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573 (Aus dem physiologischen Institute der Universiti~t Wien.) Ober die Formelemente des Colostrums, ihre Entstehung und Bedeutungi). Von Dr. Rudolf Popper. Morphologische Untersuchungen der Formelemente des Colostrums, Untersuchungen fiber die Zeit des A,uftretens, fiber die Frage, aus welchen Gebilden sie hervorgehen und welche Veranderungen diese bei der Umwandlung zu Colostrumzellen erleiden, endlich die daraus zu ziehenden Schliisse fiber die Ursachen der ganzen Erscheinung bildeten das Thema dieser Arbeit und sollen in der eben vor- geffihrten Reihenfolge hier besprochen werden. Das Col0strum, wie seit alters her das sparlich abgesonderte Secret der weiblichen Brustdrt~se in den ersten Tagen nach der Geburt benannt wurde, unterscheidet sich auffMlig von dem spateren normalen Secrete, tier Milch, durch seine gelbe Farbe und seine zi~hklebrige Beschaffenheit. Auf diese ausser,en Merkmale weist schon Durand (1836) hin. Dass das Secret eine wesentlich andere chemische Be- schaffenheit hat als die Milch, liess schon der Umstand ver- muten, dass es durch Erhitzen gerinnt. Die i~lteren Autoren filhrten diese Tatsache darauf zuriick, dass das Colostrum einen abnorm hohen Albumingehatt hatte. Nach K r ii g e r verhielte sich die Menge des Albumins zu der des Caseins in der Milch wie 1 : 8,75, dagegen ware das Verhi~ltnis des Albumins zum Casein im Colostrum wie 1:0,645! Sebelien betonte aber bereits 1889, dass er niemals besonders viel Albumin hatte finden kiinnen, und wies ein bei 72 o gerinnendes Globulin in grossen Mengen im Colostrum nach. I%ch Tiem ann (1898) seien die frilheren irrigen Resultate da- dutch zustande gekommen, dass durch die Essigsaure, welche zur AusfMlung des Caseins angewendet wurde, das Globulin in LSsung ging und so als gelSstes Eiweiss imponierte. -- Nach diesen und 1) Diese Arbeit war der Redaktion. eingereicht, bevor die neueren Be- stimmungen, betr. der Bibliographie, in Kraft traten. E. Pflfiger, Archiv ffir Physiologie. Bd. 105. 39

über die Formelemente des Colostrums, ihre Entstehung und Bedeutung

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(Aus dem physiologischen Institute der Universiti~t Wien.)

O b e r d i e F o r m e l e m e n t e d e s C o l o s t r u m s , i h r e E n t s t e h u n g u n d B e d e u t u n g i ) .

Von

Dr. R u d o l f Popper.

Morphologische Untersuchungen der Formelemente des Colostrums, Untersuchungen fiber die Zeit des A,uftretens, fiber die Frage, aus welchen Gebilden sie hervorgehen und welche Veranderungen diese bei der Umwandlung zu Colostrumzellen erleiden, endlich die daraus zu ziehenden Schliisse fiber die Ursachen der ganzen Erscheinung bildeten das Thema dieser Arbeit und sollen in der eben vor- geffihrten Reihenfolge hier besprochen werden.

Das Col0strum, wie seit alters her das sparlich abgesonderte Secret der weiblichen Brustdrt~se in den ersten Tagen nach der Geburt benannt wurde, unterscheidet sich auffMlig von dem spateren normalen Secrete, tier Milch, durch seine gelbe Farbe und seine zi~hklebrige Beschaffenheit. Auf diese a u s s e r , e n M e r k m a l e weist schon D u r a n d (1836) hin.

Dass das Secret eine wesentlich andere c h e m i s c h e B e - s c h a f f e n h e i t hat als die Milch, liess schon der Umstand ver- muten, dass es durch Erhitzen gerinnt. Die i~lteren Autoren filhrten diese Tatsache darauf zuriick, dass das Colostrum einen abnorm hohen Albumingehatt hatte. Nach K r ii g e r verhielte sich die Menge des Albumins zu der des Caseins in der Milch wie 1 : 8,75, dagegen ware das Verhi~ltnis des Albumins zum Casein im Colostrum wie 1:0,645!

Sebe l i en betonte aber bereits 1889, dass er niemals besonders viel Albumin hatte finden kiinnen, und wies ein bei 72 o gerinnendes Globulin in grossen Mengen im Colostrum nach.

I%ch T i e m ann (1898) seien die frilheren irrigen Resultate da- dutch zustande gekommen, dass durch die Essigsaure, welche zur AusfMlung des Caseins angewendet wurde, das Globulin in LSsung ging und so als gelSstes Eiweiss imponierte. - - Nach diesen und

1) Diese Arbeit war der Redaktion. eingereicht, bevor die neueren Be-

stimmungen, betr. der Bibliographie, in Kraft traten. E. Pflfiger, Archiv ffir Physiologie. Bd. 105. 39

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anderen Autoren ist das Case]u und Albumin ungef/~hr im selbeu Prozentsatz wie in der Milch im Colostrum vertreten~ die Menge des - - vom Globulin des Serums verschiedenen -- Colostrum- Globulins dagegen ist eine sear grosse, nach Tiemann das 2--4fache des Caseins, w/ihrend das Globulin in der Milch circa 1/lOO % des Caseins ausmacht. --

Alle Autoren stimmen in der beachtenswerten Beobachtung ~berein, dass der hohe Eiweissgehalt des Colostrums -- und zwar ist dieser fast ausschliesslich durch das Verhalten des Globulins be, d i n g t - yore TaRe der Geburt an rapid abnehme. Nach Ablauf yon zweimal 24 Stunden hat das Globulin den normalen Tiefpunkt, den es in der Zusammensetzung der Milch hat, erreicht, das heisst, alas Brustdrtisensecl'et hat etwa 1/2oo des Globulingehalts des ersten TaRes. Ich komme sp/~ter noeh auf diese Tatsache zurfick.

Auf das charakteristische m i k r o s k o p i s c h e Bild des Colo- strums ist zuerst D o n n ~ (1837) aufmerksam geworden. Er schildert zuni~chst die Milchkt~gelchen im Colostrum~ deren Form ihm yon den FetttrSpfchen tier Milch abzuweichen scheint, und fi~hrt dann fort: ,,Der grSsste Teil der anderen Ktigelchen im Colostrum ist sear klein und bi]det gleichsam einen Staub mitten in der Fltissig- keit. Statt frei und unabhangig eines yon dem anderen herum- zuschwimmen, sind sie meistenteils unter sich durch eine klebrige Materie so verbunden, dass, wenn man sie auf tier Glasscheibe sich bewegen liisst, sie sich in kleinen angehiiuften Massen ablagern, an- statt eines i~ber das andere, ohne zusammenhi~ngend zu bleiben, hinzurollen wie die in der reinen Milch. Ausserdem enthMt das Colostrum noch Partikelchen von anderer Beschaffenheit, die gar keinen Zusammenhang mit den gewShnlichen Milchkiigelchen haben, yon denen sie sich nach ihrer Form~ GrSsse, ihrem Aussehen im allgemeinen und ihrer inneren Zusammensetzung unterscheiden. Diese besonderen KSrper haben nicht immer eine kugelige Gestalt, keine constante Form und bieten in dieser Hinsicht die mi~glichste u dar. Es gibt deren kleine, die kaum den hundertsten Teil eines Millimeters haben; andere sehr grosse haben mehrmals diesen Durchmesser. Sie sind wenig durchsichtig, yon wenig ins Gelbliche fallender Farbe und gleichsam granuliert~ d. h.'sie scheinen aus einer Menge kleiner KSrner, die unter sich verbunden oder in einer durchsichtigen Halle eingeschlossen sind, zusammengesetzt zu sein. l~echt oft bemerkt man inmitten oder an einem anderen

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Punkte dieser kleinen Masse ein Kiigelchen~ das nichts anderes zu sein scheint, als ein wirkliches, yon dieser Materie eingeschlossenes Milchkfgelchen. Was ist nun die Beschaffenheit dieser kSrnigen Ki~rper (Corps granuleux)? Ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen, aber ich halte dafter, dass sie aus Fettstoff und einer schlei- migen Materie yon besonderer Beschaffenheit gebildet werden."

Die Corps granuleux D o n n 4' s wurden nicht gleich als prii- existente Formelemente anerkannt. Er musste sie zuni~chst gegen die Einwendungen yon Sim o n (1839) verteidigen, der anfangs iiber- haupt das Vorkommen derartiger KSrperchen bestritt. Mandl (1839) gab wohl ihre Existenz zu, erkli~rte sie aber far Conglomerate aus den im Colostrum entstandenen Pr~tcipitaten. Auch H e n l e (1839), yon welchem tier Name Colostrumkiirperchen herriihrt, stellte noch ihre Natur als selbsti~ndige Zellgebilde in Zweifel. N a s s e (1840) dagegen hielt es nicht for wahrscheinlich, dass sie sich durch Agglomeration der Milchki~gelchen ausserhalb der Acini bilden, und G f t e r b o c k (1839) grenzte sie gegen Fettconglomerate ab, indem er darauf aufmerksam machte, dass tier Druck des Deckgli~schens sie unveri~ndert lasse, class whsserige JodlSsung sie gelb f;trbe, und dass eine hi~utige Halle sie umschliesse.

Die erste ausffhrlichere Arbeit fiber den Ursprung der Colo- strumki~rperchen war die R e i n h a r d 's (1847). Er ft~hrt verschiedene Griinde an, warum sich wfihrend der Schwangerschaff das von fri~her her in der Brustdrfse befindliche Epithel nicht erhalten k5nne. Das ganze Epithel der Driisencanale werde abgestossen und durch ein neues ersetzt. Diese Umwandlung beginne in den ersten Monaten nach der Conception. Die abgestossenen alten Drilsenzellen bilden nach ihm die ColostrumkSrperchen.

A. K S l l i k e r (1854) llisst ebenso, wie die Milch, auch alas Colostrum mit seinen KSrperchen aus verfetteten Epithelien ent- stehen; das Brustdri~sensecret der Neugeborenen und Primiparen aus Zellen, welche den Innenraum tier als solide Sprossen angelegten Drtiseng~nge eingenommen batten, durch deren Verfliissigung erst die HShlung der Drtisenri~ume entsti~nde.

L a n g e r (1850) vermutet, class die ColostrumkSrperchen aus dem Epithel der Drfsen g i~ n g e entstiinden, da er hie welche in den Acinis gefunden hatte. Wir verdanken ihm die ersten eingehenden anatomischen Untersuchungen fiber die fOtale Milchdrilse und die Dri~se des •eugeborenen.

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�9 Nach V i r c h o w (1858) ist die Milchbildung ganz der Talg- drasensecretion analog. Die Milch geht aus dem fettigen Zerfall der Epithelzellen hervor. Zwischen der friiheren Bildung der Colostrumkiirperchen und der spi~teren Milchbildung besteht kein anderer Unterschied als der, dass bei der Colostrumbildung der Process langsamer erfolgt und die Zellen l~nger zusammenhalten. Er definiert geradezu das ColostrumkOrpercben als ,,die noch zu- sammenhaltende Kugel, welche aus der fettigen Degeneration einer Epithelzelle hervorgeht".

:~hnlich hatten sich W i l l (1850) und van B u e r e n (1850)den Vorgang vorgestellt. Der letztere hat einige Male ColostrumkSrperchen mit Sicherheit innerhalb der Dr~senblaschen gesehen, woraus man wenigstens das schliessen kOnne, dass dieselben nicht ausschliesslich aus dem Epithel der Ausfiihrungsg~inge stammen.

S t r i c k e r und S c h w a r z (1866) bereicherten die Lehre yon den ColostrumkSrperche n mit der Beobachtung ihrer amOboider~ Veranderungen.

B e i g e l (1868) wies durch Fi~rbung mit Carmintinctur einen. Kern in den ColostrumkSrperchen nach.

Die Einschichtigkeit ~ s Dri;~senepithels der entwickelten Mamma wurde yon K e h r e r (1871) entdeckt. Er erkli~rt die Colostrum- kiirpercben far verfettete Driisenzellen, die, solange die Secretion nicht sehr lebhaft ist, als isolierte Elemente in das Secret t~ber- gehen. Sie bestehen nach ihm aus einem contractilen Protoplasma, einem dutch Carmin leicht sichtbar zu machenden Kern und mehr oder minder zahlreichen Fettkugeln.

B u c h h o l z (1877) betrachtet die ColostrumkSrperchen als ab- gestossene, mit dem Secret fortgeschwemmte Epithelzellen der Brust- driise, indem er, wie R e i n h a r d , annimmt, dass der epitheliale Uberzug der Drasenlumina in der Schwangerschaft abgestossen und. neugebildet wird. Er untersuchte die Milch yon Frauen, die nicht stillten, in der ersten Zeit nach tier Niederkunft und constatierte~ dass die ColostrumkSrperchen in keinem Falle fehlten, aber yore 1. bis 3. resp. 5. Tage an Zahl abnehmen, von da an sich wieder vermehren.

C r e i g h t o n (1877) sieht Lymphzellen zwischen den Epithel= zellen, die so in die Drtlsenlumina gelangen. Er lasst lymphoide Zellen aus Epithelzellen hervorgehen.

Uber d. Formelemente des Colostrums, ihre Entstehung u. Bedeutung. 577

: H e i n r i c h S c h m i d t (1877) gehSrt zu den Autoren~ we]che

den ganzen Process der Milchbildung als eine ,,modificierte fettige Degeneration" auffassen, filr welche also die Stellung der Colostrum- kSrperchen keinem Zweifel unter!iegt.

Eine ganz neue Auffassung bringen die Arbeiten yon W i n k l e r (1874) und R a u b e r (1879). Sie lassen die Milch aus dem Zerfall eingewanderter Leukocyten entstehen, die ColostrumkSrperchen waren dann eine regelm~ssige Durchgangsstufe yon LymphkSrperchen zu fertiger Milch.

