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Neutronenaktivierungsanalysen (NAA) wurden mittlerweile an zahlreichen Exemplaren mykeni- scher Keramik durchgeführt, um die Frage nach ihren Töpferzentren und Herstellungsgebieten zu beantworten. 1 Dies ist für die mykenische Kera- mik unter anderem deshalb von großer Bedeu- tung, da sie im Mittelmeerraum weit verbreitet war. 2 Für Funde aus der nördlichen Levante lie- gen bisher jedoch nur wenige Analysen, wiede- rum primär aus dem südlichen Syrien, vor [Tell Kazel (Sumur?)]. 3 Dadurch besitzen die hier vor- gelegten Untersuchungen aus der nordsyrischen Siedlung von Tell Djinderis eine besondere Bedeutung. Die Gefäßform, die Art der Verzie- rung sowie die Beschaffenheit des Tons und der Bemalung der vier analysierten Skyphoi hatten zudem auf eine Herstellung außerhalb Südgrie- chenlands schließen lassen. Als mögliche Her- kunftsgebiete war an Zypern sowie auch die Gegend von Tell Djinderis in der nördlichen Levante selbst zu denken. 4 Das Ergebnis der NAA zeigt, daß wir von der Herstellung mykenischer Keramik bei Tell Djinderis ausgehen können. Durch die Beprobung von typisch einheimi- scher Keramik aus Tell Djinderis war ein Ver- gleich mit lokalen Warenarten gegeben. Aus der Lehrsammlung des Vorgeschichtlichen Seminars der Philipps-Universität Marburg standen Altfun- de mykenischer Keramik aus Tiryns und Mykene zur Verfügung, um einen Abgleich auch mit süd- griechischer Keramik zu ermöglichen. 5 (T. M.) TELL DJINDERIS/GINDAROS Die ca. 20 ha große und bis zu 20 m hohe Stadt- ruine Tell Djinderis/Gindaros (Abb. 1) befindet sich im äußersten Nordwesten Syriens, am Ost- rand der Ebene von Antiochia (modern: ‘Amuq). Als ehemals bedeutendes, urbanes Zentrum kon- trollierte der Ort den westlichen Teil des Afrin- Tales und den unmittelbaren Zugang zu einer Handelsroute, die einst Palästina und Anatolien miteinander verband. Er war zugleich an einer weiteren alten Handelsroute gelegen, die im Bereich der Orontes-Mündung (modern: Nahr als-Asi) beginnt, in ihrem westlichen Abschnitt * Für die Möglichkeit, im Rahmen meines Projektes „Die Synchronisierung der nördlichen Levante und Kilikiens mit der Ägäischen Spätbronzezeit“ (siehe MÜHLENBRUCH 2009) als Teilbereich des Spezialfor- schungsbereiches SCIEM 2000 – „Die Synchronisie- rung der Hochkulturen im östlichen Mittelmeerraum im 2. Jahrtausend vor Christus” Neutronenaktivie- rungsanalysen durchführen zu lassen, danke ich dem Ersten Sprecher von SCIEM 2000, Manfred Bietak, sehr herzlich. Ein herzlicher Dank gilt auch Max BICH- LER und Johannes STERBA für die Durchführung der Analysen, Hans MOMMSEN für den Abgleich mit seiner Datenbank, Andreas Müller-Karpe für die Bereitstel- lung von Altstücken mykenischer Keramik aus der Argolis aus der Lehrsammlung des Seminars für Vor- und Frühgeschichte der Philipps-Universität Marburg zu Vergleichszwecken sowie ganz besonders Dietrich Sürenhagen, dem Grabungsleiter von Tell Djinde- ris/Gindaros, für sein spontanes Angebot, Funde aus seiner Ausgrabung beproben zu lassen. Weiterführen- de Gespräche zum Thema konnte ich dankenswerter- weise mit Joseph Maran führen. Zum Begriff „mykeni- sche Keramik“ siehe MÜHLENBRUCH 2009, 23 mit Anm. 76f., wo auch der Terminus „lokal“ problematisiert wird. Mit „lokal“ wird die Keramik gemeint, die der Keramiktradition in der Umgebung des Fundortes ent- spricht. (T. M.) 1 Zuletzt ausführlich BADRE, BOILEAU, JUNG und MOMMSEN 2005. Eine ausführliche Literaturliste zu NAA auch an mykenischer Keramik findet sich bei MOMMSEN: http://www.iskp.uni-bonn.de/gruppen/mommsen/ xpubl. html (24.03.2009) und der Universität Manche- ster: http://www.archaeometry.missouri.edu/datasets/ uman/index.html (24.03.2009). Wichtig zu ergänzen: von MOMMSEN selbst MOMMSEN, DIEHL, LAMBRECHT , PAN- TENBURG und WEBER 1990 sowie FRENCH 1991; FRENCH und TOMLINSON 2004; TOMLINSON 2007. 2 Vergleiche MOUNTJOY 1986, 163–177. 3 Siehe BADRE, BOILEAU, JUNG und MOMMSEN 2005, 15f. 4 Zusammenfassend BOILEAU, JUNG und MOMMSEN 2005, 36. 5 Die genaue Herkunftsgeschichte der nicht weiter signi- fikanten und daher nicht inventarisierten Stücke ist bedauerlicherweise nicht mehr zu klären; sie dürften jedoch wohl bereits im frühen 20. Jahrhundert nach Marburg gelangt sein. NEUTRONENAKTIVIERUNGSANALYSEN AN KERAMIK AUS TELL DJINDERIS/GINDAROS* Von Tobias Mühlenbruch (T. M.), Johannes H. Sterba (J. S.), Dietrich Sürenhagen (D. S.) Ägypten und Levante/Egypt and the Levant 19, 2009, 219–227 © 2009 by Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien

