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Festschrift für Hans Caspar von der Crone zum 60. Geburtstag Aktuelle Herausforderungen des Gesellschafts- und Finanzmarktrechts Rolf H. Weber | Walter A. Stoffel | Jean-Luc Chenaux | Rolf Sethe (Hrsg.)

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Festschrift für Hans Caspar von der Crone zum 60. Geburtstag

Aktuelle Herausforderungen des Gesellschafts- und Finanzmarktrechts

ISBN 978-3-7255-7474-2

Rolf H. Weber | Walter A. Stoffel | Jean-Luc Chenaux | Rolf Sethe (Hrsg.)

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Festschrift für Hans Caspar von der Crone zum 60. Geburtstag

Aktuelle Herausforderungen des Gesellschafts- und Finanzmarktrechts

Rolf H. Weber | Walter A. Stoffel | Jean-Luc Chenaux | Rolf Sethe (Hrsg.)

© Schulthess Juristische Medien AG, Zürich · Basel · Genf  2017

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Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, vorbehalten. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme.

© Schulthess Juristische Medien AG, Zürich · Basel · Genf 2017ISBN 978-3-7255-7474-2

www.schulthess.com

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V

Vorwort

Professor HANS CASPAR VON DER CRONE, Ordinarius für Privat- und Wirtschaftsrecht

an der Universität Zürich, feiert am 18. Januar 2017 seinen 60. Geburtstag. Seine

Freunde, Fachkollegen und Weggefährten freuen sich, ihm zu diesem besonderen Tag

die vorliegende Festschrift überreichen zu können.

HANS CASPAR VON DER CRONE hat in Zürich die Volksschule und das Gymnasium

(mit Abschluss Matura Typus B im Jahre 1976) besucht. Sein Studium der Rechtswis-

senschaft an der Universität Zürich schloss er sechs Jahre später mit dem Lizentiat ab.

Während seiner Zeit als Assistent bei Professor MEIER-HAYOZ verfasste er seine Dis-

sertation sowie das – heute noch als Standardwerk geltende – Lehrbuch «Wertpapier-

recht» (in Co-Autorschaft mit ARTHUR MEIER-HAYOZ); im Jahre 1988 hat er dann den

Doktor der Rechtswissenschaft an der Universität Zürich und ebenso das Zürcher An-

waltspatent erworben. Kurz nach Beginn der Anwaltstätigkeit in Zürich ist HANS

CASPAR VON DER CRONE indessen an die Yale Law School, New Haven CT, gegangen,

um erfolgreich einen Master of Laws (LL.M.) zu absolvieren. Nach der Rückkehr in

die Schweiz hat er seine Anwaltskarriere fortgesetzt und gleichzeitig eine Habilitati-

onsschrift zum Thema «Rahmenverträge» verfasst, aus welcher sein Interesse am Zu-

sammenspiel von Ökonomie und Recht deutlich hervorgeht. Auf deren Abnahme an

der Universität Zürich folgte die Ernennung zum Privatdozenten für Zivil-, Handels-

und Kapitalmarktrecht im Jahre 1992.

Im Jahre 1995 berief die Universität Zürich HANS CASPAR VON DER CRONE zum Extra-

ordinarius, hernach 1997 zum Ordinarius für Privat- und Wirtschaftsrecht. Seit gut 20

Jahren liegen seine hauptsächlichen Lehr- und Forschungsinteressen im Bereich des

Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts, doch hat er auch das Vertragsrecht regelmässig

weiter betreut; didaktisch gute Lehre ist ihm immer ein grosses Anliegen gewesen.

Kennzeichnend für ihn ist weiter die grosse Affinität zu den neuen Medien: Seine In-

ternet-Kolloquien – jährlich angeboten sowohl im Obligationenrecht Allgemeiner Teil

wie im Handels- und Wirtschaftsrecht – gehören zu den beliebtesten Veranstaltungen

der Rechtswissenschaftlichen Fakultät; das von ihm ins Leben gerufene virtuelle Pro-

jekt «RechtEck» (www.rechteck.uzh.ch) ermöglicht sodann auch die von ihm stets ge-

pflegte Zusammenarbeit mit der Romandie.

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VORWORT

VI

HANS CASPAR VON DER CRONE hat ebenso aktiv an der universitären Selbstverwaltung

mitgewirkt: Als Mitglied der Universitätsleitung war er von 2002-2006 Prorektor Pla-

nung, von 2007-2008 Prorektor Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Sein Interesse

an der Mitwirkung in rechtsgestaltenden Gremien zeigt sich auch darin, dass HANS

CASPAR VON DER CRONE von 1999-2005 Präsident der Schweizerischen Übernahme-

kommission sowie 2009-2010 Mitglied der Expertenkommission des Schweizerischen

Bundesrates zur Limitierung von volkswirtschaftlichen Risiken durch Grossunterneh-

men (Expertenkommission «too big to fail» bzw. «Systemically Important Financial

Institutions») gewesen ist. Am erfolgreichen Aufbau des Universitären Forschungs-

schwerpunkts (UFSP) «Finanzmarktregulierung» (ab 2013) hat er massgeblich mitge-

wirkt; weiterhin ist er als Mitglied des Leitungsgremiums im UFSP engagiert.

Bereits seit 1993 trägt HANS CASPAR VON DER CRONE als Mitglied des Herausgeber-

kollegiums der Schweizerischen Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht

(SZW) eine Mitverantwortung für die hohe wissenschaftliche Qualität dieser Zeit-

schrift; seit 2015 ist er nun Vorsitzender dieses Kollegiums. Grosse Bedeutung haben

in diesem Kontext die seit 2002 sechsmal im Jahr erscheinenden Besprechungen wich-

tiger (Bundesgerichts-)Entscheide erlangt. Daneben ist HANS CASPAR VON DER CRONE

weiterhin forensisch in der von ihm vor 20 Jahren gegründeten Anwaltskanzlei von der

Crone Rechtsanwälte AG in Zürich aktiv und amtet darüber hinaus regelmässig als

Schiedsrichter in nationalen und internationalen Verfahren.

Das wissenschaftliche Oeuvre von HANS CASPAR VON DER CRONE ist beeindruckend:

Seine bevorzugten Tätigkeitsgebiete sind das Gesellschafts- und Firmenrecht, das Ban-

ken- und Kapitalmarktrecht, sowie das Vertragsrecht. Seine Schriften zeichnen sich

durch wissenschaftliche Strenge, Offenheit gegenüber Neuem, dem Suchen nach über-

zeugenden Lösungen sowie grosse Praxisrelevanz aus.

Die Festschrift widerspiegelt diese breite wissenschaftliche Arbeiten des Jubilars:

Schwerpunkte bilden das Gesellschaftsrecht und das Kapitalmarktrecht, doch fehlen

auch die weiteren Rechtsgebiete nicht. Innerhalb der beiden Hauptteile ist die Fest-

schrift nach Themen (z.B. Corporate Governance, Konzern, Verantwortlichkeit, Ge-

setzgebungsvorhaben) und von allgemeinen Überlegungen zu spezifischen Themen-

stellungen geordnet.

Über seine vielfältigen beruflichen Tätigkeiten hinaus zeigt sich der breite Horizont,

über den HANS CASPAR VON DER CRONE verfügt, auch in seinen weiteren Interessen,

neben der Freude am Reisen ins Ausland insbesondere in der Nähe zu kulturellen Er-

eignissen; die Stichworte Fotografie, Film und Theater sind ein Zeichen für seine dies-

bezüglichen Affinitäten.

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VORWORT

VII

Die Herausgeber hätten ohne mannigfaltige Unterstützung diese Festschrift nicht recht-

zeitig erstellen können. OLIVIER BAUM hat das Projekt von Beginn weg bis zur Druck-

legung umsichtig und mit grossem Einsatz betreut; bei der Organisation wurde er von

FELIX BUFF, beim Lektorieren der Texte von LUCA ANGSTMANN und LINUS CATHO-

MAS unterstützt. Weiter hat BRIGITTE VON DER CRONE im Hintergrund wesentlich zur

Realisierung des Projektes beigetragen. Zu Dank verpflichtet sind die Herausgeber

auch dem Schulthess Verlag für die zuvorkommende und effiziente Zusammenarbeit.

Die Herausgeber und alle Mitwirkenden an der Festschrift wünschen HANS CASPAR

VON DER CRONE von Herzen alles Gute für die kommenden Jahre. Die Freude an der

weiteren Zusammenarbeit verbindet sich mit dem Wunsch, dass auch inskünftig wei-

terhin die privaten Interessen im Leben einen ausreichenden Platz einnehmen können.

ROLF H. WEBER

WALTER STOFFEL

JEAN-LUC CHENAUX

ROLF SETHE

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IX

Inhaltsverzeichnis

Teil I: Gesellschaftsrecht

a) Corporate Governance

From Profit to People and Planet: Rethinking the Purpose of the

Corporation .................................................................................................................................................................................. 3

CHRISTINE KAUFMANN

Prof. Dr. iur., Ordinaria für Staats- und Verwaltungsrecht, Völker- und Europa-

recht an der Universität Zürich

Aktienrecht als «Lebenslüge» – Eine gesellschaftsrechtliche Medi-

tation ...................................................................................................................................................................................................... 21

JEAN NICOLAS DRUEY

Prof. Dr. iur., em. Professor der Universität St. Gallen

Le représentant de l’Etat au conseil d’administration ........................................................ 39

JEAN-LUC CHENAUX

Prof. Dr. iur., Avocat, Professeur ordinaire à l’Université de Lausanne, Keller-

hals Carrard, Lausanne

FRÉDÉRIC ROCHAT

Dr. iur., LL.M., Avocat, Kellerhals Carrard, Lausanne

Corporate Governance in Sanierungsfällen – Der Einfluss der

Gläubiger: Chancen und Risiken .................................................................................................................... 65

URS SCHENKER

Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Titularprofessor für Handels- und Wirt-

schaftsrecht an der Universität St. Gallen, Walder Wyss, Zürich

Revisionsstelle und «Corporate Governance» ................................................................................ 91

URS BERTSCHINGER

Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, Ordinarius für Privat-, Handels- und Wirtschafts-

recht an der Universität St. Gallen, Prager Dreifuss, Zürich

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INHALTSVERZEICHNIS

X

Sonderuntersuchung statt Sonderprüfung – Hundertmetersprint

statt Hürdenlauf? ................................................................................................................................................................. 111

RETO HEIZMANN

PD Dr. iur., Rechtsanwalt, Privatdozent für Privatrecht, Handels- und Wirt-

schaftsrecht sowie Europarecht an der Universität Zürich, Vizepräsident des

Kantonsgerichts Schwyz

Anfechtbarkeit und Nichtigkeit als Folgen mangelhafter General-

versammlungsbeschlüsse ............................................................................................................................................ 131

CLAIRE HUGUENIN

Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwältin, Ordinaria für Privat-, Wirtschafts- und

Europarecht an der Universität Zürich

BRUNO MAHLER

Stud. iur., Assistent am Rechtswissenschaftlichen Institut der Universität Zürich

b) Konzernrecht

Informationsversorgung im Konzern – Rechtliche Rahmenbe-

dingungen für den Austausch von Finanzinformationen zwischen

Mutter- und Tochtergesellschaft ...................................................................................................................... 153

CHRISTOPH B. BÜHLER

Prof. Dr. iur., LL.M., Advokat, Titularprofessor für schweizerisches und inter-

nationales Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich, böckli büh-

ler partner, Basel

«Anerkennung des Gruppeninteresses»: Initiativen der EU aus

Schweizer Sicht ....................................................................................................................................................................... 177

PETER BÖCKLI

Prof. Dr. iur., Advokat, em. Professor der Universität Basel, böckli bühler part-

ner, Basel

Unionskonzernrecht als lex parsimoniae ............................................................................................... 197

MARC AMSTUTZ

Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Ordinarius für Handels und Wirtschafts-

recht an der Universität Freiburg i.Ue.

