gerüstpfosten für den Neubau der Apsis interpretieren. Die Süd- und die Westmauer müssen ebenfalls erneuert worden sein. Von der dieser Phase B zuzu-weisenden Südmauer hat sich zwar nichts erhalten, die fehlenden gotischen Freskomalereien auf der rezenten Südmauer belegen aber, dass es eine ältere Südmauer als die rezente gegeben haben muss, ansonsten wäre das Fresko bzw. die dazugehörige Putzschicht – wie an der Nord-mauer – heute noch erhalten. Das unter der rezenten Westmauer vorstehende Mauerwerk kann nicht eindeutig dieser Bauphase zugewiesen werden. Wir haben es als die Außenschale der karolingischen Westmauer (Phase A1) interpretiert. Zur Kirchenausstattung gehört der Blockaltar, der aus Bruchsteinen aus Porphyr und Sandsteinplatten errichtet ist. Gebunden sind die Bausteine in rötlichbraunem Lehm. Mitten in der Altarfläche findet sich ein aus mar-mornen Steinplättchen bestehender Reliquienloculus.73 Der Altar war – aufbauend auf einem vorhergehenden älteren, aber nicht dokumentierten – zusammen mit der gesamten Apsis neu errichtet worden. In der südlichen Apsismauer liegt eine 30 x 30 x 30 cm große Nische, die wohl zur Aufnahme der liturgischen Messgeräte gedient hat. Fußboden konnte keiner nach-gewiesen werden; man wird wohl annehmen müssen, dass der Steinplattenboden weiterhin genutzt bzw. neu verlegt wurde. Die Kirche erfährt in dieser Bauphase eine bescheidene Erwei-terung des Saales, ansonsten entspricht der Bautyp dem karolingischen Erstbau.

2.3.2. Datierung der Steinkirche – Phase BDie Datierung dieser Bauphase kann nur anhand des Baubestandes erfolgen. Gut ein-

sehbar sind heute noch die Nordmauer innen und die Apsis außen sowie das Fundament der Nordmauer in der Nordwestecke. Die horizontale Lage der Bausteine in der Nordmauer

73 Nothdurfter, Kirchenbauten Südtirol (wie Anm. 5) 285.

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Das St.-Valentin-Kirchlein bei Schlaneid in der Gemeinde Mölten

mit immer wieder auftretenden kleinen Steinen bzw. Steinplatten, die zur Verfüllung einge-bracht wurden, um die horizontale Lagigkeit des Mauerwerks zu garantieren, verweisen auf romanische Bautechnik.74 Auch das im Fundament erhaltene Mauerwerk der Nordwestecke, das in reichlich Mörtel gebunden ist, entspricht der in der Romanik üblichen Fundamen-tierung von Mauern.75 Das aufgehende Mauerwerk der noch erhaltenen Nordmauer findet einen Vergleich in der Außenseite der Südwand der Stiftskirche von St. Lorenzen (Bistum Säben/Brixen), wo ebenfalls in der Bauphase III (um 1090) ein horizontallagiges Schicht-mauerwerk vorliegt.76 Die unteren Lagen der neuen Apsis bauen auf dem karolingischen Fundament auf und bestehen aus niedrigen, lagig verlegten Steinplatten mit horizontalen Mörtelbändern. Dies entspricht ebenso romanischer Bautechnik. Ein Vergleich findet sich im Fundament der Südwand der Krypta der St.-Pankratius-Burgkapelle von Schloss Ti-rol (Bistum Chur)77, die von den Bearbeitern um 1100 datiert wird. Die im aufgehenden Mauerwerk der Apsis verwendeten quaderförmig zugehauenen Porphyrsteine und die ho-rizontale Verlegung finden einen Vergleich in der Südwand des Kirchenschiffes der Maria-Trost-Kirche in Untermais (Bistum Trient), die aufgrund den drochronologischer Untersu-chungen um 1108/10 datiert.78 Anhand des einsehbaren Baubestandes ergibt sich für die St.-Valentin-Kirche in Schlaneid eine Datierung der Phase B ins frühe 12. Jahrhundert.

2.3.3. Historische Einordnung der Steinkirche – Phase BHistorische Quellen zum romanischen Bau bzw. dessen Weihedatum gibt es keine. Selbst

Schlaneid ist im Hochmittelalter urkundlich noch nicht erwähnt.Im Jahr 1027 übergab Kaiser Konrad II. dem Bischof Udalrich II. von Trient die Graf-

schaften Bozen und Vinschgau. Die Grafschaft Bozen ist damals begründet und erstmals vergeben worden, sie wurde aus den Territorien der Grafschaften Nurichtal und Vinschgau herausgegliedert.79 Nach den Grafen von Bozen hatten in der ersten Hälfte des 12. Jahrhun-derts die sogenannten Grafen von Morit-Greifenstein – beide Geschlechter sind Verwandte der Grafen von Eppan – die Grafschaft Bozen inne; nach dem Aussterben der Greifenstei-ner 1166 behielt der Trienter Bischof Adelpret die Hälfte der Grafschaft Bozen in eigener Verwaltung und die andere Hälfte übertrug er Graf Berthold von Tirol.80 Die Gerichtsherr-

74 Martin Mittermair/Martin Bitschnau, Das Benediktinerstift Sonnenburg bei St. Lorenzen (Pustertal, Südtirol), in: Sennhauser, Frühe Kirchen (wie Anm. 5) Bd. 2, 665–673.

75 Nothdurfter, Kirchenbauten Südtirol (wie Anm. 5) 286.76 Mittermair/Bitschnau, Benediktinerstift Sonnenburg (wie Anm. 74) 668, Abb. 2.77 Walter Hauser/Martin Mittermair, Die Bauanalyse, in: Bauforschung auf Schloss Tirol 1 (1999) 31–34;

Martin Bitschnau/Walter Hauser/Martin Mittermair, Die Baugeschichte von Schloss Tirol im Hoch-mittelalter, in: Schloss Tirol 1971–2011. Neues Leben in alten Mauern, Bozen 2011, 212–238.

