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Die Zeitschrift mit den guten Nachrichten
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Ausgabe 68 – August 2015
Die Zeitschrift mit den guten Nachrichten
AUGENBLICK M
AL
Nick VujicicVolkssport
MobbingSeite 14
Susanne MocklerDas Glück der
GroßfamilieSeite 4
Ja
angesprochen
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Ralf
Tibusek
Ich freue mich über jeden, der mir
bei der Begegnung ins Gesicht
schaut. Das sind manchmal recht
viele Menschen. In Köln mehr
als in Frankfurt. In London we-
niger als in Paris. In Rom mehr
als in New York und bei gutem
Wetter mehr als bei Bewölkung
oder gar Regen, habe ich mir ge-
merkt. Und schnell tauscht man
ein freundliches Lächeln aus,
ein grüßendes Zucken mit den
Augen. Ein Stück Lebensfreude
der mir Entgegenkommenden
nehme ich ganz einfach mit.
Den Menschen zugewandt
Ich liebe Großstädte.
Wenn sich irgendwo und irgendwann
die Gelegenheit ergibt, dann
schlendere ich durch die Stadt.
besonderer Art, bereichert sein
eigenes und das Leben des An-
deren.
„Das Auge ist das Licht des
Leibes“, heißt es an anderer
Stelle in der Bibel. Dieses Wis-
sen haben sich manche Ärzte
zu eigen gemacht und
mancher Heilprakti-
ker. „Ich schau dir in
die Augen, Kleines“,
sagte Humphrey Bo-
gardt in dem Kino-
klassiker „Casablanca“
zu Ingrid Bergman. Und er las
dort alles, was unausgespro-
chen geblieben war zwischen
den Beiden. Und wir kennen
es aus dem Alltag auch. Ob es
einem guten Freund schlecht
geht, erkennen wir oft schon,
wenn wir ihm in die Augen
schauen. Und wissen dann:
Leben ist nicht immer gleich
gut oder gleich schlecht. Leben
verläuft in Wellen. Aber bei allen
Höhen und Tiefen liegt es an
mir, was ich daraus mache. Bin
ich bereit zur Suche nach dem
Lächeln? Bin ich bereit ande-
ren, ein Lächeln zu schenken?
Bin ich bereit so zu leben, dass
andere und wohl auch Gott sich
über mein Leben freuen?
Lasse ich den Anderen und
Gott Anteil an meinem Leben
nehmen? Ein kleines Lächeln
– auch im übertragenen Sinn –
reicht da manchmal schon.
Ralf Tibusek
Gibt es Schöneres als das La-
chen und Winken eines kleinen
Kindes auf den Schultern des
Vaters oder das aufgeregt-neu-
gierige Vorwärtsstolpern eines
so kleinen Wichtes, der völlig
unbefangen soeben beginnt, in
der Fußgängerzone die Welt
zu erobern?
Aber es sind nicht we-
nige Menschen, die mit
gesenktem Blick durch
die Stadt gehen. Anschei-
nend jedoch nicht nachdenk-
lich oder versonnen, sondern
ängstlich, besorgt und bewusst
unauffällig. Junge, anscheinend
schüchterne Menschen. Ältere
Menschen, denen allein der Weg
schon sichtbare Mühe bereitet.
Ganz im Gegensatz dazu
stehen Menschen, die durch
sehr spezielle Kleidung oder
auffällig-lautstarkes Verhalten
viele Blicke auf sich ziehen.
Doch zur Kontaktaufnahme la-
den sie gewiss nicht ein, suchen
sie sichtlich nicht.
„Ich schau dir in die Augen, Kleines“
„Wer ein gütiges Auge hat, wird
gesegnet“, heißt es in der Bi-
bel. Und es stimmt. Wer lächelt
und dem anderen zugewandt
ist, bekommt hier und da ein
Lächeln zurück. Wer den ande-
ren in seiner Eigenart akzeptiert
und auf ihn eingeht in dessen
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Ich bin auf dem Weg in eines von
vier Öhringer Seniorenheimen.
Über die Hospizdienstleitung
hatte ich einen Anruf bekom-
men: Ob ich in der nächsten
Zeit eine ältere Dame zweimal
in der Woche besuchen könnte.
Die Angehörigen hatten darum
gebeten. Ansonsten weiß ich nur
ihren Namen – ich nenne sie
Frau Fischer. Im Eingangsbereich
des Heims fi nde ich auf einer
Tafel ihre Zimmernummer.
Eine solche „Begleitung“ ist
spannend. Nie weiß ich im vor-
aus, wer da auf mich wartet. Wird
dieser Mensch ansprechbar sein
oder nur apatisch und stumm im
Bett liegen? Erwartet mich ein
fröhlicher Mensch oder einer, der
ängstlich oder hoffnungslos ist,
vielleicht sogar wütend über sein
Ergehen und das nahe Sterben?
Als ich die Tür öffne, schaue ich
in das erstaunte Gesicht einer
Begleitung auf einem schweren Weg
Die meisten Menschen denken bei Hospizarbeit an ein Gebäude, in dem
schwerkranke Menschen auf ihrem letzten Lebensweg gepflegt werden.
Aber Hospizarbeit kann auch anders aussehen, weiß Ingrid Pantle.
89-Jährigen. Sie ist allein im Zim-
mer, liegt im Bett und trägt einen
geblümten Schlafanzug. Das Zim-
mer ist hell und freundlich. An
den Wänden hängen an dünnen
Plastikschnüren aufgehängt eine
ganze Reihe von Fotografi en. Ich
stelle mich vor. Schnell kommen
wir ins Gespräch. Dabei helfen
die Bilder an der Wand . Sie hat
eine große Familie, Kinder und
Enkelkinder.
Frau Fischer war zuvor im
Krankenhaus, brachte
einen Keim mit. Seit-
dem kann sie nicht mehr
aufstehen. Aber sie ist
gesprächig. Das hilft mir.
Nach einer guten Stunde
frage ich, ob ich ihr ein
paar Worte aus der Bibel
vorlesen darf. Sie bejaht.
Dann singen wir gemein-
sam die ersten Verse von
dem alten Kirchenlied „Befi ehl
du deine Wege“.
Kleines Missverständnis – große Aufgabe
Eigentlich kam ich durch ein
Missverständnis zur Hospizar-
beit. Ich wollte nur einen Kurs zur
Begleitung Sterbender besuchen
und landete in einem halbjäh-
rigen Ausbildungsprogramm für
den Hospizdienst. Seitdem be-
gleite ich sterbende Menschen,
höre zu, nehme Anteil und bie-
te an, mit Menschen zu beten
und zu singen. Ab und zu ergibt
sich ein tieferes Gespräch über
Glaubensfragen, die Bibel, Gott
oder das Leben nach dem Tod.
Manchmal sitze ich auch nur da
und halte eine Hand.
1967 gilt als das Geburtsjahr
der modernen Hospizbewegung.
Damals gründete Cicely Saun-
ders das erste Hospiz in London.
In Deutschland engagieren sich
über 100.000 Menschen in der
Hospizarbeit. Früher geschah
Sterbebegleitung ganz selbstver-
ständlich in den Familien durch
Angehörige oder Freunde. Das
hat sich geändert.
Sechsmal kann ich Frau Fi-
scher besuchen. Bei jedem Be-
such merke ich, wie sie schwä-
cher wird. Zuletzt kann sie nicht
mehr sprechen. Als ich das letzte
Mal ihre Zimmertüre öffne, sitzen
die Angehörigen an ihrem Bett.
Frau Fischer liegt mit offenem
Mund am Bett. Ich bin nur kurz
da, lasse dann die Angehörigen
mit ihrer Mutter, Oma und Uroma
allein. Eine halbe Stunde später
schaue ich nochmal ins Zimmer.
Sie lebt nicht mehr.
Ingrid Pantle
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Der Beruf „Mutter“ genießt
ein schlechtes Image.