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INHALTSVERZEICHNIS

XI

c) Verantwortlichkeitsrecht

Rechtsfolgen einer mangelhaften Delegation von Geschäftsfüh-

rungsaufgaben in einer Verantwortlichkeitsklage .................................................................... 221

PETER R. ISLER

Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Lehrbeauftragter für Gesellschafts- und Handels-

recht an der Universität Zürich, Niederer Kraft & Frey, Zürich

MIRJAM VÖGELI

Lic. iur., LL.M., Rechtsanwältin, Niederer Kraft & Frey, Zürich

Wie weiter nach der Mündigkeit im Verantwortlichkeitsrecht? ........................... 239

WALTER A. STOFFEL

Prof. Dr. iur., LL.M., Ordinarius für Wirtschaftsrecht und internationales Privat-

recht an der Universität Freiburg i.Ue.

Ereignisse nach dem Bilanzstichtag ............................................................................................................. 257

LUKAS GLANZMANN

Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Titularprofessor für Wirtschaftsrecht an der

Universität St. Gallen, Baker & McKenzie, Zürich

d) Laufende und abgeschlossene Gesetzgebungsprojekte

Die «Lex Minder» – ein Schuss in den Ofen? .................................................................................. 273

PETER FORSTMOSER

Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, em. Professor für Privat-, Handels- und

Kapitalmarktrecht an der Universität Zürich, Niederer Kraft & Frey, Zürich

Genehmigung und Offenlegung der Vergütung von gekündigten

Mitgliedern der Geschäftsleitung börsenkotierter Unternehmen ........................ 297

ROLF WATTER

Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Titularprofessor für Handels- und Wirt-

schaftsrecht an der Universität Zürich, Bär & Karrer, Zürich

KATJA ROTH PELLANDA

Dr. iur., LL.M., Rechtsanwältin, Head of Corporate Law bei Novartis Interna-

tional, Basel

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INHALTSVERZEICHNIS

XII

Regulierungsfolgenabschätzung am Beispiel der «grossen»

Aktienrechtsreform ........................................................................................................................................................... 313

DIETER GERICKE

Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Homburger, Zürich

NATASSIA GILI

MLaw, Homburger, Zürich

Irrungen und Wirrungen der geplanten Revision des Handelsre-

gisterrechts .................................................................................................................................................................................... 337

PETER JUNG

Prof. Dr. iur., Maître en droit, Ordinarius für Privatrecht an der Universität Basel

Teil II: Finanzmarktrecht

a) Finanzmarktregulierung

Banking Regulation and Financial Stability ..................................................................................... 359

KERN ALEXANDER

Prof. Dr. iur., Professor of Law and Finance at the University of Zurich

Countercyclical Capital Buffers: A Regulatory Challenge ........................................... 379

JEAN-CHARLES ROCHET

Prof. Ph.D., Professor of Banking at the University of Zurich

Extraterritoriality in Financial Regulation ........................................................................................ 391

SUSAN EMMENEGGER

Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwältin, Ordinaria für Privat- und Bankrecht an

der Universität Bern

Systemstabilität: Neue Herausforderungen durch die Digitalisie-

rung der Geschäftsmodelle ...................................................................................................................................... 405

ROLF H. WEBER

Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, em. Professor für Privat-, Wirtschafts- und Europa-

recht an der Universität Zürich, Bratschi Wiederkehr & Buob, Zürich

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INHALTSVERZEICHNIS

XIII

Technologie und Finanzmarktregulierung: Narrative von Inter-

dependenz und Co-Evolution ................................................................................................................................ 421

FRANCA CONTRATTO

Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwältin, Assistenzprofessorin für Finanzmarkt-

recht an der Universität Zürich

Die internationale Durchsetzung von Insolvenzmassnahmen bei

Banken – eine Bestandsaufnahme ................................................................................................................... 441

RETO SCHILTKNECHT

Dr. iur., Rechtsanwalt, Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen, Leiter

Internationales und Policy, Geschäftsbereich Recovery und Resolution, Eidge-

nössische Finanzmarktaufsicht FINMA

DAVID BILLETER

M.A. HSG, Rechtsanwalt, Specialist, Geschäftsbereich Recovery und Resoluti-

on, Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA

Servicegesellschaften – eine Antwort auf «Too-Big-To-Fail» bei

Finanz- und Versicherungsgruppen? ......................................................................................................... 471

PETER CH. HSU

Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Bär & Karrer, Zürich

Neues Prospektrecht gemäss E-FIDLEG: Schnittstellen – Gereim-

tes und Ungereimtes – Verpasste Chancen ......................................................................................... 495

RENÉ BÖSCH

Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Homburger, Zürich

Neupositionierung der Selbstregulierung der Börse im FinfraG .......................... 515

RODOLFO STRAUB

Lic. iur., Head SIX Exchange Regulation, SIX Swiss Exchange, Zürich

Versicherungsaufsicht im Fürstentum Liechtenstein ........................................................... 525

ANTON K. SCHNYDER

Prof. Dr. iur., LL.M., Ordinarius für Privat- und Wirtschaftsrecht, Internationa-

les Privat- und Zivilverfahrensrecht und Rechtsvergleichung an der Universität

Zürich, Ersatzrichter beim Obersten Gerichtshof des Fürstentums Liechtenstein

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INHALTSVERZEICHNIS

XIV

b) Zusammenspiel von Aufsichtsrecht & Privatrecht

Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt: Ein Balanceakt

zwischen Reputation und Recht ........................................................................................................................ 535

DANIEL DAENIKER

Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Lehrbeauftragter an der Universität Zürich,

Homburger, Zürich

Privatrechtliche Haftung für die Verletzung aufsichtsrechtlicher

Vorschriften ................................................................................................................................................................................. 555

BENEDIKT MAURENBRECHER

Dr. iur., MBA, Rechtsanwalt, Homburger, Zürich

Die Bestimmung der Angemessenheit und der Geeignetheit von

Finanzdienstleistungen und Finanzinstrumenten ..................................................................... 589

THORSTEN HENS

Prof. Dr. rer. oec., Ordinarius für Finanzmarktökonomie an der Universität Zü-

rich

ROLF SETHE

Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Ordinarius für Privat-, Handels- und Wirt-

schaftsrecht an der Universität Zürich, Niederer Kraft & Frey, Zürich

Haftung als Regulierungsinstrument im Finanzmarktrecht? – Am

Beispiel der Ad-hoc-Publizität ............................................................................................................................ 619

DANIEL DEDEYAN

PD Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Privatdozent für Privat- und Wirtschaftsrecht,

Rechtstheorie und Methodenlehre an der Universität Zürich, Walder Wyss, Zü-

rich

Der arme Bankaktionär ............................................................................................................................................... 637

PETER NOBEL

Prof. Dr. rer. publ., Rechtsanwalt, em. Professor ad personam für schweizeri-

sches und internationales Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Zü-

rich, em. Professor für Privat-, Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität

St. Gallen, Nobel & Hug Rechtsanwälte, Zürich

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INHALTSVERZEICHNIS

XV

c) Übernahmerecht

Put-up or Shut-up (PUSU) ........................................................................................................................................ 657

RUDOLF TSCHÄNI

Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Lenz & Staehelin, Zürich

Unwiderrufliche Andienungsverpflichtungen («Irrevocables») und

Vertragsfreiheit ....................................................................................................................................................................... 671

DANIEL M. HÄUSERMANN

PD Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Privatdozent für Privat- und Wirtschaftsrecht

an der Universität St. Gallen, Homburger, Zürich

De la compatibilité des OPA obligatoires avec des conditions rele-

vant du droit de la concurrence ......................................................................................................................... 687

HENRY PETER

Prof. Dr. iur., LL.M., Professeur ordinaire à l’Université de Genève

PASCAL BOVEY

Lic. iur., LL.M., Avocat, conseiller juridique de la Commission des OPA

Le squeeze-out d’actionnaires lors d’une fusion et d’une offre pu-

blique d’acquisition ............................................................................................................................................................ 707

OLIVIER HARI

Prof. Dr. iur., Avocat, Chaire de droit des sociétés et de l’entreprise, Université

de Neuchâtel, Of Counsel, Schellenberg Wittmer, Genève/Zurich

d) Steuerfragen

Transfer und Auszahlung von potentiell fiskaldeliktischen Kunden-

geldern – ein Update ......................................................................................................................................................... 729

CORINNE ZELLWEGER-GUTKNECHT

PD Dr. iur., Rechtsanwältin, Privatdozentin für Zivil- und Zivilverfahrensrecht,

Finanzmarktrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Zürich

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INHALTSVERZEICHNIS

XVI

Unversteuerte Bankkundengelder – was tun? ............................................................................... 743

URS ZULAUF

Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, Adjunct Professor Universität Genf und Cornell

Law School, Head Client Tax Policy Credit Suisse Group, Zürich

URS ROHNER

Lic. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Chairman of the Board Credit Suisse Group,

Zürich

ROMEO CERUTTI

Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, General Counsel Credit Suisse Group, Zürich

Teil III: Weitere Rechtsgebiete

Zum Konsenserfordernis bei der societas – methodische Bemer-

kungen zu einem altbekannten Problem ............................................................................................... 767

ULRIKE BABUSIAUX

Prof. Dr. iur., Ordinaria für Römisches Recht, Privatrecht und Rechtsverglei-

chung an der Universität Zürich

Der Kooperationsvertrag (in a nutshell) ................................................................................................ 785

FLORENT THOUVENIN

Prof. Dr. iur., Extraordinarius für lnformations- und Kommunikationsrecht an

der Universität Zürich

Verabsolutierte Abstraktheit oder relativierte Kausalität? – Zur

Rechtsnatur der Forderungsabtretung ................................................................................................... 807

HARALD BÄRTSCHI

Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Titularprofessor für Privat- und Wirt-

schaftsrecht an der Universität Zürich, Leiter der Fachstelle für Unternehmens-

und Steuerrecht der ZHAW School of Management and Law, Winterthur, Bärt-

schi Rechtsanwälte, Wallisellen

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INHALTSVERZEICHNIS

XVII

Fragen rund um die Beendigung von Vertriebsverträgen ............................................. 827

PETER BRATSCHI

Dr. iur., Rechtsanwalt, Bratschi Wiederkehr & Buob, Zürich

PASCAL RÜEDI

Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Bratschi Wiederkehr & Buob, Zürich

