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Arbeitsgemeinschaft Swissaid | Fastenopfer | Brot für alle | Helvetas | Caritas | Heks | www.alliancesud.ch Globalisierung und Nord / Süd-Politik NUMMER 55 | HERBST 2014 Wichtige Weichenstellungen Nimmt Uno-Konvention Firmen an die Leine ? TTIP und TTP – Revolu- tion des Welthandels ? SDG und Klima – entscheidende Monate

Wichtige Weichenstellungen - Alliance Sud |

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Arbeitsgemeinschaft Swissaid | Fastenopfer | Brot fĂĽr alle | Helvetas | Caritas | Heks | www.alliancesud.ch

Globalisierung und Nord / SĂĽd-Politik

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Wichtige WeichenstellungenNimmt Uno-Konvention Firmen an die Leine ?

TTIP und TTP – Revolu-tion des Welthandels ?

SDG und Klima – entscheidende Monate

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Kurz notiert

Pleitegeier über dem Kongo mh. Immer wieder kaufen ruchlose Investi-tionsfonds Schuldpapiere von Staaten auf, die kurz vor dem Bankrott stehen. Obwohl sie für diese Papiere Spottpreise bezahlen, verlangen sie später auf gerichtlichem Weg die volle Schuldenrückzahlung. Oft machen die sogenannten « Geierfonds » damit riesige Profite, treiben aber betroffene Staaten wie Argentinien direkt in eine neue Schulden-krise. Im Fall der Demokratischen Republik Kongo beschloss ein US-Gericht im Juli, das bitterarme Land müsse zwei besonders gie-rigen Hedgefonds rund 70 Mio. Dollar bezah-len. Die beiden Fonds hatten für die Schuldti-tel aus der Zeit der Mobutu-Diktatur gerade einmal 18 Mio. bezahlt.

Die gute Nachricht : Mitte September konnten die Entwicklungsländer in der Uno eine Resolution durchsetzen, die den Weg hin zu einem geregelten Insolvenzverfahren für Staaten öffnet. Einer der Zwecke des an-gestrebten Verfahrens wird sein, Geierfonds das Handwerk zu legen. Unternehmenssteuern ohne Transparenzmh. Mitte September präsentierte die OECD die ersten Zwischenergebnisse ihres BEPS-Projekts ( base erosion and profit shifting ) gegen die aggressiven Steuervermeidung-

spraktiken multinationaler Konzerne. Neu sollen multinationale Konzerne den Steu-erbehörden angeben, in welchen Ländern sie tätig sind, wie viel Umsatz und Gewinn sie pro Land machen und wie viel Steu-ern sie dort bezahlen. Diese Angaben sind eigentlich harmlos und enthalten auch keine Betriebsgeheimnisse. Sie sind aber ausgesprochen wichtig, um komplexe Kon-zernstrukturen zu durchschauen und mög-liche Steuervermeidungspraktiken wei-terverfolgen zu können. Trotzdem will die OECD nicht, dass die Angaben publik ge-macht werden. Die Öffentlichkeit soll also weiterhin im Dunkeln gelassen werden, ob Unternehmen in den Produktionsländern angemessene Steuern bezahlen oder nicht.

Abkommen über Umweltgüteria. Vierzehn WTO-Mitglieder, darunter die Schweiz, haben Anfang Juli Verhandlungen über ein Abkommen für Umweltgüter auf-genommen. Aus den Entwicklungsländern sind China und Costa Rica dabei. Ziel ist, die Zölle für 54 Produkte gegen null zu sen-ken. Das geht von Gasturbinen über Wind-räder bis zu Installationen für Kläranlagen. Der Handel mit diesen Gütern hat einen Umfang von 1000 Mrd. US-Dollar pro Jahr, 86 Prozent dieses Handels werden von den

Ländern am Verhandlungstisch bestritten. Absicht ist, bald auch Umwelt-Dienstleis-tungen und nicht tarifäre Handelshemm-nisse ins Verhandlungspaket aufzuneh-men und dann mit « genügend kritischer Masse » auf alle WTO-Mitglieder zuzugehen. Doch geht es wirklich um die Umwelt oder nicht primär um Marktanteile ? Soll durch die Hintertür ein sektorielles Thema in die WTO eingebracht werden, worüber die Ent-wicklungsländer nicht reden wollen, weil das Mitmachen freiwillig ist ? Und wie ver-halten sich die Umweltgüter zur Diskussion über geistiges Eigentum ? Affaire à suivre.

Versorgung auf dem Rücken der Armenme. Der Bundesrat hat Anfang September seine Botschaft zur Revision des Landesver-sorgungsgesetzes veröffentlicht. Er erinnert zwar an die Forderungen von Alliance Sud, geht aber nicht darauf ein : Die Organisati-on von Pflichtlagern für den Krisenfall sollte kohärent mit der Entwicklungspolitik sein. Stattdessen sollen Reserven beim Viehfutter, Nahrungsmitteln wie Zucker, Ölen und Fet-ten, Kaffee oder Reis weiterhin mit einer Im-portsteuer finanziert bleiben, zulasten der Konsumenten und der Entwicklungsländer, namentlich der Ärmsten. Der Ball liegt beim Parlament, diesen Kurs zu ändern.

Impressum

GLOBAL+erscheint viermal jährlich.

Herausgeberin :Alliance SudArbeitsgemeinschaft Swissaid | Fastenopfer | Brot fĂĽr alle | Helvetas | Caritas | HeksE-Mail : [email protected] : www.alliancesud.chSocial Media : facebook.com/alliancesud, twitter.com/AllianceSud

Redaktion :Daniel Hitzig ( dh ), Kathrin Spichiger ( ks ), tel. 031 390 93 34/30

Bildredaktion : Nicole AebyGrafik : Clerici Partner Design, ZürichDruck : s+z : gutzumdruck, BrigAuflage : 2400Einzelpreis : Fr. 7.50Jahresabo : Fr. 30.–Förderabo : mind. Fr. 50.–Inseratepreise/Beilagen : auf AnfrageBildnachweis Titelseite : In Kaolack ( Senegal ) organisiert die belgische NGO Forprofem Berufsbildungskurse u.a. für angehende Coiffeusen. © Dieter telemans/Panos.

Die nächste Ausgabe erscheint Anfang Dezember 2014.

PräsidiumHugo Fasel, Direktor Caritas Schweiz

GeschäftsstellePeter Niggli ( Geschäftsleiter )Kathrin Spichiger, Rosa Amelia FierroMonbijoustrasse 31, Postfach 6735, 3001 Berntel. 031 390 93 30Fax 031 390 93 31E-Mail : [email protected]

Entwicklungspolitik– Entwicklungszusammenarbeit:

Eva Schmassmann, tel. 031 390 93 40 [email protected]

– Finanz-undSteuerpolitik Mark Herkenrath, tel. 031 390 93 35 [email protected]

– Umwelt-undKlimapolitik JĂĽrg Staudenmann, tel. 031 390 93 32 [email protected]

– Handel Isolda Agazzi, tel. 021 612 00 97 [email protected]

– Konzerne Michel Egger, tel. 021 612 00 98 [email protected]– MedienundKommunikation Daniel Hitzig, tel. 031 390 93 34 [email protected]

InfoDoc BernJris Bertschi / Emanuela tognola / Emanuel Zeitertel. 031 390 93 [email protected]

Regionalstelle LausanneIsolda Agazzi / Michel Egger / tel. 021 612 00 95 / Fax 021 612 00 [email protected]

InfoDoc LausannePierre Flatt / Nicolas Bugnon / AmĂ©lie Vallotton Preisig tel. 021 612 00 86 [email protected]

Regionalstelle Lugano Lavinia Sommaruga / Mirka Caletti tel. 091 967 33 66 / Fax 091 966 02 [email protected]

Alliance Sud auf einen Blick

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Erziehung durch EntwicklungshilfeentzugSeit Parlament und Bundesrat die Erhöhung des Entwicklungsbudgets auf 0,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens beschlossen haben, häu-fen sich die Vorstösse, die Erhöhung wieder rückgängig zu machen. Direkt oder indirekt, indem Entwicklungshilfe an Bedingungen gebunden wird. Bislang hat das Parlament diese Vorstösse verworfen. Nun lancieren die Unterlegenen die « Entwicklungshilfe-Initiative », um ihre Begehren per Volksentscheid durchzusetzen.

Entwicklungshilfe soll den Initianten zufolge nur noch Ländern gewährt werden, die zwingendes Völkerrecht einhalten, religiöse und andere Minderheiten achten und bei der Rückübernahme von Asyl-suchenden kooperieren. Initiativkomitee-Präsident Sebastian Frehner ( Nationalrat SVP / BS ) sagt, der neue Verfassungsartikel habe eine «nach-haltigere Hilfe » zum Ziel. Die Drohung mit Hilfeentzug werde bei man-chen Regierungen ein Umdenken bewirken und entsprechende Verbes-serungen anstossen.