H e i d e n h a i n (1883) und sein Schaler P a r t s c h zogen aus dem wechselnden Aussehen tier Drasenepithelzellen Schliisse, welche

zur Aufstellung der bekannten H e i d e n h a i n ' s c h e n Lehre yon der Entstehung der Milch filhrten, nach welcher es sich wohl um einen echten Secretionsvorgang handle, wobei jedoch ein Teil der Epithel- zelle in das Secret flberginge. --- H e i d e n h a i n beschreibt auch als einziger Autor Zellen im Epithel in situ, welchen er zumutet, class aus ihnen die ColostrumkSrperchen hervorgehen. E r schildert die Zellen als rund, hell oder doch nut matt granuliert, mit einem excentrisch gelegenen Kern. Sie kamen auch in dem entleerten Secrete vor, nicht selten einen oder einige Fetttropfen enthaltend, neben den typischen, yon Fetttr0pfchen ganz und gar durchsetzten

ColostrumkSrperchen. Diese gingen aus den erstbeschriebenen blassen Zellen durch Fettaufnahme hervor. - - Ich finde bei H e i d e n- h a i n die erste Schilderung der ,Kappen und Kugeln".

S a e f f t i g e n (1881) h~lt die ColostrumkSrperchen far Lympho- cyten in fettiger Degeneration.

D o g i e l (1885) beschreibt gleichfalls Kappen und Kugeln. i s s e n (1886) schildert in der lactierenden Mamma eine starke

Kernvermehrung, wie er annimmt durch directe Teilung. - - Die ,,Ni s s e n ' schen Kugeln", kugelf0rmig begrenzte Gebilde im Proto- plasma der Drasenzellen, mit einem in ZerstSrang befindlichen Kerne verdanken ihm, als ihrem Entdecker, den Namen.

F r o m m e 1 (1892) besthtigt die Ni s s e n ' schen Beobachtungen. B i z z o z e r o und V a s s a l e (1887) ~finden in der Mamma

Tr~tchtiger immer Mitosen, die in den ersten Tagen nach der Geburt rasch abnehmen, whhrend des Lactierens ganz verschwinden. Die Verschiedenheit der Zellformen und der Zahl der Kerne, auf welche It e i d e n h ai n far die Entstehung tier Milch solches Gewicht gelegt hatte, erklarten sie far mechanisch bedingt durch verschiedene

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Fiillungszustande tier hlveolen. -- Sie beobaehteten zuerst im Lumen yon Drilsen n a c h a b g e 1 a u f e n e r Lactation am0boide KSrperchen, die sie nicht, wie S t r i c k e r , in Beziehung zur Mi lchb i ldung , sondern zur Resorption derselben brachten.

Co~n (1888) lasst aus den Epithelzellen sowohl Colostrum- kiirperchen als Milchkfigelchen entstehen.

Nach T u s s e n b r o k (1888) dagegen miisste man die Vorstellung der Colostrumentstehung aus abgestossenen und verfetteten Zellen fahren lassen. E r sieht keine Ubergangsformen zwischen Colostrum- kSrperchen und Epithelzellen, wie H e i d e n h a i n und S a e ff t i g e u sie beschrieben hatten.

K a d k i n (1890)~ der sonst ganz auf dem Standpunkt der Sehule H e i d e n h a i n steht, betont jedoeh das h~ufige Vorkommen yon Leukocyten zwischen den Epithelzellen und schreibt denselben auch einen Anteil an der Bildung yon Milch und Colostrumk0rperchen zu.

Wahrend, wie aus dem Bisherigen hervorgeht, der grSsste Tell

der Autoren, ob sie die Milch aus secernierenden oder sich auf- lbsenden Epithelzellen herleiten, die Colostrumki)rperchen als modi- ficierte Epithelzellen auffasste, erklfirte C z e r n y die Colostrum- kSrperchen fiir eingewanderte Leukocyten und ffihrte zur Stiitze dieser Ansicht eine Reihe von Untersuchungen und Experimenten aus.

Die Anschauung C z e r n y ' s (1890) wurde yon fast allen folgenden Autoren acceptiert und die Lehre von dem E~Jtstehen der ColostrumkOrperehen aus Leukocyten seit ihrer Aufstellung (1890) bis zum heutigen Tage fast unwidersprochen anerkannt.

Wenn auch die meisten der Autoren, die nach Czerny i~ber dieses Thema arbeiteten, bald an dem einen, bald an dem anderen Stein ihres Fundamentes rfittelten: ihr Schlussresultat war immer eine Bestatigung seiner Lehre.

Mori (1892) wiederholt die Ansichten B i z z o z e r o s und V a s s a l e s fiber den Ftillungszustand der Alveolen als Ursache der Verschiedenheit der EpithelhOhe.

Nach der Ansicht yon S t e i n h a u s (1892) gehen die Colostrum- kOrperchen aus verfetteten eosinophilen (?)Mastzellen hervor, die in der Colostrumzeit viel zahlreicher als gewShnliehe Leukocyten in der Drilse vorhanden sein sollen.

B end a (1893) leugnet jeden Kernzerfall bei der Milcbsecretion. Die Kerne im Secret hNt er far zufNlige Erseheinungen. Er be- schreibt eine zweite Zellschieht in dem Epithel der Mamma, aber als ,,myoepitheliales Stratum".

Uber d. FormeIemente des Colostrums, ihre Entstehung u. Bedeutung. 579

D u cl e r t (1893) glaubt, dass die- Colostrumk(irperchen keine Ze]len sind, sondern nur Conglomerate colloidaler Subst.anz, welche aug der Degeneration yon Drilsenzellen hervorgehen. Kerne sieht er merkwtirdigerweise in den Colostrumkiirperchen auch nicht.

P a l a z z i (1894) finder im Colostrum der S c h w a n g e r s c h a f t fast ausschliesslich Epithelzellen, freie Kerne und die Colostrum- kOrperchen zu Gruppen vereinigt und mit einem schSnen Kern ver- sehen; im Colostrum nach dem S ~ u g e n hingegen sehr wenig Epithelzellen und freie Kerne, die ColostrumkSrperchen isoliert und arm an Kernen.

S z a b o (1896) fasst seine Ansicht in folgende Worte zusammen: ,,Das Lumen solcher Drasen (unmittelbar nach der Geburt) ist schon mit Secret erftillt, in welchem viel Plasmabrocken, Kernteilchen, ja sogar ganze Kerne und Zellen zu finden sind. Diese Elemente sind es eben, die unter dem Namen Co!ostrumk•rperchen beschrieben wurden und deren Ursprung zu einer ausgedehnten Discussion Anlass gab. Derartige Untersuchungen machen den Eindruck, als wi~ren die oben genannten Elemente Zellteilchen~ welche vermi~ge der tibermi~ssigen Proliferation der Zellen entweder keinen Platz finden oder mechanisch abgestossen werden. Und so ist es auch. Zellkerne u. s. w., die auf solche Weise in das Innere der Alveolen geraten~ sich zu Elementen des Colostrums umbilden, bieten mit der ersten Secretion die charakteristische Form der frfihzeitigen Milch."

Michael i s (1898), welcher in seiner Arbeit verschiedene Fragen aus dem Gebiete der Physiologie der Milchabsonderung behandelt, spricht sich tiber die Rolle der Leukocyten folgendermassen aus : Die Leukocyten hi~tten an der Milchbildung keinen Anteil, dagegen wandern sie durchs Epithel, wenn Milehstauung vorhanden ist, d. i. wi~hrend der Graviditi~t, unmittelbar nach dem Wurf und einige Zeit nach dem Absetzen der Jungen. Sie wachsen dann in den hlveolen heran und batten ein doppeltes Schicksal. Entweder werden sie zu ColostrumkOrperchen, oder sie zerfallen. - - Die mehrkernigen Leukocyten unterliegen, wie er meint~ dem Zerfal]e. Unter diesen Umst~nden sei es wahrscheinlich, dass auch die Teilung des Kernes des LymphkOrperchens selbst schon als der Beginn des Zerfalles zu deuten ist. Damit stimme tiberein, class diese Teilung direkt, eine einfache Zerschni~rung ist.

S p a m p a n i (1899) stellt die Hypothese auf, dass die N i s s e n - schen K(~rper aus Leukocyten stammen.

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U n g e r (1898) steht auf dem Standpunkt C z e r n y ' s . Er schliesst seine Abhandlung mit den Worten: ,rich erlaube mir nur diese Theorie C z e r n y ' s insoferne zu ergiinzen, dass nicht nur ge- wShnliche Leukocyten, sondern auch die Mastzellen-Leukocyten den Fetttransport flbernehmen."

B i z z o z e r o und O t t o l e n g h i (1899) geben ein ausfilhrliches Litteraturverzeichnis ilher die Histologie der Milchdrt~se.

Nach M i c h a e l Cohn (1900) gehen die ColostrumkSrperchen aus neutrophil gekSrnten Leukocyten hervor, die im Secret ihre Granulierung verlieren, und deren Kernfragmente sich wieder zu einem einzigen Kern vereinen. Seine Arbeit enthi~lt eine aus- fiihrliche morphologische Schilderung der Kappen und Kugeln, unter welch letzteren e r auch kernhaltige beschreibt. Er gibt zu, dass zwischen gewissen kernhaltigen Formen yon Kugeln und ge- wissen Formen yon Col0strumkSrperchen, sowie auch gewissen kugeligen~ offenbar den grOsseren Milchgangen entstammenden, mehrere Fetttropfen tragenden Epithelzellen, wie sie mancher Milch beigemengt sind, eine grosse J~hnlichkeit besteht. Als unterscheidend filhrt er dann an: ,,Diese letzteren Zellen verraten sich meist schon durch derbere Beschaffen~eit des Protoplasmas zur Genfige. Im iibrigen gew~thrt das Fehlen oder die Anwesenheit yon Zellkernen den sichersten Anhaltspunkt fill" die Beurteilung."

0 t t o 1 e n g h i (1901) finder auch wahrend der Lactation Mitosen ; bei manchen Tieren kOnne vielleicht auch eine directe Teilung der Epithelkerne stattfinden. Die ~ i s s e n ' s c h e n Kugeln li~sst er zum Tell aus Leukocyten hervorgehen und nur zum Tell aus Epithelzellen.

L i in o n (1902) teilt bezilglich der Milchsecretion den Standpunkt H e i d e n hai n' s. Uber die ColostrumkSrperchen spricht er sich nicht aus.

L o u r i ~ (1901) constatiert morphologische Unterschiede zwischen den verschiedenen Colostrumarten (Scbwangerschaftcolostrum, Colo- strum nach dem ersten Saugen etc.). Sie hatten verschiedenen Leu- kocytengehalt~ die Kerne seien mehr oder weniger gut erhalten, das Protoplasma sei mehr oder weniger gut fiirbbar u. s. f.

Bei meinen mikroskopischen Untersuchungen ging ich in folgender Weise vor:

Zur Untersuchung des frischen Secretes verwendete ich ent- weder einfache Verdilnnung mit physiologischer Kochsalzliisung oder Farbung mit Methylenblau in der Mischung yon einem Tell

Uber d. Formelemente des:Colostrums, ihre Eutstehung u. Bedeutung. 581

concentrierten w~sserigen Metbylenblaus auf zwei Teile Kochsalz- 15sung, derart, dass die Mischung die Concentration physiologischer KochsalzlSsung hatte. Diese Methode gab mir die klarsten~ gleich- mhssigsten Bilder. J~hnliche Resultate erhielt ich nur mit Neutral- rot, w~thrend Triacid, tlamatoxylin und Osmiumsaure sowie Pyronin- methylgran (in der Mischung, wie sie P a p p e n h e i m far die F~trbung yon Trockenpraparaten empfiehlt) lange nicht dieselbe Klarheit und Scharfe tier Bilder erreichen lassen~ wenn sie auch f~r bestimmte Zwecke ihre Vorteile haben. Zur Herstellung der Schnittpr~parate beni]tzte ich in der Regel Kochsalzsublimat und F le min ing ' sche LSsung als Fixierungsmittel. In manchen Fallen ausserdem Z e n k e r - sche LSsung und M~lller/Formol.

In Schnitten yon fixierten Gewebestilcken kann man den Bau der ColostrumkSrperchen hie so deutlich erkennen wie in frischen Praparaten yon Secret oder gezupftem Gewebe. Abgesehen yon der Schrumpfung der Zellen lassen die Fixationsmitte] die Fett- trSpfchen meistens verschwinden. In den Osmiumpr~iparaten aber verdecken die schwarzgef~rbten Fetttropfen grosse Partien der Zellen. Dasselbe gilt Yon Strichpraparaten, die ich mit Formol, Osmium- d~mpfen~ Alkoholhther fixiert und mit den obio~en Farbemitteln be- handelt habe.

Als Versuchstiere benutzte ich vorwiegend Meerschweinchen, ausserdem Kaninchen, weisse Mausel Katzen, Hunde, Ziegen und ffir die Schnittpr~parate auch einige Drasen vom Menschen, die Mamma einer Kuh und einer Hirschkuh.

Far die Untersuchungen des Colostrumsecretes yon Frauen und ~eugeborenea stand mir durch die Gate des Herrn Hofrates Professor C h r o b a k das reiche Material der ersten geburtshilflichen und gynakologischen Universitatsklinik in Wien zu Gebote.

Ich finde in dem Colostrum der schwangeren Frau und der WSchnerin, deren ich eine grosse Anzahl untersucht habe, sowie in dem Colostrum yon Tieren folgende Formelemente:

1. FetttrSpfchen yon sehr wechselnder GrSsse, : 2. Leukocyten, wie die des Blutes derselben Species, das mit der-

selben Methode behandelt war~ und zwar genau so, wie sie im Blute zu sehen sind, fast immer aber mit mehr oder weniger Fett beladen.

3. Zweierlei Formen yon Zellen~ die in Bezug auf die Kerne sich vSllig gleich verhielten. Sie haben meist einen Kern (seltener zwei, ganz ausnahmsweise drei) in excentrischer Lage, yon ovaler,

582 Rudolf Popper:

seltener einer Kugel sich annahernder Form und scharfer Begrenzung. In ungef~rbtem Zustande sind die Kerne meist wenig deutlich; sehr gut treten sie aber bei F~rbung, besonders mit Methylenblau, hervor. Sie werden dunkler gef~trbt als das Protoplasma und haben bei An- wendung yon Methylenblau meistens einen Stich ins Violette, wahrend das Protoplasma, ob viel oder wenig davon sichtbar ist, sich rein blau f~rbt. In den Kernen sieht man mitunter eine netzf6rmige Structur von stark gef~rbten F~tden, welche in ihren Kreuzungs- punkten durch etwas grSssere Menge yon chromatophiler Substanz verst~rkt werden. Besenders auffallend werden diese Verst~rkungen tier sich kreuzenden Faden an der Peripherie des Kernes, so dass es den Anschein erwecken kann, als ob an solchen Stellen sich selbstst~ndige Anh~ufungen yon Chromatin finden warden. Viel h~ufiger aber ist yon dieser Structur wenig oder nichts mehr zu sehen, und tier Kern zeigt nur, fast immer deutlich, ein bis zwei dunkler blau gef~rbte Kernk5rperchen.