78 Martin Mittermair, Baugeschichte, in: Die Kirche Maria Trost in Untermais (Veröffentlichungen des Südtiroler Kulturinstitutes 6), hg. von Albert Torggler, Bozen 2006, 43–75, bes. 46–55.

79 TUB I/I (wie Anm. 50) Nr. 52; Riedmann, Mittelalter (wie Anm. 68) 329 (Karte); Fritz Vonficht, Zur Urkunde Kaiser Konrads II. über die Schenkung der Grafschaften Vinschgau und Bozen an den Bischof von Trient, in: Der Schlern 54 (1980) 81–88; Walter Landi, Tra cogantio e agnatio. Sulla provenienza degli Udalrichingi di Bolzano, conti di Appiano, in: Geschichte und Region. Storia e regione 11/2 (2002) 37–71; Kaufmann, Römische Grenzen (wie Anm. 3) 29f.

80 Riedmann, Mittelalter (wie Anm. 68) 353, 356f.

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schaft Greifenstein (bzw. das Gericht Mölten) ist in diesem Kontext zu sehen. Sie war in der Hand der jeweiligen Amtsträger und hatte neben der Rechtspflege in erster Instanz auch die politische Verwaltung über, nämlich die Einhebung der Steuern, das Aufgebot zur Verteidi-gung, Erhaltung der Verkehrswege, Armenpflege usw.81

Unter diesen Voraussetzungen hat sich Schlaneid im Verlauf des Hochmittelalters vom frühmittelalterlichen Königsgut zum spätmittelalterlichen Kleindorf entwickelt; im Jahr 1330 ist Schlaneid nämlich als villa erwähnt.82 Das karolingische Königsgut und die Nach-folgehöfe wurden mehrfach geteilt und kamen in die Hände verschiedener Grundherren. Während die St.-Valentin-Kirche auf der unteren Terrasse im frühen 12. Jahrhundert in romanischem Stil erneuert wurde, ist unklar, wie lange der dazugehörige Hof noch instand-gehalten und bewirtschaftet wurde. Bereits auf dem darüber liegenden Hang liegen die bei-den Mayrhöfe. Sie gehen sicher auf das Hochmittelalter zurück und stehen am Beginn eines neuen Siedlungszyklus. Wenn die von Josef Tarneller vorgenommene Gleichsetzung des Mayrhofes (Bp. 204–205) mit dem 1450 genannten „der ober Mair“ stimmt, dann muss – zumindest bei der Gründung desselben im Hochmittelalter – auf der unteren Terrasse noch ein Hof bestanden haben. Der zweite Mair am Hangrücken ist nämlich der höher liegende Kastnerhof (Bp. 192, 194–195), der 1330 als „castenarius de Schelaneichk“ aufscheint.83 Bei beiden sind die mittelalterlichen Grundherren nicht angegeben: der Mayrhof (KN 278) ist im Maria-Theresianischen Kataster von 1777 bereits abgelöst, der Kastnerhof (KN 297) hingegen gehörte den von Giovanelli in Bozen, die dort erst im 18. Jahrhundert zu ihren grundherrlichen Besitzungen gekommen waren. Doch scheint der obere Mayr in einer Hof-liste auf, in der auch das Urschengut und der Raiderhof genannt sind, Letzterer gehörte 1777 der Gerichtsherrschaft.84 Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass auch der obere Mayr ursprünglich zur Gerichtsherrschaft gehörte. Bei vielen anderen lässt sich die grundherrliche Entwicklung vom karolingischen Königsgut zu den neuzeitlichen Grundherren gut nach-verfolgen. Der bereits genannte Raiderhof (KN 272), das Schwabenhäusl (KN 305) und die neuzeitliche Behausung Händl (KN 304) gehörten 1777 der Gerichtsherrschaft – in direkter Nachfolge der hochmittelalterlichen Grafschaft Bozen und des frühmittelalterli-chen Königsgutes. Ähnliches gilt für den Schözerhof (KN 285) und den Gschnöllen-Hof (KN 301), beide hatten 1777 jeweils zur Hälfte das Kloster Muri-Gries und die Erben von Graf Trapp zum Grundherrn. Die Grundherrschaft des Klosters Muri-Gries geht auf dessen Gründer, Graf Arnold III. von Morit-Greifenstein und somit letztendlich wieder auf die Grafschaft Bozen zurück.85 Auch für den Hilberhof (KN 290), dessen Grundherren 1777 die Erben von Franz Karl Graf Trapp waren, kann man wohl denselben Weg vermuten wie für den Schözerhof und den Gschnöllen-Hof. Selbst wenn im Detail noch nicht geklärt ist, auf welche Art und Weise die Grafen Trapp, die erst unter Herzog Sigmund (dem Münz-

81 Schwarz, Chronik von Mölten (wie Anm. 2) 46–61, bes. 47.82 Josef Tarneller, Die Hofnamen im Burggrafenamt und in den angrenzenden Gemeinden, Wien 1909,

Nachdruck Meran 1986, (204) 328, Anm. 1: „villa Schelaneichk“.83 Tarneller, Hofnamen (wie Anm. 82) Nr. 1806, 1809. Als castenarius bezeichnete man einen Urbarver-

walter oder Mair.84 Tarneller, Hofnamen (wie Anm. 82) Nr. 1808, 1809, 1811.85 Schwarz, Chronik von Mölten (wie Anm. 2) 44–46, bes. 46.