Gegen die Verknüpfung der Hilfe mit zwingenden Bedingungen an die Empfängerländer wurden bislang drei Argumente angeführt. Erstens verfügt der Kleinstaat Schweiz nicht über das geopolitische Gewicht, um anderen Staaten seinen Willen aufzuzwingen. Zweitens geht die Schweizer Hilfe nicht an die Regierungen, sondern an die benachteiligten Menschen. Drittens erhalten einige Staaten, die man zu Wohlverhalten zum Beispiel in Asylfragen zwingen will ( wie etwa Nigeria oder Eritrea ), gar keine Hilfe.

Die Schweiz ist vielfältig mit den Ländern verbunden, welche die Initianten nun mit Entwicklungshilfeentzug erziehen wollen. Diese an-deren Beziehungen kümmern sie aber wenig. Sie haben sich zum Beispiel nie dafür eingesetzt, Freihandelsverträge künftig nur noch mit Ländern abzuschliessen, welche die Menschenrechte achten – siehe China. Eben-so wenig setzten sich die Initianten bislang dafür ein, Waffen nur noch in Länder zu exportieren, welche die Religionsfreiheit respektieren und die Frauenrechte achten. Im Gegenteil : Hier votierten sie für die Auf-weichung der Waffenausfuhrverordnung, um die Golfstaaten inklusive Saudiarabien ungehindert bedienen zu können. Staaten also, welche Christen und Schiiten systematisch schikanieren und Frauen als Eigen-tum der Männer behandeln.

Es ist deshalb unglaubhaft, dass die Initianten die « Erziehung » von Diktatoren, Christenhassern und Frauenfeinden erreichen wollen, mit denen sie aussenwirtschaftlich problemlos verkehren. Das tatsächliche Motiv schien durch, als sie im Sommer sagten, ihre Initiative könnte, falls angenommen, gut und gerne zur Halbierung der Entwicklungshilfe führen. Ein Online-Kommentar zur Initiative in der « Basler Zeitung » ver-merkte lakonisch : « Bi de Riiche leert me spaare ... » und Geschäftliches von Menschenrechten zu trennen, liesse sich anfügen.

PS. In eigener Sache: Ja, ich werde pensioniert. Aber: Nicht jetzt. Ich bleibe bis und mit Juli des nächsten Jahres im Amt.

� Peter�Niggli,�Geschäftsleiter�Alliance�Sud

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Aus dem Inhalt

Unternehmenssteuerreform III 4 Der SĂĽden ist nicht auf dem Radar

Unternehmen und Menschenrechte 6 Vorstoss für internationale Lösung

Sustainable Development Goals 8 Der Rahmen fĂĽr eine bessere Welt

Ecopop-Volksinitiative 9 Falsche Lösungsansätze

Mega-Deals im Welthandel 10 Das Ende des Multilateralismus ?

Internationale Klimapolitik 12 Die Diskussion nimmt wieder Fahrt auf

Alliance Sud in Bern und Lausanne 14 Neue Räume für InfoDoc

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terne Schulden zu begleichen, Lizenzgebühren an ein hollän-disches Schwesterunternehmen zu bezahlen und in der Schweiz teure interne Dienstleistungen zu beziehen. In der Öffentlich-keit rechtfertigte sich der Konzern damit, er halte sich bei sei-nem tun strikt an die gesetzlichen Vorgaben.

Unmoralisch, aber legaltatsächlich sind die meisten Praktiken, mit denen Unternehmen ihre Gewinne in steuergünstige Länder wie die Schweiz ver-schieben, vollkommen legal. Es gilt lediglich das sogenannte Fremdvergleichsprinzip. Demzufolge müssen sich konzernin-terne transaktionen an den marktüblichen Preisen messen, die beim Handel mit unabhängigen Partnern fällig gewesen wären. Für die zuständigen Steuerbehörden ist es jedoch oft schwierig, die Einhaltung dieser Regel mit angemessenem Aufwand zu kontrollieren. Gerade in Entwicklungsländern fehlen den Be-hörden dazu oft die personellen Kapazitäten, manchmal auch die nötigen rechtlichen Grundlagen.

Hinzu kommt, dass es beim Fremdvergleichsprinzip be-trächtliche Spielräume gibt. Für Patente, Markenrechte und un-ternehmensinterne Kredite zum Beispiel existieren keine wirk-lich freien Märkte und deshalb auch keine einfachen Vergleichs-

Unternehmenssteuerreform�III�–�was�bringt�sie�dem�Süden�?

Beihilfe zur Steuervermeidung mit neuen Tricks

Wer beim Stichwort Welthandel vor allem an Exporte und Im-porte zwischen unabhängigen Firmen denkt, liegt zunehmend falsch. Nach OECD-Schätzungen findet heute mehr als die Hälf-te des internationalen Handels zwischen Unternehmen statt, die zum selben Konzern gehören.

Das schafft massive Herausforderungen bei der Unter-nehmensbesteuerung. Multinationale Konzerne können den konzerninternen Handel nämlich nutzen, um ihre welt-weiten Gewinne dort anfallen zu lassen, wo die geringsten Steuern erhoben werden. Die Einnahmen werden also nicht dort ausgewiesen, wo sie entstehen, sondern in Steueroasen verschoben. Die Konzerne selbst bezeichnen solche Gewinn-transfers schönfärberisch als Steueroptimierung. Nichtregie-rungsorganisationen sprechen lieber von aggressiver Steuer-vermeidung.

Wer trägt den Schaden ?Leidtragende dieser Praxis sind die Länder, in denen tatsächlich produziert wird : Sie stellen den Unternehmen Arbeitskräfte und die nötige Infrastruktur zur Verfügung, sie erlauben ihnen, Bodenschätze auszubeuten, gehen bei den Steuereinnahmen aber leer aus. Sie müssen die Finanzlücke schliessen, indem sie öffentliche Dienstleistungen abbauen oder Kleinunternehmen und Lohnangestellte stärker zur Kasse bitten.

Betroffen sind insbesondere auch die Entwicklungsländer. Der britische Brauereikonzern SAB Miller zum Beispiel machte in Ghana über Jahre hinweg Millionenumsätze, erwirtschafte-te aber offiziell kaum Gewinn und bezahlte nach Recherchen der Entwicklungsorganisation ActionAid deshalb auch so gut wie keine Unternehmenssteuern. Angeblich brauchte der Ge-schäftszweig in Ghana sämtliche Gewinne auf, um konzernin-

Mark Herkenrath Multinationale Grosskonzerne sollen Steuern zahlen –

und zwar dort, wo sie ihre Gewinne machen. Das tönt selbstver­

ständlich. Die Realität ist leider weit davon entfernt. Mit der

Unternehmenssteuerreform III will die Schweiz multinationalen

Firmen neue Möglichkeiten für die aggressive Steuervermeidung

bieten. Damit schadet sie auch den Entwicklungsländern.Foto : © Gaetan Bally / Keystone

Konzerninterne Lizenzzahlungen werden als Vehikel der aggressiven Steuervermeidung immer beliebter.

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möglichkeiten. Die Konzerne können hier also die Preise für den konzerninternen Handel mehr oder weniger beliebig festsetzen.

Das ist einer der Gründe, weshalb konzerninterne Lizenz-zahlungen als Vehikel der aggressiven Steuervermeidung im-mer beliebter werden. Es genügt, teure Patente und Marken-rechte in einem Land zu halten, das auf die entsprechenden Einnahmen kaum Steuern erhebt, und schon fallen in den ei-gentlichen Produktionsländern so gut wie keine steuerbaren Gewinne mehr an.

Die Rolle der SchweizDie Schweiz ist eine beliebte Zieldestination steuerlich moti-vierter Gewinntransfers. Grund dafür sind die Steuerprivilegien für sogenannte Statusgesellschaften ( vor allem Holdings, ge-mischte und Verwaltungsgesellschaften ). Sie bewirken eine Un-gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Gewin-nen, vergolden Firmen mit Schweizer Sitz das Auslandgeschäft und verschaffen dem Land einen unlauteren Wettbewerbsvor-teil in der internationalen Standortkonkurrenz. Gewinne aus dem Ausland bleiben oft weitgehend steuerfrei. Das ärgert die Herkunftsländer der Gewinne schon lange und ist zunehmend auch der OECD ein Dorn im Auge.

Damit soll nun aber bald Schluss sein. Der Bundesrat hat die Vernehmlassung zur sogenannten Unternehmenssteuerre-form III soeben lanciert. Um dem langjährigen Streit mit der EU ein Ende zu setzen, will der Bundesrat die bestehenden Steuer-privilegien für Statusgesellschaften endlich abschaffen. Gleich-zeitig will er aber vermeiden, dass die Schweiz im Wettbewerb der Steueroasen Marktanteile verliert. Neben anderen Mass-nahmen sieht die geplante Reform deshalb als Ersatz für die Sonderbesteuerung von Statusgesellschaften eine steuerliche

Erträge aus Patenten sollen günstig in Schweizer Lizenz­boxen besteuert wer­den. Doch wer be­ziffert den Wert einer Erfindung ? Unter­nehmen haben ein Interesse, dass der « Fremdvergleich » zugunsten ihrer Steuerrechnung ausfällt – dies oft zu Ungunsten der Entwicklungsländer.