Sehr oft konnte ich beobachten, dass zwei ovale Kerne in einer Zelle so nebeneinander lagen, dass sie sich mit zwei Polen teilweise aberdeckten, wahrend die anderen Pole dadurch, dass die Kern- achsen divergierten, mehr oder weniger welt auseinander standen.

~icht immer, aber waren die Contouren beider Kerne, dort wo sie t~bereinander lagen, so deutlich voneinander zu trennen. Ja, h~tufig hatte man entschieden den Eindruck, als ob bier aberhaupt nur ein Kern vorliege, der an einer Seite einen so tiefen Einschnitt hatte, dass derselbe, weitergefiihrt, eine vSllige Zerschn~rung in zwei nebeneinander gelagerte Kerne ergeben hatte.

Die mit deutlicher Structur versehenen Kerne sind, wie aus dieser Beschreibung hervorgeht, den Kernen des Drasenepithels so ahnlich gestaltet, dass sie yon ihnen nicht unterschieden werden k~nnen.

Was das Protoplasma dieser Colostrumzellen betrifft, so ist es manchmal sehr gering, in anderen Fallea sehr machtig. Es lassen sich in Bezug auf sein Aussehen zwei Formen von Zellen unterscheiden :

Die einen enthalten gar kein oder fast kein Fett und fi~rben sich gleichmi~ssig oder lassen bald eine gekOrnte, bald eine mehr wabenfSrmige Structur erkennen.

Eine andere Gattung yon Zellen aber ist fiber und fiber mit Fetttr6pfchen erfilllt, so dass man nur in kleinen, unregelm~issigen Li~ckea (wenn iiberhaupt) zwischen dem Fett gefi~rbtes Protoplasma

Uber d. Formelemente des Colostrums, ihre Entstehung u. Bedeutung. 583

sieht. Selbst der Kern wird mitunter teilweise oder ganz vom Fett verdeckt. Der Contour dieser Ze]len ist meist nicht ganz glatt-

randig, sondern hier und dort ragen die wandstiindigsten Fett-

trSpfchen scheinbar i~ber den Contour tier Zellen hinaus. Auf diese Weise kommt eine Form zustande, far welche wohl am besten der zutreffende Name ,maulbeerfSrmige Zellen'! reserviert werden kSnnte. Am ungefi~rbten Pr~parat zeigen diese beiden Zellengattungen die gelbliche Fiirbung, die yon den Autoren so hi~ufig geschildert wird. Ich muss bemerken, dass ich dieses Aussehen als durch wirklichen Farbstoffgehalt bedingt halte und nicht for eine optisch vorgeti~usehte, durch Brechungsverhi~ltnisse in den Fetttropfen hervorgerufene Farbe. Ich wasste auch keinen Grund, warum man sonst an den Leukocyten in tier Milch und an anderen Zellen~ die hi~ufig ebenso mit Fett vollgepfropft sind~ diese Erscheinung nicht auch beobachten sollte.

Zwisehen den beiden oben beschriebenen Gattungen yon Zellen sind alle denkbaren 0bergi~nge zu sehen, so dasses Jedem, der einige solche Praparate gesehen hat, keinem Zweifel unterliegen wird, dass sie verwandt sind.

Ich halte es deshalb filr unnStig, zu untersuchen, welcher der beiden Gattungen tier Titel eines typischen ColostrumkOrperchens oder ,,Corps granuleux" zukommt, was schwer zu entscheiden wi~re, da die oben citierte Schilderung des Entdeckers dazu nieht ge- nllgend deutlich ist und yon den spateren Autoren die Einen: Zellen tier ersten Art, die Anderen: Zellen wie die der anderen Art als

typische ColostrumkSrperchen schildern; ein Umstand, der, wie mir seheint, allein schon dafter spricht, dass es sich hier nicht um zwei im Grunde verschiedene Zellgattungen handelt. Ich will beispiels- weise die betreffenden Ausserungen H e i d e n h a i n ' s und C z e r n y ' s bier anfahren :

H e i d e n h a in (1. c. S. 379) : ,,Die Mehrzahl derselben ist yon rundlicher, maulbeerartiger Gestalt und besteht aus einer Anzahl kleinerer oder gr(~sserer FetttrSpfchen, die dutch ein Bindemittel zusammengehalten werden." Das letztere sei yon verschiedener Fi~rbbarkeit. ,,A u s s e r den t y p i s c h e n ColostrumkSrperchen finden sich Zellen yon der GrOsse tier Colostrumk(}rperchen, die aber nur w e n i g Fetttri~pfchen enthalten und deshalb als helle Gebilde mit deutlichem Kern erscheinen . . ."

C z e r n y (1. c. S. 206) findet im Brustdrtisensecret: ,4. die als maulbeerfi~rmig zusammengeballte Milchki~gelchen-Gruppen be-

58A~ Rudolf Popper:

schriehenen Gebilde. An diesen lasst sich mit sehr starken Ver- grSsserungen wahrnehmen, dass sie in Zellen eingeschlossen sind, deren husserer Contour dureh die Milehkt~gelchen wellig gestaltet wird. Auch in diesen ist dureh Tinetion ein Zellkern sicbtbar zu machen; 5. die t y p i s chen mehr oder weniger intensiv gelb erscheinenden ColostrumkOrperchen, welche ebenfalls stets einen Zellkern be- sitzen . . . . . ?:

Ich mSchte daher zur leiehteren Verstandigung vorschlagen, beide Zellgattungen als typische ColostrumkOrperehen zu be- zeichnen und die vollstandig Fetterfallten dureh den zutreffenden Namen ,maulbeerf~rmige Zellen" hervorzuheben.

Ich fahre in meiner Aufz~thlung der Formelemente des Colo- strums fort :

4. Findet man ,Kappen und Kugeln", wie sie zuerst H e i d e n ~ h a i n und besonders ausfahrlich und schSn C o h n (1900) beschrieben und abgebildet hat. Es sind dies FetttrSpfchen mit einer siehel- fSrmig bis halbkreisfSrmig einer Stelle der Peripherie aufsitzenden Protoplasmamasse mitunter mehr homogenen, meist aber kSrnigen oder genetzten Charakters. Das Protoplasma ist mit dem grossen Fetttropfen lest verbunden und kann seinerseits wieder kleine Fett- trSpfchen in sieh bergen. Manchmal sieht man in solchen Kappen Kerne yon dem Aussehen der Epithelkerne. Ausuahmsweise sieht man Bilder, in denen die Kappe, start sichelfSrmig einen kleinen Tell der Peripherie des Fetttropfens einzunehmen, den ganzen Tropfeu mit einem allm~thlich schmaler werdenden Rand umschliesst. Andererseits sind solehe Protoplasmamassen zu sehen, welche keinem Fetttropfen aufsitzen, sondern eine selbstst~ndige kreisfSrmlge Contour haben und die GrSsse etwa eines roten BlutkSrpercheus bis zum doppelten dieses Durchmessers. Manche yon diesen Kugeln be- sitzen auch einen Kern. Ich kann also die Schilderung C o h n ' s roll best~ttigen, bis auf den einen Punkt, class er das Protroplasma als durchwegs homogen sehildert, wahrend ich es meistens k0rnig, krlimlich oder netzartig, wie das Protoplasma,der ColostrumkSrperchen,

gesehen habe. Ubrigens fehlen diese Gebilde auch ausserhalb der Colostrum-

zeit n ie mal s i m Brustdr{isensecret. Ich habe sie, wie C o h n, in j e d e r normalen Milch getroffen.

5. Findet man (in manchem Secret ziemlich haufig) freie Kerne, welehen eine geringe oder auch gar keine Spur yon Protoplasmaresten

]Sber d. Formelemente des Colostrums, ihre Entstehung u. Bedeutung. 585

krtimlich kSrnigen Aussehens anhaftet. Manche Autoren bestreiten ihre Existenz und glauben, dass es sich um eine Verwechslung mit Lymphocyten handelt. Ich halte sie nach dem Aussehen des Kernes und des Proteplasmarestes ft~r freigewordene Epithelkerne.

Ebenso wichtig wie die m o r p h o 1 ogi s ch e Beschaffenheit ist die Z e i t de,s A u f t r e t e n s tier Formelemente fiir die Frage nach Bedeutung und Ursprung derselben.

Das Colostrum de r S c h w a n g e r e n tritt bekanntlich ver- schieden lange Zeit vet der Geburt, manchmal selbst monatelang vor derselben auf. Seine Formelemente verschwinden erst wieder einige Zeit nach der Geburt, wenn das Neugeborene einige Male an der Brust gelegen ist. Ich mOchte bier besonders betonen, wie rapid in diesem Falle die vorher so reichlich im Secret vorhandenen ColostrumkOrper verschwinden. Nach drei- bis viermaligem Saugen sind die ColostrumkSrper, die vorher das Gesichtsfeld beherrscht haben, oft schon sehr selten geworden, nach ein bis zwei Tagen sind sie in der Regel fast ganz aus dem Secrete verschwunden, und man muss mehrere Gesichtsfelder absuchen, um eines zu finden. Ich m5chte bei dieser Gelegenheit auf den bemerkenswerten Parallelis- mus aufmerksam machen, der hier mit der ebenso rapiden Abnahme des abnorm hohen Globulingehalts des Colostrums nach den ersten Milchabgaben zu constatieren ist.

Die Leukocyten, die im Colostrum der Schwangeren in wechseln- der Menge zu finden sind, verschwinden ungefahr gleichzeitig mit den ColostrumkSrperchen aus dem Secret der Stillenden.

Was das Colostrum be i u n t e r l a s s e n e m S~tugen betrifft, kann ich die BeobachtuDg von B u ch h o 1 z bestiitigen, dass in diesem Falle die Colostrumk5rperchen nach der Geburt an Zahl abnehmen, um sich dann wieder zu vermehren. Diese Abnahme erfolgt, wie ich beobachten konnte, meist ziemlich plStzlich, ungefi~hr um dieselbe Zeit~ zu der bei den Saugenden die Milchmenge ansteigt. Auch die Frauen, die nicht stillten, behaupten hi~ufig ungefahr am dritten bis ffinften Tage nach der Geburt (bevor ein Wort gefallen war, das ihnen das hatte suggerieren kSnnen): ,,Heute wird viel herauskommen; ich habe gefiihlt~ wie mir die Milch einschiesst." 1) Tatsi~chlich war bei diesen Frauen immer eine deutliche Vermehrung der Secretmenge und eine

1) ,Einschiessen ~' ist der im Wiener Dialekt gebr~uchliche Ausdruck ftir die offenbar auch im Volke bekannte plStzliche Steigerung der Milchmenge um diese Zeit.

586 Rudolf Popper:

starke Abnahme der ColostrumkOrperchenzahl zu constatieren. Dieses zeitliche Zusammenfallen der beiden Erscheinungen deutet darauf hin, dass beim Unterlassen des Stillens, wie bei der Sti]lenden, die plStz- liche Verminderung der Zahl der ColostrumkOrperchen zum T e l l eine relative sein diirfte, d. h. bedingt durch hufschwemmung in einer gr0sseren Menge Flilssigkeit. Es geht daraus aber auch hervor, dass diese plOtzliche Vermehrung der Secretionsmenge nicht aus- schliesslich als Wirkung des Si~ugens betrachtet werden daft, wenn auch zweifellos das Saugen die Milchsecretion anregt. Die Menge der Leukocyten um die Zeit der Verminderung tier Colostrum- k6rperchen ist bei unterlassenem Saugen sehr schwankend und geht nicht immer mit der Zahl der ]etzteren parallel. Regelmitssig ist tatsi~chlich eine Vermeh~ ung der Leukocyten, die dem Wiederansteigen der ColostrumkSrperchenzahl vorausgeht

Es hat sich aber hera usgestellt, class ausser dem seit alters her bekannten Auftreten des Colostrums in der Schwangerschaft und in den ersten Tagen nach der Entbindung ein derartiges Secret auch zu anderen Zeites abgesondert werden kann.

Die erste Andeutung dariiber, class das Colostrum auch lange nach der Geburt auftreten kann~ ist bei B u ch h ol z zu finden.

B i z z o z e r o und V a s s a l e entdeckten 1887 in den Drilsen- blgschen von Mammen nach dem E n d e d e r L a c t a t i o n s z e i t Zellen, die sie als grosse polyedrische Gebilde yon einem Durch- messer yon 20--30 p beschreiben. Sie sind mit dilnnen, manchmal verzweigten Fortsi~tzen versehen, ihr Protoplasma ist granuliert, enthi~lt einen ovalen Kern und einige Vacuolen, die Fett ent- halten, wenn es nicht durch die histologische Behandlung des Pri~- parates ausgewaschen worden war. In KochsalzlOsung-Zupfpri~paraten haben diese Zellen eine runde oder ovale Gestalt und eine variierende, manchmal grosse Menge yon FetttrOpfchen. Auf dem heizbaren Objekttisch constatierten sie, dass das Protoplasma lebhaft contractil sei: ,,Diese Eigenschaft aussert sich sowohl durch eine besti~ndige Gestaltveranderung als dutch das schnelle Aussenden und Wieder- einziehen yon abgeplatteten blattfOrmigen, blassen F o r t s g t z e n - - - " ,,Die Contractiliti~t und der Inhalt der Zellen erlauben uns, den Schluss zu ziehen, dass diese Zellen einzellige Resorptionsorgane sind, welehe die Bestimmung haben, diejenigen KSrnchen, speziell die FetttrSpfchen, welche unverbraucht im Lumen des Driisen- blaschens blieben, zu zerstSren."

Uber d. Formelemente des Colostrums, ihre Entstehung 11. Bedeutung. 587

B i z z o z e r o und V a s s a l e vermeiden es, den Zellen den :Namen der ColostrumkSrperchen zu geben. Es war erst Cze l ' ny

in seiner bekannten Arbeit fiber das Colostrum, der betonte und all- gemein bekannt machte, dass auch am E n d e de r L a c t a t i o n das Secret wieder denselben Charakter annehme, den es vor und un- mittelbar nach der Geburt habe.

