25
Dunkle Jahrhunderte in Mitteleuropa? Herausgegeben von Orsolya Heinrich-Tamaska, Niklot Krohn und Sebastian Ristow

Spätantike Gräber in Munigua. In: O. Heinrich-Tamaska/N. Krohn/S. Ristow (eds.), Dunkle Jahrhunderte in Mitteleuropa? (Hamburg 2009) p. 11-26

Embed Size (px)

Citation preview

Dunkle Jahrhunderte in Mitteleuropa!?

Herausgegeben von Orsolya Heinrich-Tamaska, Niklot Krohn und Sebastian Ristow

Studien zu Spätantike und Frühmittelalter Bd. 1Hrsg. von Orsolya Heinrich-Tamaska,Niklot Krohn und Sebastian Ristow

Verlag Dr. Kova"

Dunkle Jahrhunderte in Mitteleuropa!?

Tagungsbeiträge der ArbeitsgemeinschaftSpätantike und Frühmittelalter

1. Rituale und Moden(Xanten, 8. Juni 2006)

2. Möglichkeiten und Problemearchäologisch-naturwissenschaftlicher Zusammenarbeit

(Schleswig, 9.–10. Oktober 2007)

Herausgegeben von Orsolya Heinrich-Tamaska, Niklot Krohn und Sebastian Ristow

Studien zu Spätantike und Frühmittelalter Band 1

ISBN 978-3-8300-4175-7

© Verlag Dr. Kova", 2009Postfach 57#01#42, D-22770 Hamburgwww.verlagdrkovac.deE-Mail: [email protected]

Umschlaggestaltung: Verlag Dr. Kova"Umschlagzeichnung: Michael Kinski (nach der Vorlage der Scheibe$von Linon)Satz: Daniela OhrmannDruck: ______________

Alle Rechte vorbehalten

Der erste Band der neuen Reihe ,Studien zu Spätantike und Frühmittelalter‘ versammelt die Beiträge zu den ersten beiden Treffen der Arbeitsgemein-schaft Spätantike und Frühmittelalter (AG SFM)!, deren Gründung im Jahr 2006 auf das bereits seit langem bestehende Bedürfnis zurückging, auf den Tagungen der Deutschen Verbände für Altertumsforschung mit einem eige-nen Gremium vertreten zu sein. Schon 1999 war am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. auf Initiative von Studierenden das ,Freiburger Forum zu Methoden und Interpretatio nen in der Archäologie‘ ins Leben gerufen worden, das als offenes Diskussions-forum bald großen Anklang fand. Die aus diesem Kreis hervorgegangene An frage beim Vorsitzenden des Präsidiums der Deutschen Verbände für Al-tertumsforschung Prof. Dr. Siegmar von Schnurbein auf dem ,5. Deutschen Archäologenkongress‘ in Frankfurt!/!Oder im April 2005 und dessen bereitwil-liges Entgegenkommen, die Idee in das Präsidium einzubringen, bereiteten den Weg zur Gründung der AG. Bereits im folgenden Jahr, am 8. Juni 2006 konnte sie auf der Jahrestagung des West- und Süddeutschen Verbandes für Altertumsforschung (WSVA) in Xanten mit großer Resonanz und Teilneh-merzahl aus der Taufe gehoben werden (vgl. S. Ristow, in: Arch. Nachrbl. 11, H. 4, 2006, 354#f.)!. Hierfür ist Herrn von Schnurbein ebenso zu danken, wie dem WSVA, der die AG als ,Mutterverband‘ aufnahm. %Die Beiträge des vorliegenden Bandes sind nach den Sektionen der Vorträ-ge bei den AG-Treffen in Xanten und Schleswig gegliedert. Das Themenspek-trum zeigt, dass die archäologische Erforschung der Spätantike und des frü-hen Mittelalters sich auch – aber nicht nur – mit Typologie und Chronologie beschäftigen kann. Die 27 Autoren aus unterschiedlichen Fachrichtungen und verschiedenen europäischen Regionen belegen den transdisziplinären und europaweiten fachlichen Austausch. Ihre Forschungsergebnisse ver-deutlichen mehr denn je, dass es sich bei den Epochen der Spätantike und des frühen Mittelalters um keine zu vernachlässigenden ,Übergangszeiten‘ von Verfall und Degeneration handelt, sondern deren gemeinsame Erfor-schung einen bedeutenden Beitrag zum Verständnis der Geschichte und Kultur des heutigen Europa liefern. %Dank schulden die Herausgeber allen, die am Zustandekommen und Gelingen des ersten Tagungsbandes mitgewirkt haben. Für ihre Arbeit im

Vorwort

6 V

Gründungsbeirat der AG SFM sind dies Dr. Jochen Haberstroh (Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Ingolstadt) und Dr. Yvonne Reich (Kantons-archäologie Zürich)!. Unser Dank geht auch an Maria Schmitt (WSVA) und Jutta Spielvogel (Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Ingolstadt) für ihre Hilfe bei der Koordination unserer Sitzungen. Dem Geisteswissen-schaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e.#V. an der Universität Leipzig (GWZO) danken wir als ,institutionellem Stützpunkt‘ unserer Redaktionsarbeit. Vor allem den dort tätigen wissenschaftlichen Hilfskräften Daniela Ohrmann, Ulrike Grimm und Undine Ott gebührt ein großer Dank für die Mitarbeit in der Redaktion, Bildbearbeitung und beim Umbruch. %Ein ebenso großes Dankeschön verdient Clive Bridger (Xanten) für die Übersetzungen der Zusammenfassungen und Stichworte. %Das Logo der AG, die Schmuckscheibe von Linon, schien mit ihrem christ-lichen Hintergrund als Sinnbild für die Verknüpfung von spätantiker und frühmittelalterlicher Kultur besonders geeignet. Die grafische Umsetzung verdanken wir Michael Kinsky (Institut für Archäologische Wissenschaften der Universität Freiburg, Abt. Frühgeschichtliche Archäologie und Archäo-logie des Mittelalters)!. Ihm gebührt auch Dank für die Pflege des Internet-portals in der Anfangszeit der AG. %In der Hoffnung, dass dieser und kommende Bände der neuen Reihe die Diskussion der Forschung zur Spätantike und Frühmittelalter nicht nur im Bereich archäologischer Wissenschaften anregen möge;

die Herausgeber im April 2009.