Mala futura, securitas und «Spekulation»: Rechtskulturen des

Risikos im historischen Wandel ......................................................................................................................... 845

ANDREAS THIER

Prof. Dr. iur., M.A., Ordinarius für Rechtsgeschichte, Kirchenrecht, Rechtstheo-

rie und Privatrecht an der Universität Zürich

Der «Nemo-tenetur-Grundsatz» im Strafverfahren gegen Unter-

nehmen – insbesondere unter Berücksichtigung der Kombination

von Verwaltungs- und Strafverfahren ...................................................................................................... 863

ANDREAS DONATSCH

Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, Ordinarius für Strafrecht und Strafprozessrecht an

der Universität Zürich

JASMINA SMOKVINA

Lic. iur., Rechtsanwältin, Assistentin am Rechtswissenschaftlichen Institut der

Universität Zürich

Six megatrends that shape the legal services industry – or remem-

bering Andy Grove ............................................................................................................................................................. 879

PETER KURER

Dr. iur., LL.M., Partner bei der Private Equity Firma BLR und Verwaltungsrats-

präsident u.a. bei Sunrise

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535

Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt:

Ein Balanceakt zwischen Reputation und Recht

DANIEL DAENIKER*

I. Einleitung ................................................................................................................................. 536

II. Reputation und Rechtswirklichkeit ........................................................................................... 536

1. Reputation als Gütesiegel ................................................................................................ 536

2. Reputation als Steuerungsmechanismus .......................................................................... 538

3. Bad Reputation ................................................................................................................ 539

III. Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt ...................................................................... 540

1. Ausgangslage .................................................................................................................. 540

2. Publizitätspflichten kotierter Gesellschaften ................................................................... 541

3. Rechtliche Einordnung von Kategorien der Unternehmenskommunikation .................... 542 a) Bekanntgabe unternehmerischer Absichten ........................................................... 542

aa) Beispiele ....................................................................................................... 542 bb) Rechtliche Verbindlichkeit ........................................................................... 543

b) Bekanntgabe von Verträgen ................................................................................... 544 aa) Beispiele ....................................................................................................... 544 bb) Rechtliche Verbindlichkeit ........................................................................... 546

c) Prognosen am Kapitalmarkt ................................................................................... 547 aa) Ausgangspunkt ............................................................................................. 547 bb) Haftung für falsche Prognosen? .................................................................... 547

IV. Zugeben unternehmerischer Fehler ........................................................................................... 548

1. Zugeben von Fehlern als Kommunikationsstrategie ........................................................ 548

2. Zugeben von Fehlern als Rechtsproblem......................................................................... 549 a) Anwendungsfall Ad-hoc-Publizität ........................................................................ 549 b) Anwendungsfall Organverantwortlichkeit ............................................................. 551 c) Anwendungsfall Produktehaftpflicht und -sicherheit ............................................. 553

V. Fazit .......................................................................................................................................... 554

––––––––––––––––––––––––– * Mein Kollege Dr. STEFAN WALLER, der beim Jubilar dissertiert und diesen Aufsatz kritisch durch-

gelesen hat, und mein Korrektor lic. phil. MARTIN GANTENBEIN, der die Habilitationsschrift des

Jubilars lektoriert hat, nutzen diese Fussnote, um ihrerseits ebenfalls zu gratulieren.

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DANIEL DAENIKER

536

I. Einleitung

HANS CASPAR VON DER CRONE hat in seinem Schrifttum immer wieder auf die Bedeu-

tung der Reputation als Steuerungsmechanismus zum Schutz von Erwartungen und zur

Einschätzung des Verhaltens von Personen und Unternehmen hingewiesen1. Wie kein

Zweiter hat er für die schweizerische Rechtswissenschaft die Erkenntnis geschärft, dass

Verhalten nicht nur durch rechtlich durchsetzbare Normen beeinflusst wird, sondern

auch durch die Sorge um den guten Ruf, den ein Akteur im Wirtschaftsleben hat und

behalten will.

Aufbauend auf den Publikationen des Jubilars befasst sich dieser Aufsatz mit der

Kommunikation von Unternehmen am Kapitalmarkt und deren rechtlicher Einordnung.

Zunächst wird der Begriff der Reputation in der Rechtswirklichkeit analysiert (II.).

Sodann wird erörtert, welche rechtliche Relevanz der Unternehmenskommunikation

am Kapitalmarkt zukommt (III.). Ferner gehe ich auf die Frage ein, ob und inwieweit

das Zugeben unternehmerischer Fehler im Rahmen von Mitteilungen an den Markt

Haftungsfolgen nach sich ziehen kann (IV.). Die Erkenntnisse werden am Schluss einer

Gesamtwürdigung unterzogen (V.).

II. Reputation und Rechtswirklichkeit

1. Reputation als Gütesiegel

Die Bedeutung der Reputation ist bereits in der Heiligen Schrift erkannt worden:

«Ein guter Ruf ist wertvoller als grosser Reichtum, Ansehen ist besser als Silber und Gold.»2

Die zeitlose Aussage in den Sprüchen SALOMOS findet auch im heutigen Wirtschafts-

leben ihren Widerhall, so unter anderem bei WARREN BUFFETT:

«It takes 20 years to build a reputation and five minutes to ruin it. If you think about that, you'll do things differently.»3

––––––––––––––––––––––––– 1 So schon in seiner Habilitationsschrift (HANS CASPAR VON DER CRONE, Rahmenverträge: Ver-

tragsrecht – Systemtheorie – Ökonomie, Habil. Zürich 1993, 94 f. und 239). – Vgl. auch DERS.,

Verantwortlichkeit, Anreize und Reputation in der Corporate Governance einer Publikumsgesell-

schaft, ZSR NF 119 (2000) II, 239 ff.; DERS., Corporate Governance und Reputation, Neue Zür-

cher Zeitung vom 27. Januar 2001, 29; DERS., Regulierung: Reputation, Vertrauen und Verant-

wortung (mit TATJANA LINDER), in: FS von Büren, Basel 2009, 723 ff.; DERS., Reputation and

regulation (mit JOHANNES VETSCH), in: Klewes/Wreschniok (Hrsg.), Reputation Capital, Berlin

usw. 2009, 179 ff. 2 Sprüche 22,1.

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Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt: Balanceakt zwischen Reputation und Recht

537

Reputation spielt vor allem in denjenigen Bereichen des Wirtschaftslebens eine Rolle,

wo der Nachfrager keine Anschauung über die Qualität eines Produkts bzw. über die

Vertrauenswürdigkeit des Anbieters einer Dienstleistung hat4. Die Tragweite der Repu-

tation ist für Produktmärkte einerseits, Dienstleistungsmärkte andererseits unterschied-

lich:

In Produktmärkten zählt die Reputation des Herstellers, nicht die des Verkäufers.

Kaufe ich an einem Strassenstand eine Coca-Cola-Dose, ist mir die Identität des

Verkäufers egal; statt dessen baue ich auf die Reputation des Produkts in der An-

nahme, dass die Dose echt ist und damit den gewohnten Erwartungen an Qualität

und Hygiene entspricht. Aus diesem Grund werde ich auch eher Coca-Cola kaufen

als ein mir unbekanntes Produkt.

In Dienstleistungsmärkten zählt dagegen die Reputation des Anbieters. Hier be-

steht häufig keine Anschauung über die Qualität der Leistung, vor allem da, wo ei-

ne Informationsasymmetrie zwischen Dienstleister und Kunde besteht5. Eine kran-

ke Person sucht eine Ärztin auf, ohne zu wissen, was ihr fehlt; dafür baut sie auf

die Fähigkeiten der Medizinerin. Bei Anwalts- und anderen Beratungsdienstleis-

tungen sucht der Klient6 einen Ansprechpartner, dessen Reputation Rückschlüsse

auf die Qualität der Dienstleistung zulässt. Ob die Ärztin oder der Anwalt gute Ar-

beit leisten wird, weiss der Patient bzw. Klient nicht, aber der gute Ruf des Spezia-

listen fördert das Vertrauen in den Anbieter.

Reputationsmechanismen beruhen damit nicht selten auf Annahmen: Es wird aus Ver-

gangenem auf das wahrscheinlich künftige Verhalten geschlossen. Ein Anbieter, der

sich mit seinen Leistungen einen guten Ruf erarbeitet hat, wird dies mit einer gewissen

Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft tun7. Damit wird auch klar, dass Reputationsmecha-

nismen da spielen, wo Akteure wiederholt am Markt auftreten (sog. repeat players)8.

3 WARREN BUFFETT (Quelle: <http://www.forbes.com/sites/agoodman/2013/09/25/the-top-40-

buffettisms-inspiration-to-become-a-better-investor/>). 4 HANS CASPAR VON DER CRONE, Aktienrecht, Bern 2014, § 4 N 322. 5 VON DER CRONE/LINDER, Regulierung (Fn. 1), 727 f.; ferner VON DER CRONE, Aktienrecht (Fn. 4),

§ 4 N 321 ff. 6 Der Begriff Klient stammt vom Lateinischen cliens, ursprünglich als «Höriger» oder «Schütz-

ling» übersetzt (Duden, Band 7, Etymologie der deutschen Sprache, 3. Aufl., Mannheim 2001,

Stichwort «Klient»). Im übertragenen Sinn handelt es sich beim Klienten um eine Person, die sich

der Hilfestellung einer anderen Person anvertraut. 7 VON DER CRONE, Aktienrecht (Fn. 4), § 4 N 321. 8 Wer nicht davon ausgehen muss, dass er mit der Person, die ihn heute beobachtet, in Zukunft

wieder in Kontakt treten wird, muss sich keine Sorge um seinen Ruf machen; VON DER CRONE,

Aktienrecht (Fn. 4), § 4 N 324.

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DANIEL DAENIKER

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Gerade dieser Umstand ist für Unternehmen und ihr Kommunikationsverhalten gegen-

über den Marktteilnehmern relevant9.

Damit ist allerdings nicht gesagt, dass die Reputation die Wirklichkeit abbildet.

«Character is like a tree and reputation like its shadow. The shadow is what we think of it; the tree is the real thing.»10

Gelegentlich kann die Reputation sogar von den Fähigkeiten einer Person abweichen.

In den Medien werden Figuren des öffentlichen Lebens regelmässig zunächst hochge-

lobt und später niedergeschrien11, was häufig wenig mit den Qualitäten oder Fehlern

solcher Personen zu tun hat. Reputation kann denn auch unverschuldet verloren gehen,

wie dies ausgerechnet Jago, der grosse Intrigant in Shakespeares Othello, auf den

Punkt bringt:

«Reputation is an idle and most false imposition, oft got without merit and lost without deserving.»12

2. Reputation als Steuerungsmechanismus

Reputationseffekte bewegen sich regelmässig ausserhalb dessen, was die Rechtsord-

nung als zulässig oder unzulässig betrachtet. Empfehlungen, soft law oder Regulie-

rungssysteme nach dem Ansatz comply or explain13 machen sich solche Effekte zunut-

ze und differenzieren häufig zwischen wünschbarem und nicht-wünschbarem Verhal-

ten, ohne beim verpönten Verhalten eine durchsetzbare Sanktion anzuknüpfen.

