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1 Rafael de Nogales Méndez (1877 1937): Chronologie einer persönlichen Erkenntnis von Jasmina Jäckel de Aldana Zum 130. Geburtsjahr 1 1 Vortrag gehalten am 30. April 2007 im Ibero-Amerikanischen Institut in Berlin.

Rafael de Nogales Méndez (1877 – 1937): Chronologie einer persönlichen Erkenntnis

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Rafael de Nogales Méndez (1877 – 1937): Chronologie einer

persönlichen Erkenntnis

von Jasmina Jäckel de Aldana

Zum 130. Geburtsjahr 1

1 Vortrag gehalten am 30. April 2007 im Ibero-Amerikanischen Institut in Berlin.

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Ein lateinamerikanischer Brückenschlag nach Europa

„...und jede Wertschätzung ist ein Produkt aus

dem Werte des Geschätzten mit der

Erkenntnissphäre des Schätzers...“

(Arthur Schopenhauer)

In seinen Aphorismen zur Lebensweisheit bemerkte der deutsche Philosoph Arthur

Schopenhauer, dass alle Geister dem unsichtbar seien, der keinen hat, und jede

Wertschätzung „ein Produkt aus dem Werte des Geschätzten mit der Erkenntnissphäre

des Schätzers“ sei. Schopenhauer folgerte daraus, dass man sich mit jedem, mit dem

man spricht, nivelliere, indem alles, was man ihm voraushaben kann, verschwinde und

sogar die dazu erforderte Selbstverleugnung völlig unerkannt bliebe. Das

Hintergründige, Ambivalente des vorangestellten Schopenhauer Aphorismus trifft in

besonderem Maße für die wissenschaftliche Erkenntnis der Person von Rafael de

Nogales Méndez zu. Seine Wertschätzung bei Zeitgenossen und Nachwelt fällt seit

jeher unterschiedlich aus. Die Meinungen bewegen sich auf einem Kontinuum zwischen

aufrichtiger Bewunderung für seinen Mut und strategisches Kalkül bis hin zur

Geringschätzung.

Eines ist jedoch sicher: Rafael de Nogales Méndez, Weltenbummler, Offizier,

Revolutionär, politischer Visionär und Schriftsteller, steht beispielhaft für eine

Biographie zwischen den Welten und Kulturen, ein außergewöhnliches Leben, wie

geschaffen für Legenden. Geboren in der venezolanischen Andenstadt San Cristóbal in

der Provinz Táchira, ehemals blühendes Zentrum des Kaffeeanbaus, erhielt der aus

wohlhabender Familie stammende Nogales seine Schulbildung im wilhelminischen

Deutschland, das zum Ausgangspunkt seiner abenteuerlichen Reiselust wurde, die ihn

fast um den ganzen Globus führte und maßgeblich sein späteres Leben als Grenzgänger

und Außenseiter bestimmte. Einerseits möchte ich die Ergebnisse einer langjährigen

Kooperation mit Forschern in Venezuela vorstellen.2 Andererseits wird es darum gehen,

Nogales unter Berücksichtigung der kaum erforschten deutschen Bezugspunkte

ansatzweise zu verorten. Mein persönlicher Entdeckungsprozess, angefangen bei den

Nogales-Werken, über die venezolanische Biographiearbeit bis hin zu den in

Deutschland hinterlassenen Spuren, wird dabei schrittweise nachvollzogen.

Antiquarische Schätze: Rafael de Nogales Méndez in der Staatsbibliothek

Preußischer Kulturbesitz und im Ibero-Amerikanischen Institut in Berlin

Die erste Begegnung mit Rafael de Nogales Méndez erfolgte eher zufällig im Rahmen

einer Forschung über den arabischen Nationalismus während des Ersten Weltkriegs.

Auf Empfehlung des Islamwissenschaftlers Fritz Steppat wurde ich auf das Buch Adler

2 vgl. Jasmina Jäckel de Aldana: Del aventurero trotamundos al héroe nacional venezolano? In: Estudios

de Asia y África. No 111, Vol. XXXV Enero-Abril, 2000, El Colegio de México, auf den – wo nicht

anders angegeben - die vorliegenden Ausführungen aufbauen.

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und Halbmond. Das deutsch-türkische Bündnis 1914 - 1918 aufmerksam, das die Rolle

der Mittelmächte Deutschland, Österreich-Ungarn und des Osmanischen Reiches im

Ersten Weltkrieg erörtert und im Zusammenhang mit der Beschreibung der

osmanischen Kriegsfronten die Erinnerungen des Venezolaners Rafael de Nogales unter

dem Hinweis erwähnt, dass dieser auf osmanischer Seite gekämpft habe.3 Als Quelle

gibt der Verfasser, Hans Werner Neulen, das Buch Vier Jahre unter dem Halbmond.