Inhalt

Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . !!7

Rituale und Moden

C ESpätantike Gräber in Munigua. Zu Grabformen, Bestattungsweise und Beigabensitte einer südspanischen Kleinstadt vom 3.!/!4. bis 7. Jh. . . . . . . . . . . !11

M C. BBemerkungen zur Speisebeigabe im frühen Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . .!!27

G M. BAlt- oder neumodisch!? Bemerkungen zu ausgewählten Porträtsiegelnder Spätantike und des Frühmittelalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

L GEine neue Pressblechscheibenfibel der ,Landoaldus-Gruppe‘ und dasfrühe Christentum im Raum Ediger-Eller, Landkreis Cochem-Zell . . . . . . . . .!!!73

S KMode und Ritual am Beispiel wikingerzeitlichen Pressblechschmucks . . . . .!!.!!!99

F B!/!S TTheorien zu merowingerzeitlichen Runeninschriften: Ritual und Mode . . . .!!!117

M SLandpomeranzen oder voll im Trend!? Schmuck und Modebewusstsein der Frauen von Liebenau, Kr. Nienburg!/!Weser und Dörverden, Kr. Verden . . . . 135

8

T B,Bunt ist nicht gleich bunt‘. Ein überregionaler Vergleich des Perlen-materials aus dem alamannischen Gräberfeld von Neudingen unddem bajuwarischen Gräberfeld von Aschheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . !159

D GRegionalisierungstendenzen merowingerzeitlicher Perlenmode amBeispiel der Perlen aus dem frühmittelalterlichen Gräberfeld von Asch-heim-Bajuwarenring, Lkr. München . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . !!!!183

C P!/!A SFunktion macht Mode. Selektive Faserkombinationen als bestimmender Faktor des frühmittelalterlichen Zeitgeschmacks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .!!!199

N KÜberlange Riemenzungen – eine ,Modetorheit‘ der späten und ausgehenden Merowingerzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . !217

Möglichkeiten und Probleme archäologisch-naturwissenschaftlicher Zusammenarbeit

P-M S!/!D WSondershausen-Bebra – Untersuchungen an einem spätmerowingischen Separatfriedhof mit ,Zeremonialbau‘ im nördlichen Thüringen

– Vorbericht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

L FSondershausen-Bebra – anthropologische Untersuchungen an einemspätmerowingischen Adelsfriedhof im nördlichen Thüringen . . . . . . . . . . . .!!!265

K W. APrähistorische Anthropologie im 21. Jahrhundert. Methoden und Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . !!273

I

9

M M SArchäologische Fragen zu Migration: Grundlagen, Chancen und Probleme von Untersuchungen stabiler Strontiumisotope (87Sr/86Sr) . . . . . . . !!!!!293

Eé Fó!/!O H-T!/!Ró M!/!Á PéMöglichkeiten und Grenzen der Radiokarbonanalyse zur Datierung der Keszthely-Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . !307

H H Archäometrische Untersuchungen frühmittelalterlicher Keramik aus Frohsdorf, Pitten und Erlach (Niederösterreich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

K H WRömisches, merowingisch-fränkisches und karolingisches Glas inMitteleuropa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . !351

D N!/!S WDie ,dunklen Jahrhunderte‘ im Elbe-Weser-Dreieck aus vegetations-geschichtlicher und archäometrischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367

D MGeoarchäologie an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins . . . . . . . . . . . . . . !389

Ans& ri' en der Autoren und Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417

I

C E

Spätantike Gräber in Munigua Zu Grabformen, Bestattungsweise und Beigabensitte

einer südspanischen Kleinstadt vom 3.!/!4.–7. Jahrhundert

Schlagwörter: !!Munigua, Spanien, Spätantike, Westgotenzeit, Romanen, Grab sitteKeywords: !!! #!!Munigua, Spain, late Antiquity, Visigoths, sub-Romans, fune rary ritual

Das in flavischer Zeit zum municipium erhobene Munigua (Villanueva del Río y Minas, Prov. Sevilla, Spanien) ist eine abseits der großen Ver kehrs-achsen der Baetica gelegene römische Kleinstadt, ca. 10#km nördlich des Gua-dalquivir-Tals (Abb.#!1)!1. Von seiner Bedeutung als religiöser Zentralort zeugt ein großartiges Terrassenheiligtum. Außer dem spielte der Platz offenbar eine bedeutende Rolle bei der Ausbeutung der kupfer- und eisen haltigen Lagerstätten im Umland. Die Blüte zeit der Stadt fiel nach den Untersu chun-gen der öffentlichen Monumente und mehrerer privater Wohnhäuser in das späte 1. bis frühe 3. Jahrhundert. Auf eine Zerstörung im späten 3. Jahrhun-dert folgte bald ein Wiederaufbau, der allerdings deutlich bescheidener aus-fiel. Gleichzeitig kam es zu einer Umnutzung mehre rer öffentlicher Monu-mente, in die kleinteilige Räume für Wohnzwecke und Läden eingebaut wurden. %Das Ende dieser spätrömischen Besiedlungsphase wird im 5. Jahrhundert angenommen, doch erschweren die versiegende Zufuhr gut datierbarer Im -

