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Dr. Andreas Schreiber 1 The final publication is available at: http://link.springer.com/article/10.1007/s12662-013-0290-z Doping die Züchtung des Übermenschen Von: Dr. Andreas Schreiber, Freiburg Mitte September 2011 fand unter dem Titel Sports Medicine and Doping in Europe ein drei- tägiges Symposion statt ausgerechnet an der Universität zu Freiburg, deren einst gerühm- te Sportmedizin seit Aufdeckung des Dopingskandals um das Radsport-Team Telekom/T- Mobile 2007 als verruchter und verrufener Ort des erst west-, dann gesamtdeutschen or- ganisierten Dopingverbrechensgilt. Dieser Eindruck vom Verbrechen verstärkt sich noch durch die Tatsache, dass die neue Vorsitzende der gastgebenden Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin Letizia Paoli ist, eine renommierte Kriminologin mit Schwerpunkt Mafia / organisiertes Verbrechen“ und auch ein Blick auf die Vortragsthemen bekräftigt diese Empfindung. So wurde dennoch oder gerade deswegen vom Symposion erwartet, dass sich endlich das geballte Schweigen seitens der Sportverantwortlichen löst und Aufklärung die Nebel der Verschleierung vertreiben oder es wenigstens einen unterhaltsam spektakulä- ren Schlagabtausch zwischen Gegnern und Befürwortern des Dopings geben würde. Doch zur allgemeinen Enttäuschung fand nur am letzten Tagungsnachmittag ein kleineres, erhitz- tes Gezanke statt, das immerhin sehr lebendig in der Badischen Zeitung vom 15.09.2011 nachzulesen war. Ansonsten wartet man lieber bis heute noch auf die schon für Anfang 2012 versprochenen Ergebnisse der Ermittlungskommission. Für mich als Philosophen und nur moderaten Sportkonsumenten stellt sich nicht erst seit dieser Tagung die Frage, was denn die Kriminalisierung von Athleten, was der gehegte Ge- neralverdacht gegen sie, was die durch Anti-Doping-Aktivitäten erzwungene Heimlichtuerei der Sportfunktionäre etc. eigentlich für einen Sinn machen. Wieso diese ganze Aufregung? Wo liegt das Problem? Würde die Freigabe und Legalisierung von Doping nicht alle Proble- me mit einem Wisch vom Tisch fegen? Wäre zugespitzt gefragt seine Legalisierung nicht auch unserer zeitgeschichtlichen Entwicklung angemessener bzw. würde sie, anstatt sie zu hemmen, gar befördern?

Doping – die Züchtung des Übermenschen

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Dr. Andreas Schreiber

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The final publication is available at: http://link.springer.com/article/10.1007/s12662-013-0290-z

Doping – die Züchtung des Übermenschen

Von: Dr. Andreas Schreiber, Freiburg

Mitte September 2011 fand unter dem Titel Sports Medicine and Doping in Europe ein drei-

tägiges Symposion statt – ausgerechnet an der Universität zu Freiburg, deren einst gerühm-

te Sportmedizin seit Aufdeckung des Dopingskandals um das Radsport-Team Telekom/T-

Mobile 2007 als verruchter und verrufener Ort des erst west-, dann gesamtdeutschen „or-

ganisierten Dopingverbrechens“ gilt. Dieser Eindruck vom Verbrechen verstärkt sich noch

durch die Tatsache, dass die neue Vorsitzende der gastgebenden Evaluierungskommission

Freiburger Sportmedizin Letizia Paoli ist, eine renommierte Kriminologin mit Schwerpunkt

„Mafia / organisiertes Verbrechen“ – und auch ein Blick auf die Vortragsthemen bekräftigt

diese Empfindung. So wurde dennoch oder gerade deswegen vom Symposion erwartet, dass

sich endlich das geballte Schweigen seitens der Sportverantwortlichen löst und Aufklärung

die Nebel der Verschleierung vertreiben oder es wenigstens einen unterhaltsam spektakulä-

ren Schlagabtausch zwischen Gegnern und Befürwortern des Dopings geben würde. Doch

zur allgemeinen Enttäuschung fand nur am letzten Tagungsnachmittag ein kleineres, erhitz-

tes Gezanke statt, das immerhin sehr lebendig in der Badischen Zeitung vom 15.09.2011

nachzulesen war. Ansonsten wartet man lieber – bis heute noch – auf die schon für Anfang

2012 versprochenen Ergebnisse der Ermittlungskommission.

Für mich als Philosophen und nur moderaten Sportkonsumenten stellt sich nicht erst seit

dieser Tagung die Frage, was denn die Kriminalisierung von Athleten, was der gehegte Ge-

neralverdacht gegen sie, was die durch Anti-Doping-Aktivitäten erzwungene Heimlichtuerei

der Sportfunktionäre etc. eigentlich für einen Sinn machen. Wieso diese ganze Aufregung?