Neutronenaktivierungsanalysen an Keramik aus Tell Djinderis/Gindaros (T. Mühlenbruch/J. H. Sterba/D. Sürenhagen). Ägypten und Levante XIX, 2009, 219–227

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Neutronenaktivierungsanalysen (NAA) wurdenmittlerweile an zahlreichen Exemplaren mykeni-scher Keramik durchgeführt, um die Frage nachihren Töpferzentren und Herstellungsgebietenzu beantworten.1 Dies ist für die mykenische Kera-mik unter anderem deshalb von großer Bedeu-tung, da sie im Mittelmeerraum weit verbreitetwar.2 Für Funde aus der nördlichen Levante lie-gen bisher jedoch nur wenige Analysen, wiede-rum primär aus dem südlichen Syrien, vor [TellKazel (Sumur?)].3 Dadurch besitzen die hier vor-gelegten Untersuchungen aus der nordsyrischenSiedlung von Tell Djinderis eine besondereBedeutung. Die Gefäßform, die Art der Verzie-rung sowie die Beschaffenheit des Tons und derBemalung der vier analysierten Skyphoi hattenzudem auf eine Herstellung außerhalb Südgrie-chenlands schließen lassen. Als mögliche Her-kunftsgebiete war an Zypern sowie auch dieGegend von Tell Djinderis in der nördlichenLevante selbst zu denken.4 Das Ergebnis der NAAzeigt, daß wir von der Herstellung mykenischerKeramik bei Tell Djinderis ausgehen können.

Durch die Beprobung von typisch einheimi-scher Keramik aus Tell Djinderis war ein Ver-gleich mit lokalen Warenarten gegeben. Aus derLehrsammlung des Vorgeschichtlichen Seminarsder Philipps-Universität Marburg standen Altfun-de mykenischer Keramik aus Tiryns und Mykenezur Verfügung, um einen Abgleich auch mit süd-griechischer Keramik zu ermöglichen.5

(T. M.)

TELL DJINDERIS/GINDAROS

Die ca. 20 ha große und bis zu 20 m hohe Stadt-ruine Tell Djinderis/Gindaros (Abb. 1) befindetsich im äußersten Nordwesten Syriens, am Ost-rand der Ebene von Antiochia (modern: ‘Amuq).Als ehemals bedeutendes, urbanes Zentrum kon-trollierte der Ort den westlichen Teil des Afrin-Tales und den unmittelbaren Zugang zu einerHandelsroute, die einst Palästina und Anatolienmiteinander verband. Er war zugleich an einerweiteren alten Handelsroute gelegen, die imBereich der Orontes-Mündung (modern: Nahrals-Asi) beginnt, in ihrem westlichen Abschnitt