1 Unter dem glei& en Titel ist inzwis& en eine ausführli& ere Fassung ers& ienen: C. E, in: J. Lpez Quiroga!/!A.#!M. Martínez Tejera!/!J. Morín de Pablos (Hrsg.)!, Gallia #e # Hispania #en #el #contexto #de la presencia germánica (V–VIII)!. !Actas de la Mesa Redon-da hispano-francesa, Madrid!/!Alcalá de Henares 2005. BAR Internat. Ser. 1534 (Oxford 2006) 237–260; in spanis& er Übersetzung: D., Tumbas de la antigüedad tardía en Munigua. Tipos de tumba, ritos de enterramiento y ajuares funerarios en una pequeña ciudad del sur de España en los siglos III!/!IV a VII. An. Arqu. Cordobesa 17, 2006, 137–160. – Auf Wuns& der Herausgeber ers& eint der Beitrag hier in einer gekürzten Fas-sung, die im Wesentli& en meinem in Xanten 2006 gehaltenen, um wenige Fußnoten ergänzten Vortrag entspri& t.

12

%

C E

Abb. 1%Munigua, Bli( von S& ni) 147 auf den Stadthügel mit Terrassenheiligtum. – Foto: Autor.

13

portkeramiken wie der !nordafrikanischen Sigillaten im Verlauf des 4. Jahr-hunderts eine nähere Fixierung der späten Schichten. Für eine westgoten-zeitliche Besiedlungsphase fehlen bislang sicher zuzuordnen de Baureste2.

Zur Erforschung der spätantiken Nekropolen

Bereits zu Beginn der archäologischen Ausgrabungen in Munigua, die seit 1956!/!57 von der Abteilung Madrid des Deutschen Archäo logischen Instituts durchgeführt werden, bestand ein Interesse an den spätrömischen Nekropo-len als Quelle der Stadtgeschichte. 1957 und 1958 wurden von Klaus Raddatz in zwei Kampagnen insgesamt 16 Körpergräber und fünf frühkaiserzeit-liche Brandgräber in der Ostnekropole freigelegt (Abb.#!2)!3. In den folgenden 50 Jahren #erfolgten weitere kleinere Untersuchun gen in verschiedenen Sek-

2 Zusammenfassend: T. G. S, Munigua. Cuarenta años de investi ga ciones (Sevilla 2003)!. – Zur Entwi( lung Muniguas jetzt au& M. K , Late Roman Spain and its Cities (Baltimore, London 2004)!; vgl. dazu C. E!/!S. P, Mi& ael Kulikowski und die spätrömis& e Stadt in Spanien. Kritis& e Anmerkungen zum Fall-beispiel Munigua. Ethnogr.-Ar& . Zeits& r. 47, 2006, 267–280.

3 K. R, Mulva I. Die Grabungen in der Nekropole in den Jahren 1957 und 1958. Madrider Beitr. 2 (Mainz 1973)!.

S G M

Abb. 2%Munigua, Ostnekropole, Sektor 1957!/!58. – Na& R 1973 (Anm. 3) Abb. 2.

14 C E

toren des nördlichen, östlichen und südlichen Vorfeldes der Stadt (Abb. 3)!. Die Verteilung der einzelnen Sektoren zeigt, dass sich die Nekropole halb-kreisförmig von Norden nach Süden um das Stadtgebiet her um ausbreitete. Weite Areale des süd- und nordöstlichen Vorfeldes der Stadt sind aber noch nicht ausreichend sondiert. Hervor zuheben ist, dass die meisten Gräber ab dem späten 2. Jahrhundert innerhalb der damals neu errichteten Stadtmauer, also intra muros, lagen.

Trotz der Beschränkung auf vergleichsweise kleine Ausgrabungsflächen konn ten beinahe aus allen römischen und nachrömischen Besiedlungspha-sen Bestattungen erfasst werden. So bieten die Gräber nicht nur eine wesent-liche Ergänzung zur Besiedlungs- und Gesellschaftsgeschichte Muniguas, sondern liefern auch einen Querschnitt durch mehrere Jahr hunderte !Toten-brauchtum einer Kleinstadt im Hinterland der Provinz Baetica. Die folgen-den Ausführungen behandeln überwiegend die Gräber des 3.!/!4.–7. Jahrhun-derts.

Abb. 3%Munigua, Häuser 1 und 6 mit den spätrömi-s& en Einbauten A–C (mit S& ra* ur) und den spät an-tiken Gräbern 1–!5!/!Haus 6 und 1–11!/!Haus 1. – Na& M !/ !B !/ !T !2001 (Anm. 13) Abb. 44, mit Ergänzungen des Autors.

15

Grabformen

Bislang sind aus Munigua rund 80 spätrömische bzw. spätanti ke Körpergrä-ber bekannt, die allerdings nicht alle vollständig aus gegraben wurden. Viele Bestattungen weisen eine mit Ziegeln aus gekleidete Grabgrube auf. In den meisten Fällen handelt es sich um eine gemauerte Einfassung, die in Höhe der Grabsohle oder knapp darüber ansetzte. Raddatz beschrieb die Bauwei-se als trocken verlegtes Ziegelmauerwerk4. Dies ist insofern richtig, als kein abbindender Kalkmörtel verwendet wurde. Bei jüngeren Ausgrabungen von Gräbern mit gemauerten Ziegelgrüften wurde dagegen wiederholt auf die Verwendung eines Erd- oder Lehmmörtels hingewiesen5. In einzelnen Fäl-len war die Grabgrube ringsum von hochkant gestellten Ziegeln eingesäumt. Die Ausnahme blieben auch Grabgruben mit gro ßen Fels- und Bruchsteinen entlang der Längswände. Einfache Erdgruben ohne Steineinfassung oder Steinplattengräber wurden bisher nicht beobachtet. Ebenso fehlen Hinweise auf spätrömische Bestattungen in Sarkophagen. Die einzigen aus Munigua bekannten Sarkophage stammen aus dem mittelkaiser zeitlichen Mausole-um6. In verschiedenen Gräbern legen eiserne Nägel am Kopf- und Fußende des Toten die Verwendung von hölzernen Särgen nahe. %Angesichts der vergleichsweise geringen Varianz in der Konstruktions-weise der meisten Grabgruben richtet sich der Blick auf verschiedene mar-kante Formen der Abdeckung. Um den folgenden Überblick über die Grab-typen Muniguas nicht über Gebühr auszudehnen, wird im Folgen den auf diese Charakteristika der Gräber eingegangen.