Wo liegt das Problem? Würde die Freigabe und Legalisierung von Doping nicht alle Proble-

me mit einem Wisch vom Tisch fegen? Wäre – zugespitzt gefragt – seine Legalisierung nicht

auch unserer zeitgeschichtlichen Entwicklung angemessener bzw. würde sie, anstatt sie zu

hemmen, gar befördern?

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Doping – Anti-Doping: metaphysische Dialektik des Nihilismus

Um die Pointe vorweg zu nehmen: Für mich stellt nicht nur das Dopen, sondern gerade die

Dialektik zwischen Doping und Anti-Doping eine, erst seit Mitte des 20 Jhs. für die Allge-

meinheit wahrnehmbare, Manifestation des Nihilismus dar, wie ihn Nietzsche mit seinem

Wort „Gott ist tot“ schon im 19 Jh. auf den Punkt brachte, wenn auch nicht zu Ende dachte.

Die vielbeklagte Zunahme des Dopens ist meiner Meinung nach eine folgerichtige Erschei-

nung der nihilistisch motivierten Postmoderne, so dass, glaubt man der Studie von Pitsch,

Maats und Emrich (2009), gemäß der je nach Sportart zwischen 65% und 83% der Spitzen-

sportler noch „ehrliche Nicht-Doper“ sind, Doping noch viel zu moderat geschieht. Doch für

die eigentliche Vollendung des Nihilismus, worunter ich keine geschichtliche Vervollkomm-

nung, sondern vielmehr die totale Einrichtung des Nihilismus als eines geschichtlichen Phä-

nomens der Dialektik von Setzung, Aussetzung und Neusetzung fester, unwandelbarer, gar

unhinterfragbarer Werte für die menschliche Welt- und Selbstauslegung verstehe, sorgt ge-

rade die sich zum Tsunami auftürmende Welle der Anti-Doping-Bewegung. Oder sollte uns

doch noch, und zwar gerade durch die Freigabe des Dopings, eine angemessene,

heideggerisch gedachte „Verwindung“ des Nihilismus gelingen, um seiner dauerhaften, tota-

len Einrichtung zu entgehen?

Was ist Doping?

Beginnen wir die Erhellung dieser meiner These mit einer ganz einfachen Frage: Was ist Do-

ping? Die Antwortversuche sind mittlerweile unglaublich vielfältig und vielzahlig. Ich verzich-

te auf deren Widergabe und mache es kurz: Mangels einer qualitativ ab- bzw. eingrenzbaren

Definition, einigte man sich aus pragmatischen Gründen in der WADA (World Anti Doping

Agentur) auf eine, schon seit den 1960er Jahren angewandte, enumerative Bestimmung des

Phänomens. Die WADA führt einen fortwährend aktualisierten Katalog von Substanzen und

Verfahren, die der künstlichen Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit oder der Ver-

schleierung ihrer Nachweisbarkeit dienen. Doping liegt somit vor, wenn nachweislich gegen

diese Listung verstoßen wurde.

Dies wirft eine Reihe von Problemen auf. Eines der großen Probleme der WADA-Negativliste

ist, dass ihre Vervollständigung erstens nie gelingt und zweitens sowohl die Listung als auch

die Nachweiskontrollen immer den Innovationen der sogenannten Dopingindustrie hinter-

herhinken. Durch das durch die enumerative Bestimmung hervorgerufene Spiel von Nach-

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weiskontroll- und Verschleierungsversuchen verfestigt sich beim Athleten und seinem dazu-

gehörigen Versorgungsstab die moralische Haltung: „Erlaubt ist, was nicht gelistet ist. Ge-

dopt wurde erst, wenn man erwischt wurde.“ Für die Anti-Doping-Front ist das ein unbe-

friedigender, gar unhaltbarer Zustand, der mit umso härteren Mitteln bekämpft werden

muss. Doch liegt genau hierin das philosophisch-moralische Problem obiger Dopingbestim-

mung: Warum ist Doping derart verwerflich? Weil, so die allgemeine Meinung – und hierin

zeigt sich die Verschiebung der Problemlage vom Moralischen ins Politische, wie Schürmann

(2012) betont –, es die moralisch für wertvoll erachteten Postulate der Fairness und Chan-

cengleichheit im sportlichen Wettkampf verletzt. Wie man am Phänomen des Dopens sieht,

sind sich darin nicht alle Parteien gleichermaßen einig. Ob die bisherigen Dopingbestim-

mungen und Nachweisverfahren also dafür ausreichen, das Phänomen einzudämmen, darf

mehr als bezweifelt werden, vor allem wenn man bedenkt, dass gemäß Flatau und Schröder

(2009) gerade die individuelle moralische Einstellung des Athleten, nicht dopen zu wollen,

den wirksamsten Schutz gegen das Dopen darstellt. Doch wie macht man diesen Willen wol-

len? Bislang fand sich darauf keine praktikable Antwort.