Erinnerungen aus dem Weltkriege, an und den Autor Rafael de Nogales, erschienen

1925 in Berlin. Angeregt von dieser Referenz vermutete ich die venezolanische Quelle

in Berlin und recherchierte in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz. Es stellte

sich heraus, dass der unbekannte lateinamerikanische Autor und Offizier im

Bibliothekskatalog nicht nur mit dem gesuchten deutschen Titel, sondern zwei weiteren

spanischen Originalfassungen vertreten war. Insgesamt lassen sich aus der Feder von

Nogales vier verschiedene Werke in unterschiedlichen Ausgaben und Übersetzungen

nachweisen, die zwischen 1924 und 1936 in Deutschland, den Vereinigten Staaten,

Großbritannien, Frankreich und Venezuela veröffentlicht worden sind.

Betrachten wir die Werke in chronologischer Reihenfolge so fällt auf, dass

Nogales nur sein Erstwerk in seiner Muttersprache Spanisch verfasst hat. Cuatro Años

bajo la Media Luna. Su diario e Impresiones durante la Guerra Mundial en los diversos

Frentes de Europa y Asia erschien 1924 in Berlin,4 gefolgt, ein Jahr später (1925), von

der erwähnten deutschen Übersetzung.5 Von diesem wohl am meisten diskutierten Werk

existiert neben der deutschen, eine englische sowie türkische Version.6 Ganz im Stile

der nach dem Ersten Weltkrieg zahlreich erschienen Kriegsmemoiren, mit Porträts

hoher türkischer und deutscher Offiziere, vorderasiatischen Altertümern und

Schlachtenszenen illustriert, schildert Nogales auf der Grundlage eines Tagebuches

seine persönlichen und soldatischen Erfahrungen an den orientalischen Fronten. Der

zeitliche Bogen spannt sich von der Aufnahme in die Osmanischen Armee im Februar

1915 bis zu seiner Ausreise aus dem Osmanischen Reich im April 1919.

Die darauf folgenden drei Werke hat Nogales dagegen in Englisch verfasst. 1928

erschien in New York (Robert McBride & Company) das Buch The Looting of

Nicaragua, Ergebnis eines Aufenthaltes als Kriegskorrespondent 1927/28 in

Mittelamerika. Heftig greift er die US-amerikanische Politik der „Dollar-Diplomatie“ in

Nikaragua an und ergreift Partei für die junge sandinistische Widerstandsbewegung.7

Eine der vielen Legenden, die sich um Nogales ranken, sagt seinen journalistischen

3 Hans Werner Neulen: Adler und Halbmond. Das deutsch-türkische Bündnis 1914 – 1918. Berlin,

Ullstein 1994, S. 147. 4 Erstausgabe Rafael de Nogales Méndez: Cuatro años bajo la Media Luna. Su diario e impresiones

durante la guerra mundial en los diversos frentes de Europa y Asia, Berlin-Madrid-Buenos Aires, Ed.

Intern. 1924. Eine zweite Ausgabe erschien in Caracas, Casa de Especialidades 1936 sowie eine dritte

Edition 1991. 5 Autorisierte deutsche Ausgabe, Verlag Reimar Hobbing, Berlin 1925. 6 Gekürzte Fassung, die sich auf die Kapitel über die Kämpfe an der ostanatolischen Front beschränken.

Kaimakam Hakki: Hilal Altinda Dört Sene ve Buna Ait Bir Cevap. Istanbul, Askeri Matbaa, 1931. Zu den

Ausgaben vgl. Mirela Quero de Trinca: Rafael de Nogales Méndez. Biblioteca Biográfica Venezolana,

Editora El Nacional, Caracas 2005, S. 96 – 98. 7 Deren Führer General Augusto César Sandino (1895 – 1934) will er später 1929 in Mexiko

kennengelernt haben. vgl. Kaldone G. Nweihed: The World of Venezuelan Nogales Bey/Venezuelali

Nogales Bey’in Dünyasi. Embassy of the Bolivarian Republic of Venezuela in Turkey, Ankara 2005, S.

141 – 150. Die 16 Bildtafeln halten zum Teil verstümmelte Kriegsopfer sowie Massaker fest.

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Aktivitäten nach, zum Abzug der US-amerikanischen Truppen aus Nikaragua im Januar

1933 durch Präsident Roosevelt beigetragen zu haben.8

Während die ersten beiden Werke internationale Kriegspolitik aus der unmittelbaren

Nähe eines Augenzeugen dokumentieren und trotz der unvermeidlichen Subjektivität

um Authentizität der Fakten bemüht sind, handelt es sich bei den beiden letzten

Publikationen um Zusammenstellungen von z.T. lose miteinander verknüpften

persönlichen Abenteuern im Rückblick aus einer längeren zeitlichen Distanz. Der Autor

appelliert an die Fantasie, Neugier und Abenteuerlust eines überwiegend

angelsächsischen Publikums. In London erschien 1932 die erste Ausgabe seiner

Memoirs of a Soldier of Fortune,9 gefolgt zwei Jahre später von Silk Hat and Spurs.