Gräber mit Kraggewölbe

In dem 1957!/!58 von Raddatz untersuchten Abschnitt der Ostnekro pole ka-men 16 Körperbestattungen zum Vorschein, die sich fast alle durch einen aufwändigen Grabbau auszeichnen, der aus einer mehrlagigen Ziegelabde-ckung bestand. Dabei lassen sich zwei Haupttypen unterscheiden: Gräber

4 R 1973 (Anm. 3) 13. 5 Hinweise hierzu nden si& in den Grabungsdokumentationen. 6 D. H, Die Skulpturen, in: M. B!/!T. H!/!D. H, Mulva III. Das Grab-

gebäude in der Nekropole Ost. Die Skulpturen. Die Terrako) en. Madri der Beitr. 21 (Mainz 1993) 86–91.

S G M

16

mit einem massiven recht ecki gen Podest und Gräber, die mit einem Krag-gewölbe abgedeckt wurden. Vor allem der zweite Typ verdient besondere Beachtung, weil es sich um eine regio nale Besonderheit zu handeln scheint. Die Bestattungen 1 und 2 der Ostnekropole führen diese Bauweise beson-ders gut vor Augen: Die einfache Erdgrube, in der der Leichnam lag, waren nur am oberen Rand von einer Lage Ziegeln einge fasst, die leicht schräg nach innen geneigt waren und etwas hervorragten (Abb. 4!)!. Auf diesem Ziegelrahmen lagen hintereinander, mit der Falz nach oben, tegulae, die den eigentlichen Grab raum verschlossen. Darüber hatte man vier bis fünf in der Art eines Krag gewölbes leicht nach vorne ragende Ziegel übereinander ge-schichtet, so dass sich die Ziegel der obersten Lage beinahe berührten. Der verbleibende Spalt wurde mit einer einfa chen Ziegellage verschlossen. Da-nach wurde das Gewölbe mit Erde und anschließend mit einer Stein- und Ziegelbruchpackung bedeckt. Wie andere Gräber dessel ben Sektors zeigen, konnte sich die Konstruktion des Gewölbes auf zwei Lagen vorragender Zie-gel oder sogar eine einzige reduzieren; in allen drei Fällen fehlte außerdem die abschließende Stein- und Zie gel bruchpackung!. %Raddatz zitierte für die Gräber mit Kraggewölbe wenige Paral lelen aus-schließlich aus dem Süden der Iberischen Halbinsel!7. Neuere Vorkommen, unter anderem im Gräberfeld Pedrera, Prov. Sevilla und in Mrida bestäti-gen diesen Verbreitungsschwerpunkt, wohingegen Belege aus dem nörd-lichen Spanien und Portugal fehlen8. Die chronologische Stellung der Grab-form findet in Munigua dank des Grabes 2 einen wichti gen Anhaltspunkt. Das Grab ent hielt eine unter Constantin II. geprägte Münze, die einen termi-nus post quem von 337 liefert, so dass die Grablege in die Mitte des 4. Jahr-hunderts datieren dürfte. Unklar bleibt, wie der zeitliche Rahmen der bei-gabenlosen Gräber mit Kraggewölbe in Munigua abzustecken ist. Raddatz rechnete mit der Möglichkeit, dass die Gräber der Ostnekropole zeitlich an die jüngsten Brandgräber desselben Sektors anschließen!. Demnach würde

7 R 1973 (Anm. 3) 24. 8 F. F Gó!/!D. O A!/!M. P G L, La necrpolis tar dor -

romana-visigoda de Las Huertas, en Pedrera (Sevilla)!. Not. Arqu. Hispánico 19, 1984, 271–379 bes. 354; R. A Vé, Excavacin en un área funeraria del s. III en los alrede dores de la Vía de la Plata. Mrida. Excavaciones Arqueolgicas. Mem. 5, 1999, 21–48 bes. 33 („cubierta piramidal“)!; A. B O, Tipología de las sepulturas en las necrpolis tardorromanas-cristianas de Mrida: Evolucin de los espacios funera-rios. Mrida. Excavaciones Arqueolgicas. Mem. 2, 1996, 341–359 bes. 346.

C E

17

sich eine Zeitspanne von der Mitte bis 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts bis in die Mitte des 4. Jahrhunderts ergeben!. %In Mrida scheinen die Gräber mit Kraggewölbe vornehmlich ins 3. und 4. Jahrhundert zu datieren, wie einige Beispiele mit Keramik- und Münz-beigaben belegen. Problematisch bleibt ihre Datierung in Pedrera, wo nicht nur die Gräber mit Krag gewölbe, sondern auch fast alle Übrigen beigabenlos sind. Die kleine, 54 Bestattun gen umfassen de und systema tisch erforschte Nekropole bietet jedoch anhand der unterschiedlichen Grabformen Ansät-ze für eine Beurteilung der Be legungs abfolge. Die fünf Gräber mit Krag-gewölbe konzentrieren sich im Süden des Bestattungsareals. Mit tegulae ab gedeckte Gräber, und zwar flach wie dachförmig abgedeckte, schließen nach Norden und Nordosten an. Die Gräber mit Steinplatten und mit Fels-steinabdeckung sind, ebenso wie jene mit tegulae, besonders im Nordwesten verbreitet. Der Lagebefund lässt sich folgendermaßen deuten: Die Gräber mit Steinabdeckung gehören zweifel los zur jüngsten Phase der Nekropole. Dies bestätigt die vereinzelte Beigabe von Keramikkrügen des 6.!/!7. Jahrhun-derts, die ausschließ lich im Westen und nur in den steingedeckten Gräbern sowie in einer einfachen Erdgrube zum Vorschein kamen. In diesem Bereich liegt auch Grab 6, dessen Abdeckung zwar unbekannt ist, das aber eine

S G M

Abb. #4%Munigua, Ostne kropole, Sektor 1957!/!58, Grab 2. – Na& R 1973 (Anm. 3) Abb. 6.