Das Bestreben von Personen und Unternehmen, best in class zu sein, kann dennoch

dazu führen, dass Verhalten im Wirtschaftsleben in die richtige Richtung gelenkt wird.

––––––––––––––––––––––––– 9 Dazu hinten III. 10 ABRAHAM LINCOLN, Lincoln's Own Stories. 11 Beispielhaft ist die Affäre um einen im Betrag eher geringfügigen Privatkredit an den ehemaligen

deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff. Wulff rückte nur scheibchenweise mit der Wahr-

heit über den Kredit heraus, stemmte sich lange gegen den wachsenden medialen Druck und

musste am Ende dennoch seinen Rücktritt erklären (vgl. Neue Zürcher Zeitung vom 19. Dezem-

ber 2011, Nr. 296, 5, sowie vom 18. Februar 2012, Nr. 41, 3). – Auch die Plagiatsvorwürfe gegen

den ehemaligen deutschen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der ganze Passa-

gen seiner Doktorarbeit abgeschrieben haben soll, illustrieren das genannte Muster (vgl. etwa

Neue Zürcher Zeitung vom 17. Februar 2011, Nr. 40, 3 und 57, vom 18. Februar 2011, Nr. 41, 5,

sowie vom 19. Februar, Nr. 42, 7). 12 WILLIAM SHAKESPEARE, Othello (1604), Act 3 sc. 2, zitiert in: VON DER CRONE, Verantwortlich-

keit, Anreize und Reputation (Fn. 1), 263. 13 So seit Neustem der Vorschlag des Bundesrates zu Geschlechterquoten in Publikumsgesellschaf-

ten, vgl. die Medienmitteilung vom 4. Dezember 2015: «Erfüllt eine Gesellschaft diese Ge-

schlechter-Richtwerte nicht, so greift der Comply-or-Explain-Ansatz: Das Unternehmen muss die

Gründe sowie die bereits umgesetzten und die geplanten Massnahmen offenlegen».

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Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt: Balanceakt zwischen Reputation und Recht

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Insoweit ergänzen Reputationseffekte die bestehenden rechtlichen Sanktionsmecha-

nismen14.

Ein anschauliches Beispiel für die Bedeutung der Reputation im Rahmen von soft law

ist der Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance, eine unter der Ägide

der Economiesuisse erlassene Reihe von Empfehlungen für die Führung von Publi-

kumsgesellschaften. Die erste Fassung erschien im Jahr 2002 und wurde weitherum als

zu zahm gerügt15. Aber gerade weil sich der Swiss Code eher am Machbaren als am

Wünschbaren orientierte16, hat er die Entwicklung der Corporate Governance in der

Schweiz massgeblich geprägt; auch kritische Stimmen attestierten dem neuen Regel-

werk bereits kurz nach Inkrafttreten eine erstaunliche Wirkung17. Inzwischen orientie-

ren sich hierzulande immer mehr Publikumsgesellschaften an einem Standard, der bei

Inkrafttreten der entsprechenden Regeln alles andere als schweizerische Usanz darstell-

te. Es ist unter anderem dem Swiss Code zu verdanken, dass sich hiesige Publikumsge-

sellschaften punkto Corporate Governance zwar mit der gewohnten helvetischen Ge-

mächlichkeit, aber dennoch stetig in die richtige Richtung bewegt haben. Ganz

nebenbei konnten damit auch regulatorische Übergriffe weitgehend vermieden werden.

3. Bad Reputation

In der Rechtsliteratur soweit ersichtlich noch wenig beschrieben ist das Spiel mit dem

schlechten Ruf, wie in einem Lied aus der Punk-Szene der 1980er-Jahre:

«You're living in the past, it's a new generation A girl can do what she wants to do and that's what I'm gonna do An' I don't give a damn 'bout my bad reputation.»18

Die Reputation als bad boy (oder bad girl) kann durchaus gewinnbringend eingesetzt

werden: Wer in einer Branche gerne wider den Stachel löckt, findet häufig Gleichge-

sinnte als Kunden. Legendär ist in diesem Zusammenhang die US-amerikanische In-

vestmentbank Drexel Burnham Lambert, die im Geschäft für Anleihen von Unterneh-

men mit zweifelhafter Kreditwürdigkeit gross wurde, im Rahmen der Finanzierung von

unfreundlichen Unternehmensübernahmen (hostile takeovers) während der 1980er-

––––––––––––––––––––––––– 14 Grundlegend RICHARD THALER/CASS SUNSTEIN, Nudge: Improving decisions about Health,

Wealth and Happiness, New Haven 2008, 5 und 182 f.; vgl. auch VALÉRIE JUNOD, «Comply or

explain»: la solution au dilemme des quotas?, SZW 87 (2015), 478 ff., 479. Kritisch dazu VON

DER CRONE/VETSCH (Fn. 1), 187. 15 PETER FORSTMOSER, Corporate Governance in der Schweiz – besser als ihr Ruf, in: Forstmoser et

al. (Hrsg.), Symposium zum 80. Geburtstag von Arthur Meier-Hayoz, Zürich 2002, 63 ff. 16 Davon zeugen auch die 2007 und 2014 erfolgten Revisionen des Swiss Code. 17 Vgl. etwa PETER FORSTMOSER, Corporate Governance in verbundenen Unternehmen, in: Amstutz

(Hrsg.), Die vernetzte Wirtschaft, Symposien zum Schweizer Recht, Zürich 2004, 155 ff. 18 JOAN JETT, Bad Reputation (1981).

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DANIEL DAENIKER

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Jahre eine tragende Rolle spielte und gegen Ende des Jahrzehnts spektakulär unter-

ging19. In der Schweiz einschlägig sind die Praktiken neu gegründeter Banken, die in

den 1990er-Jahren und nach der Jahrtausendwende den hiesigen Markt für Unterneh-

menskontrolle aufmischten. In all diesen Fällen rüttelte der Branchenneuling an etab-

lierten Verhaltensmustern – überspitzt ausgedrückt: an den Machtkartellen – der etab-

lierten Unternehmen der Branche, was zumindest kurzfristig den wirtschaftlichen Er-

folg dieser Institute als enfants terribles der Finanzwelt eher erhöhte als verminderte.

Langfristig hat sich indessen das Blatt häufig gewendet20.

Auch Anwälte, die bereit sind, für ihre Klienten bis an (oder über) die Grenze des Er-

laubten zu gehen, finden nicht trotz, sondern gerade wegen ihres schillernden Rufs

ihren Platz im Wettbewerb. Das gilt für Milieuanwälte mit hoher Präsenz in den elekt-

ronischen Medien ebenso wie für Wirtschaftsanwälte, die ohne Rücksicht auf die öf-

fentliche Meinung die Positionen ihrer Klienten verfechten. Weil dabei regelmässig die

Grenzen des Zulässigen ausgetestet werden, wird gelegentlich das Mass dessen über-

schritten, was gemeinhin als fair dealing betrachtet wird21. Das kann dem Geschäft

durchaus förderlich sein: Ein Ruf als bad boy zieht Klienten an, die ihrerseits gerne ans

Limit gehen.

III. Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt

1. Ausgangslage

Nachstehend soll der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit Aussagen eines

Unternehmens am Kapitalmarkt (zivil-)rechtlich relevant sind. Inwieweit können Zu-

sagen, die Bekanntgabe unternehmerischer Absichten oder Prognosen zur Schadener-

satzpflicht führen, wenn sich die Aussage als unzutreffend erweist? Die Fragestellung

ist alles andere als neu.

Bereits das römische Recht setzte sich mit der Frage auseinander, inwieweit einseitige

Erklärungen rechtlich verbindlich sind. Das römische Recht unterschied zwischen Ver-

trägen (pacta) und einseitigen Versprechen (pollicitationes)22. Die schweizerische

Rechtsordnung geht demgegenüber, ähnlich wie die deutsche, vom Prinzip aus, dass

––––––––––––––––––––––––– 19 DANIEL FISCHEL, Payback: The conspiracy to destroy Michael Milken and his financial revolu-

tion, New York 1995, 129 ff. 20 Für die USA a.v. FISCHEL (Fn. 19), 299; für die Schweiz Urteil des Bundesverwaltungsgerichts

vom 24. Juli 2012 i.S. Bank am Bellevue AG (BVGE 2012/33), E. 11. 21 Dazu etwa DANIEL DAENIKER, Wer zahlt befiehlt? Vielleicht auch nicht. Alibaba und Sika, GesKR

2015, 423 ff., 427. 22 ULPIAN, Dig. 50.12.3pr: «Pactum est duorum consensus atque conventio, pollicitatio vero offe-

rentis solius promissum» (Ein Vertrag beinhaltet die Einigung und Abmachung zweier Parteien,

die einseitig verpflichtende Erklärung ist aber ein Versprechen nur des Anbieters).

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Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt: Balanceakt zwischen Reputation und Recht

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rechtlich verbindliche Zusagen grundsätzlich nur in Vertragsform gültig sind; die polli-

citatio hat sich in den grossen europäischen Zivilrechtskodifikationen des 19. Jahrhun-

derts nicht durchgesetzt. Isolierte Ausnahme ist das in Art. 8 OR geregelte Preisaus-

schreiben, das in der Praxis kaum eine Bedeutung hat23. Damit ist auch gesagt, dass die

rechtliche Relevanz von Aussagen, die ein Unternehmen am Kapitalmarkt macht, nicht

unter Aspekten der Vertragshaftung, sondern unter Aspekten der ausservertraglichen

Schädigung analysiert werden muss24.

2. Publizitätspflichten kotierter Gesellschaften

Artikel 53 des Kotierungsreglements der SIX Swiss Exchange (KR) hält Folgendes

fest:

Der Emittent informiert den Markt über kursrelevante Tatsachen, welche in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten sind. Als kursrelevant gelten Tat-sachen, die geeignet sind, zu einer erheblichen Änderung der Kurse zu führen.

Der Emittent informiert, sobald er von der Tatsache in ihren wesentlichen Punkten Kenntnis hat.

Die Bekanntmachung ist so vorzunehmen, dass die Gleichbehandlung der Marktteilnehmer gewährleistet ist.

Die Pflicht zur Bekanntgabe kursrelevanter Tatsachen, auch als Ad-hoc-Publizität oder

event disclosure bekannt, besteht für an der SIX kotierte Gesellschaften seit 1996. Die

entsprechenden Vorschriften sind seit dann kontinuierlich verschärft worden. Die vor-

stehend zitierte Fassung gilt seit dem 1. Juli 2009 (Art. 114 KR).

Der Begriff der kursrelevanten Tatsache gemäss KR entspricht heute weitgehend dem

Begriff der Insiderinformation nach der Marktmissbrauchsrichtlinie der EU25. Obwohl

der Wortlaut der Definition im Kotierungsreglement bzw. im EU-Recht nicht de-

ckungsgleich ist, lassen sich in der Praxis keine Unterschiede in der Handhabung der

Informationspflicht beobachten26.