C z e r n y schildert den Vorgang folgendermassen (l. c. S. 214): ,,Nach 24 Stunden, meist jedoch erst nach 48 Stunden, konnte ich in der gestauten Milch zahlreiche Leukocyten nachweisen, in m~nchem Pri~parate und Gesichtsfelde sogar in solcher Zahll als wean Eiter der Milch beigemischt w a r e . - - Am dritten Tage zeigen viele der Lymphk5rperchen grSssere und kleinere Fettkfigelchen in ihrem Zell- l e i b e . - - - Am vierten bis ftinften Tage finden sich bereits ausserdem vollkommen ausgebildete Corps granuleux. An den folgenden Tagen nahmen successive die Milchkilgelchen und die fl'eien Leukocyten ab, dagegen die ColostrumkSrperchen an Zahl zu, so dass man in den letzten Tagen, in welchen es noch gelingt~ einen Tropfen aus der Brustdrilse auszupressen, nur mehr Schollen aneinander klebender ColostrumkSrperchen vorfindet."

Man muss das Verdienst C z e r n y ' s , auf das Auftreten des Colostrums nach dem Ende der Lactation nachdriicklichst hingewiesen zu haben~ a n e r k e n n e n - wenn man seine Ansicht fiber die Ent- stehung des Colostrums auch nicht t e i l t - - , da diese Erscheinung sieherlich yon der grSssten Wichtigkeit fllr das Versti~ndnis der be- schriebenen Formelemente ist.

Was das zeitliche Auftreten der Colostrumk5rperchen und der Leukocyten betrifft, so babe ich dasselbe nicht so gesondert gefunden, wie dies C z e r n y darstellt. Ich konnte hi~ufig beobachten, dass ColostrumkSrperchen auffreten, bevor die Leukocyten so reichlich vor- handen waren und Zeit gehabt hi~tten, sich mit Fett derart voll- zuffillen, dass sie maulbeeffSrmigen Zellen gleichen. Auch spi~terhin babe ich ungemein wechselnd bald mehr ColostrumkOrperchen~ bald mehr Leukocyten, bald gleich viele im Secret gesehen, his zum Schluss allerdings die ColostrumkSrper immer das Feld behaupteten.

Abet noch zu a n d e r e n Z e i t p u n k t e n lasst sich ein Secret aus der Brustdrfise entleeren, das mit dem Colostrum der Schwangeren grosse Ahnlichkeit hat.

Hierher gehSrt d ie Secretion der Brustdrfise d e r N e u - g e b o r e n e n .

588 Rudolf Popper:

Ich will nicht die ganze Litteratur fiber das Auftreten der ,,Hexenmilch" bier anfiihren. Sie findet sich ausffihrlich in der oben erwi~hnten Arbeit Cz e r n y ' s ,Uber die Brustdrilsensecretion beim Neugeborenen" zusammengestellt; es sei nur noch die Arbeit yon Op i t z 1881 erwahnt: ,,Uber die Tatigkeit der Brustdriisen der Neugeborenen."

Die erste eingehende Untersuchung an gri%serem Materiale riihrt von Gu b l e r her. Er constatiert, dass die Secretion entgegen friiheren Angaben auch bei schwi~chlichen, frt~hgeborenen, kranken Kindern vorkommt. Er fand sie bei 453 Kindern ohne Ausnahme im Alter his zu drei Wochen. Am dritten Tage beginnen die Briiste

zu schwellen, am vierten Tage sind sie noch grSsser; um diese Zeit ist in der Halfte si~mtlicher Fi~lle bereits Secret tropfenweise durch Druck zu entleeren. Bis zum achten Tage wi~chst die Menge. Vom neunten bis zum zwOlfteia Tage hatte yon 65 Kindern nut eines kein Secret. Bis zum zwanzigsten Tage halt sich die Schwellung und Secretion in gleicher HShe; yon 165 Kindern des 12. bis 21. Lebenstages gaben noch 141 Milch. "Uber einen Monat hielt die

Secretion selten an.

Er erwithnt, dass auch mehrere Haustiere in den ersten Lebens-

tagen Milchsecretion zeigen.

Aber auch ausserhalb der bisher besprochenen Verhfiltnisse kOnnen ColostrumkOrperchen im Mammasecrete auftreten: z. B. nicht nut helm AufhSren der Lactation, sondern auch bei v o r i i b e r - g e h e n d e r schwacherer Inanspruchnahme der Brust bei der

Stillenden.

Wi~hrend de r g a n z e n L a c t a t i o n s z e i t sind, wenn auch spi~rlich, ColostrumkOrperchen in der Milch bei Ammen vorhanden, und zwar auch bei solchen, bei denen die Lactation und das Ge-

deihen des Kindes ganz nach Wunsch yon Statten geht.

Gegen das Ende der Lactationszeit erseheinen bei Hund und Kaninchen ColostrumkSrperchen selbst zu einer Zeit, in welcher die Jungen noch begierig an der Brustdriise saugen und gerade un- mittelbar naeh dem Anlegen, also nach grilndlicher Entleerung der Drtise in reichlicher Menge (Cohn).

Lauge Zeit~ selbst viele J a h r e nach der Geburt 7 und zwar nach Lactation oder auch ohne solche, kann man bei manehen Frauen Colostrum mit reichlich nachweisbaren C01ostrumkOrperchen finden.

Uber d. Formelemente des Colostrums, ihre Entstehung u. Bedeutung. 589

S i n e t y beschreibt Colostrum bei jungfraulichen Individuen (Menschen und Tieren).

Bei m a n n l i c h e n Individuen zur Zeit der Pubert~tt beobachtete schon G u b l e r das Auftreten von Colostrani. ~euerdings hat G. M e y e r Anschwellung der Brustdrt~sen bei Jtinglingen im Puberti~ts- alter als ganz normale und regelmi~ssige Erscheinung an ~ einem

grosseu Materiale sichergestellt und dabei im Secrete mitunter das reichliche Auftreten yon ColostrumkSrpern constatiert.

Ich babe reich durch eigene Untersuchungen yon der Richtig- keit dieser Angaben bis auf die Falle des Auftretens bei Jungfrauen und mannlichen Individuen iiberzeugen kSnnen.

Es liegen nun in der Litteratur mancherlei Stimmen vor, welche far einige dieser Secrete eine morphologische Verschiedenheit von dem Colostrum der Schwangeren in Anspruch nehmen wollenl wie Fehlen yon ColostrumkSrperchen bei Hexenmilch (S c h 1 o s s b e r g e r) , verschiedenes Aussehen der ColostrumkOrperchen und ihrer Kerne im Bezug auf GrOsse, Farbbarkeit usw. bei der Schwangeren gegen-

fiber dem Colostrum nach dem ersten Saugen, bei unterlassener Lactation und nach beendeter Lactation ( L o u r i ~ , Pal azzi).

Meine eigenen darauf gerichteten Beobachtunge n haben mir keinerlei constante Unterschiede zwischen diesen verschiedenen Gattungen des Colostrums ergeben; die Formelemente stimmen in Allem vollstandig mit jenen des Colostrums der Schwangeren iiber- ein. Besondere Aufmerksamkeit babe ich der Form der Kerne der ColostrumkSrperchen gewidmet und kann Sagen, dass dieselben in allen Fallen der im Vorstehenden yon mir gegebenen Schilderung entsprechen:

Dagegen konnte ich, wie das schon beschrieben worden ist, eine grosse Ungleichmassigkeit in Bezug auf die Zahl und Art der ent- haltenen Zellen in verschiedenen Portionen des Secretes aus ein und derselben Dri]se, auch wenn die einzelnen Proben kurz nach- einander entnommen wurden, nachweisen.

Ich kann nicbt entscheiden, ob das mit einer Art Sedimentierung in den grossen Ausftihrungsgangen zusammenhangt oder damit, dass vielleicht versehiedene Partien der Driise sich in einem verschiedenen functionellen Zustande befinden.

Schon H e i d e n h a i n hat auf die Tatsache aufmerksam ge- macht, dass die verschiedenen Li~ppchen einer Dri~se nicht das gleiche Aussehen des Epithels zeigeu, und O t t ol e n gh i (1901) beschreibt

E. P f l f i g e r , h~chiv fiir Physlologle. Bd. 105. 40

590 Rudolf Popper :

(1. c. p. 588) das ausfahrlicher und nimmt an~ dass zum Beispiel mitten in einer functionierenden Drase ruhende ,Inseln" vor- handen mind.

Meines Wissens nicht i n diesem Zusammenhang vorgebracht,

aber, wie ich glaube, hierhergehSrig ist ein Umstand, der den Agri- culturchemikern wohlbekannt ist und durch wiederholte Analysen bewiesen wurde: dass die Milch, die aus verschiedenen Zitzen einer Dri~se gemolken werden kann, nicht cbemiseh gleich zumammen- gesetzt ist.

Welchemist nun der U r s p r u n g d e r g e s e h i l d e r t e n F o r m - e l e m e n t e des Colostrums, d. h. aus welchen anderen histo- logimchen Gebilden gehen sie hervor? Ieh mi)chte zunachst mit der Betrachtung der K a p p e n und K u g e 1 n beginnen.

H e i d e n h a i n (1. c. S. 383) sagt: ,,Bei der Secretion wird der vordere Tell der Zelle sammt dem in ihm enthaltenen Fett aus-

gestossen. Die zerfallene Substanz der Zelle liSst sich in der Milch; die Fetttr~pfcben werden frei; oft hangt ihnen noeh auf einer Seite ein StOck des Zellleibes kappenf0rmig an, alas aber allmahlich auch aufgel~)st wird. Sind in dem sich abstossenden Teil der Zelle auch Kerne, so gehen auch diese in das Secret ~]ber . . ."

Daraus geht hervor, dass H ei d e n h ai n die Kappen fflr ab- gestossene Teile yon Epithelzellen halt.

Cohn (1. c. S. 199) sagt darilber: ,VSllig auszuschliessen imt yon Vornherein die Annahme, es handle reich hier nur um Bildungen

secundarer Natur, also etwa um Gerinnungsproducte . . . . . ,' Er weist ferner die MSglichkeit zuriilck, dams es sich um Leukocyten handle, die einen Fetttropfen in sich aufgenommen h~tten, tier grSsmer w~re als sic selbst. Gegen die H e i d e n h a i n ' s c h e Auf- fasmung wendet er ein: Wenn diese Gebilde zur Auf]Ssung be- stimmt waren, milsste eine Art Nekrobiose vorausgehen, die sich dutch aufgefaserte und unregelmassige zerfamerte Kerbungen zeigen milsste beziehungsweise durch verminderte Farbbarkeit~ was nicht der Fall sei. Eher scheinen ihm die yon ~ i s s e n und anderen Autoren beschriebenen Abgrenzungen kugeli'~rmiger Protoplammateile in den Zellen und die nachherige Ausstossung derselben etwas mit den Kappen und Kugeln zu tun zu haben. Er schliesst: ,Die Kappen und Kugeln sind Produkte der Zelltatigkeit der Epithelien, die in der Umgebung der frischgebildeten Secrettropfen im Innern der

l]ber d. Formelemente des Colostrums, ihre Entstehung u. Bedeutang. 591

Zellen entstehen und mitsammt den Fetttropfen ausgestossen werden; . . . zur Aufl6sung sind sie nicht bestimmt. Mithin warde

ihnen die Dignitat eines geformten Bestandteiles der Milch zu- kommen."

Diese Worte ki)nnten besagen, dass die Gebilde yon Driisen- zellen secerniert werden. Das ware yon vornherein for Kappen, die keine Structur zeigen, ja nicht unmSglich. Aber da es kern- haltige Kappen und Kugeln gibt, so kSnnte man an eine Art endo- gener Zellbildung denken. Nun sind wohl (zuerst yon N i s s e n ) kugelfSrmig abgegrenzte, kernhaltige Partien im Protoplasma der Epithelzellen beschrieben worden. Aber auch diejenigen Autoren, welche annehmen, dass die N i s s e n' schen Kugeln urspriinglieh wirk- tich vollkommene und intakte Epithelkerne besitzen, geben an, dass diese Kerne innerhalb des Epithelsaumes oder spater im Lumen degenerieren. Dann waren die Kappen ohne Kerne doch wieder nicht anders zu ver- stehen denn als durch Ab- oder AuflSsung aus ersteren entstanden. Auch stehen den Kappen und Kugeln ohne Kerne die freien Kerne ohne oder fast ohne Plasmareste, welche im Secrete zu finden sind, als wichtige Erganzung fi~ r diese Anschauung H e i d e n h ai n ' s gegen- ~ber. Alle bis jetzt gefundenen Tatsachen sprechen also ausschliess- tich dafar, dass die Kappen und Kugeln aus Epithelzellen hervor- gehen und vordem Bestandteile des KOrpers yon Epithelzellen waren.

Das kann man i~brigens auch dann acceptieren, wenn man den Standpunkt der Schule H e id e n h ai n ' s beziiglich der Entstehung der M i l c h nicht teilen will. Daraus, dass ab und zu Teile yon Epithelzellen oder ganze Zellen sich loslSsen, geht noeh nicht her- vor, dass bei der Milchbildung regelmiissig sozusagen eine Decapi- tierung des gesammten functionierenden Epithels stattfinde. Denn so gross ist die Masse der Kappen und Kugeln in der Milch, auch wenn sie reichlich auftreten, denn doch nicht, um das zu fordern.

Ich mOchte hier aber auf einen anderen Punkt zurackkommen: Diejenigen Gebilde, welche kugelfSrmig sind und iiberdies einen

Kern besitzen, kann ich yon typischen fettarmen Colostrumk0rperchen nieht unterscheiden. Die yon C ohn angegebenen Unterschiede, welche ich in der Litteraturi~bersicht am Eingange dieser Abhandlung citiert habe, scheinen mir unzureichend, da der eine Punkt: die Kernhaltigkeit, einen Widerspruch gegen seine eigenen Angaben begrtindet, insofern er an anderer Stelle angibt, dass auch die Kugeln kernhaltig sein kSnnen, der an(tere Punkt (das homogene Aussehen

40 *

592 Rudolf Popper:

des Protoplasmas betreffend) nach meinen Beobachtungen nicht zu- treffend i s t .

Gerade for die Co]ostrumzeit (zu Beginn der Lactation) nimmt iibrigens C ohn selbst an anderer Stelle an, dass die Kappen und Kugeln k0rnige Besehaffenheit des Protoplasmas haben kSnnen.