18

gegossene Schnalle mit Scharnierbeschlag des 7. Jahrhunderts enthielt. Die westlichen Gräber, die, soweit bekannt, alle eine Steinab deckung besaßen, sind somit jünger als die mit tegulae und mit Kraggewölbe abgedeckten Be-stattungen. Letztere sind belegungschronologisch demnach als die älteste Gruppe in Pedrera einzustufen.

Gräber mit tegulae oder einfacher Ziegelabdeckung

Zu den Grabtypen, die in Munigua bislang nur in kleiner Zahl nachgewie-sen werden konnten, gehören Gräber mit tegulae und einfacher Ziegelab-deckung. Im 1957!/!58 untersuchten Sektor der Ostnekropole wurden mit Aus nahme des flach mit tegulae gedeckten Grabes 12 keine vergleichbaren Bestattungen beob achtet. Zwei Gräber, die aus einfachen Ziegeln gebaut wa-ren, kamen bei den Untersuchungen in dem wenig nördlicher gelegenen Mausoleum zum Vorschein (Abb. 5)!. Die Größe weist beide als Kinderbestat-tungen aus, die während der Spätantike über den Grabkammern mit Sarko-phag- und über den Brandbestattungen des 1.

!–2. Jahrhunderts angelegt

wurden. %Wenige Gräber mit flacher oder dachförmiger tegulae-Abdeckung sind aus den Suchschnitten 145 und 148 bekannt, ihre Datierung ist je doch aufgrund von fehlenden Beigaben unklar. Dachförmige Grababdeckungen sind auf der Iberischen Halbinsel bereits für ältere Brandgräber bezeugt. Es verwun-dert daher nicht, dass diese Konstruktionsweise auch für Körpergräber übernom men wurde und eine lange, bis ins 6. Jahrhundert reichende Kon-tinuität aufweist!9. Allerdings scheint trotz früher Belege sowohl die dach-förmige als auch die flache tegulae-Abdeckung erst im Verlauf des 3. Jahr-hunderts, an manchen Orten auch noch später, allgemein üblich zu werden und zeitweilig das Erscheinungsbild der Bestattungsplätze zu dominieren. Wie der vermutete Belegungsablauf im Gräberfeld Pedrera zeigt, folgen dietegulae-Gräber im Wesentlichen auf einen Horizont mit mehrlagiger Ziegel -ab deckung. Auch in Munigua scheinen dem Befund in der Ostnekropole zufolge zuerst Bestattungen mit mehrlagiger Ziegelabdeckung das Bild zu

9 Vgl. z.#B. I. S R, Un sector tardorromano de la necrpolis septentrio nal de Corduba (Crdoba 2003) 91; B O 1996 (Anm. 8) 348–350. – Zu den Beob-a& tungen in der früh& ristli& en Nekropole von Tarragona: M. D. D A, Estudio crítico de la necrpolis paleocristi ana de Tarragona 1 (Tarragona 1979) 136#f.

C E

19S G M

bestimmen. Doch bleibt zu bedenken, dass der Horizont der einfachen, flach wie dachförmig gedeckten tegulae-Gräber in Muni gua bislang auffällig unterrepräsen tiert ist. Eine späte Datierung ins 4.!/!5. Jahrhun dert ist für die beiden Gräber in Schnitt 145 zu erwägen, deren näher am Wohngebiet be-findliche Lage auf ein jüngeres Nekropolenareal hinweist. Den stratigraphi-schen Beob ach tun gen zufolge datieren allein die beiden Kindergräber im Mausoleum in nachrömische Zeit.

Gräber mit Abdeckung aus großen Felssteinen

Anstelle der mehr oder weniger aufwändigen Abdeckung aus tegulae und sonstigen Ziegeln wurden in der Spätantike viele Gräber mit gro ßen unbe-arbeiteten Steinen oder Bruchsteinen abgedeckt. In Munigua wurden solche Gräber bislang ausschließlich im Bereich der Häuser 1 und 6 und in deren östli chem Vorfeld, in Schnitt 147, beob achtet (Abb. 3 und 6)!. Bei mehreren Gräbern waren allerdings zum Zeitpunkt der Freilegung nicht mehr alle Decksteine vorhanden oder sie fehlten sogar vollständig. Dass in diesem Bereich die Gräber nicht durchweg mit Felssteinen verschlossen wurden, verdeutlicht Grab 3 aus dem Haus 6 mit einer Abdeckung aus zwei paralle-len Ziegel reihen.

Abb. 5%Munigua, spätanti ke Gräber im Mausoleum der Ostnekropole. – Na& B!/! H!/!H 1993 (Anm. 6) Abb. 11.