Dazu tragen die Medien
und Meinungsmacher ihr
erhebliches Teil bei: Wir
bekommen kaum Bilder
von glücklichen, erfüllten
Muttis gezeigt. Es sind vor
allem genervte, unattraktive
und überfordert wirkende
Frauen, die das Klischee
des „Heimchens am Herd“ medial
verkörpern.
Anziehende Mehrkind-Familien
Für mich ist Mutter-Sein ein
Traumberuf. Bereits am Anfang
unserer Ehe – ich war damals
21 Jahre jung – wünschte ich
mir ein Leben mit Kindern. Wir
hatten in unserem Freundeskreis
einige fröhliche Mehrkind-Fami-
lien, deren Lebensstil auf mich
anziehend wirkte. Mein Mann,
eigentlich auch recht kinderlieb,
hätte sich das damals nicht vor-
stellen können, dass er einmal
achtfacher Vater würde. Gut, dass
uns Gott nicht alles auf einmal
auferlegt, sondern dass wir einen
Schritt nach dem anderen durch
unser Leben gehen dürfen.
„Was – ist die schon wieder schwanger?“
Obwohl in unserem christlichen
Umfeld ein grundsätzliches Ja
zum Kind weitgehend da war,
bedeutete es für mich jedes
Mal wieder eine Herausforde-
rung, öffentlich zu bekennen,
dass ich schwanger war. In den
hormonellen Wirren der ersten
Schwangerschaftswochen ist es
nicht einfach, die viele Kritik,
die garantiert auch kommt, zu
verkraften. Wer mag es schon,
wenn die Leute sich das Maul
zerreißen: „So jung und schon
drei Kinder!“
„Was – ist die schon wieder
schwanger?“
„Die können sich wohl nicht
beherrschen.“
Heute, etwas älter, gelassener
und aus der Distanz, frage ich
mich, warum ich mich jeweils
so angreifen ließ. Was gibt Men-
schen das Recht, einem Paar ihr
Kind schlecht zu machen?
Man sollte T-Shirts für Schwan-
gere drucken, auf denen vor dem
prallen Bauch in großen Buch-
Das Glück der
Groß-Familie
Susanne Mockler
„Sind das alles Ihre?“ Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört! Meis-
tens ist er verbunden mit einem prüfenden Blick, der mich von Kopf bis
Fuß „abscannt“. Ja – alles meine. Ich habe sie alle acht, eins nach dem
anderen, geboren. Die Menschen sind so verblüfft, weil unser Lebens-
modell, die Großfamilie, allmählich zum Exoten wird. Familien mit mehr
als drei Kindern begegnet man immer seltener.
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staben steht: „Ein Gottesge-
schenk.“ (nach Psalm 127 Vers
3: „Siehe, Kinder sind eine Gabe
des Herrn und Leibesfrucht ist
ein Geschenk.“) Dieser Bibel-
vers hat uns durch die vergange-
nen Jahre begleitet, zusammen
mit unserem Trautext aus dem
1. Petrusbrief: „Alle eure Sor-
ge werft auf ihn (Gott), denn er
sorgt für euch.“
Heute werde ich manchmal
um mein reiches Leben beneidet
und ab und zu sagt mir jemand:
„Ach, hätte ich doch auch mehr
Kinder bekommen – jetzt ist es
zu spät.“
Uns ist vollkommen bewusst,
dass es überhaupt nicht selbst-
verständlich ist, Kinder gebären
zu können. Sie sind tatsächlich
ein ganz besonderer Segen Got-
tes.
Bei den Sorgen, die so ein
Familienleben natürlich auch
bringt, übten wir uns im „Sorgen-
werfen“ und erlebten viele Male,
wie Gott sehr praktisch eingegrif-
fen hat. Er versorgt uns materiell,
gesundheitlich, hilft, wo wir mit
unseren Erziehungskünsten an
unsere Grenzen stoßen. Eins ist
uns sehr bewusst: Ohne seine
Hilfe wäre es um unsere Familie
arm bestellt. Ich bin unendlich
dankbar, dass wir ihm unsere
Familie anvertrauen können.
Ein gutes Trainingsfeld
Wo viele Menschen zusammen-
leben, wird natürlich ab und an
gestritten. Auch bei uns donnert
es hin und wieder. Aber wo könn-
te das besser geschehen als im
sicheren Rahmen der Familie, in
der der Grundtenor des Zusam-
menlebens gegenseitige Akzep-
tanz und Liebe heißt? Ich selbst
bekomme hier meinen Charak-
ter geschliffen: Oft versage ich,
werde laut und ungerecht, wenn
mir eine Situation über den
Kopf wächst. Die Familie ist ein
ausgezeichnetes Trainingsfeld
für Toleranz und Selbstbeherr-
schung. Wie froh bin ich da,
dass ich mit meinem Versagen
zu meinem himmlischen Vater
kommen darf, von dem ich weiß,
dass er mir immer wieder gerne
vergibt und unsere Beziehun-
gen heilt.
Auch wenn es mich manch-
mal mächtig stresst, wenn die
Kinder ihre Auseinandersetzun-
gen austragen, so bin ich doch
dankbar, denn ich weiß, dass
diese Situationen ihnen helfen,
konfl iktfähig zu werden. Unsere
Kinder haben hier den Vorteil der
Großfamilie: Teilen, aufeinander
Rücksicht nehmen, dem anderen
etwas gönnen – das lernt man mit
mehreren Geschwistern leichter.
So ist es beispielsweise für unse-
re Kinder normal, bis zur Pubertät
ein Zimmer zu zweit zu teilen. Sie
lernen, sich mitzufreuen, wenn
eins Geburtstag oder ein ande-
res Fest hat, ohne zu denken,
sie selbst kämen zu kurz. Und
ist doch mal jemand neidisch,
dann arbeiten wir gemeinsam
daran, damit fertig zu werden.
Exklusiv-Unternehmungen festigen das Vertrauen
Dieses Feiern des Einzelnen
und die besondere persönli-
che Zuwendung ist uns sehr
wichtig. Deshalb bemühen wir
uns, neben Zeiten nur für uns als
Ehepaar auch mit den Kindern
einzeln Dinge zu unternehmen.
Diese Exklusiv-Unternehmungen
sind immer ein Genuss für beide:
Mama oder Papa und das Kind,
denn dort pfl egen wir unsere
Freundschaft und festigen das
Vertrauen.
Den Kindern zu zeigen, wie
wertvoll und wichtig sie sind, ist
die eine wichtige Säule unserer
Erziehung. Dazu kommt eine
zweite – und die bedeutet richtig
Arbeit: Werte, Verantwortungs-
gefühl, Glaubensgrundsätze,
Leistungsbereitschaft, Selbst-
wert und Selbstdisziplin, auch
Achtung vor dem Anderen ent-
stehen nicht automatisch. Man-
che Eltern erliegen der falschen
Vorstellung, in einem einigerma-
ßen ordentlichen Umfeld würden
sich Kinder automatisch gut ent-
wickeln. Das ist ein fataler Irrtum.
Tatsächlich tragen wir Eltern eine
enorme Verantwortung: Mit der
Entscheidung für ein Kind fällt
man eine Entscheidung, sich
jahrelang zu investieren, Erzie-
hungsarbeit zu leisten und dafür
zu sorgen, dass das Kind sich
bestmöglich entfalten kann. Im
Gegenzug bekommen El-
tern dafür jede Menge
Glück und Segen, die
Freude, eine sinnvol-
le Aufgabe zu haben
und die Gewissheit,
Werte für die Ewig-
keit zu schaffen.
Susanne Mockler
Familie ist ein ausgezeichnetes
Trainingsfeld für Toleranz und
Selbstbeherrschung.
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LebensWERT
Eine alleinerziehende Mutter
wandte sich an die Beratungs-
stelle „Aus-WEG?!" Ihr neuer
Partner hatte sich nach der In-
formation, sie sei schwanger, per
SMS von ihr getrennt und 400
Euro für den Schwangerschafts-
abbruch überwiesen.