Privilegierung von Lizenzeinnahmen ( sogenannte Lizenzboxen ) vor. Zudem sollen die Kantone dabei unterstĂĽtzt werden, ihre Unternehmenssteuern nochmals rigoros zu senken.

Entwicklungspolitischer UnfugDie Abschaffung der kantonalen Steuerprivilegien für Status-gesellschaften ist selbstverständlich sinnvoll. Die geplanten Er-satzmassnahmen ( Lizenzboxen und weitere Unternehmens-steuersenkungen ) sind aus entwicklungspolitischer Sicht hingegen äusserst bedenklich. Sie würden multinationalen Un-ternehmen weiterhin einen starken Anreiz geben, ihre Gewin-ne aus Entwicklungsländern über konzerninterne transaktio-nen in die Schweiz zu verfrachten und den betreffenden Ländern dringend benötigte Staatseinnahmen zu entziehen. Das stünde klar im Widerspruch zu den Zielen ( und Erfolgen ) der schweizerischen Entwicklungspolitik.

tatsache ist aber auch, dass im internationalen Steuerwett-bewerb mit harten Bandagen gekämpft wird. Lizenzboxen zum Beispiel existieren in verschiedenen europäischen Ländern schon. Ein Schweizer Verzicht auf solche Boxen würde den Ent-wicklungsländern also nur sehr bedingt nützen. Unterneh-mensgewinne aus ärmeren Ländern würden statt in die Schweiz einfach vermehrt in die Niederlande oder nach Grossbritannien fliessen.

Nur hat die Schweiz in der internationalen Standortkon-kurrenz mehr zu bieten als Steuerdumping. Statt den Steuer-wettbewerb zusätzlich anzuheizen, stünde es ihr deshalb gut an, sich aktiv gegen das Steuerdumping anderer Länder zur Wehr zu setzen und auf der internationalen Ebene für eine ge-rechtere Unternehmensbesteuerung zu kämpfen.

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Keine Woche vergeht ohne Nachrichten, dass Unternehmen Menschenrechte verletzen. Meistens gehen sie dabei straf - los aus, die Rechtsmittel sind beschränkt, das Engagement der Staaten schwach. Drei Jahre nach der Annahme der Uno- Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten sorgt deren schleppende Umsetzung weitherum für Frustration. Erst wenige Länder ( Grossbritannien, Niederlande, Dänemark, Italien, Spanien ) haben bis heute nationale Aktionspläne vorgestellt, die notabene von den NGOs wegen ihrer Zahn-losigkeit kritisiert wurden. Die Schweiz sollte ihren Aktionsplan noch dieses Jahr vorlegen.

Norden gegen SĂĽden Um dieser Situation etwas entgegenzusetzen, haben Ecuador und SĂĽdafrika im Juni im Uno-Menschenrechtsrat eine Reso-lution eingebracht. Sie glauben, dass nur eine bindende inter-nationale Konvention wirklich in der Lage ist, die Asymmetrie zwischen Staaten und global operierenden Firmen zu korrigie-ren ; damit Opfer besser geschĂĽtzt werden und gerechten Zugang zur Justiz erhalten.

Der Rat hat die Resolution mit 20 gegen 14 Stimmen ange-nommen, 13 Länder enthielten sich. Mit Ausnahme von Russ-land waren die Befürworter alles Schwellen- oder Entwick-

Internationales�Abkommen�über�transnationale�Unternehmen

Einen Grabenkrieg vermeidenMichel Egger In einer Resolution verlangt der Uno­Menschenrechtsrat die Schaffung

einer verbindlichen internationalen Konvention zur Einhaltung von Menschen ­

rechten durch multinationale Unternehmen. Jetzt gilt es zu vermeiden, dass diese

Initiative die nationale Umsetzung der Uno­Leitprinzipien zu Wirtschaft und

Menschenrechten behindert.

Nach zwanzig Jahren ist die Sammelklage gegen den US­Erd ölkonzern Texaco/Chevron noch nicht defi nitiv entschie­den. Die ecuadoria­nische Verurteilung zu 9,5 Mrd. Dollar Schaden­er satz wegen Umwelt­verschmutzung im Amazonas­Becken wird vor US­Gerichten als «illegitim» an gefochten. Bild: Unweit von Shushufindi, Provinz Sucumbios, Ecuador.

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lungsländer, darunter China, Indien und Indonesien. Unter-stützt wurden sie von mehr als 500 Organisationen der Zivilgesellschaft, darunter auch Alliance Sud. Geschlossen da-gegen stimmten die Industrieländer. Der Vorstoss komme zur Unzeit, er polarisiere die Debatte und drohe die Bemühungen um die Umsetzung der Leitprinzipien unnötigerweise zu schwä-chen, begründeten sie ihre Ablehnung.

Diese Position teilt auch die Schweiz, die zurzeit nicht Mit-glied des Uno-Menschenrechtsrates ist. Dies geht aus einer schriftlichen Antwort von Bundesrat Didier Burkhalter an die Schweizer Sektion von FIAN hervor. Sie folgt der Wirtschafts-lobby, die zwar jegliche Notwendigkeit einer nationalen Rege-lung zurückweist und eine internationale Lösung als prioritär bezeichnet – eine solche dann aber aus Prinzip gleich verwirft, wenn sich eine Gelegenheit dazu bietet.

Die in der Resolution vorgesehene zwischenstaatliche Arbeitsgruppe wird ihre Arbeit nächstes Jahr aufnehmen und soll Anfang 2016 einen ersten Bericht abliefern. Die EU und die USA haben bereits mitgeteilt, dass sie dabei nicht mitwir-ken werden.

Herausforderungen klärenNicht zuletzt aufgrund dieser Polarisierung verspricht der Pro-zess lang und schwierig zu werden. Und es gibt keine Garantie, dass das Resultat den hohen Erwartungen schliesslich gerecht wird. Die nichtstaatliche Internationale Juristenkommission ( ICJ ) findet jedoch, man dürfe sich von diesen Schwierigkeiten nicht abschrecken lassen. Allerdings müsse die Arbeitsgruppe entscheidende Punkte vorgängig klären, um zu vermeiden, dass das Projekt einer Konvention stecken bleibt : – Inhalt. Das sehr allgemein formulierte Mandat muss präzi-

siert werden. Für einige Fachleute wie John Ruggie, Verfas-ser der Uno-Leitprinzipien, ist der Fächer von Rechtsfeldern zu gross, um so in einen Vertrag gefasst zu werden, dass ihn Staaten auch effizient und einheitlich erfüllen können. Soll man alle Menschenrechte ansprechen oder sich auf die gröbsten Verletzungen konzen trieren ? Und wie soll die Einhaltung des Vertrags überprüft werden, welches wären die Klage- und Sanktionsmöglichkeiten ?

–Extraterritorialität. Eine unvermeidliche, aber äusserst kon-troverse Frage betrifft die Möglichkeit oder die Pflicht der Sitzstaaten von Unternehmen, einen extraterritorialen Schutz für jene anzubieten, die von tochterunternehmen im Ausland geschädigt wurden.

–Reichweite. Zahlreiche NGOs haben bemängelt, dass sich die Resolution nur auf transnationale Unternehmen, die Leit-prinzipien aber auf alle Unternehmen beziehen. Ein interna-tionales Abkommen, das Firmen vor Ort nicht einbeziehe, sei angesichts heutiger Wertschöpfungsketten wenig glaub-würdig und stichhaltig.

–Prozess.Wie auch das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte ( SKMR ) fürchten viele, dass der einver-nehmliche Multistakeholder-Ansatz der Uno-Leitprinzipien und ein zwischenstaatlicher Prozess zu einer Konvention sich gegenseitig im Weg stehen. Um der bereits angekün-digten Blockade zuvorzukommen, wäre es sinnvoll, beides

Uno und Unternehmen : 40 Jahre HĂĽst und Hott

me. Die Uno-Geschichte im Verhältnis zu trans - nationalen Unternehmen ist schon lang. 1974 schuf der Wirtschafts- und Sozialrat der Uno ( ECOSOC ) eine Kommission zu transnationalen Gesellschaften und ein entsprechendes Zentrum mit dem Mandat, einen Verhaltenskodex zu erarbeiten. Diese beiden Instanzen wurden in den 1990er-Jahren aber wieder aufgelöst, der Kodex schubladisiert und 2000 mit dem wenig stichhaltigen Global Compact « ersetzt ».

Einen neuen Anlauf, Unternehmen an gewisse Regeln zu binden, unternahm die UN-Unterkom-mission für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte in den 00er-Jahren. Ihr Projekt, Normen zu erarbeiten, blieb jedoch stecken. 2005 zog es die Menschenrechtskommission vor, jenen Prozess zu lancieren, der schliesslich in die Uno-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte mündete, die 2011 vom Uno- Menschenrechtsrat verabschiedet wurden.