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Memoirs of a Soldier of Fortune deckt die beiden ersten Jahrzehnte des zwanzigsten

Jahrhunderts biographisch ab (1901 – 1922), während Silk Hat and Spurs die

davorliegende Zeit um das Ende des 19. Jahrhunderts behandelt und dabei weitgehend

unsystematisch von Episode zu Episode springt. Unter dem Titel Rebell, Cowboy,

Goldgräber und Soldat erschien 1936 in Berlin (Drei Masken Verlag) eine gekürzte

deutsche Übersetzung der Memoirs. Allen umfangreicheren Werken gemeinsam bleibt

eine weitgehend autobiographische Perspektive.11

Das schriftstellerische Gesamtwerk

von Nogales liegt in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, ergänzt um eine

Auswahl an neuerer venezolanischer Sekundärliteratur im Ibero-Amerikanischen

Institut.12

Die venezolanische Forschung

Die einmal aufgenommene Spur führte zu einem lateinamerikanischen

Forschungsnetzwerk in Venezuela. Nach Jahrzehnten der Vernachlässigung hat sich die

gegenwärtige venezolanische Forschung der historischen Aufarbeitung der zunächst

national kontrovers diskutierten, dann weitgehend in Vergessenheit geratenen

Persönlichkeit von Rafael de Nogales Méndez verschrieben. Die venezolanische

Perzeption zu seinen Lebzeiten war gemischt gewesen. Sein visionäres bzw.

revolutionäres Gedankengut erfreute sich zunächst keiner nationalen Wertschätzung. Im

Gegenteil. Die staatlichen Autoritäten bedienten sich eines breiten Instrumentariums

8 vgl. Kaldone G. Nweihed: The World of Venezuelan Nogales Bey/Venezuelali Nogales Bey’in Dünyasi.

Embassy of the Bolivarian Republic of Venezuela in Turkey, Ankara 2005, S.144. Von diesem Werk

existieren eine Reihe von Ausgaben sowie eine spanische Übersetzung. Zu den Ausgaben vgl. Mirela

Quero de Trinca: Rafael de Nogales Méndez. Biblioteca Biográfica Venezolana, Editora El Nacional,

Caracas 2005, S. 98 – 102. Ferner gibt es eine französische Ausgabe mit dem Titel Memoirs D’un Soldat

De Fortune. Übersetzt von Jean Eyze, Paris, Gallimard 1934. 9 Verlag Wright and Brown. Weitere Ausgaben vgl. Mirela Quero de Trinca: Rafael de Nogales Méndez.

Biblioteca Biográfica Venezolana. Editora El Nacional, Caracas 2005, S. 101-102. 10 London, Wright & Brown, 1934. 11 Eine Verortung in der venezolanischen „autoreferenziellen“ Literatur unternimmt Violeta Rojo,

Memorias de un aventurero venezolano: Rafael de Nogales Méndez. Contexto. Segunda etapa. Vol. 6 –

No.8, 2002. Der Aufsatz enthält jedoch eine ganze Reihe biographischer Ungenauigkeiten. 12 vgl. den Katalog des Ibero-Amerikanischen Institutes (IAI), welcher z.Z. sechs Titel enthält. Die

Staatsbibliothek weist z.Z. acht Titel aus. Die beiden staatlichen Bibliotheken liegen nebeneinander im

Berliner Bezirk Tiergarten. Das IAI ist eine interdisziplinäre Informations-, Forschungs- und

Kultureinrichtung mit der größten Spezialbibliothek zum ibero-amerikanischen Kulturraum

(Lateinamerika, Karibik, Spanien und Portugal) in Europa.

5

persönlicher Anfeindungen. Unter den Militärregierungen von Cipriano Castro (1899 -

1908) und Juan Vicente Gomez (1909 - 1935) war er in Venezuela der Verfolgung, im

Ausland internationaler Observation ausgesetzt. Und in der venezolanischen Presse

erschienen zu jener Zeit eine Reihe ironischer Artikel über die Teilnahme von Nogales

im Weltkrieg auf osmanischer Seite.13

Nach dem Tode von Nogales 1937 bis Mitte der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts

gab es nur vereinzelte Venezolaner, die sich mit ihm befassten, wie z.B. Lino Iribarren

Celis (1898 – 1988) Schriftsteller, Journalist und Militärexperte. Nur einen Monat nach

Nogales‘ Tod in Panama berichtet er in seinem, am 10. August 1937 im

venezolanischen Tagesblatt von Barquisimeto El Impulso erschienen Artikel über die

Rolle von Nogales an der Palästinafront, stellt ihn im Generalsrang vor und in

Zusammenhang mit den großen venezolanischen Freiheitskämpfern und Patrioten

Francisco de Miranda (1750 – 1816) und Simón Bolívar (1783 – 1830).14

Über zwanzig

Jahr später, 1960, kommentiert er Nogales erneut in der venezolanischen Presse

anlässlich der geplanten spanischen Neuauflage von Cuatro Años bajo la Media Luna.15

Im selben Jahr erscheint im deutschsprachigen Caracas Anzeiger ein zumindest von

ihm inspirierter, umfangreicher, aber z.T. ungenauer Beitrag mit dem Titel Rafael de