Ich glaube aber nicht , class es sich hier nur um eine weit- gehende morphologische Ahnlichkeit handelt, sondern dass die Kappen und Kugeln, besonders die kernhaltigen, genetisch mit den Colostrum- kSrperchen eng verwandt sind und auf deren Entstehung aus den Epithelzellen hindeuten. Daftir spricht auch noch dis Tatsache, dass gerade die seltenen Formen, die kernhaltigen Kappen und Kugeln, fast immer gleichzeitig mit ColostrumkSrperchen auffallend zahlreich zu constatieren sind, sofern nur gleichzeitig an der Brust gesaugt wird; was Bedingung for ihr Auftreten zu sein scheint, w~hrend die kei'nlosen Kappen und Kugeln auch wahrend tier normalen Function der Drtise ein regelmi~ssiger Befund sind.

Wenn sonst zwischen histologischen Gebilden desselben Ver- breitungsbezirkes ein solcher allmahlicher Ubergang yon einer Form zur anderen zu constatieren !st wie hier, so halt man sich fiir be- rechtigt, solange nicht andere Erwagungen es widerlegen, sie fiir gleichbedeutend zu halten. Einen sichereren Obergang kann es abet nicht geben, als den yon Kappen zu kernhaltigen Kappen, yon Kappen zu Kugeln, von kernlosen zu kernhaltigen Kugeln. Das erste Glied der Reihe kann wohl nicht als Abk•mmling des Epithels bezweifelt werden, wahrend anderseits das letzte G!ied, die kernhaltigen Kugeln, nicht nur morphologisch gleich ist mit ColostrumkSrperchen, sondern auch nach den Angaben dererl welche noch kleine Unterschiede finden, in Bezug auf das zeitliche Auftreten eine auffallende Ober- einstimmung zeigt. Ich glaube also, dass wit in den kernlosen Kappen und Kugeln einerseits, in den Colostrumk~rperchen ander- seits zwei verschiedene Formen zu sehen haben, in denen die Epithelzellen zugrunde gehen kSnnen, yon denen die eine wahrend der Zeit des Saugens relativ h~ufig zu constatieren ist, wahrend die andere vorwiegend nur der Zeit, in welcher nicht gesaugt wird, zu-

kommt. Im vornhinein muss ich nur betonen, dass die Menge der Kappen

und Kugeln im Secret niemals so gross ist, class man annehmen kSnnte, dass grosse Mengen yon Zellen gleichzeitig auf diese Weise in Tri~mmer gehen.

Uber d. Formelemente des Colostrums, ihre Entstehung u. ]~edeutung. 593

Die Betrachtung der morphologischen Eigenschaften dieser erste n Reihe yon Formelementen ft~hrt so direct zur Frage nach dem

U r s p r u n g t ier C o l o s t r u m k S r p e r c h e n . Die Beantwortung, die sie nach meiner Ansicht andeutet, entspricht aber durchaus nicht

den derzeit gangbaren Vorstellungen. Die jetzt herrschende, seit dem Jahre 1890 fast unwidersprochene Ansicht iiber die Genese des Colostrums~ welche sich auf die Arbeiten yon B i z z o z e r o und u a s s a 1 e und besonders C z e r n y stiitzt, besagt :

1. Das Colostrum entsteht immer infolge yon Milchstauung.

2. Die Colostrumki~rperchen sind Leukocyten, die zum Zwecke der Fettaufnahme und Rt~cktransportierung in die Lymphwege in das Dr~sengewebe einwandern.

Es ist allerdings richtig, dass fast immer, wenn Milch gebildet,

aber nicht entleert wird~ auch eine Leu.kocyteneinwanderung statt- findet. Dieses gleichzeitige, aber anabhi~ngige Moment hat zur Lehre aber die Entstehung der ColostrumkSrper aus Leukocyten Yer-

anlassung gegeben. Der erste Punkt, der far dieselbe in das Treffen gefiihrt wurde, waren die Beobachtungen amSboider Beweglichkeit an manchen Colostrumk~rpern.

Die a m S b o i d e B e w e g l i c h k e i t ist aber zum Beweis ftir die Leukocytennatur der ColostrumkSrper kaum geeignet. Die grSssten, besonders charakteristisehen ColostrumkSrper haben an- erkanntermassen keine. An mittleren und kleineren Zellen im Colostrumsecret kann man wohl ambboide Bewegung beobachten, docb ist nicht zu vergessen, dass im lebenden Zustande ihre Kern-

form wenig deutlich sichtbar ist, und vieles, was man mit amSboider Bewegung gesehen hat, diirften Leukocy~en gewesen sein.

Daher kommt es a.uch, dass so viele Autoren darin keine positiven Resultate erzielt haben. M i c h a e l i s sieht nur Pseudo- podien ausstrecken, aber keine Locomotion. U n g e r sieht keine Fettaufnahme, sondern nut Fettausstossung. L o u r i 6 und andere finden gleichfalls keine amSboide Bewegung.

Ich babe auch nur selten amSboide Erscheinungen an Colostrum- kSrperchen constatieren kSnnen, glaube aber nach dem, was ich ge- sehen, wohl, dass solche vorkommen, nicht aber, dass sie ein Beweis far ihre Leukocytennatur sind.

Es ist bekannt, dass auch andere Zellen als Leukocyten amS- boide Bewegung zeigen kSnnen: aus dem Zusammenhang gebrachte

594 Rudolf Popper:

Bindegewebszellen, Hornhautzellen, Epithelzellen und Endothelien, wie dies die Beobachtungen yon V i r c h o w , S t r i c k e r u. a. be- weisen.

Ich miichte iibrigens nicht unterlassen, hier auf die Form- veriinderungen, welche in degenerativer Aufl6sung begriffene Zellen, Leukocyten in Serum u. ~thnl., auf dem heizbaren Objecttisch nach den Beobachtungen von B o t t k i n (l. c.) eingehen, hinzuweisen, da die Ahnlichkeit der Bilder, wie ein Blick auf seine Abbildungen zeigt, eine so grosse ist, dass Verwechslungen mit am5boiden Form- veranderungen gelegentlich gewiss vorkommen k6nnen.

Unter den anderen Argumenten C z e r n y' s tilt die Leukocyten- natur der Colostrumk~irperchen hat sein F r o s c h v e r s u c he ine be- sondere Wichtigkeit, den er folgendermassen schilder[ (1. c. S. 217):

,,Ich injicierte einem Frosche (Rana esculenta) in den R~ckenlymph- sack 5 g frischer Ammenmilch in der Absicht, das Verhalten der Leukocyten gegen das Secret zu beobachten, l~ach 2 4 Stunden

untersuchte ich das Blut ~des Tieres und konnte in demselben (lie Leukocyten mehr oder minder vollgefilllt mit MilchkOgelchen finden

die Fetttropfen nicht den Zellen anhaften, sondern in diese eingeschlossen--. Die Leukocyten sind im Stande, Milchkfigelchen aufzunehmen, welche sie an GrOsse ilbertreffen, und dies kann so

wel t gehen, dass die vollgefiillte Zelle um das Sechs- bis Achtfache grSsser erscheint als im leeren Zustafide; - - - - - - nach 48 Stunden entnahm ich demselben Frosche abermals eine Blutprobe. Sofort fiel mir auf, class in den meisten Fett enthaltenden weissen Blut- kSrperchen die Fettkiigelchen viel bedeutendere GrOssenunterschiede

zeigten als am ersten Tage. Die Zellen enthielten Gruppen yon feinsten FetttrSpfchen neben den grossen Milchktigelchen, welche wegen ihrer Kleinheit nur mehr schwer als Fett zu erkennen waren Als ich nach 72 Stunden das Blut untersuchte,

wurde mir der Befund vom zweiten TaRe klar. Denn ich land viele weisse Blutzellen, welche nur mit feinsten, staubfOrmigen Fett- kiigelchen geft~llt waren, wiihrend die Zellen mit gr/3sseren Fett-

tri~pfchen viel seltener zu sehen waren. Diese mit den aller- kleinsten Fettkiigelchen vollgefiillten Zellen boten vollstandig das Bild der Corps granuleux. Aus diesen Beobachtungen sah ich reich zu der Folgerung veranlasst~ dass die Leukocyten die FetttrSpfchen nicht nur aufzunehmen und zu transportieren haben, sondern auch die Fhhigkeit besitzen, die Fetttropfen zuriickzubilden, welcher

Uber d. Formelemente des Colostrums, ihre Entstehung u. Bedeutung. 595

Process sich mikroskopisch als eine Zerteilung praseatiert. Ich wurde in dieser Ansicht noch bestarkt, als ich am vierten und

fiinften Tage die grossen Milchkt~gelchen in den Zellen immer ab- nehmend und die - - ich mSchte sagen: kilnstlich hervorgerufenen f Corps granuleux an Zahl zunehmend land."

Diesen Versuch habe ich mehrfach wiederholt. Auch ich fand die Leukocyten mit Fett erfallt. In tier Tat erlangten sie oft eine betr~tchtliche Gr/)ssenzunahme, und haufig sah ich Zellen, deren ganzes Protoplasma yon Fett erfilllt war~ so dass nur der Kern, und oft selbst dieser nur teilweise, sichtbar war. Welter giug aber die _~hnlichkeit mit den Corps granuleux nicht. Der Kern hatte nie

die Beschaffenheit der Kerne tier Colostrumk6rper, soadern war immer der gewShnliche Leukocytenkern des normalen Froschblutes: er be- stand entweder aus drel bis vi~r anscheinend separiert stehenden Kugeln, oder er bildete die bekannten S-, Z-, Y-f6rmigen Formen, die sich mit Methylenblau intensiv farbten. Ich hatte also Leukocyten vor- m it , die Fett aufgenommen hatten, was schliesslich bei am6boiden. weissen Blutzellen nichts Auffallendes ist, die aber doch Leukocyteu blieben.

Aber immerhiu war das Blut Froschblut, und ich wiederholte den Versuch, wie das auch C z e r n y getan hatte, an S~tugetieren

(Kaninchen). Bei diesen sollten die charakteristischen Formen nut ganz kurze Zeit und sparlich im peripheren Blute zu sehen self., sich aber nach 24 Stunden reichlich im Lungenblute finden. Ich entnahm daher urn diese Zeit einem Kaninchen, dem ich tags zuvor Milch unter die R~ckenhaut injiciert hatte, Blur aus den grossen Lungengef/issen, und zwar sowohl aus einer Arteria pulmonalis wie aus einer Vena pulmonalis. Der Befund war aber der gleiche. Es sind nur gewShnliche Leukocyten~ mit Fett erfollt, zu sehen. Nur muss man das Blut aus den grossen Gefassen direct entnehmen und

nicht etwa Blur, das aus angeschnittenem Lungengewebe stammt, untersuchen.

Da findet man allerdings Zellen, welche eine erstaunlich grosse ~hnlichkeit mit ColstrumkSrpern haben, es sind aber nicht weisse BlutkSrperchen, sondern einfach Zellen aus dem Lungengewebe, welche gleichfalls Fetttropfen aufnahmen. Man kann die betreffenden Zellformen leicht id'entificieren, wenn man ein Controllpraparat aus tier Lunge eines normalen Tieres macht.

�9 Es ist natOrlich, dass zwischen gewissen Formen der Colostrum-

596 Rudolf Popper:

k~rperchen und gewissen Formen der Leukocyten eine gewisse ~bn- lichkeit bestehen kann, wenn n~mlich beide so viel Fett in sich haben, dass ausser dem Fett nichts zu sehen ist als der Kern. Die Leukocyten, deren Kernfigur aus drei bis vier oder mehr kleinen, runden, getrennt stehenden oder scheinenden Kernen bestand, waren

nat~rlich nie zu verwechseln. Auch nicht die mit S -~oder Z- oder Y-f~rmigen Kernen. Eher konnte es bei Leukocyten, deren Kern kipfelfSrmig war, und in denen ein zweiter charakteristischer Kern nicht vorhanden oder des Fettes halber nicht sichtbar war, vor- kommen. Ein solcher Leuk0cyt kann, wenn sein Kern ~berdies etwa leicht angeschwollen war~ mit einer maulbeerfSrmigen Colostrum- fettzelle, deren Kern ja manchmal eine Einschnarung zeigt, eine gewisse ~hnlichkeit haben.

Es gibt also einzelne Zellen im Colostrum, yon denen man mit unseren Hilfsmitteln nicht mit Bestimmtheit sagen kann, ob sie Leukoeyten oder Colostrumk~rper sind, aber die weitaus gr~sste

Mehrzahl der Leukocyten sind und bleiben als solche zu erkennen, wenn sie auch noch so gross und noch so sehr mit Fett erfallt sind.

Aber es ist vielleicht nicht der Kern, sondern das Protoplasma, welches die Wesensgleichheit mit den Colostrumk~rperchen begr~ndet?

Das ist unter der grossen suggestiven Macht, welche die Idee des leukocytaren Ursprungs der Colostrumk~rper hatte, wirklich constatiert worden, und zwar yon Mi ch ael C ohn , dessen dies- beziigliche Beobachtungen ich in Bezug auf das Tatsi~chliehe roll besti~tigen kann. Ich muss seine Ausfiihrungen bier kurz wiedergeben (l. c. S. 409): ,,Die erste Frage war die nach tier Structur des Protoplasmas der Colostrumzellen. Wenn sie in der

Tat nichts anderes sind als die Wanderzellen des Blutes, so mussten sie auch die niimliche Structur wie diese aufweisen. Nun wissen

wir bekanntlich durch E h r l i c h , dass sich an der Emigration, beim Menschen wenigstens, hauptsachlich diejenigen Blutelemente beteiligen, deren Protoplasma eine ganz charakteristische KOrnung, die soge- nannte neutrophile Granulation, besitzt. Zur Feststellung der Identitiit war mithin zuvi~rderst d i e Aufgabe zu lOsen: Besitzen auch die Colostrumzellen eine neutrophile Granulation? . . . . " Im mensch- lichen Colostrum, mit Triacid gefarbt, findet er nun, class immer ein gewisser Tei l der zelligen Elemente in der Tat neutrophile Granula besitzt. ,Wie schon angedeutet, hat immer nur ein Tell, nicht selten sogar nur ein ganz geringer Tell der ColostrumkSrperchen

Uber d. Formelemente des Colostrums, ihre Entstehung u. Bedeutung. 597

eines Secretes neutrophile Granula. Ein auderer, meist grOsserer

enthi~lt sie nicht . . . . . Zunachst zeigte es sich, dass in den aller- grSssten, den sogenannten RiesencolostrumkSrperchen die Granula niemals anzutreffen sind . . . . Corps granuleux, die yon einer ge-

wissen Gri%se sind, niemals Granula haben . . . . . Und dass Granula nur in ganz kleinen oder in mittelgrossen Colostrumzellen vor- kommen." Er bildet sechs mit Triacid gefarbte ColostrumkSrperchen versehiedener GrSsse ab, welche die neutrophile Granulierung sehen lassen, und alle sechs zeigen den polymorphen Kern der Leukocyten.