* Für die Möglichkeit, im Rahmen meines Projektes„Die Synchronisierung der nördlichen Levante undKilikiens mit der Ägäischen Spätbronzezeit“ (sieheMÜHLENBRUCH 2009) als Teilbereich des Spezialfor-schungsbereiches SCIEM 2000 – „Die Synchronisie-rung der Hochkulturen im östlichen Mittelmeerraumim 2. Jahrtausend vor Christus” Neutronenaktivie-rungsanalysen durchführen zu lassen, danke ich demErsten Sprecher von SCIEM 2000, Manfred Bietak,sehr herzlich. Ein herzlicher Dank gilt auch Max BICH-LER und Johannes STERBA für die Durchführung derAnalysen, Hans MOMMSEN für den Abgleich mit seinerDatenbank, Andreas Müller-Karpe für die Bereitstel-lung von Altstücken mykenischer Keramik aus derArgolis aus der Lehrsammlung des Seminars für Vor-und Frühgeschichte der Philipps-Universität Marburgzu Vergleichszwecken sowie ganz besonders DietrichSürenhagen, dem Grabungsleiter von Tell Djinde-ris/Gindaros, für sein spontanes Angebot, Funde ausseiner Ausgrabung beproben zu lassen. Weiterführen-de Gespräche zum Thema konnte ich dankenswerter-weise mit Joseph Maran führen. Zum Begriff „mykeni-sche Keramik“ siehe MÜHLENBRUCH 2009, 23 mit Anm.

76f., wo auch der Terminus „lokal“ problematisiertwird. Mit „lokal“ wird die Keramik gemeint, die derKeramiktradition in der Umgebung des Fundortes ent-spricht. (T. M.)

1 Zuletzt ausführlich BADRE, BOILEAU, JUNG und MOMMSEN

2005. Eine ausführliche Literaturliste zu NAA auch anmykenischer Keramik findet sich bei MOMMSEN:http://www.iskp.uni-bonn.de/gruppen/mommsen/xpubl. html (24.03.2009) und der Universität Manche-ster: http://www.archaeometry.missouri.edu/datasets/uman/index.html (24.03.2009). Wichtig zu ergänzen:von MOMMSEN selbst MOMMSEN, DIEHL, LAMBRECHT, PAN-TENBURG und WEBER 1990 sowie FRENCH 1991; FRENCH

und TOMLINSON 2004; TOMLINSON 2007.2 Vergleiche MOUNTJOY 1986, 163–177.3 Siehe BADRE, BOILEAU, JUNG und MOMMSEN 2005, 15f.4 Zusammenfassend BOILEAU, JUNG und MOMMSEN 2005,

36.5 Die genaue Herkunftsgeschichte der nicht weiter signi-

fikanten und daher nicht inventarisierten Stücke istbedauerlicherweise nicht mehr zu klären; sie dürftenjedoch wohl bereits im frühen 20. Jahrhundert nachMarburg gelangt sein.

NEUTRONENAKTIVIERUNGSANALYSEN AN KERAMIK AUS TELLDJINDERIS/GINDAROS*Von Tobias Mühlenbruch (T. M.), Johannes H. Sterba (J. S.), Dietrich Sürenhagen (D. S.)

Ägypten und Levante/Egypt and the Levant 19, 2009, 219–227© 2009 by Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien

220 Tobias Mühlenbruch, Johannes H. Sterba, Dietrich Sürenhagen

Abb. 1 Tell Djinderis/Gindaros

dem Tal des Afrin folgt und sich nach Osten hin,noch über den Euphrat hinweg, verfolgen lässt.

Ausgrabungen der Universität Konstanz inden Jahren 1993 bis 2000 erbrachten den Nach-weis einer fast ununterbrochenen Besiedlungvom ausgehenden 4. Jahrtausend v. Chr. bis in das6. nachchristliche Jahrhundert.