Nogales Méndez – ein großer Venezolaner und Feldherr unter deutscher Flagge mit

Untertönen posthumer Heroisierung.16

Die erste systematische Verbreitung von Leben

und Werk von Rafael de Nogales in Venezuela ist hingegen der Dichterin und

Übersetzerin Ana Mercedes Pérez (1908 – 1994) zu verdanken. Ihr war Nogales noch

persönlich aus London bekannt, wo ihr Vater in den dreißiger Jahren Generalkonsul für

Venezuela für Großbritannien war. Zwei seiner Werke hat sie aus dem Englischen ins

Spanische übersetzt und mit einem ausführlichen Vorwort versehen. In Memorias de un

Soldado de Fortuna (Erste Ausgabe Caracas 1974) erläutert sie die Hintergründe der

politischen Verfolgung, Erfolg- und Mittellosigkeit von Nogales in seiner Heimat.17

Nur

ein Jahr später (1975) veröffentlichte der Historiker Carlos Pérez Jurado seine Síntesis

biográfica del general venezolano Rafael de Nogales Méndez, die ebenso wie bei

Iribarren Celis auf ein persönliches Interesse an der intellektuellen Hinterlassenschaft

des venezolanischen Offiziers und Globetrotters zurückzuführen ist.18

Vor allem seit den neunziger Jahren ist Rafael de Nogales Gegenstand von Konferenzen

und Ehrungen geworden. Die Veranstalter und Teilnehmer vereinen in ihrem Kreis

13 vgl. Jasmina Jäckel de Aldana: Del aventurero trotamundos al héroe nacional venezolano? In: Estudios

de Asia y África. No 111, Vol. XXXV Enero-Abril, 2000, El Colegio de México, S. 120. 14 Der Vater von Iribarren Celis hatte, ähnlich wie Nogales, am Ersten Weltkrieg teilgenommen -

allerdings auf Seiten der USA. Vgl. Fundación General de Nogales Méndez (Hrg): Nogales Méndez visto

por propios y extraños. Caracas, 2003, S. 65 – 69. 15Fundación General de Nogales Méndez (Hrg): Nogales Méndez visto por propios y extraños. Caracas,

2003, S. 79 – 82. 16 Caracas 1. bis 31. Oktober 1960. Caracas Anzeiger. S. 9 u. 11. 17 Im Vorwort zu El Saqueo de Nicaragua erhebt sie - ganz im Tenor von Nogales - Anklage gegen die

obskuren Machenschaften der CIA in Lateinamerika. Fundación General de Nogales Méndez (Hrg):

Nogales Méndez visto por propios y extraños. Caracas, 2003, S. 20 – 21. 18 Sein Vater, Tomás Pérez Tenreiro, ein hoher venezolanischer Offizier, war einer im Kreise junger

Venezolaner gewesen, die General de Nogales 1936 nach der Rückkehr aus dem Exil kennen und

schätzen gelernt hatten. Einige der jungen Nogales-Verehrer sollten in der Zukunft Venezuelas eine

wichtige Rolle spielen. So u.a. Antonio Briceño Linares, später Offizier im Generalsrang und

Verteidigungsminister. vgl. auch die Anekdote, die hierüber José Antonio Giacopini Zárraga erzählt in:

Fundación General de Nogales Méndez (Hrg): Nogales Méndez visto por propios y extraños. Nogales

Méndez como primer puente entre Venezuela y Oriente Medio. Caracas, 2003, S. 256 ff. U. S. 107 – 114.

6

venezolanische Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen, Rechtsanwälte,

Politiker19

sowie einige wenige noch lebende Zeitgenossen von Nogales.20

Dies geht im

Wesentlichen auf die Initiative des Politologen und Diplomaten Kaldone G. Nweihed

zurück.21

Er hat erstmals damit begonnen, aus seinem Umfeld an der Universidad

Simón Bolívar heraus systematisch den Menschen Rafael de Nogales Méndez zum

biographischen Gegenstand zu erheben und den verstreuten Spuren international

nachzugehen. Ein Resultat jahrelanger aufwendiger Recherchen ist der historisch-

biographische Roman Nogales Bey, den Nweihed unter dem Pseudonym Pedro Almarza

1997 in Venezuela publizierte.22

In die venezolanische Forschung ist auch der türkische

Wissenschaftler Mehmet Necati Kutlu eingebunden, der sich mit der Nogales-Thematik

aus türkischer Perspektive befasst.

Die Stiftungsgründung mit dem Namen Fundación General de Nogales Méndez mit Sitz

in Caracas im November 2000 leitete eine neue Etappe in der nationalen Aufarbeitung

von Rafael de Nogales ein.23

Zu den wichtigsten Veröffentlichungen der Stiftung gehört

Nogales Méndez. Visto por propios y extraños, eine umfangreiche Sammlung von

seltener, hauptsächlich venezolanischer Sekundärliteratur über Rafael de Nogales

(Caracas 2003).24

Und zwei weitere Publikationen von Stiftungsmitgliedern – beide im

Jahr 2005 erschienen – sind erwähnenswert: zum einen handelt es sich um das reich

illustrierte, in Ankara in Türkisch und Englisch verlegte Werk The World of Venezuelan