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Das St.-Valentin-Kirchlein bei Schlaneid in der Gemeinde Mölten

reichen) um 1500 von der Steiermark nach Tirol kamen und im Vinschgau die Vögte von Matsch beerbten, zu ihrem Besitz in Bozen und Mölten gelangten. Auch beim Reiser (KN 292) und beim Frankenhof (KN 275), die 1777 dem Kellenamt Meran und dem Pfarrwi-dum Tirol Grundzins zahlten, wird man den Weg über die Grafen von Tirol, die 1166 mit Graf Berthold von Tirol das halbe Erbe der Greifensteiner übernahmen, nicht abstreiten können. Bleiben nur mehr das Urschengut (KN 297) und der luteigene Knottenpaur (KN 323) übrig. Das Urschengut gehörte 1777 Peter von Zallinger; die Familie von Zallinger gelangte erst im 17. Jahrhundert zu ihren grundherrlichen Besitzungen im Raum Bozen.

Von den alten Fluren gehört der Valentins-Acker (Gp. 1518–1519) 1777 zum Hilberhof (Erben von Franz Karl Graf Trapp) und die Wiese Perdoni (Gp. 1385) zum Frankenhof (Pfarrwidum Tirol).

Selbst wenn die Hälfte der Höfe erst im Spätmittelalter ab 1330 (Kastner), 1450 (Mayr, Raider, Ursch) bzw. 1493 (Hilber, Gschnell) sowie der Rest überhaupt erst in der Neuzeit urkundlich genannt sind, so kann man dennoch eine Entwicklung des Dorfes am Hang ab dem Hochmittelalter nachzeichnen und alle Grundherrschaften letztendlich auf die hoch-mittelalterliche Grafschaft Bozen und das karolingische Königsgut zurückverfolgen.

König bzw. Kaiser Heinrich II. (1002–1024), der bereits 1004 die Grafschaft Trient dem Bischof von Trient verliehen hatte, hat sich durch zahlreiche Schenkungen als besonderer Wohltäter des Bistums Säben/Brixen hervorgetan.86 Heinrich wurde schon zu Lebzeiten als der Fromme gepriesen, nach seinem Tod wurde in Bamberg das Bild des heiligen Kaisers begründet, heiliggesprochen wurde er jedoch erst 1146. Von da an verbreitete sich sein Kult schnell im Bistum Bamberg und in den anderen Bistümern Bayerns, aber auch im Elsass und im Bodenseegebiet. Erst 1348 wurde der Heinrichstag, der 13. Juli, auch im ferneren Bistum Basel zum hohen Feiertag erkoren.87

Dieser Heinrich II. war auch in Schlaneid ein wichtiger Heiliger, sein Todestag, der 13. Juli, war ein großer Feiertag, an dem ein Gottesdienst abgehalten wurde und nicht gearbeitet werden durfte.88 In der neuen St.-Valentin-Kirche im Dorfkern gehört zum Seitenaufbau des Barockaltares eine Statue des heiligen Kaisers Heinrich II. in Kriegstracht, in der Iko-nographie der Wetterherren.89 Die Verehrung Heinrichs II. in Schlaneid fällt sicher noch in die Phase der romanischen Kirche. Die Memoria Kaiser Heinrichs II. gründet in Tirol auf dem Heiligen selbst. Seine Kanonisierung erfolgte 1146 zur Zeit Graf Bertholds von Tirol (1141–1184), der wiederum ab 1166 zur Hälfte das Greifensteiner Erbe antrat. Erst später, ab dem Spätmittelalter, wurde Heinrich als Wetterpatron vereinnahmt. So ist überliefert, dass in Schlaneid während der Sommermonate sechs Wetterämter abgehalten wurden. Eine Stif-tung – und damit Datierung – der Wetterämter hat sich in den Urkunden nicht erhalten.90

86 Riedmann, Mittelalter (wie Anm. 68) 306f.87 Carl Pfaff, Kaiser Heinrich II. Sein Nachleben und Kult im mittelalterlichen Basel, Basel u. a. 1963; Ste-

fan Hess, Zwischen Verehrung und Versenkung. Zum Nachleben Kaiser Heinrichs II. in Basel, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 102 (2002) 83–143.

88 Schwarz, Chronik von Mölten (wie Anm. 2) 110.89 Schwarz, Notizen (wie Anm. 2) 369; Leo Andergassen, Kirchen in Mölten, Lana 1993, 25.90 Atz/Schatz, Der deutsche Antheil (wie Anm. 2) 323. Drei Wetterämter wurden früher in St. Ulrich in

Gschleier abgehalten, dann „aber wegen geringer Betheiligung der Bevölkerung nach Schlaneid übertragen“.

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2.4. Steinkirche – Phase C12.4.1. Befund der Steinkirche – Phase C1Die strukturellen Veränderungen der Kirche beschränken sich in dieser Phase auf die