20

Aus den Gräbern im Bereich der Häuser 1 und 6 konnten mehrfach Ke ra mik-krüge und -flaschen als Beigaben geborgen werden, die eine genau ere Da-tierung ermöglichen (Abb. 7)!. Neben der von Astrid Flörchinger für die südspanischen Kirchennekropolen erarbeiteten Chronologie liefert hier auch die Analyse der Keramikformen des Gräberfeldes von El Ruedo bei Almedinilla weitere Anhaltspunkte10. Die Krug- und Flaschenbeigabe setzte demnach nicht vor dem späten 5. Jahrhundert ein. Besonders hohe und schlanke Flaschen wie aus den Gräbern 2 und 3 bei Haus 6 gehören nach Flörchinger sogar erst in das 7. Jahrhundert (Flörchingers Typen 2!!A und 2!!B!)!11. %Trotz früher Vorkommen von Gräbern mit Felssteinabdeckung – in der frühchristlichen Nekropole von Tarragona setzen sie nach Maria Dolores Del Amo schon in der Mitte des 4. Jahrhunderts ein12 – scheint der Grabtyp in den spätrömischen Nekropolen der Baetica zahlenmäßig keine Rolle zu spielen. In den Gräberfeldern des 5.!–!8. Jahrhunderts dagegen überwiegt die Verwendung von Felssteinen für die Grababdeckung. Wie oben bereits dar-gelegt, ist dieser Befund auch im Gräberfeld von Pedrera abzulesen.

Der hufeisenförmige Grabbau bei Haus 1

Der Mangel an aufwändigeren Grabmonumenten in Munigua ist augen-scheinlich und wohl mit der kleinstädtischen, ländli chen Situation des Or-tes zu erklären. In der mittleren Kaiserzeit hatte eine führende Familie im nordöstlichen Winkel der Stadtmauer ein Mauso leum unter Einbeziehungälterer Grabanlagen errichten lassen. Wie der Befund der beiden oben er-wähnten Kindergräber zeigt, wurde im Bau auch in späterer Zeit bestattet, ohne dass sich eine fortgesetzte Nutzung als Mausoleum vom 2. Jahrhun-dert bis ins 4.!/!5. Jahrhundert feststellen ließe.

10 A. F, Romanis& e Gräber in Südspanien. Beigaben- und Besta) ungssi) e in westgotenzeitli& en Kir& ennekropolen. Marburger Stud. zur Vor- u. Frühges& . 19 (Rahden!/!Westf. 1998!)!; S. C B, Mundo funerario rural en la Andalu-cía tardoantigua y de poca visigoda. La necrpolis de El Ruedo (Almedinilla, Crdo-ba)!, (Crdoba 1998)!; C. E, Anmerkungen zur Belegungsabfolge und Beigabensi) e im spätantiken Gräberfeld von El Ruedo (Almedinilla, prov. Crdoba)!. Madrider Mi) . 46, 2005, 417–436.

11 F 1998 (Anm. 10) 9#f.12 D A 1979 (Anm. 9) 134.

C E

21

Als einziges größeres Grabmonument spätantiker Zeitstellung erweist sich ein hufeisenförmiger Anbau bei Haus 1 (Abb. 3)!. Es handelt sich um eine zweischalige Bruchsteinmauer mit einer Stärke bis zu 1,10#m. Wie ein Profil-schnitt ergab, waren die Mauern nicht tief fundamentiert, sondern saßen auf einem Horizont aus fester brauner Erde auf, der auch im Inneren des Baus beobachtet wurde. Über dieser Schicht lagen Steine und Ziegel angeblich mit zwei Bestattungen zusammen, die eine Funktion als Grabbau nahe le-gen. Eine weitere Grablage auf dem südlichen Mauerabschnitt gehört bereits zur Nachnutzung des Grabbaus. %Für die Interpretation des hufeisenförmigen Anbaus ist der Befund an der westlichen Schmalseite des Gebäudes nicht un wesentlich: Hier befand sich ein Mauerabsatz, der Ostwand des Hauses 1 vorgesetzt, auf dem zahlreiche Keramikreste lagen.

S G M

Abb. 6 #Munigua, Haus 1, Grab 1. – Na& E 2006 (Anm. 1) Abb. 14.

Abb. 7 #Munigua, Haus 6. Beigaben der Gräber 1–3. – Na& E 2006 (Anm. 1) Abb. 15.

22

Theodor Hauschild ist der Ansicht, dass der Bau mit Mensa gräbern zu ver-gleichen sei, wie sie vor allem aus Nordafrika, aber auch aus Spanien be-kannt sind13. Der Name dieses Grabtyps rührt ursprünglich von einem Tisch her, der auf oder an der Seite eines Grabes angebracht wurde, um Libationen darzubringen und Totenmähler am Grab abzuhalten. Durch die Schriften der Kirchenväter wissen wir, dass sich solch heidni sches Brauchtum auch unter der frühchristlichen Bevölkerung großer Beliebtheit erfreute14. Aus archäo logi scher Sicht werden seit langem bestimmte spätantike Grabformen, die über Einrichtungen zur Abhaltung von Toten feiern verfügen, unter dem Begriff des Mensagrabes zusammengefasst. Ihre Gestaltung kann variieren. Besonders zwei Formen der Mensagräber verdienen in unserem Zusammen-hang nähere Beachtung: Zum einen das Mensagrab in Sigma-Form, zum anderen dasjenige mit U-förmigem Bankett. Es sind wohl solche Anlagen, die Hauschild bei der Deutung des hufeisenförmigen Baus in Muni gua in-spiriert haben. Allerdings bleiben in Munigua Befundsituation und Kon-struktion des hufeisenförmi gen Anbaus in mehreren Punkten problema-tisch. Statt eines Mensagra bes ist ebenso eine Deutung als kleiner Grabbau mit Apsis vorstellbar.