Namentlich aufgrund des Drucks mächtiger Wirtschaftslobbys sind bis heute sämtliche Uno-Bemühungen gescheitert, transnationale Unternehmen zu regulieren. Ob der aktuelle Vorstoss von Ecuador und Südafrika dasselbe Schicksal erfährt ? Anders als gewisse Kreise behaupten, ist er mehr als eine Neuauflage des sen, was die Unterkommission einst vorschlug. Im September 2013 haben sich nicht weniger als 85 Staaten dafür ausgesprochen, dass der UN-Menschenrechtsrat einen Resolutions-entwurf ausarbeitet. Ein grosses Novum.

miteinander in Einklang zu bringen. Die Herausforderung bestĂĽnde darin, dass alle Interessierten ( also auch Unter-nehmen und NGOs ) bei der Erarbeitung der Konvention einbezogen werden.

Komplementäre VorstösseFür viele NGOs, darunter Alliance Sud, verlangt ein wirksamer Schutz gegen Menschenrechtsverletzungen sowohl freiwillige Initiativen wie rechtliche Bestimmungen – auf nationaler und auf internationaler Ebene. In diesem Sinne wären die Leitprin-zipien und ein internationales Vertragswerk komplementär.

Bis eine internationale Konvention verabschiedet ist, kön-nen bereits zahlreiche Dinge auf nationaler Ebene aufgegleist werden. Namentlich in Richtung eines Smart�mix zwischen freiwilligen Massnahmen und bindenden Regeln, wie ihn John Ruggie vorschlägt. Der Nationalrat kann im Winter einen ent-scheidenden ersten Schritt in diese Richtung machen, wenn er die Motion seiner aussenpolitischen Kommission berät. Diese verlangt, dass eine Sorgfaltsprüfungspflicht in Bezug auf Men-schenrechte und Umwelt ins Aktienrecht geschrieben wird.

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Agenda�Post-2015

Uno­Ziele für nachhaltige Entwicklung : Erstaunlich ehrgeizig, viel Kritik

Nina Schneider und Peter Niggli Im Juli 2014 veröffentlichte die Open Working Group, in der alle Uno­Mitglieder vertreten sind, ihren Entwurf der Ziele für nach ­ haltige Entwicklung ( SDGs ). Was vorliegt, ist ehrgeizig und kohärent und übertrifft die Erwartungen von Alliance Sud.

Die Uno-Mitglieder werden die Ziele, nach weiteren Verhand-lungen, im September 2015 verabschieden. Die SDGs lösen die Millenniumsentwicklungsziele ( MDGs ) ab, welche 2015 auslau-fen. Wie die MDGs haben die SDGs keinen Sanktionsmechanis-mus, mit dem sie durchgesetzt werden könnten. Aber wie die MDGs werden sie ein Uno-Verfahren etablieren, das die natio-nalen Anstrengungen öffentlich vergleicht und debattiert, die Länder einem Schönheitswettbewerb unterwirft und zu weiteren Anstrengungen aufruft.

Die SDGs decken die wichtigsten gesellschaftlichen Indi-katoren ab, welche die Uno im Hinblick auf die Rio+20-Konfe-renz 2012 definiert hat, nämlich Ernährung, Zugang zu Wasser, Gesundheit, Bildung, Energie, Arbeit, Einkommen, soziale Ge-rechtigkeit, Geschlechtergerechtigkeit, teilhabe sowie Wider-standsfähigkeit. Gleichzeitig decken sie neun ökologisch sen-sitive Bereiche ab, in denen die planetaren Grenzen schon überschritten sind oder überschritten zu werden drohen. Zu-dem postulieren vier SDGs entwicklungsökonomische Anfor-derungen an die transformation der Weltwirtschaft, um die so-zialen und ökologischen Zielsetzungen überhaupt zu erreichen.

Bei aller Anerkennung betrachten viele den Entwurf zwar als gute Ausgangsbasis, nicht aber als wünschbares Endprodukt der kommenden Verhandlungen. People’s�Goals, ein Netzwerk

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aus Basisbewegungen, Gewerkschaften und NGOs, hält die gu-ten Absichten der SDGs für unerreichbar, solange das gegen-wärtige Regulationsregime der Weltwirtschaft aufrechterhal-ten bliebe. Beyond�2015, ein Zusammenschluss von 1000 NGOs aus 130 Ländern, verlangt, die Kernprinzipien der Menschen-rechte und der Rio-Nachhaltigkeitsagenda in allen teilzielen zu verankern. Die Women’s�Major�Group kritisiert, das SDG zur Gleichstellung der Geschlechter würde durch den fehlenden Bezug zur Uno-Frauenrechtskonvention und zu den sexuellen und reproduktiven Rechten geschwächt. Die Streichung der spezifischen Rechte indigener Völker aus dem Zielrahmen be-mängelt Albert Deterville, der Uno-Beauftragte für Indigene Völker. Jens Martens vom Global� Policy� Forum hält SDG 17, welches die Anforderungen an die Umsetzung und speziell auch an die reichen Länder formuliert, für ungenügend und verlangt « messbare Ziele für die Reichen ». Derweil fragen sich viele VertreterInnen der am wenigsten entwickelten Länder ( LDC ), ob sie von den SDGs wirklich profitieren werden. Das�South�Centre, der Genfer think tank der Entwicklungsländer, befürchtet gar, die SDGs könnten zu neuen Konditionalitäten mutieren, die Entwicklungsländern für transferleistungen auf-erlegt würden.

Kurz, an Kontroversen fehlt es in den kommenden Verhand-lungen nicht. trotzdem : Falls das Paket 2015 ungefähr so verab-schiedet wird, wie es jetzt vorliegt, dürfte es zum weltinnenpo-litischen Referenzrahmen der internationalen Politik werden. Zivilgesellschaftliche und oppositionelle politische Kräfte in Nord und Süd werden die SDGs national und international nut-zen können, um von ihren Regierungen einzufordern, wozu sie 2015 ihr Einverständnis gegeben haben. Es hängt wesentlich von ihrem Einsatz ab, ob und wieweit die SDGs nationale und globale Politik prägen werden.

An der General­versammlung der Vereinten Nationen in New York werden im September 2015 die Nachhaltigen Entwicklungsziele ( Sustainable Development Goals ), quasi « die neue Verfassung der Weltinnenpolitik », verabschiedet.

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Unter dem titel « Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen » ist Ecopop bereits die neunte Volksinitiative, die sich gegen die Einwanderung richtet. Mit der Behauptung, es gehe um die Zukunft des Planeten und das Wohlergehen der Menschen in den Entwicklungsländern, wollen die Initianten das traditionelle Links-Rechts-Schema über den Haufen werfen. tatsächlich haben alle Parteien emp-fohlen, das Volksbegehren abzulehnen. Die jährliche Einwan-derung in die Schweiz soll auf 0,2 Prozent der Wohnbevölke-rung beschränkt werden, mindestens 10 Prozent der Gelder für Entwicklungszusammenarbeit sollen für freiwillige Familien-planung ausgegeben werden. Womit die natürlichen Grundla-gen unseres Landes nachhaltig geschützt würden, heisst es.

Alliance Sud teilt das Anliegen, die natürlichen Ressourcen zu schützen – bei uns und anderswo. Aber die hierfür vorge-schlagenen Mittel sind absurd. Zum Beweis : Das Schweizer Na-tionaleinkommen ( BNE ) ist 34-mal so hoch wie das der ärmsten Länder der Welt. Oder anders gesagt, die acht Millionen in der Schweiz lebenden Menschen verbrauchen so viel Ressourcen wie die 850 Millionen EinwohnerInnen der ärmsten Länder. « Für sich genommen ist das Bevölkerungswachstum keine Be-drohung für den Planeten. Die nackten Zahlen sind nicht das Problem. Der Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung liegt im Konsumverhalten und in verantwortungsvoller Produktions-weise », bestätigt Alanna Armitage, Direktorin des Uno-Bevöl-kerungsfonds ( UNFPA ) in Genf.

Dabei bestreitet niemand die Bedeutung der freiwilligen Familienplanung als Instrument im Kampf gegen die Armut. Aber diese muss eingebettet sein in die Emanzipation der Frau-en. « Die Frauen haben ein Recht auf sexuelle Gesundheit und Fortpflanzung. Sie müssen selbst entscheiden können, ob und wann sie Kinder haben möchten », so Alanna Armitage weiter, « die UNFPA arbeitet dafür mit Regierungen und der Zivilgesell-

schaft zusammen, um Ansätze zu entwickeln, die auf den Menschen-rechten basieren, die auf die kul-turellen Unterschiede eingehen und die namentlich auch den Ver-letzlichsten zugutekommen. » Die Verteilung von Verhütungsmitteln reicht also nicht, um hohe Gebur-tenraten zu reduzieren. Es braucht ganzheitliche Programme, die auch Erziehung, Berufsausbildung und den Zugang zum Arbeitsmarkt ein-schliessen. Ein gutes Beispiel dafür kommt aus Indien : Im Bundesstaat

. . . mehr zum Thema.