Ostwand [Abb. 6]. Es kommt zu einer Erneuerung der Apsisansätze: Auf beiden Seiten wurden die Ecken mit 15 cm hohen Sandsteinblöcken verstärkt und darüber ein Triumph-bogen eingezogen. Heute noch sichtbar sind die dabei entstandenen Baufugen der Sand-steinquader am nördlichen Apsisansatz sowohl in der Kirchenschiffostmauer als auch in der nördlichen Apsiswand. Am südlichen Apsisansatz kann die von den Ausgräbern beobachtete Baunaht an der romanischen Nische in der südlichen Apsiswand aufgrund der jüngsten Re-staurierungsmaßnahmen nicht mehr eingesehen werden. Dort wurde nicht nur der Apsisan-satz, sondern die gesamte südliche Ostmauer erneuert. Die neue Triumphbogenwand, die teilweise aus romanischen Bausteinen errichtet wurde, muss an die ehemalige romanische Südmauer angebaut worden sein. Heute ist dort eine Baunaht sichtbar, die trotz des späteren Anbaus des Turmes erhalten blieb. Wir deuten diese Baufuge zweiphasig: zuerst als Baunaht zwischen der romanischen Südmauer (Phase B) und der angelehnten südlichen Triumphbo-genwand (Phase C1); dann als Baufuge zwischen der Triumphbogenwand (Phase C1) und dem angebauten spätgotischen Glockenturm (Phase C2). Außen an der Nordostecke des Kirchenschiffes wurden Sandsteinplatten im Versturz gefunden, die auf eine Erneuerung der Nordostecke in dieser Phase verweisen. Im erhaltenen Baubefund kann dies leider nicht mehr beobachtet werden. Die gesamte Innenfläche der Apsis wurde mit Freskomalerei ver-sehen. Die Malerei ist durch ein horizontales Band in zwei Felder getrennt. Den unteren Bereich zieren dreipassförmige Kleeblätter mit gebogenem Stil. Im oberen Feld hat sich nur die Darstellung von Füßen erhalten, die von einem Heiligen stammen. Während der Gra-bungen konnten dreizehn Bildzonen beobachtet werden, die heute nicht mehr erkennbar sind und in denen vermutlich die 12 Apostel und im Zentrum Christus als Weltenrichter dargestellt sind.91 Die Freskomalerei hat sich teilweise auch an der nördlichen Ostmauer erhalten, wo das Band in der Nordostecke ca. 33 cm vertikal ansteigt und sich dann an der romanischen Nordmauer fortsetzt. Unterhalb des Bandes finden sich auch hier die drei-passförmigen Blätter, die sich bis zu 2,25 m von der Nordostecke erhalten haben, während das über dem Band gemalte Bildprogramm nicht erhalten ist. An der südlichen Ostmauer verschwindet das Freskoband mit darunterliegenden dreipassförmigen Blättern hinter dem später errichteten Seitenaltar. Freskoreste waren auch in der südöstlichen Ecke oberhalb des Seitenaltares sichtbar, heute sind sie nicht mehr erhalten. Ansonsten hat die Kirche keine weiteren Baumaßnahmen erfahren. Der romanische Saal blieb unverändert, er wurde nur neu ausgemalt. Auf der älteren romanischen Putzschicht hat man den Putz mit der Fresko-malerei angebracht.

2.4.2. Datierung der Steinkirche – Phase C1Als Datierungsanhalt gilt die teilweise erhaltene Freskomalerei, die sich über die Baufu-

gen für die Errichtung des Triumphbogens zieht. Die Freskomalerei aus regelmäßig ange-brachten dreipassförmigen Kleeblättern findet eine, wenn auch nicht überzeugende, Ent-

91 Andergassen, Kirchen (wie Anm. 89) 23.

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Das St.-Valentin-Kirchlein bei Schlaneid in der Gemeinde Mölten

Abb. 6: Phase B und C1–4 der Steinkirche, M. 1:100. Plan: Günther Kaufmann/Andreas Putzer.

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sprechung an der Triumphbogenwand der Unterkapelle auf Schloss Tirol.92 Die malerische Ausstattung der Schlosskapelle erfolgte im frühgotischen Stil und datiert in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts.93

2.4.3. Historische Einordnung der Steinkirche – Phase C1Für die radikale Neugestaltung des romanischen Kircheninnern mit Einzug eines Tri-

umphbogens und mit kompletter frühgotischer Innenausmalung sind keine archivalischen Quellen beizubringen.

Im 14. Jahrhundert war Schlaneid einer von vielen Ortsteilen von Mölten und die St.-Valentin-Kirche eine der fünf Filialkirchen der Pfarre Mölten.

Wohl unter der Herrschaft von Gräfin Margarethe (Maultasch) von Tirol (1335–1363)94 erfolgte die Innenneugestaltung der St.-Valentin-Kirche. Kurz vorher hat St. Blasius und Silvester in Verschneid Fresken einer Kreuzigung und einer Heiligenreihe erhalten.95 Bald nachher wurde auch die Pfarrkirche Maria Himmelfahrt in Mölten mit Fresken eines Katha-rinenmartyriums geschmückt.96 Im 14. Jahrhundert gab es mehrere Wechsel in der Leitung der Pfarrei von Mölten. Von diesen Amtsträgern könnte jeder ein Zeichen seines Antritts gesetzt haben: Guarnardus/Bernhard (1318, 1323 und 1336 Rector de Milten), Walter (1319 Vicar von Melten), Wernhard/Bernhard (1330 plebanus super monte Maleti), Heinrich (1343 Pfarrer von Malet), Nikolaus (1344 Pfarrherr zu Melten), Kaspar Kissinger (1394 Pfarrherr auf den Melten).97

Eine Erklärung für die qualitative Aufwertung der St.-Valentin-Kirche im Stil der Früh-gotik könnte auch die Wiederbelebung des Valentin-Kultes oder das Aufkommen einer lo-kalen Wallfahrt sein. Der Kult des heiligen Valentin wurde im 12./13. Jahrhundert von Passau aus forciert. Als Grundlage dazu diente die von einem Anonymus Passaviensis nieder-geschriebene gefälschte Lebensbeschreibung des Heiligen.98

Es ist überliefert, dass zur St.-Valentin-Kirche in Schlaneid alljährlich Bittprozessionen gegen die Fallsucht abgehalten wurden.99 Für diese Bittprozessionen gibt es keine urkund-

92 Waltraud Kofler-Engl, Frühgotische Wandmalerei in Tirol, Bozen 1995, 175, Abb. 32; Leo Andergassen, Überlegungen zur Ausstattung der gotischen Wandmalereien in der Burgkapelle von Schloss Tirol, in: Schloss Tirol 1971–2011. Neues Leben in alten Mauern, Bozen 2011, 46–81, bes. 77 ff., Abb. 12 datiert in etwa 1311–1330.