Zum Zeitpunkt der Kontakt-
aufnahme zu uns lag ein Bera-
tungsgespräch in einer § 218-Be-
ratungstelle hinter ihr. Der Ab-
treibungstermin stand fest. Im
Grunde ihres Herzens wollte sie
das nicht, doch sie sah keinen
anderen Ausweg. Die Reaktion
des Partners hatte sie so verletzt,
dass sie anfangs den Gedanken,
das Kind zur Welt zu bringen,
kaum zulassen konnte. Zudem
musste sie berufstätig sein und
hatte eine Zusatzausbildung be-
gonnen.
In mehreren Gesprächen keim-
te Hoffnung in ihr auf, dass sie es
mit den von „Aus-WEG?!“ vermit-
telten Hilfen schaffen könnte, ihr
Leben mit allen Anforderungen zu
meistern. In letzter Sekunde sag-
te sie im Vertrauen darauf, dass
wir zu unserem Wort stehen, den
Abbruchtermin ab.
Heute ist sie froh über die-
se Entscheidung. Dank unserer
engagierten Ehrenamtlichen
aus einer Gemeinde an ihrem
Wohnort, die die Frau schon
während der Schwangerschaft
unterstützte, kann sie sowohl ih-
ren Kindern als auch dem Beruf
gerecht werden. Beziehungen
sind gewachsen, die alle Betei-
ligten bereichern. Die Frau, die
bisher keine Kontakte zu Chris-
ten hatte, hat sich auch schon
zu Gemeindeveranstaltungen
einladen lassen und sich dort
sehr wohl gefühlt.
„Hallo, ich heiße Sandra und
werde in ein paar Tagen 27 Jah-
re alt. Ich habe eine Tochter,
die drei Jahre alt ist und die
ich über alles liebe und einen
wunderbaren Mann. Wir haben
so ein gutes Leben. Es soll ge-
nauso bleiben wie es ist. Jetzt
bin ich wieder schwanger und
will dieses Kind auf gar keinen
Fall. Niemand kann mich ver-
stehen. Ich verstehe mich ja
selbst nicht. Können Sie mich
verstehen?“
Geschichten wie diese hören
wir bei Aus-WEG?! jeden Tag. In-
zwischen wenden sich Betroffe-
ne aus ganz Deutschland, der
Schweiz und Österreich an uns.
Hilfe – Zwillinge!
Eine glücklich verheiratete Frau
mit einem etwa einjährigen Sohn
ruft in der Beratungsstelle an. Ihr
Gynäkologe hatte festgestellt,
dass sie mit Zwillingen schwan-
ger ist. Ihr Mann und sie hatten
sich ein weiteres Kind gewünscht,
doch die Vorstellung, bald drei
kleine Kinder versorgen zu müs-
sen, versetzte sie in Panik. Auch
ihr Mann, der zu seinem Arbeits-
platz täglich eine sehr weite Stre-
cke zurücklegen muss, dachte,
es sei nicht zu schaffen.
Der fi nanzielle Aspekt stand
nicht im Vordergrund. Die Fa-
milie war erst umgezogen und
konnte weder auf die Hilfe von
Eltern noch auf den Freundeskreis
zurückgreifen. Auch für diese
Familie stellten wir ein kleines
Helfer-Netzwerk zusammen. Sie
entschieden sich für die Kinder.
Das Telefon der Beratungsstel-
le klingelt. „Vor über einem Jahr
habe ich mein Kind abtreiben
lassen“, erzählt die Studentin.
„Ich komme überhaupt nicht
damit klar und denke immer
wieder an Suizid. Oft stehe ich
an einem Bahngleis und überle-
ge einfach zu springen, wenn der
Zug kommt. Ich sehe keinen Sinn
mehr in meinem Leben. Es ging so
viel bergab seit der Abtreibung.
Erst schaffte ich zwei Prüfungen
nicht und dann habe ich mit mei-
nem Freund Schluss gemacht. Ich
konnte seine Anwesenheit nicht
mehr ertragen.“
In der therapeutischen Be-
ratung nach einem Schwanger-
„Aus-WEG?!“ ist der Name der Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle
in Pforzheim. Träger ist der Verein Hilfe zum Leben Pforzheim e.V.,
der 1992 gegründet wurde. Der Verein ist Mitglied im Diakonischen
Werk Baden und muss sich über Spenden finanzieren.
Wir
sind doppelt
parteiisch:
Wir stehen auf der
Seite der Mutter und
ihres Kindes.
Die Beratungsstelle Aus-WEG?!
ist telefonisch erreichbar unter
07231 42 46 000 oder
0152 292 900 82 oder unter
Konto-Nummer: Sparkasse Pforzheim,
IBAN-Nummer DE12 6665 0085 0000 736600.
Die Beratungsstelle bietet Rat und Hilfe für
schwangere Mütter und Paare an sowie Therapie
für Frauen und Männer nach Abtreibung.
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schaftsabbruch sieht man das
ganze Ausmaß des Traumas. Bei
einer Klientin brach es 18 Jahre
nach dem Schwangerschaftsab-
bruch auf. Sie entwickelte eine
schwere Depression. Mehrere
Klinikaufenthalte zeigten wenig
Wirkung. Ihr Psychiater wusste
nicht, welches Medikament er
noch ausprobieren könnte. In
Absprache mit dem Facharzt be-
gannen wir mit der Beratung. Die
Frau stabilisierte sich innerhalb
weniger Monate – ein Wunder!
Hohe emotionale Belastung
Abtreibung betrifft alle Frauen im
gebärfähigen Alter, in allen sozia-
len Schichten, mit verschiedenen
kulturellen Hintergründen und
allen Glaubensrichtungen. Die
Frauen sind entweder ungeplant
schwanger geworden und denken
an einen Schwangerschaftsab-
bruch oder sie leiden darunter,
dass sie eine Abtreibung haben
vornehmen lassen. Die Gründe,
warum eine Frau sich gegen ihr
Kind entscheidet, sind oft durch-
aus nachvollziehbar, denn in
einer ohnehin schon problema-
tischen Lebens- oder Beziehungs-
situation kündigt sich plötzlich
ein Kind an. Viele Frauen sind
zudem einem ungeheuren Druck
von Seiten der Väter ausgesetzt.
Erst kürzlich hat ein Mann sei-
ner Partnerin, unserer Klientin,
eine hohe Summe Geld angebo-
ten, damit sie das gemeinsame
Kind abtreiben lässt. Sie hat sich
dennoch für ihr Kind entschieden.
Zum Schock über die Schwanger-
schaft kommen oft eine unsichere
Zukunft (auch berufl ich) und eine
Partnerschaft, die plötzlich grund-
sätzlich in Frage gestellt wird. Das
sind hohe emotionale Belastun-
gen. Immer wieder hören wir im
Schwangerschaftskonfl ikt zwei
Argumente für eine Abtreibung:
Das Kind sei noch kein Kind und
es sei besser für alle Beteiligten.
Gemeinsam nach Perspektiven suchen
Auswege zu fi nden für und mit
Frauen, die unerwartet schwan-
ger geworden sind, das ist das
Hauptanliegen der Beratungsstel-
le Aus-WEG?!. Wir sind doppelt
parteiisch: Wir stehen auf der Sei-
te der Mutter und ihres Kindes.
Das heißt wir beraten eindeutig
zum Leben! Viele Betroffene ent-
decken unsere Angebote durch
Anzeigen, über Empfehlungen
und im Internet. Dies ist ein nie-
derschwelliger Zugang. Durch das
Internet kann man auch anonym
beraten werden.
Unser Grundsatz lautet: „Nicht
das Kind muss beseitigt werden,
sondern die Probleme, die gegen
das Kind sprechen.“ Wir beraten
nicht nur, sondern suchen ge-
meinsam mit den Frauen nach
Perspektiven, damit ein Leben mit
dem Kind gelingen kann.