Alliance Sud InfoDoc hat im E-Dossier « Weltbe-völkerung 20 Jahre nach der Kairo-Konferenz » die unterschiedlichen Perspektiven der interna-tionalen bevölkerungspolitischen Debatte zusammengetragen und spiegelt die Kontroverse um die Ecopop-Initiative. http://bit.ly/1m4QCmy

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Volksabstimmung�vom�30.�November�2014

Ecopop : Echte Probleme und falsche LösungenIsolda Agazzi Wieder eine Initiative, die weit über ihr Ziel hinausschiesst. Denn wer die Umwelt wirklich schützen will, soll weniger verbrauchen. Und nicht die Menschen in Entwicklungsländern anhalten, weniger Kinder zu haben.

tamil Nadu wurden in Schulen Gratis-Mittagessen angeboten. Das half, dass Mädchen länger zur Schule gingen, später heira-teten und ihr erstes Kind später bekamen. Die Geburtenrate in tamil Nadu liegt heute mit 1,7 Kindern pro Frau nur unwesent-lich höher als in der Schweiz. Im Bundesstaat Haryana dagegen, wo das Patriarchat viel stärker verwurzelt ist, liegt diese Zahl immer noch bei 2,3. Der Druck, viele Kinder zu haben, bleibt dort hoch, trotz des Zugangs zu Verhütungsmitteln.

Ausser Acht lassen die Ecopop-Initianten, dass « eine Bevöl-kerung wachsen kann, selbst wenn die Geburtenrate rückläufig ist – sei es, weil mehr Menschen im zeugungs- beziehungswei-se gebärfähigen Alter sind oder weil die Lebenserwartung zu-nimmt », ergänzt Alanna Armitage. Die Wachstumsrate der Weltbevölkerung ist bereits heute rückläufig. Pessimisten ge-hen davon aus, dass diese absolut noch bis 2100 zunimmt. Ebenso plausible Argumente sehen die Wende bereits um 2050. Kurz : In beiden Szenarien wird die Weltbevölkerung wieder ab-nehmen, die Ecopop-Initiative will offene türen einrennen.

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Der Einsatz von Verhütungsmitteln ist nur ein Mittel im Kampf gegen unerwünschte Schwangerschaften. Im Bild : Volontärinnen einer Tür­zu­Tür­Kampagne im Johannesburger Vorort Jeppestown, Südafrika, demonstrieren den fachgerechten Gebrauch eines Femidoms ( « Frauenkondom » ).

Alanna Armitage, Direktorin des Genfer Büros des Welt­bevölkerungsfonds der Uno ( UNFPA, United Nations Population Fund )

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TPP,�TTIP,�TISA�–�neue�Weltordnung�durch�die�Hintertür

Die neuen Player in Schach halten

Die erste Front haben die USA 2010 eröffnet. Sie hatten genug vom Widerstand der Entwicklungsländer – darunter nament-lich der rasante « Aufholer » China – gegen weitere Liberalisie-rungsschritte im Rahmen der Welthandelsorganisation ( WtO ) und lancierten die transpazifische Partnerschaft, bekannt unter der englischen Abkürzung tPP. Bis heute beteiligen sich zwölf Staaten aus dem asiatisch-pazifischen Raum an den Verhand-lungen für ein umfassendes Regional-Abkommen in den Berei-chen Handel und Investitionen.1 Auch wenn die Verhandlungs-texte geheim sind, so ist doch bekannt, dass die tPP in allen Bereichen weiter gehen wird als die WtO. Namentlich sollen die Zölle auf Industrieprodukte auf null zurückgefahren werden, die Dienstleistungen ( vor allem auch jene im Finanzbereich ) – ausser sie werden durch eine explizite « Negativliste » davon ausgenommen – und die Investitionen liberalisiert werden. In-vestitionen sollen durch den kontroversen Mechanismus von Schlichtungsstellen geschützt werden. Dieser erlaubt es nur dem Investor, zu klagen, dem Staat, in dem investiert wird, je-doch nicht. teil der Verhandlungen ist auch eine Stärkung des Patentschutzes, was den Zugang zu Generika und Saatgut er-schweren würde. Im Visier der tPP sind auch jene Märkte und Dienstleistungen, die von staatlichen Unternehmen kontrolliert werden. Erstaunlicherweise enthält das Abkommen kein eige-nes Kapitel über die Landwirtschaft, umso schwieriger ist es für BeobachterInnen zu beurteilen, welche Auswirkungen tPP im hochsensiblen Bereich der Ernährungssicherheit haben wird.

TTIP : Die USA und die EU gehen zum Angriff über2013 haben die Vereinigten Staaten zusammen mit der Europä-ischen Union – ihr Handel macht rund die Hälfte des Welthan-dels aus – eine zweite atlantische Front gegen die WtO eröff-net : Die Verhandlungen über die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, ihrerseits besser bekannt unter dem englischen Kürzel ttIP. Weil die Zolltarife zwischen den USA und der EU bereits sehr tief sind, liegt der Fokus auf der Verein-heitlichung von unterschiedlichen Regulierungen. Europäische NGOs sprechen sich vehement gegen die ttIP aus, denn sie be-fürchten einen Angriff auf Sozial- und Umweltstandards, auf den Konsumentenschutz, die in der EU alle deutlich griffiger ausgestaltet sind als in den USA. Genmanipulierte Früchte und

Isolda Agazzi Die Industrieländer zeigen dem Multilateralismus der WTO zunehmend

die kalte Schulter. An seine Stelle treten regionale und thematische Mega­Abkommen

zu Handel, Investitionsschutz und Dienstleistungen. Zum Leidwesen und zulasten

der aufstrebenden und der ärmsten Entwicklungsländer.

Gemüse, chloriertes Geflügel, Hormon-Rindfleisch, ein Abbau von Arbeitsrechten auf den Stand der USA, die nur gerade zwei der acht Grundnormen der internationalen Arbeitsorganisati-on ( ILO ) ratifiziert haben – aus diesem Stoff sind die begründe-ten Befürchtungen auf der europäischen Seite des Atlantiks. Ebenfalls dazu gehört die Art und Weise, mit welchen umwelt-schädlichen Methoden ( « Fracking » ) die USA an ihre Schiefer-gas-Vorräte gelangen. Der umstrittenste teil des Abkommens betrifft jedoch den Schutz von Investitionen : Wie beim tPP zie-len die Vereinigten Staaten darauf ab, Investitionsstreitigkeiten

von wenig transparenten Schlichtungsstellen klären zu lassen. Aufgrund des Widerstands der Zivilgesellschaft und einzelner Staaten hat die EU eine Online-Konsultation initiiert und die Verhandlungen an diesem Kapitel solange ausgesetzt, bis die 100 000 eingetroffenen Stellungnahmen ausgewertet sind. An-geführt werden die Kritiker von Deutschland, das sich wegen des Atomausstiegs einer 3,7-Milliarden-Euro-Klage des schwe-dischen Energie-Multis Vattenfall gegenüber sieht. Aus formal-juristischen Gründen abgelehnt hat die EU-Kommission hinge-gen den Vorstoss des « Aktionsbündnisses Stop ttIP », den Vertrag mit Hilfe einer Europäischen Bürgerinitiative ( EBI ) zur Diskussion zu stellen.

TISA : Dienstleistungen deregulierenNeben diesen regionalen Mega-Abkommen wird auch an plu-rilateralen thematischen Abkommen gearbeitet, die Federfüh-rung dafür liegt meist bei den Industrieländern. 2012 haben rund fünfzig Staaten, darunter die USA, die EU, die Schweiz und einige mit den Vereinigten Staaten befreundete Entwicklungs-länder, die Verhandlungen für ein umfassendes Dienstleis-

NGOs befĂĽrchten einen Angriff auf Umwelt- und Sozialstandards und den Konsumentenschutz, die in der EU griffiger sind als in den USA.

GLOBAL+ HERBSt 2014 11

TPP,�TTIP,�TISA�–�neue�Weltordnung�durch�die�Hintertür

Die neuen Player in Schach halten

tungsabkommen ( tISA – trade In Services Agreement ) auf-genommen ( siehe GLOBAL+ Nr. 54 ). tISA könnte ganze Wirt- schaftszweige deregulieren und für die Privatisierung öffnen : den Service public, die Finanzdienstleistungen, Staats- und staatsnahe Unternehmen, die Vergabe öffentlicher Aufträge. Für die NGOs und die Gewerkschaften geht es auch in diesem Fall darum, bestehende Sozial- und Umweltstandards zu ver-teidigen, den Schutz von ArbeitnehmerInnen, KonsumentInnen und der Privatsphäre zu schützen.

Was haben all diese Abkommen gemeinsam ? Sie zielen auf eine möglichst weitgehende Privatisierung, Deregulierung und Liberalisierung der Weltwirtschaft. Ihr Ziel ist es, neue Stan-dards festzulegen, die auf alle Länder angewendet werden ; und zwar auch auf jene, die nicht an den Verhandlungen beteiligt sind oder die einem Abkommen erst später beitreten.