Ich habe ganz dasselbe gefunden wie C ohn. Aber ich kann daraus nur entnehmen, dass das Colostrum Zellen enthalt, welche ungefi~hr die GrSsse yon Leukocyten haben, und einen Kern, der

nach Zahl, Form und Beschaffenheit so aussieht wie der Kern der Leukocyten; auch haben diese Zellen dieselben Granulationen wie die Leukocyten. Und dass a u s s e r d e m im C o l o s t r u m g r S s s e r e Z e l l e n v o r k o m m e n , w e l c h e n i c h t d ie n e u t r o - p h i l e n G r a n u l a t i o n e n der L e u k o c y t e n b e s i t z e n ; d e r e n K e r n S ieh t n a c h Z a h l , F o r m und GrSs se nicbt aus wie d e r K e r n de r n e u t r o p h i l e n L e u k o c y t e n , s o n d e r n wie tier K e r n t ier E p i t h e l z e l l e n .

Ich komme spi~ter darauf zurack, wie C ohn sich dieses merk- wiirdige Verhalten erklart. Ffir reich geht daraus Zum mindesten hervor, dass, wenn Leukocyten zu Colostrumk(irperchen werden, es die neutrophilen Polynuclei~ren nicht sein di~rften.

Es war wohl begreiflicb, dass man zuni~chst, wenn yon Leuko- cyten ohne nahere Bezeichnung der Art die Rede war, aus welchen die Colostrumkiirper hervorgehen sollen, auf die Polynuclei~ren verfiel. Sie machen die Hauptmasse der weissen BlutkSrperchen aus, sie haben die Fi~hiakeit tier Auswanderung und der Aufnahme fremder KSrperchen in hohem Maasse, und sind gewiss in der Lage, die ihnen zugemutete Mission zu erft~llen.

Ich muss hier darauf hinweisen, class seit C o h n ' s Arbeit gar manche Beobachtungen publiciert worden sind, welche die allgemeine Meinung darin geiindert haben, dass die amSboide Beweglichkeit nicht allein den m e hr kernigen Leukocyten zukommt, sondern, wenn auch in welt geringerem Maasse auch anderen Formen tier weissen BlutkOrperchen, denen man sie frtiher abgesprochen hatte.

Da nun die Tatsachen dagegen sprechen, class es sich um poly- nuclei~re Leukocyten handelt, so ist man wohl genOtigti :zu denken,

598 Rudolf Popper:

ob es nicht andere Formen weisser Blutk6rperchen sein kSm~ten, welche sieh zu ColostrumkSrperchen umgestalten.

Ich will mich auch weiterhin der E h r li c h' schen Terminologie bedienen~ um die im Blute vorhandenen Zellgattungen kdrz mit all- gemein bekannten Terminis zu bezeiehnen; n i eh t , wie ich betonen muss, um die von E h r 1 i c h und seiner Schule vertretenen genetischen Beziehungen zwiscben den einzelnen Arten von Leukocyten far meine Argumentation zu verwenden, trotzdem sie ihr ja ganstig w/~ren und die Majorit~tt der Forseher gewiss den Standpunkt der E h r - 1 i e h' sehen Sehule teilt.

Den Polynucle~ren (welehe nach E h r l i c h bekanntlich ca. 70~ der Weissen im normalen Blute ausmaehen) an Zahl zun/~chst k/~men die Lymphocyten (nach E h r l i e h 25%). --~ Bei diesen ist aber das Protoplasma st/~rker basophil als der Kern; bei den Colostrum- k6rperchen ist, wie man sieh mit Methylenblauf~rbung leicht Uber- zeugen kann, das Umgekehrte der Fall. Zweitens ist ihr Protoplasma normalerweise ein ganz sehmaler, im Vergleieh zum Kern ungemein kleiner Saum, w~ibrend die Protoplasmamasse der Colostrumk6rperchen immer eine relativ m~ehtige ist. Drittens babe icb bei den ver- sehiedenen Milehinjeetionsversuchen wohl gesehen, dass die anderen Gattungen yon Leukoeyten, die E b r l i c h als Leukoeyten za~ ~ ~ox~' den Lymphoeyten gegenaberstellt, Fett aufnehmen, nie aber LyInpbocyten mit Fettaufnahme beobaebtet.

Es bleiben jetzt nur die-,,Mononucle~ren" und ,,Ubergangs- formen" E h r l i e h ' s , deJren beide Gruppen in Bezug auf die Kern- formation allerdings die gr6sste ~hnliehkeit mit Colostrumk~rpern h/itten und aueh eine m~chtigere Protoplasmamasse besitzen. Diese beiden Formen bilden im normalen Blut naeh E h r l i c h ungef/~hr je 1 % beziehungsweise 1 - - 3 % aller weissen Blutk~rperehen. Wenn es also weisse BlutkOrpereben sind, die in die BrustdrUsen- r~ulne bei Milchstauung einwandern und sich dort zu Colostrum- k6rperchen umgestalten, so m~ssten die mononuele~ren weissen Blutk/)rperehen verm6ge einer Art Auswahl in grSsserer Menge herangelockt werden, als ihrer Zahl im Blute entspricht.

Ieh weiss nicht, ob nicht scbon seinerzeit C z e r n y an etwas Ahnliches dachte. Es geht allerdings aus seinen Worten nieht deut- lich bervor: ,Ich schliesse daraus, dass eia bestimmter Grad der durch das stauende Secret bewirkten Driisenausdehnung notwendig

]~ber d. Formelemex~te des Colostrums, ihre Entstehung u. Bedeutung. 599

ist, um entweder die Einwanderung yon Leukoeyten a u s z u 15 s e n 1) oder in dem Epithel und der Membrana propria Ver~nderungen zu schaffen, welche das Eindringen derselben mi~glich machen."

Jedenfalls hat C o h n diese Vorstellung ausfahrlich ausgearbeitet. Far ihn ist die Einwanderung der weissen Blutk6rperehen eine chemotaktische Erscheinung. Sie folgen einem chemischen l~eiz~ den

die stagnierende Milch auf sie ausabt, und wandern aus dem Blute in das Gewebe der Milchdrase ein. Wir haben gesehen, dass tat-

sachlieh immer bei Milchstauung polynucleare Leukocyten reichlich in der Milch auftreten, und der Gedanke ist ja sehr verlockend, dass dieses ZustrSmen yon Polynucleiiren auf Chemotaxis zuraekzufahren ware. Wenn nun auch die ColostrumkSrperchen nicht aus poly- nuelei~ren hervorgehen, so kSnnte vielleicht die gestaute Milch noch gr5ssere Anziehungskraft auf die mononuclearen K6rperchen aus- iiben, so dass sie in noeh grSsserer Zahl als die Polynuclearen ein- wanderten und zu ColostrumkSrperchen wt~rden?

Ich habe deshalb eine Reihe von Versuchen angestellt~ um vielleieht directe Aufschlilsse dariiber zu bekommen.

Dass die chemotaktische Wirkung stagnierender Milch auf die Leukocyten nicht so st.ark sein werde, wie etwa die des Cervical- secretes auf die Spermatozoiden, das war wohl von vornherein zu erwarten. Ich habe reich zum Uberfluss davon aberzeu~'t, indem ieh

mir Kuhmilch von gereinigtem Euter direct in ein steriles Gefi~ss melken liess, solche Milch naeh Watteverschluss verschieden lange Zeit im Brutofen stehen liess und nachher auf dem heizbaren Object- tisch nach ihrer etwaigen Einwirkung auf versehiedene Leukocyten- arten untersuchte. Der Erfolg war neoativ.

Ich habe sodann sterilisierte Holundermarkscheiben (in einem Falle sterile Watte) mit Meersehweinchenmileh getrankt und sie dana

in aseptischer Operation in die BauchhShle yon Meerschweinchen versenkt.

Es schien mir vorteilhaft, die Milch in porOse KOrper ein- gesaugt zu versenken und nicht direct in die Bauchh0hle zu in- jicieren, weil ieh hoffte, dass etwa chemotaktisch angelockte Zellen so sicherer zu finden sein warden, als wenn ich die Milch frei in die BauchhShle gebracht hi~tte. Ich hielt es so far zweckmi~ssiger, da.ich vom Meerschweinehen nur wenige Cubikeentimeter Milch er-

1) Von dem Autor dieser AlJhandlung unterstrichen.

600 Rudolf Popper:

halten konnte. Milch einer anderen Tierspecies aber zu verwenden, hielt ieh bei der Entscheidung dieser Frage nicht far zul~issig.

Nach 24 Stunden wurde (]as Peritoneum geSffnet, das versenkte Material herausgenommen und mit der darin enthaltenen Fliissigkeit

untersucht.

Die Milch noch ]anger in der Bauchh6hle zu ]assert, schien mir 'zwecklos, da ja bekanntlich nach den Arbeiten yon M a r c h a n d u. a. nach dieser Zeit durch FremdkSrperreizung mononuclei~re Zellen yon dem Endothel des Peritoneums sich losl6sen und amSboid werden. Diese Zellen, welche die typischen Kerne mononuc]earer Endothelzellen zeigen und vermSge ihrer phagocytaren Natur sicher

Fe t t auf.genommen hatten, warden natarlich wieder eine gewisse )[hnlichkeit mit Colostrumkt)rperchen erhalten haben, und zwar ver- mSge ihrer Kernform eine viel grSssere wie die Leukocyten. Ich hatte dann sozusagen mutwillig nut noch eine neue, ihrer Genese nach vSllig verschiedene Zellgattung produciert, die in der Frage, oh Drt~senepithel oder Leukocyt, nicht beweiskraftig gewesen ware.

Wenn die Milch chemotaktisch die Mononuclearen anlockt, so musste ich in den Holundermarkscheiben die Zellen in grosser Zahl nachweisen kSnnen. Zur Controlle hatte 'ich auch Holundermark- scheiben, welche nicht mit Milch, sondern mi t physi01ogischer Koch- salzliisung getrankt waren, in die BauchhShle anderer Tiere versenkt.

Das Resultat war aber negativ.

Die 24 Stunden nach der Operation erhi~ltliche Fltissigkeit in und u m die Markscheiben zeigt fast aussctiliesslich typische Poly- nucleate mit mehr oder weniger Fetttropfen.

Es beweist das zum mindesten, dass die Milch auf Mononuclehre keine grOssere Anziehun~skraft ausiibt als auf Po]ynucleare, wie dies das Postulat air die Entstehung tier ColostrumkSrperchen aus Mono- nuclearen gewesen ware.

Ich muss noch darauf zuriickkommen, wie die Autoren, welche die Leukocytentheorie vertreten, sich mit den entgegenstehenden morphoiogischen Tatsachen abfanden.

M i c h a e l i s schildert wohl polynuclei~re Leukocyten im Colostrum. Er sieht sic auch Fett aufnehmen und grOsser werden, aber niemals werden nach ibm aus polynuclearen Leukocyten wirk- liche ColostrumkSrperchen. Dagegen nimmt er an, dass die mono- nuclearen Zellen ein zweifaches Schicksal Batten. Entweder sic

0ber d. Formelemente des ' Colostrums, ihre Entstehung u. Bedeutung. 60]-

warden zu Colostrumki~rpern, oder ihre Kerne zerfallen, und es ent-

stiinden aus ihnen polynucleare'Leukocyten.

Umgekehrt steht die Sache bei Mich a el C o h n. Bei ihm e~t- stehen die ColostrumkSrperchen, wie wir gesehen haben, aus neutro: philen Leukocyten. - - Aber die Neutrophilen sind polynuclear, wahrend die grosse Mehrzahl der Colostrumk~rper nur e inert Kern hat? Er antwortet: Die Kernstf~cke vereinigen sick - - Das Proto- plasma der grossen Mehrzahl der ColostrumkSrper, und zwar gerade die charakteristischste Form, hat k ei n e neutrophilen Granulationen,

wahrend die Leukocyten solche baben? Er antwortet: Die Leuko- cyten verlieren ihre Granula t ionen . - Es ist nur auffallend, dass gerade diejenigen, welche einen Kern haben, wie die Epithelzellen, keine Granulationen haben; gerade diejenigen, welche einen Kern haben, wie die Leukocyten, auch solche Granulationen haben wie die Leukocyten. - - Da dilrfte man doch der Wahrheit naherkommen, wenn man annimmt, dass die Zellen, welche aussehen wie die Leukocyten, aus Leukocyten hervorgehen und jene, welche aussehen wie Epithelzellen, aus Epithelzellen hervorgehen.

Nun will ich nicht behaupten, dass es nicht mSglich ware, dass aus einkernigen Leukocyten mehrkernige werden; ich will auch nicht behaupten, dass es nicht mSglich ware, dass aus mehreren Kern- stiicken wieder ein runder Kern hervorginge. Ich glaube aber, dass wires nicht nOtig haben, Umwandlungen von Zellen im Protoplasma und im Kern anzunehmen, wenn wir andere Zellen daneben haben, die fast ohne Veranderung so aussehen, wie wir sie an Oft und Stelle finden.

Dass aber die ColostrumkSrperchen nicht nur in Bezug auf den Kern, sondern auch in Bezu~' auf das Protoplasma ohne wesentliche Veranderungen aus Epithelzellen hervorgehen kOnnen, ist sicher.

Wenn man menschliches Colostrum nach beendigter Lactation zu einer Zeit, wo nur mehr wenige Tropfen aus der Brust zu bringen sind, oder Meerschweinchencolostrum etwa drei Wochen nach be- endigter Lactation resp., wenn die Tiere nicht gesaugt haben, ebenso lange nach tier Geburt ansieht, so findet man massenhaft Zellen, welche auch in Bezug auf ihren minimalen Fettgehalt, in Bezug auf ihre GrSsse und ihren Kern sich aberhaupt nicht yon Epithelzellen der Mamma unterscheiden lassen. Auch findet man ganze Conglomerate yon Zellen, die mitunter derart aneinandersitzen, class die Aus-

602 Rudolf Popper:

buchtungen der einen in die H0hlungen der benachbarten, die Kanten der einen an die Kanten der benacbbarten passen.