Ein Gespräch reicht in der Regel
nicht aus. Die Klientin benötigt
zeitnah konkrete Perspektiven
und individuell auf ihre Situation
zugeschnittene praktische Hilfen.
Nur so kann sie erkennen,
dass es für sie und ihr Kind
eine gute Zukunft geben kann.
Diese praktischen Hilfen stel-
len wir vor Ort sicher. Wir
nehmen Kontakte zu Hilfs-
gruppen oder christlichen
Gemeinden auf, über die
dann die praktischen Hilfen
organisiert werden.
Ein Trugschluss
Nach einem Schwanger-
schaftsabbruch sind viele
Frauen zunächst erleichtert. Sie
hoffen, ihr Leben fortsetzen zu
können wie vor der Schwanger-
schaft. Doch dies erweist sich
oft als Trugschluss. Die Abtrei-
bung wird von vielen verdrängt.
Doch irgendwann – oft nach
Jahren – treten Symptome auf,
zum Beispiel Depressionen,
Schlafstörungen, undefi nierbare
Schmerzen, Schuldgefühle und
vieles mehr. Christliche Frauen
denken, Gott könne diese
Schuld niemals verge-
ben. Ihre Beziehung
zu Gott leidet und
sie ziehen sich
aus der Gemein-
de zurück. Etwa
80 Prozent der
Partnerschaften
und Ehen sind
nach einer Abtrei-
bung zerstört. Aber:
Schuld kann vergeben
werden!
Ein Schwangerschaftsabbruch
betrifft viele Menschen. Unser An-
liegen ist es, Hoffnung für diese
verborgene Not zu vermitteln.
Auch dieses Geschehen kann
aufgearbeitet werden.
Dorothee ErlbruchLeiterin der Beratungsstelle Aus-
WEG?!, Diplom-Sozialarbeiterin,
Mediatorin und EMDR-Therapeutin
„Eine geschenkte Zeit
des Nachdenkens
über Werte und Glauben.“
Anette Hübinger,
seit 2005 für die CDU im Bundestag. Foto
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Beten und frühstücken
im Parlament
Seit weit über 60 Jahren gibt
es „Gebetsfrühstücke“ in Par-
lamenten. Angefangen hat alles
in den USA. Dort ist es mittler-
weile eine deutlich öffentliche
Veranstaltung. Denn manch-
mal nehmen mehrere Tausend
Gäste daran teil, es spricht der
Ist die Tür zu, wird es privat. „Was dann gesprochen wird, darf nicht raus!“
Dr. Peter Enders, CDU-Landtagsabgeordneter in Rheinland-Pfalz, ist
da konsequent. Was im monatlichen „Gebetsfrühstück“ der Landtags-
abgeordneten in Mainz besprochen wird, ist privat und nicht für die
Öffentlichkeit bestimmt. „Es gilt da der Vertrauensvorschuss“, erklärt
Enders. Kaffee und Schnittchen stehen bereit, weiß man. Was sonst im
vertrauten, überparteilichen Kreis besprochen wird, weiß man nicht.
Wer etwas aus der Runde weitersagt, wird nicht mehr eingeladen.
amtierende US-Präsident, Ein-
ladungen ergehen an Parlamen-
tarier und Persönlichkeiten in
aller Welt. Auch eine 25-köpfi -
ge deutsche Delegation nimmt
seit Jahren traditionell an dem
US-Gebetsfrühstück teil. 2015
waren unter anderem die Bun-
destagsabgeordneten Heike
Baehrens und Bernd Rützel
(beide SPD), Christian Haase,
Stefan Heck und Frank Heinrich
(CDU), Bayerns Innenminister
Joachim Herrmann (CSU), der
FDP-Europa-Abgeordnete Mi-
chael Theurer sowie Klaus Ernst
(Die Linke) in Washington.
Wenn Gebet Vertrauen schafft
Das „Nationale Gebetsfrühstück“
in den USA ist eine Art Kontakt-
veranstaltung. Hier trifft man sich
zum Meinungsaustausch, stellt
internationale Beziehungen her.
Es ist „ein Treffen im Geist Jesu,
aber keine ausschließliche christ-
liche Veranstaltung“, sagt der
Babenhausener Rechtsanwalt Dr.
Ingo Friedrich, der 2013 als deut-
scher Vertreter einer karitativen
Juristenvereinigung eingeladen
wurde. Das Gebetsfrühstück „soll
der Völkerverständigung über
kulturelle und religiöse Unter-
schiede hinweg dienen“.
In Deutschland hat sich eine
andere Art des Gebetsfrühstücks
durchgesetzt. In den Landespar-
lamenten von Baden-Württem-
berg, Bayern, Hamburg, Hessen,
Niedersachsen, Rheinland-Pfalz,
Sachsen-Anhalt und Sachsen so-
wie im Bundestag treffen sich
Parlamentarier regelmäßig zum
„Eine Hilfe, uns auf unsere
Verantwortung zu besinnen.
Vor Gott und den
Menschen.“
Frank Heinrich, seit 2009
für die CDU im Bundestag.
„Wohltuend, jenseits
der Sitzungen das Wort
Gottes zu hören und
darüber zu reden.“
Bernhard Brinkmann,
seit 1998 für die SPD im Bundestag.
„Eine Vergewisserung: Ich bin
als Abgeordneter verantwortlich
für mein Tun – aber nicht allein,
sondern mit Gott.“
Josip Juratovic,
seit 2005 für die SPD im Bundestag.
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Gebet, gemeinsamen Bibellesen
und Gedankenaustausch. Poli-
tisch oder öffentlichkeitswirk-
sam sind diese Treffen nicht.
Vielmehr sind die Treffen be-
wusst privat gehalten.
Es sollen aber auch keine
Geheimtreffen sein. Darum ge-
währt gerade das Gebetsfrüh-
stück im Deutschen Bundestag
ab und zu einem Journalisten
einen Einblick. Ca. 200 Abgeord-
nete haben ihr grundsätzliches
Interesse an der Veranstaltung
bekundet, heißt es. Im Schnitt
gerecht? Bin ich den Aufgaben
gewachsen?“
Um dann zu bekennen: „Ich
vertraute auf Gott und bat ihn
um Hilfe.“
„Hier bist du richtig“Juratovic plaudert dann doch aus
dem Nähkästchen: „Als ich an
meinem ersten Gebetsfrühstück
teilnahm und auf die einführen-
den Worte aus dem Losungs-
buch hörte, die Gedanken und
Gefühle meiner Mitschwestern
und Mitbrüder erfuhr, war ich
ergriffen.“
Da saßen andere Bundestagsab-
geordnete mit ihm zusammen,
die er im Plenum als so stark
und von sich überzeugt erlebt
hatte. Nun hörte er erstaunt von
ihren Sorgen und Ängsten. Sie
erzählten, „dass sie in ihrem
innersten Herzen die gleichen
Gedanken, ja Bedenken und Ver-
unsicherungen“ erlebten wie er
auch. Dass sie manchmal „mit
Gott haderten“. Da hätte er ge-
wusst: „Ja, du bist richtig im
Gebetsfrühstückskreis.“
Für ihn ist das Treffen am Ende
der Sitzungswoche „nach so vie-
len gesellschaftlichen, taktischen
und politischen Fragen“ die er als
ein eng geschnürtes Korsett emp-
fi ndet, „eine Oase des Friedens
und der Menschlichkeit“. In allem
Leid und in aller Not dieser Welt,
die er gerade auch als Mitglied
des Auswärtigen Ausschusses
sehr deutlich vor Augen sieht,
sei es seine Gewissheit, dass
„Jesus Christus mein Trost und
meine Hoffnung ist“.
Juratovic führt näher aus:
„Trost – im Bewusstsein, wie
klein und bedeutungslos mein
Schmerz ist, verglichen mit
dem, was Jesus am Kreuz für
uns Menschen erduldet hat.