Diese Mega-Abkommen stellen einen kaum verhüllten An-griff auf China, Indien und Südafrika dar, die sich im Rahmen der WtO gegen die Liberalisierung des Handels mit Industrie-gütern, der Dienstleistungen, der Vergabe staatlicher Aufträge und der Investitionen wehren und sich hartnäckig für gerech-tere globale Regeln in der Landwirtschaft einsetzen. Kurz : Die Handelsströme sollen in eine neue Richtung gelenkt werden, zum Nachteil der aufstrebenden Länder des Südens. Darunter leiden werden nicht nur Länder, die sowohl mit den USA als auch mit der EU Handelsabkommen kennen. Die textilindustrie von Mexiko zum Beispiel, das durch Freihandelsabkommen mit beiden Blöcken verbunden ist, könnte zwischen den euro-päischen und der US-Industrie aufgerieben werden, wenn die

ttIP verabschiedet wird. Ein anderes Beispiel : Heute importiert die EU Zitronen vor allem aus Südafrika, Ägypten und Marokko. Mit der ttIP würden die USA auch verstärkt Zitrusfrüchte in die EU exportieren. Und auch die ärmsten Länder riskieren, Leid-tragende zu sein : Gemäss einer unlängst publizierten Studie würden die Exporte der am wenigsten entwickelten Länder in die EU zu einem Rückgang der Nationaleinkommen ( BIP ) von drei Prozent führen.2

Nicht von ungefähr nehmen die grossen Schwellenländer an diesen Verhandlungen nicht teil – zumindest vorläufig. Sollte bei tISA ein Durchbruch gelingen, dürfte das Interesse der Industrieländer an der Doha-Runde der WtO endgültig erlöschen. Und die Schwellen- und Entwicklungsländer wären ihres wichtigsten Hebels beraubt, um im Agrarbereich für sie bessere Bedingungen auszuhandeln.

Die Schweiz ist bei den tISA-Verhandlungen dabei, den at-lantischen Mega-Deal verfolgt sie mit grossem Interesse, denn er könnte auch auf die Schweiz Auswirkungen haben. Alliance Sud setzt sich dafür ein, dass sich die Schweiz von tISA zurück-zieht. Zu gross sind die Risiken für ihren eigenständigen Service public, zu wichtig ist, dass Staaten nach eigenem Gutdünken regulieren können. Und nicht zuletzt sollte sich die Schweiz entschieden gegen den Schlag gegen eine gerechte, multilate-rale Handelsordnung stellen.

� 1� Australien,�Brunei,�Chile,�Japan,�Kanada,�Malaysia,�Mexiko,�Neuseeland,�Peru,�Singapur,�Vereinigte�Staaten,�Vietnam

ďż˝ 2ďż˝ http://bit.ly/1eouxwr

Das Volk soll nicht angehört werden. Die EU­Kommission will keine Europäische Bürgerinitiative ( EBI ) gegen das Transatlantische Freihandelsabkommen zulassen. Fast 250 Organisationen wollen trotzdem Unterschriften gegen die TTIP sammeln.

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12 GLOBAL+ HERBSt 2014

Entscheidende�Monate�für�das�globale�Klima

Auf nach Paris !JĂĽrg Staudenmann Ende 2015 soll in Paris ein neuer Klimavertrag unterzeichnet werden,

der das Kyoto­Protokoll ablösen und ab 2020 alle Nationen verbindlich in ein

wirksames internationales Klimaschutz­Regime einbinden soll. Wie realistisch

ist dies? Und wie steht die Schweiz dazu ?

Mehrmals schon bekräftigten die Regierungen, alles zu unter-nehmen, damit die Klimaerwärmung nicht über 2 Grad Celsius ansteigt. Dazu müssten die globalen Emissionen von treib-hausgasen allerdings auf 50 Prozent des Standes von 1990 und bis 2050 auf null gesenkt werden. Nach dem gescheiterten Kli-magipfel in Kopenhagen 2009 lag die Klimapolitik jahrelang praktisch im Koma. Nun herrscht Aufbruchstimmung, bis zur Klimakonferenz in Paris vom nächsten Jahr doch noch einen Vertrag zustande zu bringen. Neu sollen sich alle 196 Staaten verpflichten, ihren anteilmässigen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels und seiner Folgen zu leisten.

Das Prinzip « Klimagerechtigkeit » spielt eine entschei-dende Rolle, ob es tatsächlich zu einem Durchbruch kommt. Getreu dem Verursacherprinzip der Klimakonvention müssen die Staaten « gemeinsame, aber unterschiedliche » Beiträge zur Eindämmung der Klimakrise treffen. Staaten, die bisher am meisten Emissionen verursacht haben, sollen stärker in die Pflicht genommen werden und auch zur Finanzierung von Anpassungs- und Reduktionsmassnahmen in Entwicklungs-ländern beitragen.

Die Entwicklungs- und Schwellenländer pochen dabei auch auf ihr Recht, im Zuge der « nachholenden Entwicklung » bis

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2050 ihren gerechten Anteil an den durchschnittlich noch ver-kraftbaren Emissionen von 2,1 tonnen pro Kopf und Jahr zuge-standen zu bekommen. Rechnet man dies auf die nötige Reduk-tion in Industriestaaten um, so müssten dort über 80 Prozent gegenüber 1990 eingespart werden.

Zum Auftakt lud Ban-Ki Moon alle Staats- und Regierungs-chefs am 23. September nach New York ein, um sie frühzeitig auf einen gemeinsamen visionären Pfad einzuschwören. Zeit-gleich mit dem grössten Klimagipfel seit 2009 gingen allein in New York weit über 300 000 Menschen auf die Strasse. Laut Bill McKibben von 350.org, um « Einbrecher-Alarm » zu schlagen, weil « wir mit dem Diebstahl an der Welt und an den zukünf-tigen Generationen nicht einverstanden sind ! »

Was die Zivilgesellschaft fordert ... Auch unter NGOs ist zurückhaltende Zuversicht zu spüren. Da-mit in Paris ein neues Klimaabkommen mit griffigen und um-setzbaren Massnahmen zustande kommt, verlangen sie ein so-lides rechtliches Abkommen mit klaren, verbindlichen Regeln und der Zusage zu ambitionierten taten schon vor 2020. Das bedingt, Klimagerechtigkeit als zentrales Element anzuerken-nen sowie ausreichende Zusagen von öffentlichen Geldern für

Auf Sagar Island im Gangesdelta im in­

dischen Bundesstaat Westbengalen hat der

ansteigende Meeres­spiegel einen Deich zerstört. Die Kosten

für den erforderlichen Küstenschutz sind nur eine der Herausforde­

rungen an eine ge­rechte internationale

Klimapolitik.

GLOBAL+ HERBSt 2014 13

Anpassungsmassnahmen und den Übergang zu einer Low-Car-bon-Ökonomie. Ausserdem muss Komplementarität mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung ( SDGs ) bestehen.1

So auch in der Schweiz: Am 23. September hat Alliance Sud zusammen mit rund 60 Mitgliedern der Klima-Allianz die « St. Doris-Petition » lanciert, die diesem Heft beiliegt. Sie fordert den Bundesrat auf, sich doppelt einzusetzen: In der Schweiz für einen wirksamen und gerechten Klimaschutz, was die konse-quente Umstellung der inländischen Energieversorgung auf er-neuerbare Quellen verlangt. Und im internationalen Kontext, indem sie ihren gerechten Anteil an den 100 Mrd. Dollar pro Jahr aufbringt, den die Industriestaaten den Entwicklungslän-dern ab 2020 zugesagt haben, um diese in ihren Emissionsre-duktions- und Anpassungsmassnahmen zu unterstützen. Ohne ausreichende Finanzzusagen wird es 2015 kein Klimaabkommen geben.2

... und was die Schweiz tut Noch wird verwaltungsintern verhandelt, welches Mandat man der Delegation nach Paris mitgeben wird. Am Klimagipfel in New York hielt Bundesrätin Leuthard vorderhand an einer mi-nimalen Verringerung der inländischen Emissionen um 20 Pro-zent bis 2020 fest. Man wartet ab, was die EU macht. Diese er-wägt allerdings bereits eine durchschnittliche Zielvorgabe von mindestens 30 Prozent bis 2020. Um dies zu erreichen, müssen Mitgliedstaaten mit vergleichbarer Wirtschaftsleistung wie die Schweiz ( Deutschland, Dänemark, Schweden, England ) ihre Emissionen bis 2020 um 40 Prozent und bis 2050 zu 100 Pro-zent reduzieren. Daran muss sich die Schweiz orientieren – und nicht am Kohleland Polen !