Die bisher ältesten im Zusammenhang freige-legten Siedlungsreste bestehen aus Sakralbautenund Festungsmauern der Mittleren Bronzezeit(1. Hälfte des 2. Jahrt. v. Chr.), die sich auf einerzitadellenartigen Erhebung im Nordosten derRuine befinden. Aus der nachfolgenden Spät-bronzezeit (2. Hälfte des 2. Jahrt. v. Chr.) undder Frühen Eisenzeit (Frühes 1. Jahrt. v. Chr.)sind überwiegend Abfallgruben, neben nur spär-lichen Bauresten, bezeugt. Es gibt Anzeichendafür, dass das religiöse und politische Zentrumder Stadt sich zu jener Zeit auf der Nordwest-kuppe der Ruine befand. Dennoch erlaubenumfangreiche Keramikfunde und eine größereZahl weiterer Artefakte, den bisher nur unzurei-chend beobachteten Kulturwandel zwischendem Ende des Hethiterreiches und der Etablie-rung der aramäisch-späthethitischen Kleinfür-stentümer des frühen 1. Jahrtausends v. Chr. inNordwestsyrien besser zu verstehen. Von beson-derem Interesse sind Anzeichen für Migrationenaus dem anatolischen Bereich während desÜberganges vom 2. zum 1. Jahrt. v. Chr. Im frü-hen 1. Jahrt. v. Chr. gehörte der Ort mit größterWahrscheinlichkeit zu einem wahlweise als Pat-tin oder Unqi bezeichneten, späthethitischenKleinkönigtum. Es scheint nicht ganz ausge-schlossen, dass Tell Djinderis mit der Hauptstadtdieses Kleinstaates, Kinalua, identisch ist.

Im Gegensatz zu den recht spärlichen histo-risch-geographischen Nachrichten sind das Zeit-alter des Hellenismus, die Zeit des römischen Kai-serreiches und die frühbyzantinische Zeit archäo-logisch gut bezeugt. Von besonderer Bedeutungist hierbei der geomagnetische Nachweis einerflächendeckenden Streifenstadt. Antiken Quel-len zufolge war Tell Djinderis damals unter demNamen Gindaros bzw. Gindarus, woraus sich dermoderne Ruinenname ableitet, Hauptort deswestlich an Antiochia anschließenden BezirksKyrrestike.

(D. S.)

DIE KERAMIK

Die hier behandelten Späthelladisch III C-zeit-lichen Gefäßfragmente (Abb. 2) entstammeneiner Stichprobe von 4212 eisenzeitlichen Scher-ben aus den Kampagnen 1993–1995, bei denen essich in 3390 Fällen um Profilfragmente (Ränder,Böden, Henkel, Tüllen) handelt. Hiervon sind1287 Stück = 38 % bemalt und 218 Stück = 6,4 %mit einer (braun)roten Engobe versehen.

Der Anteil von Schalen- und Schüsselfragmen-ten beträgt 1318 Stück = 38,9 %, darunter 140 =10,6 % bemalte und 141 = 10,7 % rot engobierteFragmente. Unter den bemalten Stücken befin-den sich 43 Fragmente von Skyphoi, was nur 3,3% aller Schalen- und Schüsselfragmente, aber30,7 % der bemalten Varianten entspricht.

(D. S.)

Vier Gefäße (Nr. 1–3, 17) sind als Skyphoi anzu-sprechen. Die Existenz dieser Gefäßform in TellDjinderis ist ohne die Kenntnis ägäischer Exem-plare nicht zu erklären. Dennoch weisen sie Merk-male auf, die auffallen. Dazu gehört hinsichtlichihrer Form der geknickte Wandungsverlauf. Sky-phos Nr. 1 besitzt zudem einen geradezu trichter-förmig ausladenden Rand, der für südgriechischeSkyphoi ungewöhnlich ist. Ebenfalls untypisch fürSkyphoi Südgriechenlands ist die spezifische Artder Bänderung. Rein linear gestaltete Exemplare(Nr. 1 und 3), auch mit einem Band über demHenkel wie bei Nr. 3, finden sich besonders inSpäthelladisch III C, weisen dann aber zumeisteine innen monochrome Ausgestaltung auf. Sky-phos Nr. 2 scheint „komplexer“ verziert gewesenzu sein, doch kann über das Motiv nur gemutmaßtwerden. Auch dieses Gefäß sollte in Späthella-disch III C gehören, ebenso wie Nr. 17 mit seinerWellenlinie.6

(T. M.)

Bemalte Skyphoi sind in Tell Djinderis in fünfFormvarianten (Formenschlüssel: B.M 4.4, 4.5,5.1–5.3) vertreten, die allesamt einen betontenBauchknick aufweisen, sich aber in der Randge-staltung leicht voneinander unterscheiden. Nr. 1entspricht Formvariante B.M 4.5, Nr. 2 Formvari-ante B.M 5.3 und Nr. 3 Formvariante B.M 5.2.