Hoffnung – dass er mich nicht
fallen lässt.“
Auch für Anette Hübinger
ist das Gebetsfrühstück eine
so feste Einrichtung, dass sie
versucht, „den Freitagmorgen
freizuhalten“. Glaube sei für
sie eine Richtschnur für die
Politik und eine „Korrek-
tur, nicht selbstgefällig zu
werden“. Wenn Deutsch-
land Soldaten irgendwo in
den Einsatz schickt, dürfe
„meine Hand bei der Abstim-
mung zittern“.
Dr. Peter Enders sagt dann
doch etwas zum rheinlandpfäl-
zischen Gebetsfrühstück. Die
Abgeordneten kämen verändert
aus der Veranstaltung, hat er be-
obachtet. „Gelassener.“
schaffen es dann 20 bis 40 zu der
einstündigen Versammlung, die
freitags um 8 Uhr morgens be-
ginnt. Brot, Brötchen, Marmelade,
Käse, Wurst, Kaffee, Tee stehen
bereit. Und meist liegt ein Zet-
tel aus mit der Tageslosung der
Herrnhuter Brüdergemeinde – ei-
nem Satz aus der Bibel, der nach
dem Zufallsprinzip für jeden Tag
des Jahres ausgelost wird. Dieser
Text wird gemeinsam gesprochen,
dann wird einem der Teilnehmer
das Wort erteilt – natürlich vorher
abgesprochen.
Josip Juratovic, SPD-Bundes-
tagsabgeordneter, hat seinen
Vortrag öffentlich gemacht. Er
beschreibt seine Sorge und
Angst, wie er, als einfacher
Kfz-Mechaniker und gebürtige
Jugoslawe, in den Bundestag
gewählt worden sei. „Werde
ich den gestellten Erwartungen
10
Zu Gast bei Ruth und Traugott
SchlechtSpargel mit Shrimps, für mich eine neue kulinarische Kreation. Ich
sitze mit Ruth Schlecht an ihrem großen Esstisch im eigenen Haus
im nordbadischen Kraichtal bei Bruchsal. Ihr Mann Traugott serviert
mir diese neue Variante des königlichen Gemüses aus badischem
Anbau. Es schmeckt hervorragend.
Ich habe mich bei
Schlechts eingeladen
weil ich neugierig bin und
einiges aus ihrem gemein-
samen Leben erfahren will.
40 Jahre sind die beiden
inzwischen verheiratet, ge-
heiratet wurde mit 20. Der
Kinderwunsch von beiden blieb
unerfüllt. Leider, wie sie sagen.
Wer jedoch meint, die beiden
hadern deshalb mit ihrem ge-
meinsamen Leben, weit gefehlt ...
Mit 17 lernten sie sich ken-
nen und wollten „sauber“ in
die Ehe gehen. Das bedeutete
beiden, mit Sex bis zur Ehe zu
warten. Ein Entschluss, den sie
gerne auch heute noch Jugend-
lichen empfehlen. Außerdem
war ihnen wichtig, auch in der
Freundschafts- und Verlobungs-
zeit trotzdem mit anderen jungen
Leuten zusammen Freizeit zu ver-
bringen. Nach der Hochzeit war
klar, dass ihre Wohnung „offen“
sein sollte für junge Leute. Beide
leben eine große Leidenschaft
fürs Reich Gottes und zum ande-
ren wollen sie Leben genießen
und dies gerne mit anderen tei-
len. Sie verstehen es, aus jeder
Gelegenheit ein Fest zu machen
und mit anderen zu feiern.
60 Toast Hawaii
Anfangs war Ruth Schlecht die-
jenige, die als Erzieherin für das
gemeinsame Haushaltsgeld sor-
gen musste. Traugott Schlecht
studierte noch einige Jahre, um
später Architekt zu werden. Als
sie für einen Hausumbau viel
Geld aufnehmen mussten, war
es jahrelang äußerst knapp in
der Kasse. Trotzdem war ihr Haus
oft voll mit jungen Leuten. Ruth
erinnert sich, wie sie bis zu 60
Hawaii-Toast mit billigem Käse
und Schinken aus dem Super-
markt in den Backofen schob,
um die Jugendlichen satt zu
bekommen, die mit Heißhunger
ihre Wohnung belagerten.
Beide haben keine Berüh-
rungsängste, wenn es darum
geht, Kontakt zu neuen Men-
schen zu bekommen. Dabei ist es
für sie selbstverständlich, über
den eigenen Glaubensstand-
punkt mit anderen zu sprechen.
Beide lassen sich Freiräume
in der Gestaltung der Freizeit.
Ruth trifft sich gerne mit Kolle-
ginnen aus der Zeit als Erziehe-
rin. An diesem Frauenstamm-
tisch wird über Gott und die
Welt gesprochen. „Frau“ nimmt
Anteil am Ergehen der anderen.
Ruth und Traugott Schlecht
können selber und mit anderen
genießen, sich im Urlaub aber
auch abschotten und abschalten.
In den Urlaub nehmen sie kein
Handy mit, die Post bleibt selbst
beim Urlaub zuhause unberührt.
Sie kommen entsprechend aus-
geruht und aufgetankt in den All-
tag zurück, um wieder viele Kon-
takte zu Mitmenschen zu leben.
Traugott behauptet: „Setze mir
jemand an den Tisch und ich weiß
in kürzester Zeit wie es ihm geht.“
Von Angesicht zu Angesicht
Wenn sie Gäste haben, kon-
zentrieren sie sich voll auf sie.
Überhaupt leben sie so, dass sie
dort, wo sie gerade sind, ganz
dabei sind.
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Facebook lehnen sie ab, da-
für laden sie Jugendliche zum
„Face-Room“ ein. Damit mei-
nen sie ihren großen Esstisch,
an dem man sich Face-to-Face
(von Angesicht zu Angesicht)
gegenüber sitzt, um miteinan-
der zu reden und den anderen
wahrzunehmen.
Ruth Schlecht leitet trotz
ihrer 60 Jahre noch einen
Schülerbibelkreis und lädt die
Jugendlichen immer wieder zu
sich nach Hause ein.
Das alles ließ sich für sie
neben dem Beruf längst nicht
mehr leben. Deshalb fasste
sie den grundlegenden Ent-
schluss, nach zehn Jahren
Erzieherin ihren Beruf auf-
zugeben, um sich mehr
ehrenamtlich anderen
Menschen, vor allem
Jugendlichen zu wid-
men und genügend
Zeit für sie zu haben.
Was sie damals noch
nicht ahnte war, dass
sie 15 Jahre lang Eltern
und Schwiegereltern pfl e-
gen würde. Sie lernte es, den
alt gewordenen Eltern zurück-
zugeben, was diese ihnen, den
Jüngeren an Zeit und Liebe ge-
geben hatte. Ihr Motto: „Was
du machst, mach es richtig!“
Immer wieder kommt es vor,
dass Ruth und Traugott Jugend-
lichen den Hausschlüssel ge-
ben, damit diese ihre Sauna
nutzen oder sich im Keller und
im Lebensmittelregal bedienen
und gemeinsam etwas kochen
können.
Ab und zu bereiten Ruth und
Traugott für Jugendliche einen
Kinoabend bei sich zuhause vor,
indem sie Popcorn und Geträn-
ke hinstellen. Dann können die
Jugendlichen einen Film aussu-
chen und anschauen.
„In meinem Haus habe ich das Sagen“
In zahlreichen Jugendfreizeiten
prägten sie über Jahrzehnte jun-
ge Menschen. Als Kochteam
sind sie bei Zeltlagern heiß
begehrt. Traugott war in jungen
Jahren in einer christlichen Band
aktiv. Ruth begleitete eine pro-
minente christliche Popsänge-
rin als deren Managerin. Immer
wieder kam es vor, dass andere
christliche Sänger und Bands
bei ihnen zuhause übernach-
teten. Dabei fuhren jene lieber
Wenn wir bereit sind zu gehen
und eine Sache zu beginnen,
gibt er die Gaben“, so das Fazit
der beiden.