Nogales Bey/Venezuelali Nogales Bey’in Dünyasi von Kaldone Nweihed. Es liefert

einen souveränen Abriss des gesamten Lebens und Schaffens von Nogales.25

Zum

anderen hat die venezolanische Historikerin Mirela Quero de Trinca eine detaillierte

und verlässlich recherchierte Biographie über Rafael de Nogales verfasst.26

Sie hat dafür

19 Hierzu gehört der ehemalige Präsident Venezuelas (1993 – 1994), der Historiker, Rechtsanwalt,

Politiker und Publizist Ramón J. Velásquez (geb. 1916). 20 z.B der inzwischen verstorbene erwähnte Historiker und Erdölexperte José Giacopini Zárraga (1915 –

2005). 21 Kaldone G. Nweihed (geb. 1929 in Jerusalem), libanesisch-palästinensischer Herkunft, war lange Jahre

ordentlicher Professor an der Universidad Simón Bolívar in Caracas, Venezuela und gehörte seit 1970

dem Instituto de Tecnología y Ciencias Marinas an. Als Direktor führte er seit 1996 das Instituto de Altos

Estudios de América Latina in Caracas. 2002 wurde er zum Botschafter von Venezuela in der Türkei

ernannt. Nweihed hat sich mit einer Reihe von Publikationen hervorgetan, die ein breites

Themenspektrum abdecken, unter ihnen La Vigencia del mar. (1973 - 1974), El Caribe de la pesca

(1983), Bolívar y el Tercer Mundo (1984/1999), Frontera y Limite en su Marco Mundial: una

aproximación a la “fronterologia” (1990/1992) und Globalización: Dos Rostros y Una Máscara (1999)

sowie diverse Veröffentlichungen über Rafael de Nogales, wie z.B. der historische Roman Nogales Bey

(Pseudonym Pedro Almarza 1997) und The World of Venezuelan Nogales Bey/. Venezuelali Nogales

Bey’in Dünyasi (2005). 22 Pedro Almarza: Nogales Bey. Fondo Editorial Diculta, San Cristóbal 1997, 744 Seiten. 23 Erklärtes Ziel ist es, sowohl im nationalen als auch internationalen Rahmen Leben und Werk des

Venezolaners „bekanntzumachen, zu lehren, studieren, erforschen und zu verbreiten.“ Fundación General

de Nogales Méndez (Hrg): Nogales Méndez visto por propios y extraños. Caracas, 2003, S. 415.

Stiftungssatzung s. Anexo documental S. 419 ff. Zusammensetzung der Junta Directiva 2003: Dr. Ramón

Urdaneta (Präsident), Dr. Luis Hernández (Vize Präsident), Ing. John Mohamed (Schatzmeister), Lic.

Mirela Quero de Trinca (Sekretär), Luis Sedgwick, Dra. Morelia Álvarez, Ildefonso Méndez, Lic. Socorro

Armas und José Patino (Sprecher). 24 Sie enthält nicht nur die Stiftungsatzung, sondern auch eine Chronologie zu Nogales im Zeitraum von

1877 bis 2003 aus der Feder von Luis Hernández Contreras, Rechtsanwalt, Musikethnologe und

Spezialist für die Provinz Táchira, z. Z. (2007) Vizepräsident der Stiftung, S. 404 ff. 25 Die Quellen erscheinen in einer kurzen Bibliographie am Ende des Buches. 26 Mirela Quero de Trinca: Rafael de Nogales Méndez. Biblioteca Biográfica Venezolana. Editora El

Nacional, Caracas 2005.

7

wenig genutztes Archiv- und Zeitungsmaterial herangezogen.27

Beide Werke

reflektieren den jüngsten (2007) venezolanischen Forschungsstand. Dennoch beruhen

große Teile der biographischen Rekonstruktion noch immer auf den Werken und

Aussagen von Rafael de Nogales selbst und müssten kritisch hinterfragt werden.

Biographische Streiflichter aus deutscher Sicht

Rafael Ramón Inchauspe Méndez wurde am 14. Oktober 1877 in der venezolanischen

Andenstadt San Cristóbal, Provinz Táchira als einziger Sohn und ältestes von vier

Kindern der wohlhabenden Familie spanischer Abstammung Inchauspe Méndez

geboren. Früh bildeten sich Bezugspunkte zur deutschen Kultur. Der Táchira, war seit

der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Zentrum deutscher Einwanderung. Die

Deutschen beschäftigten sich hauptsächlich mit dem Anbau, Handel und Vertrieb von

Kaffee über den Hafen Maracaibo nach Hamburg und New York. Die Provinz erlebte

aufgrund der ökonomischen, auch eine kulturelle Blütezeit, die nicht nur zur Einheirat

von Deutschen in die venezolanischen Familien führte, sondern auch zum Besuch der

renommierten deutschen Schule in San Cristóbal unter der Leitung des Hamburgers

Theodoro Messerschmidt. Hier erhielt Rafael Ramón die erste Grundlage der deutschen

Sprache und Werte, die er in Deutschland im Alter von acht Jahren fortsetzen sollte. Die

Reise der Eltern im April 1886 mit dem Sohn lässt sich nachweisen,28

allerdings nicht

das Reiseziel in Deutschland und so fehlen auch alle weiteren konkreten Daten zum Ort

und Verlauf der Ausbildung.29

Es ist bemerkenswert, dass Nogales in seinen Werken

diese ersten Jahre nicht erwähnt oder konkretisiert, sondern als frühesten Zeitpunkt der

Selbstmitteilung über die Zeit als Militärkadett in Belgien berichtet, worüber gleichfalls

nur spärliche Angaben in den Abenteuerbüchern existieren und keine Dokumente. An

diese, fast gänzlich im Dunkel liegende Ausbildung, schloss sich dann ein bewegtes

Abenteuerleben als Weltenbummler an.