Warum aber dopen die Athleten? Hierauf haben, wie Binkelmann (2010) ausführte, unsere

französischen Nachbarn vielleicht eine akzeptable Antwort. Für sie ist Doping mehr ein indi-

viduelles und, wie Untersuchungen sowohl von Flatau und Schröder (2009) als auch von Alb-

recht (2008) zeigen, ein sehr rationales Verhalten des Athleten, womit dieser die von ihm

empfundenen Hindernisse auf dem Weg zum Sieg durch die Einnahme leistungssteigernder

Substanzen zu überwinden können glaubt. Diese Sichtweise zeigt nun das Doping als ein

Phänomen des logisch konsequenten denk- und kulturgeschichtlichen Ausflusses unseres

neuzeitlich-aufgeklärten Weltverhältnisses, das über den herkömmlichen Begriff Nihilismus

seine verbale Zuspitzung erfuhr.

Das Phänomen Nihilismus

Seit Descartes sehen wir die Welt in einem rational-vorstellenden und seit Kant in einem

erkenntniskritischen Fokus, was uns die Trennung von Körper und Geist verfestigen und un-

sere fortschreitende, technisierte Welt erfinden half. Nietzsche verlieh dieser denkge-

schichtlichen Bewegung in seinen Aphorismen nur den passenden Ausdruck und machte uns

schmerzlich, aber amüsant darauf aufmerksam, dass all unsere obersten Werte entwertet,

dass mit dem Ausspruch vom Tod Gottes die gesamte metaphysische Welt und jeglicher

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Glaube daran obsolet geworden sind. Wer noch an die Tatsächlichkeit von substanziellen

Werten und Dingen glaubt, so können wir zugespitzt formulieren, führt sich selbst in die Irre.

Wir haben uns selbst durch unsere abendländisch-wissenschaftliche Neugier und die Versu-

che der tiefen Ergründung, was „die Welt im Innersten zusammenhält“ (Goethe), den Boden

eines „guten Glaubens“, den stabilen Grund für die Begründung allen Seins und Seienden

entzogen. Wir sind, ob wir es wollen oder nicht, völlig auf uns allein gestellt in dieser Welt.

Wir sind, wie Heidegger (1968) sagte, „hineingehalten ins Nichts“ und schweben seither

über dem Abgrund, weil uns jeglicher zu begründende Grund abgeht. Alle jenseitigen Si-

cherheiten wurden obsolet. Und selbst das Letzte, was uns zu bleiben schien – unser Geist,

unser Ich, unser Selbst –, entpuppte sich als das, was es ist: eine vom Menschen selbst ent-

worfene, begriffliche Idee einer Erfahrung, die sich aus mannigfaltigen Bedingungen speist,

deren verlässlichste davon unsere individuelle Leiblichkeit ist. Oder, wie die Neurowissen-

schaften uns nahelegen, eine immanente Funktion unseres Gehirns, sich selbst über seine

eigenen Zustände zu informieren – eine metarepräsentationale Funktion der organischen

Selbstkontrolle also.

Was uns bleibt, ist der Versuch, uns wie Münchhausen am eigenen Schopfe aus diesem stür-

zenden Gefühl des Schwebens im Abgrund zu ziehen, d. h. uns auf uns selbst zu stützen, un-

sere leibliche Faktizität anzuerkennen und mit unserer genuinen Schaffenskraft mathema-

tisch-rationalen Denkens einen Sinn in sinnleerer Welt zu erschaffen. Und das haben wir ge-

tan und tun es noch immer. Hieraus erwuchsen die Technisierung, die Industrialisierung und

die Ökonomisierung sowie die Moderne und Postmoderne. Unsere Leiblichkeit wurde zur

Körperlichkeit. Und der Coubertinsche Olympiageist des „schneller, höher, weiter“ folgt der-

selben Logik der mathematischen Funktionalisierung unserer Welt wie die Raumfahrt, die

heutige Encodierung des menschlichen Genpools, die Versuche der Dechiffrierung unseres

neuronalen Codes sowie an dessen Ende eventuell die Schöpfung futuristischer Cyborgs (vgl.

Heidegger, 1990).

Doping, besonders in dem Sport, der sich konsequenterweise zum Leistungs- und professio-

nellen Hochleistungssport entwickelte, ist der folgerichtige Ausläufer dieser Logik. Es ist eine

Logik der Entgrenzung, der Selbstermächtigung und der daraus folgenden Quantifizierung

und somit Nivellierung der mannigfaltigen Phänomene auf ihre quantitative Vergleichbar-

keit. Auch die Ökonomisierung des Spitzensports gehört dazu.