Die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität führt dazu, dass ein Unternehmen positive und nega-

tive Tatsachen unverzüglich den Marktteilnehmern mitteilen muss, soweit diese Infor-

––––––––––––––––––––––––– 23 BSK OR I-BUCHER, 4. Aufl., Basel 2007, N 3 zu Art. 8 OR. 24 S. hinten IV.2.a). 25 Vgl. dazu MARTIN WEBER, Informationsmissbrauch im Finanzmarkt, Diss. Luzern, Zürich 2013,

105. 26 Unterschiede bestehen mit Bezug auf die Art und Weise, wann ein Emittent Informationen zu-

rückhalten kann (sog. Bekanntgabeaufschub); dazu etwa LUCA DALLA TORRE/DANIEL HASLER,

Ad hoc-Publizität bei Wechseln in der Unternehmensführung, GesKR 2010, 186 ff., 194 f.; HANS-

JÜRG APPENZELLER, Ad hoc-Publizität bei M&A-Transaktionen, GesKR 2009, 463 ff., 474 ff.

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mation potenziell kursrelevant ist. In diesem Fall kann nicht bis zur Bekanntgabe des

nächsten Jahres- oder Zwischenabschlusses zugewartet werden; was den Kurs potenzi-

ell bewegen kann, muss sofort kommuniziert werden. Interessanterweise ist dies einer

der wenigen Bereiche, bei denen die Regulierung in der Schweiz und im europäischen

Wirtschaftsraum über das in den USA geforderte Mass hinausgeht27.

Unabhängig von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität stellt sich in der Praxis die Frage,

wie Aussagen eines Unternehmens am Kapitalmarkt zivilrechtlich zu würdigen sind.

Dies sei nachfolgend in Abschnitt III.3. anhand dreier Beispiele erörtert.

3. Rechtliche Einordnung von Kategorien der Unternehmens-

kommunikation

a) Bekanntgabe unternehmerischer Absichten

aa) Beispiele

Am 8. Dezember 2014 gab die Familie Burkard, die über ein Beteiligungsvehikel mehr

als die Hälfte der Stimmrechte der börsenkotierten Sika AG kontrolliert, einen Verkauf

ihrer Beteiligung an einen ausländischen Konzern bekannt28. Die Verhandlungen, die

einige Monate gedauert hatten, waren auf Wunsch der kontrollierenden Aktionäre ge-

heim gehalten worden, selbst gegenüber dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung

der Firma.

Vor Bekanntgabe kursierten weder am Kapitalmarkt noch in der Finanzpresse Informa-

tionen über allfällige Verkaufsabsichten der kontrollierenden Aktionärsfamilie, im

Gegenteil: Einzelne Familienmitglieder erklärten in der Finanzpresse, dass ihre Beteili-

gung derzeit nicht zum Verkauf stehe29. Dies führte zu einer Erwartungshaltung im

Kapitalmarkt, die in der Folge enttäuscht wurde. Die Kursentwicklung nach Ankündi-

gung zeigte, dass niemand mit einem Verkauf gerechnet hatte, schon gar nicht mit

einem Verkauf ohne gleichzeitiges öffentliches Übernahmeangebot an die Minder-

heitsaktionäre der Gesellschaft; die Sika-Inhaberaktie verlor denn auch innert zwei

––––––––––––––––––––––––– 27 CHRISTOPH BRUNNER, Liability of Publicly Held Corporations for a Violation of a Duty to Dis-

close, in Particular the «Ad Hoc Publicity», Diss. Bern 1998, 13 ff.; PETER HSU, Ad-hoc-Publi-

zität, Diss. Zürich 2000, 81 ff.; HANNO MERKT, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl.,

Frankfurt a.M. 2013, N 793 ff.; PETER HAY, US-Amerikanisches Recht, 6. Aufl., München 2015,

N 612 ff. 28 Neue Zürcher Zeitung vom 9. Dezember 2014, Nr. 286, 21. 29 Tages-Anzeiger Online vom 8. Dezember 2014: «Die Familie hat noch im Oktober ein Bekennt-

nis abgegeben» (Sika-Präsident PAUL HÄLG); ferner dazu Neue Zürcher Zeitung vom 9. Dezem-

ber 2014, Nr. 286, 19 und 21.

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Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt: Balanceakt zwischen Reputation und Recht

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Tagen fast 25% ihres Börsenwerts. Soweit vor Ankündigung im Kurs der Inhaberak-

tien eine implizite Kontrollprämie enthalten war, war diese danach auf null gesunken.

Über die rechtliche Zulässigkeit des Vorgehens der verkaufenden Familie ist vor den

Gerichten des Kantons Zug ein Prozess hängig, der zur Zeit der Abgabe dieses Manu-

skripts nach wie vor andauert. An dieser Stelle sei immerhin vermerkt,

dass die Sika wie viele andere Publikumsgesellschaften Stimmrechtsaktien ausge-

geben hatte, was nach Art. 693 OR ausdrücklich zulässig ist;

dass die Gesellschaft darüber hinaus seit Inkrafttreten der entsprechenden Bestim-

mungen des Börsengesetzes in ihren Statuten die Angebotspflicht rechtmässig

wegbedungen hatte30.

Beides war den Marktteilnehmern bekannt. Ebenfalls bekannt war, dass das Gesetz we-

der den grossen noch den kleinen Aktionär anhält, den Verwaltungsrat über seine Ver-

kaufsabsichten zu orientieren; den Aktionär trifft keine Treuepflicht (Art. 680 Abs. 1

OR)31. Allein, die Marktteilnehmer erwarteten das nicht. Bis zur Bekanntgabe des Ver-

kaufs des kontrollierenden Aktienpakets bestand ganz offensichtlich die Annahme, im

Falle eines allfälligen Verkaufs der Unternehmung würden die Inhaberaktionäre nicht

im Regen stehen gelassen. Die Erwartungen des Kapitalmarkts haben aber nichts zu

tun mit rechtlich durchsetzbaren Zusagen32.

bb) Rechtliche Verbindlichkeit

Verträge sind verbindlich, Absichtserklärungen i.d.R. nicht. Wer bekannt gibt, etwas

zu planen, ist damit nicht gehalten, dies auch durchzuführen.

Nur wer bei einem anderen objektiv gerechtfertigtes Vertrauen weckt, muss sich unter

Umständen bei seinem Wort behaften lassen. Angesprochen ist damit die Figur der

Vertrauenshaftung, die mit dem Swissair-Entscheid des Bundesgerichts33 in die

––––––––––––––––––––––––– 30 Verfügung der UEK 594/01 vom 5. März 2015. S. dazu auch Verfügung der FINMA vom 4. Mai

2015, sowie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-3119/2015 vom 27. August 2015. 31 PETER FORSTMOSER/ARTHUR MEIER-HAYOZ/PETER NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, Bern

1996, § 1 N 152; PETER BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl., Zürich 2009, § 13 N 664;

HANS-UELI VOGT, Aktionärsdemokratie, Zürich/St.Gallen 2012, 27; DANIEL DAENIKER, Loyali-

tätsaktien – Postulat oder Rechtswirklichkeit?, in: Tschäni (Hrsg.), Mergers & Acquisitions XVII,

Zürich 2015, 139 ff., 143 (m.w.N). 32 DANIEL DAENIKER, Understanding SIKA: Who controls a Swiss public company?, in: Spencer

Stuart Switzerland Board Index 2015, 5 ff. und 8. 33 BGE 120 II 331, in der Folge mehrfach präzisiert und in der Tragweite eingeschränkt (vgl. etwa

BGE 121 III 350, E. 5c f.; BGE 124 III 297, E. 6; BGE 131 III 377, E. 3; BGE 133 III 449, E. 4).

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schweizerische Rechtslandschaft Einzug gehalten hat34. Voraussetzung einer Schaden-

ersatzpflicht aus erwecktem und enttäuschtem Vertrauen35 ist das Bestehen einer recht-

lichen Sonderverbindung36, aus der sich nach Treu und Glauben Schutz- und Aufklä-

rungspflichten ergeben37.

Durch Kommunikation eines Unternehmens mit dem Markt wird indes kaum je eine

rechtliche Sonderverbindung geschaffen. Andernfalls würden Unternehmen mit jeder

Publikation eines Inserats oder einer Medienmitteilung der gesamten Anlegerschaft ge-

genüber in der Pflicht stehen. Die Konsequenzen eines derart breit verstandenen Ver-

trauensverhältnisses, die sich daraus ergebenden Schutz- und Aufklärungspflichten und

die damit verbundenen Haftungsfolgen wären für Unternehmen kaum überblickbar38.

Zudem verwischt diese Konstruktion den klaren dogmatischen Entscheid des schweize-

rischen Gesetzgebers, dass für reine Vermögensschäden grundsätzlich nicht gehaftet

wird – eine bewusst gewollte Haftungsbeschränkung39. Und betrachtet man die Ent-

wicklung der Rechtsprechung seit dem Swissair-Entscheid40, lässt sich unschwer er-

kennen, dass auch das Bundesgericht das Konstrukt der Vertrauenshaftung durch das

Aufstellen zahlreicher weiterer Voraussetzungen – m.E. zu Recht – erheblich relativiert

hat.

b) Bekanntgabe von Verträgen

aa) Beispiele

Am 30. April 2015 gab die an der SIX kotierte Kaba Holding AG den geplanten Zu-

sammenschluss mit der deutschen Dorma-Gruppe bekannt. Teil der dabei geschlosse-

nen Vereinbarungen war ein Aktionärbindungsvertrag, den die Ankeraktionäre der

Kaba mit den Eigentümern der Dorma abgeschlossen hatten. Durch diesen Vertrag

bildeten die Parteien einen neuen Aktionärspool und verpflichteten sich u.a., im Falle

eines Verkaufs aller Poolaktien dafür zu sorgen, dass ein Käufer dieser Poolaktien zum

selben Preis ein Angebot an alle Publikumsaktionäre machen würde: ––––––––––––––––––––––––– 34 Vgl. PETER GAUCH/WALTER R. SCHLUEP/JÖRG SCHMID, Schweizerisches Obligationenrecht All-

gemeiner Teil, Band I, 10. Aufl., Zürich 2014, N 982a; umfassend PETER LOSER, Die Vertrauens-

haftung im schweizerischen Schuldrecht, Habil. Basel, Bern 2006. 35 BGE 128 III 324, E. 2.2. 36 BGE 120 II 331, E. 5a. 37 BGE 120 II 331, E. 5a; BGE 128 III 324, E. 2.2; BGE 130 III 345, E. 2. – Zur Kasuistik vgl.

GAUCH/SCHLUEP/SCHMID (Fn. 34), N 982 f. 38 Ein solch diffuses Vertrauensverhältnis als relevant zu betrachten, läuft darauf hinaus, den blos-

sen sozialen Kontakt zum Haftpflichttatbestand zu erheben. Wer solches plädiert, «[...] öffnet eine

Büchse der Pandora mit zahllosen Haftungsfällen» (HEINRICH HONSELL, Schweizerisches Obliga-

tionenrecht – Besonderer Teil, 8. Aufl., Bern 2006, 310). 39 HONSELL (Fn. 38), a.a.O. 40 Vgl. die in Fn. 33 zitierten Entscheide.