Unterschiede bestehen auch hinsichtlich dermakroskopisch bestimmten Warenbeschaffen-

221Neutronenaktivierungsanalysen an Keramik aus Tell Djinderis/Gindaros

6 Vergleiche MOUNTJOY 1986, 117 f., 129–131, 149–152, 176–179, 190–192 und PODZUWEIT 2007, etwa Beilage 78.

heit. Nr. 1 und das Körperfragment Nr. 17 (For-menschlüssel: 0.M 5.7) weisen die charakteristi-schen Merkmale der oxidierend gebranntenfrüheisenzeitlichen Standardware (Warenschlüs-sel: C2.1) auf. Es handelt sich um mittelfein aus-geschlämmten Mergelton von gelblich-rötlicherFarbe, mit wenig bis mäßig vielen Anteilen vonunregelmäßig verteiltem Kalkgrus, wenig Grob-

sand und sehr feinen organischen Zuschlägen,bei denen es sich eventuell um Grassamen han-delt. Von den oben aufgeführten 43 Skyphosfrag-menten aus Tell Djinderis weisen 14 diese Waren-eigenschaften auf.

Die überwiegende Mehrzahl ist jedoch auseiner reduzierend gebrannten Variante dieserWare (Warenschlüssel: C2.2) hergestellt und ent-

222 Tobias Mühlenbruch, Johannes H. Sterba, Dietrich Sürenhagen

Abb. 2 Die analysierte Keramik aus Tell Djinderis/Gindaros. M 1:3; (Reihenfolge: Nr. 1 – Nr. 2; Nr. 3 – Nr. 17; Nr. 5 – Nr. 6; Nr. 10 – Nr. 11; Nr. 12 – Nr. 13)

sprechend von gelblichgrauer bis graugrünlicherFarbe. Hierzu zählt das Skyphosfragment Nr. 3.Reduktionsbrand könnte auch Ursache für die imKern mittelgraue Ware der Nr. 2 gewesen sein,doch unterscheidet sich diese von den früheisen-zeitlichen Standardwaren durch die Feinheit desTons und die farblich scharf getrennte Schich-tung des Scherbenbruches, der innen- undaußenseitig eine dünne hellrote Schicht von 0,5mm Stärke aufweist. Im Warenspektrum von TellDjinderis sind hierzu bislang keine Entsprechun-gen vorhanden.

Der Dekor besteht in drei Fällen aus horizon-talen Malbändern in schwärzlich-roter (Nr. 1)und rotbrauner (Nr. 2, 3) Farbe, die beidseitig inunregelmäßiger Dichte aufgetragen wurde. Einweiteres Malmotiv (Nr. 2) ist zu fragmentarischerhalten, um eine zuverlässige Bestimmung zuerlauben. Letzteres ist gelegentlich auch bei den43 oben angeführten Skyphosfragmenten derFall, die sämtlich mit Horizontalbändern verse-hen sind. In nur 8 Fällen, zu denen auch das Kör-perfragment Nr. 17 zählt, wurden horizontaleMalbänder auf Skyphoi mit Wellenbändern kom-biniert.

Die gleiche Maltechnik und Farbe findet sichauch auf früheisenzeitlichen Gefäßfragmentenaus lokaler Produktion. Hierzu gehören folgendeProben:

Nr. 15 (Körperfragment einer schwarzbraunbemalten Knickwandschale mit hellgrauer, strei-fig geglätteter Engobe auf der Außenseite; For-menschlüssel: B.M 4.3, Warenschlüssel: C2.1).

Nr. 13 (Körperfragment eines steilwandigen,sich nach oben verjüngenden Pokals mit feinenschwarzbraunen horizontalen Malstreifen; For-menschlüssel: B.M 2.0, Warenschlüssel: C2.1).

Nr. 5 (Hals einer Kleeblattkanne; Formen-schlüssel: E.M 5.8, Warenschlüssel: C2.1).

Ebenfalls zur Gruppe der Kleeblattkannenzählt das bichrom rot und schwarz bemalte Schul-terfragment Nr. 6 (Formenschlüssel: 0.M 12.7,Warenschlüssel: C2.2).

Nr. 10, 11 (zwei rotbraun bemalte Schulter-fragmente von Krateren. Nr. 10: Warenschlüssel:C1.4.1, Formenschlüssel: 0.M 6.3. Nr. 11, mit sin-gulärer floraler Bemalung: Warenschlüssel:C1.4.1).