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Damit, das sei nur am Rande erwähnt, gehört die von Pawlenka (2010) hinsichtlich ihrer Ei-

genständigkeit diskutierte Sportethik vielmehr eingegliedert in die Wirtschaftsethik. Denn

was heißt „Ökonomisierung des Sports“ anderes als die Eingliederung, sozusagen Einverlei-

bung des Sports in die nach ökonomischer Rationalität ablaufende, quantitativ nivellierte

Welt? Es ist diese ökonomische Rationalität, die uns als im Abgrund schwebende Münch-

hausens einen, vielleicht den letzten einheitsstiftenden Rahmen der Selbst- und Weltinter-

pretation liefert, es ist die, vielleicht letzte, metaphysische Festung, die gerade seit Mitte

des 20. Jhs. von der alles zermalmenden Bewegung des Nihilismus geschleift wird. Insofern

ist die Sportethik eine, wenn vielleicht auch pädagogisch wichtige, aber dennoch bloße Teil-

funktion der Wirtschaftsethik. Aber auch diese bleibt, wie jede Ethik überhaupt, gegenüber

der geschichtlichen Logik nur appellativ.

Um also wieder auf unsere obige Bestimmung zurückzukommen: Doping ist das Verhalten,

empfundene Widerstände und Grenzen mittels vom Menschen erfundener Techniken zu

überwinden zu versuchen. Das ist ganz natürlich, ja ganz menschlich. Der Mensch ist we-

sensmäßig Techniker, wie Schirmacher (1990) einst darlegte. Und er ist, wie ich ergänzen

möchte, dasjenige Lebewesen, das wesensmäßig aus sich hinausstrebt, das sich transzendie-

ren muss. Es ist das Lebewesen, das seine Grenzen bewusst erfährt, weil es wesenhaft schon

darüber hinauslangt und diese als einen Ausdruck des Lebendig-seins, was Nietzsche mit

dem „Willen zur Macht“ belegte, zu überwinden, gar zu eliminieren sucht. Aber aufgrund

der oben gerade dargestellten „Entzauberung“ der Welt, die sich in ihrer mathematischen

Funktionalisierung, in der nivellierenden Quantifizierung sowie im erwähnten Wegfall aller

verbindlichen Werte und Sinngehalte manifestiert, kann der Mensch sich nicht mehr auf et-

was anderes hin entwerfen, das jenseits dieser quantitativ erfahrbaren, dennoch kontingen-

ten Welt stehen würde. Somit kann er nur noch im Rückgriff auf seine eigenen Fähigkeiten

und auf seine Körperlichkeit die wesensmäßige Selbsttranszendierung erfüllen. Deswegen

seziert und analysiert er sich und die ihn umgebende Natur und synthetisiert aus den ge-

wonnenen Fakten neue Tatsachen, mithin eine neue Natur oder, anders als Pawlenka (2010)

meinte, eine verbesserte, künstliche Natur. Mit seinem materialistisch orientierten, rech-

nenden Denken zerlegt er quasi sich und die Welt in ihre Einzelbausteine, um sie erstens zu

verstehen, zweitens, wenn möglich, zu verbessern, sowie drittens neu zusammenzusetzen.

Nebenbei und kurz gesagt, ist der eigentliche, psycho-logische Zielpunkt hierbei die Unend-

lichkeit, insofern die Endlichkeitserfahrung das problematische Dilemma menschlichen Be-

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wusstseins schlechthin ist. Verbesserung und Neugestaltung zielt immer auf die Auflösung

dieses Dilemmas hin.

Und nichts anderes geschieht beim Doping im Sport. Aber, wir wollen es gleich hinzufügen,

dies geschieht auch und in zunehmendem Maße im Alltag, d. h. außerhalb des Phänomens

Spitzensport, was unter dem Begriff Enhancement in den Wissenschaften diskutiert wird.

Nach allem, was bislang gesagt wurde, dürfte klar sein, dass die modischen Begriffe von

Gen-Enhancement oder Brain/Neuro-Enhancement viel zu niedrig angesetzt, also nur vor-

sichtige Spielereien sind. Es geht letztlich, wie Geipel (2008) schon beiläufig bemerkte, um

nichts Geringeres als das Human-Enhancement!

Dennoch: Das auf sich selbst zurückgreifende, vielleicht sich selbst verzehrende, ins Nichts

gehende, aber trotzdem sich selbst transzendierende Spiel des Menschen mit sich selbst

ängstigt ihn. Nicht das Transzendieren, auch nicht das sich-selbst-Verzehren ängstigen ihn.