Bestattungssitte: Ausrichtung des Grabes

Auffällig ist die weitgehend einheitliche Orientierung der Gräber, die mit gewissen Schwankungen in allen Flächen in Nordwest-Südost-Richtung bis West-Ost ausgerichtet waren, wobei der Tote in Rückenlage, meist mit aus-gestreckten Armen, mit dem Kopf im Nordwesten bzw. Westen lag. Nur einzelne Gräber weichen mit einer nordöstlich-südwestlichen Ausrichtung hiervon ab. Nord-südlich ausgerichtete Gräber wurden dagegen nicht fest-gestellt. Das ist insofern unerwartet, als eine nord-südliche Ausrichtung bis ins ausgehende 4. bzw. frühe 5. Jahrhundert hinein keineswegs ungewöhn-

13 T. H, Munigua. Vorberi& t über die Grabungen in Haus 1 und Haus 6, Kam-pagne 1982. Madrider Mi) . 25, 1984, 159–180 bes. 172; vgl. au& K. M, Die Häuser 1 und 6, in: K. E. M!/!C. B!/!F. T, Mulva IV. Die Häuser 1 und 6. La cerá-mica de la casa no. 6. Das Haus 2 (Mainz 2001) 99 Anm. 287.

14 Vgl. W. S, Spätantike Gräberfelder in den Nordprovinzen des Römis& en Rei-& es und das Au+ ommen & ristli& en Besta) ungsbrau& tums. Tricciana (Ságvár) in der Provinz Valeria. Saalburg-Jahrb. 50, 2000, 213–441 bes. 222–228.

C E

23

lich ist, wie beispielsweise die Nord nekropole von Crdoba verdeutlicht!15. Chronologische Faktoren können für das Ausbleiben in Munigua jedoch nicht angeführt werden. Die erfassten Körpergräber reichen mindestens bis ins 3. Jahrhundert zurück. Daher dürfte auch christlicher Einfluss als Be-gründung ausscheiden, ohnehin fehlen bis jetzt Indizien für eine – zumal frühe – Chris tianisierung in Munigua. Außer dem hob Raddatz hervor, dass in Munigua bereits die langrecht eckigen Bustumgräber des 1.!/!2. Jahrhun-derts eine Nord west- bis Südostausrichtung zeigen16. Auch andernorts in Spanien sind frühe in Nordwest-Südost bzw. West-Ost-Richtung ausgerich-tete Bestattungen keine Ausnahme. Von der spanischen Forschung wurden daher Überlegungen angestellt, ob nicht auch pagane Vorstellungen eine West-Ost-Ausrichtung bedingen könnten17. War um dennoch in einigen Ne-kropolen bestimmte Belegungsphasen durch nord-südlich angelegte Gräber geprägt sind, in anderen jedoch nicht, bedarf noch näherer Untersuchungen. Vermutlich spielt auch lokales Brauchtum eine Rolle, wie es die Nekropole von Muni gua beispielhaft verdeutlicht, wo über die Jahrhunderte hinweg eine einheitliche Grab ausrichtung befolgt wurde, und weder der Wechsel von der Brand- zur Kör perbestattung im Verlauf des 2. Jahrhunderts noch eine mögliche Christianisierung im Verlauf des 4. und 5. Jahrhunderts deut-li che Änderungen bewirkten.

Bestattungssitte: Einzel- und Mehrfachbestattungen

Beobachtungen zur Anzahl der bestatteten Individuen sind in Munigua nur begrenzt möglich. Des Öfteren waren die Ske lette teilweise oder vollständig vergangen. Für die Ostnekropole hielt Raddatz fest, dass es sich, mit einer Ausnahme, durchweg um Einzelbestattungen handelte18. %Etwas häufiger sind Mehrfachbestattungen unter den Gräbern im Bereich der Häuser 1 und 6 dokumentiert. Mindestens drei, vielleicht fünf Gräber wei-sen hier Mehrfachbelegungen auf, wobei eine noch größere Zahl nicht aus zu-schließen bleibt, aber infolge der gerade in diesem Bereich besonders schlech-ten Erhaltungsbedingungen der Knochen nicht bewiesen werden kann.

15 S R 2003 (Anm. 9) 66–68. 16 R 1973 (Anm. 3) 23.17 S R 2003 (Anm. 9) 66. 18 R 1973 (Anm. 3) 15.

S G M

24

So lässt sich festhalten, dass Mehrfachbestattungen tendenziell unter den Gräbern des 5.!–!7. Jahrhunderts aus dem Bereich der Häuser 1 und 6 häufiger auftreten als in der während des 3.–!4. Jahrhunderts genutzten Ostnekro pole. Munigua fügt sich damit in einen größeren Rahmen, den Julio M. Román Punzn für das Verhältnis von Einfach- und Mehrfachbestattungen der spät- und nachrömischen Nekropolen der Provinz Granada ermitteln konn-te. Dem nach steigt die Zahl der Mehrfachbestattungen in westgotischer Zeit spürbar an, während in spätrömischer Zeit noch beinahe 98#% aller Gräber nur einmal belegt wurden19.

Beigabensitte

Trotz der insgesamt geringen Zahl beigabenführender Gräber ist auch für die Beigabensitte ein Wandel von der spätrömischen zur westgoti schen Zeit in Munigua feststellbar. Im Bereich der spätrömi schen Ostnekro pole waren von 16 Körpergräbern nur die beiden in die Mitte des 4. Jahrhunderts münz-datierten Gräber 1 und 2 mit Beigaben ausgestattet. Sie enthielten ähnliche Inventare, bestehend je aus einem Glasgefäß und einer Münze sowie einem Keramikgefäß20. %In den späteren, westgotenzeitlichen Gräbern aus dem Bereich von Haus 1 und 6 bleibt der Anteil beigabenloser Bestattungen weiterhin hoch, jedoch ist nun mehrfach die Beigabe eines Keramikkruges belegt, der sich im Kopf-bereich des Toten fand. %Abgesehen von der Gefäßbeigabe ist unter den westgotenzeitli chen Be-stattungen Muniguas nur einmal eine Schmuckbeigabe nachgewiesen. Es handelt sich um ein ungleich gefertigtes Ohrringpaar, das in Kopfhöhe einer Bestattung gefunden wurde, welche auf der Südmauer des hufeisen förmi-gen Anbaus angelegt worden war. Mit der Beschränkung auf die ge legentli-che Beigabe eines Keramikkruges und eine vereinzelte Schmuckbeigabe folgt die Beigabensitte in Munigua einer Tradition, welche in Südspanien auch auf vielen weiteren Gräberfel dern nachweisbar ist. Besonders gut un-

19 J.##M. R Pó, El mundo funerario rural en la provincia de Granada duran te la antigüedad tardía (Granada 2004) 104#f. mit Tabellen 14#f. Zum hohen Anteil der Mehr-fa& belegungen in westgotis& er Zeit vgl. au& F 1998 (Anm. 10) 65.