Allerdings gibt es, wie eingangs geschildert, auch andere Formen der ColostrumkSrper, welche durch eine kugelige oder ovale Gestalt und durch vielfach grSssere Dimensionen sich von den Epi.thelzellen unterscheiden. Auch der Fettgehalt ist bekanntlich oft ein.excessiver. Es ist im Grunde noch nicht erwiesen, woher dieser hohe Fettgehalt der maulbeerf~rmigen Zellen eigentlich stammt:

Erstens kSnnte es sich um secerniertes Fett handeln. Etwas Fett mflssen Zellen, wenn sie von tier trachtigen oder lactierenden Mamma oder yon einer Mamma, die, wenn auch noch so rudiment~tr, ihre Yunctionen noch ausabt, herrflhren, sozusagen mitbringen, wenn sie, abgestossen, im Lumen erscheinen.

Zweitens kOnnte es sich, wie vie]e Autoren, besonders auf Grund der Beobachtungen von S t r i c k e r , B i z z o z e r o und V a s s a l e t~ber die amOboiden Fahigkeiten der ColostrumkOrperchen, annehmen, um phagocyt~tr aufgenommenes Fett handeln, das diese Zellen, bevor sie ausgestossen wurden, im Lumen tier Drt~senelemente absorbiert haben.

Drittens kSnnte es sich um Fett aus ,,fettiger Degeneration" handeln, gleichviel, ob man annimmt, dass das bei diesem Processe entstandene Fett aus dem Protoplasma hervorgeht oder~ wie neuere Anschauungen annehmen, frt~her vorhandenes, erst sichtbar gewordenes Fett ist, oder o b man annimmt, dass degenerierende Zellen vermSge einer gewissen Fettaviditat aus der Umgebung Fett aufzunehmen im Stande sind.

Dass aber die ColostrumkOrper Zellen sind, welche der De- generation anheimfallen, das geht daraus hervor, dass man bei vielen Zellen Verlust der Kernstructur, teilweisen Verlust des Zellenconturs und schlechte F~'bbarkeit des Protoplasmas beobachten kann.

Ich habe versucht, auf folgende Weise etwas zur Aufklarung der Verhaltnisse bei der Entstehung tier ColostrumkSrper bei- zutragen.

Ich habe Mamma yon lactierenden, nicht-colostrierenden Meer- schweinchen oder Mhusennoch lebenswarm ausgeschnitten und Teile davon ohne Zusatz zerzupft oder in grOsseren Stiicken in Kochsalz- 15sung oder in Milch derse]ben Species mit oder ohne Chloroform in den Brutschrank gebracht und dort verschieden l~nge Zeit bei KSrpertemperatur aufbewahrt, um zu sehen, ob nicht Veranderungen

l%er d. Formelemente des Colostrums, ihre Entstehung u. Bedeutang. 603

an dem Mammaepithel im Sinne einer steigenden ~hnlichkeit mit den ColostrumkSrpern eintreten wiirden. Die herausgenommenen Stilcke wurden in Zupfpri~paraten mit KochsalzlSsung oder Methylen- blaumischung~ wie oben geschildert, untersucht.

Zuerst wahlte ich eine Aufbewahrungszeit von mehreren Stunden. Das mikroskopische Bild einer entnommenen Probe zeigte die Proto- plasmaki)rper der Zellen zerfallen. Dagegen war das ganze Gesichts- feld mit kriimeligen Detritusmassen erffillt. Mitten in diesem Detritus schwammen Fettkrigelchen und daneben freie Kerne, denen mehr oder weniger Protoplasmareste anhafteten. Manche dieser Kerne hatten noch das Aussehen der Epithelkerne; meistens aber batten sie sich sehr verandert. Sie waren geschrumpft~ unreo~el- m~tssig gestaltet und ilberfarbten sich mit Kernfarbstoffen, ohne eine Structur erkennen zu lassen.

Wesentlich andere Resultate erhielt ich bei allmi~hlicher Ver- minderung der Aufbewahrungszeit auf eine Stunde his zu einer Viertelstunde, wenn nur gewisse Vorsichtsmaassregeln nicht ausser Acht gelassen waren. Dazu gehOrt: 1. der Zusatz yon etwas Wasser in das Aufbewahrungsgefass (natiirlich so, dass es nicht mit dem Gewebe in Beriihrung kommt); 2. Achtung, dass das Gewebe nirgends mit der Glaswand direct in Contact ist, sondern auf be- feuchteter Unterlage - -Fi l t r ierpapier oder Gaze -- ruht; 3. Ver- wendung yon aus der Mitte des Materials entnommenen und nicht wandst~indigen Stricken zur Untersuchung.

Das Bild war dann folgendes: Das Zellprotoplasma war nicht in Detritus umgewandelt. Die Zellen batten ihr Volumen um das Zwei- bis Dreifache vergr6ssert; der Fettgehalt war der Schatzung nach betri~chtlich vermehrt. Die Kerne zeigten nicht die oben ge- schilderte Degenerationsform. Manche waren unverandert. In der Regel abet zeigten sie genau dasselbe Aussehen, wie es die Kerne der ColostrumkSrper am hi~ufigsten haben: sie stellten etwas ge- schwellte~ grosse, yon regelmiissigen Conturen begrenzte, ovale Gebilde dar, deren KSrper sich gleichmi~ssig blassblau fi~rbte, und in welchen keine oder nut husserst schwache Reste yon Chromatin zu sehen waren. In tier Mitte oder mehr peripheriewiirts sassen ein his zwei dunkelblau gefiirbte Kernk0rperchen.

Die Ahnlichkeit tier Zellen eines solchen Zupfpraparates mit ColostrumkSrpern ist eine So grosse, dass ein Beschauer, welcher den Ursprting des Praparates nicht kennt, es nicht entschei4en

604 Rudolf Popper:

kOnnte, ob eine solche Zelle ein ColostrumkSrperchen aus aus- gedrticktem Mammasecret oder eine Zelle aus einem derart be- handelten Gewebestiickchen ist.

Einen so hohen Fettgehalt wie bei den maulbeerf6rmigen Colostrumk0rpern komite ich allerdings nicht beobachten, wohl well der Protoplasmak0rper tier Driisenzellen im Brutofen vorher schon zerfiillt.

Diese Bilder zeigen naturgemi~.ss eine grosse ~_hnlichkeit mit den Ver~mderungen, welche an anderen Organen in den Anfangsstadien der Autolyse besehrieben wurden. - - S i e g e r t (1. c. S. 114 ft.) schildert sie folgendermaassen: ,,Aseptisch entnommene und bei Brut- wi~rme gehaltene Organe zeigen makroskopische und mikroskopisehe Ver~tnderungen, welche manche J(bnlichkeit mit tier ,fettigen Degeneration' der Organe bieten. In zunehmendem Grade treten in den Zellen helle, transparente Flecken und Tropfen auf, welche sich mit Osmiumsi~ure schwarzen. Durch Zusammenfliessen einzelner, zuni~chst einer feinen Besti~ubung ahnlicher Pt~nktchen und durch Anwachsen derselben entstehen Tropfen, welche einzeln oder in grSsserer Zahl die Zellen ausffillen, deren Kern zugleieh sein Ver- halten gegen Kernfarben ver~indert ." Und an anderer Stelle schildert er, wie das Lebergewebe ,,eine Veranderung erfi~hrt, welche makroskopisch und mikroskopiseh der fettigen Degeneration vergleichbar ist und mikroskopisch schon nach wenigen Tagen bei Osmiumfarbung fast ganz aus den sich schwarzfarbenden Tropfen besteht, wie sic yon Morphologen immer wieder als Fett bezeichnet Werden".

Meine Versuche kSnnen wohl als Bestittigung der Vermutung gelten, dass Epithelzellen, wenn sic aus irgend einem Grunde yon tier Basalmembran losgel0st, in das Dri~senlumen kommen und dort jeder Verbindung mit der Blutcircu]ation beraubt, yon fetthaltigem Medium umgeben, bei KOrpertemperatur liegen bleiben, ahnliche Veranderungen eingehen, worauf sic dann die morphologischen Merk- male der ColostrumkSrper bieten miissen.

Die Untersuchung der verschiedenen Colostrumarten ihatte mir eine Gleichheit der Zusammensetzung oder, richtiger gesagt, ein gleich wechselvolles mikroskopisches Bild hei allen Colostrumarten gegeben. Nichtsdestoweniger w~re es voreilig, deshalb auch eine genetische v011ige Identitiit z. B. des Schwangerschaffscolostrums und des. Colostrums nach ausgesetzter Lactation anzunehmen.

I)ber d. Formelemente des Colostrums, ihre Entstehung u. Bedeutung. 605

Wenn auch die Colostrumk6rper in beiden Fi~llen aus Epithel- zellen hervorgehen, so miissen wir uns doch die Frage nach den U r s a c h e n d e r g a n z e n E r s c h e i n u n g ftir jede Colostrumart fi~r sich vorlegen: Aus welchem Grunde kommen die Epithelzellen in dem einen und in dem anderen Falle in das Lumen der Alveolen?

Ich gehe zuniichst an die Betrachtung des Colostrums nach aus- gesetzter Lactation, des ,,Endcolostrums", wie man es einfach nennen kiinnte.

Wenn ein S~ugetier tri~chtig wird, so vermehrt sich die Anzahl seiner Milchdrilsenacini und ihrer Epithelzellen ungemein stark. Wenn man das Tier einige Zeit nach Ablauf der Lactation unter- sucht, so ist die Zahl der Dri~senepithelzellen wieder stark vermindert. huf welche Weise verschwindet diese grosse Zahl yon Zellen? Nach hnalogie-aller bekannten derartigen Vorgiinge im tierischen Ki~rper doch wohl durch fettige Degeneration und nachherige Ausstossung oder Resorption; wie z. B. die Muskelzellen des sich involvierenden Uterus schon am ersten Tage nach der Geburt FetttrOpfchen in ihrem Inneren zeigen und nach ftinf Tagen sich nur mehr durch Aus- stossung des Fettes verkleinern. J(hulich sind kurze Zeit nach be- endigter Lactation die normaler Weise schon fetthaltigen oder in fettiger Degeneration befindlichen Zellen auch dem Secrete, das sich aus der Milchdri~se auspressen liisst, beigemengt, und als solche Epithelzellen kann man daher wohl die ColostrumkSrper ansprechen. Sowohl im Secrete wie auch in Schnittpriiparaten verschieder Stadien nach dem Absetzen bis zur vollzogenen Involution sind auch keine anderen Formelemente vorhanden, welche ftir die sich allmiihlich vermindernden Drilsenzellen angesprochen werden k0nnten oder yon irgend einem Forscher daftir ausgegeben worden sind.

Die Tatsache, class immer, wenn Secret gebildet, aber nicht ent- leert wird, der AblSsungsprocess rascher auftritt, als man es einfach auf Grund der Inactivitiit des Organs erwarten warde, spricht aller- dings dafiir, dass in dem stagnierenden Secret vielleicht wirklich ein schadigendes Agens far die Drtisenzellen zu suchen ist. Sicher aber ist die Stauung nicht die einzige Ursache der Entstehung der Colostrumkiirperchen. Denn auch anderweitige Schadigung der Drtisenzellen, ungentigende Erni~hrung, Krankheiten und mannigfache Ursachen, die eine Veriinderung tier Circulationsverhiiltnisse oder eine directe Schi~digung des Epithels bedingen kOnnen, filhren er- fahrungsgemi~ss gleichfalls zum Auftreten yon ColostrumkSrpern.

E. P f l f i g e r , Archly ffir Physiologic. Bd. 105. 41

606 Rudolf Popper:

Ich m6chte hier an die Versuche yon B asch (1. c.) erinnern, der bei Durchschneidung von verschiedenen zur Mamma ziehenden Nerven das Auftreten yon Colostrumk8rperchen in dem Secret der- Driise auf der Seite des Eingriffs constatieren konnte, wahrend die

Milch der anderen Brust zellfrei blieb. - - Andererseits ist die Tat- sache zu beachten, dass Colostrum, selbst unter ganz physiologischen Yerhaltnissen, auch zu Zeiten auftritt, wo yon Stauung keine Rede sein kann.

Derselbe Gedankengang ist mutatis mutandis auch far das Colo- strum der Scb wangerscha f t wohl heranzuziehen. Beim trachtigen S~ugetier ist, woven schon im Vorhergehenden die Rede war, lange Zeit vor der Geburt Colostrum vorhanden. In dieser Zeit stirbt eine Menge yon Epithe]zellen ab; ich meine das nicht in dem Sinne der ~tlteren Autoren, welche sich eine Entstebung des Mammasecretes

aberhaupt aus abgestossenen Zellen vorstellten. Es muss aber eine gewisse Anzahl yon Zellen fortw~hrend absterben, wie in jedem

Organe, wie etwa am Epithel der Epidermis. Das verbornte Epithel der Oberhaut schuppt sich ab. Das Epithel der Milchdrasenacini und -g~nge bleibt naturgem~iss im Lumen liegen, ist in einem

gewissen Stadium (nach dem Zelltode und vor der Resorption), wenn man die Mamma auspresst, in der Flassigkeit zu finden und muss dort zu finden sein. Auch bier sind keine anderen Elemente vor- handen, die ft~r die abgestorbenen Drt~senzellen gehalten werden kSnnten.

Es spricht noch mancherlei far diese Annahme: zunachst, dass ColostrumkSrperchen schon zu einer Zeit zu constatieren sind, da �9 con einer Stauung des Secretes noch keine Rede sein kann. Ferner, dass die Colostrumk~rper der Schwangerschaft von dem Momente an, wo alas Kind zu saugen beginnt, so rapide an Zahl abnehmen, class sie nach ein bis zwei Tagen fast vSllig aus dem Secrete ver- schwunden sind.

Ob aber die Zahl der Drtisenepithelien, welche eines sozusagen natarlichen Todes starben, wirklich gerade so gross ist, class sie allen Colostrumkfrpern, die sich aus der Dri]se tier Schwangeren eventuell ausdracken lassen, entspricht, das l~tsst sich schwer sch~ttzen. Und deshalb hat die Argumentation nicht die zwingende Beweis- kraft wie far das Endcolostrum. Es w~.re immerhin mSglich, dass beim Colostrum der Trachtigen noch andere Momente mitspielen.