Denn das hat er im Laufe der Geschichte schon immer, und nicht immer auf angenehme

Weise, getan. Was ihn existenziell dabei angreift, ist eben die Ziel- und Sinnlosigkeit, die als

das nihilistische Nichts hervorschaut. Und erst seit Mitte des 20 Jhs., wo die technischen

Entwicklungen langsam anfangen, effizient zu werden und nicht nur Leid, sondern auch An-

nehmlichkeiten und Wohlstand mit sich zu bringen, erst jetzt versucht er paradoxerweise,

anstatt es zu genießen, dieser Angst des stürzenden Schwebens im Abgrund mit einem ver-

zweifelten Gegen- oder Rückwärtsrudern zu entkommen. Dieser Gegenschwung gegen die

„Hineingehaltenheit in das Nichts“ zielt zurück auf Sicherheiten, Verbindlichkeiten, Werte,

kurz: Metaphysiken. Ob der verängstigte Mensch sich nun im konservativen Rückgriff auf

Althergebrachtes neue Religionen zimmert oder ganz einfach nur alte, erprobte und für gut

deklarierte moralische Werte revitalisiert, es ist und bleibt allein das Phänomen des Suchens

nach einem Haken, an dem er sich mit seiner Sehnsucht nach gemächlicher Sicherheit aus-

ruhend hängen kann. Aber wir schweben nun einmal schon über dem Abgrund. So wird die-

ser neue Haken, wie alle Metaphysik davor auch, doch nur ein Lufthaken sein. Ob er hält,

bleibt der Fantasie und Kraft des Glaubens oder, wie Nietzsche sagt, der „Kraft des Verges-

sens“ anheimgestellt. Jedenfalls sehe ich in dem oben angesprochenen Anti-Doping-

Tsunami genau diese Bewegung, die versucht, durch einen argumentativ kunstvoll installier-

ten Lufthaken, nämlich die Rhetorik des „Sportsmenship“ und alles, was dazugehört, das

Gefühl des schwebenden Fallens im Abgrund aufzuheben, zu nihilieren. Und dieser, als

Überwindung des Nihilismus gedachte Gegenschwung ist in meinen Augen selbst noch ein

Dr. Andreas Schreiber

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nihilistisches Phänomen, und zwar ein solches, das erst die oben genannte Vollendung, d. h.

dauerhafte Einrichtung des Nihilismus mit bewirkt. Warum? Weil meines Erachtens zum Be-

griff und zum geschichtlichen Phänomen des Nihilismus eben nicht nur die vielzitierte „Ent-

wertung aller Werte“, sondern, gleichsam als dessen immanentes, anthropologisches Stan-

dardprogramm, auch die Umwertung der gestürzten Werte gehört. Nihilismus umfasst nach

meiner Interpretation die schon genannte Dialektik des Aufstellens, Umstürzens und neuen

Aufstellens von Sicherheit bietenden Werten. Die sogenannte Überwindung des Nihilismus

durch z. B. die Neuetablierung sogar althergebrachter Metaphysiken gehört mit zur vollen

Erscheinung des Nihilismus. Somit gehören sowohl Doping wie auch Anti-Doping als die zwei

Seiten einer Medaille mit zu diesem Phänomen.

Gibt es aber vielleicht die Möglichkeit, dieses zu transzendieren, d. h. den Nihilismus nicht

nur zu überwinden, was gemäß in der Logik des „Willens zur Macht“ über die „ewige Wie-

derkunft des Gleichen“ im Nihilismus selbst verharren würde, sondern ihn zu „verwinden“?

Die Züchtung des Übermenschen durch Freigabe des Dopings und die „Wiederkehr des

Gleichen“

Ich denke, es ist klar geworden, dass ich kein Freund eines Rückfalls in die Metaphysik bin.

Auch wenn viele der angestammten Werte durchaus attraktiv sind, sehe ich darin eher ei-

nen Regress, der uns geschichtlich nach vielleicht nochmals zwei- bis dreitausend Jahren

wieder über dem Abgrund zum Schweben bringen wird, nur eben erneut auf Kosten vieler

Unannehmlichkeiten und Opfer durch mannigfaltige Ideologien und ideologisch begründete

Machtkämpfe. Wir können solche Bewegungen bereits erkennen. Sie finden sich einerseits

in ihren zarten, noch gut gemeinten Anfängen z. B. in dem immer stärker generell die Athle-

ten verdächtigenden, diffamierenden, kriminalisierenden Kontrollsystem der Anti-Doping-

Welle im Sport mit der geforderten Ausweitung der Kriminalisierung des Dopings durch sei-

ne Einbettung in nationale Strafrechte sowie internationale Rechtssysteme als ein Vergehen.

Andererseits begegnen sie z. B. in der bereits ausgebauten Kontrollparanoia seit dem in vie-

lerlei Hinsichten denkwürdigen Anschlag auf das New Yorker World Trade Center 2001. Soll-

ten sich nun auch in Europa die Sicherheits- und Kontrollfanatiker noch mehr häufen und

politisch durchsetzen, so entwickelt sich die gesamte „westlich-zivilisierte Welt“ tendenziell

zu einer immer stärkeren Kontrollgesellschaft bzw. zu einer von bestimmten Lobbys kontrol-

lierten Gesellschaft. Deren Effekte und Nebenwirkungen sollten durch die Aufarbeitung der

Dr. Andreas Schreiber

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Systeme des ehemaligen Ostblocks hinlänglich bekannt sein. Ansonsten empfiehlt sich im-

mer noch Georg Orwells „1984“ als Lektüre.