93 Leo Andergassen, Kunstraum Südtirol – bildende Kunst im Spiegel europäischer Epochen, Bozen 2007, bes. 59–61: „um 1330/35“; Waltraud Kofler-Engl, Malerei von 1270–1430, in: Kunst in Tirol – Von den Anfängen bis zur Renaissance, Bd. 1, hg. von Paul Naredi-Rainer/Lukas Madersbacher, Inns-bruck-Wien 2007, 295–339, bes. 298: „um und nach“ 1330.

94 Die Landesfürstin stiftete 1351 für die Pfarrkirche von Terlan 50 solidos Öl, 3 Yhren Wein und angeblich ihre mit Silber bestickte Haube. Atz/Schatz, Der deutsche Antheil (wie Anm. 2) 291.

95 Schwarz, Chronik von Mölten (wie Anm. 2) 110: „aus dem frühen 14. Jahrhundert“; Andergassen, Kirchen (wie Anm. 89) 16 f.: „Beginn des 14. Jahrhunderts […] Linearstil, um 1300.“

96 Schwarz, Chronik von Mölten (wie Anm. 2) 105: „Bozner Schule um 1350–1370“; Andergassen, Kir-chen (wie Anm. 89) 4: „spätes 14. Jahrhundert“.

97 Atz/Schatz, Der deutsche Antheil (wie Anm. 2) 290; Schwarz, Chronik von Mölten (wie Anm. 2) 117.98 Kaufmann, Das castrum Maiensis (wie Anm. 20) 32f., 47.99 Schwarz, Notizen (wie Anm. 2) 369; Schwarz, Chronik von Mölten (wie Anm. 2) 108.

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lich belegten Stiftungen, auch sind keine Ablassbriefe für die lokale Wallfahrt bekannt, die die zeitliche Tiefe Letzterer belegen würden. Kreuzgänge von Mölten aus nach Schlaneid wurden am Fest der Heilig-Kreuz-Auffindung und an den ersten Tagen der Bittwoche abge-halten.100 Diese Handlungen passen bestens zur spätmittelalterlichen Frömmigkeit.101 Ver-mutlich aufgrund der kindlichen Auslegung des Namens wurde Valentin zum Nothelfer gegen „daz vallende“ (den vallient), also gegen Epilepsie, angerufen. Der Name Valentin leitet sich vom lateinischen valens ab und bedeutet der Gesunde oder der Starke.102 Ziel der Bittprozessionen könnte neben der Kirche auch eine in unmittelbarer Nähe befindliche Schwefelquelle103 gewesen sein. Schwefelbäder fanden in der Vergangenheit und zum Teil auch heute noch Anwendung zur Schmerzlinderung bei Gicht. Nebst seiner Verehrung als Helfer gegen Epilepsie, galt Valentin auch als Patron bei Krämpfen, Gicht und Viehseuchen.

2.5. Steinkirche – Phase C22.5.1. Befund der Steinkirche – Phase C2In dieser Phase wird auf die Südostecke des Kirchenschiffes ein massiver Glockenturm

(min. 1 x 1,5 m, max. 1,2 x 2 m) aufgebaut, der aus unregelmäßigem Bruchsteinmauerwerk und großen behauenen Ecksteinquadern besteht [Abb. 6]. Der Turmstumpf ist heute an der Außenseite noch bis auf 4 m Höhe erhalten. Die in der Südostecke verwendeten Quader ha-ben eine Höhe von ca. 40 cm und sind aus Porphyr. Das Mauerwerk, das an die romanische Apsis und an die heute nicht mehr vorhandene romanische Südmauer (Phase B) anbindet, ist von Bruchsteinen und kleinen Füllsteinen geprägt. An der Innen- und Außenseite der heutigen Südmauer ist eine vertikale Baufuge erkennbar. Innen verläuft die Baunaht 30–35 cm von der Südostecke, der südöstliche, zum Turmanbau gehörende Mauerstumpf bildet zudem einen 6 cm breiten Absatz zur heutigen Südmauer. Dies bezeugt wohl, dass der Turm ursprünglich an ein älteres, dickeres Mauerwerk angebaut war. Dabei muss es sich um die romanische Südmauer gehandelt haben. Die Breite der romanischen Nordmauer beträgt zwischen 80 und 100 cm, die Mächtigkeit des zum Turm gehörenden Mauerstumpfes – und damit wohl auch der romanischen Südmauer – beträgt 80 cm. Auch in diesem Bereich setzen wir zwei zeitlich unterschiedliche Baufugen voraus: zuerst eine Baunaht zwischen der romanischen Südmauer (Phase B) und dem angebauten Turm (Phase C2); dann die heutige Baufuge zwischen dem Turm (Phase C2) und der angebauten rezenten Südmauer (Phase C3). Auf diese Weise lässt sich das Fehlen der Freskomalerei auf der heutigen Südmauer innen erklären. Entlang der Baufuge außen befindet sich auf einer Höhe von 1,5 m eine Nische, deren Tiefe ca. 25 cm beträgt. Die Nische ist vermörtelt. Die einzig sinnvolle Erklä-

100 Atz/Schatz, Der deutsche Antheil (wie Anm. 2) 322.101 Arnold Angenendt, Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur

Gegenwart, München 1994, 2. Auflage Hamburg 2007, 136f. Stefan Fassbinder, Wallfahrt, Andacht und Magie (Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters Beiheft 18), Bonn 2003, 122f.

102 Hans Fink, Die Kirchenpatrozinien Tirols: Ein Beitrag zur tirolisch-deutschen Kulturgeschichte, Passau 1928, 212; Leopold K. Mazakarini, Die Attribute der Heiligen. Die Symbole in der mittelalterlichen Kunst, Wien 1987, 86; Schwarz, Chronik von Mölten (wie Anm. 2) 108.

103 Atz/Schatz, Der deutsche Antheil (wie Anm. 2) 323.

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rung dieser Nische scheint die Verwendung als Gerüstloch, da für die Errichtung des Turmes ein Gerüst notwendig war. Die Anbaunaht des Turmes an der Außenseite des Apsisschenkels ist ebenso gut erkennbar und gewinnt mit steigender Höhe eine Breite von 1,2 m von der Südostecke.