Über die Aufenthalte von Rafael de Nogales in Deutschland ist also im Moment wenig

Gesichertes zu berichten. Dennoch lassen sich ansatzweise drei abgegrenzte

Lebensphasen unterscheiden: Von der ersten, 1886 beginnenden Lebensphase in

Deutschland, der Schulzeit (vermutlich in Hamburg), wissen wir so gut wie nichts. Hier

gibt es noch einen intensiven biographischen Aufarbeitungsbedarf. Bei dem zweiten

deutschen Intermezzo von Nogales handelt es sich um einen Diensturlaub als Offizier

von der Osmanischen Armee während des Ersten Weltkriegs. Nogales verbringt ihn

nach eigenen Angaben zumindest ein Mal im Herbst 1918 in Berlin und nutzt ihn zur

Publikation von Zeitungsartikeln. In seinem am 1. Oktober 1918 in der Norddeutschen

Allgemeinen Zeitung in Deutsch veröffentlichten Artikel Lateinisch-Amerika betont

Nogales die Notwendigkeit eines verbindenden, übernationalen Eisenbahn- und

Straßennetzes für die schrittweise Realisierung der Vereinigung von ganz

27 Als ehemalige Forscherin des Oficina de Investigaciones Históricas y Políticas del Congreso de la

República in Venezuela verfügt sie über ein fundiertes Spezialwissen. 28 vgl. Jasmina Jäckel de Aldana: Del aventurero trotamundos al héroe nacional venezolano? In:

Estudios de Asia y África. No 111, Vol. XXXV Enero-Abril, 2000, El Colegio de México, S.109 – 110. 29 Es wird vermutet, dass er in Hamburg die Schule besuchte, da dort sein Cousin Alex Boué Méndez

seine Ausbildung erhielt. Darüber hinaus lebte seine Cousine Pepita Casanova in Hamburg, die mit Paul

Heimerdinger verheiratet war. vgl. Mirela Quero de Trinca: Rafael de Nogales Méndez. Biblioteca

Biográfica Venezolana. Editora El Nacional, Caracas 2005, S. 18.

8

Lateinamerika über einen Zollverein – Mittelamerika eingeschlossen – im Sinne echter

(auch ökonomischer) Unabhängigkeit und als Gegengewicht zu den damaligen

Großmächten. Aus allen seinen Werken, vornehmlich aber den verstreuten Artikeln geht

hervor, dass es sich um einen glühenden venezolanischen Patrioten und Nationalisten

sowie Visionär der lateinamerikanischen Integration gehandelt hat.30

Es zeugt von der

kühnen Denkwelt eines Rafael de Nogales, dass er bereits 1918 die heranwachsenden

wirtschaftlichen Potenziale von Ländern wie Südafrika, China, Australien und

Lateinamerika erkannte. Mit Sicherheit existieren eine ganze Reihe weiterer, bislang

unbeachteter Artikel von Nogales in deutschen Archiven, die sein politisches Credo

beleuchten.

Die zweite Phase als Offizier in der osmanischen Armee leitet über in die dritte und

letzte von Nogales als Journalist und Schriftsteller. Von 1924 bis zu seinem Tode 1937

trifft man ihn wiederholt in Deutschland. Zumeist ist er zu Gast bei seinen beiden

Schwestern. Ana María Inchauspe Méndez (1883 – 196?)31

, die jüngste Schwester von

Nogales hatte 1920 Max Graf von Westerholt und Gysenberg (1888 -1972) geheiratet

und in Begleitung der älteren verwitweten Schwester32

seit 1920 in Deutschland ihren

Wohnsitz genommen. Über diese letzte Lebenszeit lassen sich aufgrund von

Dokumenten einige Aussagen über sein Privatleben machen.33

Bereits als junger Mann

hatte Nogales das freiwillige Exil gewählt. Von 59 Lebensjahren verbrachte er nur 15 in

seiner Heimat Venezuela. Es fällt auf, dass Rafael Inchauspe Méndez seinen väterlichen

baskischen Familiennamen Inchauspe vor seiner Teilnahme am kubanischen

Unabhängigkeitskrieg auf Seiten Spaniens 1898 in „de Nogales“ übersetzt bzw.

abändert34

und für den Rest des Lebens als nom de guerre beibehält. Dies führte zu

Zweifeln an seiner Identität in der adligen Familie seines Schwagers, die kaum greifbare

Fakten über die angeheiratete venezolanische Familie erfahren hat. War Nogales

tatsächlich der, der er vorgab zu sein? Sind der Sohn des reichen finqueros Rafael

Inchauspe Méndez und Rafael de Nogales identisch? War er der leibliche Bruder von

Ana Maria? Papiere aus einem deutschen Privatarchiv werfen hierauf interessante

Streiflichter.