Traugott lebt nach dem Mot-
to: „In meinem Haus habe ich
das Sagen.“ Deshalb liest er
Gästen zum Abschied gerne
Anekdoten aus christ-
lichen Büchern vor,
die weiter zum Nach-
denken anregen.
Beide lieben köst-
liches Essen und ent-
sprechende Weine. Dabei
wäre es ihnen auch möglich,
eine Woche lang jeden Tag
dieselbe einfache Mahlzeit zu
essen. Sie sind letztlich nicht
abhängig von gutem Essen, son-
dern nutzen ihre Gabe der Gast-
freundschaft und der Menschen-
liebe, um durch gutes Essen und
fröhliche Gemeinschaft anderen
eine Freude zu machen und der
einen oder dem anderen neue
Perspektiven und Zuversicht zu
vermitteln.
Schön, dass ich das erleben
konnte mit der Spargel-Shrimps-
Kreation. Aber mehr noch, dass
ich Teil sein durfte in der Ge-
meinschaft mit den beiden,
die ihren christlichen Glauben
authentisch leben.
Klaus Ehrenfeuchter
Ruth und Traugott
Schlecht„Gott gibt zu Aufgaben
auch die Gaben. Wenn wir
bereit sind zu gehen und
eine Sache zu beginnen,
gibt er die Gaben.“
mehrere Kilometer zusätzlich,
um vom Einsatzort aus wieder
im vertrauten „Gasthaus“ bei
Schlechts unterzukommen. Trau-
gott erinnert sich, wie er nach
solchen Abenden und Nächten
oft mit Schlafmangel zur Arbeit
musste. Denn neben Zeit mit den
Gästen wird ein Prinzip eisern
eingehalten: Egal wie lange eine
Party dauert oder der Besuch
dageblieben war, es wird immer
alles aufgeräumt und abgespült,
um morgens neu in den Tag star-
ten zu können.
Beide haben gelernt, dass
man nicht immer nur gabenori-
entiert arbeiten kann. „Gott gibt
zu Aufgaben auch die Gaben.
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Kalt wie eine Hunde-schnauze
Caulaincourt, der Vertraute und
Biograf von Napoleon berichtete
über den Abend nach der verlore-
nen Völkerschlacht bei Leipzig am
19. Oktober 1813. Als der Kaiser
über das Schlachtfeld ritt, hörte
man überall das Stöhnen und Rö-
cheln der Sterbenden. Napoleon
rief geringschätzig und höhnisch:
„Wertlose Masse!“ und ritt davon.
Wie gut, dass Gott uns Men-
schen nicht als wertlose Masse
sieht. Ein Beter der Bibel formu-
liert es staunend und begeistert:
„Was ist der Mensch, dass du
an ihn denkst? Wer ist er schon,
dass du dich um ihn
kümmerst! Du hast
ihn nur wenig gerin-
ger gemacht als Gott,
mit Ehre und Würde
hast du ihn gekrönt“
(Psalm 8,5-6).
Die Würde und der Wert des
Menschen sind demnach nicht
abhängig von dem, was er leis-
tet, weiß und kann. Unsere Men-
schenwürde liegt darin, dass wir
„Made by God“ sind. Von Gott er-
dacht und gemacht. Und deshalb
wertvoll. Menschenwürde hängt
nicht von Vitalität, Schönheit, Be-
gabung oder Leistungsfähigkeit
ab. Sie gehört zum Geschenk des
Lebens dazu. Von Anfang an. Und
bis zum Ende.
„Die Würde des Menschen ist
unantastbar.“ Diese großartige
Aussage steht am Anfang des
Grundgesetzes. Als erster Satz,
als oberstes Gut, als wichtigster
Rechtswert. Diese Festlegung
bestimmt alles andere. Und das
pauschal und universal. Nicht nur
„die Würde der Deutschen“, „die
Würde der Leistungsträger“, oder
„die Würde der Gesunden“. Allen
wird Würde zugesprochen –
Frauen und Männern, Kranken
und Gesunden. Allen ist mit Wür-
de zu begegnen – Reichen und
Armen, Behinderten und Nicht-
behinderten. Die Würde aller ist
geschützt – von Kindern und Er-
wachsenen, von Einheimischen
und Ausländern, von Christen
und Muslimen, einfach von allen.
Menschenverachtende Einteilung
Dass der Schutz der Würde des
Menschen bei den Verfassern
des Grundgesetzes die „Top-
Priorität“ bekam, hing mit den
schrecklichen Erfahrungen der
Hitler-Diktatur zusammen. Die
menschenverachtende Eintei-
lung in lebenswertes und nicht
lebenswertes Leben. Allerdings
war dieses Gedankengut auch
schon vor der Machtübernahme
der Nationalsozialisten allge-
mein verbreitet.
1920 erschien das Buch:
„Die Freigabe der Vernichtung
lebensunwerten Lebens, ihr
Maß, und ihre Form.“ Verfasser
waren Professor Karl Binding,
ein Leipziger Strafrechtslehrer,
und Professor Hoche, ein Frei-
burger Neuropathologe. Beides
waren keine Nazis. Bindings starb
schon 1920 und Hoche trat mit
der Machtübernahme der Nati-
onalsozialisten von seinem Amt
an der Universität zurück.
Und trotzdem prägten sie
den Begriff des „lebensunwer-
ten Lebens“ und die Diskussion
darüber – bis heute. Ihre Defi ni-
tionen bestimmten das Gedan-
kengut der Nationalsozialisten.
Worte wie „Ballastexistenzen“,
„Neben-Menschen“, “Defekt-
menschen“, „geistig Tote“, „leere
Menschenhülsen“ wurden ganz
selbstverständlich übernommen.
In Mathematikbüchern gab
es folgende Aufgaben: „Ein
Die Würde des Menschen ist UNANTASTBAR
NS-Hetzblatt zur
Akzeptanzbereitung
der Euthanasie
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Geisteskranker kostet täglich
RM 4.-, ein Krüppel RM 5.50.-...
In vielen Fällen hat ein Beamter
nur täglich RM 4.-, ein Angestell-
ter kaum 3.50.-, ein ungelernter
Arbeiter noch keine RM 2.- auf
den Kopf der Familie... Was kos-
tet die Anstaltspfl ege jährlich bei
einem Satz von RM 4.-? Wieviel
Ehestandsdarlehen zu je RM
1000.- könnten von diesem Geld
jährlich ausgegeben werden?“
Gekonnt wurde die Mei-
nungsbildung der Gesellschaft
beeinfl usst. So, dass behinder-
tes Leben zunehmend als min-
derwertig, unnütz und unwert
empfunden wurde. Eine Rechen-
aufgabe lautete: „125 Mark sind
die Ausgaben für ein gesundes
deutsches Schulkind. Um wie
viel Prozent teurer kommt dem
deutschen Volk ein Geisteskran-
ker oder Krüppel?“
Folgerichtig – und trotzdem ka-
tastrophal falsch – wurde selek-
tiert. In Starke und Schwache. In
„lebenswertes“ und „lebensun-
wertes Leben“. Entsprechend
dieser verhängnisvollen Logik
ermordete man planmäßig phy-
sisch und psychisch Kranke und
besonders geistig Behinderte.
Schließlich waren sie „Parasi-
ten am deutschen Volkskörper“.
Mutiger Bischof
Gott sei Dank gab es Menschen
wie den Bischof in Münster, Cle-
mens August Kardinal Graf von
Galen. In seiner Predigt am 3. Au-
gust 1941 informiert er, dass Kran-
ke aus Heil- und Pfl egeanstalten
abtransportiert werden und die
Angehörigen nach kurzer Zeit die
Mitteilung erhielten, der Kranke
sei verstorben und die Leiche be-
reits eingeäschert. Er äußert den
„an Sicherheit grenzende[n] Ver-
dacht, daß man dabei jener Lehre
folgt, die behauptet, man dürfe
sogenanntes ‚lebensunwertes
Leben‘ vernichten“.