2.5.2. Datierung der Steinkirche – Phase C2Der Turmanbau an das bestehende romanische Mauerwerk muss nach der Einbringung

des Triumphbogens sowie der Freskomalerei erfolgt sein, der zum Turm gehörende Mau-erstumpf lehnt an die frühgotische Triumphbogenwand an, hat in diesem Bereich notge-drungen die Freskomalerei zerstört und ist zeitlich jünger als diese: also nach der Mitte des 14. Jahrhunderts zu datieren. Die Umgestaltung der St.-Valentin-Kirche mit großen Ecksteinquadern ist im Zuge der regen spätgotischen Bautätigkeit im Etschtal in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu sehen:104 So erfahren beispielsweise die St.-Katharina-Kirche in Hafling 1452 und die Möltner Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 1482/9 gotische Um-bauarbeiten.105 Bautypologisch bieten sich zur Mauertechnik mit großen Eckquadern gute Vergleiche an: Die Befestigungsanlage von Sigmundskron wurde von Herzog Sigmund ab 1474 errichtet.106 Die spätgotischen Umbauphasen auf Hocheppan – Wirtschaftsgebäude, Arkadenhof, Zwinger, Basteien – datieren um 1500.107

2.5.3. Historische Einordnung der Steinkirche – Phase C2Natürlich gibt es auch für diese Umbauarbeiten an der Kirche im späten 15. Jahrhundert

keine schriftlichen Hinweise. Die Errichtung des massiven Glockenturmes von Schlaneid fällt in die Tiroler Regierungsjahre von Herzog Sigmund (dem Münzreichen) (1439–1490) oder von Kaiser Maximilian I. (1490–1519).

Es handelt sich um die Zeit massiver Gotisierung auf dem Tschögglberg und in Mölten: Pfarrkirche Maria Himmelfahrt in Mölten (1482/9), St. Blasius und Silvester in Verschneid (um 1500), St. Jakob in Langfenn (1510).108 Und dies, obwohl die Pfarrer von Mölten zu dieser Zeit auch noch Terlan zu betreuen hatten, wo sie sich zumindest zeitweise aufhielten: Ulrich Harlander von Malspüchel (1445 Pfarrer auf Melten), Herr Kaspar (1450 Pfarrer von Terlan/Mölten), Sigmund Kann (1466 Pfarrvikar von Mölten), Johannes Croin (vor 1498 Rector ecclesiarum in Meltina et Terlano), Petrus Janus (nach 1498 Pfarrer von Terlan/Mölten).109

104 Martin Laimer, Gotische Sakralarchitektur, in: Kunst in Tirol. Von den Anfängen bis zur Renaissance, hg. von Paul Naredi-Rainer/Lukas Madersbacher, Bd. 1, Innsbruck-Wien 2007, 159–198.

105 Schwarz, Chronik von Mölten (wie Anm. 2) 105; Laimer, Gotische Sakralarchitektur (wie Anm. 104) 168.

106 Walter Landi/Wilfried Beimrohr/Martha Fingernagel-Grüll, Sigmundskron, in: Tiroler Burgen-buch, Bd. 10: Überetsch und Südtiroler Unterland, hg. von Magdalena Hörmann-Weingartner, Bozen 2011, 223–266, bes. 255.

107 Waltraud Palme-Comploy, Hocheppan, in: Hörmann-Weingartner, Tiroler Burgenbuch (wie Anm. 106) 71–116, bes. 94f., Abb. 17b.

108 Andergassen, Kirchen (wie Anm. 89) 4, 17, 29.109 Atz/Schatz, Der deutsche Antheil (wie Anm. 2) 292; Schwarz, Chronik von Mölten (wie Anm. 2) 117.

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Das St.-Valentin-Kirchlein bei Schlaneid in der Gemeinde Mölten

Auch die spätgotischen Umbauten der St.-Valentin-Kirche könnten mit der bereits vor-hin genannten lokalen Wallfahrt bzw. den Bittprozessionen zu dem zum Nothelfer mutier-ten Heiligen erklärt werden. Solche Wallfahrten und Prozessionen gehören zur spätmittel-alterlichen Welt.110

2.6. Steinkirche – Phase C32.6.1. Befund der Steinkirche – Phase C3Die letzte in die Bausubstanz eingreifende Baumaßnahme ist die Neuerrichtung der

Süd-, West- und teilweise der Nordmauer [Abb. 6]. Die Westmauer ist bis zu den Fenster-sohlbänken ca. 1 m hoch erhalten und besteht aus unregelmäßigem Bruchsteinmauerwerk mit kantig zugehauenen Steinen aus Porphyr. In die Nordwest- und Südwestecke wurden große Porphyr- und Sandsteinquader eingebaut. An der Außenseite war der Verputz nur stellenweise erhalten und laut Ausgräber mit einer mattrötlichen Farbe übertüncht. An der Innenseite sind alle drei Mauern zweimal mit weißer Tünche überzogen worden. In die Westmauer dürfte damals ein neues Spitzbogenportal eingelassen worden sein, das sich in der heutigen Kirche im Ortskern von Schlaneid erhalten hat. Das Aufgehende der Südmauer entspricht bautechnisch der Westmauer und schließt an das Mauerwerk des Turmes (Phase C2) an. In die Südmauer ist eine Nische eingelassen, die durch die gesamte Mauer durch-reicht und somit eine Tiefe von ca. 70 cm aufweist. Die über 70 cm breite Südmauer ist rund 6 cm schmäler als der zum spätgotischen Turm gehörende, 80 cm breite Mauerstumpf. Auch im Norden ist die neu errichtete Nordmauer gut 10 cm schmäler als die romanische Mauer (Phase B), an die sie anbaut, wodurch im Kirchenschiff jeweils ein Absatz entstand. Die schlampigen Arbeiten haben ein Kirchenschiff mit unregelmäßigen Maueranbindungen und einer teilweisen Freskoausmalung an Nord- und Ostwand sowie weißer Tünchung an Nord-, West- und Südwand hinterlassen. Der Phase C3 ist weiters ein gelblicher Estrich-boden zuzuweisen, der 1,5 bis 2 cm stark war. Der Boden hat sich nur sehr lückenhaft im Kirchenschiff erhalten: Im Chor konnte er gar nicht nachgewiesen werden, er bindet jedoch an die neu errichtete Süd- bzw. Westmauer an. Im vorderen Teil des Kirchenschiffes blieb der Plattenboden erhalten, deshalb muss man darauf schließen, dass der neue Estrich an diesen Plattenboden angebunden hat. Auf dem neuen Estrich westlich des Plattenbodens waren wohl zwei Reihen von Betbänken aufgestellt.