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«Die Familienaktionäre von Dorma und Kaba, die zusammen 27,3% an der Dorma + Kaba Holding halten werden, haben einen langfristigen Ak-tionärsvertrag unterzeichnet. Sie haben sich unter anderem gegenseitige Vorkaufsrechte eingeräumt und verpflichten sich, ein Aktienpaket von 27% oder grösser nur dann an einen Dritten zu verkaufen, wenn dieser allen Aktionären ein öffentliches Übernahmeangebot zum selben Preis pro Aktie unterbreitet. Somit soll offenbar ein «Sika-Fall», bei dem die Käufer von den Anteilen der Eigentümerfamilie kein solches Angebot an alle Aktionäre gemacht haben, verhindert werden.»41

Die Poolaktionäre auferlegten sich diese freiwillige Selbstbeschränkung, obwohl die

damals in Art. 32 BEHG42 festgeschriebene Angebotspflicht erst ab 33⅓% der Stimm-

rechte einer Publikumsgesellschaft greift. Damit wurde den Publikumsaktionären sig-

nalisiert, dass sich bei der neuen dorma+kaba Holding AG ein Fall Sika nicht wieder-

holen würde. Die Regelung wurde nicht in die Statuten der Gesellschaft aufgenommen,

in den Medien aber trotzdem als verbindliche Zusage dargestellt43.

Die ebenfalls an der SIX kotierte Schindler Holding AG hat in ihren Statuten die An-

gebotspflicht wegbedungen44. Am 3. Juli 2015 gab auch diese Gesellschaft den Inhalt

einer Vereinbarung unter den kontrollierenden Poolaktionären bekannt: Die Mitglieder

des Aktionärspools verpflichteten sich, im Falle einer Veräusserung der Mehrheit der

Aktien an der Gesellschaft dafür zu sorgen, dass der Erwerber gleichzeitig den Publi-

kumsaktionären der Gesellschaft eine Übernahmeofferte unterbreitet. Immerhin wäre

es den Poolaktionären erlaubt gewesen, eine Kontrollprämie von bis zu 10% zu verlan-

gen. Die entsprechende Regelung sollte in den Statuten der Gesellschaft verankert

werden, was aber die Übernahmekommission mit Verfügung vom 21. Juli 2015 unter-

sagte45.

Die Schindler verzichtete auf Weiterzug an die FINMA bzw. ans Bundesverwaltungs-

gericht. Gleichzeitig gaben aber die beteiligten Poolaktionäre bekannt, die vertragliche

Vereinbarung habe für sie nach wie vor Bestand. Die Märkte reagierten kaum auf diese

Nachricht: In der Presse wurde der Fortbestand der Zusage der Aktionärsfamilien

durchweg positiv kommentiert – als ob der statutarischen Verankerung der Bestim-

mungen des Aktionärbindungsvertrags kein Wert zugemessen wurde.

––––––––––––––––––––––––– 41 Neue Zürcher Zeitung vom 2. Mai 2015, Nr. 100, 31. 42 Heute Art. 135 FinfraG. 43 Vgl. dazu OLIVIER BAUM/HANS CASPAR VON DER CRONE, Selektives Opting out und Transaktions-

vereinbarung, SZW 87 (2015), 417 ff., 428 ff. 44 Statuten der Schindler Holding AG (Stand am 22. März 2016), Art. 39. 45 Für eine kritische Würdigung dieses Entscheids vgl. BAUM/VON DER CRONE (Fn. 43), 427.

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DANIEL DAENIKER

546

bb) Rechtliche Verbindlichkeit

Kann man sich in Fällen wie dorma+kaba oder Schindler auf den Standpunkt stellen,

die Vereinbarung unter Aktionären einer Publikumsgesellschaft mit gleichzeitiger

Kundgabe an den Kapitalmarkt sei ein Vertrag zugunsten Dritter? Bejahendenfalls

kann der Minderheitsaktionär Einhaltung der vertraglichen Bestimmungen verlangen –

gleich wie wenn die entsprechende Bestimmung in den Statuten der Gesellschaft ver-

ankert wäre.

Gemäss Art. 112 Abs. 2 OR kann der Dritte nur dann selbständig die Erfüllung fordern,

wenn es die Willensmeinung der anderen Vertragsparteien war oder wenn es der

Übung entspricht. Ein Publikumsaktionär kann somit nur dann auf Erfüllung des Akti-

onärbindungsvertrags klagen, wenn dies so vereinbart wurde; von einer Übung kann in

diesem Zusammenhang nicht die Rede sein. Haben die Parteien keine Aussenwirkung

des Aktionärbindungsvertrags vereinbart, lässt sich kein selbständiges Forderungsrecht

der übrigen Aktionäre konstruieren. Für eine echte Drittwirkung wäre eine statutarische

Verankerung notwendig, die allerdings wegen des Verbots von Nebenleistungen in

Art. 680 Abs. 1 OR nur indirekt festgeschrieben werden kann, etwa als Eintragungsvo-

raussetzung. Fehlt eine solche Statutenbestimmung, kann die entsprechende vertragli-

che Verpflichtung nur von den Parteien des Aktionärbindungsvertrags durchgesetzt

werden.

Falls sich alle Parteien eines Aktionärbindungsvertrags über die vorne beschriebenen

Zusagen hinwegsetzen und ein Aktienpaket an einen Dritten verkaufen, ohne diesen

zur Unterbreitung eines öffentlichen Übernahmeangebots anzuhalten, besteht auf den

ersten Blick keine rechtliche Handhabe gegen dieses Verhalten. Der Verwaltungsrat,

der die Eintragung des Erwerbers ins Aktienbuch verweigert, kann sich nicht auf einen

statutarischen Ablehnungsgrund nach Art. 685d OR berufen. Und die Pflicht zur Un-

terbreitung eines Übernahmeangebots entfällt, weil (im Fall Kaba) die Schwelle für die

Angebotspflicht nicht erreicht ist bzw. (im Fall Schindler) von vornherein ein Opting-

Out besteht.

Dass die Marktteilnehmer bei Kaba und bei Schindler positiv auf die Ankündigung der

entsprechenden Massnahmen reagiert haben, legt den Schluss nahe, die fehlende recht-

liche Durchsetzbarkeit habe sie nicht gekümmert. Ob der Abmachung der Parteien

eines Aktionärbindungsvertrags Gewicht beigemessen wird, bestimmt sich demnach

(auch) nach deren Glaubwürdigkeit, einer Facette der Reputation. Sind die entspre-

chenden Akteure dafür bekannt, dass sie zu ihrem Wort stehen, so setzen die Marktteil-

nehmer anscheinend auf deren Vertragstreue. So gesehen, ersetzen Reputationseffekte

bis zu einem gewissen Grad die fehlende Verbindlichkeit der dem Markt gegenüber

gemachten Zusagen.

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Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt: Balanceakt zwischen Reputation und Recht

547

c) Prognosen am Kapitalmarkt

aa) Ausgangspunkt

Nicht selten kommunizieren Unternehmen ihre Anschauung über den künftigen Ge-

schäftsverlauf in Form von sog. forward-looking statements. Dies ist etwa im Zuge von

Aktienplatzierungen der Fall, aber auch im Rahmen der Berichterstattung kotierter

Gesellschaften im Rahmen des seit 2015 obligatorischen Lageberichts46: Der Lagebe-

richt hat unter dem Stichwort «Zukunftsaussichten» (Art. 961c Abs. 2 Ziff. 6 OR) ge-

nerell eine Beurteilung der geschäftlichen Zukunft vorzunehmen47.

Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen48. So erstaunt es

kaum, dass die Zukunftsberichterstattung in der parlamentarischen Beratung heftig um-

stritten war49. Die Befürchtung wurde geäussert, man verlange vom Verwaltungsrat

Hellseherei, und bei Fehlprognosen werde die Haftung der Gesellschaftsorgane ver-

schärft50. Die vorliegend interessierende Frage nach der Haftung für falsche Prognosen

wurde also bereits vom Parlament antizipiert.

bb) Haftung für falsche Prognosen?

Unternehmen wollen sich nicht dem Vorwurf falscher Prognosen ausgesetzt sehen, aus

Reputationsüberlegungen ebenso wie zur Vermeidung von Haftungsrisiken. Lehre und

Praxis zu (unrichtigen) Prognosen im Rahmen von Emissions- und Kotierungsprospek-

ten können hier zum Vergleich herangezogen werden. Unrichtig im Sinne von Art. 752

OR sind nicht nur falsche Tatsachenfeststellungen, sondern unter Umständen auch

falsche Prognosen51, wenn sie ohne Berücksichtigung konkreter Tatsachen und Wahr-

scheinlichkeiten erfolgen, insbesondere dann, wenn leichtfertig übertriebene Erwartun-

gen geweckt werden52. Kommuniziert ein Unternehmen hinsichtlich seiner Zukunfts-

aussichten, wird es sich deshalb vor allzu gewagten Vorhersagen in Acht nehmen53.

––––––––––––––––––––––––– 46 Dazu FRANK GERHARD, Der Lagebericht, ST 11/2012, 901 ff.; PETER BÖCKLI, Neue OR-Rech-

nungslegung, Zürich 2014, N 800 ff. 47 Botschaft des Bundesrates vom 21. Dezember 2007 zur Änderung des Obligationenrechts, BBl

2008 1589, 1717. 48 Im Netz gehen die Meinungen auseinander, ob dieses Bonmot YOGI BERRA zugeschrieben wird

oder ein dänisches Sprichwort paraphrasiert. 49 BÖCKLI (Fn. 46), N 827. 50 Dazu BÖCKLI (Fn. 46), N 827. 51 DANIEL DAENIKER/STEFAN WALLER, Kapitalmarktbezogene Informationspflichten und Haftung,

in: Weber (Hrsg.), Verantwortlichkeit im Unternehmensrecht, Zürich 2003, 55 ff., 74 (m.w.H). 52 So bereits BGE 47 II 272, E. 1. – Ebenso BÖCKLI (Fn. 31), § 18 N 32(ii); MARTIN FURRER, Wann

führt Kommunikation zur Haftung?, in: Baker & McKenzie (Hrsg.), Haftung und Verantwortung

im Kapitalmarkt- und Finanzbereich, Zürich 2003, 92. 53 Vgl. BÖCKLI (Fn. 46), N 828.

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DANIEL DAENIKER

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Bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Prognose ist auf die Verhältnisse im

Zeitpunkt ihrer Abgabe abzustellen. Allein der Umstand, dass sich eine Prognose im

Nachhinein als unrichtig erweist, ist dem Unternehmen nicht anzulasten. In der Praxis

machen Unternehmen deshalb regelmässig Angaben zu den Prämissen, auf denen ihre

konkreten zukunftsgerichteten Aussagen beruhen54. Auf Fakten basierte Kommunika-

tion von Prognosen dürfte damit kaum je zur Haftung führen. In der Lehre wird denn

auch zu Recht postuliert, dass nur absichtliche Falschaussagen haftpflichtrechtlich

relevant seien55.