Viel mehr halte ich davon, durch die Legalisierung des Dopings sowie auch die Forcierung

des Human-Enhancements, vielleicht nicht schmerz- und leidfrei, aber doch wirksamer den

Gang der Geschichte voranzutreiben und so die „Verwindung“ des Nihilismus zu ermögli-

chen. Wie das?

Die Freigabe des Dopings würde den Sport, besonders den Profisport, in Aussehen, Funktion

und Attraktivität massiv verändern. Durch den Wegfall der ganzen Kontrollsysteme würden

zunächst einmal enorme Kosten eingespart – zum Leidwesen mancher Funktionsstellenin-

haber. Dafür aber gewinnen wir mehr Ehrlichkeit, Offenheit und Freiheit. Im offen gedopten

Sport zeigt sich ehrlich die Verfasstheit unserer postmodernen Gesellschaft als Leistungsge-

sellschaft. In der Funktion als Sonderwelt darf der Sport seine nach Pawlenka (2010) zweck-

gebundene Sinnlosigkeit, nämlich die spielerische, aber regelgeleitete Agonie des Wett-

kampfes, voll ausleben und sämtliche zur Verfügung stehenden Mittel anwenden. Der

Sportkonsument ist diesbezüglich befreit von der Sorge und Angst eines möglichen Betrugs

an seiner heroisch moralischen Erwartung eines „sauberen“ Sports. Vielmehr weiß er nun

klar und deutlich, dass die von ihm aus der Distanz des Zuschauers goutierten Leistungen

der Athleten aus der Summe von individuell-persönlichen Fähigkeiten und technisch-

kultureller Kreativität zur Transzendierung der körperlichen Grenzen entstanden sind. Da-

durch erfährt sich der Konsument auch verstärkt und ehrlicher als ein Teil des im kapitalisti-

schen Gesamtsystem integrierten Subsystems „Sport“; denn Sport ist ein Wirtschaftsgut,

worin die Athleten die „Produkte“ darstellen, die von den Zuschauern „konsumiert“ werden.

Ob diese ehrlichere Wahrnehmung allerdings schädlich für die Prosperität dieser Branche ist,

wird sich zeigen. Es bleibt jedoch zu vermuten, dass die Zuschauerraten derjenigen Konsu-

menten, die sich der Illusion eines „sauberen“ Sports hingeben wollen, eher rückläufig sein

werden. Wogegen aber ein Anstieg des Interesses derjenigen zu erwarten ist, die sich ernst-

haft um ihr Human-Enhancement bekümmern. Durch den eröffneten Experimentiercharak-

ter des Spitzensports sind zukünftig nämlich fundierte Ergebnisse hinsichtlich der

Enhancement-Produkte, ihrer Wirkweisen sowie Gefahren zu erwarten. Somit wird das Do-

ping und das Enhancement über das freie Experimentierfeld im Leistungssport die Mensch-

heit in eine neue Dimension ihres Daseins katapultieren.

Dr. Andreas Schreiber

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Doch wie können wir über dieses hypothetische Szenario schließlich den Nihilismus „ver-

winden“? Oder liegt darin nicht vielmehr die Gefahr, dass wir uns in der Leistungssteigerung

als Lebensprinzip irgendwann menschheitsgeschichtlich totlaufen?

Sicher, es liegt eine große Gefahr in der freien Doping- und Enhancementgesellschaft. Durch

die auf die Spitze getriebene, versuchte Entgrenzung der materiell-biologischen Grenzen

unserer Körperlichkeit könnte es, so die weitläufigen Vermutungen, zu mehr Krankheiten,

geistig-körperlichen Erschöpfungen, zu verstärkter Psychoinvalidität und daraus resultieren-

den, massenweisen Suiziden, zu körperlicher Überzüchtung im herkömmlich verstandenen

Sinne des nietzscheanischen Übermenschen oder gar – mehr science-fictionhaft – zur gigan-

tomanischen Hybris einer menschlichen Okkupation interstellarer Welten kommen. Den-

noch besteht meines Erachtens die größte Gefahr vielmehr in der Einrichtung dessen, was

Nietzsche verachtenswert den „Letzten Menschen“ nannte. Zur Illustration sei die Stelle

ausführlich zitiert:

„Was ist Liebe? Was ist Schöpfung? Was ist Sehnsucht? Was ist Stern?“ – so fragt der letzte

Mensch und blinzelt.

Die Erde ist dann klein geworden, und auf ihr hüpft der letzte Mensch, der Alles klein macht.

Sein Geschlecht ist unaustilgbar, wie der Erdfloh; der letzte Mensch lebt am längsten.

„Wir haben das Glück erfunden“ – sagen die letzten Menschen und blinzeln.

Sie haben die Gegenden verlassen, wo es hart war zu leben: denn man braucht Wärme. Man

liebt noch den Nachbar und reibt sich an ihm: denn man braucht Wärme.