2.6.2. Datierung der Steinkirche – Phase C3Zeitlich muss die Neuerrichtung der Süd- bzw. Westmauer bald auf die Errichtung des

spätgotischen Glockenturmes folgen. Das Mauerwerk entspricht bautechnisch jenem des Turmes und dürfte daher nicht viel jünger sein. Ein Anhaltspunkt für die Datierung ist das Spitzbogenportal. Die Süd-, West- und teilweise Nordmauer waren spätgotischer Ersatz für die baufälligen romanischen Mauern, sie wurden wohl um 1500 bzw. in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts errichtet.

110 Die Darstellung der Nothelfer ist ein wichtiges Element der Ende des 14. Jahrhunderts erfolgten Ausma-lung im Chor der Pfarrkirche von Terlan. Atz/Schatz, Der deutsche Antheil (wie Anm. 2) 293.

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Andreas Putzer, Günther Kaufmann

2.6.3. Historische Einordnung der Steinkirche – Phase C3Archivalische Quellen für diese spätgotischen Umbauten um 1500 bzw. des frühen 16.

Jahrhunderts sind keine bekannt. Zeitlich fallen die Arbeiten in die Zeit Kaiser Maximilians I. (Landesfürst von Tirol 1490–1519), Kaiser Karls V. (Landesfürst von Tirol 1519–1521) oder eventuell auch noch von dessen Bruder Ferdinand I. (Landesfürst von Tirol 1522–1564).

Nachdem die Pfarrer von Mölten bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch Terlan betreuten, verlagerten sie im 16. Jahrhundert ihren Schwerpunkt nach Terlan. In einem Vertrag von 1521 mit seinem Seelsorger Heinrich Markhart erstritt sich Terlan die Residenzpflicht des Pfarrers oder Vikars von Allerheiligen bis Ostern.111 Bei der Visitation von 1538 wohnte der Pfarrer Ulrich Maynstainer in Terlan und ein Kaplan in Mölten, laut Visitationsprotokoll hatte die Pfarre damals mehrere Filialen auf dem Gebirge, unter ande-rem eine Marien-Kirche in Mölten.112 Nun war es also so, dass der Pfarrer von Terlan auch Mölten betreute.

Die Baumaßnahmen an der St.-Valentin-Kirche haben zwar das Kirchenschiff zu mehr als der Hälfte erneuert, eine qualitative Aufwertung des Innenraumes ist dadurch aber nicht erfolgt, im Gegenteil. Nur hat die Westwand mit dem Spitzbogenportal und den beiden Fenstern dem Innenraum vielleicht mehr Licht verschafft. All dies ist ein Zeichen dafür, dass die Kirche längst zu einem unbedeutenden Kleinheiligtum verkommen ist, eben zur Ortskirche eines kleinen, abgelegenen Weilers von Mölten.

2.7. Steinkirche – Phase C42.7.1. Befund der Steinkirche – Phase C4In dieser Phase kommt es zu keinen strukturellen Veränderungen der Bausubstanz. Es

wird ein neuer, rötlicher Estrichboden eingezogen und an der südlichen Ostmauer ein Sei-tenaltar errichtet [Abb. 6]. Der Estrich liegt über dem älteren Estrich und bindet an alle Innenwände der Kirche an. Auch schlägt er an den weiterhin teilweise verwendeten Platten-boden an. Wie zuvor werden anschließend an den Plattenboden auf dem Estrich Betbänke gestanden haben. Der Seitenaltar liegt auf diesem jüngsten Estrich auf und ist damit zeit-gleich oder jünger. Bautechnisch entspricht er dem jüngsten Mauerwerk aus Bruchsteinen und Ecksteinquadern. Vor dem Altar wurde das Negativ eines 0,90 x 1,30 m großen Holz-podiums beobachtet. Der Estrichboden seinerseits hat im Verlauf der Zeit mehrere Flick-arbeiten erfahren. An ausgebrochenen Stellen wurden jüngere Estrichflecken eingegossen.

2.7.2. Datierung der Steinkirche – Phase C4Als Datierungsanhalt kann stratigraphisch nur der ältere Estrich und die Neuerrichtung

der Süd- und Westmauer herangezogen werden, die vermutlich um 1500 bzw. in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstanden sind. Damit könnte die Erneuerung des Bodens und die Errichtung des Seitenaltars noch im späten 16. Jahrhundert stattgefunden haben.