IV. Zugeben unternehmerischer Fehler

1. Zugeben von Fehlern als Kommunikationsstrategie

Die in Teil II. gemachten Ausführungen zum Wert von Reputation zeigen, wie schnell

sich ein guter Ruf verlieren lässt56. Ganz besonders gilt das im Zeitalter der sozialen

Medien und der Boulevardisierung der Finanzpresse57.

Die Kommunikationswissenschaft kennt für den Fall einer Krisensituation, die durch

unternehmerisches Fehlverhalten verursacht ist, grundsätzlich zwei Strategien: full

apology, bei der die Verantwortung für ein Fehlverhalten übernommen wird, oder de-

nial, bei der Verfehlungen so lange wie möglich abgestritten werden58. Empirische

Studien scheinen aufzuzeigen, dass bei offensichtlichen Missständen full apology die

Kommunikationsstrategie darstellt, die am meisten die Reputation bewahrt; ist ein Feh-

ler passiert, soll ein Unternehmen dazu stehen59. Die Entwicklung zu dieser Erkenntnis

war indessen alles andere als geradlinig. Im 20. Jahrhundert verloren viele schweizeri-

sche Unternehmen die Kommunikationshoheit, weil sie im Rahmen von Unterneh-

menskrisen zu lange auf Tauchstation gingen60. Später wurde eher reaktives Verhalten

die Norm. Heute bemühen sich Unternehmen vermehrt, Gefahrenherde aufzuspüren,

bevor ein Problem entsteht, und nicht zu warten, bis die Polizei vor der Tür steht61.

––––––––––––––––––––––––– 54 GERHARD (Fn. 46), 975 (m.w.N.). 55 DAENIKER/WALLER (Fn. 51), 74; GERHARD (Fn. 46), 976. 56 S. vorne Fn. 11. 57 BRUNO FREY/CHRISTIAN ULBRICH, Shitstorms in sozialen und klassischen Medien, in: FS Nobel,

Bern 2015, 529 ff.; ANDRÉ CALLEGARI, Full Apology oder Denial? Ein Praxisvergleich zweier

Kommunikationsstrategien bei Personenkrisen, Masterarbeit ZHAW 2014, passim. 58 CALLEGARI (Fn. 57), 1. 59 In diesem Sinne CALLEGARI (Fn. 57), 43 ff. 60 Als Beispiel KASPAR SILBERSCHMIDT, Die Kommunikation der Schweizerischen Kreditanstalt

(SKA) vor und nach dem Chiasso-Skandal (1977), Zürich 2014, 8 ff. 61 Neue Zürcher Zeitung vom 19. Januar 2016, Nr. 14, 29: «Geschäftsgebaren unter öffentlicher Be-

obachtung – Der Umgang mit Reputationsrisiken erfordert proaktives Verhalten».

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Unternehmenskommunikation am Kapitalmarkt: Balanceakt zwischen Reputation und Recht

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Wie lässt sich full apology aber rechtlich einordnen? Anwälte sind darauf trainiert,

Verschwiegenheit als eine der obersten Prämissen zu sehen, Kommunikationsexperten

lernen dagegen, möglichst rasch und offen zu informieren – ein Interessengegensatz

erster Güte62. Offene Kommunikation ist gegebenenfalls auch ein Problem für den

Klienten. Führt das Zugeben von Fehlern zur zivil- oder gar zur strafrechtlichen Ver-

antwortlichkeit, wird der Klient eher geneigt sein, Fehler abzustreiten oder sich für ein

Fehlverhalten nicht zu entschuldigen63.

«Accepting responsibility results in organizations losing lawsuits related to the crisis. If an organization says it is responsible, it must pay in court.»64

Trotz dieser apodiktischen Aussage finden sich in der Literatur aber auch einige Hin-

weise darauf, dass das Zugeben von Fehlverhalten auch in rechtlicher Hinsicht das

richtige Vorgehen darstellen kann, vor allem in Kulturkreisen, wo die öffentliche Ent-

schuldigung zum Standardrepertoire gehört65.

2. Zugeben von Fehlern als Rechtsproblem

Nachfolgend seien drei privatrechtliche Probleme des Zugebens von Fehlern näher

erörtert. Nicht beleuchtet sei die Frage, inwieweit das öffentliche Zugeben strafrecht-

lich relevanten Verhaltens in einem Strafprozess zur Verurteilung führen kann66.

a) Anwendungsfall Ad-hoc-Publizität

Wie erwähnt67, verpflichtet Art. 53 KR den Emittenten börsenkotierter Effekten, den

Markt über kursrelevante Tatsachen, die in seinen Tätigkeitsbereichen eingetreten sind,

zu informieren. Dazu gehören auch negative Ereignisse wie angedrohte Prozesse, un-

erwartete Verluste im laufenden Geschäft, der Rückruf von Produkten oder fehlge-

schlagene Investitionen, die zu wesentlichen Wertberichtigungen führen68. Jedes dieser

––––––––––––––––––––––––– 62 Ausführlich CALLEGARI (Fn. 57), 23 ff. 63 CALLEGARI (Fn. 57), 36 f. 64 W.T. COOMBS, Ongoing Crisis Communication: Planning, Managing and Responding, 3. Aufl.,

London 2012, 156. 65 MAX BOLSTAD, Learning from Japan: The Case for Increased Use of Apology in Mediation,

Cleveland State Law Review 48 (2000), 544 ff., 558 f.; ROBIN CARROLL, Apologies as a Legal

Remedy, Sydney Law Review 35 (2013), 317 ff. 66 Weiterführend WOLFGANG WOHLERS, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber (Hrsg.), Kommentar zur

Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO), 2. Aufl., Zürich 2014, N 1 ff. zu Art. 139 StPO;

ferner GUNHILD GODENZI, a.a.O., N 1 ff. zu Art. 160 StPO. 67 S. vorne III.1. 68 Kommentar der SIX Swiss Exchange zur RLAhP, Rz. 50 ff.; ANNA PETER, Die kursrelevante Tat-

sache, Diss. Zürich 2015, N 215 ff., sowie LUKAS FAHRLÄNDER, Der revidierte Insiderstraftatbe-

stand, Diss. Zürich 2015, N 515 ff.

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DANIEL DAENIKER

550

Ereignisse wird den Aktienkurs des kotierten Unternehmens voraussichtlich negativ

beeinflussen. Das KR lässt dem Emittenten aber keine Wahl: Auch bad news müssen

unverzüglich kommuniziert werden69.

Damit stellt sich die Frage, ob das Zugeben eines Fehlers für sich allein haftungsrele-

vant ist. Soweit ersichtlich, ist das nicht der Fall. Die rechtzeitige und korrekte Kom-

munikation unternehmerischer Fehlschläge führt nicht zur Haftung, gerade weil sie von

der Rechtsordnung geboten ist. Dies gilt in der Schweiz70 ebenso wie in den USA, wo

die Prozessfreudigkeit von Klägeranwälten legendär ist. In den USA behaupten Kläger

in den Prozessen um securities fraud denn auch regelmässig, der Emittent hätte falsch

oder verspätet den Markt orientiert71.

Der Zankapfel, der auch die schweizerische Rechtslehre seit einiger Zeit beschäftigt, ist

die Frage der Haftung für falsche, aber auch für die unterlassene oder verspätete Ad-

hoc-Publizität. In der Lehre wird zum Teil davon ausgegangen, es bestehe eine Haftung

für die absichtliche Falschinformation des Markts; teils wird auch eine Haftung für

fahrlässiges Fehlverhalten postuliert, gestützt auf die Theorie, dass Art. 53 KR eine

Schutznorm i.S.v. Art. 41 Abs. 1 OR darstellen soll72. Das Bundesgericht hat die Frage

offengelassen73. Aber selbst die Befürworter der Haftung für verspätete Information

gehen davon aus, dass eine Unternehmung vor allem denjenigen Anlegern den Schaden

zu ersetzen hat, die ihre Aktien zum falschen Zeitpunkt gekauft haben: zwischen dem

Augenblick, als das Unternehmen hätte informieren müssen, und dem Moment, wo

tatsächlich informiert wurde. Wer rasch, richtig und vollständig informiert, kann dies

ohne Haftungsfolgen tun.

––––––––––––––––––––––––– 69 FAHRLÄNDER (Fn. 68), N 518. 70 DAENIKER/WALLER (Fn. 51), 105 ff.; DANIEL DAENIKER, Fraud on the Market: ökonomische

Theorien vor Gericht, GesKR 2014, 396 ff., 401. 71 Ausführlich DAENIKER (Fn. 70), 399 ff. 72 Zum Meinungsstand vgl. BÖCKLI (Fn. 31), § 18 N 71; BGE 137 III 37, E. 2.2.1; DAENIKER

(Fn. 70), 401 Fn. 51; sowie ausführlich DANIEL DEDEYAN, Regulierung der Unternehmenskom-

munikation, Habil. Zürich 2015, 916 ff.; DERS., Haftung als Regulierungsinstrument im Finanz-

marktrecht? – Am Beispiel der Ad-hoc-Publizität, Beitrag in dieser Festschrift, 617 ff. 73 Vgl. BGE 137 III 37, E. 2.2.1, und die Entscheidbesprechung von MATTHIAS MAURER/HANS

CASPAR VON DER CRONE, Rechtsschutz bei Dekotierung von der Börse SIX Swiss Exchange,

SZW 83 (2011), 400 ff.

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b) Anwendungsfall Organverantwortlichkeit

Gemäss Art. 754 Abs. 1 OR sind die Mitglieder des Verwaltungsrates und alle mit der

Geschäftsführung befassten Personen der Gesellschaft den einzelnen Aktionären, im

Konkurs auch den Gesellschaftsgläubigern74, für den Schaden verantwortlich, den sie

durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen75.

Wesentliche unternehmerische Fehlleistungen können zur aktienrechtlichen Verant-

wortlichkeit führen, allerdings nur dann, wenn Sorgfalts- oder Treuepflichten verletzt

worden sind. Das Eingehen unternehmerischer Risiken, die sich als Fehlschlag erwei-

sen, führt für sich allein nicht zur Haftung, im Gegenteil: Wesen der unternehmeri-

schen Tätigkeit ist es gerade, Geschäfte zu tätigen, die nicht immer zum Erfolg führen.

Risiken einzugehen, ist also nicht per se haftungsbegründend. Ein unternehmerischer

Entscheid, der sich im Nachhinein als falsch herausstellt, war nicht unbedingt von

vornherein fehlerhaft und führt damit auch nicht automatisch zur aktienrechtlichen

Verantwortlichkeit76. Misserfolg allein stellt keine Pflichtverletzung dar, denn die ak-

tienrechtliche Verantwortlichkeit garantiert nicht den Unternehmenserfolg77.