Krankwerden und Misstrauen-haben gilt ihnen sündhaft: man geht achtsam einher. Ein Thor,

der noch über Steine oder Menschen stolpert!

Ein wenig Gift ab und zu: das macht angenehme Träume. Und viel Gift zuletzt, zu einem ange-

nehmen Sterben.

Man arbeitet noch, denn Arbeit ist eine Unterhaltung. Aber man sorgt, dass die Unterhaltung

nicht angreife.

Man wird nicht mehr arm und reich: Beides ist zu beschwerlich. Wer will noch regieren? Wer

noch gehorchen? Beides ist zu beschwerlich.

Kein Hirt und Eine Heerde! Jeder will das Gleiche, Jeder ist gleich: wer anders fühlt, geht frei-

willig ins Irrenhaus.

„Ehemals war alle Welt irre“ – sagen die Feinsten und blinzeln.

Man ist klug und weiss Alles, was geschehen ist: so hat man kein Ende zu spotten. Man zankt

sich noch, aber man versöhnt sich bald – sonst verdirbt es den Magen.

Dr. Andreas Schreiber

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Man hat sein Lüstchen für den Tag und sein Lüstchen für die Nacht: aber man ehrt die Ge-

sundheit.

„Wir haben das Glück erfunden“ – sagen die letzten Menschen und blinzeln. –

(Also sprach Zarathustra, Vorrede)

Der Text spricht für sich. Und wenn wir die Richtung der Entwicklung des derzeitigen

Enhancements ansehen, so geht es tatsächlich darum, möglichst viele Beschwerlichkeiten

des Lebens zu eliminieren sowie so angenehme Gefühle wie möglich herzustellen. Hierfür

dienen Aufputschmittel ebenso wie Tranquilizer, Neurochips ebenso wie Superprothesen

(vgl. Albrecht & Willmann 2012). Die Gefahr an diesem beschriebenen Glück wie auch an

der, vielleicht dem Glück entgegenwirkenden, aber auch im Doping und Enhancement

schlummernden Optimierungswut liegt – wir ahnen es bereits – in dessen metaphysischer

Haltung, d. h. in der Annahme von und dem Glauben an ein zu erreichendes Optimum, an

ein ultimatives Glück als ein letztes, überzeitliches, wahres Ziel, an der beruhigenden Si-

cherheit, die dieses Glück uns gewährt. Das Glück des Letzten Menschen und die Werte der

Doping-Gegner gehören, so verschieden sie auch sind, zum selben Phänomen der Umwer-

tung, mithin zur Vollendung des Nihilismus. Züchten wir uns also einen derart optimierten

und glücklichen „Übermenschen“, so gehen wir m. E. an der Bestimmung dessen, was Nietz-

sche damit meinte und was für ihn Symbolfigur der „Verwindung“ und gerade nicht Einrich-

tung des Nihilismus war, geradewegs vorbei.

Dies sei am Beispiel Sisyphos illustriert. Die Freigabe des Dopings würde Sisyphos helfen, der

glücklich gezüchtete Übermensch als Letzter Mensch zu sein, der es dank seiner Intelligenz

und Technik schaffte, das „Rollen des Steines“ völlig entspannt und unbemerkt vor sich ge-

hen zu lassen. Der Stein wäre ihm kein Stein mehr. Und doch müsste er weiter und weiter

auf den Berg und wieder zurück. Diese Grenze kann Sisyphos nicht übersteigen bzw.

entgrenzen. Er würde daran, an der darin liegenden Leere verzweifeln und sich zur eigenen

Errettung wieder neue „Steine“ suchen. Und er würde, über kurz oder lang, erneut versu-

chen, auch diese Steine nicht mehr Steine sein zu lassen, usw.

Die Gefahr der Freigabe des Dopings liegt also in der Züchtung des Übermenschen als Letzer

Mensch, der sein Glück aufgrund der inhärenten Sinnleere jedoch nicht genießt und sich

somit wieder aufmacht, durch einen entsprechenden Gegenschwung, wie es in unserem

Thema das Anti-Doping darstellt, die Vollendung des Nihilismus einzurichten.

Wie also müsste der Übermensch aussehen, der stattdessen die „Verwindung“ schafft?

Dr. Andreas Schreiber

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Die „Verwindung“ des Nihilismus durch Freigabe des Dopings

Es gibt keine exemplarische oder definitive Beschreibung dessen, was Nietzsche mit „Über-

mensch“ meinte, sondern nur Annäherungen, Umschreibungen, literarische Dichtungen.