Mutig bezeichnet er jede mit
Überlegung ausgeführte vorsätz-
liche Tötung als Mord.
Und erläutert: „Es handelt sich
hier ja nicht um Maschinen, es
handelt sich nicht um ein Pferd
oder eine Kuh … Nein, hier han-
delt es sich um Menschen, unsere
Mitmenschen, unsere Brüder und
Schwestern! Arme Menschen,
kranke Menschen, unprodukti-
ve Menschen meinetwegen! Aber
haben sie damit das Recht auf
das Leben verwirkt? Hast du, ha-
be ich nur so lange das Recht
zu leben, solange wir produktiv
sind, solange wir von den an-
deren als produktiv anerkannt
werden?“
Was er wohl dazu sagen
würde, dass der Philosoph Pe-
ter Singer „Menschenrechte für
Menschenaffen“ einfordert, aber
dafür eintritt, dass schwerst be-
hinderte Babys bis zum 28. Tag
nach der Geburt getötet werden
dürfen?
Zu den Opfern der Rassen-
hygiene gehören auch die so-
genannten „Asozialen“. Das
sind Bettler, Landstreicher, Ho-
mosexuelle, Prostituierte, etc.
Sie sollen systematisch aus-
gemerzt werden. Und natürlich
die „Fremdrassigen“. Die Juden,
Roma, Osteuropäer, Schwarze
und Araber, die man planmäßig
liquidieren will.
Dem hält Konrad Kardinal von
Preysing in seinem Hirtenbrief
vom 13. Dezember 1942 entge-
gen: „Wer immer Menschenant-
litz trägt, hat Rechte, die ihm
keine irdische Gewalt nehmen
darf. […] All die Urrechte, die
der Mensch hat, das Recht auf
Leben, auf Unversehrtheit, auf
Freiheit, auf Eigentum, auf eine
Ehe, deren Bestand nicht von
staatlicher Willkür abhängt, kön-
nen und dürfen auch dem nicht
abgesprochen werden, der nicht
unseres Blutes ist oder nicht un-
sere Sprache spricht.“
Aus den Fehlern der Vergangenheit lernen
Der Anfang des Neubeginns
1949 war gekennzeichnet von
dem Willen, aus der Vergangen-
heit zu lernen. Deshalb stellte
man ganz vorn, an den Anfang
des Grundgesetzes die Erklä-
rung: „Die Würde des Menschen
ist unantastbar.“
Das Bekenntnis zur unantast-
baren Würde des Menschen un-
terliegt wegen seiner Wichtigkeit
nach Art. 79 III GG der Unabän-
derbarkeitsklausel – der soge-
nannten „Ewigkeitsklausel“. Wer
genau hinsieht, merkt, wie zu-
nehmend gefährdet diese
so wichtige Schutzzusage
heute ist.
Wir sollten darauf ach-
ten, dass die Antastbarkeit
menschlichen Lebens ge-
samtgesellschaftlich nicht
noch mehr legitimiert wird.
Dass die Würde des Men-
schen geschützt wird – schon
vor der Geburt. Bei Kranken,
geistig und körperlich Be-
hinderten. Und beson-
ders auch am Ende
des Lebens und
in der Diskussion
um Euthanasie.
Der evangeli-
sche Pfarrer und
Widerstandskämp-
fer Dietrich Bonhoef-
fer hat Recht: „Es gibt
vor Gott kein lebensunwer-
tes Leben; denn das Leben selbst
ist von Gott wert gehalten.“
Ernst Günter Wenzler
Bischof Clemens
August Kardinal Graf
von Galen
Das Grundgesetz
vom 23. Mai 1949
„Es gibt
vor Gott kein lebens-
unwertes Leben; denn
das Leben selbst ist von
Gott wert gehalten.“
Dietrich Bonhoeffer
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Volkssport Mobbing
Wege aus der Krise
Nick Vujicic
1. Phase: Am Anfang steht ein unge-
löster Konfl ikt. Kollegen oder der
Vorgesetzte weisen dem Betroffe-
nen die Schuld zu.
2. Phase: Der ursprüngliche Konfl ikt
gerät recht schnell in den Hinter-
grund. Die Kritik richtet sich jetzt
nicht mehr auf die Sache, sondern
auf die Person. Das Mobbingop-
fer wird zur Zielscheibe. Der Be-
troffene wird ausgegrenzt und
verliert an Selbstbewusstsein.
3. Phase: Die Situation eskaliert. Der
Betroffene nimmt sich die Situation
so zu Herzen, dass seine Arbeit lei-
det, ihm objektiv Fehler unterlaufen.
Dies erweckt den Eindruck, er sei
für seine Aufgabe nicht mehr ge-
eignet. Er wird abgemahnt, in eine
andere Abteilung versetzt oder gar
mit Kündigung bedroht.
4. Phase: Der mürbe gewordene Ge-
mobbte kündigt oder wird wider-
spruchslos gekündigt.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) defi niert
vier Phasen von Mobbing:
Wie läuft Mobbing ab?
„Obwohl ich aus ungeklärten
Gründen ohne Gliedmaßen ge-
boren wurde, hatte ich es gut.
Ich hatte eine liebevolle Familie,
die mich unterstützte. Die ersten
Jahre meines Lebens wurde ich
einfach nur geliebt und gefördert.
Aber kaum hatte ich das siche-
re Nest verlassen und gegen die
Spielplätze und Flure der Grund-
schule getauscht, hatte ich das
Gefühl, auf meiner Stirn stünde
in großen Lettern: ,Hänseln er-
wünscht!‘
Ich entwickelte eine regelrech-
te Phobie davor, gehänselt zu wer-
den. Und ich hatte das Gefühl,
niemandem ging es so wie mir.
Dabei stimmt das gar nicht.
Wenn du gehänselt oder ge-
mobbt wirst, solltest du dir eins
klarmachen: Bei den blöden
Sprüchen, Angriffen und Gemein-
heiten geht es nicht wirklich um
dich, dein Aussehen oder das,
was du getan hast. Deine Peiniger
haben selbst Probleme. Sie ha-
ben dich auf dem Kieker, um sich
selbst besser zu fühlen, ihre Wut
rauszulassen oder Macht über
jemanden zu haben. Manchmal
haben sie auch einfach Lange-
weile.“
Es hat lange gedauert, bis der
gebürtige Australier eine Strate-
gie gegen seine schikanieren-
den Mitschüler entwickelt hatte.
Vorher unternahm er sogar ei-
nen Selbstmordversuch, der al-
lerdings Gott sei Dank misslang.
Doch es dauerte lange Zeit, bis
er so zu sich selbst fand, dass
er seinen Mitschülern die Stirn
bieten konnte.
Mobbing mit System
Was bei Kindern und Jugend-
lichen oft noch einfach durch-
schaubar ist, stellt sich unter
Erwachsenen meist wesentlich
komplizierter dar. Obwohl die von
Nick Vujicic genannten Ursachen
auch dort gelten. Aber Erwach-
sene handeln meist wesentlich
perfi der, manchmal planvoll und
zumeist wesentlich uneinsichti-
ger, wenn sie „mobben“.
Mobbing macht krank, weiß
Bärbel Meschkutat: „In späteren
Phasen kann es zu schweren,
ernsthaften und chronischen
Nick Vujicic ist lange Zeit von seinen Schulkameraden schikaniert
worden. Oder „gemobbt“, wie es heute heißt: „Ich bin das per-
fekte Mobbingopfer. Keine Arme, keine Beine. Keine Gegenwehr.“
15
Die Zeitschrift mit den guten Nachrichten
AUGENBLICK M
AL
Erkrankungen der Betroffenen
kommen“, kommentierte bereits
2002 die wissenschaftliche Mit-
arbeiterin am damals veröffent-
lichten „Mobbing-Report“.