Ana Maria hatte nach ihrer Heirat zunächst den Bruder in der Familie

Westerholt verschwiegen und sich mit ihrer älteren Schwester als Alleinerbin eines

Vermögens von umgerechnet 30 Millionen Mark ausgegeben.35

Jahre später fiel sie

dann in der großen Familie – Max hatte zehn Geschwister - mit der Schwärmerei über

ihren Bruder auf. Die angeheiratete Familie verdächtigte Nogales nicht der Bruder von

Ana Maria zu sein.36

Abgesehen von Max Graf von Westerholt, der seinen Schwager

sehr schätzte, was ein Brief an seine Mutter vom 1. August 1937 anlässlich des

überraschenden Todes von Nogales am 10. Juni 1937 in Panama beweißt,37

hatte die

30 vgl. diverse Artikel in der Caracenischen Tageszeitung Verdades,1909, vgl. Mirela Quero de Trinca:

Rafael de Nogales Méndez. Biblioteca Biográfica Venezolana. Editora El Nacional, Caracas 2005, S. 95

– 96. 31 Todesdatum unbekannt, es muss jedoch nach 1962 gewesen sein. 32 Juana Josefa Inchauspe viuda de Gestäcker, genannt „Pepita“ geboren 1880. Sterbedatum unbekannt.

Vermutet wird ihr Tod in den vierziger Jahren in Caracas. Sie soll dort auch begraben sein. 33 Auskünfte zu den verwendeten Dokumenten und dem Achiv erteilt die Autorin auf Anfrage. 34 vgl. Mirela Quero de Trinca: Rafael de Nogales Méndez. Biblioteca Biográfica Venezolana. Editora El

Nacional, Caracas 2005. S. 19. 35 Brief von Max Graf von Westerholt an seine Mutter vom 29.12.1919, in dem er seinen Entschluss, Ana

Maria Inchauspe zu heiraten mitteilt. Privatarchiv. 36 Brief von Carlfried Graf von Westerholt vom 20.02.2007 an die Autorin. 37 Max berichtet darin von dem Schmerz der beiden Schwestern und: “...Verliere ich doch an ihm meinen

besten Freund, der ein wirklicher Bruder zu mir war...Mir persönlich stand er sehr nahe; ein

9

übrige Familie Rafael de Nogales nie zu Gesicht bekommen und “bemühte sich

jahrzehntelang herauszufinden, ob es das angebliche Riesenvermögen je gegeben hat.“38

Nogales weckt in seinen Werken – und ihm folgend seine Biographen – den Eindruck

ein gern gesehener und ständiger Gast auf Schloß Dilborn im Kreis Erkelenz nahe der

niederländischen Grenze, dem ersten Familiensitz von Max und „Neny“ gewesen zu

sein. (Ab 1936 lebten die beiden in Haus Vehn bei Sinzig.) Dies hätte seine Aufnahme

in ein deutsches aristokratisches Familien-Milieu bedeutet. Indessen scheinen die

beiden Gastgeber Westerholt-Inchauspe weitgehend isoliert von der Familie gelebt zu

haben. Und es existieren weitere biographische Unstimmigkeiten.39

Im Gegensatz zu

seinen beiden Schwestern ist Nogales (offiziell zumindest) keine Ehe eingegangen.

Frauen haben in seinem Leben offenbar eher eine untergeordnete Rolle gespielt. Die

drei Geschwister hinterließen keine Nachkommen und die Familie Inchauspe Méndez

starb mit Ana Maria in den sechziger Jahren aus.

Die letzten neunzehn Jahre des zweiten freiwilligen Exil – das erste dauerte acht Jahre -

pendelte Nogales zwischen den USA und England, zwei angelsächsischen

Großmächten. Offensichtlich zog er die demokratische Gesellschaftsordnung dem

nationalsozialistischen Deutschland der dreißiger Jahre als ständigen Wohnsitz vor. Mit

den beiden autobiographischen Abenteuerbüchern – aber auch den Neuauflagen der

Kriegsbücher sowie Artikeln und Konferenzen - finanzierte Nogales seinen kargen

Lebensunterhalt. Eine weitere Erklärung für die wiederholten Besuche in Deutschland

war nach den Familiendokumenten ein finanzielles Motiv. Nogales soll die letzten Jahre

von Ana Maria unterstützt worden sein. Dahingehend äußerte sich zumindest Ana

Maria nach ihrer Trennung von Max in einer offiziellen Erklärung gegenüber den

Westerholts aus dem Jahre 1962. Es ist ihr letztes Lebenszeichen.40

Der Erklärung legte

sie den oben erwähnten deutschsprachigen Artikel aus dem Caracas Anzeiger von 1960

bei, der vermutlich indirekt die ein Leben lang ungeklärten Vermögensfragen

beantworten sollte. Überraschend ist der Hinweis bzw. die Richtigstellung von „Neny“