Nr. 12 (Schulterfragment eines nicht näherbestimmbaren, flachschultrigen Topfes mit röt-

lich-violetter Dreiecksbemalung; Formenschlüs-sel: 0.M 4.9, Warenschlüssel: C1.4.1).

Die Ware der Proben 10–12 (Warenschlüssel:C.1.4.1) ist im Ursprung spätbronzezeitlich,wurde aber während der frühen Eisenzeit weiterverwendet. Sie unterscheidet sich von der früh-eisenzeitlichen Warengruppe C2 durch mäßigeZuschläge von mittelfeinem Häcksel und Grob-sand und durch einen leicht reduzierendenBrand.

Innerhalb der oben genannten Stichprobeunterscheidet sich eine Gruppe von 33 statistischerfassten Scherben, darunter ein Skyphosfrag-ment, dadurch von den hier untersuchten undbeschriebenen Fragmenten, dass ihre überwie-gend schwarzbraune Bemalung durch einen auf-fällig flüchtigen Pinselstrich gekennzeichnet ist.Sie wurde deshalb als „mykenisierend“ bezeich-net. Nur 8 dieser Fragmente bestehen eindeutigaus den früheisenzeitlichen Standardwaren C2.1und C2.2 von Tell Djinderis. Es erscheint daherauch weiterhin nicht ausgeschlossen, dass nebenlokaler Keramikproduktion im spätmykenischenStil, wie es die Ergebnisse der NAA nahelegen,auch Importe mykenischer Herkunft inGebrauch waren. Aufschluss hierüber könntenallerdings nur weitere Beprobungen erbringen.

(D. S.)

Probenvorbereitung und Neutronenaktivierungs-analyse

Für die Analyse der Keramik wurden von jederProbe nach Absprache ein etwa 3 × 3 mm großesStück abgebrochen. Die Stücke wurden gereinigtund in einer Achatmühle von Hand zu einem Pul-ver (Korngröße < 3µm) gemahlen, um eineHomogenisierung des Probenmaterials zugewährleisten. Das entstandene Pulver wurde12 h bei 110°C getrocknet und dann in Suprasil™Quarz-Glas Röhrchen eingewogen. Zur Einwaagekamen jeweils etwa 140 mg. Die Quarz-Röhrchenwurden verschmolzen und zusammen mit dreiProben des “Bonner Standards”7 im TRIGA Mk IIReaktor des Atominstituts zur Bestrahlunggebracht. Die Bestrahlung erfolgte im ZentralenBestrahlungsrohr für 40 Stunde bei einer Neutro-nenflussdichte von 1·1013 cm-2 s-1. Nach einerAbklingzeit von 5 Tagen wurden die Probenaußen dekontaminiert, in Kapseln verpackt undim Probenwechsler des Atominstituts zur ersten

223Neutronenaktivierungsanalysen an Keramik aus Tell Djinderis/Gindaros

7 Vergleiche MOMMSEN und SJÖBERG, 2007

224 Tobias Mühlenbruch, Johannes H. Sterba, Dietrich Sürenhagen

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Messung mit einer Messzeit von 1 800 s gebracht.Eine zweite Messung mit einer Messzeit von10 000 s erfolgte 4 Wochen später. Die erste Mes-sung erbrachte die Aktivitäten der mittellebigenRadionuklide 24Na, 42K, 76As, 140La, 153Sm und239Np (als Zerfallsprodukt von 239U), die zweitedie Aktivitäten der langlebigen Radionuklide46Sc, 51Cr, 59Fe, 60Co, 86Rb, 124Sb, 134Cs, 131Ba,141Ce, 147Nd, 152Eu, 160Tb, 169Yb, 177Lu, 181Hf,182Ta und 233Pa (als Zerfallsprodukt von 233Th).Die Messung erfolgten beide auf einem HPGe-Detektor (1.78 keV Auflösung bei 1332 keV; 49%relative Efficiency) in Verbindung mit einem PC-basierten Vielkanalanalysator mit einem Loss-Free Counting System. Die Ergebnisse der Analy-se sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

ANALYSE DER CHEMISCHEN DATEN

Primäres Ziel der Datenanalyse war es, festzustel-len, welcher der drei Vergleichsgruppen – myke-nische Keramik aus Tiryns und Mykene sowie syri-sche Keramik in lokaler Tradition – die fraglichenvier Skyphoi aus Tell Djinderis (Nr. 1–3, 17) zuzu-ordnen sind. Dazu wurde sowohl die Prinzipal-komponentenanalyse als auch die Lineare Diskri-minanzanalyse angewendet. Beide Verfahrenwurden sowohl vor als auch nach einer Verdün-nungsrechnung8 durchgeführt, um etwaige Ver-zerrungen des Datensatzes durch verschiedeneVerdünnungen auszuschließen.9 In beiden Fällenbrachte die Verdünnungskorrektur keine signifi-kante Veränderung der Datensätze.