An der Klimakonferenz in Lima diesen Dezember wird die Form des angepeilten neuen Klimaabkommens diskutiert, welches dahin im Dezember 2015 in Paris unterzeichnet werden soll. Die Schweiz sollte ihr Angebot bis dahin anpassen: von einem bisher zurückhaltenden zu einem gerechten und visio-nären, das ihrer wirtschaftlichen, technologischen und finanzi-ellen Kompetenz entspricht. Nur so dürfte sie sich dann tatsäch-lich auch rühmen – mit den Worten von Bundesrätin Leuthard in New York –, zu den « Architekten für [die] Bewältigung » des globalen Klimawandels zu zählen.3

� 1� Green�Alliance�2014�:�Paris�2015�–�Getting�a�global�agreement�on�climate�change.�http://bit.ly/1qcnVeS

� 2� Alliance�Sud�hat�dazu�Anfang�September�2014�ein�Positionspapier� �veröffentlicht:�«�Angemessene�Klimafinanzierung�statt�kreative� �Buchführung�:�Grundbaustein�eines�neuen�internationalen�Klima-vertrags�2015�».�http://bit.ly/1ws60k3

� 3� Vgl.�die�Rede�von�Bundesrätin�Leuthard�am�23.�September�anlässlich� �des�Uno-Klimagipfels�in�New�York.�http://bit.ly/1r8YWd1

Die Schweiz muss sich an EU- Mit gliedstaaten mit vergleichbarer Wirtschaftsleistung orientieren – und nicht am Kohleland Polen !

Willkommen Eva und JĂĽrg !Kathrin Spichiger Diesen Herbst konnte das entwicklungs politische Team von Alliance Sud zwei neue MitarbeiterInnen begrĂĽssen.

EvaSchmassmann hat am 1. September von Nina Schnei-der das Dossier Politik�der�Entwicklungszusammenarbeit übernommen. Bereits während ihres Studiums der in-ternationalen Beziehungen in Genf und Berlin speziali-sierte sich Eva auf den Gebieten Menschenrechte und Handel. Während dieser Zeit engagierte sie sich bei der Gesellschaft für bedrohte Völker, wo sie später haupt-beruflich Kampagnen im Bereich Rohstoffabbau und dessen Auswirkungen auf indigene Völker leitete und Repräsentationsaufgaben auf internationaler Ebene übernahm. Zuvor war Eva zwei Jahre für die Swiss Aca-demy for Development ( SAD ) und drei Jahre beim Insti-tut für Föderalis mus der Universität Fribourg tätig. Vor ihrem Stellenantritt bei Alliance Sud koordinierte Eva die China-Plattform, einen entwicklungspolitischen Zusammenschluss von NGOs, welcher sich für die Stär-kung von menschen- und arbeitsrechtlichen Standards im bilateralen Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China einsetzte.

JürgStaudenmann ist der Nachfolger von Nicole Werner im Dossier Klima-�und�Umweltpolitik. Nach 13 Jahren Auslandtätigkeit im multilateralen Umfeld kehrte Jürg diesen Sommer mit seiner Familie in die Schweiz zurück. Sein vielseitiger beruflicher Werdegang begann nach dem Stu dium zum Umweltingenieur an der EtH Zürich. Als Forschungsassistent und später Leiter eines inter-disziplinären teams an der Zürcher Hochschule für An-gewandte Wissenschaften ( ZHAW ) lagen seine Kernge-biete im Umwelt- und Abwassermanagement. Nach sieben Jahren Forschungs tätigkeit und dem Nachdip-lomstudium für Entwicklungszusammenarbeit ( NADEL ) zog es Jürg ins Feld ; er verpflichtete sich beim Uno-Ent-wicklungsprogramm ( UNDP ). Zunächst war er Junior Professional Officer ( JPO ) im Umweltprogramm in Pa-lästina und danach zwei Jahre Evaluationsspe zialist am Hauptsitz in New York. Es folgten sechs Jahre als Was-serbewirtschaftungsexperte in Bratislava und weitere vier Jahre in Belgrad, wo Jürg in der Funktion des UNDP Deputy Resident Representative unter anderem den Politikdialog mit der Regierung führte.

Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit !

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EvaSchmassmann JĂĽrgStaudenmann

14 GLOBAL+ HERBSt 2014

Karussell

—  Neu in der Katastrophenhilfe von Cari-tas arbeiten Gabriele Herrmann ( Chefin Pa-kistan ) und Cédric Perreman ( Philippinen ). Barbara Dietrich,  Programmverantwort-liche Asien/Europa und die Kolumbien-De-legierte Inger Johannsen sind ausgetreten.—  Neu am Empfang von Fastenopfer ar-beitet  Brigitte Galea,  von  COTMEC  kommt Hélène Bourban, die  in Lausanne als Fach-verantwortliche  Bildung  und  Jugendarbeit tätig ist. —  Walter Leissing, seit 1980 bei Helvetas, Teamleiter  interne  Dienste,  und  Thomas Stadtmüller, Berater  im  Umwelt-  und  Kli-mateam,  werden  pensioniert.  Neu  an  Bord ist die Bildungsexpertin Katharina Walker, sie kommt von der Indo-German Chamber of Commerce.—  Bei  Terre  des  Hommes  Schweiz  wird das  institutionelle  Fundraising  neu  von Sarah Kreis  betreut,  sie  ersetzt  Elke Fass-bender, die zu Brot für alle gewechselt hat. In  der  Administration  ist  Michelle Huber durch Nurcan Sarica ersetzt worden. —  Neu  bei  Solidar  Suisse  als  Programm-verantwortlicher  für  Pakistan  und  Sri  Lan-ka ist Helmut Rählmann, der zuvor für das Norwegische Rote Kreuz in Jemen war. Von 

Kampaweb  kommt  Fabienne Widmer,  die sich um Online-Kampagnen kümmert. —  Die Administration der Erklärung von Bern wird mit Simon Tondeur verstärkt, er kommt von Greenpeace Schweiz.—  Der  neue  Chef  des  Deza-Globalpro-gramms  Wasser  heisst  Johann Gély,  bis-her  ebenda  Programmbeauftragter,  er  löst François Münger  ab,  der  in  Pension  geht. Valérie Engamare  koordiniert  neu  bei  der Sektion  Analyse  und  Politik  die  Arbeit  an der  EZA-Botschaft  2017–2020  des  Bundes. Vom NADEL in Zürich stösst als Programm-beauftragter  Reinhard Pfeiffer  zur  Sekti-on  Qualitätssicherung.  Neuer  Koordinator im  Kobü  Ouagadougou  wird  Jean-Bernard Dubois,  bisher  Chef  des  Globalprogramms Klimawandel.  Er  löst  Nicolas Randin  ab, der  in  die  Schweizer  Uno-Mission  in  New York wechselt. In der integrierten Botschaft in Port-au-Prince übernimmt Dorothée Löt-scher  als  Programmbeauftragte  von  Hans Peter Reiser, der in Pension geht. Von der GIZ ( Deutscher Entwicklungsdienst ) kommt Sas-kia Bauner als neue Programmverantwort-liche in die integrierte Botschaft von La Paz. Dominique Favre,  bisher  Leiter  des  Stabs der  Regionalen  Zusammenarbeit,  wird  neu 

stv. Leiter des Bereichs Globale Zusammen-arbeit. Seine Stelle übernimmt Philippe Sas, der vom Seco kommt. Die neue Programm-verantwortliche Armut  in der Sektion Qua-litätssicherung  heisst Anne Moulin. Sie löst dort Laurent Ruedin ab, der in die Abteilung Westbalkan der Ost-Zusammenarbeit wech-selt.  Chantal Nicod,  bisher  stv.  Leiterin  der Abteilung Globale  Institutionen, wird neue Chefin der Abteilung Westafrika. Dort löst sie Hans Jörg Ambühl ab, der  in Pension geht. Ihre Stelle übernimmt Patrick Egli. Jacques Mader, bisher Regionalberater im Kobü Dar es Salaam, wird neu Berater für Sektorpolitik in der Abteilung Ost und Südliches Afrika. Er löst Andreas Loebell ab, der als Programm-verantwortlicher ins Kobü Bamako wechselt.—  Vom  UNDP  in  Belgrad  kommt  Jürg Staudenmann  zu  Alliance  Sud,  wo  er  das Dossier  Klima/Umwelt  von  Nicole Werner übernommen hat. Eva Schmassmann, Nach-folgerin von Nina Schneider im Dossier Ent-wicklungspolitik,  koordinierte  zuletzt  die Kampagne  gegen  das  Freihandelsabkom-men mit China. Im Sekretariat des Regional-büros Lausanne ersetzt Katia Vivas Frédéric Russbach, in Lugano folgt Mirka Caletti auf Silvia Carton.

Pierre Flatt  In  den  letz ten  Wochen  ist  das jüngste  Projekt  von   InfoDoc  realisiert  wor-den.  Und  es  ist  ein  eigentlicher  Quanten-sprung in der Geschichte der Dokumentati-onszentren von Alliance Sud. 

Seit  1978  war  die  Berner  Dokumentati-on im 4. Stock an der Monbijoustrasse 31 zu Hause.  Im  September  2014  ist  sie  an  beste Passantenlage  im  Erdgeschoss  des  Neben-gebäudes  umgezogen.  Der  Bezug  eines  La-denlokals mit Schaufenster bringt der Berner  

Sichtbarer und zugänglicher : die Alliance Sud InfoDoc an der Monbijoustrasse 29/31.