Uber d. Formelemente des Colostrums, ihre Entstehung u. Bedeutung. 607

Ich mi)chte daran erinnern, dass es far den triichtigen Uterus z. B. .seit langer Zeit bekannt ist~ (lass seine Driisen an Zahl und Lange der einzelnen Gange bedeutend waehsen~ dass wahrend dieses Wachstums aber auch massenhaft Driisenepithel zu Grunde geht.

Ich halte es far mSglich, dass in tier zur Lactation sich vor- bereitenden, wuchernden Driise mit der Neubildung tier Drilsenzellen auch eine erhi)hte Abstossung yon Zellen einhergeht.

Far das Mammasecret der N e u g e b o r ene n hat die Theorie tier Entstehung der Colostrumk~rperchen aus Leukocyten vielleieht am wenigsten vermocht, die fr(ihere Lehre yon dem epithelialen Ur- sprung zu beseitigen. K611iker hatte (l. c.) die Ansicht vertreten, class die Entstehung der ,,Hexenmilch" tier l~eugeborenen mit tier Bildung der Drilsencanale zusammenh~ngt. L a n g e r und K 511iker batten bei ihren Untersucbungen constatiert, dass die Milchdrt~se embryonal als solide Wucherung der Oberhaut entsteht und durch Treiben solider Sprossen sicb bis zur Geburt vergrSssert, sowie dass die H0hlungen secundare Bildungen sind, die dadurch entstehen, dass die inneren Zellenlagen der soliden Gange und Knospen Fett in sich erzeugen und verschwinden. Da ein grosser Teil der G~nge ca. 7--9 Monate nach der Entstehung der Frucht noch solide ist, so wird zu jedem Zeitpunkt der Geburt einer lebensfiihigen Frucht sich derselbe Process abspielen. Die Tatsache, dass nicht am ersten Tage der Geburt das Secret auszudr~cken ist, sondern erst am 4.--5. Tage, erkl~rt C z e r n y so, dass die Ausfiihrungsgiinge der Dri~se mit Detritusmassen verhornter Epithelien verstopft sind, welchen Umstand ich aus eigenen Beobachtungen best~tigen kann. An der dem Ki)rper entnommenen Driise yon Leichen Neugeborener, die vor dem 3.--4. Lebenstage starben, lasst sich aber bereits ttexenmilch nachweisen.

Als eine weitere Best~tigung tier Entstehung der Colostrum- k5rperchen aus Epithelzellen muss man es wohl auffassen, wenn ' C z e r n y und an@re zur Zeit der Geburt und zur Zeit der Milch- ,dr~ilsenseeretion Neugeborener ein mehrschichtiges und zackig be- grenztes Epithel der Dr~senraume, sobald aber die Secretionszeit vor- abet ist, einschichtiges und geradlinig begrenztes Epithe| gefunden haben.

bJachdem "ich al]es, was fiir die Epithelnatnr der Colostrum- k0rperchen spricht, angeftlhrt habe, recapit~liere ich kurz~ was gege~ die Leukocytentheorie eingewendet werden muss:

41 *

(}08 Rudolf Popper:

1. Das morphologische Verhalten der Colostrumk6rperchen ia Bezug auf Protoplasma und Kern gegenilber den Leukoeyten.

2. Die Fettverteilung in den Leukocyten resp. in den Colo- strumk6rperehen, welche der Annahme C z e r n y ' s aber die emul- gierende Function der Leukocyten widerspricht.

Oft sieht lman grosse Colostrumk6rper, selbst Riesenzellen mit grossen Fetttropfen, und andererseits auch oft kleine, fettarme Leuko- cyten mit staubfSrmigem Fett.

3. Das Auftreten der Colostrumk6rperchen, auch ohne dass voa Stauung die Rede sein kann.

4. Das Auftreten der ColostrumkSrperehen durch die ganze Lactationszeit, wenn auch sp~rlich; bei manchen Tiereu ziemlich reichlich sehon vor dem Ende der Lactationszeit.

5. Die Tatsachen iiber die ami)boide Beweglichkeit, welche beweisen, dass diese Eigenschaft nicht far die weissen Blutk~rperchea specifisch ist.

6. Die Tatsache, dass gerade die grSsseren ColostrumkSrperchen, welche mit Fett vollgepfropft sind, keine amSboide Beweglichkeit zeigen, was gegen das angenommene Utilit~tsmoment der Fort- schaffung des Fettes durch die Leukoeyten spricht. M i c h a e ] i s wendet sehr richtig ein, dass es schon mechanisch unmSglich ist, dass die grossen ColostrumkSrperchen in die Lymphspalten zurilckwandern.

7. Subcutane Farbstoffsinjectionsversuche haben desha lb keine Beweiskraft far die Leukocytennatur der Colostrumk~rper, well die Farbstoffteilchen entgegen den fr~heren Angaben oft sogar fraher ia dem Secrete der Mamma zu finden sind als in den Zellen (Lour i@

Wenn also naeh meiner Meinung die Tatsaehen dahin deuten~ dass bei der Colostrumbildung ein Zugrundegehen tier Epithelzellea stattfindet, so kSnnte der Zweifel entstehen~ ob dem Producte eines so]chert u der Name eines ,,Secretes" noch gebahre, da ja eigentlich die. Drtisenzellen bei der Secretion nicht zu Grunde gehen sollten.

Ieh glaube, dass das Colostrum trotz tier geschilderteu Verh~lt- nisse Bin Secret der Mamma genannt werden kann. Ich mSchte da- bei nicht die Analogie mit den Talgdr%en heranziehen, denn bei tier Milchdrtise gehen ja zur Bildung des n o r m a l e n Secretes die Driisenzellen nicht zu Grunde; die Colostrumbildung, bei welehe~ �9

Uber d. Formelemente des Colostrums, ihre Entstehung u. t~edeutung. 609

die Zellen als Ganzes abgestossen werden, ist aber mit dem normalen

Secretionsvorgang weder im Ursprung noch im Erfolg identisch. Ich stiitze mich vielmehr auf folgende Griinde: 1. Der Wassergehalt des Colostrums ist hi~ufig ein so grosser,

dass man nicht annehmen kann, dass es ]ediglich aus dem Zerfall verfetteter Zellen hervorgegangen sei. Das ist z. B. hi~ufig im Se- crete der Graviden kurz vor der Niederkunft zu constatieren. Auch

bei Wi~chnerinnen, die nicht stillen, bei denen also das Schwanger, schaftscolostrum direct in das Endcolostrum iibergeht, ohne dass eine Lactationszeit dazwischen liegt, kommt meist ein Zeitraum yon ein bis zwei Tagen vor, in welchem das Colostrum fast so zellarm :ist wie Milch und dabei einen so reichlichen Wassergehalt hat, dass man unbedingt den Eindruck gewinnt, dass hier ein echtes Secret tier Dri~se vorliegt und nicht ausschliesslich ein fettiger Zelhtetritus.

2. Auch dann, wenn man durch Ausdrticken der Mamma einen fast nur aus Colostrumzellen bestehenden Tropfen entleert hat, ist, wie bereits erwahnt, hi~ufig unmittelbar vorher oder nachher ein Tropfen mit relativ viel Fliissigkeit und wenig Zellen aus derselben Driise zu erhalten.

Aus allen diesen Tatsachen glaube ich schliessen zu di~rfen, dass ill der Colostrumdrase in der Regel eine - - wenn auch rudimen- t a r e - echte Secretion stattfindet, welche die Fliissigkeit liefert, der die geformten, in Zerfall begriffenen Elemente, yon denen in der Abhandlung die Rede war, nut beigemengt sind.

Zum Schluss will ich kurz zusammenfassen, was ich aus dem Angefilhrten schliesse :

1. Colostrum ist das Secretionsproduct der Milchdriisen des

:Menschen und der Si~ugetiere beiderlei Geschlechtes und jeden Alters zu jenen Zeiten zu nennen, in welchen es Zellen nicht entziindlichen Ursprungs in grSsserer Zahl enthiilt.

Die verschiedenen A r t e n des Colostrums: das Secret der Gra- viden, der WSchnerinnen, das Endcolostrum (Colostrum nach be, endigter Lactation), das Secret der Neugeborenen, das Secret bei Frauen jahrelang nach der Geburt u. s. w., haben eine qualitativ gleichartige Zusammensetzung, wean auch in der Ursache der Ent- stehung Unterschiede besteheno

2. Die ColostrumkSrperchen sind Epithelzellen, welche, yon dem Epithel der Alveolen oder Gi~nge losgelSst, in das Lumen geraten,

610 Rudolf Popper:

WO sie wohl noch einige Zeit Lebenserscheinungen bieten k/~nnen, abet schliesslich der fettigen Degeneration anheimfallen.

Ich danke Herrn Hofrat Professor C h r o b a k dafilr, dass er mir erlaubt hat, an seiner Klinik die Untersuchungen, soweit sie das frische menschliche Secret betrafen, auszuffihren, und Herrn Hofrat Professor W e i c h s e 1 b a u m far die Erlaubnis zum Bezug yon Material aus dem pathologiseh-anatomischen Institute.

Ich filhle mich um so mehr gedri~ngt (trotzdem dies bislang bei den hrbeiten des Wiener physiologischen Instituts nicht Usus war), auch meinem verehrten Lehrer, Herrn Hofrat Professor E x n e r , zu danken, und zwar nicht nur far die Anregung zu dieser Arbeit~ sondern far das giltige Entgegenkommen und die F0rderung wissen- schaftlicher Bestrebungen dutch Rat und Hilfe, die er mir yon meiner Studentenzeit an durch viele Jahre hat zu Teil werden lassen, so dass ich mich freue, den oft nur zur Form gewordenen alten Brauch des Dankes an den Institutsvorstand am Schlusse der wissenschaftlichea Arbeit dazu benutzen zu k/)nnen, einem aufrichtig empfundenen Ge- fiihle Ausdruck zu geben.

Herrn Privatdocent Dr. K a r p l u s , dem Assistenten des physio- logischen Institutes, bin ich ffir das freundliche Interesse, das er dieser Arbeit stets entgegengebracht hat, zu herzlichem Dank ver- pflichtet.

iNach Schluss meiner Arbeit babe ich noch Kenntnis von zwei Abhandlungen fiber dasselbe Thema erhalten, welche ktirzlieh er-

schienen sind : I. B a b, ,,Die Colostrumbildung als physiologisches Analogon

zu den Entziindungsvorgiingen". Inauguraldissertation Berlin 1904

4. M/irz. Iqebst morphologischen Untersuchungen enthalt die Arbeit Bab ' s

-den Bericht i~ber Experimente, welche auf der Injection yon Milch in die Bauchhi)hle yon Meerschweinchen beruhen.

Durch die an einer selbstgewi~hlten Stelle des Kiirpers hervor- gerufene Milchresorption will er den Gedankengang C z e r n y ' s nachpriifen, dass es sich bei der Colostrumbildung um Resorption stagnierender Milch seitens phagocyti~rer Leukocyten handelt.

Das Resultat ist, dass die fetthaltigen Zellen, welche er nach seinen Versuchen im Inhalt der BauchhShle findet, morphologisch

0ber d. Formelemente des Colostrums, ihre,Entstehung u. Bedeutung. 611

mit den ColostrumkSrperchen identisch seien. Die Schliisse, die er daraus zieht, sind durch den Titel der Arbeit angedeutet.

Was das Sachliche betrifft, so habe ich dem, was ich i~ber meine entsprechenden Versuche gesagt habe, nichts hinzuzufiigen. Ich will nut bemerken, dass ich zur Zeit des Erscheinens der Arbeit B a b ' s den Gedanken bereits gefasst und ausgefiihrt hatte, die etwaige chemotaktische Wirkung stagnierender Milch auf gewisse Leukocyten- arten durch Einbringung yon Milch in die BauchhShle direct zu pri~fen. In einem der k. k. Akademie der Wissenschaften in Wien am 8. Januar t~bergebenen geschlossenen Schreiben, welches der Sitzung veto 14. Januar 1904 vorgelegt wurde, habe ich alle wesent- lichen Resultate meiner vorliegenden Arbeit in anniihernd gleicher -Form niedergelegt und unter den Versuchsmethoden die Vornahme yon ,,Chemotaxisversuchen mit stagnierender Milch an lebenden "Tieren" ausdriicklich angefiihrt.

II. H u g o R a u b i t s c h e k, ,,Uber die Brustdriisen menschlicher ~eugeborener". Zeitschrift ftir Heilkunde 1904 1. Heft, ausgegeben am 20. Januar 1904.

Der Autor untersucht Brustdrt~sen yon Fri~chten und Neu- geborenen im Alter yore achten Schwangerschafts- bis zum dritten Lebensmonat.

Aus seinen Befunden schliesst er auf ein Zugrundegehen yon Epithelzellen in der ersten Zeit nach der Geburt. Aus diesen Zellen .ginge die Hexenmilch hervor. Er setzt deshalb den Vorgang der Secretion der Talgdrtisen analog und f~hrt fort: ,,Auch die Secretion des Colostrum unmittelbar vor der eigentlichen Lactation. der WSchnerin muss in derselben Weise vor sich gehen, indem in diesem Falle die Driisenepithelien, die in der Zeit der Schwangerschaft functionsunfahig geworden sind, durch denselben Process abgestossen werden und die bekannte Colostrumsecretion der WOchnerin her- vorrufen."

Soweit sich diese Erkliirung mit dem ersten Teil dessert, was ieh ilber die Ursachen des Erscheinens yon Epithelzellen als ColostrumkSrperchen im Lumen der Mammaalveolen Schwangerer gesagt habe, deckt, ist diese meine Ansicht mit denselben Worten wie in der vorliegenden Arbeit in das erwi~hnte verschlossene Schreiben bereits aufgenommen.

612 Rudol f P o p p e r :

hlphabetisches Litteraturverzeichnis. (Diejenigen Arbeiten, welche ich nur in Referaten gelesen habe, sind mit * bezeicbnet.)

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�9 V i r c h o w , Cellularpathologie. 1858. - - (4. Aufl. S. 419.) ;*WiI1, Milchabsonderung. Ref. Schmidt, Jahrb. Bd. 68 S. 22. 1850.

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