Die Prinzipalkomponentenanalyse ist ein Ver-fahren, das hauptsächlich dazu dient, einenmehrdimensionalen Datensatz durch die Projek-tion auf eine Ebene darstellbar zu machen. Dabeiwird die Projektionsebene so gewählt, dass dieerste Hauptachse in Richtung der größten Streu-ung weist, die zweite Hauptachse in Richtung der

größten verbliebenen Streuung. Die Ergebnisseder Prinzipalkomponentenanalyse sind in Abb. 3dargestellt. Die erste Achse stellt 56% der gesam-ten Streuung des Datensatzes dar, die zweite wei-tere 12%. Deutlich ist zu erkennen, wie in dieserProjektion die Datenpunkte der nicht zugeord-neten Proben aus Djinderis eindeutig mit denProben lokaler Herkunft zusammenfallen, wäh-rend sie klar von den beiden anderen Gruppengetrennt werden.

In der linearen Diskriminanzanalyse werdenaus einem Übungsdatensatz bekannter Zugehö-rigkeit die Faktoren für eine lineare Funktionbestimmt, die die bekannten Gruppen möglichstdeutlich trennen. Im zweiten Schritt werden dienoch nicht zugeordneten Daten mit der im erstenSchritt bestimmten Funktion den vorgegebenenGruppen zugeordnet. Die Ergebnisse der linea-ren Diskriminanzanalyse sind in Abb. 4 darge-stellt. Wieder ist deutlich zu sehen, dass die nichtzugeordneten Proben aus Tell Djinderis starkeÜberschneidungen mit den bekannten Probenaus Tell Djinderis zeigen und deutlich von denbeiden anderen Gruppen getrennt werden. Derdeutlichere Unterschied zwischen den Probenaus Mykene und den Proben aus Tiryns ist daraufzurück zu führen, dass schon im Übungsdatensatzzwischen diesen beiden Gruppen unterschiedenwurde.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass dieProben aus Tell Djinderis eindeutig der lokalenGruppe „Pottery Samples from Djinderis“ zuzu-ordnen sind, die sich selbst wieder deutlich vonden importierten Gruppen „mykenische Scherbenaus Tiryns“ und „mykenische Scherben aus Myke-ne“ unterscheiden lässt. Diese beiden Gruppen ste-hen wiederum nicht mit den Gruppen „Mykene/Berbati“ und „Tiryns/Asine“ in Verbindung.

(J. S.)

225Neutronenaktivierungsanalysen an Keramik aus Tell Djinderis/Gindaros

8 Vergleiche BEIER und MOMMSEN 2008. 9 Vergleiche STERBA, MOMMSEN, STEINHAUSER und BICH-LER 2009.

Nr. 1 = B. M. 4.5 (TM 1)Nr. 2 = B. M. 5.3 (TM 2)Nr. 3 = B. M. 5.2 (TM 3)Nr. 5 = E. M. 5.8 (TM 5)Nr. 6 = 0. M. 7.1 (TM 6)Nr. 10 = 0. M. 6.3 (TM 10)

Nr. 11 = Ähnlichkeit mit 0. M. 10.5 (TM 11)Nr. 12 = 0. M. 4.9 (TM 12) Nr. 13 = 0. M. 3.1 (TM 13)Nr. 15 = Einzelmotiv, 0. M. 10.x (TM 15)Nr. 17 = 0. M. 5.7 (TM 17)

Sigel der beprobten Fragmente zum Keramikkatalog Tell Djinderis/Gindaros:

Abb. 4 Ergebnisse der Linearen Diskriminanzanalyse

226 Tobias Mühlenbruch, Johannes H. Sterba, Dietrich Sürenhagen

Abb. 3 Ergebnisse der Prinzipalkomponentenanalyse

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227Neutronenaktivierungsanalysen an Keramik aus Tell Djinderis/Gindaros

Bibliographie