20 R 1973 (Anm. 3) 47 Abb. 5; 49 Abb. 7; Taf. 5.

C E

25

tersucht sind die Kirchennekro polen. Astrid Flörchinger ermittelte, dass durchschnittlich nur rund ein Fünftel aller Gräber Beigaben enthält, wobei erhebliche regionale Schwankungen zu berücksichtigen sind21. Auf allen Kirchennekropolen überwog aber bei Weitem die Keramik beigabe, wohin-gegen die Beigabe von Schmuck- und Kleidungszubehör marginal ist. Gera-de Ohrringe sind nur ganz vereinzelt zu belegen. Vergleichbar mit den Kir-chennekropolen ist die Aus stattung einiger ländlicher Gräberfelder, wie bei-spielsweise das recht beigabenarme Pedrera. Einen abweichenden Befund liefert das erst vor wenigen Jahren publizierte Gräberfeld von El Ruedo bei Almedinilla, Prov. Crdo ba22. Der Anteil an Schmuck, besonders an Arm- und Fingerringen, aber auch an Nadeln und Ohrringen, liegt hier bedeutend höher als in den Kirchennekropolen und der kleinstädtischen Nekropole von Munigua. Nur schwer abzuschätzen ist aufgrund des Publikations-standes die Beigabensitte in den Nekropolen der größeren Städte. Soweit einzelne Nekropolenabschnitte vorliegen, wie aus Cartagena, Crdoba und Mrida, lassen sie für das 4. und 5.!–!6.!/!7. Jahrhundert eine fast völlige Beiga-benlosigkeit erkennen23.

Ausblick

Seit den 1950!er Jahren, seit denen das Deutsche Archäologische Insti tut in Munigua Feldforschungen betreibt, wurden mehrere spätanti ke Bestattun-gen entdeckt. Mit knapp 80 Körpergräbern, die sich auf verschiedene Sek-toren verteilen, sind in Munigua bislang zwar nur kleinere Bereiche der städtischen Nekropole untersucht. Dazu gehören die so genannte Ostnekro-pole, die vermutlich vom späten 2. oder dem 3. Jahrhundert bis ins 4. Jahr-hundert genutzt wurde, sowie die Nekropole im Bereich der Häuser 1 und 6, wo sich Gräber des 5.!–!7. Jahrhunderts befanden. Bereits diese Gräber ver-mögen einen interessanten Einblick in das spätantike Grabbrauchtum einer

21 Vgl. F 1998 (Anm. 10) 78–85. 22 C B 1998 (Anm. 10)!. 23 Vgl. P.##A. S!/!P. P, Necrpolis paleocristiana de Cartagena. In: Actas

del VIII Congreso Internacional de Arqueología Cristiana, Barcelona 1969 (Barcelona 1972) 447–458; S R 2003 (Anm. 9) 94–97; B O 1996 (Anm. 8) 357.

S G M

26

Kleinstadt der Baetica zu geben. Sowohl Unterschiede zwischen der spätrö-mi schen und westgotischen Zeit als auch regionale Besonderheiten treten hier zutage. Künftige Untersuchungen werden das hier skizzierte Bild zum spät antiken Grabbrauch Muniguas sicherlich weiter vertiefen und helfen, chronologische Unwägbarkeiten bestimmter Phänomene des Grabbrauch-tums zu präzisieren. Ein Desiderat ist die Freilegung der Nekropole im un-mittel baren Vorfeld der Wohnbebauung, weil hier mit einer Belegungs phase des späten 4. und 5. Jahrhunderts zu rechnen ist, deren Kenntnis zum besse-ren Verständnis des Übergangs vom spät römischen zum westgotenzeitli-chen Grabbrauch beitragen würde.

Zusammenfassung

Munigua ist eine römis& e Kleinstadt in der Provinz Baetica, im heutigen Spanien. In den letzten 50 Jahren wurden dur& das Deuts& e Ar& äologis& e Institut, Ab-teilung Madrid, au& spät- und na& römis& e Siedlungsphasen untersu& t. Dazu gehören u.#a. rund 80 Körperbesta) ungen des 3.!/!4.–7. Jahrhunderts. Trotz der bis-lang nur auss& ni) ha' en Freilegung der städtis& en Nekropolen ist ein Einbli( in das dortige spätantike Totenritual mögli& . Behandelt sind Gemeinsamkeiten und Unters& iede zu zeitglei& en Besta) ungs plätzen in Südspanien und eine dif-ferenziertere Betra& tung des Wandels der Grab-, Besta) ungs- und Beigabensi) e am Übergang zwis& en Antike und Frühmi) elalter.

Summary

Munigua is a small Roman town in the province of Baetica in modern-day Spain. During the last 50 years the German Archaeological Institute in Mad rid has also investi gated late- and post-Roman se) lement phases. These included e.#g. about 80 inhumation graves of the 3rd!/!4th to 7!th century. Despite the hither to fragmen-tary nature of the exposure of the urban necropoleis, it is still possible to gain a glimpse of the late-Roman funerary ritual here. The paper discusses mutualities and di* erences of contemporary cemeteries in southern Spain and provides a dif-ferentiated review of the change in grave, funerary and furnishing rituals during the transition from late Antiquity to the early Middle Ages.

C E