Dennoch finden wir viele Anhaltspunkte in seinem Werk. So kennzeichnet den neuen Men-

schentypen eben nicht die gigantomanische Überzüchtung seiner Körperlichkeit, auch nicht

die kommunistische, d. h. gemeinschaftlich einheitliche Befriedung seiner mannigfaltigen

Lüste und Affekte, auch nicht die einseitige Optimierung seines rationalen Verstandes durch

Trainings oder Hirnprothesen. Vielmehr charakterisiert ihn die Kultivierung seiner Freiheit,

durch die er sich selbstbeschränkend Gesetze gibt und diese auch einhält, die Kultivierung

seines vernünftigen Verständnisses von dem ihn umspielenden Nichts und der wesenseige-

nen Notwendigkeit zur selbstverbindlichen Sinnschöpfung. Ihn zeichnet aus, stark genug zu

sein, das Schweben im Abgrund auszuhalten, ja zu genießen, vielmehr noch: es sich zu wün-

schen. Und wenn er gefragt würde, ob er dieses, genau dieses sein Leben nochmals leben

wollen würde, egal wie freud- oder leidvoll es gewesen sein mag, riefe er freudig „da capo!“,

wie es bei Nietzsche heißt. Der „Übermensch“ im Nietzscheschen Sinne ist also ein Wesen,

das um das volle Phänomen des Nihilismus weiß, dieses als sein „Schicksal“ annehmen, ja

lieben lernt und eben nicht daran verzweifelt und in wilder Agonie Sicherheitshaken in die

Luft schlägt, um sich darin selbstvergessen wie in Mutters Schoß zu wiegen, sondern gerade

in vollem Bewusstsein über die kosmologische Irrelevanz seines Daseins dennoch sich selbst

Gesetze gibt, sich selbst Ziele setzt, sich selbst wie sprichwörtlich dem Esel die Karotte vor-

hält und im freien Akt der Selbstverbindlichkeit diese Gesetze einhält bzw. die Karotte an-

steuert. Im Bild des Sisyphos, der, wie Camus (1989) schilderte, an seinem Leben als Strafe

der Götter leidet und an dessen Absurdität verzweifelt, gelingt dieser übermenschliche Akt

durch die eigene, geistige Befreiung von den Göttern als die haltende, aber auch zwingende

Macht des Metaphysischen und durch die Übernahme der gesamten, sinnleeren Situation,

die den Stein, den Berg, die „Arbeit am Berg“ und Sisyphos selbst umfasst, als die eigene,

persönliche, gewollte. Sisyphos wird sich selbst zum Schicksal. So auch der Übermensch.

Aber wie gelangen wir dahin und warum gerade durch die Freigabe des Doping und Forcie-

rung des Enhancements, nachdem wir oben die Gefahren hinsichtlich des Letzten Menschen

so deutlich gesehen haben?

Dr. Andreas Schreiber

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Dadurch, dass wir besonders durch das tiefe Eintauchen und Durchleben des Nichts, ohne

Ausflüchte in kuschelnde Moralen, sondern knallhart und leidend in der Erfahrung der Nich-

tigkeit und Sinnlosigkeit unserer übersteigerten Optimierungs- und Leistungswut zu dem

gezwungen werden können, was Heidegger den „Schritt zurück“ genannt hat, nämlich raus

aus der Lebensverstricktheit und „zurück“ in eine kritische Selbstdistanz, um so dem Wesen

der Dinge hinterherzudenken. Wir können dadurch einerseits völlig unserer nihilistischen

Situation durchsichtig werden, die Sinnlosigkeit unseres Tuns gewahren und uns anderer-

seits besinnend, d. h. eben nicht rational, dazu ins Verhältnis und in Distanz setzen, um über

dieses „besinnliche Denken“, wie Heidegger (1990) es nannte, und den dadurch gewonne-

nen Abstand wieder genießend zu dem zurückzukehren, was wir sind und was wir haben:

zwar uns selbst transzendierende, aber nicht uns selbst zersetzende Wesen, deren Dasein

letztendlich vielleicht zu nichts führt, das aber in seiner Faktizität und Aktualität so reichhal-

tig und vielfältig ist, dass es auch ohne Ausblick auf ein Jenseits lohnt, dieses zu genießen.

Und das Genießen ist wahrscheinlich das, was am schwierigsten dabei zu erlernen ist.

Dies geht nicht von heute auf morgen. Dies geht nicht per Verordnung und Gesetz. Dies geht

auch nicht in panischem Rückgriff auf althergebrachte oder neu erfundene, metaphysische

Lufthaken. Es gelingt nur in der geduldigen Einübung eines besinnlicheren Denkens bei

gleichzeitigem, aber bewusstem Durchschreiten des eingeschlagenen Weges. Dies für uns

selbst ernst zu nehmen, diesen Weg tapfer und bewusst weiterzugehen und unsere Kinder

und Kindeskinder dazu anzuleiten, führt m. E. in die angesprochene „Verwindung“, führt zu

einem nihilistischen Hedonismus und dadurch zur Vorbereitung des Übermenschen als neu-

en Menschentypus. Und dann hat Doping als Thema sich von selbst erledigt.

Dr. Andreas Schreiber

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Dr. Andreas Schreiber

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