111 Atz/Schatz, Der deutsche Antheil (wie Anm. 2) 292f.112 Atz/Schatz, Der deutsche Antheil (wie Anm. 2) 294f.

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Das St.-Valentin-Kirchlein bei Schlaneid in der Gemeinde Mölten

2.7.3. Historische Einordnung der Steinkirche – Phase C4So wie für die vorhergehenden Baumaßnahmen an der Kirche gibt es auch für diese

Erneuerungen keine schriftlichen Unterlagen. Einen Hinweis auf die Datierung könnte der Seitenaltar in der Südostecke des Kirchenschiffes liefern. Dazu muss man kurz ausholen: In der heutigen St.-Valentin-Kirche im Ortskern sind auf dem Hauptaltarbild der heilige Bischof Valentin mit Mitra und Stab sowie der heilige Laurentius mit Rost dargestellt. Da es in der heutigen Kirche aber nur einen Altar gibt, kann man darauf schließen, dass der zwei-te Heilige von der alten Kirche mit übernommen wurde. Leo Andergassen hat daher den Seitenaltar an der südlichen Triumphbogenwand als Altar des heiligen Diakons Laurentius gedeutet.113 Es mag nun stimmen, dass Laurentius häufig der Patron von frühen Kirchen ist, aber auch am Ende des Frühmittelalters und im Hochmittelalter gibt es Schübe seiner Kultverbreitung, besonders nach der Ungarnschlacht am Lechfeld mit dem Gelübde und Sieg Ottos I. am 10. August 955.114 Und auch noch in der Neuzeit findet dieser Heilige Ge-fallen. Ein spätes Analogon zur Lechfeldschlacht bildet die Schlacht bei Saint-Quentin am Laurentiustag 1557, die nach dem Gelübde und Sieg Philipps II. von Spanien, des Sohnes von Karl V., zu einem neuerlichen Aufleben des Kultes in Habsburgerlanden führte.115 Da es in Schlaneid für Laurentius keine weiteren Hinweise gibt – weder urkundliche Belege noch überlieferte Bittgänge oder Wallfahrten –, kann dieser Heilige nur spät, eben mit dieser Bauphase C4, hinzugekommen sein. Die Schlacht von Saint-Quentin 1557 ergibt für den Seitenaltar an der südlichen Triumphbogenwand ein Datum post quem, also für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts. Der Altar fällt somit in die Regierungszeit Ferdinands (Landes-fürst von Tirol 1564–1595), der Sohn Ferdinands I. und somit Neffe Kaiser Karls V. war.

Von da an wurde an der Kirche nicht mehr viel verändert. In der heutigen Kirche be-finden sich zwei Engelsstangen von 1626, die noch den gotischen Altar der alten Kirche begleitet haben müssen.116 Die Innenausstattung wurde somit im frühen 17. Jahrhundert erneuert. Später wurden am spätgotischen Portal, das nun ebenfalls die neue Kirche ziert, die Kämpfersteine ersetzt: sie tragen die Jahreszahl 1747.117 Zwei Jahre später (1749) er-folgte eine Visitation, bei der das Eindringen des Wassers in den Fußboden der Pfarrkirche in Terlan bemängelt wurde, und am 24. August weihte Leopold von Firmian, Bischof von Seckau und Koadjutor des Fürstbischofs von Trient, die Seitenaltäre der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt in Mölten.118 Auch den Estrich der St.-Valentin-Kirche hat man im Verlauf der Zeit öfters geflickt. Bis die Kirche letztendlich aufgegeben wurde und zur Ruine verkam.

Für das Ende der Kirche gibt es erstmals schriftliche Belege, die im Pfarrarchiv aufbe-wahrt werden. Wegen der Entfernung der Kirche vom Ort baten die Leute von Schlaneid im Jahr 1769 das Ordinariat von Trient, die St.-Valentin-Kirche niederreißen und eine neue

113 Andergassen, Kirchen (wie Anm. 89) 23, allerdings hält er Laurentius für den ursprünglichen Patron, der von Valentin an die zweite Stelle verdrängt wurde.

114 Gerd Zimmermann, Patrozinienwahl und Frömmigkeitswandel im Mittelalter, Würzburg 1959, Nach-druck Bamberg 1994, I 114–118, II 81–82.

115 Fink, Kirchenpatrozinien (wie Anm. 102) 16.116 Andergassen, Kirchen (wie Anm. 89) 25.117 Andergassen, Kirchen (wie Anm. 89) 24: 1749.118 Atz/Schatz, Der deutsche Antheil (wie Anm. 2) 301, 320, 321; Andergassen, Kirchen (wie Anm. 89) 11.

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Andreas Putzer, Günther Kaufmann

mitten im Dorf bauen zu dürfen. Die Genehmigung wurde erteilt, worauf die alte Kirche abgerissen wurde. Dachschindeln und Mauersteine sollen beim Bau der neuen wiederver-wendet worden sein. Auch das spätgotische Portal hat man in die neue Kirche eingesetzt. Im Herbst 1770 waren die Bauarbeiten abgeschlossen. Pfarrer Franz Anton von Kofler zu Rundenstein weihte die neue St.-Valentin-Kirche mitten im Dorf am 14. Februar 1771.119 Der 14. Februar ist der Tag des Märtyrers Valentin von Terni. Es liegt hier – wie bei vielen anderen Tiroler Kirchen120 – eine mit der Zeit einhergegangene Verwechslung und Vermi-schung vor. Dargestellt ist auf dem Schlaneider Hochaltarbild aber Bischof Valentin von Rätien, dessen Festtag der 7. Jänner ist.121

Seit 1770 war die alte St.-Valentin-Kirche nur mehr eine Ruine im Valteswald. Im Jahr 1957 ließ Dekan Sebastian Kröß vor der Ruine ein Kreuz aufstellen. In den Jahren 1990 und 1991 haben Hans Nothdurfter und Alois Stuppner die Ruine zu neuem Leben erweckt.

119 Schwarz, Notizen (wie Anm. 2) 369; Schwarz, Chronik von Mölten (wie Anm. 2) 109; Andergassen, Kirchen (wie Anm. 89) 24f.

120 Fink, Kirchenpatrozinien (wie Anm. 102) 213; Kaufmann, Das castrum Maiensis (wie Anm. 20) 48.121 Schwarz, Chronik von Mölten (wie Anm. 2) 108.