Von rund 100 Arbeitnehmern
wurden knapp fünf in den ver-
gangenen zwölf Monaten am
Arbeitsplatz schikaniert bzw.
„gemobbt“, ergab eine europa-
weit (34 Länder) durchgeführ-
te Umfrage mit knapp 44.000
Teilnehmern, davon 2000 aus
Deutschland.
Mobbing macht nicht nur die
Betroffenen krank, sondern kos-
tet auch den Arbeitgebern Geld.
Die „Mobbing-Fehltage“ verur-
sachen in Deutschland einen
Schaden bei den Lohnkosten
von 2,3 Milliarden Euro im Jahr –
oder 150,- Euro je Mitarbeiter im
Betrieb. Der Deutsche Gewerk-
schaftsbund hat berechnet, dass
die durch die Fehltage entste-
henden Produktionsausfälle bei
12,5 Milliarden Euro liegen. Die
Krankenkasse und die Deutsche
Rentenversicherung gehen von
etwas mehr als 11 Milliarden Euro
Kosten für Krankenbehandlung
bzw. Frühverrentung von Mob-
bingbetroffenen aus. Mobbing
kostet also rund 25 Milliarden
Euro im Jahr.
Seitdem diese Zahlen bekannt
sind, versuchen Staat und Arbeit-
geber zu handeln. Der fi nanzielle
Druck scheint mehr in Bewegung
zu setzen als das Klagen der Be-
troffenen vorher.
Sich lieben lassen
Mobbingbetroffene können sich
jedoch nicht allein auf die Hilfe
von Außenstehenden verlassen.
Nick Vujicic, der heute als Berater
und Motivationstrainer weltweit
aktiv ist, macht seine entschei-
dende Erfahrung an einem ganz
bestimmten Punkt fest. Ihm sei in
der schlimmsten Mobbingphase
der Gott der Bibel begegnet. Auf
dem Tiefpunkt seines Selbstwert-
gefühles hätte Vujicic plötzlich
erkannt, dass er ein von Gott
geliebter Mensch sei mit allen
Schwächen und auch Stärken.
Vujicic: „Als mir klar wurde,
dass Jesus mich ohne Vorbehal-
te liebt, konnte ich auf einmal
zu mir selbst stehen. Egal, was
andere sagten.“
• Ich lasse mich von Mobbing nicht verletzen und schon gar nicht defi -
nieren. Ich weiß, wer ich bin und wohin ich will.
• Ich gebe niemandem die Macht, mich schlecht fühlen zu lassen. Für
mein Glück bin ich selbst verantwortlich.
• Meine Werte sind fest und unerschütterlich. Sie sind die Richtschnur,
nach der ich mein Leben plane.
• Meine Kraft kommt von innen, und ich lasse mich nicht verunsichern.
• Ich weiß, dass meine Familie und meine Freunde immer hinter mir
stehen, genauso wie ich immer auf ihrer Seite bin.
• Ich weiß um meine Gefühle, vor allem um meine Wut und Ängste, und
ich überlasse meine Reaktion darauf nicht dem Zufall. In Gedanken
und im Verhalten bleibe ich positiv gestimmt.
• Mein geistliches Leben gibt mir Kraft. Ich weiß, dass ich geliebt und
gewollt bin. Wo ich schwach bin, ist Gott stark.
• Aus jeder noch so schlimmen Situation nehme ich etwas Positives mit.
• Ich bin bereit, anderen zu helfen, vor allen denen, die gemobbt werden.
Die Anti-Mobbing-Erklärung
Herausgeber: Brunnen Verlag GmbH, Detlef Holtgrefe, Gottlieb-Daimler-Str. 22, 35398 Gießen
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Redaktion Gießen: Ralf Tibusek , Tel. 0641-6059-170E-Mail: [email protected]
Redaktion Bad Liebenzell: Brigitte Schwab, Tel. 07052-920886
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„Jeder Mensch ist gleich
wertvoll.“ Um das öffentlich
zu proklamieren, wird auch
dieses Jahr wieder in Berlin
der Marsch für das Leben
durchgeführt. Er findet seit
Jahren am vorletzten Sams-
tag im September statt, so-
mit also am 19.9.2015. Dazu
lädt der Bundesverband Le-
bensrecht e.V. ein, dem sich
zahlreiche Organisationen
als Unterstützer und Befürwor-
ter angeschlossen haben. Der
Marsch für das Leben steht unter
dem Motto: „Ja zum Leben – für
ein Europa ohne Abtreibung und
Euthanasie!“
Die Teilnehmer wollen einste-
hen für das unbedingte Lebens-
recht aller ungeborenen, kranken,
alten oder beeinträchtigten Men-
schen. Sie fordern wirkungsvolle
Hilfen für Schwangere und Fami-
lien in Notlagen statt Selektion
und Tötung. Und sie gedenken
der Opfer, wollen eine Stimme
sein für die Betroffenen und An-
gehörigen, die darunter leiden.
In der Bundeshauptstadt
wird Geschichte lebendig, hier
werden wichtige Weichen für die
Zukunft gestellt. Deshalb soll
der Protest hier erhoben wer-
den, auch gegen die bereits dis-
kutierte Tötung auf Verlangen.
Die Kundgebung beginnt um
13 Uhr vor dem Bundeskanzler-
amt, der Schweigemarsch führt
durch Berlin-Mitte. Abschluss
bildet ein Ökumenischer Got-
tesdienst, Ende ist gegen 17 Uhr.
Brigitte Schwab
Teilnehmer-Informationen unter:
www.marsch-fuer-das-leben.de
Gemeinsam
für das Leben
Marsch für das Leben durch Berlin
Gedenken an die Opfer in
Charleston
Er wollte einen Rassenkrieg aus-
lösen, sagte der Attentäter von
Charleston, Dylann Roof (21). Am
17. Juni war der weiße
US-Amerikaner zur Bi-
belstunde in die Ema-
nuel African Methodist
Episcopal-Kirche ge-
gangen. Sechs Monate,
heißt es, habe er den
Anschlag geplant und
vorbereitet. Er wollte
durch die Morde einen
Rassenkrieg auslösen.
Am Ende der Veranstaltung zück-
te er eine Waffe und erschoss
neun Besucher im Alter zwischen
26 und 87 Jahren.
Dem Untersuchungsrichter er-
klärte Roof, fast hätte er sein
Vorhaben abgebrochen, weil die
Gemeindemitglieder so nett und
freundlich zu ihm gewesen wären.
Roofs Familie sagte sich von
dem Attentäter los. Seine Schwes-
ter Amber gab der Polizei den ent-
scheidenden Tipp zur Fahndung.
Sein Onkel Carson sagte Medien-
vertretern, bei einer Verurteilung
zum Tode würde er sich bewerben,
den Knopf für den elektrischen
Stuhl zu drücken. Ganz anders die
christliche Gemeinde und die An-
gehörigen der Ermordeten. Nicht
nur Pastor Novel Goff, sondern
zahlreiche Verwandte der Opfer
riefen zur Vergebung auf. Die
Tochter von Ethel Lance: „Roof
hat mir etwas sehr Wertvolles ge-
nommen. Ich werde meine Mutter
nie wieder in den Arm nehmen
können. Doch ich vergebe. Roof,
du hast mir weh getan und vielen
anderen. Doch Gott vergibt dir
und ich vergebe dir.“
Felicia Sanders, Mutter der
ermordeten Tywanza Sanders,
erklärte, dass „jede Faser mei-
nes Körpers schmerzt“. Dennoch
wünsche sie sich, dass der Amok-
schütze Gottes Erbarmen erleben
könne. So auch die Enkelin des
ermordeten Daniel Simmons:
„Der Hass darf nicht siegen!“
Der christlichen Gemeinde ist
klar: In dieser schweren Stunde
trägt sie ihr Glaube und schenkt
Kraft, statt zum Rassenkrieg auf-
zurufen zu vergeben.
Ralf Tibusek
Nach Attentat in Charleston
Vergebung statt Rassenkrieg