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InfoDoc ab sofort ganz andere Möglichkeiten, ihr Publikum anzusprechen und zu finden.

Das  Centre  de  documentation  in  Lau-sanne bestand seit 1995 in praktisch unver-änderter Form. Heute ist alles anders : Dass sogar  Wände  rausgeschlagen  wurden,  um einen Blick in die neu gestalteten Räume zu ermöglichen,  hat  mehr  als  nur  Symbolcha-rakter. InfoDoc Lausanne wird ihr Lokal auch in Zukunft mit der éducation21, der Stiftung Bildung für Nachhaltige Entwicklung, teilen. 

Alliance Sud InfoDoc

Näher bei den BenutzerInnen Dem  Publikum  näherzukommen,  sicht-barer  und  zugänglicher  zu  werden,  das ist  bei  InfoDoc  Programm.  Neben  den  be-kannten  Dienstleistungen  wie  Recherchen und  Pressedokumentation  gehört  dazu,  dass  InfoDoc  in  Zukunft  auch  Debatten,  Vorträge  und  kleine  Ausstellungen  organi-sieren wird.

In der Winterausgabe von GLOBAL+  wird das neue Konzept detailliert vorgestellt wer-den. Die eigentliche Einweihung der neuen Räume  werden  InfoDoc  Bern  und  Lausan-ne Anfang 2015 feiern. Sie hören und lesen von uns ! 

GLOBAL+ HERBSt 2014 15

Lesezeichen

Hat Europa in der Nahost­Politik versagt ?

Zeitschriften­Lese ( n )

Alliance Sud InfoDoc – Information und Dokumentation. Persönlich oder online.

Monbijoustrasse 29 / 31 3011 Bern

Öffnungszeiten : 13.30 – 17.30 h ( Mo – Fr )Telefon : +41 31 390 93 37

[email protected]

www.alliancesud.ch/dokumentationwww.facebook.com/AllianceSudDok www.twitter.com/dok_alliancesud

Zerstörerischer Goldrausch« New Internationalist », September 2014, steht im Zeichen des Goldes. Ginge es nach dem Redaktor des Schwerpunkts, müsste die Goldproduktion eingestellt werden. Er hält die mit der Förderung einherge-henden Umweltschäden und die men-schenrechtlichen Verfehlungen der Gold-konzerne ( darunter drei Schweizer Firmen ) für nicht länger verantwortbar – wegen der Öko-Krise und des nachweislich gerin-gen praktischen Nutzens von Gold. Aufge-

Véronique  de  Keyser,  ehemalige  belgische Abgeordnete  des  Europaparlaments,  und Stéphane  Hessel,  der  im  Februar  2013  ver-storbene  französische  Verfasser  der  Essays « Empört Euch ! » und « Engagiert euch ! », ha-ben  das  Buch  « Palästina :  Das  Versagen  Eu-ropas » geschrieben. Es handelt sich um ein « Plädoyer  für  eine  friedliche  Lösung  des Nahostkonflikts,  die  die  Rechte  des  palästi-nensischen Volkes respektiert », wie der Rot-punktverlag  zur  Übersetzung  des  franzö-sischen Originals schreibt.

Das Buch zeichnet den historischen und politischen Prozess im Nahen Osten der letz-ten Jahre bis 2012 nach. Der Fokus liegt nicht 

allein  auf  dem  Verhältnis  zwischen  Israel und Palästina, sondern auch auf der Verant-wortung, die Europa in diesem Konflikt über-nehmen muss – nicht zuletzt kritisiert de Key-ser die Politik der Europäischen Union. Hessel stellt dem Buch ein leidenschaftlich verfasstes Kapitel voran. Er schreibt von der « Fackel der Hoffnung, aber auch des Zorns ».

Das Buch bietet eine kritische, nachdenk-lich stimmende Sicht auf die Konsequenzen der Politik für den Nahostkonflikt. Das macht « Palästina :  Das  Versagen  Europas »  lesens-wert. Dennoch, oder gerade deshalb, ist auch das  Plädoyer  von  Hessel  und  de  Keyser  kri-tisch zu lesen.

Geschichte des Nahostkonflikts Die deutsche Bundeszentrale  für politische Bildung  ( bpb )  versammelt  in  ihrem  E-Dos-sier zu Israel Artikel zur Geschichte des Nah-ostkonflikts.  Auf  einer  –  noch  nicht  ganz nachgeführten – Zeitleiste sind wichtige his-torische Daten des Konflikts angeführt.www.bpb.de/internationales/asien/israel/45042/nahostkonflikt

Gaza Sderot – Das Leben trotz allemSechs  Menschen  aus  Gaza  ( Palästina )  und sechs  Menschen  aus  Sderot  ( Israel )  berich-

ten in kurzen Videos von Arte.tv über ihren  Alltag. Sie sprechen über Bomben und Krieg, aber auch über Musik und Humor.http://gaza-sderot.arte.tv/de/

Gaza in der Zukunft ?Die Publikation der Uno « Gaza in 2020 : A live-able place ? » erörtert die Frage, ob Gaza 2020 noch bewohnbar sein wird. Der Report ist auf der Website des Uno-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge ( UNRWA ) einsehbar.www.unrwa.org/newsroom/press-releases/gaza-2020-liveable-place

Wie es nach den jüngsten Ereignissen im Nah-ostkonflikt weitergehen soll und welche Rol-le die Schweiz übernehmen kann, diskutier-te Pierre Krähenbühl, Generalkommissar der UNRWA, in der Sternstunde Philosophie von SRF 1 vom 7.9.2014.www.srf.ch/sendungen/sternstunde-philosophie/wie-weiter-im-nahen-osten-pierre-kraehenbuehl

Alliance-Sud-InfoDoc-PressearchivNicht  alles  ist  online :  Das  aktuelle  Gesche-hen  in  Israel/Palästina  lässt sich über zahl-reiche Printartikel  in unserem Pressearchiv verfolgen.

lockert sind die Textbeiträge wie stets mit einer aufschlussreichen Faktenseite ; dies-mal zudem mit einem grafisch aufberei-teten « 10-Schritte-Plan zur Beendigung der Goldsucht ». www.newint.org�Strahlendes UrangeschäftSinkende Preise, angeblich nachlassende Nachfrage – und doch wird der Uranbranche eine rosige Zukunft vorausgesagt. Wie das aufgeht, ist dem Dossier von « iz3w », Sep-tember/Oktober 2014, zu entnehmen. Der Einleitungsbeitrag, der die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Implikationen des Uranabbaus umreisst, zeigt auch auf, warum die zivile, sogenannt friedliche, und die militärische Nutzung von Uran untrenn-bar sind. Andere Beiträge werfen etwa ein Schlaglicht auf die Gesundheitsrisiken, de-nen die MinenarbeiterInnen und -anwohne-rInnen ausgesetzt sind. www.iz3w.org

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GLOBAL+ Postfach 6735 | 3001 Bern telefon 031 390 93 30E-Mail : [email protected] www.facebook.com/alliancesud

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stösst die Schweiz pro Jahr und Kopf an CO2-Äquivalenten aus. Um das 2°- C-Ziel ein-zuhalten, dürften es nur 2,1 Tonnen sein.

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der chinesischen Emis-sionen von Klimagasen entstehen bei der Pro-duktion fĂĽr den Export.

Zahlen und Fakten  zur Schweiz und dem globalen Klima

Foto : © Michael Hauri

Jedes Jahr verschwinden Tausende Mädchen und junge Frauen aus der armen, bäuer-lich geprägten vietnamesischen Grenzregion zu China. Dort bremst die 1-Kind-Politik das Bevölkerungswachstum und schafft ein Ungleichgewicht zwischen Frauen und Männern, denn weibliche Embryos werden häufig abgetrieben. Der Schweizer Foto-graf Michael Hauri begleitete mit seiner Kamera betroffene Frauen, die nach China verkauft wurden und denen die Flucht zurück in ein halbwegs normales Leben gelang. Die Reportage ist im Zusammenhang mit dem Förderpreis «Globetrotter World Photo» entstanden.

Michael Hauri, geboren 1983 in Liestal, studierte Fotojournalismus und Dokumentar­fotografie in Hannover und war danach als Fotograf für verschiedene deutsche Zei­tungen und Magazine tätig. Seit 2009 ist er Inhaber einer eigenen Agentur in Berlin. Er ist ausserdem Dozent für das Thema Multimedia Storytelling, unter anderem am MAZ, der Schweizer Journalistenschule in Luzern. www.michaelhauri.ch

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sollte die Schweiz ab 2020 gemäss ihrer Kli-ma-Verantwortung jährlich an die Klima-anpassungs- und Re-duktionsmassnahmen in Entwicklungs - ländern bezahlen.

Quellen�:�Bafu,�Global�Carbon� �Project,�Alliance�Sud.

Von Alliance Sud ins Bild gesetzt.

www.alliancesud.ch