Gehaftet wird also nicht für fehlgeschlagene unternehmerische Entscheide, sondern nur

(aber immerhin) für Entscheide, die in Verletzung von Sorgfaltspflichten beschlossen

oder durchgeführt worden sind. Dies aus der Rückschau zu beurteilen, ist nicht immer

ganz einfach78. Zu Recht auferlegen sich die Gerichte in solchen Fällen eine gewisse

Zurückhaltung und sehen grundsätzlich davon ab, ihr eigenes Ermessen an die Stelle

des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung zu setzen79. Das Bundesgericht hat sich

––––––––––––––––––––––––– 74 Vgl. dazu Art. 757 OR. 75 Zur Verantwortlichkeit nach Art. 754 OR generell VON DER CRONE, Aktienrecht (Fn. 4), § 2 N

45 ff. 76 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (Fn. 31), § 28 N 24; BÖCKLI (Fn. 31), § 18 N 400 ff.; PETER

R. ISLER, Sorgfalt und Haftung des Verwaltungsrates, in: Weber (Hrsg.), Verantwortlichkeit im

Unternehmensrecht, Zürich 2003, 1 ff., 18; DANIEL DAENIKER, Kann eine schweizerische Publi-

kumsgesellschaft ihre Organe von Verantwortlichkeitsansprüchen schadlos halten?, GesKR 2009,

378 ff., 378; DIETER GERICKE/STEFAN WALLER, Business Judgment oder Judge's Business? – Die

Überprüfung von Geschäftsentscheidungen im Lichte der Praxis des Bundesgerichts, in: Kunz/

Jörg/Arter (Hrsg.), Entwicklungen im Gesellschaftsrecht IX, Bern 2014, 287 ff., 314; ROLF H.

WEBER, Auf dem Weg zu einem neuen Konzept der Unternehmensverantwortlichkeit?, SJZ 112

(2016), 25 ff., 28. 77 Vgl. dazu auch HANS CASPAR VON DER CRONE/ANTONIO CARBONARA/SILVIA HUNZIKER, Aktien-

rechtliche Verantwortlichkeit und Geschäftsführung, ZSR-Beiheft 43, Basel 2006, 21 ff., sowie

GERICKE/WALLER (Fn. 76), 315. 78 Dazu VITO ROBERTO/KRISTOFFEL GRECHENIG, Rückschaufehler («Hindsight Bias») bei Sorgfalts-

pflichtverletzungen, ZSR 130 (2011) I, 5 ff., 5 f. und 11 ff. 79 HANS CASPAR VON DER CRONE, Haftung und Haftungsbeschränkung in der aktienrechtlichen Ver-

antwortlichkeit, SZW 78 (2006), 2 ff., 6 f., insb. Fn. 29.

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in jüngerer Vergangenheit mehrfach mit dieser Thematik konfrontiert gesehen und

dabei die von der h.L.80 geforderte Zurückhaltung bei der nachträglichen gerichtlichen

Beurteilung von Geschäftsentscheiden anerkannt81.

Dieser Umstand hat auch Konsequenzen hinsichtlich der Kommunikation. In der Praxis

ist die Grenze zwischen der Fehlbeurteilung, die nicht zur Verantwortlichkeit führt,

und dem rechtlich relevanten unternehmerischen Fehler i.S.v. Art. 754 Abs. 1 OR nicht

ganz so einfach zu ziehen. Eine Unternehmenskommunikation, die nicht selbstschädi-

gend sein soll, muss diese Balance stets beachten.

Am einfachsten wäre es auch hier, zu Fehlern grundsätzlich keine Stellung zu nehmen

bzw. diese abzustreiten. Häufig ist aber eine Erklärung erforderlich, um die kochende

Volksseele zu besänftigen. Anschauliches Beispiel sind die Transparenzberichte der

UBS AG, mit denen im Jahre 2010 die Ereignisse im Zusammenhang mit den Verlus-

ten im Rahmen der Finanzmarktkrise aufgearbeitet wurden. Vor Veröffentlichung die-

ser Berichte war vielfach die Forderung zu hören, die ehemaligen Organe der UBS AG

müssten für die Verluste zivil- oder gar strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen wer-

den. Sogar parlamentarische Kommissionen und der Bundesrat befassten sich mit dem

Fall82. Die Transparenzberichte83 räumten im Ergebnis bei der UBS AG ebenso wie bei

vielen anderen Banken eine mangelhafte Beurteilung der Lage ein, ein unternehmeri-

sches Fehlverhalten wurde allerdings nicht zugegeben. Die Berichte wurden in der

Öffentlichkeit unterschiedlich aufgenommen84, führten aber im Ergebnis dazu, dass der

rechtliche Druck auf einen Schlag verschwand.

––––––––––––––––––––––––– 80 Vgl. BSK OR II-GERICKE/WALLER, 5. Aufl., Basel 2016, N 31a zu Art. 754 OR, mit einer aktuel-

len Übersicht zum Meinungsstand. 81 Vgl. etwa BGer 4A_74/2012 vom 18. Juni 2012, E. 5.1, bestätigt in BGE 139 III 24, E. 3.2, sowie

in den Urteilen des Bundesgerichts 4A_603/2014 vom 11. November 2015, E. 7.1.1, 4A_97/2013

vom 28. August 2013, E. 5.2, und 4A_15/2013 vom 11. Juli 2013, E. 6.1; DANIEL BRUGGER/HANS

CASPAR VON DER CRONE, Gerichtliche Beurteilung von Geschäftsentscheiden, SZW 85 (2013),

178 ff. (m.w.H.). 82 <https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20105369>. 83 UBS AG, Transparenzbericht an die Aktionärinnen und Aktionäre der UBS AG, Oktober 2010;

TOBIAS STRAUMANN, Die UBS-Krise aus wirtschaftshistorischer Sicht, Expertenbericht erstellt

zu Handen der UBS AG, 28. September 2010; abrufbar unter: <http://static.nzz.ch/files/4/6/7/

Straumann_de_1.7997467.pdf>. 84 Neue Zürcher Zeitung vom 15. Oktober 2010, Nr. 240, 23 und 25; SonntagsZeitung vom 17. Ok-

tober 2010, 53.

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c) Anwendungsfall Produktehaftpflicht und -sicherheit

Wie die börsenrechtlichen Regeln zur Ad-hoc-Publizität85 machen auch die anwendba-

ren Vorschriften zur Produktehaftpflicht das Zugeben von Fehlern nicht zur Option,

sondern schlicht zur Rechtspflicht.

Das Bundesgesetz über die Produktesicherheit (PrSG) sieht vor, dass derjenige, der ein

Produkt in Verkehr bringt, grundsätzlich für dessen Sicherheit zu sorgen hat:

«Produkte dürfen in Verkehr gebracht werden, wenn sie bei normaler oder bei vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung die Sicherheit und die Gesundheit der Verwenderinnen und Verwender und Dritter nicht oder nur geringfügig gefährden.»86

Damit einher geht die Pflicht, Gefahren zu erkennen, die vom Produkt ausgehen kön-

nen, und Massnahmen zu treffen, um allfällige Gefahren abwenden zu können (Art. 8

Abs. 2 lit. a und g PrSG).

Wird festgestellt oder besteht Grund zur Annahme, dass von einem Produkt eine Ge-

fahr ausgeht, statuiert Art. 8 Abs. 3 PrSG eine Reihe von Pflichten, die unverzüglich

erfüllt werden müssen, unter anderem Warnungen, Verkaufsstopp, Rücknahme vom

Markt oder Rückruf des Produkts. Ein Marktteilnehmer wird also im Falle der Feststel-

lung einer Gefährdung durch ein Produkt nicht nur wegen seiner Reputation, sondern

schlicht aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen gehalten sein, öffentlich einen Fehler

einzugestehen. In der Praxis geschieht dies sehr häufig, wird aber in der Öffentlichkeit

wenig wahrgenommen – es sei denn, es handle sich um spektakuläre Fälle wie zum

Beispiel die Manipulation von Abgastests bei Dieselfahrzeugen des VW-Konzerns87.

Führt ein Rückruf also automatisch zur Haftung? Art. 4 PrHG hält fest, dass ein Pro-

dukt fehlerhaft ist, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung

aller Umstände zu erwarten berechtigt ist. Gesteht der Hersteller einen Fehler ein, ist

eine Hürde für die Annahme der Haftpflicht, nämlich der Nachweis des Fehlers, bereits

genommen. Die übrigen Voraussetzungen der Haftung nach PrHG88 – Schaden und

Kausalzusammenhang (Art. 1 und 6 PrHG) – müssen dagegen erst noch bewiesen wer-

den.

––––––––––––––––––––––––– 85 S. vorne III.2. 86 Art. 3 Abs. 1 PrSG. 87 Vgl. Neue Zürcher Zeitung vom 21. September 2015, Nr. 218, 23, und vom 19. Januar 2016,

Nr. 14, 29. 88 Weiterführend PIERRE WIDMER, Produktehaftung – Konzept und Umsetzung, in: Fellmann/Furrer

(Hrsg.), Produktsicherheit und Produkthaftung – Neue Herausforderungen für schweizerische Un-

ternehmen, Bern 2011, 101 ff.; WALTER FELLMANN/ANDREA KOTTMANN, Schweizerisches Haft-

pflichtrecht, Bd. I: Allgemeiner Teil sowie Haftung aus Verschulden und Persönlichkeitsverlet-

zungen, gewöhnliche Kausalhaftungen des OR, ZGB und PrHG, Bern 2012, N 1079 ff.

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DANIEL DAENIKER

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V. Fazit

Die in diesem Aufsatz gemachten Bemerkungen lassen folgende Schlussbemerkungen

zu:

Unternehmen handeln nicht nur aufgrund rechtlicher Pflichten, sondern häufig

auch aus Sorge um ihren guten Ruf. Aus diesem Grund können Empfehlungen des

soft law, die auf die Reputation eines Unternehmens zielen, das Verhalten von Un-

ternehmen ähnlich wirkungsvoll steuern wie staatlicher Zwang.

Der bei Juristen verbreitete Reflex, Fehler zunächst zu bestreiten, muss v.a. bei

börsenkotierten Unternehmen unterdrückt werden. Zum Teil sind es die Börsenre-

gularien oder gar gesetzliche Vorschriften, die ein Unternehmen anhalten, unter-

nehmerische Fehler sofort und umfassend den Marktteilnehmern mitzuteilen89.

Zum Teil liegt es auch in den ureigenen Interessen eines Unternehmens, zu Fehlern

zu stehen, selbst wenn dadurch das Ansehen (und der Aktienkurs) der betroffenen

Gesellschaft kurzfristig Schaden erleiden. Auch aus rechtlicher Sicht kann daher

full apology90 eine sinnvolle und gebotene Strategie darstellen.

Längst nicht jeder Fehler führt zur Schadenersatzpflicht. Vielmehr lässt das Recht

immer wieder Spielraum für das Zugeben von Fehlverhalten ohne Haftungsfol-

gen91.

Zum Schluss verbleibt die Erkenntnis, die der Jubilar schon anfangs der 1990er-Jahre

vorweggenommen hat: Reputation steuert wünschbares Verhalten von Teilnehmern im

Wirtschaftsleben häufig wirkungsvoller als der Holzhammer der Regulierung.

––––––––––––––––––––––––– 89 S. vorne III.2. und IV.2.c). 90 S. vorne IV.1. 91 S. vorne IV.2.a). und IV.2.b).

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