(Spitzname von Ana Maria) auf einen zweiten, älteren Bruder, der gleichfalls in

Deutschland erzogen wurde und weder in den Werken von Nogales noch in der

Sekundärliteratur bzw. Biographien, mit Ausnahme der von Mirela Quero de Trinca,

auftaucht. Es handelt sich vermutlich um einen Halbbruder väterlicherseits mit Namen

Joaquin Inchauspe Mora.41

Auch in einem streng vertraulichen Bericht einer Berliner

Auskunftei von 1937, der der Aufklärung verschiedener Fragen bezüglich der

angeheirateten venezolanischen Verwandtschaft diente, wurde bereits die Existenz von

Halb- bzw. Stiefgeschwistern in Erwägung gezogen.42

Es stellt sich die Frage, warum

dieser zweite Bruder verschwiegen wird? Hängt dies mit dem Namenswechsel und dem

Dunkel über Nogales Kindheit und Jugend in Deutschland zusammen? Auffallend:

Nogales behält stets den mütterlichen Namen Méndez bei.43

Um die Jahrhundertwende

sympathischer, außergewöhnlicher und in der ganzen Welt anerkannt intelligenter Mann.“ Brief vom

1.08.1937 von Max Graf von Westerholt an seine Mutter. Privatarchiv. 38 Brief von Carlfried Graf von Westerholt vom 24.04.1999 an die Autorin. 39 Als Geburtsdatum von Ana Maria wird das Jahr 1883 angegeben. vgl. Mirela Quero de Trinca: Rafael

de Nogales Méndez. Biblioteca Biográfica Venezolana. Editora El Nacional, Caracas 2005, S. 17. In den

Unterlagen der Familie Westerholt findet man das Jahr 1888 (dasselbe Geburtsjahr wie von Max). 40 „Erklärung“ von Ana Maria Inchauspe Gräfin von Westerholt an ihre Schwägerin Wilhelmine Gräfin

von Hoensbroech vom Februar 1962. Privatarchiv. 41 vgl. Mirela Quero de Trinca: Rafael de Nogales Méndez. Biblioteca Biográfica Venezolana. Editora El

Nacional, Caracas 2005, S.81-82. 42 Bericht der Auskunftei vom 9.09.1937. Privatarchiv. 43 z.B. als Cowboy mit dem Spitznamen „Nevada Méndez“ in den US und „Kid Méndez“, in Alaska.

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häuften sich die Todesfälle in der Familie Inchauspe Méndez.44

Besteht eventuell ein

Zusammenhang?

Tatsächlich hängt die Wertschätzung von Rafael de Nogales eng mit dem jeweiligen

persönlichen Erkenntnisstand zusammen und unterliegt fortlaufenden Korrekturen.

Biographiearbeit ist in diesem Fall das aufwändige Zusammensetzen eines Mosaiks,

von dem eine Vielzahl fehlender Teile erst noch beschafft werden muss. Solange nicht

der Großteil dieser biographischen Wissenteile verfügbar sind, wird es an Kontroversen

und Legendenbildung nicht fehlen und die Meinungen hinsichtlich Rafael de Nogales‘

auseinandergehen.

Ausblick

Person und Werk von Rafael de Nogales Méndez hat trotz gewisser Vorbehalte seine

Aktualität bewahrt. Ein andauerndes Highlight der Nogales-Biographie bleibt die

Tatsache, dass er als „Nogales Bey“ im Ersten Weltkrieg als Venezolaner in der

Osmanischen Armee als Offizier gedient und hierüber seine Kriegsmemoiren

veröffentlicht hat. Im Zusammenhang mit den Armenierkämpfen in Van wird er als

nichttürkischer Augenzeuge und Kombattant noch immer zitiert. Abgesehen von der

internationalen Brisanz der Armenierfrage sind auch seine panlateinamerikanistischen

Integrationsvisionen in Venezuela und Lateinamerika ein aktuelles Thema. Das

autobiographische Werk von Rafael de Nogales Méndez eignet sich insgesamt nicht nur

hervorragend für die interdisziplinäre internationale historische Forschung, sondern

auch ästhetisch-künstlerische Aufarbeitung45

, denn er vollzieht wie nur wenige

Venezolaner vor und nach ihm einen interkulturellen Brückenschlag von Venezuela

über Europa in die restliche Welt.

44 Pedro Felipe Inchauspe Cordero starb 1890, seine Gattin Maria Josefa Méndez Brito 1894, Magdalena,

die zweite Tochter 1901 sowie der Gatte von Juana Josefa, Paul Johannes Gerstäcker 1904. vgl. Mirela

Quero de Trinca: Rafael de Nogales Méndez. Biblioteca Biográfica Venezolana. Editora El Nacional,

Caracas 2005, S. 17. 45 z.B. auf Grundlage des erwähnten historisch-biographischen Romans Nogales Bey.